Die totalitäre Diktatur – der Führerstaat Etablierung der NS-Herrschaft Als am Abend des 30. Januar 1933 Anhänger der Nationalsozialisten den lang ersehnten "Tag der Machtübernahme" mit Fackelzügen durch das Brandenburger Tor feierten, markierten die triumphierenden Kundgebungen auch symbolisch das Ende der Weimarer Republik. Wenige Stunden zuvor hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler, zum neuen Reichskanzler ernannt. Hitlers Absicht, eine von jeder Kontrolle durch den Reichstag befreite, autoritäre Regierung zu etablieren, die das von vielen Deutschen empfundene "demokratische Chaos" der Weimarer Jahre überwinden sollte, verwirklichten die Nationalsozialisten innerhalb kürzester Zeit. Unter Wahrung des Anscheins verfassungsmäßiger Legitimität verstanden sie es, politische Gegner auszuschalten und sich der staatlichen Machtinstrumente zu bemächtigen. Als diese "nationale Erhebung" im Sommer 1934 ihren Abschluß fand, waren Demokratie und Pluralismus in Deutschland zerstört, ohne daß es zu nennenswerter Gegenwehr gekommen wäre. In Hitlers Kabinett der "nationalen Konzentration" waren mit Reichsinnenminister Wilhelm Frick und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich zunächst nur zwei weitere Nationalsozialisten vertreten. Acht deutschnational-konservative Regierungsvertreter besaßen das Übergewicht, durch die sich Vizekanzler Franz von Papen eine "Zähmung" der Nationalsozialisten versprach. Dem illusorischen Zähmungskonzept wurden bereits mit der von Hitler geforderten Reichstagsauflösung am 1. Februar 1933 sowie mit der notwendigen Neuwahl des Reichstags die Grundlagen entzogen. Nunmehr vom Regierungsbonus begünstigt, begann die NSDAP unter der Parole "Kampf dem Marxismus" einen Wahlkampf staatlich sanktionierten Terrors gegen die Opposition, allen voran gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Mit Reichsinnenminister Frick und Göring als kommissarischem preußischem Innenminister waren zwei Schaltstellen der Macht mit Nationalsozialisten besetzt, die über die Polizeigewalt verfügten. Der preußischen Polizei verordnete Göring sogleich in einem "Schießerlaß" vom 17. Februar den rücksichtslosen Gebrauch der Schußwaffe gegen alle politischen Gegner. Von ihm fünf Tage später in Preußen aufgestellte Hilfspolizeiverbände aus 50.000 Angehörigen der Sturmabteilung (SA), der Schutzstaffel (SS) sowie des "Stahlhelms", die ihre Uniformen mit einer "amtlichen" weißen Armbinde versahen, nahmen bis Ende April 1933 ca. 25.000 Regimegegner in "Schutzhaft". Noch im Frühjahr 1933 begannen SA und SS mit der Errichtung erster Konzentrationslager (KZ) in Dachau und Oranienburg. Den entscheidenden gesetzlichen Rahmen für die Verfolgung politischer Gegner und die gleichzeitige Festigung uneingeschränkter Machtverhältnisse bildete für die Nationalsozialisten die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933. Die einen Tag nach dem Reichstagsbrand vom Reichspräsidenten unterzeichnete Notverordnung setzte die verfassungsmäßigen Grundrechte der persönlichen Freiheit, der Meinungs-, Vereins- und Versammlungsfreiheit außer Kraft. Über das Deutsche Reich wurde auf scheinbar legalem Weg ein permanenter, während des NS-Regimes nie aufgehobener Ausnahmezustand verhängt. In diesem Klima der Rechtsunsicherheit besaß die Reichstagswahl vom 5. März 1933 keinerlei freien Charakter. Gemessen an dem hohen Maß an Einschüchterung und propagandistischer Beeinflussung waren die 43,9 Prozent für die NSDAP eine tiefe Enttäuschung. Nur zusammen mit den acht Prozent der "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" aus Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und "Stahlhelm" erreichte die NSDAP eine parlamentarische Regierungsmehrheit im Reichstag. Die Nationalsozialisten bauten bei der Etablierung des NS-Regimes neben dem allgegenwärtigen