SN 10.2 Pralinen Die Firma First ist Premium-Anbieter von Schokolade und Pralinen in vielen gewöhnlichen Einzelhandelsgeschäften. Die Sammlung „Pralinés Classic“ beispielsweise ist eine sorgsame Auswahl 20 edler Pralinés. In der Firma weiß man, dass man trotz zahlreicher Kontrollen etwa 3 % fehlerhafte Pralinen verkauft. Um ihr hohes Renommee und die Marktposition als Premium-Anbieter zu sichern, gibt die Firma eine Garantie: Findet ein Kunde in einer Schachtel „Pralinés Classic“ 2 oder mehr fehlerhafte Pralinen vor, so kann er die Schachtel an den Hersteller einsenden und erhält 2 Jahre lang monatlich eine Schachtel kostenlos zugesandt. Geht die Firma mit diesem Garantieversprechen ein Risiko ein, gar ein zu hohes Risiko ? a) b) c) d) Mit welcher Wahrscheinlichkeit enthält eine Schachtel nur fehlerfreie Pralinen ? Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist genau eine Praline fehlerhaft in einer Schachtel ? Mit welcher Wahrscheinlichkeit enthält eine Schachtel zwei oder mehr fehlerhafte Pralinen ? Welche Konsequenzen hat diese Garantie für den Pralinenhersteller ? Geht die Firma ein zu hohes Risiko ein ? e) Welche Garantieleistung würdest du der Firma als Berater empfehlen ? Steckbrief der Aufgabe Inhaltliche Kurzbeschreibung Die Wahrscheinlichkeit von Bernoulli-Ketten wird in einer anwendungsbezogenen Aufgabe berechnet. Zudem bietet ein Aufgabenteil eine offene Problemstellung. Funktion der Aufgabe: Zunächst bietet die Aufgabe die Möglichkeit, die Berechnung der Wahrscheinlichkeit von BernoulliKetten zu üben. Darüber hinaus enthält ein Aufgabenteil eine geschlossene Problemstellung, die die ökonomische Bedeutsamkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung aufzeigt. Im letzten Aufgabenteil wird eine offene Problemstellung präsentiert, die verschiedene Lösungen zulässt. Doppeljahrgangsstufe: 9/10 , ggf. auch 7/8 Die Aufgabensammlung geht über die Anforderungen der Kernlehrpläne hinaus, da mehr als zweistufige Zufallsversuche thematisiert werden. Schulformen, in denen entwickelt/ erprobt wurde: Erforderliche Vorkenntnisse: Mindestens: Pfadregel; besser: Bernoulli-Ketten falls auch Binomialkoeffizienten bekannt sind, kann die Aufgabe variiert werden Bezug zu den Kompetenzen des Kernlehrplans: Stochastik Kernlehrplan Auswerten bestimmen Wahrscheinlichkeiten bei zweistufigen Zufallsexperimenten mit Hilfe der Pfadregeln Hier speziell: berechnen Wahrscheinlichkeiten von Bernoulli-Ketten (Hinweis: die Teilaufgaben gehen über zweistufige Zufallsexperimente hinaus) Problemlösen Kernlehrplan Lösen Erkunden stellen einen Lösungsplan auf und formulieren ihr beabsichtigtes Vorgehen in eigenen Worten Lösen Hier speziell: Lösen das Problem in Aufgabe d), z.B. durch systematisches Ausprobieren mit fiktiven Preisen und Kosten Überlegen in Teilaufgabe e), welche Größen veränderlich sind und was eine Veränderung bewirkt Lösen das Problem in Aufgabe e) durch Variation bestimmter Bedingungen Mögliche Schülerlösungen: a) P (X = 0) = 0,9720 ≈ 54,38 % n n-k entsprechend P ( X = k) = p k 1 - p k b) P (X = 1) = 0,9719 · 0,03 · 20 ≈ 33, 64 % c) P (X ≥ 2) = 1 – [P (X = 0) + P (X = 1)] ≈ 12,16 % d) Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Konsequenzen einzuschätzen. Werden z.B. 100 Pralinenschachteln verkauft, so treten durchschnittlich 12 Garantiefälle ein. Demnach werden als Garantieleistung 12 · 24 = 288 Pralinenschachteln