Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 1 Fundamentalexegese und Theologie Neues Testament FUNDAMENTALEXEGESE UND THEOLOGIE NEUES TESTAMENT ................................................... 1 1 "...UND MAN WIRD IHM DEN NAMEN I M M A N U E L GEBEN" (MT 1,23 // JES 7,14) ..................... 4 1.1 DIE SPRACHLICHE DARSTELLUNG DER "MENSCHWERDUNG" ........................................................................ 4 1.2 AUßERBIBLISCHE UND ATL. VORBILDER........................................................................................................ 4 1.3 ATL. MESSIAS-ERWARTUNGEN .................................................................................................................. 5 1.4 GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE DER KINDHEITSEVANGELIEN (MT 1-2 UND LK 1-2) ................ 6 1.5 DAS KINDHEITSEVANGELIUM NACH MT (MT 1-2)....................................................................................... 10 1.5.1 Mt 1: JESUS, der MESSIAS - der Sohn ABRAHAMS und DAVIDS, der SOHN GOTTES ................ 10 1.5.2 Mt 2: JESUS - der gerettete Retter, der neue MOSE ......................................................................... 12 1.6 DAS KINDHEITSEVANGELIUM NACH LK (LK 1-2) ............................................................................... 13 1.6.1 Vorbereitung der Geburt JESU (Lk 1) ............................................................................................... 13 1.6.2 Geburt JESU, JESUS und der Tempel (Lk 2) .................................................................................... 14 1.7 HYMNEN ZUR MENSCHWERDUNG............................................................................................................... 17 1.7.1 Der Philipper-Hymnus (Phil 2,5-11) ................................................................................................. 18 1.7.2 Der Joh-Prolog (Joh 1,1-18) .............................................................................................................. 18 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZUM KAPITEL 1 ...................................................................................... 19 2 "DAS REICH GOTTES IST NAHE" (MK 1,15B) ...................................................................................... 20 2.1 DIE LEHRE JESU ........................................................................................................................................ 20 2.1.1 Die Anfänge des öffentlichen Wirkens JESU ...................................................................................... 20 2.1.2 Inhalt und Form der Lehre JESU ....................................................................................................... 22 2.1.3 Die Gleichnisse JESU ....................................................................................................................... 25 2.1.5 Die Offenbarungsreden im Joh-Ev .................................................................................................... 32 2.2 DAS WIRKEN JESU .................................................................................................................................... 33 2.2.1 JESUS "beschlagnahmt" Menschen "lebenslänglich" ....................................................................... 33 2.2.2 Die sogenannten "Wunder": Zeichen göttlicher Machtfülle ......................................................... 33 Sr Katharina Deifel OP 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 Neues Testament, 2 JESUS versteht Sich als Herr über die Sünde ................................................................................... 42 JESUS kümmert Sich nicht um die damalige Diskriminierung der Frau .......................................... 44 JESUS nennt den unaussprechlichen JAHWE "abba"(Papa) ............................................................ 45 JESUS - ein politischer Revolutionär? .............................................................................................. 45 ANHANG ZUM KAP. 2: KURZKOMMENTAR ZUM MK-EV. .................................................................. 47 EINLEITUNG: MK 1,1-8 ..................................................................................................................................... 47 JESU WIRKEN IN GALILÄA (1-9) ...................................................................................................................... 47 JESU WEG NACH JERUSALEM: MK 10 .............................................................................................................. 61 JESU WIRKEN IN JERUSALEM: MK 11-13 ......................................................................................................... 63 PASSION UND AUFERSTEHUNG: MK 14-16 ........................................................................................................ 67 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZUM KAPITEL 2 ...................................................................................... 73 3 "WAS GOTT NICHT ANGENOMMEN HAT, HAT ER AUCH NICHT ERLÖST" ( IGNATIUS V. ANTIOCHIEN ) .................................................................................................................................................. 74 3.1 DIE PASSION ............................................................................................................................................... 74 3.1.1 Einzug in Jerusalem und Salbung...................................................................................................... 74 3.1.2 Das Letzte Abendmahl ....................................................................................................................... 74 3.1.3 Getsemani: JESU inneres Ringen und Gefangennahme ............................................................... 76 3.1.4 Verhandlungen, Verurteilung, Kreuzigung ........................................................................................ 76 3.1.5 Kreuzigung und Tod .......................................................................................................................... 78 3.2 DIE AUFERSTEHUNG ................................................................................................................................... 82 3.2.1 Die beiden Textgattungen zum Thema Auferstehung ......................................................................... 82 3.2.2 1 Kor 15: die theologische Reflexion der Auferstehung ................................................................... 82 3.2.3 Leibliche Auferstehung - gibt es das ? ............................................................................................... 87 3.2.4 Biblische Grundlagen der Eschatologie, d.h. der "Lehre von den Letzten Dingen" (Gericht, Fegfeuer, Himmel, Hölle) ............................................................................................................................ 89 3.2.5 Die Titel JESU - Versuch einer Annäherung an das Geheimnis Seiner Person ................................ 91 3.2.6 Biblische Grundlagen der Trinitätslehre .......................................................................................... 93 ANHANG ZU KAP. 3: KURZKOMMENTAR ZUM JOH-EV ..................................................................... 95 OFFENBARUNG JESU IN DER ÖFFENTLICHKEIT (1-12) ...................................................................................... 95 OFFENBARUNG JESU IM JÜNGERKREIS (13-17) .............................................................................................. 110 DIE ERHÖHUNG JESU IN PASSION UND AUFERSTEHUNG: JOH 18 –20 ............................................................ 114 NACHTRAG ..................................................................................................................................................... 118 LITERATURANGABEN ZU KAP. 3 ............................................................................................................ 119 4 APOSTELGESCHICHTE: "UND IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN" (APG 1,6) (1) ............... 120 4.1 DIE APG – INHALTSÜBERSICHT ........................................................................................................ 120 4.2 AUSBREITUNG DES CHRISTENTUMS .................................................................................................. 121 4.3 DIE APG IM ALLGEMEINEN ....................................................................................................................... 121 4.3.1 Die Apg als 2.Teil des lk. Doppelwerkes .......................................................................................... 121 4.3.2 Die Quellen der Apg ........................................................................................................................ 121 4.3.3 Literarische Gattung und Gestaltung .............................................................................................. 122 4.4 WICHTIGE KAPITEL DER APG IN AUSWAHL ............................................................................................. 123 4.4.1 Pfingsten (Apg 2) ............................................................................................................................ 123 4.4.2 Die Pfingstpredigt (Apg 2,14-41) .................................................................................................... 124 4.4.3 Die Einsetzung des Diakonats, die Tötung des STEPHANUS und die Verfolgung der Hellenisten: Apg 6-7 ...................................................................................................................................................... 127 4.4.4 Die Bekehrung des SAULUS (Apg 9,1-31) ...................................................................................... 128 4.4.5 CORNELIUS - der erste Heidenchrist (Apg 10,1-11,18)................................................................. 130 4.4.6 Das Apostelkonzil in Jerusalem (Apg 15,1-35) ............................................................................... 131 4.4.7 PAULUS in Athen: die Areopagrede (Apg 17,16-34) ...................................................................... 134 4.4.8 Dritte Missionsreise (ca 54 bis 58 n., Apg 19-21) und Abschiedsrede in Milet (Apg 20,17-38) ..... 135 4.4.9 Gefangennahme und Gefangenschaft des PAULUS (Apg 21-28) .................................................... 135 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 4 ................................................................................................ 137 5 PAULUS UND SEINE BRIEFE .................................................................................................................. 138 5.1 DAS LEBEN DES PAULUS ........................................................................................................................ 138 5.2 DIE BRIEFE DES PAULUS (ALLGEMEINES) ............................................................................................. 139 5.2.1 Zur Frage der Echtheit .................................................................................................................... 139 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 3 5.2.2 Übersicht über die dem PAULUS zugeschriebenen Briefe ............................................................... 140 5.2.3 Briefe als eigene literarische Gattung ............................................................................................. 140 5.3 ÜBERSICHT ÜBER DIE ECHTEN PAULUS-BRIEFE ..................................................................................... 141 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 5 ................................................................................................ 152 6 DIE DEUTEROPAULINEN, DER HEBRÄERBRIEF UND DIE KATHOLISCHEN BRIEFE ......... 153 6.1 DIE DEUTEROPAULINEN .......................................................................................................................... 153 6.2 DER HEBRÄERBRIEF ................................................................................................................................ 156 6.3 DIE KATHOLISCHEN BRIEFE ..................................................................................................................... 160 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 6 ................................................................................................ 166 7 DIE OFFENBARUNG DES JOHANNES .................................................................................................. 167 7.1 PROPHETIE UND APOKALYPTIK ................................................................................................................ 167 7.2 DIE OFFENBARUNG DES JOHANNES ALS CHRISTLICHE APOKALYPSE ..................................................... 168 7.3 DIE GLIEDERUNG DER OFFB ...................................................................................................................... 169 7.4 DER INHALT DER OFFB IN SCHWERPUNKTEN ........................................................................................... 170 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 7 ................................................................................................ 177 8 CHRISTUS- , MARIEN- UND KIRCHENBILDER DES NT .................................................................. 178 8.1 DAS PROBLEM .......................................................................................................................................... 178 8.2 CHRISTOLOGISCHE NÄHERUNGSMODELLE .............................................................................................. 