Terror vor allem auf ihre Propaganda, die Emotionen befriedigte und eine verführerische Faszination ausübte. Hakenkreuzfahnen prägten nach dem 30. Januar 1933 das öffentliche Straßenbild. Riesige Parteiaufzüge und Aufmärsche sollten Zustimmung für die von der NSDAP propagierte "nationalsozialistische Revolution" entfachen. Broschüren, Postkarten und Plakate mit dem Konterfei Hitlers begründeten einen Personenkult bisher unbekannten Ausmaßes. In Huldigungen wurde er als "Retter des Vaterlands" gefeiert. Immer wieder beschwor der am 13. März 1933 zum Reichspropagandaminister ernannte Joseph Goebbels zudem öffentlich das "Dritte Reich", das Tradition und Machtanspruch des untergegangenen Kaiserreichs fortsetzen und die Demütigungen des Versailler Vertrags von 1919 revidieren würde. Symbolisch reichte das neue, das nationalsozialistische Deutschland dem Kaiserreich beim von Goebbels äußerst erfolgreich inszenierten " Tag von Potsdam" am 21. März 1933 die Hand, als sich Hitler in dunkler Zivilkleidung ehrfurchtsvoll vor Reichspräsident von Hindenburg in kaiserlicher Uniform verneigte. Im In- und Ausland verfehlte diese Geste nicht ihre Wirkung. Auf den Wogen nationaler Euphorie vollendete Hitler zwei Tage später sein nächstes Vorhaben. Mit 444 zu 94 Stimmen nahm der Reichstag inmitten drohender SA-Verbände das "Ermächtigungsgesetz" an, mit dem die Regierung Gesetze ohne Reichstag und Reichsrat verabschieden konnte. Alle anwesenden SPD-Abgeordneten hatten die Selbstentmachtung des Parlaments abgelehnt, die Abgeordneten der KPD waren verhaftet oder bereits im Untergrund. Die Ablehnung des Gesetzes durch die SPD bestätigte die konservativen Parteien in ihrer Auffassung, auf der richtigen, auf der "antibolschewistischen" Seite unter Führung der NSDAP zu stehen. Viele Deutsche glaubten ernsthaft an die Gefahr eines sozialistischen Aufstands. Daß mit der Ausschaltung organisatorischer Strukturen der Linken durch die Zerschlagung der Gewerkschaften und durch die Errichtung des Einparteienstaats im Sommer 1933 eine vermeintlich feste "nationale Ordnung" herrschte, entsprach grundsätzlich auch ihren Wünschen. Die rasante Besetzung von wichtigen Schlüsselpositionen im Staat durch Angehörige der NSDAP förderte das " Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933, welches die Entlassung aller im Sinne der neuen Machthaber politisch unzuverlässigen oder jüdischen Beamten ermöglichte. Die staatlich sanktionierte Verfolgung der als rassisch minderwertig diffamierten Juden hatte unmittelbar mit Beginn der Machtübernahme eingesetzt. Mit dem " Arierparagraph" erhielt zum ersten Mal ein verordneter Antisemitismus Eingang in Gesetze. Bereits Anfang April 1933 kam es zu ersten Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte und Einrichtungen. Bis Frühjahr 1934 verließen rund 37.000 Juden das Land, die meisten blieben jedoch trotz Verfolgung und Repressalien in Deutschland. Ab Frühjahr 1933 waren nahezu alle Lebensbereiche einer erzwungenen Gleichschaltung unterworfen. Die Gleichschaltung der Länder sowie die ideologische und organisatorische Ausrichtung aller politischen und gesellschaftlichen Institutionen, Verbände und schließlich jedes einzelnen Bürgers auf die Weltanschauung und Ziele des Nationalsozialismus sollte die Meinungsvielfalt rigoros beseitigen. Eine von nationalsozialistischen Studenten und Professoren initiierte Kampagne "gegen den undeutschen Geist" gipfelte in der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Mit der Durchdringung und Kontrolle der Bevölkerung forcierte die NSDAP ihren Drang nach totaler Macht. Zwangsweise überführt wurden die gleichgeschalteten Verbände in riesige, der NSDAP angeschlossene Einheitsorganisationen wie die Deutsche Arbeitsfront (DAF) oder NSVolkswohlfahrt (NSV). Die von den Nationalsozialisten als "undeutsch" empfundene