ausgeliefert, für die sich weitere und auch mehr Garantiefälle ergeben. Es entsteht eine „Lawine“ von Garantiefällen, die die Firma letztlich ruinieren werden. e) Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Aufgabe zu lösen. Die variablen Parameter sind: Prozentsatz der fehlerhaften Pralinen, Anzahl der Pralinen in einer Schachtel, Garantiebedingung = Anzahl der fehlerhaften Pralinen für den Garantiefall, Garantiehöhe = Dauer und Umfang der Garantieleistung. In den meisten Schülerlösungen dürften die beiden letzten Parameter verändert werden. Am einfachsten ist eine Veränderung der Garantieleistung. Um den „Lawineneffekt“ zu vermeiden, muss die Garantieleistung bei 100 verkauften Schachteln unter 100 Schachteln liegen. Für einen Garantiefall dürfen also maximal 8 Schachteln ausgegeben werden, besser weniger. Eine Variation der Garantiebedingung zu „3 oder mehr fehlerhafte Pralinen“, „4 oder mehr fehlerhafte Pralinen“ ist auch möglich. Die Berechnung von P (X ≥ 3) bedingt für die Schüler einige kombinatorische Überlegungen oder die Kenntnis von Binomialkoeffizienten. Die kombinatorischen Überlegungen können auch von Schülern in Klasse 8 selbständig geleistet werden. Mögliche, ggf. erprobte Unterrichtsorganisation: Die Aufgabenteile a) bis c) dienen dazu, die Wahrscheinlichkeit für den Garantiefall auszurechnen. Sie bauen aufeinander auf und steigen in ihrer Schwierigkeit an. Teilaufgabe b) ist auch ohne Kenntnisse über Kombinatorik bzw. Binomialkoeffizienten lösbar (eine fehlerhafte Praline kann an Stelle 1,..., 20 auftreten), Teilaufgabe c) benutzt die Wahrscheinlichkeit für das Gegenereignis. Die Frage nach den Konsequenzen für den Pralinenhersteller (Teil d) ist für die Schüler ein Problem, da sie keine Methode zur Lösung der Frage kennengelernt haben. Auch sind in der Aufgabenstellung keine Preise und Kosten angegeben, die manche Schüler zur Berechnung des Gewinns und zum Vergleich mit den Garantiekosten vermissen. Haben Schüler nach hinreichend langer Zeit des Nachdenkens keinen Lösungsansatz, so kann man daran erinnern, dass 12 % „12 von 100“ bedeutet. Fragen Schüler nach längeren Lösebemühungen immer noch nach den Produktionskosten und dem Verkaufspreis für eine Pralinenschachtel, so kann man ihnen raten, es mit verschiedenen einfachen Beispielen auszuprobieren. Das systematische Ausprobieren an verschiedenen einfachen Beispielen ist eine heuristische Problemlösestrategie, die bereits ein angemessenes Lernziel ist. Zudem kann das systematische Ausprobieren die Schüler zur Erkenntis führen, dass man die Konsequenzen für die Firma unabhängig von Preis und Kosten einschätzen kann. Die Frage, welche Garantieleistung der Schüler empfehlen würde (Teil e), ist eine offene Aufgabenstellung, da die Zielsituation unbekannt ist und somit mehrere Lösungen möglich sind (s.o.). Auch hier kann man den Schülern nach einiger Zeit selbständiger Löseversuche einige Hinweise geben. Zum Beispiel kann man fragen, (i) welche Größen vom Hersteller verändert werden können, (ii) inwiefern die Garantieleistung verantwortlich ist, dass ein „Lawineneffekt“ auftritt und wie man die Garantieleistung ändern muss, (iii) was eine Änderung der Garantiebedingung bewirkt und ob der „Lawineneffekt“ vermieden wird. Mögliche Variationen der Aufgabe und des Aufgabenniveaus: Erstellt von: Sinus-Transfer Set 1-w, Untergruppe Südlicher Niederrhein