Liebe als Weg zur Göttlichkeit - UK

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Symposion: Liebe als Weg zur „Göttlichkeit“
Die Liebe bezieht sich auf ein Etwas, und zwar auf eines, das man noch nicht besitzt
1. Das „Zwischen-Sein“
1.1.
Wer eine richtige Vorstellung (doxa) von etwas hat, ohne diese begründen zu
können, kann nicht weise sein, da hierfür die begründete Erkenntnis des
Vorgestellten notwendig ist; andererseits ist er aber auch kein
Unverständiger, da ja seine Vorstellung wahr ist. Es gibt also etwas zwischen
diesen beiden Extremen. In Analogie hierzu gibt es zu sehr vielen
entgegengesetzten Begriffen ein "Zwischen-Sein". Obgleich Eros weder gut
noch schön sein kann, so muss er deswegen aber auch nicht schlecht und
hässlich sein.
1.2.
Da Eros nicht schön ist, kann er auch kein Gott sein, da Götter notwendig
schön und glückselig sind. Er hat ein "Zwischen-Sein" – ein Dämon, dem die
Funktion des Götterboten, des Dolmetschers zwischen den Menschen und
den Göttern zukommt.
1.3.
Sein Sein zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen wird auch durch
den Mythos seiner Geburt begründet. Sowohl seine Zuordnung als Gehilfe
der Aphrodite, als auch weitere Prädikate, die ihm zukommen, werden mittels
dieses Mythos hergeleitet. (nicht schön, rau, unansehnlich, unbeschuht,
tapfer, keck, philosophierend, ein arger Zauberer, Giftmischer, weder arm
noch reich, weder weise noch unverständig. Diese Attribute kommen
Sokrates auch zu. )
1.4.
Eros für Sokrates nicht die personifizierte Vollkommenheit, sondern Eros
strebt nach dieser noch näher zu bestimmenden Vollkommenheit. Beiden
(Sokrates und Eros) kommt somit das "Zwischen-Sein" zwischen Unverstand
und Weisheit zu.
2. Eros: das Gute und die Philosophie
2.2.
Unverstand und Weisheit sind unvereinbar mit dem Philosophieren. Die
Philosophie ist Liebe zur Weisheit und da die Liebe gemäß der zentralen
Vorbedingung immer ein Bedürfnis, d.h. das Begehren dessen, worauf sie
sich bezieht, voraussetzt, das man sodann selbst nicht besitzt, werden nur
diejenigen philosophieren, denen das "Zwischen-Sein" zukommt und die also
weder weise noch töricht sind. Dies begründet zunächst nur die Fähigkeit zur
Philosophie.
2.3.
An gleicher Stelle wird aber auch dargelegt, daß Eros auch notwendig
philosophiert: "Denn die Weisheit gehört zu dem Schönsten und Eros ist
Liebe zu dem Schönen, so daß Eros notwendig weisheitsliebend ist und also
als philosophisch zwischen den Weisen und Unverständigen mitteninne
steht."
2.4.
Die Liebe richtet sich auf das Schöne und somit auf das Gute. Wem das
Gute zuteil wird, der wird glückselig. Die Liebe strebt demnach nach
Glückseligkeit. Dieses Streben ist allen Menschen gemein, demnach lieben
auch alle Menschen. Im Allgemeinen wird dies jedoch nicht erkannt, da analog zum Begriff Dichtung - auch der Begriff Liebe nur für einen Teil
dessen verwendet wird, für den er eigentlich steht.
2.5.
Der Ansatz des Aristophanes, der unter Liebe die Sehnsucht nach der
verlorenen ursprünglichen Einheit sieht, betrachtet daher allenfalls einen
Teilaspekt der Liebe. Nach Sokrates kann jedoch überhaupt nicht von Liebe
gesprochen werden, wenn nicht auf das Gute gezielt wird. Da im Ansatz des
Aristophanes das Gute überhaupt keine Rolle spielt, ist zusätzlich in Frage zu
stellen, ob es sich bei der Sehnsucht nach der verlorenen Hälfte
überhaupt um Liebe handelt. Dies wäre nur möglich, wenn die verlorene
Hälfte zufällig gut wäre. Die Liebeskonzeption des Aristophanes wird nach
Ansicht des Verfassers an dieser Stelle durch Sokrates (Diotima) klar
zurückgewiesen.
3.
3.1.
3.2.
3.3.
4.
4.1.
4.2.
4.3.
5.
5.1.
5.2.
