Die strategischen Herausforderungen der Zukunft und ihre

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Die strategischen Herausforderungen der Zukunft und ihre
Auswirkungen auf das Top-Management-Profil der Jahrtausendwende
Dr. Ron Sommer, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom AG
Rede anläßlich eines Round Table Gesprächs, Davos, 2. Februar 1998
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
das Thema unserer heutigen Gesprächsrunde klingt mir etwas theoretisch. Warum sage ich
das? Weil ich bei der Suche nach Top-Qualifikationen in den letzten zwei Jahren theoriemüde
geworden bin.
Über strategische Managementmodelle wird bereits unglaublich viel geredet und geschrieben.
Die Bücherwände, die wir damit füllen, hätten längst bewirken müssen, daß die ManagementTeams großer Unternehmen allesamt perfekte Führungskräfte sind.
Doch wer sich umsieht, beobachtet immer weniger wirkliche "Leader". Es gibt immer
weniger Menschen, die mit Geist, Können und Charakter ihre Unternehmen nach vorne zu
führen und ihre Nachwuchsmanager dabei mitzureißen verstehen.
Statt auf die Frage, wie man führen solle, eine lange Liste von Literatur zu zitieren oder mit
feinsinnigen Zitaten zu glänzen, wünsche ich mir mehr Menschen, die durch ihr Vorbild
Antwort geben.
Erwarten Sie hier und heute also keinen weiteren Beitrag zu den vielen Theorien, die man
anschließend drucken und ins Regal zu den anderen Theorien stellen kann.
Führe dein Unternehmen so gut du kannst, dachte ich mir. Erkläre in einfachen Worten, was
du dabei erfahren hast und gib griffige Hilfen, wie andere deine Fehler vermeiden können.
Doch werfen wir erst einen kurzen Blick zurück auf die Management-Theoretiker, ehe wir
uns, wie Sie es von mir erwarten, dem nächsten Jahrtausend zuwenden:
Im zerstörten Deutschland nach dem Kriege haben sich Theoretiker in den Vorstandsetagen
der Unternehmen gar nicht zu Wort gemeldet. Vermutlich, weil ihnen ohnehin keiner
zugehört hätte.
Damals galt es, die Ärmel hochzukrempeln und die Wirtschaft wieder aufzubauen. Und der
Erfolg blieb nicht aus: Die Schornsteine rauchten sehr schnell wieder, die Fabriken lieferten
Produkte, die Menschen hatten Arbeit. Unter den staunenden Augen der Weltöffentlichkeit
entstand in wenigen Jahren das, was wir heute rückblickend das Wirtschaftswunder nennen.
Kaum einer hatte darüber öffentlich philosophiert. Es klappte perfekt.
Die ersten Theoretiker, die sich danach meldeten - die "Eierköpfe", wie sie von den
"Machern" genannt wurden - widmeten sich, oftmals ebenso umständlich wie abgehoben, der
Aufgabe, fasziniert von der aufstrebenden Realität und rund um diese herum, theoretische
Modelle zu entwickeln.
Auf den Punkt gebracht: Nach den "Machern" der ersten Stunde kamen die "Eierköpfe", die
oft nicht "machten" sondern philosophierten und erklärten.
Das führte in der Folge zu zwei Entwicklungen:
• Zum einen führte es zu einer Managergeneration, bei der das Prädikatsexamen in einer
wissenschaftlichen Disziplin zur Voraussetzung wurde, um überhaupt für eine
Führungsfunktion in Frage zu kommen.
Was mindestens ebenso wichtig war, nämlich Persönlichkeit und Führungsfähigkeit, wurde an
den Hochschulen nicht gelehrt und in der Praxis nicht entwickelt. Nach dem Eintritt in die
Arbeitswelt mußte der Manager nur der Notwendigkeit des Führens entgehen und sich in den
Unternehmen weit oben etablieren, bevor jemand merkte, daß ihm diese entscheidenden
Voraussetzungen für die Top-Position fehlten.
Nun wählen Manager bei der Auswahl ihres eigenen Führungskräftenachwuchses stets den
eigenen Typus aus und fördern ihn. Handelt es sich um Unternehmenslenker, die selbst nicht
führen können, potenziert sich somit zwangsläufig die Fehler. Das Ergebnis ist fatal; denn
wachsende Führungsschwäche kennzeichnet sehr bald das Unternehmen.
