Unsere Situation zwischen altem und neuen Ufer – Engling ist ein Heiliger der Zukunft 1) Unsere Situation zwischen alten und neuem Ufer An einem sommerlichen Abend in der Nähe von Frankfurt besuchte ich eine Kirche. Sie war geöffnet. Keine Heilige Messe, jedoch dass Allerheiligste war auf dem Altar ausgesetzt. Es waren da drei Frauen, die beteten den Rosenkranz, darunter eine Deutsche, eine Inderin und eine Frau aus Fernost. Nach dem Rosenkranz beteten sie den Barmherzigkeits-Rosenkranz und sangen noch ein Lied, bevor dann die Inderin das Allerheiligste wieder in den Tabernakel zurückbrachte. Das ist der Alltag der Kirche in vielen Gemeinden in Europa heute: Kleine Zellen, die offiziell noch beten für sich und für andere. Es gibt zwar noch viele Kirchen, die meisten sind jedoch leer oder abgeschlossen. Die Menschen sitzen in den Cafes oder arbeiten im Garten oder sind alt und krank. Warum nur so wenige, die sich zum Gebet einfinden? Mein Mitbruder - Markus Amrein sagte mir, als wir vor 2 Jahren in Wadowicze waren, dass hier die Kirche 1986 - unter der Woche - total voll mit Betern gewesen sei. Es war noch die Zeit des Kommunismus. Heute kommen auch viele Menschen, aber die Mehrheit sind Touristen, ob und wie sie beten, dass erfahren wir kaum… Wie konnte es kommen, dass so schnell die Kirchen leergefegt wurden? oder gar wie in Deutschland zu Museen degradiert wurden? Wir leben in einer Zeit, die sich fast ausnahmslos auf das – In der Welt sein –konzentriert. Es ist die Welt von der Nietsche sagt: „Wir haben die Erde von der Sonne losgekettet“. Er beschrieb damit das moderne Lebensgefühl vieler Menschen, das scheinbar ohne Gott auskommt. (poczucie istnienia) Gott spielt keine Rolle im normalen Alltag: so könnte man unsere Zeit beschreiben und alle die etwas anderes predigen, haben noch nicht erfasst, was mit Zeitgeist gemeint ist. Es ist ein Geist, in der die Menschen Wert auf Äußerlichkeiten legen (przkladac wage do wygladu zewnetrznego): Geld, Macht, Schönheit und ewige Jugend. Doch dieses Streben führt zu persönlichen und gesellschaftlichen Katastrophen, die man gerne verdrängt: Junge Menschen, die sich das Leben nehmen, weil sie den Kriterien dieser Welt nicht entsprechen können oder sonst wie ausgeschlossen, bleiben durch Arbeitslosigkeit und Unterdrückung. Es gibt in Europa kaum noch junge Menschen, die einen normalen Arbeitsvertrag bekommen. Viele erhalten nur ein Praktikum oder einen Job auf Zeit. Viele kämpfen mit der Arbeitslosigkeit. Daher stehen junge Menschen – weltweit in großen Versuchungen. Sollen auch sie sich manipulieren lassen, um die säkularen, äußerlichen Früchte einzuheimsen? Abmagern zur Idealfigur, um den Schönheitswettbewerb (konkurencja pieknosci) zu gewinnen. Der Karriere und dem Geld Familie und Freundschaften opfern? Taub sein, wenn die göttliche Berufung ergeht... Kardinal Meisner von Köln sagte in diesem Jahr beim eucharistischen Kongress, das tröstliche Wort über Deutschland: „…Deutschland ist trotz allem – von Gott her gesehen – nicht gottverlassen. Deutschland ist durch die hl. Eucharistie ein gottverbundenes Land. Dafür steht die Eucharistie in den Tabernakeln unserer Kirchen.