pluralistische Gesellschaft sollte durch eine solidarische Volksgemeinschaft ersetzt werden, die durch das Winterhilfswerk (WHW) oder Kraft durch Freude (KdF) massenwirksam inszeniert wurde. Für Behinderte oder "Asoziale" gab es in der Volksgemeinschaft keinen Platz. Das am 14. Juli 1933 beschlossene " Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" erlaubte die Zwangssterilisation, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit Nachkommen mit schweren körperlichen oder geistigen Schäden zu erwarten waren. Ihr charakteristisches Strukturelement erhielt die Volksgemeinschaft durch das "Führerprinzip", das die Einheit von Volk und Führer postulierte sowie unbedingte Treue und Gehorsam forderte. Von Teilen der auf knapp vier Millionen Mitglieder angeschwollenen SA wurde die Gefolgschaft im Frühjahr 1934 allerdings in Frage gestellt. Die SA hatte für die NSDAP bei der Festigung der politischen Macht unverzichtbare Dienste geleistet. Doch die Erwartung der SA-Führung, durch die "nationalsozialistische Revolution" in führende Stellungen des neuen Staats zu gelangen, erfüllte sich nicht. Exponent der Unzufriedenheit war der Stabschef der SA, Ernst Röhm. Mit der Parteiarmee im Rücken forderte er eine "Zweite Revolution", um die SA zur dominierenden Kraft in Staat und Gesellschaft zu machen. Seine Vorstellung von der SA als Kern der bewaffneten Macht in Deutschland bedrohte die von Hitler im Februar 1933 zugesicherte Unabhängigkeit der Reichswehr. Als die internen Machtkonflikte eskalierten, nutzte Hitler im Bündnis mit der Reichswehrführung und der SS einen angeblich geplanten Röhm-Putsch, um die SA-Führung sowie konservative Opponenten wie den letzten Reichskanzler der Weimarer Republik, Kurt von Schleicher, am 30. Juni 1934 ermorden zu lassen. Mit seinem entschlossenen Vorgehen besänftigte Hitler nicht nur eine durch Übergriffe und Machtmißbrauch der SA verbreitete Mißstimmung in der Bevölkerung. Der Reichswehr versicherte er sich als eines zuverlässigen Verbündeten. Nach dem Tod Hindenburgs und der Auflösung des Reichspräsidentenamts am 2. August 1934 bot die Armeeführung Hitler an, den Schwur auf ihn persönlich als "Führer und Reichskanzler" zu leisten. Die weitreichende Bedeutung des Treueids im Zweiten Weltkrieg, als er Offiziere davon abhielt, gegen Hitler aktiv zu werden, war 1934 noch nicht abzusehen. Der Schwur festigte Hitlers totalitäre Führerdiktatur endgültig. Potentielle Gegner waren verhaftet, ermordet oder in der Emigration. Seinen "Führerwillen" gedachte Hitler nicht durch geschriebene Normen einer neuen, wenn auch nationalsozialistisch ausgerichteten Verfassung binden zu lassen. Das "Führerwort" besaß Gesetzeskraft. Institutionell zwar völlig irrelevant, existierte die Weimarer Verfassung bis zur deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg formal weiter. Reportage aus der Reichskanzlei, 30. Januar 1933 Adolf Hitler: Regierungserklärung im Rundfunk, 2. Februar 1933 Adolf Hitler: Kundgebung im Berliner Sportpalast, 20. Februar 1933 NS-Innenpolitik Als Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im September 1934 den Abschluß der "nationalsozialistischen Revolution" verkündete, hatte sich das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben in Deutschland in nur 20 Monaten tatsächlich nahezu revolutionär verändert. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und ihrer Machtübernahme etablierten die Nationalsozialisten durch Terror und Propaganda bis Sommer 1934 ihre uneingeschränkte Macht im Deutschen Reich. Wer dem Führungsanspruch der Nationalsozialisten nicht Folge leisten wollte oder aber ihrem Rassenideal nicht entsprach, der hatte keinen Platz in der von ihnen propagierten Volksgemeinschaft. Letzte Kritik innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung beseitigte Hitler mit der Ermordung der Führung der Sturmabteilung (SA) im sogenannten Röhm-Putsch im Juni 1934. Ihrer direkten Konkurrenz als bewaffnete Macht im Staat entledigt, machte sich schließlich auch die traditionsbewußte Reichswehr mit dem noch am Todestag von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 2. August 1934 angebotenen Eid auf Hitler persönlich zu einem Instrument der NSFührung. Nach Hindenburgs Tod vereinigte Hitler durch das "Gesetz über das Oberhaupt des Deutschen Reiches" vom 1. August 1934 zudem die Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler in seiner Person. Damit gab es keine verfassungsrechtliche Institution mehr, die seine Stellung auch nur formal hätte einschränken können. In einer Volksabstimmung ließ sich Hitler am 19. August 1934 seine absolute Macht zusätzlich durch Volkswillen "bestätigen": 89,9 Prozent der Wähler stimmten für die Vereinigung der Ämter des Staatsoberhaupts und des Reichskanzlers. Die Menschen in Deutschland hatten anschließend nur noch wenig Gelegenheit für einen Gang zur Wahlurne, um den Willen der NS-Führung durch Abstimmungen ohne jeglichen demokratischen Charakter zu "legitimieren": Am 29. März 1936 erhielt die Einheitsliste der NSDAP bei sogenannten Reichstagswahlen nach offiziellem Ergebnis 99 Prozent der Stimmen, ebenso viele Wähler stimmten bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 für den "Anschluß" Österreichs. Nach der Besetzung des Sudetenlands fanden dort am 4. Dezember 1938 Ergänzungswahlen zum Reichstag statt. Der Reichstag als Repräsentationsorgan des Volkes war im NS-Regime allerdings ohne Funktion und wurde nur noch selten einberufen. Er diente lediglich der Akklamation von Entscheidungen der NS-Führung. Die NS-Führung besaß keine durch Gesetze und Erlasse gefestigte Form. Hitler allein bestimmte die Grundlinien der Politik, das "Führerwort" besaß Gesetzeskraft. Im NS-Regime trat eine von formellen und institutionellen Zwängen entbundene Führergewalt an die Stelle der traditionellen Staatsgewalt. Ohne die vor 1933 üblichen förmlichen Festlegungen und Beschlußverfahren veränderte sich auch die Funktion des Kabinetts, dessen Sitzungen immer seltener stattfanden und nach Februar 1938 schließlich ganz wegfielen. Die Regierungsressorts standen ab 1937 mit Hitler durch den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers (1879-1962), in Verbindung, der im Rang eines Reichsministers ohne Geschäftsbereich die Regierungsgeschäfte betreute und zu koordinieren versuchte. Seitens der NSDAP, ab 1933 einzige Partei im Deutschen Reich und offiziell "Trägerin des deutschen Staatsgedankens", sollte Rudolf Heß nach seiner Ernennung zum "Stellvertreter des Führers" im April 1933 Hitlers Standpunkte gegenüber staatlichen Institutionen und den Parteidienststellen vertreten. Herkömmliche, aber im nationalsozialistischen Sinn als störend empfundene staatliche Organisationen von Regierung, Justiz und Verwaltung wurden aufgehoben oder mit NSOrganisationen zu halbstaatlichen Behörden verschmolzen. Nach der Gleichschaltung der Länder wurden diese von Hitler persönlich unterstellten Reichsstatthaltern geführt. Sie waren häufig identisch mit den Leitern der NS-Gaue, die zum Teil auch als Oberpräsidenten preußischer Provinzen die starke institutionelle Verklammerung von Partei und Staat verkörperten. Den Landesregierungen übergeordnet, sollten die Reichsstatthalter für die Durchführung der zentralistischen Politik der Reichsregierung sorgen. Aber auch die Reichsregierung sah sich ab 1933 direkter Konkurrenz von zahlreichen NS-Sonderbehörden und Dienststellen ausgesetzt, die ausschließlich Hitler untergeordnet waren. Rivalisierende Kompetenzkonflikte und eine unübersichtliche Ämtervielfalt waren die Folge der Zersplitterung von Aufgabenbereichen, da eine verfassungsrechtliche Festlegung des Verhältnisses von Partei und Staat ganz bewusst