Zeitgemäße Kalligrafie

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Denis Brown: Zeitgemäße Kalligrafie
Zeitgemäße Kalligrafie
Persönliche Anmerkungen zum Stand aktueller Kalligrafie
Definition „Zeitgemäße Handschrift“
Mit „Zeitgemäßer Handschrift“ ist Schreiben bezeichnet, das charakteristisch für die jeweilige
Zeit ist. Alle bedeutenden historischen Handschriften sind zeitgemäß für die jeweilige Epoche, in
der sie entstanden sind. Das kantige, steife, nach oben strebende der gotischen Textura entspricht
dem damaligen Zeitgeist und ist ebenso sichtbar in der Architektur und dem übrigen
gestalterischen Ausdruck der damaligen Zeit.
Betrachten wir unsere heutige Zeit, so ist dafür das gleiche zu sagen. Eine zeitgemäße
Handschrift heute drückt immer etwas vom jetzigen Zeitgeist aus.
Die Tatsache, dass viele „Gelegenheitskalligrafen“ sich mit dieser Kunst beschäftigen, um dem
Alltag zu entfliehen, anstatt sie zu einer Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt zu nutzen,
hemmt die Erkenntnis der Kraft und der Möglichkeiten welche der Kalligrafie innewohnen.
Wenn man dagegen heutzutage gute Kalligrafie genauer betrachtet, erkennt man bestimmte
Trends.
Der Einfluss moderner Gedanken durchdringt die konservativen Bereiche „formalen
Schreibkunst“ im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, (ironischerweise nachdem der
Modernismus als Kunstrichtung von führenden Kunstkritikern als tot erklärt worden ist.)
Nichtsdestotrotz entwickelte sich die Dynamik der Kalligrafie hin zu den ausdrucksstarken
Bereichen, welchen sich auch die Maler der Moderne vor einem halbes Jahrhundert bedienten.
Obwohl diese Prinzipien neu sind im Feld der Kalligrafie, nehmen die Pioniere ihren Antrieb
direkt von den Malern der Moderne aus den früheren Generationen. Dies ist ein sehr
bedeutender Schritt. Farbtechniken der Malerei, Überlagerungen, Abstraktion und erweiterte
Möglichkeiten des Ausdrucks sind ein gängiges Merkmal von zeitgemäßer westlicher Kalligrafie.
Zeitgemäß oder modern? - eine Klärung der Begriffe
Die Benutzung des Wortes „modern“ ist in unserem Bereich oft irreführend und bedarf einer
Klärung. Die originale Bedeutung des Wortes „Modern“ als ein Leben im „Hier und Jetzt“ wurde
auch angewandt für die Bewegung der Moderne in Kunst und im Sozialismus zu einer Zeit, in
welcher dieser Begriff tatsächlich einen neuen Zeitgeist repräsentierte.
Wie auch immer, diese „Moderne“ ist Vergangenheit, bedeutet nicht mehr länger „Hier und
Jetzt“. Heutzutage kann „modern“ natürlich auch noch „Hier und Jetzt“ bedeuten, im Kontext
von Kunst und Sozialismus meint dieser Begriff aber die Periode des Modernismus, grob die
Periode von 1920 bis 1965. Diese „Moderne“ wird auch heutzutage noch praktiziert, aber nur
noch als vergangener Kunststil, nicht mehr als Revolution, nach welcher der originale Ausdruck
dieser Zeit gestrebt hat. Ironischerweise hat die „Moderne“ mittlerweile Tradition bekommen.
Sogar eine sehr noble in der Hand vieler anerkannter Künstler, welche diese Entwicklung
fortführen.
Nichtsdestoweniger wird hier das Wort „zeitgemäß“ bevorzugt, wenn wir über Neues bringende
Kunst reden.
Die Art, wie die Wörter „modern“ und „zeitgemäß“ in unserem Bereich austauschbar erscheinen,
stellt eine Unreife in der Würdigung künstlerischer Gestaltung dar.