“ Das können wir auch doch auch von Polen sagen. Aber reicht dies? Was nützen die Kirchen, wenn sie alle abgeschlossen sind, wenn Gott ausgesperrt bleibt - aus der Welt? Gott will bei den Menschen sein und mit ihnen hineingehen in die Probleme und Fragen des Alltags. So entdecken heute Jugendliche und auch Erwachsene die Eucharistie neu. Wer den Herrn anbetet, der betet nicht den Mammon oder das Schönheitsideal an, denn der kennt die wahre Werte-Ordnung. Diese jungen Menschen bleiben nicht in der Kirche, um sich zu verstecken, sondern die innere Veränderung wird auch nach außen spürbar. Sie engagieren sich: Im Juni haben tausende der katholischen Jugend in einer 72stündigen Aktion organisiert und gezeigt, dass sie etwas tun können für Umwelt und Mitmenschen. Es geht also darum nicht die Welt abzulehnen, sondern es geht darum sie zu gestalten und zwar von Innen heraus: Vor 100 Jahren mit dem Ende des 1. Weltkriegs hat eine neue Zeit begonnen. Die Folgen erleben von Denkweisen, die zu dramatischen Kriegen und Umwälzungen geführt haben spüren wir heute noch. Ganz am Anfang dieser neuen Zeit steht ein heiligmäßiger Mensch: Josef Engling – Sohn dieser Gemeinde von Prosity. Er ist ein Mensch, der ganz von Maria geprägt und geformt wurde. Maria, die neue Frau, die von Gott begnadet war von Anfang an und diesem Gnadenwirken treu blieb. Die Zukunft muss besser werden, sonst hat sie keine Berechtigung. Immer noch setzt die Politik heute auf Waffenlieferungen oder auf humanitäre Lieferungen. Sie übersieht, dass es vor allem „neue Menschen“ braucht, die eine positive Einstellung haben, so dass sie ihre Umgebung verändern und mitreißen können. So ein Mensch war Engling: 2) Er wird abgelehnt: Engling war leicht gekrümmt...deswegen machte man sich über ihn lustig. Es konnte von einer frühkindlichen Rachitis (krzywica) gekommen sein oder war erblich bedingt. Schon in Schönstatt wurde er wegen seiner Körperhaltung (sylwetka) gehänselt (dokuczac), wieviel mehr noch als er zu den Soldaten kam. In Schönstatt wurde vom Turnlehrer er als „Vogelscheuche“ (strach na wroble) bezeichnet. Und solche Namen kriegt man nicht einfach weg. Die übernahmen die Kameraden und sie setzten noch eins drauf und sprachen von der „Kriegskasse“, wenn sie Englings Rücken sahen. Aber er lässt sich davon nicht entmutigen. Seine Antwort ist ein konkreter Vorsatz: „An meinem Buckel möchte ich fast verzweifeln…Ich will jetzt auf meine Körperhaltung achten und es stets durch einen Strich verzeichnen, wenn ich wieder buckelig dasaß oder ging.“ (Josef mach frei, S. 49). Bei den Soldaten kann Josef schon ganz gut damit umgehen, er lässt sich durch die Kritik nicht mehr verletzen und kann bereits über sich selbst lachen. Der heutige Mensch kann oft nicht über sich selbst lachen. Er fühlt sich schnell angegriffen und durch Kritik verunsichert. Auch die Kirche tut sich schwer als das Fehlverhalten (anormale zachowanie) Einzelner öffentlich diskutiert wurde (Mißbrauchsskandale /wykorzystanie kogos, „Lustracja“ in Polen…). Die erste Reaktion oft wegschauen oder verdrängen. Auch, wenn wir keine offiziellen Vertreter (wie die Bischöfe) der Kirche sind, dürfen wir berechtigte Kritik nicht ablehnen. Sie muss gehört werden und sie muss positiv aufgegriffen werden. Entweder kann ich einen Misstand ändern oder ich muss durch das Leid geläutert werden. 3) Den Alltag meistern - Ein intensives inneres Leben führen - wie Josef - im Magdalenen-Lager (S. 64) Er schreibt: „Unser ganzes Tagewerk muss von dem Gedanken an Gott und unser liebes Mütterlein, von dem Streben nach Gott durchdrungen sein.“ „Unsere Kameraden müssten aus unserem ganzen Wesen auf unseren Beruf schließen können.