Christian Pöppelreiter - Kunstuniversität Graz

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Christian Pöppelreiter
Hans Werner Henze – IL RE CERVO / KÖNIG HIRSCH, Notizen
VORGÄNGE, PERSONEN – HANDLUNG
1.AKT
Cigolotti, der freundliche Zauberer, verspricht dem Publikum ein Märchen und setzt
ein grandioses Gewitter in Gang.
Die Dame Scollatella, gierig nach der Krone und siegesgewiss, rennt zur Brautschau.
Ihr Kopf ist voller Pläne, ihr Aufputz ist ruiniert. Donner und Blitz, Regen und Sturm
stürzen die Braut in Panik.
Scollatella ruft ihre Schwestern zu Hilfe. Die kommen aus Spiegeln, drei
regendurchweichte Damen und jede will Königin werden und keine der anderen dazu
verhelfen.
Scollatella, kreischend vor Eifersucht, jagt die Nebenbuhlerinnen zurück in die
Spiegel und restauriert ihren Brautstaat.
Das Gewitter ist aus – die Krönung beginnt.
Leandro, von Höflingen gedrängt, unsicher im großen Zeremoniell, angstvoll, als
ginge er zum Schafott, schleicht langsam zu seiner Königsweihe.
Tartaglia, der Statthalter, ein misstrauischer Kleingeist, der sich ständig benachteiligt
glaubt, krank vor Begierde nach Macht, aber ohne Idee und Mut, sie sich zu
erkämpfen, beschwört die Apokalypse über das Fest und imaginiert sich die eigene
Krönung und Schreckensherrschaft.
Scollatella, die einzige Zuhörerin von Tartaglias gigantischer Suade, kommt in Hitze,
verliebt sich in den Mann, hält ihn gar für den König und legt sich ihm zu Füßen.
Tartaglia, durch Scollatellas Liebesgeständnis abrupt zurück gebracht in die Realität,
entledigt sich der aufdringlichen Dame.
Costanza, das wilde Straßenkind, gewaltsam zur Brautschau geschleppt, will lieber
Tod, als Zwangsheirat.
Tartaglia hat einen großen Gedanken: Das tobende Mädchen soll ihm den Thron frei
räumen. Ihre Angst vor dem König meisterlich nutzend, macht er Costanza zu
seinem Werkzeug.
Costanza, fasziniert von der Güte des fremden Herren, aber unfähig zu morden,
nimmt dessen Messer, um notfalls sich selber zu töten.
Tartaglia reibt sich die Hände – Mord oder Selbstmord, beides wird ihm nützen.
Leandro, der traurige König, verabschiedet sich von seinen Freunden und seiner
Kindheit. Einsam und fremd in der Welt, die ihm feindselig scheint, beklagt er vor den
Gefährten sein Schicksal. Bedrückt schleichen die Freunde zurück in die Wälder.
Zwei orakelhafte Masken bieten Leandro Hilfe, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.
Tartaglia eröffnet die Brautschau.
Die 4 Scollatellen, wieder ganz restauriert und große Damen im Brautstaat und
andere Bräute prügeln sich um die Krone und heucheln dem König Liebe vor. Das
Lachen der Statuen entlarvt ihre Lügen.
Tartaglia zerrt Costanza zum König. Die ist auf Gewalt eingestellt und hat den Dolch
in der Hand – Tartaglia bleibt in der Nähe.
Leandro wirft den Krönungsornat ab, Costanza lässt das Messer fallen – es ist Liebe
auf den ersten Blick.
Presseaussendung Kunstuniversität Graz 51c-2005/06
Rückfragen zur Produktion: Mag. Marlis Müller-Lorenz, Tel. +43/(0)316/389-3443
Rückfragen allgemein: Mag. Julia Mayerhofer-Lillie, Tel. +43/(0)316/389-1152, [email protected]
1
Costanza und Leandro entdecken in der Liebe die eigene Wahrheit und schweben
auf einer Wolke von Seligkeit.
Gerührt schweigen die Masken.
Nervös umkreist Tartaglia das glückliche Paar.
Leandro schreckt auf. Er fühlt sich belauert, beginnt sein Glück zu bezweifeln und
fürchtet das Urteil der Masken. Um den eigenen Argwohn zu besiegen, schlägt er die
Masken entzwei.
Jetzt lacht Tartaglia – er hat das Spiel gewonnen.
Costanza sieht Leandros Zweifel und verkriecht sich.
Tartaglia verhaftet Costanza wegen geplantem Königsmord.
Costanza und Leandro können sich nichts mehr sagen.
Leandro, verwirrt, weil er ohne die Masken Wahrheit und Lüge nicht unterscheiden
kann, versucht Costanza zu retten.
Tartaglia, der Statthalter, weist den König in die Schranken.
Leandro erkennt seine Machtlosigkeit, verzichtet auf Krone und Amt und geht zurück
in die Wälder.
DER VERTRÄUMTE PRINZ AUS DEM WALD IST AN DER WELT GESCHEITERT –
DER SKRUPELLOSE STATTHALTER GREIFT NACH DER KRONE.