Wie entwickelt man eine „zeitgemäße Handschrift“?
Offen gesagt, die einzige Möglichkeit eine zeitgemäße Handschrift zu entwickeln und zu
schreiben ist im „Hier und Jetzt“ zu sein. Nicht nur vertraut zu sein mit allen Richtungen der
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Kalligrafie, sondern das Wahrnehmen der fundamentalen Qualitäten, welche das „Hier und
Jetzt“ von vergangenen Generationen unterscheidet.
Ich praktiziere traditionelle Kalligrafie genauso wie expressives Arbeiten. So kann ich sagen, dass
eine gute traditionelle Kalligrafie auch einen zeitgemäßen Ausdruck beinhaltet, also niemals nur
eine Kopie eines bestimmten Stils ist. Innerhalb der Kalligrafieszene sind die Wörter
„zeitgemäß“ und „traditionell“ oft entgegengesetzt; dies verrät einen Mangel an Verständnis. Für
das Fortbestehen einer Tradition muss diese sich mit der Zeit ändern und sich den
Anforderungen der Zeit stellen. Kalligrafien von Meistern des traditionellen Stiles sind in ihrer
Epoche immer rein zeitgemäß und sind auf eine feinsinnige Art reich an individuellem Ausdruck.
Ich komme dem Schreiben zeitgenössischer traditioneller Stile näher, indem ich historische
Formen mit uns gewohnten typografischen Normen kombiniere. Natürlich geht dabei die
individuelle Energie nicht verloren. In meiner Arbeit bedeutet dies oft eine kleine Ausdehnung
der Dynamik, um bei einer Form den Druck auf die Feder zu verändern, von sehr fest auf sehr
leicht, oft eine Veränderung des Federstandes, beherrschen verschiedener
Schreibgeschwindigkeiten, und das einbeziehen passender schneller Wischer. Die größeren
Formate, zu denen wir im Vergleich zu den antiken Handschriften jetzt tendieren, unterstützen
diesen dynamischen Ausdruck.
Die Ausdehnung dieser Dynamik ist sichtbar in der Entwicklung von Formen die
ausdrucksstärker sind als die traditionellen Formen. Der Druck auf die Feder kann stellenweise so
stark sein, dass die Feder bricht, dagegen sind andere Bereiche innerhalb der Striche so leicht,
dass die Feder dabei das Papier gar nicht berührt. Ich denke dabei an Formen, die in der Luft
weitergeführt werden ohne dass Tinte auf das Papier fließt. Sie sind wesentlich für das Wirken
der Tinte auf dem Papier und sind vergleichbar mit den ein- und ausleitenden Bewegungen im
Sport: Golf, Tennis, Baseball etc.
Auch andere Aspekte können effektiv geschriebene Linien verändern: Federstand,
Geschwindigkeit (schnell, langsam) Tintenfluss (der oft abhängt vom Winkel der Feder zum
Papier, vergleichbar mit dem Fließen einer Flüssigkeit aus einer Kanne - je steiler, desto schneller).
