Wenn ich Menschen in der Seelsorge begleite, dann kommen wir früher oder später an die Frage: „Kann ich mich eigentlich selbst lieben?“ Es ist seltsam, aber ganz oft begegnen mir, wenn ich jemand diese Frage stelle, in der Kindheit beim anderen fest verankerte „Glaubenssätze“ . Wie etwa: „Wenn du dich selbst liebst, dann ist das nur Nabelschau, du drehst dich um dich selbst, wirst immer egoistischer.“ Und wer will schon ein Egoist sein? Warum besteht dann Jesus so entschieden darauf, dass wir uns selbst lieben? Immerhin hat er gesagt: Du sollst Gott lieben und deinen Mitmenschen wie dich selbst. Wenn man das Neue Testament liest merkt man, dass Jesus der tiefsten Überzeugung war: Wir Menschen können eigentlich in dieser Welt wirklich positiv nur etwas bewirken, wenn wir wissen, wer wir selbst sind. Und das hat etwas mit Selbstachtung und Selbstliebe zu tun. Aber das ist gar nicht so einfach. Zu sagen: „Der Wendorff ist all das, was du kriegen kannst. Statt ständig zu versuchen, davon wegzukommen.“ Dabei gibt es im Leben Jesu eine ganz entscheidende Erfahrung, als er nach seiner Taufe aus dem Wasser steigt und begreift: Ich bin so wie ich bin ein geliebtes Kind Gottes. Punkt. Warum ist dies so ungewöhnlich? Ganz einfach: Zu mir kommen immer wieder Menschen, die hinter sich therapeutische Erfahrungen haben in dem Versuch, von dem wegzukommen, wer wir sind. Jahrelange Gesprächstherapie: Wie kann ich mich ändern? Statt erst einmal bei mir selbst anzukommen und mit mir selbst Frieden zu schließen. Damit ist nicht zu verwechseln ein kindlicher durstiger Egoismus, der niemals satt macht. Das heißt nicht, dass es nicht auch ganz wichtig ist, über sich nachzudenken und sich weiterzuentwickeln. Das hat übrigens Jesus auch gemacht. Allerdings kann ich dies 1 „lässig“ gestalten, wenn ich es geschafft habe, mich als jemand, der angenommen ist, zu spüren, ich kann aber auch diesen verkrampften Unterton haben: Ich bin nicht richtig, wie ich bin, - etwas was man uns leider immer wieder als Kind gesagt hat und was ganz tief in uns mächtig wirkt. Darum: So lange ein Mensch im Kern sich selbst ablehnt – da kann die Methode noch so toll sein – wird nie mit Gott und der Welt im Einklang glücklich leben können. Darum ist es überhaupt die wichtigste Frage: Wie kann ich mit mir selbst Frieden schließen? Hier kann man von Jesus sehr viel lernen. Wie? Ich möchte die einzelnen Schritte Ihnen vorstellen, wenn es dann natürlich wichtig ist, nicht nur den Weg zu kennen, sondern ihn auch zu gehen. Der erste Schritt ist, dass ich tief in mir erkenne: So wie ich bin, das ist mein Ausgangspunkt. Und der wird niemals perfekt sein. Und nun ist es ganz wichtig, dass ich diesem „Ich“ – mir selbst – treu bin. Nicht nur dass ich jemand anders heirate und ihm oder ihr treu bin ist wesentlich, sondern dass ich mir selbst treu bin. So habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, dass ich mir selbst einen Brief schreibe mit einem Satz: „Ich bin mir treu.“ Das mache ich so einmal im Monat. Und nicht nur in Gedanken, sondern richtig aufschreiben. Wie so ein Heiratsantrag. An mich selbst. Das ist der erste Schritt. Ich sage bewusst „ja“ zu mir. Und das heißt: Ich sage erst einmal auch bewusst „ja“ zu den Seiten an mir, die ich nicht gut finde. Denn sie sind ja nun mal da. Ich stelle mir Jesus als jemand vor, der dies gut konnte. Sehr entspannt sagen: So bin ich. 2 Den zweiten Schritt möchte ich Ihnen mit einer kleinen Geste verdeutlichen, indem ich Sie bitte, sich selbst einmal vor der Brust zu umarmen. Eine kleine Geste, die aussagen kann: „Ich schließe Frieden mit mir selbst.