178 8.2.1 Älteste christologische Formeln ...................................................................................................... 178 8.2.2 PAULUS ........................................................................................................................................... 179 8.2.3 MARKUS .......................................................................................................................................... 179 8.2.4 MATTHÄUS ...................................................................................................................................... 179 8.2.5 LUKAS .............................................................................................................................................. 179 8.2.6 Hebr .................................................................................................................................................. 179 8.2.7 Joh-Ev ............................................................................................................................................... 179 8.2.8 Offb ................................................................................................................................................... 180 8.3 MARIA IM NT ....................................................................................................................................... 180 8.4 VON CHRISTUS ZUR KIRCHE.......................................................................................................... 181 8.4.1 Wie hat JESUS Gemeinde gewollt? ................................................................................................ 181 8.4.2 Kirche als Heilungsinstitution – Wer heilt die Kirche? ................................................................... 185 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 8 ................................................................................................ 186 NACH STUDIUM DIESES SKRIPTUMS SOLLTEN SIE DIE FOLGENDEN FRAGEN BEANTWORTEN KÖNNEN .......................................................................................................................... 187 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 4 1 "...UND MAN WIRD IHM DEN NAMEN I M M A N U E L GEBEN" (Mt 1,23 // Jes 7,14) 1.1 Die sprachliche Darstellung der "Menschwerdung" Man tat - und tut! - sich schwer, die in JESUS erlebbare Nähe GOTTES sprachlich einigermaßen adäquat auszudrücken. Der Begriff "Menschwerdung", der sich in der späteren Theologie durchsetzte, passt im NT eigentlich nur zum paulinischen und johanneischen Vorstellungsmodell und zu dem von Kol und Eph: Diese setzen voraus, dass der SOHN gleich ewig mit dem VATER ist (mit dem theologischen Fachausdruck: Präexistenz des SOHNES) und zu einer konkreten Zeit in JESUS von Nazaret Mensch wird. Die Kindheitsevangelien des Mt und Lk scheinen eher zu meinen, dass der lebensspendende GOTTESGEIST den GOTTESSOHN zugleich mit dem Menschen JESUS in MARIA schafft, und das Mk-Ev lässt die Frage offen - es beginnt ja erst mit dem Wirken des erwachsenen Mannes. Es lassen sich also zwei Texttypen unterscheiden, die das Kommen des GOTTESOHNES in die Welt bzw. das Geschaffenwerden des GOTTESSOHNES in der Welt darstellen: Hymnen über die Menschwerdung, bes. Phil 2,5-11 und Joh 1, 1-18: Präexistenz vor der Menschwerdung keine Darstellung des "Wie" der Menschwerdung Erzählungen in symbolischer Sprache: Mt 1-2 und Lk 1-2 („Kindheitsevangelien“) - Präexistenz wird offen gelassen das "Wie" der Erschaffung durch den GOTTESGEIST und die besonderen Umstände rund um die Geburt des GOTTSOHNES werden erzählerisch veranschaulicht In der kirchlichen Lehre hat sich die - theologisch reifere - Vorstellung der Hymnen durchgesetzt. Eine ähnliche Doppelung theologischer und erzählender Darstellung findet sich auch bezüglich der Auferstehung. Sowohl für die Menschwerdungs- als auch für die Auferstehungstexte gilt die Faustregel: Die (mehrdeutigen) bildhaften Erzählungen müssen von den (eindeutigen) theologischen Texten her interpretiert werden und nicht umgekehrt. 1.2 Außerbiblische und atl. Vorbilder Außerbiblisch, d.h. im hellenistischen Kulturraum, finden sich: Hymnen sowohl auf bedeutende Männer, später besonders auf römische Kaiser, aber auch zur Verherrlichung von GÖTTERN oder abstrakten Begriffen wie Gerechtigkeit, Weisheit etc., und verherrlichende Lebensbeschreibungen des Lebens berühmter Männer ("Aretalogien"), die meist mit einer Zeugungs- und/ oder Geburtslegende begannen, um zu zeigen, dass diese Männer vom ersten Augenblick ihres Lebens von den GÖTTERN erwählt waren (z.B. CORNELIUS NEPOS, 1.Jh.v., De viris illustribus (Berühmte Männer); C. SUETONUS TRANQUILLUS, 1.Jh.n., De vita Caesarum (Das Leben der Kaiser). Im AT finden sich hymnische Psalmen, die GOTT verherrlichen, und Hymnen in den späteren, hellenistisch beeinflussten Schriften auf die göttliche Weisheit, wie Weish 7,228,1; Sir 1,1-20;24,1-22, und Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 5 Erzählungen über die Verkündigung und Berufung erwählter Männer, die so häufig sind, dass sich dafür eigene literarische Schemata 1entwickelten, das Verkündigungsschema (z.B. Gen 16,7-12; 17,15-19; Ri 13,2-18) und das Berufungsschema (z.B. Ex 3,10-12; Jer 1,4-10). Allerdings können all die genannten Texte nur eingeschränkt als Vorbilder gelten, weil die Vorstellung der geschichtlich einmaligen Menschwerdung GOTTES das Spezifikum des christlichen Glaubens ist. 1.3 Atl. MESSIAS-Erwartungen MESSIAS ist die gräzisierte Form von hebr. MASCHIACH bzw. aram. MESCHICHA, griech. CHRISTOS, lat. CHRISTUS und heißt einfach "der Gesalbte", weil im AT die Salbung Ausdruck einer besonderen GOTTESzugehörigkeit war. Deswegen wurden Könige und Priester gesalbt. Zunächst gab es also viele "MESSIASE". Parallel zum politischen Niedergang mit und nach dem Exil und der wachsenden Sehnsucht nach Befreiung entwickelte sich die Vorstellung "des" MESSIAS, eines GOTTgesandten Retters, ein Idealbild, in das verschiedene Vorstellungen und Wünsche eingingen. Die bis zur Zeit JESU weitaus populärste MESSIAS-Vorstellung war die eines Davididischen Idealkönigs, grundgelegt durch den NATANSspruch 2 Sam 7,11-17; deswegen wurde JESUS auch oft als "Sohn DAVIDS" tituliert. Explizit nachweisbar ist die Gleichsetzung MESSIAS / DAVIDsohn aber erst in den apokryphen Psalmen SALOMONIS (M.1.Jh.v., Sammlung von 18 Liedern). Daneben entwickelten sich auch andere, z.T. vergeistigtere Vorstellungen, wie der MESSIAS als "der" Prophet (Dtn 18,15-18: neuer MOSE, Mal 3,1.23 f., Sir 48: neuer ELIJA - sowohl von Q als auch von Joh übernommen), als levitischer Idealpriester (im BILEAMS-Segen Num 24,17, doch nur zusätzlich zum davididischen Idealkönig und nur von den Essenern übernommen, vgl. 1 QSA II,17-21 - ein Reflex davon vielleicht Hebr 5,5 f.), als IMMANU-EL (GOTT-mit-uns, bes. im IMMANUEL-Zyklus des JESAIA-Buches, Jes 7,14-16; 9,1-6; 11,1- 6), als Ebed JAHWE (leidender GOTTESknecht, Dt-Jes 52,1353,12), spät auch als Menschensohn und Weltenrichter (durch Individualisierung der Kollektivperson in Dan 7,13 f. 27). Christlich kam dazu die Vorstellung des MESSIAS als (präexistentem, essentiellem) GOTTESSOHN und als Überwinder des Bösen in später Uminterpretation von Gen 3,15 (sog. "Protoevangelium"). "SOHN GOTTES" besagte im Judentum zunächst eine besondere Zugehörigkeit zu GOTT, die häufig vom König oder vom ganzen auserwählten Volk ausgesagt wurde. Der christliche Titel will aber eine einmalige, ewige, innergöttliche Beziehung aussagen, worauf im Rahmen der Titel JESU noch näher eingegangen wird, und schließt daher den Gedanken der Inkarnation (Menschwerdung) oder Deszendenz (des Herabsteigens) einer dieser göttlichen Beziehungen ("Personen") ein. Der Gedanke einer Deszendenz ist dem Judentum allerdings nicht ganz fremd: durch SCHEKHINA ("Einwohnung") ist GOTT Seiner Schöpfung und Seinem Volk nahe, ohne darin aufzugehen - ein Gedanke, der sich aber erst nach 70 n. nachweisen lässt, weil nach der Zerstörung des Tempels an eine 1 Vgl. LOHFINK G., Jetzt verstehe ich die Bibel, Stuttgart o.J., 111 f. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 6 neue Form der Gegenwart GOTTES gefunden werden musste. An eine bestimmte Person wurde diese Einwohnung aber nicht gebunden 2. Die Uneinheitlichkeit der Erlösungs- und MESSIASvorstellungen im Judentum macht verständlich, warum JESUS für seine jüdischen Zeitgenossen nicht ohne weiteres als MESSIAS erkennbar und anerkennbar war - und für die Juden bis heute nicht ist, besonders deshalb, weil das im AT wiederholt mit der Ankunft des MESSIAS verheißene "messianische Zeitalter", das Zeitalter des SCHALOM zwischen GOTT und Schöpfung noch in der Schöpfung, (noch) nicht eingetroffen ist. Wir Christen betonen in diesem Zusammenhang das Spannungsverhältnis von "Schon" (es hat mit JESUS schon begonnen) und "Noch nicht" (es ist noch nicht vollendet, wir warten auf Seine "Wiederkunft") - haben es aber gerade den Juden nicht leicht gemacht, wenigstens das "Schon" zu erleben. 1.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kindheitsevangelien 2 und Lk 1-2) 3 (Mt 1- Die Kindheitsevangelien werden oft falsch verstanden: Sie wollen keine Biographien des "kleinen JESULEINS" sein - solche finden sich eher in den Apokryphen (= nicht als kanonisch anerkannt) - , sondern stellen die theologische Ouvertüre dar und lassen daher die dem jeweiligen Evangelisten wichtigen Grundmotive anklingen: Sie sind folglich die Ausfaltung dessen, was Mk kürzer ausdrückt mit den Worten "Anfang des Evangeliums von JESUS CHRISTUS, dem SOHN GOTTES" (Mk 1,1). Die - vor allem seit dem vorigen Jahrhundert übliche - Historisierung verfehlt diese Grundtendenz nicht nur, sondern neutralisiert sie auch: Die Menschwerdung GOTTES in JESUS von Nazaret wird dann zu einem geschichtlichen Ereignis unter zahllosen anderen, die uns nichts mehr angehen. Zu den Gemeinsamkeiten von Mt und Lk gehören, dass JESUS der erwartete MESSIAS ist und als solcher SOHN DAVIDS, weil der Davidide JOSEF Ihn adoptierte, und SOHN GOTTES, weil Er ganz von GOTT stammt: ersteres entsprach der jüdischen Erwartung, letzteres überbot sie. Somit wird gleich am Beginn der beiden Evangelien ersichtlich, dass die Christen das NT als überbietende Erfüllung des AT verstehen. Die Vorstellung, dass GOTT Seine Verheißungen überbietet, ist allerdings nicht erst ntl., sondern generell biblisch. Weiters ist beiden Kindheitsevangelien gemeinsam, dass als irdische Eltern MARIA und JOSEF und als Geburtsort Betlehem genannt werden, ferner, dass der Name und damit die GOTTgewollte Lebensaufgabe JESU schon vor Seiner Geburt festgelegt war. Unterschiede hingegen zeigen sich in - - der Grundtendenz: Mt sieht JESUS als den neuen MOSE, Lk als den GEISTträger, der GOTTES Nähe in der Welt erfahrbar macht ("Heiland"); der literarischen Ausformung: Mt schreibt eine Art Midrasch, d.i. die im Judentum gängige aktualisierende Predigt; Lk hingegen verfasste eine apokalyptisch gefärbte Haggada, eine Erzählform, die in der Verbindung von erzählenden Elementen mit Verkündigung, Lobgesängen und Deute-Engeln den Anbruch der Endzeit veranschaulicht; den Ortsangaben: bei Mt scheinen JOSEF und MARIA aus Betlehem zu stammen - es muss also erklärt werden, wieso sie schließlich in Nazaret wohnen; bei Lk hingegen 2 Nach PETUCHOWSKI-THOMA, Lexikon der jüdisch-christlichen Begegnung, Freiburg-Basel-Wien 1989, 67 f., 114-118, 280- 282. 3 Vgl. dazu besonders BECK E., Gottes Sohn kam in die Welt, KBW/Stuttgart 1977. Sr Katharina Deifel OP - - Neues Testament, 7 stammen beide aus Nazaret - er muss also erklären, warum sie sich gerade während der Geburt JESU in Betlehem aufhalten; der Datierung: bei Mt findet die Geburt zu Lebzeiten HERODES' d.Gr. statt, also vor 4.v. Astronomen haben für 7 v. eine besondere Sternkonstellation errechnet, nämlich dass SATURN und JUPITER in das Sternbild der Fische getreten sei; Astrologen deuten SATURN als Schutzstern Israels, JUPITER als Königsstern und das Sternbild der Fische als Sternbild der Endzeit, also dass der endzeitliche König Israels geboren und damit die Endzeit angebrochen sei; diese Konstellation lässt sich auch für 1396 v. berechnen, dem angeblichen Geburtsjahr des MOSE. Ob man die Geburt JESU mit dieser – nach-weisbaren - Sternkonstellation in Verbindung bringen will, hängt davon ab, ob man meint, dass der Stern von Betlehem einen historischen Kern habe oder nicht. - Bei Lk hingegen wird QUIRINIUS als Statthalter genannt, der dieses Amt erst 6 n. nach Absetzung des ARCHELAOS angetreten und eine Einschätzung Judäas 6 oder 7 n. durchgeführt hatte. Auch der Aufbau beider unterscheidet sich erheblich. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 8 GESCHICHTE Patriarchen (ca 1500-1300 v.) : Hirtennomaden mit Scheichs (ABR., ISAAK, JAKOB, JOSEPH) Exodus (ca 1250 v.): MOSE befreit versklavte Gruppen präisraelitischer Halbnomaden; Sinai Landnahme, Richter (12001000v.) Sesshaftwerdung, Volkwerdung Könige (1000 – 931; 722 / 586) SAUL – DAVID – SALOMO 931: Reichsteilung: N: Israel: S. Juda: DAVIDIDEN: 722 durch die 586 durch die NeuAssyrer verbabylonier erobert nichtet Babylon. Gefangenschaft (586538) Wiedererrichtung, doch fast immer unter Fremdherrschaft ( 538 v.