Zeitgemäßes ausdrucksstarkes Schreiben strebt zu einem mehr abwechslungsreicheren Rhythmus
als er mit traditionell ausgeglichenen Buchstabenabständen möglich wäre. Das Schema
abstandsgleicher paralleler Linien, manchmal „Lattenzaun“ genannt, welches den Rhythmus der
formalen Italic stärkt, ist sehr hilfreich und wichtig für das Lernen. Trotzdem: rhythmisches
Schreiben erfordert einen Umbruch dieser Art des Lernens. Historische westliche Kalligrafie
zeigt generell keinen polyrhythmische Qualitäten, und respektiert dies deshalb wenig, obwohl die
kursive Schrift arabischer und orientalischer Tradition diesbezüglich einen Reichtum an
Möglichkeiten zeigt. Und, um meinen Anmerkungen zu folgen, dass sich zeitgemäße Handschrift
von einem direkten Engagement im Hier und Jetzt ableitet, finde ich polyrhythmische Muster in
der gegenwärtigen Technologie um mich herum, die meine Kalligrafie beeinflussen. Ich
komponiere/produziere Musik, welche ich digital auf meinem Computer aufnehme. Die
grafische Darstellung der Soundwellen zeigt interessante lineare Muster. Das Ausdehnen und das
Zusammengehen jeder Schwingungsform geschieht in einer natürlichen Art, welche mir
Anregungen gibt für ein organisches und polyrhythmisches fühlen von Abständen beim
Schreiben, die sich wechselnd ausdehnen und zusammenziehen können. Natürlich beeinflusst
Musik selber auch, wenn Polyrhythmen, Gegenrhythmen und Gegenmelodien auf entsprechende
Möglichkeiten in zeitgemäßer Kalligrafie hinweisen.
Ein weiterer Gesichtspunkt unserer technischen Umwelt - der Strichcode - zeigt in vereinfachter
Illustration, wie ein „Lattenzaun“ Rhythmus erweitert werden kann zu größerer rhythmischer
Vielfalt. Ich habe sogar vorgeschlagen, den Strichcode als eine „digitale Kalligrafie“ zu betrachten
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(erstmals 1999 in einem Workshop zu konzeptueller Kalligrafie bei der Konferenz in Connecticut
USA). Ein Strichcode ist ein lesbares Dokument (für einen Computer); er besteht aus Mustern
von schwarzen und weißen, dicken und dünnen Linien, genauso wie mittelalterliche Schriften in
ihrem Kontext. Natürlich fehlt bei dieser Betrachtung jegliche spirituelle Dimension, aber die
Allgegenwart des Strichcodes ist wie eine Einladung/Aufgabe für Kalligrafen Menschlichkeit in
diesen kalten Polyrhythmus zu bringen. Ich warte darauf, dass mehr Kalligrafen empfänglich für
konzeptionelle Aspekte der Gestaltung werden, so wie ich angeregt wurde durch das StrichcodeBeispiel. Das bringt eine neue Dimension in zeitgemäße Kalligrafie und würde die Kalligrafie
auch näher zu zeitgemäßer Kunst bringen. Und das in einer Zeit, in der die meisten
Künstler/Kalligrafen den alten Idealen der Moderne hinterher jagen.
Zurück zur Idee einer polyrhythmischen Kalligrafie. Meine Arbeit „Sweat Drips“ ist eine
Bemühung in diese Richtung. Einige Buchstaben stehen eng beieinander, andere öffnen sich in
den Raum hinein (wie die Ausdehnung einer Schwingungswelle). Sie formen einen zweiten
Rhythmus, welcher sich gewollt in einer harmonischen Art wiederholt. Nachdem die schreibende
Bewegung hier mit vielen schnellen Federstrichen ausgeführt ist, ist der Rhythmus natürlich mehr
improvisiert als geplant. Trotzdem: ich weiß, dass ich breite, offen gebogene Formen
unterbrechen wollte von gelegentlich engeren Buchstaben/Abständen. Mit der Lesbarkeit wurde
ein Kompromiss geschlossen, dergestalt, dass der Betrachter sich leichter an das Bild erinnert als
bei einem normal beschriebenen Blatt. (In der gleichen Art wie eine ganzseitige Buchmalerei der
Ausdruck von einleitenden Worte der Insularen Evangelien ist). Der Inhalt hier, „süßes Tröpfeln
auf meine Hand und Spritzer wie Geschosse auf das Papier, (Nick Hilton)“, beschreibt die
Aufregung und/oder Frustration eines Autors während des Schreibens. Für Kalligrafen bedeutet
dies, dass, wenn die Feder eine Erweiterung der Finger ist, die Tinte wohl sein Blut, sein Schweiß,
seine Tränen sind!
