Kirchen in der NS-Zeit - i

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Kirchen in der NS-Zeit
Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben als Institutionen keinen Widerstand gegen das NS-Regime geleistet.
Hohe kirchliche Würdenträger haben vielmehr Ergebenheitserklärungen an Hitler geschickt. Damit befanden sie sich auf
einer Linie mit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die sich nach einer Regierung der „nationalen Erhebung“ geradezu sehnte. Widerstand leisteten meist nur Einzelne oder kleine Gruppen. Und manchmal gab es Widerstand von Personen
gegen Einzelfragen.
Clemens August Graf von Galen
So war es auch bei Kardinal Graf von Galen, der den Anti-Bolschewismus des Hitler-Regimes im Grundsatz unterstützte.
Widerstand leistete er aber, als ihm die Willkür und die Menschenverachtung des Regimes klar wurde, vor allem in der
Frage der Euthanasie. Unerschrocken predigte Kardinal Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster (1933–
1946), gegen die Ermordung von Kranken und die Vertreibung von Ordensleuten zur Zeit des Nationalsozialismus. Seine
Predigten, unter Lebensgefahr millionenfach verbreitet, öffneten vielen die Augen über das wahre Gesicht des NaziRegimes und weckten neue Hoffnung. Der „Löwe von Münster“, der am 22. März 1946 starb, wurde in der ganzen Welt
zur Symbolfigur des „anderen Deutschland“. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er entschlossen gegen Übergriffe der Besatzungsmacht und den Vorwurf einer Kollektivschuld der Deutschen auf.
Kirchliche Einmischung
Grundsätzlich muss man fragen, inwieweit sich die Kirchen zu politischen Fragen äußern sollten. Und diese Frage stellt
sich auch heute. Wenn man der Auffassung ist, die Kirchen hätten sich damals unbedingt einmischen müssen, dann
müsste dieses Recht der Einmischung (gelegen oder ungelegen) auch heute zugebilligt werden.
Zur Seligsprechung von Kardinal Graf von Galen
Zum Unterrichtsverlauf
EINSTIEG
M1
Die Kirche – ein Zeichen des Heils
M2
Ausrottung
Textarbeit
An den Anfang der kleinen Reihe sollte der Text aus dem Synodenbeschluss gestellt werden, um den Anspruch aufzuzeigen, der sich aus der Botschaft des Neuen Testaments ergibt. Die Kirche soll Unrecht benennen, so heißt es da unter anderem. Der Blick in die Kirchengeschichte zeigt aber, dass die Kirche diesem Anspruch oft nicht gerecht wird. Den Schülerinnen und Schülern kann schon auf diesem Weg nahe gebracht werden, dass es die einzelnen Menschen sind, die in der
Verantwortung stehen. Die Unvollkommenheit des Einzelnen führt zu Situationen, die später Geborenen zeigen, dass es
nicht um „Schwarz” und „Weiß”, um „Richtig” und „Falsch“ geht, sondern darum, wie die Menschen, die in eine bestimmte
Situation gestellt sind, in ihrer Unzulänglichkeit entscheiden. Erziehung, Lebenseinstellungen, Ängste, Sehnsüchte und vieles mehr führen zu Entscheidungen. M 2 bietet dazu die kontrastierende Folie.
HINTERGRUNDRECHERCHE
M3
Formen und Symbole
M4
Erlösende Lehre
arbeitsteilige Gruppenarbeit, Internetrecherche
In drei Gruppen recherchieren die Schülerinnen und Schüler zu den Themenbereichen aus M 3 und M 4 sowie zum Bolschewismus. Ausgangsseite für alle drei Gruppen kann http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialismus sein.
RELIGION betrifft uns
Seligsprechung Kardinal Graf von Galen 2005
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ERARBEITUNG
M5
Überwindung des Kommunismus in Spanien
M6
Gerechtigkeit
M7
Anzeige wegen Mordes
Textarbeit, Internetrecherche
Ein Beispiel für ein entschiedenes und vorbildliches Lebenszeugnis bei aller Unvollkommenheit der eigenen Person ist
Graf von Galen. Die Texte benennen seine Wertungen und Reaktionen. Dabei sollte deutlich werden, dass er auf der einen Seite das NS-Regime in seinem Kampf gegen den Bolschewismus unterstützt, auf der anderen Seite aber im Laufe
der Zeit erkennen muss, dass es sich um ein Unrechts-Regime handelt.