“ Jeder sollte merken, dass wir bezeugen, was hinter uns steht, nämlich Gott „Ein Mittel jeder Handlung eine übernatürliche Weihe (przymierzu nadprzyrodny) zu geben, besitzen wir durch die Beiträge zum Gnadenkapital (Kapital sklad lask).“ (S. 64) Genau dies ist der Ansatzpunkt, der die Staaten nach vorne bringt. Statt nur auf äußere und materielle Hilfen zu setzen - auf Geld und Unterstützung - benötigen wir Menschen, die zupacken. Menschen, die sich - wie im Juni - mit den Flutopfern an der Elbe solidarisieren und mit anpacken. Die nicht nach Geld oder Anerkennung fragen, sondern einfach helfen, wo „Not am Mann“ ist. Religiöse Menschen sind in Gefahr, eine Religiosität zu leben, die sich vor der Welt versteckt. Sie beten viel, aber wenn Hilfe angesagt ist, ergreifen sie die Flucht. (Beispiel vom Barmherzigen Samariter zeigt, dass die Frommen nicht gut weg kamen, weil sie Angst hatten zu helfen). Unsere Frömmigkeit muss sich übersetzen in tatkräftige und effektive Handlungen. Er kehrt um und steht auf (Remonville): Doch nicht alles gelingt uns. So auch Josef. Er hatte auf dem Truppentransport von Polen nach Frankreich mit dem Kartenspielen angefangen. Sie hatten während der ganzen Fahrt gespielt. Josef merkt es nur langsam, dass er seine ganze Tagesordnung (oorzadek dnia) auf den Kopf stellt. Es kitzelt schon wieder in den Fingern. Und dann Remonville: auch hier weit noch hinter der Front fällt den Soldaten nichts besseres ein, als den ganzen Tag Kartenspielen und Josef, der es - mit guter Absicht - allen recht machen wir, kann sich dem kaum entziehen. Er spürt jedoch, dass es ihm nicht gut tut - er schadet vor allem sich selbst. Nach stundenlangen Kartenspiel bis ins Morgengrauen kommt dann ein Bekannter von Josef herein und sagt: „Auch Du!“ Diese Aussage hat Josef tief getroffen und er bereut von Herzen. Er will keine Karten mehr anrühren bis März und als er nochmals versagt, dann überhaupt nicht mehr. Nicht, dass Kartenspielen verboten wäre. Aber für Josef war es ein echtes Hindernis geworden – so lehnt er es von nun an ab. Er nimmt dies wahr und kehrt um. Josef geht weiter auf seinem Weg der Heiligkeit. Das Gnadenwunder vom Heiligtum hat die Gottesmutter in glänzender Weise vollzogen an Josef Engling (S. 71). Ja, wo ist unser Knackpunkt (zazadnicy punkt). Wo müssten wir auch loslassen, um wie Josef frei zu werden? 4) Er motiviert die anderen: Die Kameraden sind frustriert. Nun schon vier Jahre Krieg. Das hat doch alles keinen Sinn. Überall sterben die Kameraden. Wie kann Gott das zulassen? Josef will die Kritik nicht schönreden, aber er gibt zu bedenken, dass trotz allem Gott dahinter steht. Wenn eine alte Welt im Krieg zerbricht, dann damit eine neue bessere Welt entstehen kann. Und selbst wenn der Krieg - wie es scheint - verloren geht kann darin ein Sinn liegen: „Ein verlorener Krieg kann auch eine Prüfung Gottes sein. Sie ist im Augenblick hart und oft schwer zu verstehen, aber spätere Geschlechter werden erkennen, dass es für das Vaterland ein Segen gewesen ist.“ Aus heutiger Sicht kann man es wohl sagen, der 1. Weltkrieg hat zwar noch einen 2. Weltkrieg mit ausgelöst, aber danach hatte Europa lange Zeit Frieden. Die Völker Europas haben erkannt, dass sie so nicht mehr weiter machen können. Und christliche Politiker wie Schumann, de Gaspari und Adenauer, haben die Grundlagen des heutigen Europas gebildet, dass auf Recht, Freiheit und sozialen Ausgleich (socialny wyrowniwanie) achtet. Wenn wir auch heute wieder dabei sind unser Kapital – einer moralisch abgesicherten Grundordnung (konstitucja) – zu verspielen, dann müssen auch wir damit rechnen, dass es wieder zu Kriegen kommt. 