1.AKT, 7.Szene: Intermezzo
Coltellino, der ein Mörder werden möchte und Checco, der von einem bunten Vogel
träumt, zwei traurige Landstreicher stoßen aufeinander.
Tartaglia beauftragt Coltellino den König zu ermorden und schenkt ihm eine goldene
Pistole.
Die Alchimisten, liebenswert-skurrile Träumer und Erfinder, bereiten eine Galavor für
den König, erfahren, dass er schon weg ist und folgen ihm diskutierend in den Wald.
2.AKT
Ein Adler schwebt, Unheil kündend, durch den leeren Raum.
Bäume, wie leere Hüllen kopfüber hängender Gestalten, bilden einen bizarr
komödischen Wald.
Gespenstisch wechselndes Licht begleitet die fernen Stimmen des Waldes.
Tartaglia, der schwarze Jäger, sucht seine Beute.
Leandro, der abgedankte König, auf der Flucht aus der bösartigen Welt zurück in den
Wald, sucht seinen Frieden und erkennt den Ort der geborgenen Kindheit nicht mehr.
Da sind nicht die Bäume, die mit ihm wuchsen, da blüht keinem das Glück, da
wuchern Angst und Tod.
Scollatella, das Wahn befangene Regenmädchen tänzelt als irrende Königin über die
Stege, sucht ihren König und erkennt ihn nicht.
Cigolotti, der freundliche Zauberer, immer bemüht, das Schlimmste zu verhindern,
schaut jetzt traurig auf sein Publikum.
Tartaglia schlägt die Bäume und meint seine Angst, die Macht zu verlieren, die er
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fast schon greifen kann. Die Gier verwirrt ihm den Verstand und macht ihn blind. Er
sieht nicht die rastlos tänzelnde Scollatella und nicht Checco, der den bunten Vogel
sucht und Coltellino, der den König sucht. Aber auch die beiden traurigen
Landstreicher, sind blind vor Angst.
Cigolotti, dunkel vermummt, geht vorbei wie der Tod. Das treibt Tartaglia, Coltellino
und Checco in Panik, aber nicht aus dem Wald.
Leandro, ruhelos nach seinem Ort suchend, läuft Tartaglia vors Messer.
Tartaglia freut sich zu früh: Cigolotti verhindert den Mord und Tartaglia muss weiter
nach seiner Beute jagen.
Die Alchimisten, Scollatellen und Freunde suchen den König.
Tartaglia, der wahnsinnige Jäger, veranstaltet eine wilde Jagd auf alle und verliert
dabei völlig die Orientierung.
Die Gejagten warten erschöpft und verängstigt auf den König.
Checco erkennt in Cigolotti seinen bunten Vogel.
Cigolotti beauftragt Checco, den König zu schützen und übergibt ihm einen
geheimen Spruch und ein gläsernes Auge.
Checco, vergnügt, singt ein Lied für den bunten Vogel.
Coltellino, aus einem Alptraum erwachend, löst eine Angsthysterie aus.
Cigolotti, in Gestalt eines weißen Hirsches, beruhigt die Gemüter.
Coltellino prahlt vor Checco, ein beauftragter Königsmörder zu sein. Checco verfolgt
Coltellino, um ihn zu erschlagen. Coltellino verliert die goldene Pistole.
Tartaglia erschießt mit der goldenen Pistole den weißen Hirsch und schwärmt von
einem Feuer, das den Wald und alles, was in ihm lebt, verzehrt.
Die Scollatellen, Alchimisten und Freunde verkriechen sich entsetzt unter dem Geäst
der Bäume.
Checco jagt Coltellino und läuft Tartaglia in die Arme.
Tartaglia entlockt Checco das Geheimnis Cigolottis: Die Magie der Verwandlung.
Leandro, der seine Liebe verlor, dem die Blumen nirgends mehr blühen, steht
todessüchtig vor der Leiche des weißen Hirsches und verabschiedet sich vom
Menschenleben. Er nimmt die Gestalt des weißen Hirsches an, lässt seine Hülle
zurück und geht ruhig davon.
Tartaglia, der Leandros Verwandlung gierig belauert hat und von Checco genau
unterrichtet wurde, schlüpft in die Hülle des Königs und triumphiert.
Checco bricht weinend zusammen.
Cigolotti entschuldigt sich beim Publikum für sein Versagen und läuft, um zu retten,
was noch zu retten ist.
Tartaglia, der falsche König, verkündet sein Credo und ruft zur großen Hirschjagd.
Checco versucht vergeblich, Tartaglia zu entlarven, Coltellino versucht vergeblich,
den falschen König zu töten.
3.AKT
Die Leute, verelendet und hilflos, warten auf den weißen Hirsch.
Tartaglia, der falsche König, gelähmt von Angst vor dem weißen Hirsch, hat die Stadt
zum Friedhof gemacht und sich auf dem Thron verkrochen.
Leandro, der weiße Hirsch, von Sehnsucht getrieben, geht zurück in die Stadt, sucht
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Costanza und findet Bettler und einen Einfältigen.
