„Der Heilige Geist als Gebetsunterstützer“, Predigt Röm. 8, 18-30 Das 8.Kapitel des Römerbriefes ist einer der dichtesten Texte der ganzen Bibel. Es ist unmöglich, ihn auszuloten, indem man ihn nur einmal hört. Ich lege Ihnen deshalb warm ans Herz, diesen Text zu Hause nochmals in aller Ruhe nachzulesen. Ich werde heute vor allem zwei Verse daraus herausgreifen, - den Aspekt, der im Serendipity-Heft behandelt wird, das im Augenblick viele Kleingruppen miteinander durcharbeiten. Da geht es um den Heiligen Geist als Gebetsunterstützer. Diese Verse stehen aber in einem grösseren Zusammenhang. Da schreibt Paulus: Im Übrigen meine ich, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen angesichts der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden wird. Ja, die gesamte Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf, dass die Kinder Gottes in ihrer ganzen Herrlichkeit sichtbar werden. Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, allerdings ohne etwas dafür zu können, sondern wegen dem, der sie unterworfen hat. (Zwischenbemerkung: Es ist vom Text her nicht klar, ob damit Gott, Adam oder der Teufel gemeint ist!) Aber damit verbunden ist eine Hoffnung: Auch sie, die Schöpfung, wird von der Last der Vergänglichkeit befreit werden und an der Freiheit teilhaben, die den Kindern Gottes mit der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird. Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen. Und sogar wir, denen Gott doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird. Unsere Errettung schliesst ja diese Hoffnung mit ein. Nun ist aber eine Hoffnung, die sich bereits erfüllt hat, keine Hoffnung mehr. Denn warum sollte man auf etwas hoffen, was man schon sieht? Da wir also das, worauf wir hoffen, noch nicht sehen, warten wir unbeirrbar, bis es sich erfüllt. In gleicher Weise aber nimmt sich der Geist unserer Schwachheit an; denn wir wissen nicht, wie wir beten sollen, sodass es Gott entspricht (oder: was wir eigentlich beten sollen); der Geist selber jedoch tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. Und Gott, der alles durchforscht, was im Herzen des Menschen vorgeht, weiss, was der Geist mit seinem Flehen und Seufzen sagen will; denn der Geist tritt für die, die zu Gott gehören, so ein, wie es Gott entspricht. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten mitwirkt, ihnen, die nach seinem Vorsatz berufen sind. Die er aber im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene unter vielen Brüdern und Schwestern sei. Und weil Gott sie für dieses Ziel bestimmt hat, hat er sie auch berufen. Und weil er sie berufen hat, hat er sie auch für gerecht erklärt. Und weil er sie für gerecht erklärt hat, hat er ihnen auch Anteil an seiner Herrlichkeit gegeben. Liebe Gemeinde, Paulus beginnt diesen Textabschnitt mit einem steilen Satz: Ich meine, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen angesichts der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden wird. Das schreibt nicht ein Schweizer, der im 21.Jahrhundert in gesicherten Verhältnissen lebt, sondern ein Mann, der Verfolgung, Gefängnis, Hunger und Folter kannte. Und noch heute lebt eine Mehrheit der Menschheit in Lebensumständen, die so leidvoll sind, dass wir das hier im reichen Westen nicht einmal ansatzweise nachvollziehen können. Aber selbst wir in unserer wohlhabenden, sicheren Schweiz erleben Leiden, von dem wir nicht einfach so locker sagen könnten: „Es fällt nicht ins Gewicht!“ Und Paulus geht auf das Gewicht, das dieses Leiden hat, ja nachher auch noch ein. Aber am Anfang stellt er die Verhältnisse klar – so, wie sie aus Gottes Perspektive aussehen. Gerade wir, die wir in unserer Zeit und Kultur so stark diesseitsbezogen leben, müssen das wieder neu hören: Das, was wir in diesem Leben an Leid und Leiden erfahren, wird uns einmal klein und unbedeutend vorkommen, wenn wir in der Herrlichkeit sein werden, die Gott für uns bereit hält. Nichts kann sosehr zum Stolperstein für unseren Glauben werden, wie Leid und Leiden. Das ist mit Abstand der meist genannte Grund für Menschen, die nicht an einen liebenden Gott glauben können oder wollen: sie verstehen einfach nicht, warum dann unsere Welt trotzdem so ist, wie sie ist. Auch wir Christen sind immer wieder irritiert: nicht nur