Die Bewegungsspur entstand aus einer überfüllten Feder, welche ich benötigte, um solch schnelle,
fließende Formen zu Papier zu bringen, und bekundet den reinen Geist in der Tinte.
Rhythmus wird definiert als sich wiederholende Muster. Ein Weg, Polyrhythmen zu entwickeln,
ist, geschriebene Formen mit neuen geschriebenen Formen zu überlagern, bis die zusätzlichen
Überlagerungen weitere Wiederholungen bilden, die in Beziehung zu den ursprünglichen Formen
sind. Noch mal: dies bedeutet immer einen Kompromiss in Bezug auf die Lesbarkeit, oft in
einem extremen Grade; aber meine Arbeit in dieser Ausdrucksweise ist weniger eine
buchstabentreue Abbildung des Textes, eher die Verkörperung eines Bildes vom Text und
meiner Ideen erzeugt von der Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Sensibilität ist erforderlich,
damit sichergestellt wird, dass die Schichtung, das Übereinanderschreiben den Rhythmus sich
entwickeln lässt und ihn nicht zerstört. Es ist wie der gemeinsame Einsatz von
Musikinstrumenten bei einem Konzert - alles muss eingestimmt sein und
„zusammengehören“ bevor es „grooven“ kann (Anmerkung des Übersetzers: Der "Groove" ist beim
Rhythmus das, was bei der Melodie Riff genannt wird, zieht sich aber im Gegensatz zum Riff durch das ganze
Musikstück. Beides fällt unter den Oberbegriff des Ostinato (lateinisch ostinatus, hartnäckig, eigensinnig) - eine sich
ständig wiederholende musikalische Phrase.
Der Groove gibt ein rhythmisches Grundmuster vor, das in der Folge variiert werden kann und gegen das die
übrigen Musiker anspielen. Dieses Spannungsverhältnis verleiht dem Groove einen besonderen Reiz. Ein Groove
wirkt auf die Zuhörer unbewusst psychomotorisch stimulierend. Besondere Bedeutung hat der Groove daher in
Stilen der Tanzmusik wie Funk oder Disco. Ein gutes Beispiel ist die Musik James Browns der frühen 70er Jahre.
Ein bekanntes Beispiel, wie der Groove sich auch im weißen Mainstream-Pop durchsetzte, ist der Popsong "Take a
Chance On Me" von ABBA. Während Agnetha und Frida die Melodiestimmen singen, skandieren Benny und Björn
den Groove "Take a chance, take a chance, take a, take a chance chance".
„Im Groove sein” ist einerseits Ausdruck für Übereinstimmung im Handeln mehrerer Menschen – z.B. dem
Zusammenspiel mehrerer Musiker - andererseits die Bezeichnung für ein Glücksgefühl, das durch psychomotorische
Stimulation wie beim Tanzen ausgelöst wird.)
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Natürlich ist in der Musik die Beschäftigung mit dem Rhythmus am ausgeprägtesten ersichtlich im akademischen Studium und in der Improvisation. Ein einfaches Beispiel eines Polyrhythmuses
ist eine Performance mit zwei Schlagzeugern, einem Congaspieler und jemanden an den Bongas.
Jeder spielt verschiedene Teile, die zusammen „grooven“. Die Performance kann viele sich
überlagernde Rhythmen haben: eine Basslinie und eine Akkordsequenz die auf einer Bass- und
einer Rhythmusgitarre gespielt werden, und noch möglicherweise von einem anderen Instrument
in einem Arpeggio wiederholt werden. (Anmerkung des Übesetzers: Arpeggio (Pl.: Arpeggien) ist der
musikalische Fachbegriff für einen Akkord, bei dem die einzelnen Töne nicht gleichzeitig, sondern nacheinander (in
kurzen Abständen) erklingen. Man spricht auch von einem gebrochenen Akkord).