Coltellino, der Einfältige, wartet auf den Tod.
Soldaten stöbern unter den Bettlern Checco auf, den letzten Rebellen und legen ihm
die Schlinge um den Hals.
Leandro, der weiße Hirsch, vertreibt die Soldaten.
Die Leute sehen das Wunder, heben die Köpfe und verbreiten – ängstlich flüsternd –
die frohe Botschaft.
Costanza, gequält von Sehnsucht, erkennt in dem weißen Hirsch ihren Geliebten und
traut ihrem Herzen nicht.
Leandro sieht Zweifel und Fremdheit bei seiner Liebsten und kann sie nicht davon
heilen. Seine Erscheinung verwirrt sie, ihr Misstrauen lähmt ihn.
Costanza und Leandro, beide verändert durch Trennung und Einsamkeit, müssen
sich noch einmal trennen, um ihre Liebe wieder zu finden.
Tartaglia, aufgeschreckt durch den weißen Hirsch, fängt sich Costanza, um ihre
Liebe zu gewinnen. Wenn er sie täuschen kann mit seiner Verwandlung, das weiß er,
ist die Täuschung endgültig.
Costanza, noch immer im Zweifel und darüber verzweifelt und fast verführt, traut
zuletzt doch nicht ihren Augen und hört auf ihr Herz.
Tartaglia, nach dem misslungenen Versuch, sich zu legitimieren, verliert den Boden
unter den Füßen und kämpft in panischer Todesangst gegen Phantome.
Leandro, der weiße Hirsch, geht zu seinem Thron. Die Leute erhoffen eine
Entscheidung.
Tartaglia richtet die Pistole auf den Hirsch. Coltellino, geführt von Cigolotti, richtet die
Pistole auf den falschen König. Costanza deckt den weißen Hirsch mit ihrem Körper.
Der Schuss beendet alle Täuschung. Der weiße Hirsch verschwindet. Tartaglia stirbt,
reduziert auf sein wahres Wesen, ein hypochondrisch-megalomanischer Kleinbürger.
Leandro bringt die ohnmächtige Costanza zärtlich wieder zum Bewusstsein.
Cigolotti lässt die Krone von Hand zu Hand wandern, jeder ist König, und erinnert
noch einmal seinen guten Spruch.
Zuletzt sitzt die Krone auf dem richtigen Kopf und der rechte König sitzt auf dem
Thron mit seiner Liebsten und um die beiden drängen sich alle Leute.
Cigolotti, der freundliche Zauberer, spendiert dem Publikum ein kleines Geschenk:
Durch den leeren Raum schwebt langsam der weiße Hirsch.
Christian Pöppelreiter, August 2005
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Hans Werner Henze
Mein „König Hirsch“ (1956)
Ende 1952 begann ich mit Heinz von Cramer über den „re cervo“ von Carlo Gozzi zu
sprechen. Dieses alte venezianische Theaterstück, eine „fiabba“ voller mirakelhafter
Vorgänge und Maschinerien, hatte eine starke Anziehungskraft auf uns auszuüben
begonnen. Wunderliche, robuste Spaßmacher, einerseits, andererseits sonderbare
Menschenkinder mit einem Hang zum Fabelhaften, ein fremdes, vergangenes Italien
voller Phantastik, Schwermut und Bizarrerie – all das erregte uns mehr und mehr,
und so entstand langsam und nicht ohne Mühe das Szenarium zu meiner Oper, das
sich freilich recht wesentlich von dem wirren und „unordentlichen“ Original entfernt.
Während bei Gozzi die Vorgänge in rätselhafter Weise durcheinanderlaufen,
Improvisation, Mystifikation und Commedia-dell’arte-Schematismen sich fast
überschlagen, kaum dass der Text noch mit Erklärungen nachfolgen kann, bildet die
gänzlich neue, von der dichterischen Konzeption Cramers getragene „Version“ eine
großlinige, klare Handlung und beschwört den zauberhaften Geist Italiens mit neuen
Gedanken, mit Erinnerungen und mit neuen Bildern.