5) Die Angst überwinden: Sie wissen, dass in Syrien schon seit Monaten ein fruchtbarer Bürgerkrieg (wojna domowa) tobt. Eine Kollegin, die sich mit diesem Land beschäftigt hat mir – deprimiert – erzählt, die schwer es den Kollegen fällt, die noch dort verblieben sind. Ein Mann hat zwei Kinder und ist verheiratet. Gerne würde er seine Heimat verlassen, aber er traut sich nicht zum Flughafen, zu groß ist seine Angst, er und seine Familie könne von einem Scharfschützen (snajper) erschossen werden. Wir können uns also gar nicht vorstellen, was dies bedeutet, welche Angst da mitschwingt. Josef befindet sich im Krieg in einer ähnlichen Situation. Er schreibt: „Vor einigen Tagen, als die Granaten links und rechts neben mir einschlugen, betete ich wie gewöhnlich zum Mütterchen und versetzte mich in unsere Kapelle. Da fühlte ich mich meinem Mütterchen so nahe wie noch nie in meinem Leben. Ihre Nähe kam mir so süß und lieblich vor; ich fühlte nicht mehr die geringste Angst vor den Granaten.“ (S. 48). Sicherlich wüssten wir nicht wie es uns gehen wird, wenn die Krieg nach Europa zurückkehrt. Wir wollen es nicht wünschen und auch hoffen, dass der Krieg in Syrien bald zu Ende geht. Dennoch kann es uns trösten, dass es selbst in solchen gefährlichen und angsteinflössenden Situationen Hoffnung gibt. Das ist natürlich noch etwas anderes, wenn man sich nicht nur um sich, sondern auch um seine Familie sorgen muss. Sicherlich ist es eine Gnade, wenn wir in einer solchen Situation keine Angst mehr verspüren und ruhig bleiben können -um die wir bitten dürfen. Es ist jedoch ein Trost zu wissen, dass es für den – auch in den ausweglosesten Situationen eine Hilfe gibt – der sich an Maria wendet und so glaubt dass Gott alles in seiner Hand hält. So heißt es im Römerbrief: „ Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe, noch irgend eine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes ...“ (Röm 8,38) So kann der Engling auch dort im Bürgerkrieg Trost den Menschen spenden. 6) Fazit: Fassen wir zusammen. Josef Engling ist ein Vorbild nicht nur am Beginn des letzten Jahrhunderts, sondern auch für uns heute. Er kann uns motivieren, unser Leben in Gottes Licht zu sehen. Jeder Mensch hat eine endlose Würde, wenn er sich mit Gott verbindet. Er darf ein Mitarbeiter Gottes sein in dieser Welt von heute. Beten wir um die Seligsprechung, damit sein Beispiel noch mehr gewürdigt und in den schwierigen Zeiten auf die wir zugehen fruchtbar wird. Paul Hannappel ein großer Englingapostel – der im April dieses Jahr verstarb – hat die Cambraifrahrer stets provozierend gefragt: „Und was machst Du aus Deinem Leben?“ Mit Josef E. wissen wir: „Wenn ich Gott vollkommen diene, werde ich glücklich sein, hier und vor allem im Jenseits. Vielleicht kommt der Tod bald. Wer weiß.“ Haben wir als endloses Vertrauen auf Gott und unsere liebe Mutter, die uns der Herr am Kreuz anvertraut hat. Sorgen wir für sie und für unsere Mitmenschen, dann wir sie für uns helfen unser Leben zu meistern. In Schönstatt haben wir das Liebesbündnis. Ein schlichter Akt der Hingabe an Maria. Sie - so die Erfahrung seit 99 Jahren in Schönstatt – ist die Siegerin, Sie führt uns zu Christus und sie erneuert unser Leben so, dass wir den Herausforderungen in unserem Leben mutig entgegen sehen können.