Die Folge waren Führungsteams, die nach theoretischen Modellen suchten, die zum Ergebnis
kamen, daß nicht mehr im klassischen Sinne geführt werden durfte, sondern "gemanagt"
werden mußte.
Diese Modelle lieferten meist solche Leute, die das, worüber sie theoretisierten, selbst nie
gemacht hatten.
• Die zweite fatalen Folge der "Diktatur der Eierköpfe" war, daß immer dann guter Rat her
mußte, wenn das Unternehmen auf ein Riff zu laufen drohte und in Krisen geriet.
Guter Rat war auch dann gefragt, wenn die Öffentlichkeit nicht mehr akzeptieren wollte, daß
Manager nur mit starrer Innensicht und ohne Rücksicht auf ihr Umfeld agierten. Wenn sie
zum Beispiel Volkes lautstark artikulierten Unmut mit dem arroganten Satz quittierten: "Wie
soll ich mit Leuten reden, denen ich erst einmal erklären muß, daß Emilia Galotti keine
Eisdiele ist?"
Was diese beiden Entwicklungen zur Folge hatten, bezeichne ich als "Berater-Unwesen". Ich
bin dagegen allergisch.
Werfen Sie einmal einen Blick darauf, wer viele große Unternehmen tatsächlich führt. Im
Hintergrund ziehen oft Heerscharen prädikatsexaminierter Jungberater die Fäden. Sie geben
dynamische Ratschläge in Angelegenheiten, die sie vornehmlich aus ihren Hauptseminar- und
Examensarbeiten kennen. Weil sie aber meist mit den hochklingenden Namen international
renommierter Beratungskonzerne aufwarten, ist ihnen zunächst das gläubige Zuhören gewiß.
Denn ihre Zuhörer, die Manager, was sollen sie auch tun? Entweder sind sie selbst wie ihre
Berater - nur nicht so berühmt - oder sie begreifen sich nur als kleine, unwissende Macher, die
es günstigen Zufällen verdanken, daß die eine oder andere Arbeit geklappt hat. Dann schämen
sie sich ob soviel theoretischer Power ihrer Berater und tauchen mit Schamgefühlen ab.
Es soll allerdings noch Unternehmensführer geben, die ihre Manager an die Wasseroberfläche
zurückholen und sagen: "Streitet euch mit den Beratern. Ich will sehen, was wirklich in euch
steckt!"
Und es steckt oftmals Erstaunliches an Substanz in unserem Nachwuchs. Nur - was haben die
Theorien und Ausbildungsmethoden noch von dem übriggelassen, was diese prächtigen
jungen Menschen an Idealen und Vorstellungen hatten, wenn sie schließlich durch die
Universitäten gegangen sind und in unseren Unternehmen auftauchen?
Wie haben wir sie geführt, daß sie so geworden sind? Daß sie und wir "Nieten in
Nadelstreifen" genannt werden dürfen und dem Autor Günter Ogger damit eine
Millionenauflage seines Buches beschert haben?
Vielleicht sind Manager gar nicht so stromlinienförmig, inkompetent, geldgierig und
verantwortungsscheu. Vielleicht sind sie der Öffentlichkeit und denen, für die wir uns
überlegen, wie wir sie ausbilden sollen, nur hier und da so erschienen. Vielleicht haben wir
die jungen Leute nur falsch oder gar nicht geführt.
Meine Damen, und Herren, zumindest in Deutschland wird der Ruf nach Eliten immer lauter,
- auch der Ruf nach einer neuen Wirtschaftselite.
Das wundert niemanden - gehörte doch der Begriff Elite drei Jahrzehnte lang zu den
unerwünschten Ausdrücken. Mit dem Ergebnis, daß wir heute keine mehr haben.
Wirtschaftselite ist aber vor allem Führungselite.
Wir alle wissen, daß Armeen im Krieg eine straffe Führung brauchen, die kompetent,
glasklar, glaubwürdig und manchmal rigoros sein muß. Das geht nicht anders, sagen manche,
denn alles andere kostet das Leben.
Sie sagen aber auch: Das taugt nicht für den Frieden. Das ist schon gar nichts für die
Wirtschaft!
Ergo werden in Deutschland lieber Führungsmodelle gebastelt, die das Führen ersparen.
Kooperative Führung ist Trumpf. Keiner traut sich zu führen, alle sollen mitentscheiden, dann
braucht wenigstens niemand seine Entscheidungen allein zu verantworten, wenn das Ergebnis
daneben geht.