Während der Wartezeit auf den ersten Akt, im Frühjahr 1953, begann meine
„italienische Erfahrung“. Darüber kann man nicht sprechen, weil es sinnlos wäre,
wenn die Musik es nicht hergeben würde. Auch fehlen mir die Worte zu einer
Beschreibung, und Begriffe wie „Freiheit“ oder „Erweiterung der Ausdrucksmittel“
sind nur ein vager Teilbestand dessen, worum es sich handelt. Ich war in eine
antikische Welt geraten, mir gänzlich fremd und unheimlich, eine Landschaft, aus der
das Leben der Menschen heraustritt und in die es zurückgeht ohne Fehl. Es gibt hier
keine „décors“, Menschsein und Natur gehen ineinander über, oder, wie Felix
Hartlaub sich ausdrückte, die Natur ist hier nicht (wie zum Beispiel in Mitteleuropa)
ein Drittes zwischen Mensch und Gott, und die menschlichen Passionen kehren in
der Natur wieder. Es ist deswegen erwähnenswert, weil es auch auf das Klangliche
zutrifft – und auf das Singen, das sich unausweichlich in die Empfindung hineinbohrt,
faszinierend und lähmend, mehr und mehr „entwaffnend“. Hörte das Singen auf, das
ist die Manifestation des Lebens schlechthin, würde alles aussetzen, ein furchtbares
Schweigen bräche herein, Schrecksekunde vor der Katastrophe. Das ist der
Eindruck, der an Stärke immer zunimmt und der nach Konsequenzen verlangt. Oder
es sah so aus, als ob es auf eine Konsequenz ankäme, während die Wirkung einer
solchen paganen Umgebung von selbst immer natürlicher fortschreitet! Und doch
hatte die Niederschrift der ersten Takte von „König Hirsch“ für mich etwas von
Verschwörung an sich … diese ersten Takte sind das Liebesduett im ersten Akt, in
ihrem ganz und gar nicht „dodekaphonischen“ Charakter mögen sie manchem recht
sündhaft vorkommen. Diese sehr leise und „einfache“ Musik war der Punkt, von dem
aus sich im Lauf der Jahre die Partitur entwickelt hat, in unruhig-ruhiger Arbeit, die
Tag um Tag, Monat um Monat ausfüllte, wie ein Tagebuch, worin man
Beobachtungen und Reflexionen aufschreibt: Da ist der schmetternde Klang der
banda beim abendlichen Fest von St. Vito, gemischt mit dem frenetischen
Prozessionsgesang, der flirrende hohe Ton von Mandolinen, insistent und lasziv in
der Luft stehend, der dunklere der Gitarren, aus fernen Jahrhunderten
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herüberkommend, da ist der Straßenruf mit unendlichen Koloraturen und Variationen,
verrückter gellender Lärm und leise Vokale, mörderisches Gezeter, Litanei, dünnes
Gebimmel des Angelus-Läutens. Die südlichste Stadt, Napoli nobilissima e
gentilissima, mit so rätselhaften Menschen, dass man glaubt, sie niemals verstehen
zu können, aber es ist gut so, und ihre Pantomime, ihre Fremdheit sind schon
Inspiration, ihre fast erschreckende Nähe verlangt eine Antwort. Sie überrennen die
vielleicht anfangs gewollte splendid isolation. Gedanken an Klee, seine südlichen
Monde, an Auden (Nones) kamen in Betracht, ein intensiveres Studium des
Phänomens der italienischen Oper, beiden auf merkwürdige Weise verwandt … aber
all dies sind nur Aufzählungen und berühren nicht das Eigentliche, worüber zu
schreiben unmöglich wäre.
Die Fragen, die sich vor und während der Komposition des „König Hirsch“ stellten,
waren mannigfaltig. Ich musste versuchen, einen Vokalstil zu entwickeln, der, ohne
sich an vorrätigen Modellen zu stärken, dem dramatischen Konzept entsprach. Jeder
Darsteller sollte schon durch sein „vokales Verhalten“ sein eigenes Gesicht zur
Schau tragen können, und die Sänger sollten es sein, die den Tenor des Werkes
bestimmen, seinen Ausdruck und seinen Sinn. Das Melodische selbst, das nichts
Problematisches an sich hat, wenn man es als ein der Musik unentbehrliches
Element betrachtet, veränderbar und entwicklungsfähig, warf, da es in der Musik
meiner Generation nicht mehr selbstverständlich ist, einige stilistische Fragen in
unerwarteter Schärfe auf. […]
[…] Das Singen auf der Straße geht gewissermaßen ohne Unterbrechung auf den
Bühnen der Opernhäuser weiter, und so versteht es sich, dass einem italienischen
Publikum nicht der leiseste Verdacht aufkommen kann, die Oper sei etwas
Künstliches, Antiquiertes, Revisionsbedürftiges, ein Monstrum… es ist natürlich und
richtig, einem gesteigerten Augenblick des Lebens durch Singen Nachdruck zu
verleihen, und es ist „realistisch“! Die Probleme, die für die Autoren sich ergeben,
sind rein dramaturgischer, und vor allem rein musikalischer Natur. Heute, wie immer
zuvor, kommt dazu die „Auseinandersetzung mit dem Material“, eine
Auseinandersetzung, die eigentlich darin ihr Maß finden könnte, dass sie sich auf die
Schärfung der Ausdrucksmittel begrenzt, mit denen die Kommunikation hergestellt
werden soll.
Die Erfahrung aus meinen Arbeiten mit strenger Anwendung von Serien kam mir
sehr zunutze. Im Anfang der Oper ist auch Seriales noch vorhanden, den Klang, den
Rhythmus mobilisierend und das Material in größere Freiheit entlassend. Themen
oder ihre Teilbestände, die wiederkehren, dienen nicht als Leitmotive im alten Sinne
und hängen deswegen nur indirekt mit dem szenischen Vorgang zusammen, aber
eingehende Untersuchungen könnten den Umfang motivischer und sinnhafter
Beziehungen der Melodien untereinander und ihre zuweilen doppelsinnige
Bedeutung auch hinsichtlich des Dramas ausfindig machen.