Die Schülerinnen und Schüler können Hintergrundrecherchen anstellen. So bietet das Bistum Münster hilfreiche Informationen
an:
www.bistummuenster.de/index.php?myELEMENT=79904.
Weitere
Information
zur
Person:
www.bautz.de/bbkl/g/galen_c_a.shtml. Auf Grundlage der Recherchen kann auch geprüft werden, ob Kardinal Graf von
Galen im Nachhinein als Person der Geschichte zu sehr verklärt wurde oder ob Personen mit all ihren Stärken und
Schwächen als besondere Vorbilder gelten können – nicht „Schwarz-Weiß”, sondern „Grau”, also Menschen wie Graf von
Galen.
VERTIEFUNG
M8
NAPOLA – Elite für den Führer
Filmbetrachtung
Von Bedeutung ist, den Schülerinnen und Schülern klar zu machen, wie verführerisch das NS-Regime agierte, aber auch,
wie sehr es vor allem junge Menschen zu vereinnahmen suchte. Hier kann der aktuelle Kinofilm NAPOLA eine interessante Ergänzung zum Unterricht sein (vgl. www.constantinfilm.de):
Deutschland 1942.In seinen Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (Napolas) und Eliteschulen verfolgte Hitler das
wahnhafte Ziel der Züchtung des neuen Herrenmenschen: „In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor
der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich … Es darf
nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein … Stark und schön will ich meine Jugend … So kann ich das Neue schaffen!“
(Adolf Hitler).
Zum Inhalt des Films
Das Hitler-Regime ist auf dem Höhepunkt seiner politischen und militärischen Macht. Der 17-jährige Friedrich Weimer
(Max Riemelt) aus dem Berliner Arbeiterbezirk Wedding ist ein begabter Boxer. Sein Talent öffnet ihm die Türen zu einer
Nationalpolitischen Erziehungsanstalt, der NAPOLA Allenstein, wo die zukünftige Elite des großdeutschen Reiches herangezogen werden soll. Friedrich sieht die Chance seines Lebens, sich von seinen Klassenschranken zu befreien und meldet sich gegen den Willen seiner Eltern in der alten Ordensburg an. In der ihm fremden Welt, beherrscht von nationalsozialistischer Zucht und Ordnung, erfährt er harten Konkurrenzkampf und unerwartete Kameradschaft. Bis ein grausamer Einsatz gegen entflohene Kriegsgefangene und die wachsende Freundschaft zu dem stillen und sensiblen Albrecht Stein
(Tom Schilling), dem Sohn des Gauleiters, ihn vor eine Wahl stellen, die auch das Ende seiner Jugend bedeutet.
ABSCHLUSS
M9
Schuldbekenntnis
Diskussion, Positionierung
Zum Abschluss der Reihe diskutieren die Schülerinnen und Schüler darüber, wo die Kirche heute ihre Meinung geltend
macht bzw. inwieweit es gesellschaftlich erwünscht ist, dass sie es tut. Als jüngere Beispiele hierzu sind immer noch die
Frage des Antijudaismus in Deutschland zu benennen (vgl. „Religion betrifft uns“ 5/2004) wie auch der Umgang mit behinderten, mit noch nicht geborenen und sterbenden Menschen.
RELIGION betrifft uns
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M1
Die Kirche – ein Zeichen des Heils
Als Christen glauben wir an den
Heilswillen Gottes für alle, an die brüderliche Gemeinschaft der Menschen
als ein Ziel der Geschichte. Mit seiner
Botschaft vom Reiche Gottes bezeugte Jesus die Verheißung einer
verwandelten Welt, in der es keine
Armut, keinen Hunger, keine Trauer,
keine Unterdrückung, kein Leiden
und keine Unfreiheit mehr geben
wird. Gott „bereitet eine neue
Wohnstätte und eine neue Erde“, auf
der „die Gerechtigkeit wohnt“, die „jede Sehnsucht nach Frieden in den
Herzen der Menschen erfüllt und
übertrifft“ (Gaudium et spes 39).
Diese neue Erde ist in ihrer letzten
Vollendung unverfügbare Tat Gottes,
gnadenhaftes Ereignis und nicht einfach das Ergebnis sozialen Fortschritts.