unterblieb. Nur aufgrund der Abkoppelung von herkömmlichen Reichsbehörden konnte der als "Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen" eingesetzte Fritz Todt ungehindert vom Verkehrsministerium und gesetzlichen Bestimmungen den prestigeträchtigen und massenwirksam inszenierten Autobahnbau vorantreiben. Wirtschaftspolitische Anstrengungen der Nationalsozialisten konzentrierten sich zunächst auf solche - zum Teil schon vor 1933 ausgearbeitete - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Reduzierung der existenzbedrohenden Arbeitslosigkeit. Die damit verbundenen Erfolge der Nationalsozialisten wurden durch eine vor 1933 unbekannte Fülle staatlicher Propaganda vermittelt und nicht zuletzt dank der zunehmenden Verbreitung des Volksempfängers in viele Wohnzimmer übertragen. Verantwortlich für die allgegenwärtige Propaganda und den von ihr verbreiteten Führerkult um Adolf Hitler - dessen angeblich vorbildhafte Lebensweise ohne Alkohol und Nikotin ebenfalls herausgestellt wurde - war Joseph Goebbels. Er führte das im März 1933 neuerrichtete Propagandaministerium und war mit weitgehend identischen Aufgabenbereichen gleichzeitig Reichspropagandaleiter der NSDAP. Als langjähriger getreuer Gefolgsmann Hitlers gehörte Goebbels ebenso wie Hermann Göring und Heinrich Himmler zum engsten Führungszirkel des NS-Regimes. Himmler befehligte als Reichsführer der Schutzstaffel (SS) dabei das wichtigste Machtinstrument Hitlers. Den machtpolitischen Aufstieg der SS ab 1933 sowie die schrittweise Übernahme der Polizeigewalt aus dem Kompetenzbereich der Länder vollendete Himmler im Juni 1936 mit seiner Ernennung zum "Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei". Die institutionelle Eigenständigkeit der Polizei hörte durch die enge Verschmelzung mit der SS in Personalunionen auch auf unteren Ebenen auf. Die formale Unterstellung Himmlers als Staatssekretär unter Innenminister Wilhelm Frick erwies sich dabei als bedeutungslos: Allein die persönlichen Gefolgschaftsverhältnisse gegenüber dem "Führer" prägten im NS-Regime das personenorientierte Regierungssystem auf höherer Ebene. Himmler direkt unterstellt waren der Sicherheitsdienst (SD) und die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Durch sie gelang eine nahezu lückenlose Überwachung der Bevölkerung sowie eine rücksichtslose Verfolgung tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner des jeder rechtsstaatlichen Kontrolle entzogenen, totalitären NS-Staats. Unterdrückung und Terror gegenüber politischer Opposition prägten entschieden die Innenpolitik des NS-Regimes. In "Schutzhaft" genommene Häftlinge warteten zumeist vergeblich auf Gerichtsverfahren oder juristischen Beistand, obwohl sich staatliche Justizbehörden und das Reichsinnenministerium zumindest anfänglich noch gegen die von Himmler forcierten, gerichtlich nicht überprüfbaren Inhaftierungen wandten. Zu gänzlich rechtsfreien Räumen entwickelten sich die Konzentrationslager (KZ), im NS-Jargon häufig beschönigend als "Erziehungslager" tituliert und - wie im Fall des KZ Dachau - als solche in Illustrierten bildhaft dargestellt. Mit Ausweitung der von "Schutzhaft" bedrohten Personengruppen von politisch Andersdenkenden auf Juden, Zeugen Jehovas, "Arbeitsscheue" sowie Sinti und Roma wurden immer mehr Menschen in die Lager verschleppt. Die nationalsozialistische Politik zielte von Anfang an auf die rasche Ausgrenzung von Juden und anderer als "rassisch minderwertig" Beurteilter aus allen Gesellschafts- und Lebensbereichen. Der staatlich gelenkte Ausschluß aus vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens sowie andere massive Unterdrückungsmaßnahmen veranlassten vor allem jüngere Juden zur Auswanderung. Einen radikalen Einschnitt in das Leben der in Deutschland verbliebenen Juden brachten die Nürnberger Gesetze von 1935, die sie