Kooperativer Führungsstil als Tarnbegriff für Entscheidungsschwäche und
Verantwortungsscheu?
Nein, das wäre zu einfach.
Aber, wie kommt es denn - das belegt jede Befragung begabter Nachwuchstalente - , daß
ausgerechnet jene Unternehmenslenker den meisten Zulauf haben, in deren Schatten man
Kompetenz, Kraft und Mut spürt? Deren Aura fast automatisch positive Stimmung erzeugt
und den Stolz, in der Nähe solcher Menschen arbeiten zu dürfen, von ihnen zu lernen?
Solche Führungskräfte sind in den meisten Fällen ausgesprochen unbequem. Doch was sie vor
anderen auszeichnet, ist die Tatsache, daß man in ihrem Umfeld wachsen kann, daß man nicht
eifersüchtig erdrückt, sondern ermutigt wird.
Solche Führungskräfte führen durch Fordern.
Ich habe eben vom Krieg gesprochen und von dem Führungsprofil, das dort gebraucht wird:
Gebraucht wird dort nicht der vielfach karikierte Kommißkopf, sondern der General - der
Generalist:
Sie mögen fragen, warum ich von militärischer Führungslehre und Führungskräfteausbildung
rede.
Ist denn das, was wir heute in der Wirtschaft erleben und bis zum Jahre 2000 noch stärker
erleben werden, Krieg? Oder anders gefragt: Ist die Kunst des Managements in erster Linie
eine Kriegskunst?
Für Japaner jedenfalls scheint das so zu sein.
Der Kollege Ferdinand Piëch war einmal ziemlich erschüttert, als er, mit dem Toyota-Chef
plaudernd, seinen Gesprächspartner als "Wettbewerber" bezeichnete, und als der Japaner ihn
darauf korrigierte: "Wir führen keinen Wettbewerb, Herr Piëch, sondern Krieg."
Diese Sicht der Dinge ist für uns ernüchternd. Der nackte Kapitalismus, der manche Konzerne
antreibt, gilt uns als peinlich.
Wir pflegen ja nicht einmal von "Wettbewerber" zu sprechen, sondern wählen einen Begriff,
der niemandem weh tut, und reden von "Mitbewerber".
Die nachfolgende poetische Beschreibung eines deutschen Publizisten klingt uns deshalb weit
kommoder in den Ohren als die harten Worte des Toyota-Chefs:
"Der Manager der Zukunft orientiert sich nicht an Kriegstechniken. Ich glaube vielmehr, daß
er das Unternehmen als kybernetischen Prozeß betrachten muß. Er muß fähig sein, die
Gesetzmäßigkeiten, nach denen Volkswirtschaften blühen, auf sein Unternehmen zu
übertragen."
Wenn wir uns die Mühe machen, darüber nachzudenken, werden wir finden, daß sich beide
Vorstellungen jedoch durchaus verbinden lassen.
Wie immer man es sehen will: Der globale industrielle Wettbewerb ist ein gnadenloser Kampf
um Märkte und Marktanteile.
Es ist aber nicht erst diese Erkenntnis oder die Konsequenz daraus, daß Konzerne wie Coca
Cola, mit dem "bekanntesten Markenzeichen der Welt", ihre Organisation zumindest von den
Begriffen durch und durch nach militärischen Vorbildern ausrichten. Sie haben es längst
vorher getan. Die Manager sind dort "officers", die Organisationen unterhalb des
"headquarters" sind "divisions", beim Kampf um Märkte und Kunden begibt man sich dort "in
the field"...
Unser Unternehmen, die Deutsche Telekom, ist heute, wenige Tage nach Beginn des härtesten
Wettbewerbes, den es in Deutschland jemals gegeben hat, mit militärischen Begriffen
konfrontiert. Hat doch der Leiter der Regulierungsbehörde schon vor Monaten erklärt: "Ich
bekämpfe die Telekom."
Das ist - am Rande gestellt - die Frage nach dem Profil derer, die das Umfeld unserer
Unternehmen darstellen und -- unter ungünstigen Bedingungen -- auch gute
Managerleistungen an den Mittelmäßigkeiten eines überholten politischen Beamtentums
scheitern lassen können.
Zurück zu den Theorien über das Managerprofil 2000 - Theorien, die sich zum Teil von den
Realitäten weit entfernen. Die Lehrmeinungen und Ratschläge werden immer
philosophischer, immer "komplexer" - was wie oft ein Ausdruck der Unfähigkeit ist, die
Dinge beim Namen zu nennen. Die Winde auf den Weltmärkten werden dagegen immer
rauher.