- 135 n.): Perser, ALEX.d.Gr., Ägypter, Syrer (MAKKABÄER-kriege), Römer – in der Römerzeit: JESUS CHRISTUS (ca 7 v. bis 30 n.), Aufstände gegen die Römer, bes. Jüd. Krieg (67-70, 2. Tempelzerstörung) & BAR-KOCHBAAufstand (133-135I DIASPORA bis 1948 LITERARISCHER NIEDERSCHLAG Tora Mündl. Überlieferung pers. GOTTE Serfahrg Fortsetzung & Rechtstradition Verbindung von Sagen & Weisungen zur TORA „Geschichte“ „Weisheit“ Propheten Evangelien Apg. Briefe Offb. Erste Lieder (MIRJAM) Fortsetzung („Annalen“) Gesch. Bücher Sammlg von Pss. u. Sprüchen ProPheten (Kritik u. Verheißg) Bruch & Neubeginn: Hl. Schrift 1.Jh.n.: Abschluss des AT Mk (vor 70) Mt,Lk (um 80) Joh (um 100) Pl (5060) Dt-Pl, Hebr, kath.B r. (1. / 2. Jh.) NT: abgeschlossen 4.Jh. Um 90 Um 100 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 9 Synoptiker (=„Zusammenschauer“) MK (vor 70) Einleitung (1) J Wirken in Galiläa (1-9) MT (~80) LK (~80) Kindheitsgeschichten (1-2) Einleitung (3-4) J Wirken in Galiläa (4-16) J Wirken in Galiläa (3-9) Bergpredigt (5-7) / Aussendungsrede (10) / Gleichnisse (13) Einschübe (Antrittspredigt,4; Fischfang, 5; Jüngling von Nain, 7; J und die Sünderin, 7; ...) Gemeinderede (18) „Reisebericht“ mit vielen Heilungen (z.B. gekrümmte Frau) und Gleichnissen (barmh. Samariter, barmh. Vater...) J Weg nach Jerusalem (10) J Weg nach Jerus. (16-20) J Wirken in Jerusalem (11-13) J Wirken in Jerus.(21-25) Parusie- und Gerichtsreden (24-25) Passion & Auferstehung (14-16) Passion & Auferstehung (26-28) (nur Grabeserzählung) (Grabes- und Erscheinungserzählungen) JCHR = SOHN GOTTES, doch verhüllt im Menschlichen, in Leid u.Tod JCHR= SOHN GOTTES, der Sich als neuer MOSE und wahrer MESSIAS erweist Vorrede & Kindheitsgeschichten (1-2) J Weg nach Jerus. (9-19) J Wirken in Jerus. (19-21) Passion & Auferstehung (22-24) JOH (~100) Offenbarung in der Öffentlichkeit (1-12) Prolog und Einleitung (1), Kana, Tempelreinigung (2), NIKODEMUS (3), Samariterin (4), Teich Betesda (5), Brotvermehrung & Seewandel & Brotrede (6), Laubhüttenfest <&Ehebrecherin> (7-8), Blindgeborener (9), Hirtenrede (10), Betanien mit Auferweckung des LAZARUS und Salbung (1112), Einzug in Jerusalem (12) Offenbarung im Jüngerkreis: Letztes Abendmahl (13-17) Fußwaschung (13) Abschiedsreden und HPG (14-17) „Erhöhung“ (18-20) (Grabes- und Erscheinungserzählungen) Passion (18-19) Grabes- und Erscheinungsgeschichten (20) <Nachtrag: 21> JCHR=SOHN GOTTES als GEISTträger & Heiland & Mitte der Geschichte JCHR=präexistenter SOHN GOTTES: LOGOS & wahrer Offenbarer voll göttl. Herrlichkeit Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 10 1.5 Das Kindheitsevangelium nach Mt (Mt 1-2) 1.5.1 Mt 1: JESUS, der MESSIAS - der Sohn ABRAHAMS und DAVIDS, der SOHN GOTTES Der Stammbaum weist JESUS als Ziel der Geschichte GOTTES mit den Menschen aus: Stammbäume erscheinen dem heutigen Menschen als trockene Aufzählung, dem damaligen Juden bzw. Judenchristen hingegen sagten sie viel. Schon der 1.Vers stellt JESUS programmatisch in den Rahmen der Heilsgeschichte - Er ist "Sohn DAVIDS" und "Sohn ABRAHAMS". Dies bestätigt V.17, der als Schlüsselvers fungiert: Die historisch übrigens nicht richtigen - drei Mal vierzehn Generationen charakterisieren JESUS als den neuen DAVID, da vierzehn die Quersumme des Namens DAVID ist. Denn wie in vielen antiken Sprachen sind auch im Hebräischen die Buchstaben zugleich Ziffern. "D" ist vier, "W" ist sechs, so dass d+w+d=4+6+4=14 ist. Zwei Merkwürdigkeiten fallen an dem Stammbaum JESU auf: Es ist der Stammbaum JOSEFS, obwohl dieser - laut Mt 1,18-25 - nicht der leibliche Vater JESU ist. Zum Verständnis ist das jüdische Recht vorausgesetzt: als Vater gilt, wer das Kind rechtlich anerkennt. Außer MARIA werden vier Frauen genannt, doch nicht die berühmten Stammmütter des atl. GOTTESvolkes, sondern Frauen, die Ausländerinnen (RAHAB (Jos 2,124; 6,25), RUT, BATSCHEBA (2 Sam 11 und 12)) und/oder Sünderinnen (TAMAR (Gen 38), RAHAB, BATSCHEBA) sind. Vielleicht klingt damit erstmalig an, dass das Kommen des MESSIAS nicht auf das atl. GOTTESvolk, noch weniger auf dessen "Reine", beschränkt ist. Die Verkündigung JESU an JOSEF: Zunächst erfolgt eine Situationsangabe (1,18-19): MARIA und JOSEF sind verlobt. Jüdische Mädchen wurden zwischen zwölf und zwölfeinhalb Jahren verlobt und waren ab diesem Zeitpunkt als "Eigentum" ihres Bräutigams zur ehelichen Treue verpflichtet, auch wenn die Hochzeit erst ein bis zwei Jahre später erfolgte. MARIA ist schwanger "durch das Wirken des Hl.GEISTES" und der "gerechte" JOSEF will sie in Stille entlassen. Exkurs: GOTTESGEIST Der Hl.GEIST führt bei uns eher ein Schattendasein, was mit der unglücklichen Übersetzung des hebräischen Wortes ruach zusammenhängt. Diese etwas blasse Übersetzung des GÖTTLICHEN LEBENSSPENDERS - oder genauer: LEBENSSPENDERIN (ruach ist im Hebräischen feminin) - mit "GEIST" geht auf iro-schottische Mönche zurück, die das lateinische "spiritus" nicht nur mit "spirit" sondern auch mit "ghost" übersetzten; und diese Übersetzung setzte sich leider im Deutschen durch. Im AT umschrieb man mit ruach all jene Wirkungsweisen GOTTES, die Leben in irgendeiner Form spenden: vom irdischen Leben (z.B. Gen 1,2 oder Ps 104,30) über die Be-GEIST-erung für eine GOTTgewollte Aufgabe (Richter, z.B. Ri 13,24 f.; Könige, z.B. 1 Sam 10,10; Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 11 Propheten, z.B. Num 11,29b; besonders aber der MESSIAS, z.B. Jes 11,2, und endzeitlich das ganze GOTTESvolk, Joel 3,1 f.) und für ein neues Leben mit GOTT (Ez 36,25-27). Immer drückte das Wort ruach eine besondere Verbindung zu GOTT, ein HineingenommenWerden in Sein Leben, aus. Es war daher naheliegend, dass das NT die besondere Verbindung JESU mit GOTT durch Seine "GEISTerfülltheit" umschrieb und dann ebenso die durch Ihn vermittelte GOTTESkindschaft: Der GOTTESGEIST schenkt uns Anteil am Leben GOTTES, jetzt schon dadurch, dass Er uns zu Gliedern des GOTTESvolkes macht (z.B. Apg 2,14-36), endgültig dadurch, dass Er uns von den Toten auferweckt (z.B. Röm 8,11). _________________ Es wird hier also ausdrücklich gesagt, dass MARIA weder von JOSEF noch von einem anderen Mann schwanger ist, sondern durch den GOTTESGEIST, also durch die lebensspendende Kraft GOTTES. Ihr Kind wird damit als Neuschöpfung charakterisiert, das den Unheilszusammenhang menschlicher Geschichte durchbricht. Nur so passt auch die Charakterisierung des JOSEF als "gerecht" zu seiner Absicht, MARIA "in aller Stille" zu entlassen - hätte MARIA nämlich den Verlobungsvertrag gebrochen, hätte er sie steinigen lassen müssen (Dtn 22,23-27). Die heute oft vertretene Meinung, JOSEF werde deswegen als "gerecht" bezeichnet, weil er MARIA nicht anzeigen und der Steinigung preisgeben wollen, obwohl er meinte, sie sei von einem anderen Mann schwanger, überträgt unsere Vorstellungen in das antike Judentum. Denn die sog. "Verdachtshypothese" - JOSEF habe den Verdacht, MARIA sei von einem anderen Mann schwanger, ist zwar heute die gängigere, widersprecht aber den atl. Rechtssatzungen. Daher ist die "Furchthypothese" vorzuziehen: JOSEF wusste - woher, sagt Mt nicht -, dass MARIA vom GOTTESGEIST schwanger war und scheut sich daher ("Fürchte dich nicht",V.20), sie zu sich zu nehmen: sie ist für ihn gleichsam tabu geworden (vgl. Dtn 24,4). Der im "Traum" erscheinende "Engel" erteilt JOSEF den Auftrag, MARIA - trotz ihrer besonderen Erwählung durch GOTT - zu sich zu nehmen und damit ihren Sohn zum Davididen zu machen. Dass GOTT hier nicht direkt, sondern im Traum, also in einem außergewöhnlichen psychischen Zustand, und durch einen Boten (Engel) wirkt, entspricht der atl. Darstellungsweise des Elohisten und ermöglicht, GOTTES Wirken in der Geschichte einerseits, die Andersartigkeit dieses Wirkens andererseits zu veranschaulichen. Ferner bestimmt der Engel den Namen des Sohnes vorher und erklärt ihn durch ein Reflexionszitat aus dem AT. Die besonders bei Mt häufigen Reflexionszitate reflektieren (bedenken) das AT vom NT her, wobei das NT als Erfüllung des AT ausgewiesen werden soll - oft in sehr freizügiger Weise. Die Weissagung des JESAIA bezog sich ursprünglich wohl auf die schwangere Frau des wenig frommen Königs AHAS von Juda (8.Jh.v.), der seinen ersten Sohn hatte "durchs Feuer gehen lassen" (d.h. als Menschenopfer für BA'AL dargebracht hatte (2 Kön 16, 3), und würde dann dessen frommen Sohn HISKIJA betreffen; doch erhielt diese Weissagung offenbar schon im späteren AT eine messianische Umdeutung, wofür auch die LXX-Übersetzung des hebr. almah (junge Frau) mit griech. parthenos (Jungfrau) spricht. Der Name bedeutete für den antiken Menschen weit mehr als für uns: Er galt als Umschreibung des Wesens und der Lebensaufgabe einer Person (vgl. das Märchen "RUMPELSTILZCHEN"; bei uns ist dies in Resten erhalten - beim Ordenseintritt und (noch) bei der Eheschließung): Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 12 "JESUS" (eigentl. J´HOSCHUA, Kurzform JOSCHUA heißt "JAHWE hilft (rettet)", entspricht also unserem "GOTTHELF". Für den Juden mag mitgeklungen haben, dass zwei Mal ein J´HOSCHUA bei einer Rettung des Volkes mitwirkte: Der Nachfolger des MOSE, der die aus Ägypten kommende Volksgruppe ins verheißene Land führte, hieß JOSCHUA; und ebenso der Hohepriester, der nach dem Exil am Wiederaufbau des Tempelkultes maßgeblich beteiligt war. "IMMANUEL" heißt "Mit-uns-(ist)-GOTT": Dem Sinn nach sagen also beide Namen dasselbe aus, nämlich die Erfüllung der in der Selbstvorstellung als JAHWE ("Ich-binfür-euch-Da", Ex 3,14) gegebenen Verheißung. M.a.W.: GOTT ist Pro-Existenz (SCHÜRMANN), die sich in JESUS verleiblicht. Den Abschluss des 1. Kapitels (1,24f.) bildet die "Ausführungsformel": der gerechte JOSEF gehorcht, das von GOTT durch den Engel Gebotene geschieht. Der Vers "Er erkannte sie aber nicht, bis ..."(V.20) sagt nur etwas für die Zeit vor der Geburt aus, nichts jedoch für die Zeit nach der Geburt. 1.5.2 Mt 2: JESUS - der gerettete Retter, der neue MOSE Die Verbindung der in Kapitel 1 und der in Kapitel 2 vorliegenden Überlieferung erfolgte wohl erst durch Mt selbst. In Kapitel 2 lassen sich zwei Akzente unterscheiden: Das - auch außerbiblisch verbreitete - Motiv der Rettung des Retters (z.B. HERAKLESsage); innerbiblisch ist die Parallele zu MOSE unübersehbar: in beiden Fällen werden die sich später als Retter erweisenden Knaben von einem bösen König verfolgt, in beiden Fällen werden sie gerettet, doch verlieren viele andere Knaben das Leben. Die Gegenüberstellung der glaubensoffenen Heiden und des verstockten Königs HERODES - ein Motiv, das der judenchristlichen Gemeinde des Mt gleichsam einen warnenden Spiegel vorhalten soll. Vielleicht spielt Mt damit auch auf den atl. Gedanken der endzeitlichen Völkerwallfahrt nach Jerusalem an (Jes 60,3-6 u.ö.; zur Huldigung vgl. auch Ps 72,10); sicher verleiht er damit seinem Evangelium einen "Rahmen": am Anfang kommen Heiden zum MESSIAS, am Ende (Mt 28,18-20) sendet der Auferstandene Seine Jünger zu "allen Völkern". Die "Magier" waren keine Zauberer, sondern orientalische Weise mit astronomischen und astrologischen Kenntnissen, von den Juden z.T. bewundert, z.T. wegen ihrer Nähe zu Sternkulten abgelehnt; erst in späterer Zeit machte man aus ihnen Könige und schloss aus der Zahl ihrer Geschenke auf deren Dreizahl. HERODES wird als der grausame König charakterisiert, der er auch nach anderen Zeugnissen war; der Kindermord wäre ihm zuzutrauen, ist aber nirgends historisch belegt. Für die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr aus Ägypten werden wieder die schon aus Kapitel 1 bekannten Motive des Traumes, des Engels und des Gehorsams herangezogen. Das letzte Reflexionszitat (2,23c) ist unklar sowohl seiner Herkunft als auch seinem Sinn nach; gemeint ist jedenfalls ein Wortspiel mit der - anstößigen Herkunft aus Nazaret. Nazaret als historisch eindeutig beglaubigte Vaterstadt JESU Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 13 liegt in Galiläa, und die Bevölkerung von Galiläa wurde als ungebildet und (seit dem Untergang des Nordreiches) als heidnisch unterwandert abgelehnt, ferner passte Nazaret in keiner Weise zur Vorstellung des "DAVIDsohnes". Jedenfalls könnte in Nazarener eine Anspielung auf Nasiräer (GOTTgeweihter, Ri 13,5 ff.) oder Nezer (Reis, Jes 11,1) oder Noser (Wächter, Jer 31,6) gesehen werden. Formal zeigt das Kindheitsev. des Mt nach dem Stammbaum eine 5- Gliederung, die vielleicht an die fünf Bücher der Tora erinnern soll: 1,18-25: JESUS als GEISTgeschöpf 2, 1-12: Huldigung der Magier 2,13-15: Flucht nach Ägypten 2,16-18: Kindermord in Betlehem 2,19-25: Übersiedlung nach Nazaret 1.6 Das Kindheitsevangelium nach Lk (Lk 1-2) Lk stellt JESUS als den erwarteten MESSIAS und zugleich als den die atl. Erwartungen überbietenden GOTTSOHN dar. JOHANNES, der als letzter atl. Prophet charakterisiert wird, hat eine Doppelfunktion: Er bildet die Klammer zwischen AT und NT und ist Wegbereiter des HERRN. 1.6.1 Vorbereitung der Geburt JESU (Lk 1) Die Verkündigung des JOHANNES (JOCHANAAN, d.h. JAHWE ist gnädig) erfolgt im Tempel an den Priester ZACHARIAS (SACHARJA, d.h. JAHWE ist eingedenk) - die Verkündigung JESU erfolgt an einem profanen Ort an das einfache Mädchen MARIA (MIRJAM, Namensdeutung unklar, am ehesten "die Herrin", vielleicht auch "Geliebte JAHWES"), was eine Steigerung bedeutet. JOHANNES wird als Nasiräer, als GEISTerfüllter und als Vorläufer des HERRN charakterisiert - JESUS als "Sohn des Höchsten" und "DAVIDSsohn" (V.32) und "SOHN GOTTES" (V.35), also wieder eine Steigerung, wobei V.32 JESUS in die Heilsgeschichte Israels stellt, V.35 in die der ganzen Menschheit: GOTT tritt in einmaliger Weise in die Geschichte ein, deshalb ist JESUS eine Neuschöpfung durch den GOTTESGEIST (V.35, s.o.1.5.1). Auch die Reaktion auf die Botschaft des Engels bedeutet eine Steigerung: ZACHARIAS zweifelt und erhält daher ein negatives Bestätigungszeichen, MARIA erweist sich als "Tochter ZION", aus der der MESSIAS hervorgehen soll (Zef 3,14-17) und als gläubige "Magd des HERRN" (übrigens, analog zum "Knecht GOTTES", ein Ehrentitel) und erhält ein positives Zeichen, die ersehnte Schwangerschaft ihrer Verwandten ELISABETH. Und schließlich ist der Name JESUS (GOTT hilft <durch den Namensträger>) als Steigerung gegenüber JOHANNES (GOTT ist <dem Namensträger)gnädig) zu sehen. Literarisch kombinieren beide Szenen Verkündigungs- und Berufungsschema Die Verbindung der beiden feierlich angekündigten Knaben erfolgt durch die Erzählung von der sog ."Heimsuchung MARIENS" (1,39-56); zugleich wird nochmals ausgedrückt, dass JESUS der Größere ist. Sowohl der Gruß ELISABETHS Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 14 (d.h. GOTT ist meine Fülle) als auch das "Magnificat" sind atl. geprägt (Vgl. 1 Sam 2,1-8; Jdt 16,1-17 u.