Die Wirklichkeit der künftigen Welt
soll jedoch schon jetzt – zumindest
ansatzweise – konkrete Gegenwart
werden: durch menschliches Han-
M2
deln, das mit dem Heilshandeln Gottes zusammenwirkt, um die Erde zu
erneuern. Gewiss müssen – in einer
Welt nahen Unheils – die politischgesellschaftlichen Verhältnisse, die
eine solche Welt verursacht haben,
grundlegend geändert werden; vor allem aber müssen sich im Denken und
Verhalten die Menschen ändern,
wenn den vorhandenen Gefahren
menschenwürdig begegnet werden
soll. Die Kirche – als Volk Gottes in
der Geschichte – hat von ihrem
Selbstverständnis her den zentralen
Auftrag, mit prophetischer Kraft das,
was Unrecht ist und Angst macht, offen beim Namen zu nennen, auf jene
Änderungen, die dem Kommen der
neuen Welt Gottes dienen, zu drängen und sie selber im Geiste Jesu
beispielhaft zu leben. Tut sie das
nicht, wird sie untreu gegenüber Gott
und unglaubwürdig für die Welt. Sie
würde sich in diesem Fall der verheißenen Heilsgeschichte der Menschen
versagen und an deren Leiden oder
gar Tod mitschuldig werden. Wenn
also die endzeitliche Erneuerung der
Welt im einzelnen Menschen und in
den gesellschaftlichen Strukturen
schon durch unser gegenwärtiges
Handeln beginnen soll, dann müssen
alle Christen entschieden und nachhaltig daran arbeiten, Armut und
Krankheit, Ausbeutung und Unfrieden
zu verringern, d.h. jede Form von
Knechtschaft aufzuheben. Eine solche Umgestaltung der Welt gehört
zur Wahrheit des Evangeliums. An
diese Wahrheit stets zu erinnern und
sie in der Geschichte lebendig zu erhalten, ist der Kirche als dem Zeichen
des Heils aufgegeben. Christliche
Verkündigung vom Anbruch des Reiches Gottes und sozialen Engagement in der Nachfolge Christi sind
dabei nicht zu trennen.
aus dem Synodenbeschluss „Entwicklung und Frieden“, Beschlüsse der Vollversammlung, Offizielle
Gesamtausgabe, S. 472f.
Ausrottung
… Mit den Konfessionen, ob nun diese oder jene: das ist alles gleich. Das
hat keine Zukunft mehr. Für die Deutschen jedenfalls nicht. Der Faschismus mag in Gottes Namen seinen
Frieden mit der Kirche machen. Ich
werde das auch tun. Warum nicht?
Das wird mich nicht abhalten, mit
Stumpf und Stiel, mit allen seinen
Wurzeln und Fasern, das Christentum in Deutschland auszurotten. …
Für unser Volk aber ist es entscheidend, ob sie den jüdischen Christusglauben und seine weichliche Mitleidsmoral haben oder einen starken
heldenhaften Glauben an Gott in der
Natur, an Gott im eigenen Volke, an
Gott im eigenen Schicksal, im eigenen Blute. Lassen Sie das Spintisieren. Ob nun Altes Testament oder
Neues, ob bloß Jesu Worte wie der
Houston Stewart Chamberlain will: alles das ist doch derselbe jüdische
Schwindel. Es ist alles eins und
macht uns nicht frei. Eine deutsche
Kirche, ein deutsches Christentum ist
Krampf. Man ist entweder Christ oder
Deutscher. Beides kann man nicht
sein. … Was werden soll, fragen Sie?
RELIGION betrifft uns
Das will ich Ihnen sagen: verhindern,
dass die Kirchen etwas anderes tun,
als was sie jetzt tun. Nämlich Schritt
für Schritt Raum verlieren. Was glauben Sie, werden die Massen jemals
wieder christlich werden? Dummes
Zeug. Nie wieder. Der Film ist abgespielt. Da geht niemand mehr herein.
Aber nachhelfen werden wir. Die
Pfaffen sollen sich selbst ihr Grab
schaufeln. Sie werden ihren lieben
Gott an uns verraten.