Die Realität fordert einen Managertypus, der heutzutage noch nirgendwo ausgebildet wird,
ein Managerprofil, das noch gar nicht existiert.
Ich will auch gleich fragen, ob wir überhaupt ein neues Profil brauchen, oder ob diese
Forderung nicht schon wieder eine Floskel ist.
Fest steht: Es gibt in Deutschland außerhalb der militärischen Generalstäbe keine wirkliche
Ausbildung für den Führungsnachwuchs.
Wer will den hochgebildeten Macher mit Hirn, Herz und Mut ausbilden? Das ist der Typ
Manager, den wir in der Wirtschaft brauchen. Er müßte ihn nicht nur ausbilden: Er müßte ihn
auch "erziehen".
Schon wieder mute ich Ihnen einen negativ belasteten Begriff zu, der den Verdacht
aufkommen läßt, hier wolle jemand andere "gängeln".
Wer traut sich denn das zu? Und sind die, die sich das trauen, auch die, die das können?
Die Schulen halten sich aus der Persönlichkeitsbildung heraus, sie unterrichten "Fächer".
Die Universitäten haben meist mit den Auswirkungen ihres Tuns nichts zu tun - und daß die
Hochschulen sich von der dynamischen Entwicklung auf den Weltmärkten in irgendeiner
Weise aus dem Trott bringen ließen, läßt sich kaum beobachten.
Wo lernen unsere Führungskräfte denn führen? Am Ende bleiben nur noch die Unternehmen
selbst.
Da wir Manager uns alle unter der Bezeichnung "Führungskräfte" wiederfinden, ist die
Führungsaufgabe ganz offensichtlich die zentrale Aufgabe, die unser tägliches Wirken
ausmacht und die wir wahrzunehmen haben.
Damit müßten wir heute eigentlich über Selbstverständlichkeiten reden, wenn wir als
erfahrene Führungskräfte uns über Führung verständigen wollen.
Und vor allem: Wir müßten es selbst sein, an deren Vorbildern sich die Neuen orientieren
können.
Lassen Sie mich an einem Beispiel erläutern, wie ich das meine.
Ich meine, daß Führung nicht nur nach innen, sondern vor allem auch nach außen wirken
muß. Wo aber sind die Unternehmensführer, die sich in Zeiten des ewigen Nörgelns und
Selbstmitleids hinstellen und Optimismus verbreiten?
Glauben wir allen Ernstes, die ständig am Negativen orientierte Kritik vieler Medien an
deutschen Unternehmen sei ausschließlich die Schuld böswilliger Journalisten?
In dieser Beziehung klare, öffentliche Zeichen zu setzen und dafür zu sorgen, daß auch große
Leistungen wieder zählen, daß darüber wieder berichtet wird, ist eine extrem wichtige
Führungsaufgabe.
Aber vielleicht können wir ja gar nichts dafür. Ein bekannter Trainer für Führungskräfte hat
kürzlich gesagt: "Deutschlands Führungskräften in der Wirtschaft ist eines gemeinsam: Sie
haben das, was ihre Bezeichnung ausmacht, nämlich Führen, am wenigsten gelernt - schon
gar nicht systematisch!"
So sieht er viele gute Fachleute, die in Führungsfunktionen aufgestiegen sind, häufig mit
hausgemachten und amateurhaften Führungsmethoden sich selbst um die Früchte ihrer Arbeit
bringen.
Das ist nicht verwunderlich, denn nach den Aussagen wissenschaftlicher Untersuchungen zu
diesem Thema haben kompetente Führungskräfte ihre Fähigkeiten auf einem langen,
schmerzvollen, von Frust und Enttäuschungen begleiteten Weg "vor allem durch
Herumprobieren, durch Versuch und Irrtum erworben".
Die inneren Folgen von Führungsfehlern sind Frust, Mißerfolg und mangelnde Akzeptanz
durch die nachgeordneten Mitarbeiter. Nach außen besteht das traurige Resultat solcher
Defizite in einem eklatanten Mangel an Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit.
Es gibt also in unserer Managerausbildung kein Ausbildungsfach "Führung" - und nur wenige
geeignete Ausbilder. Und das, obwohl immer mehr Menschen Führungsaufgaben
übernehmen.