Die Wunder, die in der Legende vom „König Hirsch“ vor sich gehen, die Idee der
Metamorphose, Gedanke einer grenzenlosen Freiheit, die über das Erträgliche
hinausgeht, der Tod des Tyrannen und Friede, das alles sind Motive, die dargestellt
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werden mussten ohne die geringste Verzerrung oder Perversion und ohne Trick. Der
„König Hirsch“ ist weder als Märchenoper noch als Traumspiel gedacht und auch
nicht als eine moderne Commedia dell’arte, wiewohl er von alledem etwas an sich
hat. Mit seinem ganz einfachen Titel „Oper“ ist angedeutet, welche Disziplin
angestrebt wurde. Es handelt sich auch nicht um ein „modernes“ psychologisches
Drama. Das von wunderlichen Vorgängen erfüllte Szenarium lenkt anfangs von dem
Realismus, der gemeint ist, ab, um aber dann doch am Ende bestärkend auf ihn
hinzuwirken. Auch hinsichtlich des theatralischen Aspekts versuchte man sich in der
Freiheit und in der Auffindung von Schönheit.
Alles, was Musik ausmacht und warum Musik geliebt wird, ist mir neu vorgekommen,
schön und weit. Meine Arbeit kann nichts sein als ein von dem Wunsch getragener
Versuch, einem Ideal näher zu kommen, das sich umso weiter zu entfernen scheint,
je mehr man von seinen Dimensionen mit Augen anschauen kann.
Heinz von Cramer
Die Grundidee der Oper „König Hirsch“
Die Grundidee dieser Operfassung der Geschichte vom „König Hirsch“ entspricht
einem alten Motiv der persischen Märchen, das auch schon Gozzi benutzte und das
bis zu „La belle et la bête“ die verschiedensten Varianten erfahren hat. Es geht um
den ewigen Versuch des Menschen, aus seinen Grenzen auszubrechen – und die
ewige Erkenntnis, daß es unüberschreitbare Grenzen sind, die ihn umgeben; wie
weit er auch vorstößt ins Unbekannte, es öffnet sich nirgends ein Fluchtweg vor ihm
selber, dem Menschen, und letztlich muß er immer wieder zurückkehren zu sich und
seinem Leben. Die freiwillige Verwandlung eines Menschen in ein Tier, die doch nur
äußere Metamorphose darstellt, keine Lösung und schon gar keine Erlösung, der
Vorstoß an die äußerste Grenze, der verwehrte Übertritt ins Außermenschliche, das
Verstehen endlich der Sinnlosigkeit solchen Vorhabens und – notwendigerweise
daraus folgend – Rückkehr und Rückverwandlung, die freie Entscheidung, das auf
sich zu nehmen, was er ist: Mensch. Diese parabolische Handlung ist eingebettet in
eine bunte, bewegte Märchenwelt, wo Wunder aller Art an der Tagesordnung sind,
aber es wird versucht, diese Welt unmittelbar zu sehen, ohne historisierende Distanz,
ohne Ironie und Grimasse – und von Wesen bevölkert, die vor allem erst einmal
Mensch sein wollen, ob sie nun tragisch oder komisch agieren (deshalb wird auch
eine Schar von Clowns zur Hilfe gerufen, die menschlichsten aller Menschen, da
doch ihr Leben darin besteht, zu unterliegen und dennoch zu überleben!).
Die Märchen sind unsere ersten und vielleicht tiefsten Erfahrungen. Jede Zeit aber
kann Märchen nur auf ihre Weise erzählen. So ist auch versucht worden, bei der
vorliegenden Bühnenversion von „König Hirsch“ die wichtigsten Erfahrungen unserer
Zeit, die Resultate des Surrealismus, zu berücksichtigen.
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Hans Werner Henze
Reiselieder mit böhmischen Quinten. Autobiographische
Mitteilungen. 1926 – 1995.
Auch in meiner Arbeit sind, wie bei Mozart oder Wagner, die Kammermusiken und
die Sinfonik so etwas wie Vorstufen zur Hauptsache: zum Theater, zur Oper, wo man
alle schöpferischen Energien gemeinsam zu mobilisieren, alle fünf Sinne konzentriert
in die Aktion einzubringen hat. Oper ist eine besonders künstliche Kunstform, bei der
nichts den Tatsachen entspricht und die Musik für die Glaubwürdigkeit auch der
seltsamsten und ungewöhnlichsten Seelenzustände gerade stehen muß. Sie muß
ihre Hörer betören, verzaubern, verschrecken, beschwören, verführen, unterhalten,
bei der Hand nehmen und in nächtliche Zaubergärten einlassen oder in gleißendes
Tageslicht stoßen. Ein Theaterkomponist muß in der Lage sein, jedwede
menschliche Stimmung, von der glücklichsten bis zur allertraurigsten, auf dem Wege
über die Musik sinnlich greifbar darzustellen. Er muß auf die Archetypen seiner Kultur
zurückgreifen; denn nur an ihrer Präsenz kann er die Abweichungen deutlich machen
gegen das, was in seiner Musik anders ist als bei einem anderen Komponisten der
Gegenwart oder einer vergangenen Zeit. Wer Schmerz ausdrücken will, muß auch
Vokabeln für ein Kontrastelement, beispielsweise Schmerzlosigkeit oder Freude, zur
Hand haben, so reichhaltig wie die für die Darstellung des Schmerzes bestimmten
Metaphern. Nur durch die Darstellung der Kontraste können die Dinge zu Sprechen
beginnen und Einverständnis und Verständigung mit dem Hörer herstellen.