Meine Arbeit „Die Krabbe“ ist ein Beispiel für überlagertes Schreiben in Bezug auf den
beschriebenen Polyrhythmus. Die Struktur von individuellen Schichtungen ist Polyrhythmus in
Reinform wie in den Anmerkungen zu „Sweat Drip“ beschrieben. Die Wiederholung von sich
ergänzenden Überlagerungen entwickelt und moduliert den Rhythmus. Die Arbeit „The
Crab“ besteht aus zwei Schichten von Schrift welche auf zwei verschiedenen Glasplatten
geschrieben sind. Geschrieben sind die Formen mit Ölfarbe auf Glas mit einer Nr. 6 MitchellFeder. Das ist eine rutschige Sache und ich erlaubte dabei dem Untergrund das Schreiben zu
beeinflussen, mit Pfützen aus Buchstaben die durch einen extra Druck auf die Feder erzeugt
worden sind.
Auf einer der Glasschichten erscheint die Schrift rückwärts geschrieben. Das kehrt die Richtung
des Rhythmus um, ein Trick den ich öfters in Form eines Gegenrhythmus nutze. Manchmal
werde ich gefragt, ob ich rückwärts schreibe, aber die Eigenschaft des Glases macht dies
überflüssig - ich drehe es einfach um.
Allerdings war es notwendig die zweite Glasplatte genauso wie die erste zu beschreiben, damit die
Formen auf den Glasplatten beim Verschieben aktiv aufeinander einwirken können.
Die beiden Glasplatten sind in einem Rahmen über einer dritten Schichtung angebracht: ein Blatt
Papier mit der Zeichnung einer Krabbe. Jede dieser drei Schichten ist im Abstand von 5 mm
gehalten mit dem Ergebnis, dass sich die Schatten der Schrift auf dem Glas auf dem
Hintergrundpapier abbilden. Die Schatten sind eine natürlich modulierte Wiederholung der
Schrift und vielfältige Schatten von vielfältigen Lichtquellen steigern die Komplexität des
Rhythmus! Man kann sagen, es ist ein Trick - aber für mich ist es „Surrealismus“.
Nun sind die Schatten, die sie auf dem Bild sehen, Abdrucke vom Original, die ich eingescannt
und in Photoshop nachträglich unscharf gemacht habe. Ich verwende modernen
nokumentechten Tintendruck auf dokumentenechten Medien um Beständigkeit zu sichern.
(Zeitgemäße Kalligrafen nutzen zeitgemäße Werkzeuge! Ich möchte nicht wissen, ob nicht der
erste Schreiber, welcher ein Vergrößerungsglas zu Hilfe nahm, um Details zu bearbeiten, nicht
ein Betrüger genannt worden ist!)
Was ist die Funktion zeitgemäßen Schreibens.
Oft wird gefragt, wie ein Kalligraf zeitgemäße Handschrift in seine Arbeit einbauen kann? Ich
vermute, dass der Grund dieser Fragen auf der Ansicht beruht, dass Kalligrafie eine antiquierte
Kunst ist, die mit einem Fuß in der Vergangenheit und dem anderen im Grab steckt.
Meine Antwort darauf kann nur folgende sein: Ich bin ein zeitgemäßer Kalligraf, zeitgemäße
Handschrift soll nicht in meine Arbeit „integriert“ werden, sie muss Kern meiner Arbeit sein. Sie
wuchs aus einer Wertschätzung traditioneller Formen, wurde kombiniert mit dem Studium
praktizierter zeitgemäßer Kunst und ist angereichert mit individuellen Beigaben. Kalligrafie ist
nicht ein Traum von mir, ist nicht etwas, wohin ich mich zurückziehe - Kalligrafie ist mein Leben.
Es ist wirklich, es ist hier und es ist jetzt. traditionell und funktionell oder eigenbrötlerisch und
unverständlich - sie ist immer zeitgemäß.
Die Funktion der Kalligrafie als Ganzes im 21. Jahrhundert ist komplexer als die Funktion (oder
der Mangel davon) jeder anderer Schrift. Die Mehrheit der Kalligrafen heutzutage sind Amateure.