Um ihr erbärmliches Gelumpe von
Stellung und Einkommen werden sie
alles preisgeben … Sie werden anstatt des Blutes ihres bisherigen Erlösers das reine Blut unseres Volkes
zelebrieren; sie werden die deutsche
Ackerfrucht als heilige Gabe empfangen und zum Symbol der ewigen
Volksgemeinschaft essen, wie sie
bisher den Leib ihres Gottes genossen haben …
Die katholische Kirche ist schon etwas Großes. Herr Gott, das ist eine
Institution, und es ist schon was, an
die zweitausend Jahre hier auszudauern. Davon müssen wir lernen …
Aber nun ist ihre Zeit um. … Zu simplen Verbrechern werden wir sie
stempeln. Ich werde ihnen die ehrbare Maske vom Gesicht reißen. Und
wenn das nicht genügt, werde ich sie
lächerlich und verächtlich machen …
Adolf Hitler am 6. Juli 1933
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M3
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Formen und Symbole
Der Zyniker Goebbels registrierte aufmerksam die Stellungnahmen der deutschen Bischöfe zu aktuellen Fragen und bedachte sie nicht selten mit Spott.
Zu einem Hirtenbrief des Jahres 1935, in dem zum Gebet „für das Vaterland
und seine Lenker” aufgefordert wurde, schrieb er: „Na, die beten, wir handeln.”
Im gleichen Jahr 1935 bedauerte Goebbels in seinem Tagebuch: „Eine Kirche
sind wir leider noch nicht”, er schloss damit an eine Parole an, die er nach einer Geheimrede Hitlers vor den Gauleitern am 5. August 1933 in seinem Tagebuch formuliert hatte: „Scharf gegen die Kirchen. Wir werden selbst eine
Kirche werden.” Der Gedanke kehrt in seinen Aufzeichnungen häufig wieder;
die Absicht, bewährte Formen und Symbole der alten Kirche in den Dienst dieser eigenen “Kirche” zu stellen, ist unverkennbar. In den Plänen für den Neubau von Berlin gibt es keine Kirchen, aber Glocken in der monumentalen Kuppelhalle. Der Reichsparteitag 1937 ist für Goebbels „eine fast religiöse Feier”.
Otto B. Roegele, Die Tagebücher von Joseph Goebbels werden veröffentlicht. Eine Kirche sind wir leider noch
nicht. In: Rheinischer Merkur/Christ und Welt Nr. 33 vom 14. August 1987
Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit
M4
Erlösende
Lehre
Der christlichen Lehre von der unendlichen Bedeutung der menschlichen
Einzelseele und der persönlichen Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit die erlösende Lehre von der Nichtigkeit und Unbedeutendheit des einzelnen Menschen und seines Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit
der Nation gegenüber. An die Stelle
des Dogmas von dem stellvertretenden Leiden und Sterben eines göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende
Leben und Handeln des neuen Führergesetzgebers, das die Masse der
Gläubigen von der Last der freien Entscheidung entbindet.
Hitler in einem Gespräch 1940
A Recherchieren Sie zu den Formen und Symbolen, derer sich die Nationalsozialisten bedienten.
B Finden Sie heraus, welche religiösen Elemente sich in den Veranstaltungen und Äußerungen des nationalsozialistischen Regimes widerspiegeln.
C Beschreiben Sie, was unter „Bolschewismus“ zu verstehen ist.
RELIGION betrifft uns
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Überwindung des Kommunismus in Spanien
So hat der gottlose Kommunismus und Bolschewismus durch mehr als drei
Jahre in Spanien gewütet! Das war der Feind, der mit Gottes Hilfe jetzt gänzlich besiegt und seiner Macht beraubt ist. Welche Gefahren wären dem christlichen Abendland, auch unserem Volk, ja der ganzen Welt erwachsen, wenn
Moskau gesiegt und ein neues Zentrum der kämpfenden Gottlosigkeit und der
zersetzenden Wühlarbeit in allen christlichen Staaten diesseits und jenseits der
Meere im Südwesten Europas errichtet und ausgebaut hätte! Darum stimmen
wir mit dem heldenhaften und befreiten spanischen Volk in den Jubel ein und
in den Dank gegen Gott, der den tapferen Kämpfern gegen die Scharen des
Antichrists den Sieg geschenkt hat. Möge in Spanien und in allen Völkern von
jetzt an Christus herrschen mit seiner heiligen Lehre …
Münster, den 1. April 1939, Clemens August, Bischof von Münster. Vorstehendes Hirtenwort ist zu verlesen
am Ostersonntag im Hauptgottesdienst, an dessen Schluss das Te Deum zu singen ist.