ö.; im NT Lk 1,68-79; 2.29-32 u.ö. Das Magnificat wurde in das Offizium aufgenommen und wird täglich bei der Vesper gebetet). Dieser Hymnus ist dreiteilig und preist GOTT aufgrund der persönlichen GOTTESerfahrung, der allgemeinen GOTTESerfahrung und der GOTTESerfahrung in der Geschichte. Dabei gibt MARIA ein Zeugnis echter Demut (sprachlich von: Dien-mut) - eine Haltung, die bei uns oft mit falscher Bescheidenheit verwechselt wird und dadurch leicht in die Nähe der Heuchelei gerät. MARIA weist den Lobpreis ELISABETHS nicht zurück, sondern lenkt ihn auf den, dem er gebührt - auf GOTT. Das Kapitel 1 schließt mit der Geburt und Beschneidung des Täufers (1,57-80): Die Geburt wird als Erfüllung der Verheißung, die bei der Beschneidung erfolgende Namensgebung als Erfüllung des Auftrages gesehen. Der von ZACHARIAS gebetete Hymnus, das "Benedictus", ist zweiteilig und geht von der allgemeinen zur konkreten GOTTESerfahrung. Heute wird er im Rahmen der Laudes matutinae (des Morgenlobes) gebetet – gerade das Benedictus ermöglicht jedem Christen eine Identifizierung mit dem Täufer, denn jeder Christ sollte Wegbereiter CHRISTI sein. 1.6.2 Geburt JESU, JESUS und der Tempel (Lk 2) Die schlichte Erzählung von der Geburt JESU beginnt mit einer Situationsschilderung - Zeit, Ort und Personen werden genannt. Die Nennung des Kaisers AUGUSTUS ist nicht nur Zeitangabe, sondern soll die Geburt JESU in den Rahmen der Weltgeschichte stellen und zugleich den vermeintlichen Weltenherrscher in Rom und den wahren WeltenHERRN im Stall eines kleinen Dorfes in einem kleinen Land gegenüberstellen. Die Geburt selbst wird knapp geschildert (2,6 f.); "Erstgeborener" ist ein religiös und erbrechtlich relevanter Titel und sagt nichts über Geschwister JESU aus. Religiös erinnert er an die Forderung von Ex 13,2.12 f.: Alle männlichen Erstgeburten sind dem HERRN geweiht; Knaben mussten durch Tieropfer ausgelöst werden, männliche Tiere wurden, wenn sie für Opfer geeignet waren (etwa Rinder, Schafe, Ziegen), geopfert oder, wenn sie ungeeignet waren (z.B. Esel), durch geeignete (koschere) Tiere ausgelöst oder getötet, d.i. dem menschlichen Gebrauch entzogen werden. Durch das Erbrecht erhält der Erstgeborene das Doppelte der Nachgeborenen (vgl. Dtn 21,13-17). Mittel- und Höhepunkt ist die Weihnachtsbotschaft der Engel an die Hirten (2,814) - mit der Geburt JESU beginnt das GOTTESREICH auf Erden wirklich zu werden, von Lk dadurch veranschaulicht, dass etwas von der Herrlichkeit GOTTES in der irdischen Nacht aufleuchtet. Dazu passen die Verkündigungsworte des Engels: Das "Heute" erinnert an die Gegenwärtigkeit göttlichen Heilshandelns, das eben nie bloß historisch ist und das erst endzeitlich vollendet sein wird: Dieses "Heute" kehrt bei Lk mehrfach an markanten Stellen wieder - etwa: 4,21 (JESU erste Predigt in Nazaret; 19,9: Einkehr bei ZACHÄUS; 23,43: Verheißung an den bekehrten Terroristen); ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Pl, 2 Kor 6,2. "Stadt DAVIDS" und "MESSIAS" stellen den Bezug zur jüdischen Heilserwartung her, die Titel "Retter" und "Herr" sowohl zum AT, wo dies GOTTEStitel waren, als auch zum hellenistisch-römischen Kulturraum, in dem diese Bezeichnungen als Herrschertitel verwendet wurden. Dadurch erhalten die Worte des Engels einen revolutionären Touch – nicht dem römischen Kaiser, sondern JESUS gebühren die Herrschertitel – eine Einstellung, die bis heute unzähligen Christen das Leben gekostet hat. Das Zeichen, das der Engel Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 15 verheißt, ist merkwürdig banal - ein Kind, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegend: also ein Zeichen, das nur im Glauben angenommen werden kann. Dass der Engel sich dabei an Hirten wendet, ist kein Zufall : Waren die Hirten in der Königszeit ein geachteter Beruf gewesen (DAVID!), so wurden sie - wie viele andere Berufe nachexilisch verachtet, weil sie durch den Umgang mit den Tieren weder die kultische Reinheit noch die genaue Einhaltung aller Gebote beachten konnten. Lk lässt die Verkündigung gerade an solche gesellschaftlichen "Außenseiter" ergehen, wie auch im weiteren Verlauf des Evangeliums gerade solche Außenseiter immer die besonderen Adressaten des Heilswirkens JESU sind. Auf die Verkündigung folgt ein Lobpreis GOTTES durch den himmlischen Engelchor, der sprachlich i.D. doppelt wiedergegeben werden müsste: der griech. Genitiv eudokias (V.14) kann nämlich sowohl auf GOTT als auch auf die Menschen bezogen werden, so dass es heißen müsste: "... und auf Erden Heil bei den Menschen, die GOTTbegnadet und von guter Gesinnung sind". Die Hirten folgen dem durch den Engel vermittelten Ruf GOTTES (2, 15-20). Im folgenden Abschnitt (2,21-40) wird JESUS zum ersten Mal mit dem Tempel von Jerusalem in Verbindung gebracht. Beschneidung und Namengebung werden nur kurz und eindeutig erwähnt (2,21), während im folgenden Teil zwei jüdische Bräuche vermengt werden: Die Reinigung der Wöchnerin (Lev. 12,2-8) erfolgt 40 Tage nach der Geburt eines Knaben bzw. 80 Tage nach der Geburt eines Mädchens durch Darbringung eines Reinigungsopfers, doch nicht unbedingt im Tempel und nicht im Beisein des Kindes. Jede männliche Erstgeburt ist GOTT geweiht und muss bei den Tieren geopfert, bei den Menschen ausgelöst werden (Ex 13,2.12 f). Diese Auslösung hatte der leibliche Vater vorzunehmen bzw., wenn dieser nicht feststand oder gestorben war, der Erstgeborene selbst nach seinem Erwachsenwerden. Es ist nicht ganz klar, ob der Heidenchrist LUKAS nur aus Unkenntnis von den jüdischen Bräuchen abweicht oder ob er damit eine theologische Aussage verbindet, etwa dass JESUS von Seiner Geburt an mit dem Tempel als dem religiösen Zentrum Seines Volkes verbunden war und dass Seine Auslösung, weil sie durch JOSEF nicht erfolgen konnte, letztlich Sein Kreuzestod war. Jedenfalls wird JESUS im Tempel von SIMEON und HANNA, zwei Vertretern des gläubigen Israels, erkannt und freudig begrüßt. Das NT im allgemeinen ist um eine Besserstellung der - damals(?) diskriminierten Frau bemüht, besonders aber Lk, der sehr oft männlichen Akteuren bewusst Frauen zur Seite stellt, manchmal sogar in der bedeutenderen Rolle, wie bei MARIA und JOSEF. Auch SIMEONS Hymnus hat Eingang in das Offizium gefunden, u.zw. in die Komplet. Den Abschluss des lk. Kindheitsevangeliums bildet die Erzählung vom Zwölfjährigen im Tempel (2,41-52). Es nicht die Geschichte eines verlorengegangenen Kindes, sondern eines fast Volljährigen - der Jude wird bis heute am 13. Geburtstag "Bar Mizwa" (Sohn des Gesetzes, d.h. zur vollen Einhaltung aller Ge- und Verbote verpflichtet) und gilt damit als volljährig -, der erstmals Seine Bestimmung ahnt: "Wusstet ihr nicht ...?" und "was meinem VATER gehört" (V.49). Da er aber diese Bestimmung noch nicht voll erfasst, kehrt er nach Nazaret zurück und teilt das Leben Seiner Familie. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 16 Der bei Mt an den Beginn seines Kindheitsevangeliums gestellte Stammbaum steht bei Lk in anderem Kontext, nämlich am Beginn des öffentlichen Wirkens JESU (Lk 3,23-38). Er stimmt weder mit dem AT noch mit Mt überein, lässt aber auch eine Zahlensymbolik erkennen - 11 Mal 7 Generationen. Zudem wird der Stammbaum in umgekehrter Reihung bis ADAM und damit letztlich auf GOTTES Wirken zurückgeführt. BECK E. (o.J.), GOTTES SOHN kam in die Welt, Stuttgart, 69: MATTHÄUS LUKAS Stammbaum JESU (1,1-17) Verheißung der Geburt des Täufers (1,5-25) Verheißung der Geburt JESU an JOSEF (1,18-25) Verheißung der Geburt JESU an MARIA (1,2638), Begegnung von MARIA und ELISABET (1,39-56), Geburt und Beschneidung des Täufers (1,57-80), Geburt und Bescheidung JESU (2,1-39) Geburt JESU (1,18.25) Huldigung der Mager (2,1-12) Bedrohung durch HERODES, Flucht nach Ägypten, Rückkehr nach Nazaret (2,13-23) Der Zwölfjährige im Tempel (2,40-52) Ebenda, 73: Ankündigung der Geburt des JOHANNES (Lk 1,5-25) Ankündigung der Geburt JESU (Lk 1,26-3) Begegnung der Mütter (Lk 1,39-56) Geburt des JOHANNES (Lk 1,57-58) Beschneidung und Namengebung des Täufers (Lk 1,59-80) Geburt JESU (Lk 2,1-20) Beschneidung und Namengebung JESU (Lk 2,21-40) Der Zwölfjährige im Tempel (Lk 2,41-52) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 17 LOHFINK G. (1978 9), Jetzt verstehe ich die Bibel, Stuttgart: Verkündigungsschema, 111: 1 2 3 4 Ein himmlisches Wesen erscheint Die Geburt eines Sohnes wird angekündigt Sein Name wird festgelegt Seine Zukunft wird offenbart Berufungsschema, 112: 1 2 3 4 GOTT spricht eine Berufung aus Der Berufene äußert Bedenken GOTT beseitigt dieses Bedenken durch eine Erklärung GOTT gewährt zur Bekräftigung der Erklärung ein Zeichen Kombination, 114: 1 2 3 4 Erscheinen eines himmlischen Wesens Ankündigung der Geburt eines Sohnes Festlegung seines Namens Offenbarung seiner Zukunft 5 6 7 Bedenken des Menschen Erklärung, die das Bedenken ausräumt Beglaubigendes Zeichen Verkündigungsschema Berufungsschema 1.7 Hymnen zur Menschwerdung Wie bereits erwähnt (vgl.o.,1.1), bieten die hymnischen Texte zur Menschwerdung eine reifere theologische Reflexion als die Kindheitsevangelien. Die beiden bekanntesten, der Philipper- Hymnus und der Joh-Prolog, setzen eindeutig die Präexistenz der 2. göttlichen Person voraus, so dass gleichsam eine Doppelbewegung entsteht: Der ewige SOHN des VATERS wird Mensch und kehrt nach dem irdischen Leben und Sterben zum VATER zurück. Man bezeichnete den Gedanken der Menschwerdung später als "Christologie von oben" oder "Deszendenzchristologie" (lat. descendere = herabsteigen), die Rückkehr in die göttliche Existenzweise als "Christologie von unten" oder "Aszendenzchristologie" (lat. ascendere = hinaufsteigen). Sie ist sicher die ältere, doch schon PAULUS hat beide christologischen Ansätze verbunden. Für die Hinführung zum christlichen Glauben, die sog. Evangelisation, ist dieser Ansatz bis heute der geeignetere. Diese u.ä. Hymnen (vgl. Kol 1,9-20; Eph 1,3-14) sind daher die biblische Basis der lehramtlichen Entscheidungen in Christologie und Trinitologie. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 18 1.7.1 Der Philipper-Hymnus (Phil 2,5-11) PAULUS hat hier in urchristliches CHRISTUSlied, vielleicht ein Tauflied, in leicht überarbeiteter Form in Seinen Brief eingebaut und in den Kontext der Nachfolge CHRISTI gestellt (V.5). Der Hymnus selbst ist dreigliedrig: nach Betonung der dem SOHN zukommenden Präexistenz (V.6) führt der Weg über die Erniedrigung in die Knechtsgestalt der Sünde (V.7f.) zur Erhöhung (V.9-11). Damit wird ausgedrückt, dass der konkrete JESUS von Nazaret der durch GOTT erhöhte HERR ist. Die menschliche Antwort auf dieses göttliche Heilshandeln ist die Huldigung für JESUS CHRISTUS. 1.7.2 Der Joh-Prolog (Joh 1,1-18) Jeder Evangelist setzte dort ein, wo für ihn das Heilsgeschehen begann - für JOHANNES beginnt es "vor aller Zeit", wobei die Wendung "Am Anfang" bewusst an Gen 1,1 erinnert. Wie PAULUS im Phil-Hymnus, so verwendet auch JOHANNES einen (Weihnachts?-) Hymnus seiner Gemeinde; seine Zusätze betonen - in antignostischer Polemik - die Konkretisierung des ewigen LOGOS im irdischen JESUS. LOGOS ist ein schwieriger Begriff; primär dürfte er vom Verfasser im hebräischen Sinn gemeint sein, als griechische Übersetzung des hebräischen dabar ("Tatwort" GOTTES, d.h. was GOTT ausspricht, geschieht, wie in der priesterschriftlichen Schöpfungsdarstellung, Gen 1; vielleicht beeinflusste auch die spätere hellenistischjüdische Weisheitstradition den LOGOS-Begriff, z.B. Spr 8,22-31; Weish.9,912;18,14f.; Sir.24,5-31). Sekundär spielte sicher auch der LOGOS-Begriff der griechischen (Popular-)Philosophie und der hellenistischen Gnosis mit. Logos ist im Griechischen ein ungemein vieldeutiger Begriff: Wort, Sinn, Verstand, Vernunft u.ä. In der Gnosis (s.o., 0.7.1) wurde der Logos als mythologische, d.h. geschichtlich nicht fixierbare, Mittlergestalt mit Vorbildcharakter für den Selbsterlösungsweg des Menschen verstanden; eine gnostische Deutung des Joh-Prologs verbietet sich u.a. deshalb, weil der Evangelist diesen Prolog als Einleitung seines Evangeliums wählt, also seiner JESUS- Geschichte. Der Hymnus selbst ist in seiner Einteilung umstritten, m.E. zweiteilig, wobei aber der 2.Teil nochmals geteilt ist: Die 1.Strophe (V.1-4) dürfte ursprünglich die Verse 1.3-4 umfasst haben und von JOHANNES durch V.2 ergänzt worden sein. Sie beschreibt die präexistente, göttliche Existenzweise des LOGOS: Er ist mit dem VATER identisch/nichtidentisch und ist Schöpfungsmittler. Die 2.Strophe ist zweitgeteilt, der 1. Teil dürfte ursprünglich die Verse 5.9 -13 umfasst haben, die übrigen Verse sind johanneische Ergänzung bzw. Umstellung. In ihr geht es darum, dass der LOGOS Sich schon vor JESUS in der Schöpfung offenbarte. – Der 2.Teil der 2.Strophe (14. 6-9. 