zu Menschen minderen Rechts stempelten und auch jene als sogenannte Voll- oder Halbjuden definierten, die sich zeit ihres Lebens nicht als Juden empfunden hatten. Auch sie konnten damit Opfer der Pogromnacht vom 9. zum 10. November werden, in der Nationalsozialisten etwa 100 Juden ermordeten, Hunderte von Synagogen in Brand steckten und Tausende jüdische Geschäfte und Wohnungen demolierten. Dem wegen der vielen zerstörten Schaufensterscheiben auch "Reichskristallnacht" genannten Pogrom folgte eine Fülle weiterer antijüdischer Maßnahmen, mit denen die Juden endgültig jeglicher Existenzgrundlage beraubt wurden. Obwohl die antijüdische Politik bei einem Großteil der Deutschen nicht auf Anerkennung stieß, fanden nur Wenige den Weg in den Widerstand. Zwar wehrten sich Teile der katholischen und evangelischen Kirche durchaus erfolgreich gegen ihre Gleichschaltung und den Anspruch des NSRegimes, auch das religiöse Leben der Menschen mit nationalsozialistischer Ideologie zu durchdringen. Zu häufig jedoch blieben auch die Kirchen stumm gegen die NS-Unrechtspolitik und widmeten sich statt dessen ganz ihren sozialen Aufgaben. In der deutschen Bevölkerung erfreute sich das NS-Regime großer Zustimmung. Gründe dafür waren zunächst die Reduzierung der Arbeitslosigkeit und ein vornehmlich durch die schnelle Aufrüstung eingeleiteter Wirtschaftsaufschwung. Sozialpolitische Maßnahmen und Einrichtungen wie das Winterhilfswerk (WHW) gegen Hunger und Armut, die NS-Volkswohlfahrt und nicht zuletzt die beliebte Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) brachten dem NS-Regime ebenso nachhaltig Sympathien ein wie die mit großem Aufwand betriebenen Olympischen Spiele 1936. Hinzu kamen Erfolge in der Außenpolitik, mit denen Hitler die als Schmach empfundenen "Ketten von Versailles" sprengte und Deutschland sukzessive auf Augenhöhe mit anderen Großmächten hievte. Die meisten Menschen in Deutschland, aber auch im Ausland konnten oder wollten jedoch angesichts der Erfolge Hitlers dessen wahre Absichten nicht erkennen: Die Eroberung von neuen "Lebensraum im Osten" durch Krieg. Der deutsche Angriff auf Polen am 1. September 1939 stellte den ersten Schritt dazu dar. Alltagsleben Neben Hakenkreuzfahnen verkündete im Frühjahr 1933 auch das massenhafte Auftreten von Angehörigen der Sturmabteilung (SA) im Straßenbild unübersehbar von der nationalsozialistischen Machtübernahme. Die Nationalsozialisten veränderten das Alltagsleben der Bevölkerung im Deutschen Reich durch Reglementierungen und neue Massenorganisationen nachhaltig. Durch Verbote von Vereinen und Verbänden vielfach aufgelöst wurden gesellschaftliche Nischen und eigenständige Milieus. Bei vielen Deutschen jedoch, sofern sie nicht aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt und ausgegrenzt wurden, herrschte durch positiv empfundene Veränderungen nach vergleichsweise kurzer Zeit eine Aufbruchstimmung. Anstelle klassenkämpferischer Parolen trat nach 1933 auch bei den meisten Arbeitern und kleineren Angestellten das propagierte Gleichheitsideal der Volksgemeinschaft in den Vordergrund. Ihren Machtanspruch versuchten die Nationalsozialisten auch durch Veränderungen im alltäglichen Umgang miteinander zu manifestieren. Obwohl der sogenannte Deutsche Gruß mit ausgestrecktem rechtem Arm und den Worten "Heil Hitler!" nie durch ein Gesetz Rechtsverbindlichkeit erlangte, war diese Form der Begrüßung nicht nur im Verkehr mit Behörden üblich. Den Gruß zu verweigern, trauten sich nur wenige, aus Sorge vor Unannehmlichkeiten und Repressalien. Angst war nach der nationalsozialistischen Machtübernahme bei vielen Menschen allgegenwärtig - vor Denunziation und Terror aufgrund regimekritischer Haltung oder vor Ausgrenzung und Verfolgung, weil dem "arischen" Ideal nicht entsprochen werden konnte. Ein großer Teil der Bevölkerung verband mit der