“ Ganz wichtig. Wie viele Menschen kenne ich, die eigentlich im Unfrieden mit sich leben. Auch da ist Jesus mir ein Vorbild, als jemand, der ganz bewusst im Frieden mit sich lebte. Darum hatte er eine so wunderbare Ausstrahlung. Überlegen Sie mal, wie Sie vielleicht diese kleine Geste in Ihren Alltag übernehmen können. Einfach zwischendurch sich selbst umarmen. Unter der Dusche, beim Frühstück, beim Lesen der Zeitung, vor dem Fernseher. Einen kleinen Augenblick „Frieden mit sich selbst“ spüren. Meine Erfahrung ist: Dies kann, wenn ich es immer wieder mache, sehr heilsam sein. Der dritte Schritt: Kämpfe gegen kein Gefühl. Mir sagen immer wieder Menschen Sätze wie: „In der und der Situation habe ich Neid gefühlt, aber das darf ich ja nicht.“ Und schon bin ich wieder im Kampf mit mir. Darum ganz wichtig: Wenn ein Gefühl da ist ist es da. Heiße erst einmal jedes Gefühl willkommen. Denn wenn ich es ablehne kommt es eben durch die Hintertür rein. Also die Wut oder die Ohnmacht oder den Schmerz offen ansehen. Das ist nicht einfach und braucht Mut, aber wenn ich ruhig mir anschaue: „Ja. ich bin neidisch auf den und den..“ dann entsteht irgendwann eine große Ruhe. Und aus dieser Ruhe kann ich nun statt gegen dieses Gefühl anzukämpfen mich in einem vierten Schritt fragen: Was will ich eigentlich? So zum Beispiel wenn ich neidisch bin. Was will ich eigentlich. Vielleicht will ich beachtet werden und habe 3 Angst, dass ich übersehen werde. Und „Beachtet zu werden“ ist ein sehr berechtigtes Bedürfnis, das erfüllt werden muss. Die Frage ist nur „Wie“. Wie kann ich etwa beachtet werden ohne dass ich jemand schade. Genau das meint Jesus wenn er sagt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Beachte deine Bedürfnisse und erfülle sie ohne jemand zu schaden. Und Jesus war überzeugt, dass das geht. Er hat es selbst gelebt. Der vierte Schritt war Jesus gerade sehr sehr wichtig: Kläre für dich, was dir wichtig ist. Welche Werte liegen dir am Herzen. Damit jemand Frieden mit sich findet muss ich wissen, welche Werte mir wichtig sind und ich muss lernen, mit diesen Werten im Einklang zu leben. Zum Beispiel: Wie wichtig ist mir „Treue“. Oder „Wahrheit“. Und wenn mir etwa dies sehr wichtig ist, dann lebe ich glücklicher und im Frieden mit mir selbst, wenn dies in meinem Leben spürbar ist. Und ich garantiere Ihnen: Sie spüren, ob jemand, mit dem Sie sich etwas näher unterhalten, seine Werte lebt oder nicht. Und darum ist der vierte Schritt ganz wichtig: Lebe deine Werte im Alltag. So kann es sein, dass ich spüre: Ich sollte dies nicht tun, wenn ich mir und meinen Werten treu bleiben möchte. Und jetzt muss ich eine Entscheidung treffen: Riskiere ich vielleicht, abgelehnt zu werden wenn ich meine Werte lebe? Aber dafür bleibe ich mir treu. Und Jesus lädt uns ein: Bleib dir treu. Auch wenn alle sagen: Pass dich an. Ja-Sager gibt es genug. Aus Liebe zu dir selbst bleib dir treu. Und jetzt kommt der fünfte und vielleicht wichtigste Schritt der Selbstliebe: Arbeiten Sie an Ihren 4 Gewohnheiten. Ich habe mit vielen sehr interessanten Menschen zu tun. Viele wissen eigentlich, was zu tun ist. Das Problem: Sie setzen es nicht konsequent um. Und darum sind Gewohnheiten ganz wichtig. „Gewohnheit“ bedeutet, dass ich, wenn ich etwas – wie etwa die Selbstliebe – als wertvoll erkannt habe, dass ich dies in mein Leben übernehme. Wie Zähneputzen. Ist ja auch eine recht gute Gewohnheit. Die gute Nachricht: Es gibt Hilfen, damit ich aus einer Erkenntnis – wie z.B. der Selbstliebe – eine Gewohnheit mache. Hilfreich ist etwa, indem ich dies möglichst vielen Menschen erzähle. „Du, ich habe mir vorgenommen, mich verstärkt so zu nehmen wie ich bin und in Frieden mit mir zu leben.“ Und dann kann es sein, dass der andere mich Tage später anspricht. „Du hattest Dir doch eigentlich vorgenommen, aber schau mal, wie Du gerade lebst..“ So etwas kann sehr hilfreich sein. Darum: Vielleicht gehen Sie diese 5 Schritte heute noch mal durch. Und vielleicht suchen Sie sich jemand, mit dem Sie dies besprechen können. Ich bin sicher, Gott wird darüber lächeln wenn er sieht, wie Sie Schritt für Schritt mit sich Frieden schließen. 5