[S.45-46]
Wie jeder Künstler es tun muß, um sich frei und persönlich äußern zu können, habe
auch ich mir im Lauf der Jahrzehnte eine eigene Technik erarbeitet, die ich in ihren
Ausdrucksmöglichkeiten noch immer zu verbessern bemüht bin. Aus meiner
persönlichen Geschichte ist ein von grauen- und wundervollen Erfahrungen
genährter Schönheitsbegriff entstanden, der sich daraus erklären mag, dass Musik
für mich einmal etwas praktisch Unerreichbares gewesen ist, etwas, das ich mir mit
List und Selbstverleugnung erobern musste, nur um eines Tages unmißverständlich
sagen zu können, was mich motiviert, was ich unter Kunst verstehe und was mich
einmal veranlaßt hat, meine Stimme zu erheben. Mit meinen Dissonanzen stelle ich
die Entfernung der Moderne von der Realität Mozarts fest. Die Dissonanz ist keine
empirische Errungenschaft, sondern Ausdruck von Schmerz. Sie teilt sich
gewissermaßen mit als ein Gradmesser der Abwesenheit von Schönheitsmöglichkeit,
von der Präsenz und Wirkung, die ich in der in sich ruhenden, freien, liedhaften
Gelassenheit Mozarts und in seinem Gefühl für menschliches Maß finde.
Damit will ich aber nicht sagen, daß meine Musik aus nichts als einer einzigen Klage
über den Verlust dieser Art von Licht und maßstabgerechtem apollinischem
Wohlgefühls bestünde. So einfach ist es nicht. Meine Musik lebt von ihren
Widersprüchen, steckt voller Dornengestrüpp, Stacheln und Unannehmlichkeiten. Sie
ist giftig wie Schlangenbisse, ihre Umarmungen können gefährlich werden, sich als
Betrug herausstellen, den Erwartungen nicht entsprechend. Menschen können sich
von ihren oft grellen Farben und dem Höllenlärm abgestoßen fühlen, den sie zu
produzieren gezwungen scheint – oft genug laufen sie scharenweise davon. Meine
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Musik hat ein unzeitgemäßes Pathos, etwas pathetisch Unzeitgemäßes. Und die
Freunde der alten Neuen Musik, der normalen, die kommen dabei schon überhaupt
nicht auf ihre Kosten. Ich arbeite mit alten Strukturen – der Fachmann schüttelt den
Kopf: Meine Musik versteht sich konzeptionell nicht mit den und auf die Usancen der
modernen Kompositionstechnik, findet darin nur partiell Brauchbares. Denn bei mir
gibt es, wie in der traditionellen Musik, die horizontale Gangart, auf die sich die
vertikale dramaturgisch-harmonisch bezieht. Das traditionelle Prinzip, wonach die
Dissonanz aufgelöst werden muß, hat in meiner Schreibweise noch Geltung. Man
könnte sagen, es ist eine Musik , deren Autor mit dem Dissonanzbegriff
dramaturgisch umgeht, wobei er fieberhaft nach Aufhebung des Konflikts, nach
Tilgung der Schuld, der Vergebung der Todsünden, nach Auflösung der Dissonanz,
nach Abebben des Schmerzes zu suchen scheint. Dabei geht es ja nicht um
Erfüllung einer obsoleten grammatikalischen Ordnung, sondern um erfinderischen
Umgang mit diesen hunderttausendfach schattierbaren Dissonanzen, einem der
wort- und facettenreichsten Ausdrucksmittel lebendiger moderner Musik von
barockem Reichtum.
Es gibt hier und da in meinen Sachen ein paar geglückt wirkende Stellen, Momente,
wo für einen Augenblick ein Schluß, eine Auflösung, eine Erlösung sich anzubahnen
scheint. Dem aber widersetzt sich ein zweites besseres Wissen: Im Lauf meiner
Entwicklung ist in zunehmendem Maß Vielschichtigkeit entstanden, es geschehen
fast immer mehrere Dinge gleichzeitig, Gestalten und Ideenträger kommen auf die
Bühne, die mit anderen Gestalten und Ideenträgern scharf und unvereinbar
kontrastieren, um dann doch wieder, den musikalisch-dramaturgischen und
strukturellen Gegebenheiten entsprechend, sich zu ergänzen – und sei es auch nur,
um einen kurzfristigen Kompromiß, eine Art doktrinfeindlicher Demokratie
herbeiführen zu können. Als handele es sich um Trugbilder, um Utopien. Das
Künstliche der ganzen Operation soll dem Betrachter, dem Hörer ins Auge
beziehungsweise ins Ohr springen. Schichten übereinanderliegender musikalischer
Vorgänge sind zu sehen und zu hören, die durch ihr Kommen und Gehen, das
Auftauchen oder Verschwinden, das Zu- oder Abnehmen ihrer Präsenz, ihrer Dichte,
einen ständigen Intensitäts- und Lichtwechsel zustande bringen und dadurch für
Aufregung und Überraschung und Abwechslung sorgen.