Der Berliner Professor Malik stellt dazu fest: "Noch nie zuvor in der Geschichte der
Menschheit haben so viele Menschen Führungsaufgaben übernommen. In modernen
Unternehmen liegt der Anteil zwischen 15 und 25 Prozent der Beschäftigten."
Das alles an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend - mit all dem, was uns an
Herausforderungen erwartet!
Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich führe einen Telekommunikationskonzern. Die
Telekommunikation ist die Branche, die am deutlichsten macht, wie schnell die
technologischen Entwicklung den Menschen davonlaufen kann.
Sie läuft den Verantwortlichen in den Unternehmen davon, wenn es nicht gelingt,
1. das Führungssystem effizienter zu machen,
2. das Tempo der Führungsentscheidungen drastisch zu erhöhen,
3. die Führungsvorgänge flexibler zu gestalten, und wenn es uns
4. nicht sehr schnell gelingt, unseren Führungsnachwuchs viel besser auszubilden - oder
überhaupt adäquat auszubilden. Gelingt uns das nicht, wird es deutschen Unternehmen auf
den Weltmärkten von morgen gar nicht gut gehen.
Ich meine damit nicht die fachliche Ausbildung. Ob ein Manager als Ingenieur, Kaufmann,
Jurist oder Chemiker begonnen hat, ist ziemlich nebensächlich, wenn er erst einmal eine obere
Führungsposition erreicht hat.
Im letzten Manager Magazin bin ich mit der Äußerung zitiert worden: "Die meisten Probleme
der Deutschen Telekom sind Führungsprobleme."
Es handelt sich nicht darum, daß jemand sein Fach nicht versteht oder charakterlich nicht
dazu geeignet sind, Menschen zu führen. Es sind einfach Ausbildungsmängel, die hier
offenkundig werden. Was glauben Sie: Gibt es sonst noch einen anderen ähnlich wichtigen
Beruf wie den des Managers, in dem die Kernfähigkeiten, die dieser Beruf fordert, gar nicht
oder nur ganz am Rande erworben werden können?
Meine Damen und Herren, bei meinen Gedanken über die Herausforderungen an zukünftige
Manager will ich gern auf die Erfahrungen unseres Konzerns einzugehen.
Die Deutsche Telekom war bis vor kurzem ein Staatsunternehmen und mußte in kürzester
Zeit auf Hochleistung getrimmt werden.
Die frühere Behörde war nicht auf Schnelligkeit ausgerichtet. Sie war nicht auf Wettbewerb
angewiesen. Sie war nicht flexibel. Sie kannte keine Kunden, sondern "Antragsteller". Die
Arbeitsplätze waren gekennzeichnet von Sicherheit und Überschaubarkeit. Der Satz "Geh
zum Staat, da hast du ausgesorgt!" kennzeichnete die Grundhaltung vieler Mitarbeiter.
All das hat uns zunächst dort Probleme bereitet, wo es um Kundenorientierung ging. Vom
hoheitlichen Gnadenakt "Ihrem Antrag wird stattgegeben" zu der Aussage zu kommen:
"Wobei kann ich Ihnen helfen?" -- das war Schwerarbeit. Heute sind wir auf diesem Weg
schon recht weit fortgeschritten.
Das Deutsche Kundenbarometer weist aus, welchen Weg wir dabei zurückgelegt haben:
Unser Weg führte von der roten Laterne 1996 (da waren wir Schlußlicht) zu einem der
schnellsten Aufsteiger in der Kundenorientierung 1997.
Eines war mir übrigens schnell klargeworden. Das Führungs-Potential unserer Mitarbeiter war
und ist enorm. Dieses Potential galt es zu mobilisieren. Wir haben einige Anläufe gebraucht,
um traditionelle, teilweise lange gelebte Gewohnheiten zu ändern.
Und was haben wir gemacht? Wir haben vor allem zwei Tugenden genutzt, die
Staatsunternehmen eigen sind: solides Können und hohes Pflichtbewußtsein. Diese beiden
Tugenden stellen in mancher Hinsicht eine bessere Basis für einen Neuaufbau dar, als das
smarte Jobdenken manch junger Karrieristen.
Was unser Managerprofil für die Zukunft angeht, glaube ich: Auch die Loyalität zum
Unternehmen kann aus dieser Tradition heraus entwickelt werden.
Um auf den Märkten der Welt erfolgreich sein zu können, brauchen wir neben einem
effizienten Führungssystem den Menschen, der dieses System mit Leben füllen kann.
