Kirchengeschichte der Antike und des Mittelalters. Grund- und Überblickswissen (Modul 2: Quellen und Entwicklungen – Das Christentum in seiner Geschichte), Stöve, Sommer-Semester 2006, Do 8-10 Uhr, R 12, R 07, A 69 Begriffserläuterungen zum Thema: Ethik - oder die Lehre vom richtigen Handeln (1.6.2006) Kap. 1 Bergpredigt und natürliches Recht Bergpredigt – Inbegriff der radikalen endzeitlichen Ethik des NT Einleitung von Mt 5: Und Jesus ging auf einen Berg, ...; enthält neben den Seligpreisungen (Makarismen) die Antithesen (Tora / Ich aber sage euch ...); im weiteren Sinne werden auch die Nachfolge-Mahnungen Jesu hinzu gerechnet Makarismen – Seligpreisungen (in der Bergpredigt Mt 5) Mt 5,3-12; Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. (4) Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. (5) Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen ... Antithesen - den Seligpreisungen folgender Teil der Bergpredigt (Mt. 5): Gegenthesen Jesu als ethische Radikalisierung der Tora: 'Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist' ... (Zitat aus dem Mosaischen Gesetz) / 'Ich aber sage euch, ...' Steigerung durch Verinnerlichung und Intensivierung: z.B.: aus Nächstenliebe wird Feindesliebe Haustafel – frühe christliche Sozialethische Mahnrede z.B.: Kol 3,18 - 4,1; parallel zur Ethik der Bergpredigt und ganz unabhängig von ihr gibt es in den christlichen Gemeinden eine zweite, ganz anders geartete Ethik, eine auf dem Naturrechts basierte Ethik, beeinflusst durch die Stoa Stoa - lehrt Unerschütterlichkeit der Seele als Lebensideal nach der "Säulenhalle", d.h. der Stätte der Lehrvorträge ihres Gründers: Zenon von Kition (ca. 300 v.Chr.) in Athen benannte Philosophenschule; wahrhafte Glückseligkeit ist Leben im Einklang mit der Natur, Gehorsam gegen das göttliche Gesetz, Beachtung der allgemeinen Vernunftnatur des Menschen; Ziel: das Chaos der Sinne und Leidenschaften überwindende Ataraxie Parusie - Wiederkunft Christi griech.: Anwesenheit, Ankunft; die auf die Ankunft des erhöhten Christus als endzeitlichen Herrschers (Messias, Menschensohn) und Richters (Jüngstes Gericht) sowie auf die endgültige Aufrichtung des Reiches Gottes gerichtete Hoffnung; Problem: Ausbleiben der Wiederkunft (Parusieverzögerung) Apokalypse (griech.) = Offenbarung, prophetische Schau des Weltendes, vgl. Offenbarung des Johannes auf Patmos Chiliasmus (griech.) = Millenarismus (lat.), Lehre vom tausendjährigen Reich, dass am Ende der Zeit aufgerichtet wird (Offb. 20,1-10) Goldene Regel - allgemeinste sittliche Regel «alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das sollt auch ihr ihnen tun; [denn darin besteht das Gesetz und die Propheten]», Mt 7,12; seit der Antike tradierte Formel als Grundsatz und Kriterium ethischen Handelns Dekalog - (griech.) zehn Worte; die zehn Gebote: Exodus 20,2-17, Deuteronomium 5,6-21 Ethisches "Grundgesetz" in der jüdischen und christlichen Tradition; im Christentum oft in Konkurrenz zur Bergpredigt; in der frühen Neuzeit als überkultureller ethischer Konsens in der Naturrechtsdiskussion herangezogen Naturrecht - dem Menschen innewohnendes Rechtsempfinden überführt nach Römer 1 den Menschen seiner Sündhaftigkeit; katholisch: in Kontinuität zur theologischen Ethik; protestantisch: nur für die weltliche Rechtssprechung grundlegend; säkular: Begründung und Kriterium für die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebung Tugend - Gesinnung, auf Verwirklichung von Werten ausgerichtet nach Platon: Kardinaltugenden: Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit; im MA ergänzt nach 1. Kor. 13 um die theologischen Tugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe; vielfach allegorische dargestellt Kardinaltugenden - Grundtugenden, auf die alle anderen Tugenden zurückzuführen sind Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung (prudentia/sapientia, iustitia, fortitudo, temperantia) im MA ergänzt durch die drei theologischen Tugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe (fides, spes, charitas); oft abgebildet in der Sockelpartie von Portalen und Wänden, den Lastern entgegengestellt theologische Tugenden – thomistische Analogiebildung zu den Kardinaltugenden nach 1. Korinther 13: Glaube, Liebe, Hoffnung: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“. Zuvor wurde alles menschliche Wissen zum Stückwerk erklärt Evangelische Räte - Weisungen der Evangelien ethische Forderungen der Bergpredigt wie Feindesliebe, Eidverbot oder der Nachfolge wie Besitzlosigkeit, Ehelosigkeit; Empfehlungen für die, die nach Vollkommenen streben, im Gegensatz zu der allgemein verbindlichen Geltung des Dekalogs 2. Gnadenlehre und Prädestination Gnade – die göttliche Verleihung der Gerechtigkeit an den Gläubigen von Paulus vor allem in Römer 3 entwickelte Vorstellung, dass nicht die Befolgung des Gesetzes dem Menschen Heil bringt, sondern der Glaube an die Barmherzigkeit Gottes wie sie sich in der stellvertretenden Genugtuung seines Sohnes, Jesus Christus, gezeigt hat (vgl. Rechtfertigungslehre bei Augustin und Luther) Prädestination - Vorherbestimmung die Anschauung, dass Gott einem Menschen von Ewigkeit her zum Heil bestimmt hat; wird meist in Verbindung mit einer besonders akzentuierten Gnadenlehre vertreten (Calvin, Luther); bei Augustin und Calvin zur doppelten Prädestination (praedestinatio gemina) gesteigert: als Vorherbestimmung zum Guten oder zum Verderben Pelagianismus - Lehre des Pelagius, wonach die göttliche Gnade die wesenhafte Güte des Menschen und die ursprüngliche Willensfreiheit wieder herstellt; daraus folgt ein ethischer Rigorismus und die Ablehnung einer ursprünglichen Gnadenwahl (Prädestination); verurteilt auf den Bischofssynoden 416/418; eine abgeschwächte Form dieser Lehre, wie sie im südfranz. Mönchtum vertreten wurde (SemiPelagianismus – ‚halber Pelagianismus’) wurde 529 auf der Synode von Orange verurteilt 3. menschliches Tun und göttliche Verheißung alter Bund - Bundesschluss Jahwes mit Israel am Sinai, Ex. 20/34 im Zusammenhang mit der durch Moses erfolgten Verkündigung der 10 Gebote (Dekalog) als göttlicher Weisung an den erwählten Bundesgenossen: der Befolgung der Gebote wird Glück und Heil verheißen; Gebotsverletzungen verlangen Sühne, sei es in Form eines Sühneopfers, sei es in Form von Buße neuer Bund – Erweiterung der Heilszusage Jahwes auf die ganze Menschheit zugrunde liegt die metaphorische Deutung vom Tod Jesu am Kreuz als ein Gott dargebrachtes Sühneopfer, um die Sünden der Menschen zu tilgen. Nach römisch-katholischen Verständnis wird dieses Sühneopfer vom Priester in der Messe wiederholt. In den Einsetzungsworten des Abendmahls (1. Kor. 11,25) wird der Kelch als Inbegriff des neuen Bundes bezeichnet. Ausformuliert ist diese Bundestheologie im Hebräerbrief (Hebräer 9,13-15 u.a.) Jenseitsvorsorge - Stiftungen zugunsten des Lebens im Jenseits meist als Errichtung eines Altars in der Seitenkapelle einer Kirche verbunden mit dem Einkommen für einen Priester, der dort regelmäßig die Messe ließt (Messpriester). Das durch das Messopfer produzierte Gnadenkapital soll dem Stifter und dessen Familie im jüngsten Gericht zugute kommen Satisfaktion - Genugtuung (für die Beleidigung Gottes durch unsere Sünden) Teil des Bußsakraments; nachdem die Sünden durch die Absolution des Priesters vergeben wurden, verbleibt die Gutmachung für die Gott angetane Beleidigung; entsprechende «gute Werke»: Gebete, Almosen etc. in Ablassbriefen konvertierbar; die im Leben nicht ausreichend geleistete Satisfaktion wird mit entsprechender Strafe im Fegefeuer vergolten Gnadenschatz - aus den Verdiensten Christi und der Heiligen gebildet «Verdienstkapital», das der Kirche zur Verfügung steht, um fällige Satisfaktionsleistungen (Gebete, Wallfahrten, Almosen etc.) zu erlassen, die der Büßende Gott - wegen der ihm mit der Sünde angetanen Beleidigung – schuldet; bildet im Spätmittelalter die Grundlage für die Ablassbriefe