MEDITATION VON PATER ISWAR PRASAD Spirituelle Nacht 2007 Ich bin froh darüber, wieder mit euch gemeinsam zu beten. Ich komme aus einem sehr alten Land mit einer wenig bekannten spirituellen und kulturellen Tradition und freue mich über die Möglichkeit, mein Scherflein zur Vorbereitung auf dieses Pfingstfest beitragen zu können. In den letzen Tagen haben einige von euch einige Zeit mit mir verbracht, um in der Stille zu einer tieferen Gotteserfahrung zu gelangen, mit einem Minimum an Worten und Tönen. Gott ist ein großes Geheimnis, ja er ist das größte Geheimnis: man kann sich ihm nur in der Stille nähern. Das traditionelle indische Denken kennt drei Stufen auf dem Weg zur Gotteserfahrung: Zuerst auf das Wort Gottes zu hören – sravanam-, dann über dieses Wort nachzudenken, darüber zu meditieren –mananam- und schließlich das Eintauchen in Gott, die völlige Vereinigung mit ihm –nididhyasanam-. Das Yoga schlägt für den Weg zur Vereinigung mit Gott (die „samadhi“ genannt wird) acht Schritte vor. Wenn der Geist völlig zur Ruhe gekommen ist, wenn alle Tätigkeiten und Zerstreuungen unter Kontrolle sind, erreicht man den Zustand des „Samadhi Yoga chitta vritti nirodhah!“ Die sieben vorangehenden Schritte dienen der Reinigung und sind eine systematische Hilfe, durch „yama, niyama, asanas, pranayama, daharana, pratyahara, dhyana immer höher und höher zu gelangen. Dieses wissenschaftlich entwickelte System ist einzigartig im Hinduismus. Obwohl es wie ein System aussieht, das uns zum letzten Ziel unseres Lebens, der Gotteserkenntnis, durch unsere eigene Anstrengung hinführt, heißt es in der echten Tradition, daß Gott selbst auf der letzten Stufe eingreift: durch seine Gnade wird das Tor zu ihm aufgetan; das endgültige Ziel unseres Lebens (die Erkenntnis Gottes) erhalten wir als Geschenk. Diese Botschaft wird uns in einer symbolischen Sprache verkündet, deren Elemente ebenfalls symbolhaft sind. Diese Symbole sind der einzige Weg, vom letzten Geheimnis zu sprechen, das jedes Verstehen übersteigt. Die eben gehörte „Geschichte vom Knaben und seinen Brüdern“, die auf der Suche nach ihrem Innersten sind, will uns dieselbe Botschaft vermitteln und zeigt die Probleme , die sich bei der Gottes- erfahrung stellen: die in unserer Natur liegende Furcht vor dem Unbekannten, die Gefahr, die damit verbunden ist und die tiefe Ungewißheit. Zwei der Brüder wagen den Blick in die (eigene) Tiefe nicht. Der Jüngste von ihnen, der Mut und Ausdauer hatte, ganz in den Brunnen hinabzutauchen, ist ein gutes Sinnbild für uns. In unserer indischen Überlieferung ist Wasser eines jener Grundelemente, aus denen der Mensch besteht: Erde, Luft, Feuer, Raum und Wasser. Aus diesen fünf Elementen ist der Mensch gemacht und nach seinem Tod wird er durch die Verbrennung wieder in diese fünf Elemente zurück geführt. Im ältesten Buch über Religion, der Rigveda, der heiligen Schrift der Hindus, kommt dem Wasser als einem Medium für die Vereinigung mit Gott eine besondere Rolle zu: Wasser reinigt, heilt nimmt in Empfang und bietet den Verlassenen und Hilflosen letzte Zuflucht. Wenn ein Hindu stirbt, bettet man ihn auf die nackte Erde und bringt ihn dann zum Wasser. Dort füllt man seinen Mund mit Wasser, er wird gebadet, bevor er zur Verbrennung auf den Scheiterhaufen gelegt wird. Kinder, Schwangere, Selbstmörder und solche, die an ansteckenden Krankheiten gestorben sind, dürfen nicht nach diesen Riten bestattet werden; sie werden unmittelbar dem Wasser übergeben, also in den Schoß Gottes gelegt, der sich ihrer annimmt. Die Götterstatuen etwa von Durga, Saraswati und Ganesh werden nach der Verehrung zum Fluß getragen und zur Reinigung ins Wasser getaucht. Die wichtige Rolle des Wassers im Zusammenhang mit Gotteserfahrung kennen wir aus allen großen Religionen: die rituelle Waschung der Muslime vor ihrem „namaz“, (ihrem täglichen Gebet), ist allgemein bekannt. Im Christentum hat das Wasser eine ganz fundamentale Rolle: keine Taufe ohne Wasser, im Idealfall das völlige Eintauchen zur vollständigen Reinigung. Ganz am Beginn der Heiligen Schrift (Gen 1, 2) heißt es:“…und Gottes Geist schwebte über den Wassern.