In großen Unternehmen, die Global Players sind, ist Führen auf Top-Management-Ebene eine
politische Aufgabe geworden und wird es immer stärker werden.
Das mag Außenstehenden etwas allgemein vorkommen, doch ich denke, Ihnen als Insidern ist
klar, welche Umorientierung vor uns liegt.
Wir brauchen eine wirtschaftliche Führungselite, die
a) exzellent ausgebildet und
b) auf ein Wertesystem hin erzogen wird, das die Überwindung politischer und kultureller
Grenzen möglich macht.
Was ich mit dem Hinweis auf die Bedeutung verbindlicher Werte meine, wird deutlich, wenn
wir an die Auftritte internationaler Konzerne in den Ländern der Dritten Welt denken. Das
Bayer-Kreuz, der Mercedes-Stern, das Telekom-T-Signet - steht alles steht überall in der Welt
für die gleichen Werte - und für Werte, die dort auch akzeptabel sind?
Ein neuer Wirtschaftskolonialismus darf keinesfalls bei unserem unternehmerischen Handeln
herauskommen. Im Gegenteil. Wir sollten uns auf die Chance besinnen, daß
Wirtschaftsunternehmen Pioniere des Wandels sind. Heute wie ehedem. Denn seit Tausenden
von Jahren waren es Handel und Wandel, die grenzüberschreitend und kulturübergreifend die
Welt verändert haben.
Wenn ich an die ganz entscheidende Rolle der Telekommunikation denke, die die Welt derart
schrumpfen läßt, daß der Software-Entwickler in Kalkutta für uns nicht weiter entfernt ist als
säße er in Köln, dann sehe ich gerade auch für unser Unternehmen eine große politische
Verantwortung.
Der arg strapazierte Begriff Globalisierung steht für diesen Gedanken des Wandels, ist aber so
verschwommen, daß er jede Interpretation zuläßt. Vom "Terror der Ökonomie" der
Schriftstellerin Viviane Forrester bis hin zum weltweiten Programm Sustainable
Development, zur einzigen Chance, diese Erde zu entwickeln und all ihren Bewohnern eine
auskömmliche Lebensqualität zu sichern.
Viele Machthaber dieser Erde befürchten, daß ein global vernetztes Wirtschaftssystem die
Politik entmachten könnte.
In diesem Trend sehe ich indes gravierende Vorteile. Die Globalisierung zwingt der Politik
und den Regierungen eine Selbstdisziplin auf, die sie ohne diesen Druck nicht hätte.
Und die Kommunikationstechnologien transportieren die Gedanken von Freiheit, Demokratie
und Selbstbestimmung in Windeseile und unaufhaltsam über alle Grenzen der Systeme
hinweg. Da helfen weder Mauern noch Stacheldraht noch Verbote.
Was bedeutet dies alles für die Entwicklung eines Profils für künftige Unternehmenslenker?
Welche Manager sollen die Konzerne auf diesen Zukunftsmärkten lenken? Welche Techniken
sollten sie beherrschen? Brauchen sie eine Moral oder reicht es, wenn sie profitgesteuert sind?
Wenn mein Nestlé-Kollege Helmut Maucher hat einmal gesagt: "Ich schaue einem Bewerber
in die Augen, nicht in seine Zeugnisse!" Damit hat er gemeint: Die Macht der Persönlichkeit
überwiegt alle anderen Qualifikationen.
Randbemerkung: In die Zeugnisse haben seine Personalleute geschaut, bevor sie den
Bewerber überhaupt zu ihm gelassen haben!
Im Ernst: Persönlichkeiten werden nicht geboren, sondern erzogen. Wir könnten auch sagen:
entwickelt.
Orientieren -- und daran entwickeln -- können sich talentierte Menschen vor allem an
Vorbildern. Es geht also gar nicht in erster Linie darum, ein neues Managerprofil zu
entwickeln. Es geht darum, daß wir uns als derzeitige Top-Manager - bei allem Arbeitsdruck mehr bemühen, Vorbilder zu sein.
Nichts - und damit bin ich wieder bei meinem Ausgangsgedanken - nichts ist wirkungsvoller
als das persönliche Beispiel. Wenn unser Beispiel greift und zur Nachahmung reizt, wenn sich
der Nachwuchs an uns orientieren kann, haben wir schon viel erreicht. Daß die Top-Manager
der nächsten Generation ihren Aufgaben gewachsen sind, überlassen wir das nicht den
Theoretikern, lassen Sie uns das zu unserer ureigenen Sache machen!
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