M6
Gerechtigkeit
… Ich hatte bereits am 26. Juli bei der
Provinzialverwaltung der Provinz Westfalen, der die Anstalten unterstehen,
der die Kranken zur Pflege und Heilung anvertraut sind, schriftlich ernstesten Einspruch erhoben. Es hat nichts
genutzt. Und aus der Heil- und Pflegeanstalt Warstein sind, wie ich höre, bereits 1800 Personen abtransportiert
worden …
Der physischen Übermacht der Gestapo steht jeder deutsche Staatsbürger
schutzlos und völlig wehrlos gegenüber! … Keiner von uns ist sicher, und mag
er sich bewusst sein, der treueste, gewissenhafteste Staatsbürger zu sein,
mag er sich völliger Schuldlosigkeit bewusst sein, dass er nicht eines Tages
aus seiner Wohnung geholt, seiner Freiheit beraubt, in den Kellern und Konzentrationslagern der Gestapo eingesperrt wird … Meine Christen! Die Gefangensetzung vieler unbescholtener Personen ohne Verteidigungsmöglichkeit
und Gerichtsurteil, … die Aufhebung der Klöster und die Ausweisung schuldloser Ordensleute, unserer Brüder und Schwestern, nötigen mich, heute öffentlich an die alte, niemals erschütterte Wahrheit zu erinnern: Iustitia est fundamentum regnorum. Die Gerechtigkeit ist das einzige tragfeste Fundament aller
Staatswesen! Das Recht auf Leben, auf Unverletzlichkeit, auf Freiheit ist ein
unentbehrlicher Teil jeder sittlichen Gemeinschaftsordnung … darum erhebe
ich im Namen des rechtschaffenen deutschen Volkes, im Namen der Majestät
der Gerechtigkeit, im Namen des Friedens … meine Stimme, darum rufe ich
laut als deutscher Mann, als ehrenhafter Staatsbürger, als Vertreter der christlichen Religion, als katholischer Bischof: Wir fordern Gerechtigkeit!
Graf von Galen, Bischof von Münster, in einer Predigt
in der Lambertikirche am 3. August 1941
Arbeitsauftrag
Beziehen Sie von Galens
Wahlspruch „Nec laudibus nec
timore“ (unbeirrt von Menschenlob und -tadel – frei übertragen: lass dich in deinem
Handeln nicht von dem abbringen, was du als wahr erkannt
hast) auf seine Positionen.
Bischof Clemens August Graf von Galen in einer Predigt am 13. Juli 1941, in: Heinrich Portmann, Kardinal von
Galen. Ein Gottesmann seiner Zeit. Mit einem Anhang „Die drei weltberühmten Predigten”, AschendorffVerlag, Münster 13. Auflage 1974, S. 331ff
M7
Anzeige wegen Mordes
Noch hat Gesetzeskraft der § 211
des Reichsstrafgesetzbuches, der
bestimmt: „Wer vorsätzlich einen
Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung ausgeführt hat,
wegen Mordes mit dem Tode bestraft”. Wohl um diejenigen, die jene
armen, kranken Menschen, Angehörige unserer Familien, vorsätzlich töten, vor dieser gesetzlichen Bestrafung zu bewahren, werden die zur
Tötung bestimmten Kranken aus der
Heimat abtransportiert in eine entfernte Anstalt. Als Todesursache wird
dann irgendeine Krankheit angegeRELIGION betrifft uns
ben. Da die Leiche sogleich verbrannt
wird, können die Angehörigen und
auch die Kriminalpolizei es hinterher
nicht mehr feststellen, ob die Krankheit wirklich vorgelegen hat und welche Todesursache vorlag. Es ist mir
aber versichert worden, dass man im
Reichsministerium des Innern und
auf der Dienststelle des Reichsärzteführers Dr. Conti gar keinen Hehl daraus mache, dass tatsächlich schon
eine große Zahl von Geisteskranken
in Deutschland vorsätzlich getötet
worden ist und in Zukunft getötet
werden soll. Das Reichsstrafgesetz-
buch bestimmt aber in § 139: „Wer
von dem Vorhaben eines Verbrechens wider das Leben … glaubhafte
Kenntnis erhält und es unterlässt, der
Behörde oder den Bedrohten hiervon
zur rechten Zeit Anzeige zu machen,
wird … bestraft” …
Als ich von dem Vorhaben erfuhr,
Kranke aus Mariental abzutransportieren, um sie zu töten, habe ich am
28. Juli bei der Staatsanwaltschaft,
beim Landgericht in Münster und
beim Polizeipräsidenten in Münster
Anzeige erstattet …
Graf von Galen, Bischof von Münster, 1941
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Konflikt
Die katholischen Bischöfe befanden sich gegenüber dem
nationalsozialistischen Regime in einem inneren Konflikt.