15-18) bringt die Menschwerdung des LOGOS in JESUS als Höhepunkt dieser Offenbarung und erwähnt JOH.d.T. als Vorläufer : Der LOGOS ist also auch Heilsmittler. Im Gegensatz zu Mt und Lk hat Joh keinen erzählenden, sondern eine hymnischen Prolog seinem Evangelium vorangestellt: Er stellt damit einerseits sein Evangelium von vornherein in einen theologischen und allgemeingültigen Interpretationsrahmen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 19 und bewahrt umgekehrt dadurch, dass seinem Prolog ein Evangelium, also eine Erzählung mit geschichtlich-konkreten Bezügen, folgt, diesen Prolog vor einer Verflüchtigung in mythische Unverbindlichkeit. Ferner klingen im Prolog die wesentlichsten Gedanken johanneischer Theologie / Christologie an: die Identität/Nicht- Identität von VATER und SOHN, der LOGOS als "der" Offenbarer GOTTES und damit als Schöpfungs- und Heilsmittler, die geforderte Entsprechung von göttlichem WORT (LOGOS) und menschlichem Glauben, das dadurch "Leben", "Licht", "Fülle" für den Menschen wird. Exkurs: Das Weihnachtsfest Der tatsächliche Geburtstag, ja, sogar das Geburtsjahr JESU sind uns unbekannt. Seit 525 n. beginnt die Zeitrechung nach der Geburt CHRISTI, setzte sich aber erst allmählich allgemein durch - im Westen ab dem 8.Jh., im Osten erst ab dem 16./17.Jh. Diese Zeitrechung geht auf den Mönch DIONYSIUS EXIGUUS zurück, der aber einen Rechenfehler beging, so dass die tatsächliche Geburt JESU 6 oder 7 v.Chr. stattgefunden hat. Das zeigt von neuem, wie gering das rein historische Interesse der Evangelisten war - für sie war JESUS unendlich viel mehr als eine bloß historische Person. Für die frühen Christen war die Auferstehung das Zentralereignis, sie feierten daher nur Ostern. Den geschichtlichen Hintergrund für die Entstehung des Weihnachtsfestes bilden die christologischen Streitigkeiten des 3.und 4.Jhs.n. Dabei wurde zunächst nur das Epiphaniefest gefeiert, sekundär kam es zu einer Auseinanderlegung in Weihnachtsfest, an dem der menschliche Aspekt JESU CHRISTI akzentuiert wird, und in Epiphaniefest, an dem man das erste Durchschimmern der GÖTTLICHKEIT durch dieses Kind betont. So war es möglich, die komplizierte dogmatische Formulierung des Konzils von Chalzedon - "wahrer Mensch und wahrer GOTT" - in der Gedoppeltheit liturgischen Feierns auch dem einfachen Volk nachvollziehbar zu machen. LITERATUREMPFEHLUNGEN ZUM KAPITEL 1 Außer den in EBTH genannten Kommentaren und den in den Fußnoten angeführten Werken sind besonders zu empfehlen: ! BECK E., Gottes Sohn kam in die Welt, KBW/Stuttgart 1977. VÖGTLE A. Was Weihnachten bedeutet. Meditation zu Lk 2,1-10, Wien 1977. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 20 2 "DAS REICH GOTTES IST NAHE" (Mk 1,15b) 2.1 Die Lehre JESU Bei keinem Menschen bildeten Lehren und Wirken, Theorie und Praxis, eine so untrennbare Einheit wie bei JESUS CHRISTUS - ist Er doch nicht nur fallweise mit der Verkündigung des GOTTESWORTES betraut, wie die Propheten, sondern selbst WORT GOTTES, d.h. durch Sein gesamtes Leben, durch all Sein Denken, Sprechen und Tun, GOTT repräsentierend: "Was nämlich der VATER tut, das tut in gleicher Weise der SOHN" (Joh 5,19c). Da wir diese Einheit von Denken und Tun aber nicht einmal denkerisch nachvollziehen können, müssen wir die verschiedenen Aspekte des irdischen Wirkens JESU nacheinander darstellen. 2.1.1 Die Anfänge des öffentlichen Wirkens JESU JESUS scheint über 30 Jahre lang das ganz gewöhnliche Leben eines Zimmermanns oder Bautischlers in Nazaret geführt zu haben; da es in Israel keine Dachkonstruktionen in unserem Sinne gab, dürfte das Berufsbild des damaligen Zimmermannes eher dem unseres Bautischlers entsprechen. Sein öffentliches Wirken beginnt also relativ spät. 2.1.1.1 Die Taufe JESU (Mk 1,9-11 // Mt 3,13-17 // Lk 3,21 f.) Die Taufe JESU hat sicher einen historischen Kern, da die nachösterliche Gemeinde die schwer akzeptable Tatsache sonst nicht überliefert hätte, dass der sündenlose GOTTESSOHN (vgl. Hebr 4,15; 1 Petr 2,24 u.ö.) Sich eine Bußtaufe spenden ließ von dem Täufer, der von den Evangelien als dessen Vorläufer verstanden wird. Zudem findet sich die Tauf- Perikope bei allen drei Synoptikern, während das Joh-Ev, das die GÖTTLICHKEIT JESU stärker akzentuiert, diese Perikope durch das Bekenntnis des Täufers ersetzt, dass JESUS "das Lamm GOTTES", der GEISTträger und der "SOHN GOTTES" sei (Joh 1,29-34). Bei den Synoptikern weist die Tauferzählung leichte Unterschiede auf: bei Mk (Mk 1,9-11) wird die Öffnung des Himmels, die GEISTherabkunft und das Hören der Stimme als subjektives Erleben JESU dargestellt, bei Mt (Mt 3,13-17) ist es ein z.T. auch für die Umstehenden erfahrbares Ereignis, bei Lk (Lk 3,21 f.) ist es zu einem objektiven, d.h. für JESUS und die Umstehenden gleichermaßen erlebbaren, Geschehen geworden. Damit verschiebt sich der Akzent von einem Berufungserlebnis JESU (Mk) zu einer Proklamation des Erwählten (Mt,Lk). Dabei dürfte Mk am ehesten den historischen Kern gewahrt haben: Da JESUS erst nach der Taufe Sein öffentliches Wirken beginnt, könnte Ihm Seine einmalige Beziehung zum VATER, die Er wohl immer schon ahnte, und Seine damit verbundene Lebensaufgabe erst bei dieser Taufe voll bewusst geworden sein. D.h. natürlich nicht, dass Er erst ab der Taufe in diese GOTTESbeziehung hineingenommen worden ist - wie es die Irrlehre des "Adoptianismus" vertrat, dass JESUS vor der Taufe ein gewöhnlicher Mensch gewesen und erst durch die Taufe Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 21 zum SOHN GOTTES adoptiert worden sei. Aber da Er - als wahrer Mensch - in Seiner Einsicht reifte, muss Ihm auch Sein Wesen und Seine Lebensaufgabe erst im Laufe Seines Lebens bewusst geworden sein (vgl. Lk 2,52); und die Annahme, dass der Zeitpunkt des Bewusst- Werdens die Taufe war, passt zu der Tatsache, dass Er vorher nicht öffentlich wirkte. Die Deutung durch die Evangelisten setzt jedenfalls - zusätzlich zum Berufungsgedanken, der bei Mk am deutlichsten ausgeprägt ist - weitere Akzente: Die Taufe wird gesehen als Erfüllung atl. Vorbilder - etwa der MESSIAS als GEISTträger (bes. Jes 11,2), der GOTTESknecht (bes. Jes 42,1 ff.), vielleicht auch der geopferte "geliebte Sohn" (Gen 22,2.12.16); in Verbindung mit der Passion: mit der Taufe, mit der JESU' öffentliches Wirken beginnt, stellt Er Sich in die Reihe der Sünder, für die Er am Ende Seines Wirkens am Kreuz stirbt; als Salbung zu einem Liebes- statt zu einem Machtmessias (Symbol: Taube) als eschatologisches Zeichen: durch Himmelsöffnung, GEISTherabkunft und GOTTESstimme wird verdeutlicht, dass im Wirken JESU die heilbringende Nähe GOTTES, die GOTTESherrrschaft, erfahrbar wird. Bei der Taufperikope ist die trinitarische Struktur des ntl. GOTTESbildes gut ablesbar. 2.1.1.2 Die Versuchung JESU (Mk 1,12 f.// Mt 4,1-11 // Lk 4,1-13) In der Darstellung der Synoptiker - das Joh-Ev lässt die "allzu menschliche" Versuchung wieder aus - ist es gerade der GOTTESGEIST, der JESUS auf 40 Tage in die Wüste treibt. Die Zahlenangabe erinnert natürlich an die 40jährige Wüstenwanderung der Exodus-Gruppe; wenn die Perikope einen historischen Kern hat - worauf wir noch zu sprechen kommen -, muss sie nicht erfunden sein, da, wie moderne Fastenkuren zeigen, der Mensch bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr durchaus 40 Tage fasten kann. Wüste ist für die Bibel mehr als ein geographischer Ort: sie ist Ort und Zustand der Ausgesetztheit, der Erprobung und der möglichen GOTTESerfahrung, also immer negativ und positiv zugleich zu sehen. Dort fastet Er 40 Tage und wird dabei (Mk, Lk) oder nachher (Mt) vom Teufel versucht; Mt und Lk falten den Inhalt der Versuchung aus - alle drei Versuchungen betreffen die Lebensaufgabe JESU: dem GOTTgewollten MESSIAStum durch ein bloß irdisches MESSIASverständnis untreu zu werden – den Menschen „Brot und Spiele“ zu bieten, um irdische Macht zu erlangen. Es geht also um die Alternative Macht oder Liebe bzw. Machtmessias oder Liebesmessias, eine Alternaitve, die sich in Seinem Leben immer wieder stellte (Einzug in Jerusalem, Ölberg, letztlich Kreuz). In einem weiteren Sinn betreffen sie die Grundbedürfnisse des Menschen – nach absoluter Geborgenheit, absoluter Anerkennung (Liebe), absoluter Freiheit; der Verzicht darauf, sich diese Bedürfnisse eigenmächtig zu erfüllen, hält das Bewusstsein macht, dass eine absolute Sehnsucht nur von GOTT erfüllbar ist und wurden so auch im Sinne der Ordensgelübde gedeutet: Verzicht nicht um des Verzichtens willen, sondern um eine größere Freiheit zu erlangen und die Sehnsucht nach GOTT wachzuhalten. Sicher spiegelt die Deutung der Evangelisten die Gemeindereflexion wider, dass GOTT in JESUS das Böse/den Bösen besiegte - "Wir haben ja nicht einen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 22 Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (Hebr 4,15). Die Frage nach dem historischen Kern ist hier umstrittener als bei der Taufperikope. Heute meinen die meisten Exegeten, dass die Versuchungs-Perikope eine dramatische Verdichtung der tatsächlichen Versuchbarkeit des GOTTmenschen JESUS sei. Diese Annahme ist nicht nur anthropologisch gerechtfertigt - zum Mensch-Sein gehört Versuchbarkeit -, sondern auch biblisch abgestützt. Bei Lk endet die Versuchungs-Erzählung ja mit den Worten: "Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel für eine gewisse Zeit von Ihm ab " (Lk 4,13); ferner kann auch die Huldigung des Volkes beim Einzug in Jerusalem und das Ringen am Ölberg als bestandene Versuchung verstanden werden. Dass die VersuchungsPerikope also auch als erzählerische Verdichtung der wirklichen Versuchungen JESU verstanden werden kann, ist m.E. unbestreitbar - doch ist fraglich, ob sie nur so verstanden werden kann: dass jemand sich auf ein GOTTgewolltes Amt durch Fasten und Beten vorbereitet und dass gerade in diesem psycho- physischen Extremzustand Versuchungen ins Bewusstsein treten können, ist allgemein bekannt und auch durch die Schrift (Propheten) und Heiligen-Viten bestätigt. 2.1.2 Inhalt und Form der Lehre JESU 2.1.2.1 Der Inhalt der Lehre JESU Die Trennung von Inhalt/Form ist eine Abstraktion, um die Eigenart beider besser erfassen zu können. Die Verkündigung JESU hatte einen anderen Akzent als die der Urkirche: Die Urkirche verkündete das für sie konstitutive Geschehen, die Erfahrung des Auferstandenen - der irdische JESUS aber verkündete das durch Ihn angebrochene GOTTESreich. Daher kann Mk 1,15 gleichsam als "Digest" der Lehre JESU gelten: "Die Zeit ist erfüllt, das GOTTESREICH ist nahe. / Kehrt um, und glaubt an das Evangelium": Die hebr. malkut bzw. die griech .basileia kann im Deutschen mit "(König-)Reich" oder "(Königs-)Herrschaft" wiedergegeben werden; beide Begriffe klingen aber für unsere Zeit nicht sehr positiv - daher wäre die freiere, doch sinngemäßere Übersetzung mit "Nähe GOTTES" oder "heilbringende Nähe GOTTES" vorzuziehen. Der Begriff selbst machte schon atl. eine gewisse Entwicklung durch, an die Sich JESUS anschloss: War malkut JAHWE zunächst als irdisches Friedensreich verstanden worden (ein z.Z. JESU unter dem einfachen Volk wohl noch immer vorherrschendes Verständnis), so fand nach dem Exil durch die Enttäuschung über die tristen irdischen Verhältnisse und besonders in den MAKKABÄER-Kriegen durch den beginnenden Jenseitsglauben ein Vergeistigungsprozess statt, durch den das GOTTESREICH nicht mehr nur als irdische Größe gesehen wurde. An diesen Vergeistigungsprozess konnte JESUS anschließen und zugleich weitere Akzente setzen: Inhalt der Verkündigung JESU ist das angebrochene GOTTESREICH, verbunden - mit dem ungeheuerlichen Anspruch, angebrochen sei und dass dieses GOTTESREICH durch Ihn Sr Katharina Deifel OP - Neues Testament, 23 mit der Charakterisierung Seiner Verkündigung als Euangelion, als "Frohbotschaft" , wodurch Sich JESUS auch deutlich von der Gerichtsverkündigung, der "Drohbotschaft", des Täufers abgrenzte. Er betont den eschatologischen Vorbehalt, d.h. die unter den irdischen Daseinsbedingungen unaufhebbare Spannung zwischen schon angebrochen - noch nicht vollendet. Er charakterisiert in Seinem Reden (z.B. Bergpredigt, viele Gleichnisse) und Tun (z.B. Heilungen, Umgang mit Sündern u.a. Außenseitern) dieses GOTTESREICH als Reich der Liebe. 2.1.2..2 Die Form der Lehre JESU 4 JESUS sprach meist in Bildern. Das entspricht nicht nur der Mentalität des Orientalen, sondern auch dem Inhalt Seiner Verkündigung. Denn wir können nur Sinnlich-Wahrnehmbares (Materielles, Immanentes) direkt in Begriffe kleiden, auf Sinnlich-nicht-direkt-Wahrnehmbares (Geistiges, Transzendentes) können wir nur bildhaft hinweisen. Bei diesen Bildern unterscheiden wir Zeichen, die Materielles vereinfacht (z.B. Verkehrszeichen), verkleinert (z.B. Landkarten), vergrößert (z.B. Atommodell) etc. darstellen, und Symbole, die Materielles als (sprachliches oder optisches) Bild für Geistiges verwenden, wie etwa die Gleichnisse JESU. Dabei muss das symbolische Bild des Geistigen unmittelbar ("intuitiv") und nicht erst durch begriffliche Erklärungen ("diskursiv") verständlich sein - es muss einen "springenden Punkt" 5 geben, an dem der Zusammenhang von Materiellem ("Bildhälfte") und Geistigem ("Sachhälfte") unmittelbar einleuchtet - man hat ein "Aha-Erlebnis". Damit ist auch der Zusammenhang zur urspr. Wortbedeutung von Symbol gewahrt: Symbol heißt das "Zusammengefügte" und verweist auf die antike Kultur zurück. Gastfreunde zerbrachen einen kleinen Gegenstand - etwa einen Spielwürfel oder einen Ring -, so dass unregelmäßige Bruchflächen entstanden. Jeder bewahrte eine Hälfte auf und gab sie in seiner Familie weiter. So konnte das Symbolon auch noch nach Generationen als Erkennungszeichen unter Gastfreunden dienen. - Bei der übertragenen Bedeutung sollen materielles Bild und gemeinter geistiger Inhalt ebenso nahtlos zusammenpassen. Ferner ist das (sprachliche und optische) Symbol mehrdeutiger als ein Begriff und hat gerade deshalb einen stärkeren Praxisbezug - es fordert ein Handeln, durch das es sukzessive eindeutiger wird. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Wenn JESUS das GOTTESREICH mit einer kostbaren Perle vergleicht (Mt 13,45f.), so ist unmittelbar verständlich, dass der Vergleichspunkt der unermessliche Wert beider darstellt; auch 4 5 Ausführlicher: DEIFEL E.. Wahrheit und Wert von Symbol und Mythos, in: ZkTh 1990, 22.Bd., H.1, 30-48. Zum Symbolverständnis im religiösen Sinn ist zu empfehlen: TILLICH P., Symbol und Wirklichkeit, Göttingen 1986, 3.Aufl. Zu den Gleichnissen: BAUDLER G., Jesus im Spiegel seiner Gleichnisse, Stuttgart- München 1986; JEREMIAS J., Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 1977,9.Aufl., und KNOCH O., Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu, Stuttgart 1983. Die Unterscheidung von Bild- und Sachhälfte eines Gleichnisses und deren Zusammenhang in einem springenden Punkt geht zurück auf JÜLICHER A., Die Gleichnisreden Jesu,Bd.1, Tübingen 1899,2.Aufl., und ist - mit kleineren Modifikationen - bis heute noch gültig. Die Unterscheidung von Bild- und Sachhälfte eines Gleichnisses und deren Zusammenhang in einem springenden Punkt geht zurück auf JÜLICHER A., Die Gleichnisreden Jesu,Bd.1, Tübingen 1899,2.Aufl., und ist mit kleineren Modifikationen - bis heute noch gültig. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 24 der Praxisbezug ist deutlich: was man für das Wertvollste hält, muss auch den eindeutigen Vorrang im Leben einnehmen - so dass dieses u.ä. Gleichnisse JESU Forderung veranschaulichen: "Euch aber muss es zuerst um Sein Reich und um Seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6,33). Eine Skizze soll dies verdeutlichen: ZEICHEN Ein Zeichen ist ein modell-haft vereinfachtes Bild für eine (meist komplexere) materielle Wirklichkeit, z.B. Verkehrszeichen, Atommodell, Planetarium. Das Zeichen erschließt keine neue Wirklichkeitsdimension (es bleibt ja innerhalb des materiellen Wirklich-keitsbereiches) und wird eher willkürlich festgelegt. SYMBOL SAKRAMENT Ein Symbol – wörtlich: das Zusammengefügte – ist ein Bild für eine geistige Wirklichkeit, es erschließt damit einen neuen Wirklichkeitsbereich oder, anders ausgedrückt, ein Symbol hat eine einfache Brückenfunktion. Es wird nicht willkürlich festgelegt, sondern das Symbolisierte ist partiell präsent in dem Symbol. Es erwächst aus einer bestimmten Kulturgemeinschaft (z.B. Kreuz) oder aus menschlichen Grundgegebenheiten (z.B. Wasser) Ein Sakrament ist ein wirksames Symbol; seine Wirksamkeit beruht: auf der Heilszusage GOTTES durch CHRI-STUS im GEISTE – sie sind gleichsam die Forsetzung der Verleiblichung GOTTES in JESUS und (!!!) auf unserem Antwortverhalten. Das Sakrament hat daher eine doppelte Brückenfunktion, weil hier eine Wechselbeziehung GOTT – Mensch stattfindet. Überirdische Wirklichkeit Zeichen Bezeich- netes Irdische Wirklichkeit Überirdische Wirklichkeit Irdische Wirklichkeit CHRISTUS als Ursakrament – Kirche als Grundsakrament Sakramente als Konkretisierung des Heilshandelns GOTTES in der Kirche Von diesen Überlegungen her ist klar: Jede Religion braucht Symbole, denn jede Religion will den irdischen Bereich durchsichtig machen auf eine letzte Wirklichkeitsdimension hin. Sakramente hingegen sind etwas spezifisch Christliches, weil sie die Fortsetzung der Menschwerdung GOTTES in JESUS CHRISTUS sind. Denn: Ausdrucksmöglichkeiten Sinnlich-Wahrnehmbares kann mit Begriffen beschrieben werden Nicht-sinnlich-Wahrnehmbares muss anders ausgedrückt werden Handlungen drücken ihren Bereich empirisch-wirklich, aber nicht ganz aus Symbole drücken ihren Bereich ganz, aber nicht empirischwirklich aus: sie sind sinnliche Bilder für Geistiges Handlungen und Symbole sind aufeinander angewiesen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 25 Gleichnisse sind verbalisierte Symbole. In ihnen ist unterscheidbar (JÜLICHER) Bildhälfte: etwas Sinnlich-Wahrnehmbares wird Sachhälfte: etwas Nicht-sinnlich-Wahrnehmals Bild für etwas Nicht-Sinnlich-Wahrnehmbares bares (im NT meist das GOTTESREICH) wird genommen durch ein sinnliches Bild veranschaulicht Der Zusammenhang von Bild- und Sachhälfte soll unmittelbar („intuitiv“) einleuchten Springender Punkt Aber nicht nur Gleichnisse gehen im Kern auf die Lehrtätigkeit JESU zurück, sondern auch kürzere Aussprüche ("Logien", etwa unseren Statements entsprechend) und "Streitgespräche", die auch in den zeitgenössischen Rabbiner-Schulen üblich waren und die als Vorläufer der mittelalterlichen Disputationes und der modernen Diskussionen gelten können. Hingegen sind die langen Redekompositionen des Mt redaktionelle Bildungen, d.h. Mt stellte kürzere, auf JESUS zurückgehende Reden zu längeren Kompositionen zusammen; die Ich-bin-Reden des Joh gehen so nicht auf JESUS zurück, sondern sind Bildungen des Verfassers, die das Durchschimmern der göttlichen Herrlichkeit schon durch den irdischen JESUS betonen wollen (vgl. auch o., 0.4.4). 2.1.3 Die Gleichnisse JESU 6 Mk, Mt und Lk bringen zahlreiche Gleichnisse – das sind symbolische Erzählungen, in denen ein irdischer Handlungsablauf GOTTES Heilshandeln symbolisiert. Der tradierte Redestoff der Synoptiker besteht also zu einem Großteil aus Gleichnissen, die meist auf JESUS selbst zurückgehen: 7 Gleichnisse enthalten viel Lokalkolorit aus der Umwelt JESU und sind leicht ins Aramäische rückübersetzbar; Gleichnisse zeigen viel pädagogische Feinfühligkeit, wie sie nur einem großen Menschenkenner eignet. Anders das Joh-Ev.: hier gibt es viele Bildworte – d.h. symbolische Wörter wie Licht, Weg, Wahrheit, Leben, Brot, Wein etc., die ein statisches Bild für den Bereich GOTTES darstellen; diese Bildworte können zu Bildreden ausgefaltet werden, in denen das Bild gleichsam ausführlicher ausgemalt wird. Ein Gleichnis war für die Zuhörer sofort als solches erkennbar, denn es gibt zwei typische Anfänge: den (von Lk bevorzugten) Nominativanfang (z.B. "Ein Mann hatte zwei Söhne...", Lk 15,11) und den (von Mt bevorzugten) Dativanfang (z.B. "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König ...", Mt 22,2); seltener ist die Einleitung mit einer Frage (z.B. Mt 21,28) oder mit einer Aufforderung (z.B. Mt 21,33). Innerhalb der Gleichnisrede unterscheidet man zwischen dem Gleichnis im engeren Sinn, das in der Bildhälfte ein alltägliches Ereignis verwendet (wie die 1.Fassung des Sämannsgleichnisses, s.u.) und der Parabel, die in der Bildhälfte völlig Unerwartetes enthält (wie die Parabel vom barmherzigen Vater, Lk 15,11-32). Beide Arten der Gleichnisrede können zugleich zu einer Beispielgeschichte ausgestaltet sein, nämlich wenn sich an die Erzählung eine direkte 6 Lit.s.Anm.4 7 Vgl. JEREMIAS, s.Anm.4, bes.7-22. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 26 Handlungsanforderung anschließt ( wie an die Parabel vom barmherzigen Samariter, Lk 10,29-37, weiters: der verblendete Reiche, Lk 12,16-21, der arme LAZARUS, Lk 16,19-31, und der Pharisäer und Zöllner, Lk 18, 9-14: Beispielerzählungen sind also eine Besonderheit des Lk). Diese drei Ausformungen bildhaften Erzählens gehen auf JESUS selbst zurück. Eine spätere Bildung hingegen ist die Allegorie, die versucht, jedes Element der Bildhälfte auf eine tiefsinnige Entsprechung in der Sachhälfte hin auszudeuten (etwa die 2.Fassung des Sämannsgleichnisses, s.u.). Bei der allegorischen Umdeutung findet zugleich eine Ent-Eschatologisierung (Naherwartung durch Stetserwartung abgelöst) und Moralisierung statt, d.h. der jesuanische Akzent - Gleichnis als Bild des endzeitlichen Heilshandelns GOTTES - verschiebt sich in der Kirche zu einer Aufforderung nach christlichem Leben an die Gläubigen. Dies soll am Beispiel des bekannten Sämannsgleichnisses gezeigt werden: Die 1., d.i. die auf JESUS rückführbare, Fassung (Mk 4,1-9 // Mt 13,1-9 // Lk 8,4-8) ist ein Gleichnis i.e.S.: Es enthält die eschatologische Verheißung, dass das GOTTESREICH sich trotz aller irdischen Schwierigkeiten endzeitlich durchsetzen wird. Die 2. Fassung, d.i. die urkirchliche Überarbeitung, (Mk 4,13-20 // Mt 13,18-23 // Lk 8,11-15 hingegen ist eine Allegorie, in der jedes einzelne Element eine hintergründige Deutung erfährt: Dadurch verschiebt sich der Akzent der Verkündigung von der Verheißung hin zur Paränese, zur Moralpredigt. Die bei Mk zwischen beide Fassungen eingeschobene "Verstockungstheorie" geht sicher nicht auf JESUS zurück, der mit den Gleichnissen eine Verstehenshilfe - auch für Gegner liefern wollte, sondern ist ein urkirchlicher Erklärungsversuch in Anlehnung an Jes 6,9, warum sich so wenige bekehrten. Wie die Gleichnisse, so machten auch andere Reden JESU eine Entwicklung durch: Ursprünglich erzählte sie JESUS in einer konkreten Situation und wählte dabei zahlreiche Bilder für das mit Ihm angebrochene GOTTESREICH - im Vordergrund stand der Verheißungscharakter ("So gut ist GOTT zu Euch"). Diese Gleichnisse u.a. Reden JESU wurden in den Gemeinden, losgelöst von der ursprünglichen Erzählsituation und auch zunehmend losgelöst von der Naherwartung JESU, immer wieder erzählt und schließlich schriftlich fixiert. Dabei fand eine EntEschatologisierung, eine Moralisierung und eine Allegorisierung statt - d.h. der Akzent verschob sich von der in der Naherwartung begründeten Verheißung hin zu einer in einer Stetserwartung begründeten Paränese (moralischen Aufforderung). Wir finden im NT Einzelgleichnisse, Doppelgleichnisse und Gleichnissammlungen. Die Einzelgleichnisse gehen zumindest im Kern auf JESUS selbst zurück, die Sammlungen dieser Einzelgleichnisse (Mk 4, Mt 13) sind redaktionelle Bildungen der Evangelisten, denen offenbar viele Gleichnisse losgelöst von der ursprünglichen Erzählsituation vorgegeben waren. Bei den Doppelgleichnissen hingegen lassen sich ursprüngliche und sekundäre unterscheiden. Ursprünglich etwa ist das Doppelgleichnis vom barmherzigen Vater (Lk 15,11-32): Denn der Vater erweist sich barmherzig sowohl gegenüber dem schuldig gewordenen Sohn (jesuanisch ein Bild für die jüdischen Außenseiter, die "Sünder", urkirchlich ein Bild für die Heiden) als auch gegenüber dem "braven" Sohn (jesuanisch ein Bild für die Gesetzestreuen, urkirchlich ein Bild für die Juden; die Gesetzestreue des älteren Sohnes wird nämlich nicht so sehr als persönliches Verdienst, als vielmehr als Bewahrung durch den Vater gesehen - eine Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 27 auch mit modernen Milieutheorien übereinstimmende Einsicht). Eine sekundäre Zusammenstellung ist das Doppelgleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,110.11- 14): Die Parallele bei Lk (Lk 14,15-24) bietet nur den ersten Teil; ferner besteht zwischen dem 1. und dem 2.Teil des Gleichnisses ein gewisser Bruch (woher stammen die Festgewänder derer, die auf der Straße aufgelesen wurden?) und schließlich wird hier ein Thema angeschnitten, das Mt auch sonst (z.B.13,24- 30.3643.47-50) beschäftigt, nämlich dass es auch innerhalb der christlichen Gemeinde Versagen gibt. Gleichnisse können auch im Zusammenhang mit Streitgesprächen (z.B. barmherziger Samariter, Lk 10,25-37) oder mit Zeichenhandlungen (z.B. JESUS und die Sünderin, Lk 7,36-50) überliefert sein; hier dürfte sich häufig die ursprüngliche Situation des Erzählens widerspiegeln. Gleichniserzählungen sind eine Spezialität des Lk. Zwar finden sich bei allen drei Synoptikern viele Gleichnisse, doch die quantitativ meisten (ein Drittel des Gesamtwerkes) und qualitativ am gekonntesten erzählten finden sich bei Lk. Viele sind Sondergut, ihren äußeren Rahmen stellt der sog. Reisebericht (Lk 9,51-19,27) dar. Aus der großen Fülle seien die beiden wohl bekanntesten und schönsten herausgegriffen. Die Parabel vom barmherzigen Vater, Lk 15,11-32 Kontext (Lk 15,1 f.): Die Pharisäer und Schriftgelehrten kritisieren JESU Umgang mit Sündern JESUS antwortet mit drei Gleichnissen, die - in steigernder Reihung - Freude über die Wiederfindung von Verlorenem (Schaf - Drachme - Sohn) thematisieren. Dadurch will Er die Schriftgelehrten und Pharisäer einladen, ihre Haltung gegenüber „Sündern“ zu überdenken. Die Parabel ist doppelgipfelig, da es um das Verhalten des Vaters zu beiden Söhnen geht. Das Gleichnis geht sicher auf JESUS selbst zurück, wurde aber kirchlich, vielleicht Lk selbst, etwas umakzentuiert: der Vater meinte urspr. GOTT, bei Lk könnte ebenso der Erhöhte damit gemeint sein; der jüngere Sohn stand bei JESUS für die jüdischen Außenseiter, die "Sünder", bei Lk die Heiden; der ältere Sohn meinte die Gesetzestreuen, bei Lk die Juden, die sich der christlichen Mission kaum öffneten. Beide Söhne werden schuldig: Der Jüngere nicht deshalb, weil er sich seinen Erbteil (ein Drittel des beweglichen Vermögens) auszahlen ließ - damals wohnten ca 4 Mio Juden in der Diaspora, nur ca 1/2 Mio in der Heimat, sondern weil er mit dem ausbezahlten Erbe keine neue Existenz aufbaut. Der Ältere, weil er sein "Bravbleiben" für sein persönliches Verdienst hält und dem Jüngeren gegenüber missgünstig ist. Der Vater übt keinen Zwang aus, ist aber beiden Söhnen gegenüber barmherzig: Dem Jüngeren "eilt" (unschicklich) er entgegen, macht keine Vorwürfe, sondern umarmt ihn (Vergebung), schenkt Gewand, Schuhe, Ring (Wiedereinsetzung in die Sohnesrechte), veranstaltet ein Festmahl (Freude). Zum Älteren "geht er hinaus" und "redet ihm gut zu". Die Parabel endet offen - wir erfahren nicht, ob der ältere Sohn die Freude des Vaters teilen lernt. Aber wir erfahren durch die Erzählung, dass JESUS den Gesetzestreuen klar machen will, dass auch der Sünder ihr Bruder bleibt und dass auch in jedem „Gerechten“ ein „Sünder“ (Schatten) verborgen ist. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 28 Die Parabel / Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter, Lk 10, 25-37 Dieses Gleichnis ist eingefügt in einen größeren Zusammenhang, den man auch als "Katechismus des christlichen Lebens" bezeichnet (10,21-11,28: Selbstoffenbarung JESU und Seligpreisung der Jünger - richtiges Handeln am Beispiel des Samariters - richtiges Hören auf das Wort JESU am Beispiel MARIA / MARTA - richtiges Beten am Beispiel des Vater unsers). Das Gleichnis selbst ist in ein Streitgespräch eingebaut: Am Anfang steht die (theoretisch gemeinte) Frage des Schriftgelehrten und die (praktisch gemeinte) Gegenfrage JESU - beendet wird die Perikope mit der Antwort des Gesetzeskundigen und der konkreten Weisung JESU ("Geh hin ..." daher Beispielgeschichte). Die Beispielgeschichte spielt in einer realistischen Situation: "irgendein Mensch" (d.h. Jedermann) wird auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen, was damals sicher oft geschah; denn der Weg ist zwar nur ca 25 km lang, führt aber durch ein zerklüftetes Gebirge und weist einen Höhenunterschied von ca 1000m auf. Auch dass ein Priester und ein Levit vorbeikommen, ist realistisch - Jericho war wegen der Nähe zu Jerusalem eine Priester- und Levitenstadt. Obwohl wir nicht erfahren, warum beide an dem Schwerverletzten vorbeigingen, können wir einen Zusammenhang zu den Reinheitsgesetzen vermuten - Sterbende galten bereits als tot, ihre Berührung machte kultisch unrein. Dass der dritte Vorübergehende ein verachteter Samariter ist, ist unerwartet, ja, schockierend (daher ist die Geschichte eine Parabel). Er tut - ohne Übertreibung - das Notwendige. Nächstenliebe wird dadurch charakterisiert nicht als bloßes Gefühl, sondern als konkrete Tat, die die bloße Gesetzeserfüllung übertrifft. JESUS hat mit der Geschichte die Frage "Wer ist mein Nächster ?" gewendet in die Frage "Wem bin ich Nächster ?" Ein Beispiel für die Redaktionsarbeit an Q ist die Einladung zum Gastmahl, Lk 14,15-23 und Mt 22,1-10 Die Parabel (die Pointe bringt wieder Unerwartetes) geht sicher auf eine gemeinsame Grundform zurück, die bei Lk mehr erhalten blieb, bei Mt stärker überarbeitet wurde. Trotz der Unterschiede lässt sich sowohl die urspr. Aussage als auch die nachösterliche Umdeutung gut herauslesen: Hatte JESUS das Versagen der Frommen / die Offenheit der Außenseiter gegenüber Seiner Verkündigung herausgearbeitet, wurde nachösterlich das Versagen der Juden / die Offenheit der Heiden betont. Lk-Fassung: Den Rahmen bildet ein Schabbat-Gastmahl bei einem Pharisäer. Bevor JESUS das Gleichnis erzählt, heilt er (am Schabbat !) einen Wassersüchtigen, mahnt zur Bescheidenheit beim Aussuchen der Plätze und fordert, Gäste einzuladen, die keine Gegeneinladung geben können ("Arme, Krüppel, Lahme und Blinde" - Lk 14,13). Ein Reicher lädt zum Festmahl, die ursprünglich Geladenen sagen ab - allerdings mit relativ plausiblen Entschuldigungen - , der Gastgeber lässt die "Armen und Krüppel, die Blinden und die Lahmen" (Lk 14,21), dann sogar die "Sandler" (14,23) holen, also die sozialen Außenseiter (ein immer wiederkehrendes Anliegen des Lk!). Mt-Fassung: Mt stellt die Parabel in den Rahmen des letzten Wirkens JESU in Jerusalem, das in Wort und Tat gerade der jüdischen Elite vorwirft, sich der anbrechenden GOTTESherrschaft zu verschließen. Dazu passt, dass dieser Parabel das Gleichnis von den ungleichen Söhnen und das von den bösen Winzern vorangestellt ist. Die Parabel selbst ist bei Mt ins Unwahrscheinliche gesteigert. Ein König lädt zur Hochzeit seines Sohnes, also zum größten Fest im persönlichen Leben eines Juden. Die Geladenen sagen nicht nur grundlos ab, sondern misshandeln und töten sogar die einladenden Diener. Der König lässt daher ihre Stadt "in Schutt und Asche" legen (Deutung der - auch für Judenchristen - schwer zu verkraftenden Zerstörung Jerusalems). Dann werden "Böse und Gute" geladen. Nur bei Mt ist das Gleichnis vom fehlenden Festgewand (22,11-14) angehängt, wohl eine Bildung des Mt, da es nicht in den Kontext passt (Festgewand). Diese Ergänzung war nötig geworden, nachdem der urspr. Sinn - Fromme / Nichtfromme innerhalb des GOTTESvolkes - zum Unterschied zwischen Juden / Heiden umgedeutet worden war (1.Teil: Einladung zum Mahl und Reaktion der Geladenen): auch die Zugehörigkeit zum neuen GOTTESvolk ist kein automatischer Besitz. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 29 2.1.4 Die Bergpredigt - Ideal christlichen Gemeindelebens8 Die Bergpredigt ist in dieser Form nur bei Mt (Mt 5-7) überliefert; die Parallelen bei Lk (Feldrede: Lk 6,12-7,1a und an anderen Stellen) verweisen auf die gemeinsame Vorlage Q und lassen vermuten, dass die Grundgedanken auf JESUS selbst zurückgehen, aber von den Evangelisten verschieden zusammengestellt wurden. Dies zeigt, dass die Evangelisten keine Autoren im heutigen Sinn waren, die etwas frei erfunden haben, sondern Redaktoren, die (mündlich und schriftlich) überliefertes Material gemäß ihrem theologischen Konzept zusammenstellten. Die Bergpredigt ist die erste der fünf großen Reden bei Mt, deren Fünfzahl wohl an die fünf Bücher der Tora erinnern und daher JESUS als den neuen MOSE ausweisen soll. Von den verschiedenen Einteilungsvorschlägen der Bergpredigt selbst wird hier die Fünfgliederung von STÖGER zugrundegelegt, weil auch diese der ToraParallelisierung am besten entspricht. MATTHÄUS 5,1-2 5.3-4.6.11-12 5,39b-40.42-48;7,12 7,1-5 7.16-21a 7,24-27 7,28 Gegenüberstellung nach STRECKER LUKAS 6,12.20a Situationsangabe 6,20b-23 Makarismen 6,27-36 Feindesliebe, Goldene Regel 6,37a.38c.41-42 Vom Richten 6,43-46 Vom guten und schlechten Baum 6,47-49 Schlussgleichnisse 7,1a Nachwort STÖGER A.-HAMMERSTIEL R. (1982), Die Bergpredigt. Eine Botschaft von Hoffnung und Frieden, ÖKBW/ Klosterneuburg, 16. Die SeligPreisungen (5,3-10) Gesetzeserfüllung (5,17-20) Innerlichkeit 5.Gebot (5,21-26) Die Güter der Welt Mammondienst Sorge (6,19-24) (6,25-34) Die einzige Würde und Sendung der Schicksal der Jünger Jünger (5,13-16) (5,11-12) Abbau von Zugeständnissien 6.Gebot Unauflöslichkeit Eid (5,27-30) Der Ehe (5,33-37) (5,31-32) Die wahre Gerechtigkeit Almosen Beten Fasten (6,1-4) (6,5-15) (6,16-18) Die Menschen Nicht richten Diskretion Allen (7,1-5) (7,6) verpflichtet (7,7-12) Das Tun (7,21-23) 8 Hören und Tun Hören und Tun (7,24-25) Wiedergutmachung (5,38-42) Vollkommene Gesetzeserfüllung (5,43-48) Lebensauffassungen Der Masse nicht Die Propheten Verfallen (7,13-14) prüfen (7,15-20) Bloßes Hören (7,26-27) Aus der großen Fülle der Literatur seien - zusätzlich zu den in EBTH genannten Kommentaren - erwähnt: STÖGER A.- HAMMERSTIEL R., Die Bergpredigt, eine Botschaft von Hoffnung und Frieden. Vollständiger Text mit Erläuterungen und Holzschnitten, ÖKB/Klosterneuburg 1982; STRECKER G., Die Bergpredigt. Ein exegetischer Kommentar, Göttingen 1984; VENETZ H.-J., Die Bergpredigt. Biblische Anstöße, DüsseldorfFreiburg 1987. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 30 Die Einleitung (Mt 5,1-2) bietet die Situationsschilderung, den auf einem Berg Seine Jünger lehrenden JESUS. Berg ist dabei nicht bloß geographischer Ort, sondern Erinnerung an den Sinai als Ort der Theophanie und Gesetzgebung. Der 1.Teil (Mt 5,3-16) beginnt mit den Seligpreisungen oder Makarismen (nach griech. makarios = selig, glückselig). Der Vergleich mit Lk (Lk 6,20-26) zeigt, dass Lk die ursprünglichere Fassung bewahrt hat: Lk stellt den vier Seligpreisungen vier Wehrufe gegenüber (Die Gegenüberstellung von Seligpreisungen und Wehrufen entspricht mehr dem atl. Denken - vgl. z.B. Dtn 28,1-14.15-68). Lk gebraucht die direkte Anrede (2.Pers.Pl.) wie die Propheten. Lk meint Armut, Trauer etc. wörtlich, was nur vom Hintergrund jesuanischer Naherwartung erträglich ist. Mt vermehrt die Seligpreisungen unter Weglassung der Wehrufe. Mt verwendet die 3.Pers.Pl. wie die Weisheitsliteratur. Mt vergeistigt Armut, Hunger etc. Es kann also eine Akzentverschiebung der Deutung der Seligpreisungen von eschatologischen Verheißungen (Lk) zu moralischen Aufforderungen (Mt) konstatiert werden - eine Akzentverschiebung analog der Allegorisierung von Gleichnissen. Mit den Armen, Hungernden, Trauernden ist daher bei Lk und Mt nicht ganz dieselbe Personengruppe gemeint: bei Lk sind es die von den Menschen Entrechteten, die bei GOTT ihren einzigen Halt finden und aus denen - wohl bis heute - die Mehrzahl der Jünger CHRISTI besteht; bei Mt die, die - unabhängig von ihrer äußeren Lage - GOTT als den letzten Halt ihres Lebens anerkennen. Die Seligpreisungen schließen mit zwei Bildern für die Aufgabe der Jünger: "Salz der Erde" und "Licht der Welt" (vgl. Jes 60,1) zu sein (Mt 5,13-16). Der 2.Teil (Mt 5,17-48) kreist um den Gedanken echter Gesetzeserfüllung. Dieser Gedanke wird zunächst allgemein dargestellt (Mt 5,17-20), dann anhand der sog. Antithesen (Mt 5,21-48) konkretisiert: sechs Mal greift dabei JESUS atl. Weisungen auf und überbietet sie. Daher ist der Begriff "Antithesen" eigentlich nicht ganz richtig, weil JESUS die atl. Weisungen nicht aufhebt, sondern überbietet; der von dem jüdischen Theologen P.LAPIDE 9 vorgeschlagene Ausdruck "Superthesen" wäre vorzuziehen, hat sich aber nicht eingebürgert. Gerade dadurch wird klar, dass JESUS hier keine neuen Gesetze formuliert - ein leider immer wieder auftauchendes Missverständnis10 : Gesetze regeln das äußere Zusammenleben von Menschen, die nicht unbedingt innerlich diesen Gesetzen zustimmen; sie müssen daher einhaltbar und ihre Einhaltung muss äußerlich überprüfbar und im Übertretungsfall sanktionierbar sein. Dies gilt nicht für die Weisungen JESU: 9 Vgl. LAPIDE P., Die Bergpredigt - Utopie oder Programm? Mainz 1984, 4.Aufl. Eine gute Übersicht über die Auslegungstypen der Bergpredigt bietet STRECKER, s. Anm. 4, 13-23. - Zur Gewaltlosigkeit als indirektes Richtziel (Ideal), doch nicht als direkte Handlungsanweisung vgl. DEIFEL E., Ethische Sonderthemen, in: CPB 1988/H.3/130-137, bes. Themenblock 1 und 4. 10 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 31 Sie sind nicht ohne weiteres einhaltbar, sondern anzustrebende Ideale, an die man sich nur sukzessive annähern kann; ihre Einhaltung ist nicht äußerlich überprüfbar, weil JESUS ausdrücklich auch die nicht überprüfbare - Gesinnung fordert; ein Übertretungsfall ist folglich - zumindest auf menschlicher Ebene - nicht sanktionierbar; Versuche, dies dennoch zu tun, enden bei irgendeiner Form von Inquisition. Daher können sich diese Weisungen JESU auch nicht an alle Menschen richten, sondern nur an die, die diese Weisungen freiwillig befolgen wollen, also an Seine Jünger aller Zeiten, und die diese Weisungen daher auch umso mehr befolgen können, je mehr sie Gemeinde werden, d.h. eine auf diese Weisungen hin ausgerichteten Gemeinschaft. Mit Recht kann man daher die Bergpredigt als Gemeindeethik bezeichnen, die Ideale christlichen Lebens aufstellt. Der 2.Abschnitt schließt konsequent mit der vollkommenen Gesetzeserfüllung durch die Liebe (Mt 5,43-48). Im 3.Teil (Mt 6,1-18) wird die von JESUS geforderte neue Gerechtigkeit anhand der drei für das Judentum (und später für den Islam) typischen "guten Werke" Almosengeben, Beten, Fasten - veranschaulicht. Wie bei den sog. Antithesen wendet Sich JESUS auch hier nicht gegen diese guten Werke selbst, wohl aber wieder gegen ihre Veräußerlichung. In Seine Ausführungen über das Gebet ist jene Fassung des Vater unsers eingeschoben, die wir liturgisch verwenden. Die kürzere und z.T. wohl ursprünglichere Fassung bietet wieder Lk (Lk 11,2-4). Wieder ist die Komposition des Mt der des Lk vorzuziehen: dadurch, dass Mt viele JESUSüberlieferungen zu einer langen Rede zusammenfasst, stehen die Ausführungen über das Gebet und das Vater unser in der Mitte dieser Komposition was die besondere Bedeutung dieses Gebets betont. Bei Lk hingegen bildet das Vater unser nicht das Zentrum der Feldrede, sondern ist aus der Feldrede ausgegliedert und in einen anderen, freilich durchaus passenden Zusammenhang gestellt: zwischen die Erzählung von MARIA und MARTA (Lk 10, 38-42) einerseits und das Gleichnis vom bittenden Freund (Lk 11,5-8) und die Aufforderung zum Vertrauen beim Beten (Lk 11, 9-13) andererseits gestellt. Der 4.Teil (Mt 6,19-7,14) kreist um richtige und falsche Lebensauffassungen. Der Abschnitt beginnt mit Gedanken zur "hl. Sorglosigkeit" (Mt 6,19-24), die nicht als eine Art christlicher Sandlertum missverstanden werden darf; Schlüsselvers ist der V.33, der fordert, allen Sorgen und Bemühungen die Sorge um das GOTTESREICH voranzustellen. Dann folgen Warnungen vor überheblichem Richten - christliche Haltung ist eben nicht "von außen" beurteilbar (Mt 7, 1-5; vgl. die obigen Ausführungen zu den Antithesen) - und vor Indiskretion - das Ideal JESU soll nicht denen preisgegeben werden, die es missachten (Mt 7,6) - und Ermunterungen zum Vertrauen beim Beten (Mt 7,7-11) und zu tätiger Nächstenliebe (Mt 7,12: die berühmte "Goldene Regel"); beschlossen wird dieser Teil durch Betonung des Entscheidungscharakters von JESU Lehre (Mt 7,13 f.) - JESU Lehre ist, wie jede Gabe GOTTES, zugleich Aufgabe für uns. Der 5.Teil (Mt 7,15-29) schließlich bringt eine Gegenüberstellung von Hören und Tun, von Theorie und Praxis: JESU Lehre will nicht nur erkannt, sondern anerkannt werden. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 32 Die Bergpredigt wird durch eine Art "Chorschluss" (Mt 7,28 f.) beendet - das Volk staunt über die Autorität JESU, wie es sonst eher als Abschluss von Wundergeschichten üblich ist. Wie bereits erwähnt, hat Mt weitere JESUS-Überlieferungen zu noch vier anderen großen Reden zusammengebaut: zur Aussendungsrede (Mt 9,35-11,1), zu einer Gleichnissammlung (Mt 13,1-53), zur Gemeinderede (Mt 18,5-35) und zu Endzeitreden (Mt 24,1-25,46). 