Die direkte Nachbarschaft als Teil einer gesamteuropäischen

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Direkte Nachbarschaft
Die Beziehungen zwischen der erweiterten EU und der
Russischen Föderation, Ukraine, Weißrußland und Moldova
Iris Kempe
Arbeitspapier
Verlag Bertelsmann Stiftung
Gütersloh 1998
ISBN 3-89204-827-4
64 Seiten
Resümee
Im Zuge des Transformationsprozesses orientieren sich die mittel- und osteuropäischen Staaten auf den Beitritt in die NATO und die Europäischen Union. Mit den seit
1991 unterzeichneten Assoziierungsabkommen hat die EU-Mitgliedschaft der mittelund osteuropäischen Staaten Priorität auf der politischen Tagesordnung der Gemeinschaft erlangt. Kurz nach dem Amsterdamer Gipfel der EU im Juni 1997 empfahl die
Europäische Kommission in ihrer Agenda 2000 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, Slowenien, Estland sowie
Zypern. Die künftige EU wird von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer über gemeinsame Außengrenzen mit der Russischen Föderation, der Ukraine, Weißrußland
und Moldova verfügen.
Die direkte Nachbarschaft zwischen der erweiterten EU und der Russischen Föderation wirft vollkommen neue Probleme auf. An den Außengrenzen der EU müssen historisch erstmals Nachbarschaftsbeziehungen zu Staaten gestaltet werden, die weder
vollständig integriert, noch durch grundlegende Systemgegensätze abgegrenzt werden
können. Die NATO-Osterweiterung ist eine Schlüsselentscheidung für die sicherheitspolitische Neugestaltung Gesamteuropas. Allerdings konzentriert sich diese Lösung auf Risiken eines engeren militärischen Sicherheitsverständnisses. Nur ungenügend berücksichtigt bleiben dagegen die zunehmend von politischen und sozioökonomischen Konflikten ausgehende Bedrohungen (soft security risks). Ihre sicherheitspolitische Einbindung ist Kern gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen der
EU und ihren vier künftigen östlichen Nachbarstaaten.
Die Rahmenbedingungen
Bei der Gestaltung partnerschaftlicher Nachbarschaftsbeziehungen in Gesamteuropa
nimmt die Europäische Union eine Schlüsselrolle ein. Sie besitzt als einziger politischer Akteur in der Region die Ressourcen und Instrumente, um den europäischen
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Kontinent zu stabilisieren. Zur Strategieentwicklung der direkten Nachbarschaft kann
die EU auf ihr breitgefächertes Instrumentarium einer Wirtschaftsgemeinschaft zurückgreifen. Sie verfügt über umfassende Instrumente und Erfahrungen der Wirtschaftskooperation, regionalen Integration und Entwicklungszusammenarbeit.
Mit der Entscheidung, ihren Reformweg auf den Beitritt in die NATO und EU auszurichten, orientieren sich die mittel- und osteuropäischen Staaten sowohl bei ihrer inneren Umgestaltung als auch bei ihren außenpolitischen Zielen nach Westen. Trotz
der Westintegration der mittel- und osteuropäischen Staaten bestehen ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen zur Russischen Föderation, Ukraine,
Moldova und Weißrußland fort und wurden teilweise sogar intensiviert. Obwohl die
mittel- und osteuropäischen Staaten auf einzelnen Ebenen pragmatisch mit ihren östlichen Nachbarn kooperierien, fehlt es ihnen an einem politischen Gesamtkonzept.
Die politische Modernisierung Rußlands, der Ukraine, Weißrußlands und Moldovas
ist von einem Staatsversagen gekennzeichnet: Auf der legislativen Ebene hat die verfassungsrechtlich vorgegebene Machtverteilung nur geringe Bedeutung. Parteien und
gesellschaftliche Organisationen sind schwach entwickelt und einflußlos. In keinem
der Länder war man bislang in der Lage, Rahmenbedingungen für Reformen der
Wirtschaft und der Eigentumsverhältnisse zu schaffen. Zusammen mit Problemen der
Strukturreform und Modernisierung der Wirtschaft führt dies zu anhaltenden Produktionseinbrüchen, zur Abnahme des Bruttosozialproduktes sowie zum dramatischen
Rückgang der Lebenserwartung.
