Der spezielle Investitionsvertrag

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GERMAN
MITTELSTAND IN
RUSSLAND 2016
Ein Leitfaden zum Geschäftserfolg
60 LOKALISIERUNG UND IMPORTABLÖSUNG
DR. TATIANA VUKOLOVA
Juristin, Senior Associate, Rödl & Partner, Moskau
DER SPEZIELLE INVESTITIONSVERTRAG
Ein neues Instrument der russischen Lokalisierungspolitik
Bereits seit 2012 steuert die russische Regierung die inländische
Wirtschafts- und Industriepolitik in Richtung der Lokalisierung
und Importsubstitution. Unternehmen, die in Russland produzieren oder eine Produktion planen, sollen gegenüber reinen Handelsunternehmen bevorzugt werden. Um der neuen innerpolitischen Marschroute eine gesetzliche Grundlage zu geben, ist am
31. Dezember 2014 das Föderale Gesetz »Über die Industriepolitik in der Russischen Föderation« (Nr. 488-FZ; im Folgenden:
»Industriegesetz«) und mit ihm auch die Regelung in Artikel 16
dieses Gesetzes über die sogenannten »speziellen Investitionsverträge« in Kraft getreten.
Der spezielle Investitionsvertrag wird zwischen einem Investor
(einer natürlichen oder juristischen Person) und der Russischen
Föderation, einem Subjekt der Russischen Föderation oder einer
Kommune geschlossen. Dabei verpflichtet sich der Investor, auf
dem Gebiet, dem Festlandsockel oder in der ausschließlichen
Wirtschaftszone der Russischen Föderation eine Produktionsstätte industrieller Art zu errichten, zu modernisieren und oder
zu erwerben. Die Besonderheit des speziellen Investitionsvertrages – was auch diese Figur von anderen Fördermechanismen
wie zum Beispiel einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft unterscheidet – ist, dass die staatliche Vertragspartei im Gegenzug
keine Investitionen von Finanzmitteln verspricht oder Eigentum
an dem Objekt erwirbt, sondern den Investor durch Steuer- und
Zollermäßigungen und andere Vorzugsrechte privilegiert. Darüber hinaus sollen nach dem Abschluss des Vertrages nachträglich
eingeführte gesetzliche Einschränkungen und Verbote nicht auf
den Investor anwendbar sein.
Seit der Regierungsverordnung der Russischen Föderation
Nr. 708 »Über die speziellen Investitionsverträge in gesonderten Industriebranchen« vom 16. Juli 2015 ist nunmehr auch klar,
welche Handlungen seitens des Investors für den Abschluss des
speziellen Investitionsvertrages unternommen werden müssen.
Um das Verhandlungsprozedere zwischen den Parteien zu
erleichtern, hat die Regierung neben der Regierungsverordnung
ein Musterformular eines speziellen Investitionsvertrages herausgegeben, der den groben Rahmen von möglichen Vertragsbedingungen festlegt und von den Parteien bezüglich einzelner Verpflichtungen mit Inhalt gefüllt werden muss (im Nachfolgenden:
Musterformular).
ANTRAGSTELLUNG
Der spezielle Investitionsvertrag wird für die Dauer des jeweiligen
Investitionsprojektes für maximal zehn Jahre geschlossen, wobei
das Investitionsvolumen des Investors 750.000.000 Rubel nicht
unterschreiten darf.
ABLAUF DES VERFAHRENS
Das Verfahren beginnt mit der Einreichung eines Antrages des
Investors auf den Abschluss eines speziellen Investitionsvertrages,
dem eine Reihe von Dokumenten beigelegt werden müssen:
die Beschreibung der geplanten Maßnahmen zur Stimulierung
der Produktionstätigkeit im Industriebereich;
Übersicht mit den geplanten Verpflichtungen des Investors;
die Beschreibung des Industrieprojekts und der Nachweis der
Investition;
ein Nachweis über Ausgaben im Zusammenhang mit dem
Erwerb oder der Anmietung von Grundstücken für die Errichtung von neuen Produktionsstätten (es sei denn, der Investor ist
bereits Eigentümer eines für das Projekt vorgesehenen Grundstücks);
eine Ausarbeitung der Projektdokumentation;
Nachweise über Erwerb, Errichtung, Anlieferung oder Entkonservierung des Zubehörs (die Kosten für den Erwerb des
Zubehörs dürfen nicht 25 Prozent der Kosten des zu modernisierenden oder entkonservierenden Zubehörs unterschreiten);
Ausgaben für den Bau oder die Renovierung von Betriebsgebäuden für die Realisierung des Investitionsprojekts;
ein Businessplan;
Belege über die geplanten Maßnahmen zum Zwecke des
Umweltschutzes.
PRÜFUNGSAUSSCHUSS ENTSCHEIDET
Nach einer ersten Durchsicht und vorläufigen Bewertung der eingereichten Unterlagen werden diese an einen Prüfungsausschuss
für spezielle Investitionsverträge übergeben und dort einer dann
endgültigen Prüfung unterzogen.