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Es ist nichts Schlechtes dran, ein Amateur zu sein, (die etymologische Herkunft dieses Wortes
aus dem Französischen ist aufschlussreicher als oft benutzte höhnische Bemerkungen von
einigen Möchtegern-Professionellen; es bedeutet: ein Liebhaber). Die Hauptsächliche Aufgabe
von Kalligrafie ist nicht mehr vorrangig lesbare Dokumente zu produzieren, auch nicht Logos
oder Schriftbilder zu gestalten und auch nicht Kunst zu machen. Die Funktion der Kalligrafie für
die Mehrheit, welche sie praktiziert, ist, etwas mehr über sich selbst zu lernen, sich selbst beim
praktizieren und beim kalligrafischen Austausch zu entwickeln. Es ist eine anspruchslose,
bescheidene und dennoch grundlegende, wesentliche Funktion - Nichtkalligrafen erreichen dies
mit anderen Mitteln - einer sportlichen Aktivität oder einem anderen Hobby. Aber für alle von
uns, die eine Leidenschaft zur Schrift entwickelt haben, ist dies unser Weg. In dieser ehrenhaften
Bedeutung von amateurhafter Kalligrafie ist vielleicht der beste Kalligraf nicht der, welcher die
schönsten Buchstaben schreibt, sondern der welcher am meisten in der Kalligrafie aufgeht und
diese Leidenschaft am meisten teilt.
Der allgemeine Ausdruck von Kalligrafie heutzutage könnte mehr zeitgemäße Aspekte haben
wenn sich mehr von uns trauen würden mehr von sich selber in ihren Arbeiten zu zeigen. Sich
trauen, vertrauen kommt vom Praktizieren, und Praktizieren in der Kalligrafie führt uns zu
unserem herrlichen Erbe, den historischen Handschriften. Nächstes Mal, wenn Sie solch ein
Manuskript in einem Museum betrachten - oder abgebildet in einem Buch sehen - stellen Sie sich
die Frage, was es Ihnen über den Schreiber der Zeilen und über seine Zeit sagt. Kommt etwas
Individuelles vom Schreiber durch? Erkennen Sie den Zeitgeist der Epoche, in der es hergestellt
worden ist? Dann betrachten Sie ihre eigenen aktuellen Arbeiten und stellen sich die gleichen
Fragen.
Mein Wunsch zum Schluss: finden Sie eine lebensbejahende Antwort.
Anmerkung des Übersetzers zum Begriff „Contemporary“:
Contemporary kann übersetzt werden mit „zeitgemäß“ und „zeitgenössisch“. Für den oberflächlichen Betrachter
sind beide Begriffe gleichbedeutend. Genauer betrachtet, beinhaltet der Begriff „zeitgemäß“ auch eine kritische
Reflektion des „Zeitgeistes“; der Begriff „zeitgenössisch“ bedeutet ein unreflektiertes miterleben des Zeitgeistes.
Leben wir in einer „Hoch-Zeit“, ist es zeitgemäß wie zeitgenössisch angenehm zu leben. In einer Zeit des
Niederganges machen wir uns bei einem „zeitgenössischen“ miterleben zum Genossen des Niederganges. Leben wir
„zeitgemäß“, also reflektieren den Zeitgeist des Niederganges, ist es uns möglich, eine Gegenbewegung einzuleiten.
Aus diesen Überlegungen wird in der Übersetzung „contemporary“ mit „zeitgemäß“ übersetzt.
Original: Denis Brown
aus dem Englischen übersetzt von: Hans Maierhofer
Erschienen in: The Edge, August 2005, Zeitschrift der Callygraphy & Lettering Arts Society,
Kontakt:
Denis Brown
4 Sandyford Hall View, Dublin 18, Republic of Ireland
[email protected]
www.quillskill.com
Callygraphy Lettering Arts Society
www.clas.co.uk
[email protected]
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