Die direkte Nachbarschaft als Teil einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die ideologischen Gegensätze zwischen
Europa und Rußland verschwunden. Dennoch haben die Sicherheitsrisiken nicht abgenommen. Im Gegenteil: Immer stärker kommen statt der früheren Blockkonfrontation Sicherheitsprobleme im erweiterten Verständnis zum Tragen. Potentielle Konfliktursachen können die instabilen politischen Systeme der vier östlichen Nachbarstaaten, deren sozioökonomische Krisen sowie Minderheitenkonflikte an den künftigen Randzonen der EU werden. Es ist zu einer Verlagerung ideologisch und systembedingten Wertekonflikte des Ost-West-Gegensatzes auf erweiterte Sicherheitsrisiken
gekommen. Diese veränderten Risiken gilt es sicherheitspolitisch kalkulierbar zu machen.
Beim Aufbau einer neuen gesamteuropäischen Sicherheitsordnung bietet die Ausdehnung der NATO Ansatzpunkte zur Eingrenzung der militärischen Bedrohung. Unbefriedigend gelöst bleiben dabei jedoch die erweiterten Sicherheitsrisiken. Eine theoretisch vorgegebene Möglichkeit zur Eindämmung dieser Gefahren wäre die politische
und ökonomische Integration der Russischen Föderation, der Ukraine, Weißrußlands
und Moldovas in die EU. Die dabei erforderliche Integrationsleistung ist von der EU
nur unter erheblichen Verlust ihrer Handlungsfähigkeit zu erbringen.
Aufgrund der gegenwärtigen Rahmenbedingungen ist der effektivere Weg zur Schaffung einer politischen und sozioökonomischen Sicherheitsarchitektur eine regional
konzentrierte, auf grenzüberschreitende Interessen ausgerichtete Kooperation. Sie
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könnte über die künftigen EU-Grenzen hinaus Stabalität und Sicherheit gewähren.
Sollen gemeinsame Interessen auf beiden Seiten der künftigen EU-Grenzen zur partiellen Integration führen, erfordern sie symmetrische Interdependenzbeziehungen.
Mit den 1995 unterzeichneten "Abkommen über Partnerschaft und Kooperation zwischen der EU und der Russischen Föderation" sowie zwischen der EU und der Ukraine, Weißrußland und Moldova versucht die EU, den Rahmen für partnerschaftliche
Beziehungen zu setzen. Die Partnerschaftsabkommen sehen drei Hauptrichtungen vor:
regelmäßiger politischer Dialog, Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen
mit dem Ziel, bis 1998 die Errichtung einer Freihandelszone zu prüfen sowie die Intensivierung der kulturellen Zusammenarbeit.
Die vertraglichen Vereinbarungen der Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
sind eine optimale Zielformulierung. Allerdings setzt ihre Umsetzung politische und
sozioökonomische Symmetrien zwischen der EU und ihren künftigen Nachbarn voraus. Entgegen dieser Grundannahme ist das Nachbarschaftsverhältnis in erster Linie
durch Asymmetrien gekennzeichnet. Politikstrategisch leitet sich daraus ab: Kurz- und
mittelfristig geht es darum, Strategien der direkten Nachbarschaft zu entwickeln, die
dem asymmetrischen Verhältnis gerecht werden. Langfristig können die Partnerschaftsabkommen ihr Handlungspotential um so mehr entfalten, um so geringer die
Asymmetrien in den Nachbarschaftsbeziehungen werden.
Derzeit werden die Rahmenbedingungen der direkten Nachbarschaft weniger von
völkerrechtlichen Vereinbarungen der EU bestimmt als vielmehr von den geringen
Steuerungsmöglichkeiten der postsowjetischen Staaten und ihrer stark akteurszentrierten und fragmentierten Politik. Anknüpfungspunkte zur Gestaltung der Nachbarschaftsbeziehungen bieten die russischen, ukrainischen, moldawischen und weißrussischen Akteure, die Interesse am Export in die EU verfolgen sowie die Akteure,
die die Verbindungen zur EU für die innere Modernisierung nutzen wollen.
