Sabine Zapp-Siegfried 14.05.16 Seite1 Dogmatik I – Aufgabe 7 Schreiben Sie einen Essay (3-5 Seiten), in dem Sie die Positionen von Althaus und Barth darstellen und diskutieren. In der Dogmatik wollen wir, die Aussagen der Schrift systematisch ordnen, denkerisch durchdringen und gegenüber der Gegenwart verantworten. Das geschieht aus der Überzeugung heraus, dass das, was wir in der Bibel über Gott bezeugt bekommen nicht einfach vergangene Geschichte ist, sondern in die Gegenwart hineinreicht. Ziel ist es, mit Hilfe der Dogmatik die Verkündigung der Kirche zu verbessern. Nicht nur an einzelnen Bibelstellen, sondern am Gesamtzeugnis der Schrift orientiert sich die Dogmatik und muss sich folglich die Verkündigung messen lassen. Sprach ich soeben davon, dass die Heilige Schrift uns Gott bezeugt, so muss das nun etwas genauer gefasst werden. Die Bibel berichtet von einer Geschichte, die Gott mit den Menschen eingeht. Jesus Christus ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte. Gott hat diese Geschichte mit der Schöpfung und mit der Erwählung Israels begonnen und hat sie mit Jesus Christus ans Ziel gebracht. Alle Menschen sollen daran teilhaben und durch Jesus in Gemeinschaft mit Gott kommen. Die Art und Weise wie sich Gott uns in dieser Geschichte mitteilt ist in erster Linie eine Zusage: Ich bin bei euch. In dieser Verheißung wird die vergangene Geschichte gegenwärtig. In dieser Geschichte Gottes mit den Menschen eröffnet uns Gott eine Wirklichkeit, die wir aus uns heraus nicht erkennen konnten. Die christliche Tradition hat für diese Eröffnung, diese Selbstbezeugung Gottes, die ihre Mitte in Jesus Christus hat, den Begriff Offenbarung geprägt. Nun haben unterschiedliche Menschen, die sich intensiv und ernsthaft mit der Auslegung der Schrift befassen und Dogmatik betreiben, unterschiedliche Auffassungen darüber entwickelt, wie exklusiv die Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist. Im Folgenden sollen die Positionen von Paul Althaus und Karl Bart verglichen und diskutiert werden. Zur Erleichterung der Einordnung und des Verständnisses möchte ich die Gegensätze vorab verkürzt gegenüberstellen. Karl Barth Außerhalb von Gottes Offenbarung in Christus können Menschen nur spekulieren. Alles, was außerhalb des christlichen Glaubens Gott genannt wird, ist ein Produkt menschlicher Willkür, menschlichen Suchens und menschlicher Phantasie. Paul Althaus Es gibt eine Ur-Offenbarung Gottes in der Wirklichkeit des Menschen. Die Religionen können nicht einfach als Gebilde der menschlichen Phantasie der Offenbarung Gottes gegenübergestellt werden. Karl Barth vertritt eine radikale Position. Er fordert seine Zuhörer dazu auf, ganz klar zwischen zwei Arten das Wort „Gott“ zu gebrauchen zu unterscheiden. „Gott“ wie das Wort zu allen Zeiten und in allen Völker in der Philosophie und in unterschiedlichen Religionen gebraucht wird hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Gott, an den die Christen glauben gemeinsam. Was außerhalb des christlichen Glaubens Gott genannt wird, ist für Barth letztlich ein Produkt menschlicher Willkür, menschlichen Suchens und menschlicher Phantasie. Wie Christen, sagt Barth, reden von dem Gott, der all dieses Suchen, Spekulieren und Vermuten beendet. Es geht um die Begegnung des Menschen mit der Wirklichkeit, die der Mensch niemals von sich aus gesucht oder gefunden hätte. Paulus drückt dies im 1. Korinther 2,9 so aus: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört, was in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott denen gegeben, die ihn lieben.“ Sabine Zapp-Siegfried 14.05.16 Seite2 Wie begegnet der Mensch nun dieser Wirklichkeit? Durch das Werk Gottes, wie es in der Bibel beschrieben wird und bis in die Gegenwart hinein erfahrbar ist. Da ist zum einen das Werk der Schöpfung. Barth beschreibt sehr eindrücklich, dass Gott in seiner heiligen überströmenden Liebe neben sich das Geschöpf stellt, ohne seiner zu bedürfen. Dann geschieht wieder etwas unbegreifliches: Gott richtet einen Bund auf zwischen sich und seinem Geschöpf, obwohl von Anfang an berichtet wird, dass der Mensch Gott undankbar gegenübersteht, dass er ein Sünder ist. Das ist eine unbegreifliche Tat Gottes. Er gibt sich dazu her, der Gott eines kleinen verachteten Volkes zu werden. Doch die Tat Gottes geht noch viel weiter. Er wird in Jesus Christus selbst ein Teil dieses Volkes ein Mensch. Er wird als Kind geboren, lebt als Mensch, redet als Mensch zu den Menschen und wird schließlich von seinen Geschöpfen getötet. [Interessanter Weise erwähnt Barth in dem uns vorliegenden Text nichts von der Auferstehung .] Dieses Ganze – von der Schöpfung bis zu Christus - ist für Barth ein einziges großes Werk, in dem uns die Wirklichkeit Gottes begegnet. Es ist das Werk der Erlösung. In der Person Jesus Christus. Barth macht ganz deutlich: Wer im Sinne der Heiligen Schrift Gott sagt, muss zwangsläufig Jesus Christus sagen. In ihm zeigt sich uns die Wirklichkeit Gottes. Alles andere ist Spekulation. Davon hebt sich die Position von Paul Althaus deutlich ab. Er prägt den Begriff der UrOffenbarung und bezeichnet damit die Selbstbezeugung Gottes vor und außerhalb von Christus. So etwas gibt es für Barth nicht. Die heilsgeschichtliche Offenbarung Gottes in Jesus Christus bezieht sich nach dem Verständnis von Paul Althaus überall auf diese Ur-Offenbarung und ist ohne sie gar nicht verständlich. Althaus macht das beispielsweise daran deutlich, dass Jesus in Gleichnissen, die von ganz menschlichen Dingen handeln, von Gott spricht. Althaus schließt daraus, dass die menschliche Wirklichkeit, aus der die Bilder und Begriffe der Gleichnisse stammen, in sich selbst von der Wirklichkeit Gottes zeugt. Das ist UrOffenbarung. Ein weiteres Argument ist folgendes: Wenn die Bibel von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus berichtet bedient sie sich vorchristlicher religiöser Begriffe. Das wäre nicht möglich, wenn die Religionen nur aus trügerischen menschlichen Gedanken zusammengedichtet wären. Althaus kommt zu der Aussage: Die Offenbarung in Jesus Christus ist das Ende der Religionen, aber zugleich ihre Erfüllung. Weithin stellt Althaus fest, dass Jesus Christus die Menschen als Schuldige sieht, die Versöhnung mit Gott brauchen. Schuld setzt aber voraus, dass Gott sich dem Menschen schon gezeigt und ihm seinen Willen deutlich gemacht hat. Sie setzt also das Wissen der Menschheit um Gottes Gesetz nicht nur in Israel voraus. Das Gesetz Gottes ist, so folgert Althaus weiter, jedem ursprünglich ins Herz geschrieben. Aber diese natürliche Gotteserkenntnis des natürlichen Menschen ist als die Erkenntnis eines Sünders niemals neutral. Sie trägt immer schon eine Heilslehre in sich. Daher kann die natürliche Gotteserkenntnis des natürlichen Menschen durch das Evangelium nicht ergänzt, sondern nur bekehrt werden. Der Glaube an das Evangelium ist der Bruch mit der natürlichen Gotteserkenntnis des sündigen Menschheit. Es gibt nur zwei Möglichkeiten menschlicher Religion 1. ein Vernehmen der Ur-Offenbarung, das zum Götzendienst oder zur selbstgemachten Heilslehre entstellt ist und 2. ein Vernehmen der Ur-Offenbarung, das erfüllt ist im Glauben an das Evangelium. Mit diesem letzten Teil seines Textes hat Althaus seiner Einschätzung der Religionen noch einmal eine interessante Wende gegeben. Hatte man zu Beginn der Darstellung noch den Eindruck, die anderen Religionen würden bei ihm - als Hinweis auf die UrOffenbarung Gottes in der Wirklichkeit der Menschen - recht positiv eingeschätzt, so wird dieser Eindruck durch den letzten Abschnitt wieder korrigiert. Sabine Zapp-Siegfried 14.05.16 Seite3 Karl Barth und Paul Althaus zeigen in ihren Denkvoraussetzungen deutliche Unterschiede. Während es für Barth keinerlei Gottesoffenbarung außerhalb von Christus gibt, ist für Althaus die Gottesoffenbarung in Christus überhaupt nur deshalb verständlich, weil Gott sich uns auch schon vorher und jederzeit grundlegend offenbart. Entsprechend dieser unterschiedlichen Denkvoraussetzungen entwickeln die beiden auch unterschiedliche Einschätzungen der Religionen. Während sich für Althaus in den Religionen die grundlegende Offenbarung Gottes an uns Menschen, die Ur-Offenbarung spiegelt, muss Barth die anderen Religionen zwangsläufig, seiner Denkvoraussetzung folgend, als Phantasiegebilde des Menschen abtun. Diese unterschiedlichen Ansichten werden dann spannend und wichtig, wenn es um die Begegnung mit anderen Religionen geht. Zwar ist die Einschätzung von Althaus, wenn man sie als Ganze sieht auch nicht gerade schmeichelhaft für die anderen Religionen, aber sie bietet zumindest einen Anknüpfungspunkt. So einen Anknüpfungspunkt hat ja beispielsweise auch Paulus bei seiner Rede auf dem Areopag gesucht und gefunden. Barths Auffassung ist zwar kompromissloser und vielleicht auch abschreckend. Sie kann aber deshalb auch nicht so leicht missverstanden und falsch ausgelegt werden. Diese Gefahr sehe ich nämlich bei Althaus. Auch er betont im Grunde die Einzigartigkeit des Evangeliums gegenüber den Religionen, aber diese Position kann ausgehend von seiner Grundauffassung leicht verwässert werden. Ich finde beide Positionen nachvollziehbar und von meinem Standpunkt aus gesehen kommen sie trotz ihrer unterschiedlichen Denkvoraussetzungen am Ende bei der gleichen Sicht des Evangeliums an.