über den Zustand der Welt, sondern auch über den Zustand von uns selbst als Christen! Warum, um die Provokation von Nietzsche aufzunehmen, sehen wir nicht erlöster aus? Das irritiert auch mich, auch im Blick auf mein eigenes Leben. Paulus nimmt diese Irritation auf und schreibt: Sogar wir, denen Gott doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch... Dieser Vers enthält zwei wichtige Aussagen: 1.: Ja, auch Christen seufzen noch – sie seufzen als Teil dieser gefallenen, vom Tod gezeichneten Schöpfung. Sie seufzen über körperliches und seelisches Leiden, sie seufzen über den Zustand dieser Welt, sie seufzen über die Baustellen in ihrem eigenen Leben, sie seufzen über all das, was Gott versprochen hat, was aber noch nicht oder erst in Ansätzen sichtbar ist. Sie seufzen unter der gewaltigen Spannung zwischen dem, was sie glauben und worauf sie hoffen – und dem, was ist. Und die zweite wichtige Aussage: Der Heilige Geist ist der erste Teil (wörtlich: das Angeld, die Vorauszahlung, quasi der „Erbvorbezug“) von dem, was bei Gott auf uns wartet. Er ist das Bindeglied zwischen dieser Welt und der kommenden Welt, er verwirklicht hier in diesem Leben schon etwas von dieser zukünftigen Herrlichkeit. Verstehen Sie jetzt, warum der Heilige Geist so unverzichtbar ist für unseren Glauben? Wenn wir IHN nicht schon hier auf dieser alten Erde am Wirken sähen, wenn er uns in dieser gewaltigen Spannung von gegenwärtigem Leid und zukünftiger Herrlichkeit nicht ermutigen und trösten würde, wenn er uns nicht immer wieder sichtund spürbare Zeichen aus dieser zukünftigen Welt in unsere Welt hinein schenkte, wie könnten wir da in unserem Glauben durchhalten? Deshalb tut der Heilige Geist dasselbe, was Jesus in seinem irdischen Leben getan hat, nur, dass es der Heilige Geist noch umfassender tun kann, weil er unabhängig ist von Raum und Zeit: er setzt laufend Zeichen von Gottes Herrschaft, - indem er Menschen von Krankheiten heilt, indem er manchmal übernatürlich in Situationen eingreift und Menschen beschützt, indem er zu Menschen konkret spricht, indem er Menschen von zerstörerischen Abhängigkeiten befreit und in ihrem Charakter verändert. Es irritiert mich immer noch, warum das alles nicht immer und bei allen Christen geschieht, – aber ich bin überzeugt, dass der Heilige Geist solche Zeichen vermehrt setzen will, und dass wir sie vermehrt erwarten und erbitten sollen. Und jetzt zu unserem eigentlichen Predigtvers: Ebenso aber nimmt sich der Geist unserer Schwachheit an; denn wir wissen nicht, wie wir beten sollen, sodass es Gott entspricht (oder: was wir eigentlich beten sollen); der Geist selber jedoch tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. (Röm.8, 26) Beim Beten geht es nicht um schön formulierte fromme Worte. Ich sage das insbesondere auch, um Druck wegzunehmen von all den Menschen, die Mühe haben, in einer Gruppe laut zu beten, und die deswegen manchmal an sich selbst oder an der Qualität ihres Glaubens zweifeln. WIRKLICHES Beten bringt niemand von uns aus eigener Kraft zustande. Wenn wir mit Gott so in Verbindung kommen wollen, dass sich etwas Entscheidendes in unserem eigenen Herzen verändert, oder etwas an einer leidvollen Situation in unserem Umfeld oder in der Welt, dann kommen wir sehr schnell an den Punkt, wo wir mit Paulus sagen: „Wir wissen gar nicht, was wir eigentlich beten sollen – oder wie wir so beten können, dass es Gott entspricht.“ Viele Menschen (und ich zähle mich mit dazu) beten manchmal etwa so, wie man ein Los zieht. Wir wissen, was wir gerne hätten und was wir gut fänden, zum Beispiel die Beendigung einer Leidsituation oder Bewahrung vor Leid. Wir denken: „Beten kann ich ja auf jeden Fall einmal. Nützts nüt so schadts nüt!