Für die direkte Nachbarschaft sind die Beziehungen zur Ukraine, Weißrußland und
Moldova in zweifacher Hinsicht wichtig: Zum einen sind sie potentielle
EU-Nachbarn, zum anderen stehen diese Staaten in der Schnittmenge der Interessen
zwischen der EU und der Russischen Föderation. Die sozioökonomische Stabilisierung der Ukraine und Moldovs gestaltet sich zum überwiegenden Nutzen aller betroffenen nationalen und supranationalen Akteure. Hinsichtlich der direkten Nachbarschaft existiert die Möglichkeit, die sozioökonomische Lage der typischerweise
strukturschwachen Grenzräume zu verbessern. Dabei bestehen zahlreiche Anknüpfungspunkte für partielle Integration.
Weitaus schwieriger gestalten sich die Beziehungen zwischen der EU und dem künftigen Nachbarn Weißrußland. Sie sind entscheidend vom Grad des Zusammenschlusses zwischen Weißrußland und der Russischen Föderation abhängig. Daraus ergibt
sich die Frage, mit welchen weißrussischen oder russischen Akteuren die EU ihre
Nachbarschaftsbeziehungen regeln muß. Außerdem würde ein weißrussischer-russischer Staat eine erhebliche Gewichtsverlagerung im Dreieck zwischen der
Russischen Föderation, der Ukraine und Weißrußland bewirken.
Probleme der direkten Nachbarschaft
a) Politische Asymmetrien
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Die politischen Asymmetrien zwischen der EU einschließlich der assoziierten mittelund osteuropäischen Staaten sowie Rußland, die Ukraine, Weißrußland, und Moldova
ergeben sich aus dem unterschiedlichen Grad der politischen Modernisierung: Bei
Rußland, der Ukraine, Weißrußland und Moldova handelt es sich weder um abgeschlossene Nationalstaaten, noch um konsolidierte Rechtsstaaten mit modernen Verwaltungen und demokratischen Teilhaberechten und es fehlt an leistungsfähigen sozialen Sicherungssystemen.
Territoriale Ansprüche sowie ungeklärte Grenz- und Minderheitenfragen sind eine
weitere Folgeerscheinung der aus dem Verlauf der politischen Modernisierung hervorgehenden Asymmetrien. Wechselseitige Minderheiten existieren zwischen fast
allen mittel- und osteuropäischen Staaten und den östlichen Nachbarstaaten der künftigen EU. Während die Ukraine mit allen EU-assoziierten Nachbarstaaten Grundlagenverträge abgeschlossen hat, gestaltet sich das Verhältnis zwischen den baltischen
Staaten und der Russischen Föderation weitaus problematischer: Die strittigen Grenzfragen zwischen Estland und der Russischen Föderation sind noch nicht umfassend
gelöst. Die derzeitige estnische und lettische Gesetzgebung hat die Frage der mehr als
ein Drittel ausmachenden russischen Bevölkerung nicht gelöst, von denen ein großer
Teil nicht über Staatsbürgerrechte verfügt. Im Falle der EU-Mitgliedschaft stellt die
russische Bevölkerung in allen drei baltischen Staaten ein Konfliktpotential dar: Die
russischen Minderheiten können zu Auseinandersetzungen zwischen der künftigen EU
und der Russischen Föderation führen bzw. zu diesem Zweck instrumentalisiert werden.
Mit dem Beitritt Polens und Litauens in die EU wird das Gebiet Kaliningrad eine russische Exklave innerhalb der EU. Somit entstehen weitere Folgeprobleme der nicht
abgeschlossenen Nationalstaatsbildung Rußlands: Die sich seit 1991 abzeichnenden
Probleme der wirtschaftlichen und infrasrukturellen Isolierung Kaliningrads würden
zunehmen. Außerdem können die mit dem Gebiet verbundenen Interessen zum Spielball für Auseinandersetzungen zwischen der EU und der Russischen Föderation werden. Eine Ursache für Instabilität kann die russische Militärpräsenz werden. Ein Bedrohungspotential ist weniger die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung, als
vielmehr die Instrumentalisierung für die russische Außenpolitik.