von Adolf Hitler propagierten nationalsozialistischen Revolution jedoch die Hoffnung auf Überwindung von sozialer Not in Folge der Weltwirtschaftskrise. Die NS-Führung war sich durchaus bewußt, daß die Konsolidierung ihrer Macht entscheidend von der Reduzierung der Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Stabilisierung Deutschlands abhing. Eine kontinuierliche Abnahme der Arbeitslosenzahlen durch zum Teil schon vor 1933 ausgearbeitete - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie durch Rüstungsprogramme verschafften den neuen Machthabern innerhalb kurzer Zeit weitgehende Zustimmung in der deutschen Bevölkerung. Um den Arbeitsmarkt zusätzlich zu entlasten, wurden zudem sogenannte Ehestandsdarlehen von bis zu 1.000 Reichsmark eingeführt. Mit Erhalt des Geldes verpflichteten sich Frauen, nach der Heirat ihren Beruf aufzugeben. Ganz im Sinne der NSFrauenpolitik sollten damit zugleich Eheschließungen gefördert werden, wodurch sich die Frauen ganz auf die ihnen zugedachte Rolle als Mutter und "Erhalterin des Volkes" konzentrieren konnten. Tatsächlich stieg die Zahl der jährlichen Eheschließungen in Deutschland - bedingt auch durch materielle Verbesserungen - zwischen 1932 und 1934 von rund 510.000 auf über 732.000. Vor allem die beliebte Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF), die u.a. bürgerliche Privilegien wie das Reisen nun auch für Arbeiter erschwinglich machte, erhöhte die Akzeptanz des NS-Regimes enorm. Steigender Lebensstandard, aber auch die mit hohem Propagandaaufwand durchgeführten sozialfürsorgerischen Initiativen des Winterhilfswerks (WHW), der NSVolkswohlfahrt (NSV) und der NS-Frauenschaft (NSF) verankerten im öffentlichen Bewußtsein nachhaltig das Bild einer sich ausschließlich um das Wohlergehen der Bevölkerung sorgenden Staatsführung. Die eigentliche Zielsetzung des NS-Staats, alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens mit nationalsozialistischer Ideologie zu durchdringen, erkannten dagegen nur wenige. Konkurrierende gesellschaftliche Einwirkungen sollten durch Gleichschaltung und Anpassung aller staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen an die politisch-ideologischen Ziele der Nationalsozialisten eingedämmt werden. Besonders die Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wie die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ermöglichten eine gezielte Einflußnahme und Kontrolle der Deutschen jeglichen Alters bis weit hinein ihr Alltagsleben. Dabei spielten vor allem die Jugend und deren Erziehung eine tragende Rolle. "Nationalsozialismus ist organisierter Jugendwille" hieß eine verbreitete Losung der Zeit. Nachdem schon im Kinderzimmer die Indoktrination durch das auf die Ideologie des NS-Regimes ausgerichtete Spielzeug begonnen hatte, sollte anschließend die Hitler-Jugend (HJ) Standesunterschiede beseitigen und die nationalsozialistische Gesinnung fördern. Die anfangs noch formell freiwillige Mitgliedschaft wurde am 1. Dezember 1936 durch das "Gesetz über die Hitler-Jugend" zur Zwangsmitgliedschaft. Die HJ - neben Familie und Schule für die Mehrheit der Heranwachsenden die wichtigste Sozialisationsinstanz - stützte sich jedoch nicht nur auf Zwang, sondern vor allem auf attraktive Freizeitangebote. Mit Geländespielen, Zeltlagern, Radtouren oder durch das ansonsten privilegierte Segelfliegen und Reiten wurde das Interesse der jungen Menschen geweckt. Daneben gehörten Sammelaktionen für das WHW sowie mühsame Ernteeinsätze in der Landwirtschaft zu den unumgänglichen Pflichten in der Hitler-Jugend. Der HJ schloß sich ab 1935 für männliche Jugendliche der halbjährige Reichsarbeitsdienst (RAD) an. Ursprünglich diente er der Bewältigung der Arbeitslosigkeit, ab 1936 aber vornehmlich der vormilitärischen Erziehung und körperlichen Ertüchtigung. Das "Heranzüchten kerngesunder