Die Gefahr des Bolschewismus sollte unbedingt abgewehrt
werden. Er galt als Todfeind der staatlichen Ordnung und
als Werk des Satans (Beispiel: Spanien). Da das „Dritte
Reich” den Bolschewismus bekämpfte, unterstützte die katholische Kirche diesen Kampf.
Auf der anderen Seite stand die Sorge der katholischen
Kirche wegen des Misstrauens des Regimes, der Propagierung einer neuen Religion und der damit verbundenen
M9
Hetze gegen die Kirche. In diesem Zusammenhang sah
die katholische Kirche auch den Kampf um die Schulen –
auch und gerade die Schulen in kirchlicher Trägerschaft.
So bestand – zu Recht – die Furcht, auch die katholische
Kirche solle vernichtet werden. Anklage von Seiten der
Kirche bzw. einzelner Kirchenführer wurde erhoben gegen
die Willkür der Gestapo, die Festnahme unbescholtener
Mitbürger, die Verletzung der Menschenrechte und viele
Ungerechtigkeiten. Das NS-Regime ging zu weit.
Napola –
Elite für den Führer
Was haben Sie gelernt aus der Beschäftigung mit dieser Zeit?
Ich habe klarer realisiert, was es heißt, im Krieg zu stehen,
jemanden zu erschießen, in dieser Zeit zu leben. Wie
schwer die Verhältnisse waren, ist mir bewusster geworden. Man fühlt sich auch anders mit den Klamotten, die
man trägt. In Uniform nimmt man eine andere Haltung ein.
Der Film zeigt deutlich, wie Verführung vonstatten geht.
Man kann sich selbst damit identifizieren und muss sich
fragen: Wie hätte ich mich verhalten?
Max Riemelt, Hauptdarsteller aus „NAPOLA“
Ein Film um ein historisches Thema – ist das heute
noch interessant?
Der Film ist zeitgemäß, weil er eine universelle Frage stellt:
Was kann ich mit meinem Gewissen vereinbaren und womit kann ich nicht mehr leben? „NAPOLA – Elite für den
Führer“ ist kein Historienfilm, sondern handelt von allgemeingültigen Werten und zwischenmenschlichen Beziehungen.
Tom Schilling, Hauptdarsteller aus „NAPOLA“
Birgt das Thema nicht die Gefahr, gewisse Aspekte
des Systems zu glorifizieren?
Ziel eines solchen Film muss sein, dass ich als Zuschauer
die Hauptfiguren wirklich verstehen kann, auch und gerade
auf der emotionalen Ebene. Erst dadurch wird der Konflikt
und das System Faschismus deutlich spürbar: Erliege ich
der Faszination, oder versuche ich Mensch zu bleiben und
wende mich ab. Das ist der Dreh- und Angelpunkt, wo ich
den Zuschauer wirklich packen kann und für heutige Verführungen sensibilisieren kann. Denn die Mechanismen
sind letztlich immer die gleichen. Von einer Glorifizierung
kann keine Rede sein; am Ende des Films wird das dem
Zuschauer zweifelsfrei deutlich: Es ist ein Unrechtsystem,
das die barbarischen Seiten in mir selbst hervorkitzelt. Wir
alle fragen uns doch heute noch, wie es dazu kommen
konnte. Vor allem die junge Generation, denen ich verständlich machen will, wie die Generation damals fühlte.
Dennis Gansel, Drehbuchautor und Regisseur von „NAPOLA“
Sie haben einen historischen Hintergrund gewählt, um
eine auch heute noch aktuelle Geschichte zu erzählen…
Ja, der historische Hintergrund hat uns besonders interessiert. Das konnte man nicht trennen, weil die Napola an
sich auch eine Hauptfigur ist. Dieses System ließ sich so
nicht in die Gegenwart übertragen.