Ein weiteres Merkmal der unzureichenden politischen Modernisierung der früheren
Sowjetunion ist das Fehlen rechtsstaatlicher Traditionen und hinreichend differenzierten und legitimierten Administrationen. Es fehlen leistungsfähige Zoll- und Grenzverwaltungen, für den Aufbau von Informationsnetzwerken im Umwelt- und Kriminalitätsbereich sowie für die Schaffung effektiver Migrationsverwaltungen.
Nach westlichen Maßstäben politischer Modernisierung ist der Demokratisierungsgrad der Russischen Föderation, der Ukraine, Weißrußlands sowie Moldovas niedrig.
Die politischen Systeme differenzieren sich entlang der Konfliktlinien innerhalb der
zentralstaatlichen Exekutive, zwischen Zentrum und Regionen sowie aufgrund des
politischen Einflusses exportorientierter Wirtschaftssektoren. Für diese Staaten bedeutet gerade diese Pluralisierung die Chance zur Demokratisierung. Für die EU führt
das postsowjetische Staatsversagen zu erheblichen Problemen: Bei der Gestaltung der
Nachbarschaftsbeziehungen sind die Entscheidungsträger an institutionelle Kanäle
gebunden. Somit kann die EU die tatsächlich relevanten Entscheidungsträger nur bedingt erreichen.
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b) Sozioökonomische Asymmetrien
Ausgangspunkt für die Nachbarschaftsbeziehungen der künftigen EU ist das sozioökonomische Gefälle zu ihren östlichen Anrainern: In Rußland leben halb so viele
Menschen wie innerhalb der EU, das Bruttosozialprodukt pro Kopf beträgt in Rußland
nur ein Drittel des Bruttosozialproduktes der EU. Auch nach gut einem Jahrzehnt der
Reformversuche leidet der ehemals sowjetische Wirtschaftsraum am Zerfall des RGW
und der Sowjetunion. Anhaltende Produktionseinbrüche gehen einher mit unzulänglicher wirtschaftlicher Transformation und Modernisierung. Angesichts der nur
schwach entwickelten Zivilgesellschaft fehlen außerdem gesellschaftliche Akteure für
privates Unternehmertum und Eigentum.
Besonders kompliziert für die direkte Nachbarschaft zur EU ist die wechselseitige
Verknüpfung der Wirtschaftskrise mit Umweltproblemen und sozialen Fragen. So
können Armutsflüchtlinge und illegale Handelsströme aus der Russischen Föderation,
der Ukraine, Weißrußland und Moldova zur Folgeerscheinung der sozioökonomischen
Asymmetrien werden.
Die derzeit intensive wirtschaftliche Verflechtung zwischen der EU, den Assoziierungsstaaten und der Russischen Föderation ist Ausdruck der sozioökonomischen
Asymmetrie: Die russischen Exporte beschränken sich fast ausschließlich auf Energieund Rohstofflieferungen. Die EU exportiert dagegen überwiegend Industrieprodukte,
Technologieerzeugnisse und Lebensmittel nach Rußland. Trotz der insgesamt sehr
ungleichgewichtigen und somit zu problematisierenden Wirtschaftsbeziehungen bewirken die Handelsverflechtungen bei den einflußreichen russischen Interessengruppen das Bestreben, die Beziehungen zur EU nachhaltig zu intensivieren.
Hinsichtlich der direkten Nachbarschaft kann die grenzüberschreitende Wirtschaftskooperation wichtige Impulse setzen. Dies zeigt sich im Nutzen der Euroregionen für
Grenzstädte entlang der heutigen EU-Ostgrenze sowie in den Bestrebungen der
grenznahen russischen Gebiete Pskov und Leningrad, ihre Strukturschwäche durch die
Einrichtung von Wirtschaftssonderzonen und Meistbegünstigungsklauseln zu verbessern.