Körper" - sowohl männlicher als auch weiblicher - und die sogenannte Volksgesundheit waren Leitbilder der Nationalsozialisten und Bestandteile ihrer Rassentheorien. Körperliche Ausbildung und Körperkult, wie sie Zeitschriften wie "Geist und Schönheit" propagierten, wurden in NSOrganisationen, Schulen und den rund 43.000 ab 1934 im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) gleichgeschalteten Sportvereinen umgesetzt. Der nationalsozialistische Totalitätsanspruch war aber nicht in allen Lebensbereichen durchzusetzen. So stand der angepaßten Staatsjugend ein nicht unerhebliches Potential von oppositionellen Jugendlichen gegenüber, die sich - wie alle wegen "nonkonformen Verhaltens" Auffälligen - gezielten Repressionsmaßnahmen ausgesetzt sahen. Ihrer Distanz zum NS-Regime verlieh die sogenannte Swingjugend vor allem durch die Vorliebe für amerikanische, bei den Nationalsozialisten verpönte Swing-Musik Ausdruck. Eine bewußte Abgrenzung gegenüber einem normierten Alltag zeigten viele Deutsche auch durch eine individuelle Mode. Trotz der nach der Machtübernahme unübersehbar einsetzenden Uniformierung blieb die Kleidung im Deutschen Reich insgesamt vielschichtig. Der noch 1933 häufig erhobene Wunsch von Nationalsozialisten nach Herausbildung einer eigenen "deutschen Mode" blieb unerfüllt. Auch weiterhin orientierten sich deutsche Konfektionshäuser und zahlungskräftige Kunden an eleganter Mode aus Paris, London oder New York. Das Bedürfnis der Menschen nach Unterhaltung und Entspannung befriedigte neben Tanzlokalen, Bars und Theatern vor allem der Film. In der Saison 1934/35 gingen rund 250 Millionen Menschen in die Kinos, fünf Jahre später waren es bereits über eine Milliarde Kinobesucher jährlich. Daneben prägte besonders der Rundfunk das alltägliche Freizeitverhalten breiter Bevölkerungsschichten, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Durch Verbreitung des auf Veranlassung des Propagandaministeriums entwickelten Volksempfängers erhöhte sich die Ausstattung der deutschen Haushalte mit Radiogeräten zwischen 1933 und 1941 von 25 auf 65 Prozent. Um einer aus Überdruß von der NS-Propaganda resultierenden Abwendung der Hörer entgegenzuwirken, boten die Rundfunkprogramme vor allem Unterhaltungsmusik an. Aufgrund der Zunahme der Zahl stromversorgter Haushalte auch auf den Dörfern konnten beliebte Tanzschlager nahezu überall im Deutschen Reich mitgesungen werden. Auf dem Land unterschied sich der Arbeitsalltag der Menschen kaum von demjenigen ihrer Elterngeneration. Die von der NS-Kunst in vielen Bildern verklärte Agrarromantik spiegelte nicht annähernd die alltäglichen Arbeitsbelastungen in der Landwirtschaft wider, in der die Mechanisierung nur langsam Einzug hielt und Hand- und Spanndienste weiter vorherrschten. Die jährlich ausgerufenen "Erzeugungsschlachten" sollten die im Reichsnährstand zusammengefaßte bäuerliche Bevölkerung zwar zu Höchstleistungen animieren. Eine anhaltende und zum Teil dramatische Ausmaße annehmende Landflucht negierte allerdings das Bestreben zur Errichtung einer landwirtschaftlichen Autarkie, auch wenn der Anteil der Selbstversorgung zwischen 1928 und 1939 von 68 auf 83 Prozent erhöht werden konnte. Dennoch kam es wiederholt zu Versorgungsengpässen. Bestehen blieb vor allem die Auslandsabhängigkeit bei Fleisch, Ölen und Fetten, deren Verzehr nach Willen der NS-Führung eingeschränkt werden sollte. In zahlreichen Anzeigenkampagnen wurden Verbraucher aufgefordert, verstärkt auf einheimische Produkte und auf Fisch statt auf Fleisch zurückzugreifen. Tatsächlich stieg der Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch in Deutschland zwischen 1932 und 1938 von 8,5 auf rund 12 kg. Der Fleischverbrauch nahm in demselben Zeitraum ebenfalls zu, allerdings - verglichen mit den westeuropäischen Nachbarn - nur um bescheidene 5,4 kg auf 47,5 kg.