“ Propheten, wie etwa Ezechiel benützen häufig das Symbol des Wassers, um dem Volk Gottes Botschaft mitzuteilen. Und zu Nikodemus sagt Jesus: „Wenn du nicht wiedergeboren wirst aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, kannst du nicht ins Königreich (meines Vaters) gelangen.“ Machtvoll benützte Jesus das Sinnbild des Wassers in seinem Gespräch mit der Frau aus Samaria am Jakobsbrunnen: „Ich will dir lebendiges Wasser geben.“ 2 Der Bezug zum Wasser ist im göttlichen Plan so offensichtlich, daß wir keine weiteren Belegstellen aus der Bibel brauchen. Ich bin froh, daß wir alle heute Wasser in Gestalt der Quelle, des Baches und der kleinen Wasserfläche mit Wellen erläutert bekommen haben, sodaß wir von der Ehrfurcht einflößenden Macht des Wassers als einer Hilfe für tiefere Gotteserfahrung ergriffen sind. Wasser als Wesenselement unserer körperlichen Existenz bringt uns – jedenfalls nach indischer Tradition – in Berührung mit unserem tiefsten Innern. Und in dieser Berührung erfahren wir Frieden und Freude. Genau das wollen die Hindus ausdrücken, wenn sie sagen: „aham Brahmasmi“ Ich bin Gott, ich gehöre zu Gott. Durch unsere Meditation während der vergangenen Tage haben wir versucht, zu eben dieser Erfahrung zu gelangen. Wir haben systematisch geübt, im Hier und Jetzt zu sein, indem wir bewußt geatmet haben und ständig mit dem ein- und ausströmenden Atem in Kontakt blieben. Damit haben wir geübt, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft zu leben. Gott ist ja kein vergangener und kein zukünftiger Gott -er ist ständige Gegenwart! „Ich bin der ’Ich-binda’“, sagte Gott zu Mose. „Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“. Wer also ständig in Kontakt mit seiner Gegenwart bleibt, ist in Kontakt mit Gott. Kontemplation (Betrachtung) ist nichts anderes als in ständigem Kontakt mit Gott zu sein. Wer in liebevoller Aufmerksamkeit sich der ständigen Gegenwart Gottes bewußt ist, der lebt (ist) kontemplativ. Diese „Bewußtheits-Meditation“ führt uns immer tiefer in unser eigenes Selbst und damit zur Erkenntnis von Gott, von seinem Bild, das in unserem tiefsten Innern verborgen liegt. „Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“ (Gen1, 26). Gott ist wirklich in unserem tiefsten Selbst präsent (anwesend), doch wir sind uns dieser Tatsache nicht bewußt. Wir sind uns unserer wahren Identität nicht bewußt: Wir sind Kinder Gottes und Erben des Himmelreichs. Jesus vertreibt diese Unwissenheit aus uns, so wie das ein Guru nach orientalischer Sitte tut. Wir brauchen seine ständige Gegenwart notwendig, durch die er uns erleuchtet und zum Vater führt. Nach der Himmelfahrt, als der Herr nicht mehr sichtbar anwesend war, wollte uns Jesus nicht als Waisen zurücklassen, sondern versprach, uns den (Heiligen) Geist zu senden, der uns erleuchten und weiterhin geleiten sollte, bis wir unser wahres Ziel, den 3 Vater erreicht haben würden. Dieser Geist, der in uns Wohnung genommen hat, ist der uns innewohnende Guru für uns Christen. In seiner Gegenwart können wir gewiß sein, unser ewiges Heim zu erreichen. Alles, was wir im Lauf dieser Woche an Vorbereitungen gemacht haben, die Novene, besondere Gebete, diesen nächtlichen Pilgerweg, den wir gerade gehen, und die Erfahrungen mit dem Wasser, dies alles ist ein Teil unseres eigenen Mit-tuns auf dem Weg zur Erreichung dieses ewigen Zieles. Wir sind aufgefordert, mit dem (Heiligen) Geist zusammen zu arbeiten, um die Menschen (die gesamte Menschheit) zum Vater zurück zu bringen. Das ist die eigentliche Botschaft von Pfingsten: Durch den (Heiligen) Geist lebt Jesus weiter in uns bis zum Ende der Welt. 4