Voraussetzung für die Intensivierung von Handelsbeziehungen über die künftigen
EU-Grenzen hinweg ist aber der Ausbau transeuropäischer Verkehrs- und Kommunikationsnetze. Ein Schlüsselproblem stellt die Errichtung leistungsfähiger und sicherer
Zoll- und Personenkontrollen dar. Die Sicherung der künftigen EU-Außengrenzen
muß sowohl den Erfordernissen des grenzüberschreitenden Handels gerecht werden,
als auch die innere Sicherheit der EU garantieren. Obwohl die vier östlichen Nachbarstaaten der künftigen EU die Bedeutung der Lösung von Grenzproblemen erkannt haben, stehen der Umsetzung von Lösungen die fehlenden administrativen Kompetenzen entgegen.
c) Soziokulturelle Asymmetrien
Die gegenwärtigen politischen und sozioökonomischen Asymmetrien zwischen der
EU und den postsowjetischen Staaten sind in kulturellen Prägemustern verankert. Das
Verhältnis Rußlands zum Westen ist ein Thema, daß russische Analytiker und Entscheidungsträger seit dem 18. Jahrhundert mit erstaunlicher Beständigkeit diskutieren.
In dieser Debatte stehen sich die westlich ausgerichtete Position des Anschlusses an
die westeuropäische Modernisierung und die slawophile Position eines eigenständigen
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russischen Modernisierungsweges gegenüber. Entsprechend ihres jeweiligen Modernisierungsweges unterscheiden sich die beiden Positionen in ihren außenpolitischen
Orientierung: Die Westler richten sich auf die Integration in europäische und transatlantische Strukturen, während die Slawophilen mit der geopolitischen Lage Rußlands
zwischen Europa und Asien eine isolationistische Haltung zu Europa begründen.
Über geistesgeschichtliche Grundsatzdebatten müssen Unterschiede in der sowjetischen und westeuropäischen Modernisierung beim Aufbau von Nachbarschaftsbeziehungen berücksichtigt werden: Die westeuropäische Einigung zeigt eine Vielzahl historisch verwurzelter struktureller Gemeinsamkeiten: die europäische Familien- und
Beschäftigungsstruktur, Unternehmertum, gesellschaftliche Mobilität und soziale Sicherung sowie die europäische Stadtentwicklung. Dagegen war die sowjetische Industrialisierung und Urbanisierung der Versuch, soziökonomische Modernisierung
ohne gesellschaftliche und politische Pluralisierung durchzuführen. Unter diesen Prämissen gilt es, nach den Ausgangsbedingungen, dem Verlauf sowie den zu erwartenden Konsolidierungsformen der postsowjetischen Staaten zu fragen. Diese Erkenntnisse sollte die EU bei der Unterstützung der inneren Modernisierung der künftigen
Nachbarn berücksichtigen.
Fazit
Da sich die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Sicherheitsrisiken Gesamteuropas auf den Grenzraum der erweiterten EU konzentrieren, ist die Gestaltung
der direkten Nachbarschaft zwischen der künftigen EU und der Russischen Föderation, der Ukraine, Weißrußland und Moldova eine Schlüsselfrage beim Aufbau einer
gesamteuropäischen Sicherheitsordnung. Der sich bereits heute akut abzeichnende
Handlungsbedarf erfordert zunächst eine detaillierte Analyse der künftig zu erwartenden Nachbarschaftsprobleme. Die Nachbarschaftsprobleme gehen auf die politischen
und sozioökonomischen Asymmetrien sowie kulturelle Prägemuster zurück. Aufgrund
der stärker von Akteuren und weniger durch Institutionen bestimmten Entwicklung in
den postsowjetischen Staaten muß in die Problemanalyse eine Identifikation der Akteure einbezogen werden.
Auf der Grundlage differenzierter Problemanalysen kann die EU frühzeitig Lösungsstrategien entwickeln, diese sollten sich an folgenden Ziele orientieren: Etablierung
ständiger Gesprächskanäle mit den für die direkte Nachbarschaft relevanten Entscheidungsträgern, Aufbau leistungsfähiger Administrationen für Grenzfragen, Abbau
von Handelshemmnissen sowie die Regelung von Minderheitenfragen und Gebietsansprüchen als Voraussetzung für die EU-Mitgliedschaft der assoziierten Staaten. Ziel
der Problemanalysen muß es letztendlich sein, politische Empfehlungen auf europäischer Ebene für die Gestaltung der direkten Nachbarschaft zu entwickeln.
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