Der Beschluss der Kommission wird an den Investor weitergeleitet, woraufhin sich dieser im Fall einer positiven Rückmel-
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dung innerhalb von zehn Werktagen überlegen kann, ob er die
ihm vorgeschlagenen Bedingungen akzeptiert oder ein Differenzprotokoll an die Behörden adressiert. Gelangen die Parteien zu
einem Konsens bezüglich der Vertragsbedingungen, so wird das
Musterformular des speziellen Investitionsvertrages von beiden
Seiten ausgefüllt, unterschrieben und ausgetauscht.
VERTRAGSPFLICHTEN FÜR BEIDE SEITEN
Zur Bestimmung des Vertragsgegenstandes darf der Investor nach
dem Musterformular zwischen der Errichtung oder Modernisierung einer Produktion industrieller Art (Variante 1), der Einführung von sogenannten »besten verfügbaren Techniken« (Variante
2) oder dem Aufbau einer Produktion, die in der Russischen Föderation keine Analogien aufweist (Variante 3) wählen. Gleichzeitig
verpflichtet er sich, einen noch näher zu bestimmenden Betrag
in das Projekt zu investieren und alle zur Projektrealisierung von
den Parteien festgelegten Handlungen zu unternehmen. Im Laufe
der Vertragsdauer muss er zudem bestimmte Ergebnisse erzielen,
auf die sich die Parteien beim Abschluss des Investitionsvertrages
einigen.
Handelt es sich bei dem Vertragspartner um ein Industrieunternehmen, so gehört es zu dessen Vertragspflichten, die Produktion
nach dem vereinbarten Umfang und in Übereinstimmung mit der
vereinbarten Produktpalette auszurichten (Vertragsgegenstand
nach der Variante 1 und 3) beziehungsweise entsprechendes technologisches Zubehör zu erwerben und in die Arbeitsprozesse des
Unternehmens zu implementieren (Vertragsgegenstand nach der
Variante 2).
Um die Einhaltung der vereinbarten Pflichten sicherzustellen,
unterliegt der Investor einer regelmäßigen Berichterstattung über
die Ergebnisse seines Unternehmens und muss alle Unterlagen zur
Verfügung stellen, die eine Prüfung der ausgewiesenen Ergebnisse
belegen. Die staatliche Vertragspartei verpflichtet sich im Gegenzug, günstige Bedingungen für das Unternehmen zu schaffen und
diese während der Laufzeit des Vertrages nicht zu verändern.
Dabei sind die einzelnen Förderungsmaßnahmen nicht in dem
Musterformular aufgeführt, sondern müssen seitens der Parteien
individuell ausgehandelt werden.
HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN
Neben den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien eines
speziellen Investitionsvertrages legt das Musterformular auch
die Handlungsmöglichkeiten fest, die im Falle einer etwaigen
Vertragspflichtverletzung ergriffen werden können. Bei einer
Vertragspflichtverletzung seitens des Investors beziehungsweise
des Industrieunternehmens darf die andere Seite im Wege eines
Auflösungsvertrages oder eines Gerichtsurteils vom Vertrag
zurücktreten. Wird von dem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht,
so ist die staatliche Partei berechtigt, die vertraglich vereinbarte
Förderung einzustellen und die Rückerstattung der im Rahmen
der Vertragserfüllung gewährten Vorteile (Eigentum, Geldmittel oder Ermäßigungen von öffentlichen Abgaben) zu verlangen.
Außer bei vertraglichen Pflichtverletzungen steht der staatlichen
Partei ein Rücktrittsrecht auch dann zu, wenn ein Fall höherer
Gewalt eintritt oder wenn nach dem Abschluss des speziellen
Investitionsvertrages Rechtsakte zur Erfüllung von völkerrechtlichen Abkommen erlassen werden, die der Realisierung des Inves-
titionsprojekts entgegenstehen. Hält der staatliche Gegenspieler
seine Pflichten nicht ein, so kann der Investor zwischen einer Vertragsanpassung und dem Rücktrittsrecht wählen. Im zweiten Fall
kann der Investor den Ersatz von Verlusten und Vertragsstrafen
fordern. Die Höhe der Strafen ist dabei auf die konkreten Ausgaben des Investors beschränkt. Darüber hinaus ist der Investor
unter Umständen verpflichtet, bei Ausübung des Rücktrittsrechts
die ihm im Rahmen des speziellen Investitionsvertrages gewährte
Förderung zu erstatten.
SCHLUSSBEMERKUNG
Die aktuelle Lokalisierungspolitik soll der Stärkung und Förderung der russischen Wirtschaft dienen. Ob sich der spezielle
Investitionsvertrag als Teil dieser politischen Marschroute zu etablieren vermag, wird die künftige Praxis zeigen.
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