[S.73-75]
In den ersten Wochen [1953 auf Ischia im Golf von Neapel] übte ich zögernd einen
neuen Arbeitsstil ein und hielt mich daran, als er sich bewährt hatte. Ich habe ihn bis
heute beibehalten und muß arg leiden, wenn ich an seiner Anwendung gehindert
werde. Von Sonnenaufgang bis zum frühen Mittag (die Kirchturmuhr von San
Francesco skandierte blechern die Zeit) sollte ich am König Hirsch arbeiten, mit dem
zunehmenden Mond komponieren, umgeben von ohrenbetäubenden Zikadenchören,
mit dem abnehmenden Mond das Neugeschriebene ordnen und in Partitur setzen.
Punkt zwölf ging ich eine Stunde lang schwimmen an einem nahe gelegenen,
damals noch menschenleeren Strand; dann bereitete ich mir zu Hause in der kleinen
Küche eine leichte Mahlzeit, hielt eine Siesta, tat einen zweiten Arbeitsgang und
studierte, revidierte, entwickelte das Komponierte vom Vormittag. Abends saß ich auf
dem Dach mit einem Italienischbuch und einem Krug kühlen Weins, bestaunte den
Vulkan Epomeo, die langen Flötentöne der Grillen und die Gangarten der Gestirne.
Zur Ruhe kommen, erstmals in diesem Leben! […] Ich lernte alles Überflüssige
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wegzulassen und Strenge und Reinheit in mein Leben zu bringen. Zwischen meiner
Musik und mir gab es keine über die übliche Schizophrenie hinausgehenden
Identifikationsschwierigkeiten. Ich hatte verstanden, daß ich mein ganzes Leben lang
einem Schönheitsbegriff dienen würde, der etwas mit der Idee von der Wahrheit, der
inneren, der eigenen zu tun hatte, und keinem anderen Denken verpflichtet sein
würde als dem meinem – eingeschlossen den sozialen Ungehorsam, den ich für
mich beanspruchte.
Die ersten Noten für den 1. Akt des König Hirsch waren die zum Duett zwischen dem
Mädchen und dem jungen König:
Was können wir tun? Die Luft war voll von geöffneten Käfigen.
Unsre Blicke wurden Vögel und flogen davon.
[…] Es gab kein Klavier, aber das machte nichts, ich hatte ja inneres Hören lange
genug geübt, um jetzt nicht in Verlegenheit zu geraten. Ich lernte, mich auch auf
längere Zeit (auf Stunden, nicht wie bisher für wenige Minuten) so zu konzentrieren,
daß ich den musikalischen Vorgängen im Schädel aufmerksam und geduldig folgen
und die Noten mehr oder weniger unversehrt zu Papier bringen konnte.
[S.151-153]
Die letzten Tage auf Ischia [1956] waren durch eine gewisse Unruhe getrübt,
verursacht durch eine Anzahl von Telegrammen aus Berlin. […] Der Dirigent
Hermann Scherchen hatte mit den [Uraufführungs]Proben zu König Hirsch begonnen
und sich daran gemacht, mit dem Rotstift eine Arie nach der anderen aus der Partitur
herauszustreichen. […] Also ging ich nach Berlin […]. Ich stellte den Herrn zur Rede,
und da kam nun als Antwort der zum Sprichwort gewordene Satz: „Aber, mein
Lieber, wir schreiben doch heute keine Arien mehr.“ Ich: „Wer sind ‚wir’?“ Er: „Oh,
entschuldigen Sie.“ Es begann nun ein Kampf um jeden Zentimeter Arie, die natürlich
das Beste und Interessanteste an der Oper ausmachten – gerade in diesen Arien
hatte ich mich experimentell um Gleichmaß und um die Erfindung eines neuen
Schönheitsbegriffes bemüht. Der Dirigent verzerrte überdies die Tempi des
Übriggebliebenen, war einmal zu schnell, einmal zu langsam, suchte nach
Möglichkeiten, der Musik etwas anzutun, etwas in ihr aufzustöbern, was sie nicht
besaß, niemals hatte besitzen wollen.