Die Unsterblichkeit als Ziel der Liebe
Die Liebe strebt nicht nur nach dem Guten, sondern auch danach, das Gute und
somit die Glückseligkeit dauerhaft zu besitzen. Die menschliche Natur drängt den
Menschen also zur Zeugung - erzeugen kann sie aber nur im Schönen. So
erklärt sich das Streben nach dem Schönen (Der Wille nach Unsterblichwerden).
Nicht jedoch das Schöne ist das Ziel der Liebe, vielmehr ist das Schöne nur
notwendige Bedingung der Zeugung. Ebenso wie der Begriff Liebe mehr
bedeutet, als die Liebe zwischen Menschen, so ist auch der Begriff Zeugung nicht
auf die körperliche Zeugung von Nachkommenschaft beschränkt.
Es gibt auch die Zeugung, die aus der Seele erwächst - geistige Zeugung. Die
Zeugung wiederum ist ebenfalls nicht das Ziel der Liebe, sondern sie ist der
einzige Weg, der es dem sterblichen Mensch ermöglicht, dass sein Streben
nach dauerhafter Glückseligkeit von Erfolg gekrönt sein kann. Eine
Dauerhaftigkeit des Schönen, des Guten, des Glückseligen ist nur in der
Unsterblichkeit möglich.
Der Vorrang der geistigen Zeugung
Die Besonderheit des Menschen besteht NICHT darin, dass er der Liebe fähig
ist, denn sofern die Liebe nach Unsterblichkeit strebt, so ist die Liebe auch im
Tierreich verbreitet. Während die Tierwelt jedoch nur die körperliche Zeugung
kennt, so kennt der Mensch auch die geistige Zeugung. Die geistige Zeugung ist
es, was den Menschen wesentlich vom Tier unterscheidet. Schon hieraus ließe
sich eine gewisse Vorrangstellung der geistigen Zeugung (da sie dem
eigentümlichen Wesen des Menschen entspricht) vor der körperlichen Zeugung
ableiten, doch geschieht dies auf andere Weise.
Die Tugendhaftigkeit ihrer Tat ermöglichte es ihnen - paradoxerweise - im Tod das
zu finden, wonach die Liebe strebt - die Unsterblichkeit. Die Unsterblichkeit rührt
daher, dass sie aufgrund ihrer Tugendhaftigkeit in der Erinnerung der Menschen
fortleben. Die Tugend ist ein Kind der geistigen Zeugung. Ihre Ausprägungen
sind das Streben nach Weisheit - und als größte und schönste Weisheit ist die
Besonnenheit und die Gerechtigkeit anzusehen.
Die geistige Zeugung kommt der göttlichen näher als die körperliche Zeugung. Die
Götter unterliegen in ihrer Unsterblichkeit nicht der Veränderung mit der Zeit,
während der Mensch grundsätzlich der Zeit ausgesetzt ist. Ein Mensch verändert
sich in jedem Augenblick, wie es auch unmöglich ist, zweimal in den selben Fluss
zu blicken. Er lebt dadurch weiter, dass er das Alternde durch etwas Neues ersetzt.
Während der neugeborene Mensch - das Kind der körperlichen Zeugung - selbst
bei bester Veranlagung doch immer wieder aufs neue veränderlich und sterblich ist,
so können die Kinder der geistigen Zeugung einen beständigeren Grad an
Vollkommenheit erreichen. Der Weg - der göttlichen Unsterblichkeit nahe zu
kommen - kann demnach nur mittels der geistigen Zeugung gegangen werden.
Eros als Wegbereiter des tugendhaften Lebens
Sechs Reden über den Eros werden dem Leser des Symposions:
- Phaidros: Eros fördert das Bestreben nach dem Schönen
- Pausanias: Nur wer die Seele liebt, liebt auf schöne Art
- Aristophanes: Götterehrfurcht als Bedingung der "Liebeserfüllung"
Diotima (Sokrates): Tugend als notwendige Bedingung der Liebeserfüllung
 Nach Diotima, ist die größte Liebe das Begehren des Guten und der
Glückseligkeit. Es gibt keine Liebe, die nicht auf das Gute gehen würde. Die
Tugend geht hierbei weder der Liebe voraus, noch führt die Liebe zur Tugend,
vielmehr ist die dauerhafte Erfüllung der Liebe, d.h. der dauerhafte Besitz des
Guten, nur mittels der Tugend erreichbar.
 Dauerhaftigkeit (Gültigkeit, Wahrheit) ist allein durch Unsterblichkeit - diese
wiederum nur durch Zeugung im Schönen - möglich. Die wertvollsten Kinder der
geistigen Zeugung sind aber die Weisheit und andere Tugenden, insbesondere
die Besonnenheit und die Gerechtigkeit ( drei der vier Kardinaltugenden).
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