“ Wenn es einen Treffer gibt, freuen wir uns. Wenn die Treffer aber allzu oft ausbleiben, kann uns das zum Problem werden. Ich möchte diese Art zu beten nicht abqualifizieren. Wie gesagt, ich praktiziere sie auch. Aber es gibt mehr, und der Heilige Geist möchte uns dazu verhelfen, dass wir nicht mehr einfach nur das beten, was unseren Plänen und unserer Weisheit entstammt, sondern dass wir Einblick bekommen in das, was Gott in einer Situation vorhat und dass wir in Übereinstimmung mit seinen Plänen beten. Gottes Ziel mit uns (Paulus erwähnt es am Schluss unseres Textabschnittes) ist, dass wir Jesus immer ähnlicher werden. Das ist ein höheres Ziel als ein möglichst reibungsloses und schmerzfreies Leben. Deshalb ist nicht einfach zum Vornherein klar: sollen sich Umstände verändern oder unser Herz? Soll ein Mensch im Namen Jesu gesund werden – oder verfolgt Gott ein Ziel damit, dass eine Krankheit oder ein anderes Symptom nicht einfach sofort verschwindet? Wir sind angewiesen auf die Leitung und Weisheit des heiligen Geistes. Ein ganz praktischer Vollzug dieses Eingeständnisses: „Ich von mir aus weiss nicht, was ich beten soll und kann eigentlich gar nicht richtig beten!“ ist das so genannte Sprachengebet. Es ist eine Gebetssprache und wird im Korintherbrief als eine der Gnadengaben erwähnt, die der Heilige Geist schenkt. Alex Nussbaumer hat sie in seiner letzten Predigt schon erwähnt im Zusammenhang mit der Anbetung Gottes, für die unsere gewöhnlichen Worte manchmal nicht ausreichen. Viele Menschen erleben diese Gebetssprache auch als hilfreich in der Fürbitte, oder in Leidens- und Grenzsituationen. Ich habe kürzlich von einer Frau gelesen, die drei Jahre lang in einem kommunistischen Gefängnis festgehalten und gefoltert wurde. Sie erzählte, dass sie manchmal ihre Gedanken am Liebsten abgestellt hätte, weil sie fast durchdrehte. Und genau darauf zielten die Foltermethoden auch ab. In solchen Extremsituationen betete sie in Sprachen: ihr Geist war dabei aktiv und mit Gott verbunden, ohne dass sie sich gedanklich anstrengen musste. Sie hätte dafür gar keine Kraft gehabt! Auch in viel weniger extremen Spannungssituationen kann das Sprachengebet hilfreich sein. Es ist eine einfache, kindliche Gabe, um die man Gott bitten darf, und die man überall da anwenden kann, wo einem die eigenen Worte und Gedanken ausgehen. Sie macht einen nicht zu einer grossartigen geistlichen Persönlichkeit, im Gegenteil: man kommt sich dabei eher klein vor, weil man nämlich selbst nicht versteht, was man sagt, und einfach kindlich darauf vertraut, dass dieses „Geplauder“ für Gott einen Sinn macht und Dinge in uns und um uns in Bewegung bringt. Ich wende diese kindliche Gebetssprache oft leise für mich an, wenn ich in einem schwierigen Gespräch bin, wenn ich für jemanden bete und nicht weiss, was ich als nächstes sagen soll, oder auch in Situationen, in denen ich das Bedürfnis habe, zu beten, aber zu müde bin, um einen klaren Gedanken zu fassen und Worte zu formulieren. Die Unterstützung des Heiligen Geistes bei unserem Beten beschränkt sich nicht nur auf das Sprachengebet. Aus unserem Predigttext wird klar, dass der Heilige Geist unsere Sehnsucht nach der Erlösung der ganzen Schöpfung mit uns teilt, und mit uns zusammen dafür betet und sogar seufzt. Manchmal sind Situationen so leidvoll und scheinbar ausweglos, dass es uns die Sprache verschlägt. Wie beten wir für Menschen in Ländern wie Syrien oder Nordkorea? Ich empfinde meine Fürbitten oft als schwach, hilflos und unangemessen. Gerade darin tröstet mich diese Zusage von Paulus: wenn wir Menschen und Anliegen innerlich „Gott hinhalten“, auch ohne Worte, dann vereint sich der Heilige Geist mit uns und übersetzt und ergänzt das, was in unserem Herzen ist. Deshalb halten wir bei unseren Fürbitten in der Kirche oft einen Moment der Stille: vielleicht formulieren Sie in dieser Stille ein Wortgebet. Vielleicht aber halten Sie auch einfach eine bestimmte Person oder ein Land Gott hin, - und der Heilige Geist seufzt und betet mit uns für diese Menschen! Das ist auch Gebet! Zusammenfassend könnte man sagen: unser Beten bleibt immer unvollkommen und bruchstückhaft, - sowie überhaupt unser ganzes Leben als Christen! Und ich finde es sehr tröstlich, dass uns hier zugesagt ist: der Heilige Geist selbst kommt uns zu Hilfe. Er ergänzt, was noch fehlt. Wir steuern unsere kleinen Bruchstücke bei: unsere Wortgebete, unsere Gebete in anderen Sprachen, unsere wortlosen Gebete, unsere Seufzer, unser bruchstückhaftes Denken an bestimmte Menschen in Not – und ER macht daraus etwas Ganzes, Wirkungsvolles. Und auch er möchte uns immer mehr teilhaben lassen an Seinen Gedanken, Plänen und Gebeten. Der Heilige Geist ist nicht nur ein Thema für eine Frühlingsaktion. Wir sind für unser ganzes Leben als Christen existentiell auf ihn angewiesen. Amen