Wussten Sie, was Sie erwartet?
Ich wusste nicht genau, was damals in diesen Eliteschulen
stattgefunden hat, die Härte und auch den Menschenverachtung die das System für seine Kinder hatte. Entsetzlich.
Fasziniert hat mich bei der Beschäftigung mit dem Thema
auch, dass es auch Napolas für Mädchen gab. Das fand
ich unvorstellbar.
Viola Jäger, Produzentin von „NAPOLA“
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Schuldbekenntnis
Unser Volk hat lange gebraucht, um sich der Verantwortung für das monströse Verbrechen zu stellen, das von
Deutschen und im deutschen Namen begangen wurde.
Bis heute sind Mechanismen der Verdrängung wirksam.
Zweifellos ist es richtig, die Vorstellung einer Kollektivschuld abzulehnen. Wahr ist aber auch, dass sich weit
mehr Deutsche persönlich schuldig gemacht haben, als ihre Mitschuld einzugestehen bereit waren.
RELIGION betrifft uns
Schuld tragen nicht allein die Täter vor Ort und die politische Führung. In verschiedenem Grad haben auch die Mitläufer und alle diejenigen, die weggesehen haben, Mitschuld auf sich geladen. Dabei wissen wir sehr wohl, welchem Druck die Bevölkerung damals ausgesetzt war, wir
kennen das Ausmaß staatlicher Desinformation und die
Wirksamkeit der Methoden von Einschüchterung und Verängstigung. Überheblichkeit im Urteil ist uns deshalb nicht
gestattet. Dennoch bleibt unserem Volk das Eingeständnis
zugemutet, dass Auschwitz auch deshalb möglich wurde,
weil zu wenige den Mut zum Widerstand hatten. Die Frage
von Mitverantwortung stellt sich auch unserer Kirche. Wir
sind gehalten, uns über eine lange Tradition des Antijudaismus unter den Christen und in unserer Kirche Rechenschaft abzulegen. So hat das vatikanische Dokument Wir
erinnern im März 1998 die Frage aufgeworfen, „ob die Verfolgung der Juden nicht doch auch von antijüdischen Vorurteilen begünstigt wurde, die in den Köpfen und Herzen
einiger Christen lebendig waren“. Das Schuldbekenntnis
der Katholischen Kirche, vor aller Welt am 12. März 2000
von Papst Johannes Paul II. ausgesprochen, enthält auch
das „Schuldbekenntnis im Verhältnis zu Israel“: „Lass die
Christen der Leiden gedenken, die dem Volk Israel in der
Geschichte auferlegt wurden. Lass sie ihre Sünden anerkennen, die nicht wenige von ihnen gegen das Volk des
Bundes und der Verheißungen begangen haben.“
aus der Erklärung der deutschen Bischöfe aus Anlass des 60. Jahrestages der
Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 2005
Seligsprechung Kardinal Graf von Galen 2005
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Literatur
Günter Beaugrand, Ein Leben im XX. Jahrhundert. Begegnungen und Gespräche mit Christoph Bernhard Graf
von Galen auf Haus Assen/Lippetal, Werl 1999.
Ders., Kardinal von Galen. Der Löwe von Münster (=
Schriftenreihe zur religiösen Kultur, Band 5), Münster
4
1996.
Max Bierbaum, Nicht Lob – Nicht Tadel. Das Leben des
Kardinals von Galen nach unveröffentlichten Briefen und
Dokumenten, Münster, 21984.
Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Kirche und demokratisches Ethos (=
Schriften zu Staat – Gesellschaft – Kirche, Band 1), Freiburg im Breisgau 1988, 47-48.
Thomas Flammer, „Einige urteilen, er sei wenig geeignet
…“, in: Kirche und Leben (Bistumszeitung Münster),
26.10.2003,
online
http://www.kirchensite.de/index.php?myELEMENT=55663.
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Galen am Passionssonntag 1942 (22.3.1942) öffentlich
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Jürgen Kampmann, Die Maßnahmen des westfälischen
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Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte, Band 93
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Joachim Kuropka, Clemens August Graf von Galen.
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Rudolf Morsey, Clemens August Kardinal von Galen.
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Ewald Jentschke, „Tief deprimiert über die Annahme“,
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RELIGION betrifft uns
Seligsprechung Kardinal Graf von Galen 2005
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