Während Scherchen da unten im Orchestergraben einen Torso produzierte, fehlte es
oben auf der Bühne an gestaltender Regie. […] Helga Pilarczyk in der Rolle des
Mädchens erlitt Weinkrämpfe, weil sie keine Regie hatte. Schließlich brachte die
Premiere das Ganze zur Explosion. Es ist viel darüber geredet und geschrieben
worden. Einzelstimmen riefen Höhnisches in die Pianissimi hinein, es wurde gejohlt
und gepfiffen. […] dann ging der Vorhang zu, und die Antiphonie zwischen
Pfeifenden und Applaudierenden, Buh und Bravo brach los, in voller Wucht, endlos,
mindestens eine halbe Stunde lang. Ich kann nicht behaupten, daß ich mich darüber
besonders gefreut habe. […] ein gerüttelt Maß meiner Arien waren ungehört
geblieben, es waren statt eines in klassischen Metren gehaltenen neuen Werks, das
womöglich den Anfang eines neuen Musikdenkens hätte bedeuten können, nur
Grotesken und Verzerrungen zu hören gewesen. Auch die Regie war gleichgültig an
den vorgegebenen innovativen Möglichkeiten vorbeigegangen, hat sie wohl gar nicht
bemerkt.
[S.175-176]
Presseaussendung Kunstuniversität Graz 51c-2005/06
Rückfragen zur Produktion: Mag. Marlis Müller-Lorenz, Tel. +43/(0)316/389-3443
Rückfragen allgemein: Mag. Julia Mayerhofer-Lillie, Tel. +43/(0)316/389-1152, [email protected]
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Im März 1963 wurde in Kassel unter meiner Leitung und unter dem Titel
IL RE CERVO oder DIE IRRFAHRTEN DER WAHRHEIT eine Neufassung des König
Hirsch uraufgeführt, die Heinz von Cramer und ich hergestellt hatten, um das Stück
auch für Aufführungen in kleineren Häusern spielbar zu machen. Eine reduzierte
Orchesterfassung musste geschrieben, die festspielhafte Aufführungsdauer […]
verkürzt werden. Ganze musikalische Blöcke wurden herausgenommen (darunter
das Finale des 2. Aktes, aus dem meine 4. Sinfonie wurde) und durch Rezitative
ersetzt. Cramer führte eine Sprechrolle ein, den Zauberer Cigolotti, der uns durch die
ganze Geschichte geleitet, ein Freund der guten Menschen und der Clowns, die im
neuen RE CERVO zu Alchimisten geworden sind. Die Aufführung […] war ein großer
Erfolg für das Stück, das nun auch öfters nachgespielt wurde […].
[S.229]
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ZEITTAFEL – Hans Werner Henze – Bühnenwerke
1926
ab 1942
1948
1951/52
1953
1956
1959/60
1959/66
1962
1964/65
1974/76
1980/83
2003
~
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Hans Werner Henze am 1.Juli in Gütersloh (Westfalen) geboren
Kompositions- und Intrumentalstudien (Schlagzeug und Klavier) sowie
Korrepetitorentätigkeiten bei verschiedenen Lehrern und in Theatern
verschiedener Städte – unterbrochen durch Kriegsdienst und
Kriegsgefangenschaft
HWH studiert nach den „klassischen“ Kompositionstechniken auch die
der Dodekaphonie und der Serialität, verschreibt sich aber nie einer
einzigen Technik
erster Operneinakter, „Der Landarzt“ nach Franz Kafka
„Boulevard Solitude“, Text von Grete Weil und Walter Jokisch, erzählt
die Geschichte von Des Grieux und Manon Lescaut, welche auch
Massenet und Puccini als Opern-Sujets wählten
Übersiedlung nach Italien
dreijährige Arbeit an der Oper „König Hirsch“, größtenteils in Einsamkeit
auf Ischia im Golf von Neapel
skandalöse Uraufführung des stark gekürzten „König Hirsch“ an der
Deutschen Oper in Berlin
„Der Prinz von Homburg“, Libretto von Ingeborg Bachmann nach
Heinrich von Kleist
„Elegy for young Lovers – Elegie für junge Liebende“, „Die Bassariden“
und „The Judgement of Calliope – Das Urteil der Kalliope“, Libretti von
Wystan Hugh Auden und Chester Simon Kallmann
IL RE CERVO oder DIE IRRFAHRTEN DER WAHRHEIT, reduzierte
Fassung von „König Hirsch“
„Der junge Lord“, Libretto erneut von Ingeborg Bachmann nach Wilhelm
Hauff
„We come to the river – Wir erreichen den Fluß“, Text von Edward Bond
„The English Cat – Die engliche Katze“, Text wiederum von Edward
Bond nach Honoré de Balzac
Uraufführung der vorerst letzten Oper „L’Upupa und der Triumph der
Sohnesliebe“ bei den Salzburger Festspielen, HWH komponiert hier
erstmals ein eigenes Libretto
weitere Bühnenwerke, auch Bearbeitungen (u.a. Claudio Monteverdis
„Il ritorno d’Ulisse in Patria“ und Giovanni Paisellos „Don Chiosciotte“
im Umkreis der Opern entstehen eine Vielzahl von
kammermusikalischen und sinfonischen Werken, zuletzt wurde die
10.Sinfonie unter Sir Simon Rattle im Jahre 2002 uraufgeführt
Gründung mehrerer Musikfestivals, darunter 1984 das
Deutschlandsberger Jugendmusikfest (Steiermark)
sehr zahlreiche Preise, Doktorwürden und andere Ehrentitel, darunter
1999 die Ehrenmitgliedschaft der Universität für Musik und darstellende
Kunst Graz
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