2.1.5 Die Offenbarungsreden im Joh-Ev11 Das Joh-Ev ist, wie schon im Einleitungskapitel 0 erwähnt, jenes Evangelium, das schon durch den irdischen, vorösterlichen JESUS Seine GÖTTLICHKEIT am stärksten durchschimmern lässt. Der Verfasser erreicht das auf verschiedene Weise, wie etwa, dass menschliche Schwächen an JESUS bewusst übergangen werden (z.B. das Ringen am Ölberg) oder dass nur in diesem Evangelium JESUS nicht nur als GOTTSOHN, sondern sogar als GOTT (vgl. Joh 1,1c; 20,28) tituliert wird, weiters aber durch eine nur in diesem Evangelium verwendete Redeweise JESU, die Offenbarungsreden oder Ich-bin-Reden. Leider ist im Deutschen der in der Originalsprache automatisch mitzuhörende Anspruch auf göttliche Autorität nicht mitzuhören und muss erst durch Zusatzerklärungen herausgearbeitet werden. Im Ich-Bin liegt nämlich für den Griechischsprechenden eine unüberhörbare Anspielung auf die LXX-Übersetzung des JAHWE- Namens: "Ich-bin-der-(für-euch-)Seiende". Diese Anspielung wird dadurch verstärkt, dass dieses Ich-Bin im Joh-Ev in zweifacher Weise vorkommt, verbunden mit einem Bildwort, wie "das Brot des Lebens (Joh 6,35.48), "das Licht der Welt" (Joh 8,12), "der guten Hirt" (Joh 10,11), "die Auferstehung und das Leben" (Joh 11,25), "der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6), "der Weinstock" (Joh 15,5); all diese Bildworte sind aber aus dem AT als GOTTESprädikationen bekannt, und absolut, d.h. für sich stehend; da dies im Deutschen hart klingt, wird meist mit "Ich bin es" übersetzt, was aber die Beziehung zum GOTTESnamen abschwächt. Es ist daher kein Zufall, dass diese wuchtige Wortbedeutung an besonders markanten Stellen des Evangeliums vorkommt - in JESU' Selbstvorstellung als MESSIAS (Joh 4,26), bei Seiner Epiphanie auf dem Wasser (Joh 6,20) und bei Seiner Verhaftung sogar drei Mal (Joh 18,5.6.8). Die Ich-bin-Reden sind sicher nicht jesuanisch, sondern der nachösterliche explizite Ausdruck für den Anspruch, den der vorösterliche JESUS in Seinem Reden und Tun implizit stellte. Dazu passt, dass diese Redeweise formal eine Parallele zu den Selbstvorstellungen mandäischer (eine gnostische Sekte) "Erlöser" darstellt und sich im Joh-Ev auch sonst eine Auseinandersetzung mit gnostischem Gedankengut nachweisen lässt (vgl. auch EBTH). 11 Vgl. die Monographie von: HINRICHS B., "Ich bin". Die Konsistenz des Johannes-Evangeliums in der Konzentration auf das Wort JESU, KBW/ Stuttgart 1988. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 33 2.2 Das Wirken JESU Wie schon zu Beginn von Kapitel 2 erwähnt, waren bei JESUS Lehren und Wirken in einmaliger Weise verbunden - denn Er verkündete nicht nur fallweise das Wort GOTTES und unterstützte diese Verkündigung durch Zeichenhandlungen, wie die Propheten es taten, sondern Er war im Reden und Tun das WORT GOTTES. 2.2.1 JESUS "beschlagnahmt" Menschen "lebenslänglich" Im Judentum war es nur JAHWE Selbst, der Menschen ganz und uneingeschränkt in Seinen Dienst berief, oft auch gegen ihren Willen (man denke an die Berufung des MOSE, Ex 3,1-4.17, oder an die vielen Prophetenberufungen. Das Motiv, dass der Berufene sich zunächst weigert, kommt in fast allen Berufungserzählungen vor; darin spiegelt sich wohl die jahrhundertelange Erfahrung, dass Berufung keineswegs nur Ehre, sondern immer auch Last ist - eine Last, die stellvertretend für andere zu tragen ist. Am deutlichsten drückt dies JEREMIA aus (bes. Jer 15,10-21 und 20,718). Das Verhältnis eines Schülers (Talmid) zu seinem Lehrer (Rabbi, ein Titel, der etwa unserem Hochwürden entspricht) war ein anderes: Erstens suchte der Schüler den Lehrer aus und nicht umgekehrt; zweitens war der Schüler nach etwa 20 Jahren ausgelernt (Der Jude, der Rabbiner werden wollte, war etwa vom 20. bis zum 40. Lebensjahr Schüler eines Rabbis; die meisten lernten daher vorher ein Handwerk und studierten dann nebenberuflich). Und schließlich bestand zwischen Lehrer und Schüler nur eine Lehr-, nicht aber eine totale Lebensgemeinschaft. JESUS hingegen beschlagnahmt im NT Menschen ebenso radikal, wie es im AT nur GOTT selbst getan hat. Dies zeigen sowohl die Berufungsgeschichten, in denen JESUS fordert, Ihm ohne Rücksicht auf bisherige Bindungen und sofort nachzufolgen (Mk 1,16-20 // Mt 4,18-22 ; vgl. Lk 5,1-11; Joh 1,35-51), und in denen Er sich über gesellschaftliche Schranken hinwegsetzt (wie in der Berufung des Zöllners LEVI (Mk 2,13-17 // Mt 9,9-13 // Lk 5, 27-32); als auch in den Nachfolgeanforderungen, die von einer oft erschreckenden Radikalität sind (Selbstverleugnung bis hin zur Kreuzesnachfolge: Mk 8,34-38 // Mt 16,24-27 // Lk 9,23-26; noch gesteigert in der Q-Tradition: hier wird das Aufgeben jeder Sicherheit und wichtiger natürlicher Pflichten verlangt - Mt 8,18-22 // Lk 9, 57-60 -, überhaupt das Hintansetzen aller menschlichen Bindungen - Mt 10,37 // Lk 14,26). 2.2.2 Die sogenannten "Wunder": Zeichen göttlicher Machtfülle12 Gerade bei den sogenannten "Wundern" ist es wichtig, die Bibel nicht wörtlich, sondern ernst zu nehmen. Schon vom Sprachlichen her gibt es Verständnisschwierigkeiten. Dem deutschen Wort "Wunder" würde am ehesten der griechische Begriff "thauma" entsprechen, denn in beiden Sprachen gehören diese 12 Besonders zu empfehlende Literatur: STEINER A-WEYMANN V. (Hsg) Wunder Jesu. Bibelarbeit in der Gemeinde, Basel-Zürich 1978.WEISER A., Was die Bibel Wunder nennt, KBW/Stuttgart 1975; WEISSMAHR B., Glauben, Mirakel, Wunder, in: BiKi 29,1974, 2-5. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 34 Substantiva zu Verben: "sich wundern, bewundern"/"thaumazein"; doch ist die Akzentuierung eine andere: Während im Griechischen das Substantiv thauma die begriffliche Weite des Verbs thaumazein beibehalten hat und daher alles meinen kann, worüber man sich wundert, ist im Deutschen der Begriff "Wunder" stark eingeengt auf das Unerklärliche, Phantastische, Zauberhafte. Zudem werden biblisch, vor allem bei PAULUS und im Joh-Ev, die hier gemeinten auffälligen Taten JESU häufiger als "semeia" (Zeichen) oder als "dynameis" (Machttaten) bezeichnet. Wunder im biblischen Sinne sind also staunenswerte Ereignisse, in den die machtvolle und heilschaffende Nähe GOTTES zeichenhaft erlebbar wird: diese Erfahrung der GOTTESnähe ist wesentlich, nicht irgendeine Außerordentlichkeit oder gar ein Verstoß gegen die Naturgesetzlichkeit13. Daher widerspricht es biblischem Denken, Wunder als "Übertretung von Naturgesetzen" zu definieren - "Wunder stehen nicht gegen die Natur, sondern gegen das, was wir von der Natur wissen", sagte schon AUGUSTINUS. Denn: - - Erstens ist der Begriff des Naturgesetzes ein neuzeitlicher, daher der Bibel fremder Begriff. Zweitens würde die Definition von "Wunder" als "Übertretung von Naturgesetzen" stillschweigend voraussetzen, dass wir bereits alle Naturgesetze kennten, was kein vernünftiger Mensch behaupten kann und was der gesamten naturwissenschaftlichen Forschungstätigkeit widersprechen würde. Schließlich würde die Vorstellung, dass GOTT einerseits die Natur samt ihrer Gesetzlichkeit wirkt, andererseits aber in ebendieser Natur korrigierend "herumpfuscht", ein ziemlich armseliges GOTTESbild ergeben. GOTTES Handeln ist kein "Konkurrenzunternehmen" zu dem Seiner Geschöpfe - sondern: GOTT wirkt direkt (als "Erstursache") die Schöpfung, aber nicht ebenso direkt in der Schöpfung - hier wirkt Er mittels Seiner Geschöpfe (durch "Zweitursachen"). Was GOTT durch Seine Geschöpfe wirkt, kann als staunenswert, als "thauma", vielleicht auch nach dem jeweiligen Wissensstand als unerklärlich erscheinen. Dabei ist zu beachten, dass GOTT die Freiheit des Menschen nicht überspringt, d.h., dass Er nur in der vernunftlosen Geschöpflichkeit gleichsam automatisch wirkt, im Menschen aber nur, sofern dieser es zulässt: Dies erklärt, warum Propheten und Heilige, allen voran aber JESUS, GOTTES Macht (dynamis) durch zeichenhafte Machttaten (semeia, dynameis) in der Schöpfung sichtbar machen können - nicht durch besondere Kenntnis von noch unbekannten Naturgesetzen, sondern durch ihre enge Verbindung mit GOTT, also durch ihren Glauben. Biblisch haben Wunder, besonders die JESU, einen dreifachen Zeichencharakter (So W.KASPAR): - für das angebrochene/nicht vollendete GOTTESREICH, für die göttliche Autorität JESU, für den menschlichen Glauben, da sie Glauben fordern und fördern. (Ein Beispiel: Auch die Gegner JESU konnten Sein außerordentliches Wirken nicht leugnen, interpretierten es aber anders - als Zauberei mithilfe dämonischer Mächte (Mk 3,22-30 // Mt 12,24-29 // Lk 11,15-22). Diese Zeichenhandlungen JESU zeigen gewisse Gemeinsamkeiten, 13 Vgl. WEISER, s.Anm.12, 21. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 35 in ihrem Aufbau und in ihren Motiven ("topoi"): Schilderung einer Notsituation Bitte um Hilfe - Hilfeleistung - Konstatierung des Erfolges, oft durch die Zuschauer ("Chorschluss"). Dieses Erzählschema erinnert an hellenistische Wundererzählungen, noch mehr aber an die Klagepsalmen des AT; und in der Art des Wirkens JESU - JESUS wirkt immer selbstlos (vgl. die Versuchungsperikope und die Passion),einfach (d.h. Er zieht - im Gegensatz zu den meisten hellenistischen Wundertätern - keine "Show" ab) und gütig (d.h. Er wirkt keine Strafwunder (Eine Ausnahme scheint die Verfluchung des Feigenbaumes zu sein (Mk 11,12-14.20f. // Mt 21, 18-22). Aber erstens geht es in dieser Erzählung nicht um die Bestrafung von Menschen und zweitens ist, wie die lukanische Parallelerzählung zeigt (Lk 13,6-9), die ursprüngliche Perikope wohl eine Gleichniserzählung, die sekundär in eine Wundergeschichte verwandelt wurde). Innerhalb der Wunder lassen sich verschiedene Arten unterscheiden: Die Auferstehung ist das "Wunder aller Wunder": sie nimmt eine Sonderstellung ein und wird daher auch gesondert und ausführlicher behandelt: "Ist aber CHRISTUS nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos" (1 Kor 15,14).Denn erstens wäre man ohne Auferstehung und der damit verbundenen Kirchengründung nicht mehr am irdischen JESUS und Seinen Wundern interessiert und zweitens sind die uns vorliegenden Wundergeschichten "durch die Brille der Auferstehungserfahrung" erzählt, so dass der historische Kern oft schwer rekonstruierbar ist. Krankenheilungen und Exorzismen (wohl psychische bzw. psychophysische Erkrankungen 14 sind exegetisch allgemein anerkannt, und zwar aus mehreren Gründen: Denn erstens sind sie besonders gut bezeugt (große Anzahl, älteste Textschichten), zweitens sind sie mit JESU Leben und Lehren organisch verbunden (Erlebbarkeit der heilbringenden Nähe GOTTES) und schließlich werden sie auch von den Gegnern anerkannt, doch als Zauberei verstanden (Mk 3,22-30 und //). Die Heilungserzählungen können für sich allein stehen oder mit Streitgesprächen verbunden werden (z.B.: Die Heilung des Gelähmten wurde verbunden mit einer Debatte über JESU' Vollmacht zur Sündenvergebung : Mk 2,1-12 // Mt 9,1-8 // Lk 5, 17-26; die Heilung der gelähmten Hand am Schabbat mit einer Debatte über den Sinn des Schabbatgebotes: Mk 3,1-6 // Mt 12, 9-14 // Lk 6, 6-11; die Blindenheilung Joh 9,1-41 macht darauf aufmerksam, dass es auch eine andere Blindheit als die biologische gibt; diese stärkere Betonung des Zeichencharakters der Heilungen JESU ist typisch für das Joh-Ev: In ihm werden nur isg. 7 "Zeichen" erzählt, doch wird in ihnen die göttliche Autorität JESU besonders hervorgehoben, weshalb sie auch in dramatisch gesteigerter Reihung erzählt werden; unter ihnen finden sich aber keine Exorzismen).- Alle diese Geschichten zeigen, dass es JESUS um den Menschen ging und Er Sich dafür über Vorschriften (Schabbatheiligung, Reinheitsgebote) hinwegsetzte, weshalb man diese Zeichenhandlungen auch als "Normenwunder" 14 Nach unserem heutigen Wissensstand führen wir Geistesgestörtheit nicht auf Besessenheit durch Dämonen zurück, sondern halten sie für eine psychische bzw. psychophysische Erkrankung; daher ist es naheliegend, die Dämonenaustreibungen mit den Krankenheilungen gemeinsam zu behandeln. Vgl. RAHNER K., Besessenheit und Exorzismus, in: Stimmen der Zeit 101/1976/H.11, 721 f. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 36 bezeichnet. Allerdings hat Sich JESUS nie generell gegen das jüdische Gesetz gestellt, sondern nur gegen dessen bloß buchstäbliche Auslegung, die sich vor allem nachexilisch entwickelt hatte und die nur zu oft den Menschen in den Dienst des Gesetzes stellte statt umgekehrt. JESUS wollte also mit Seinen provokativen Heilungen nicht das Gesetz als solches in Frage stellen, wohl aber bestimmte Auslegungen und damit den ursprünglichen Sinn der Tora, Lebenshilfe zu sein, wiederherstellen (vgl. auch Antithesen der Bergpredigt). Der Gedanke der Lebenshilfe sollte auch in der heutigen pastoralen Praxis stärker im Vordergrund stehen. Verengt man „Sünde“ nicht auf moralische Schuld, sondern sieht darin alles, was uns von GOTT ab-sond-ert, so ist Schuld nur ein Teilbereich von Sünde – und der Mensch bedarf mehr des heilenden als des richtenden Umgangs: genau das hat uns JESUS vorgelebt. Umstrittener hingegen sind die Totenerweckungen. Die Synoptiker erzählen eine (die des Töchterchens des Synagogenvorstehers JAIRUS: Mk 5,21-24.35-43 // Mt 9,18-19.23-26 // Lk 8,40-42.49- 56), zum lukanischen Sondergut gehört ebenfalls eine (die des Jünglings von Nain : Lk 7,11-17): Diese Erzählungen weisen auffallende Parallelen zu atl. Totenerweckungsgeschichten auf (Tochter des JAIRUS: vgl. 2 Kön 4,18-37 - ELISCHA erweckt den Sohn der Frau von Schunem; Jüngling von Nain: vgl. 1 Kön 17,17- 24 - ELIJA heilt/erweckt den Sohn der Witwe von Sarepta).Die johanneische Erweckungsgeschichte (Auferweckung des LAZARUS: Joh 11 (11) hingegen ist, wie die meisten Perikopen dieses Evangeliums, stark symbolisch gefärbt: Im Zentrum steht der Satz "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?" (Joh 11,25 f.). Die knappe und ans Ende gerückte Erzählung der Totenerweckung selbst bestätigt nur diesen Anspruch JESU, Herr auch über den Tod und Spender des ewigen Lebens zu sein. - Dazu kommt, dass man in der Antike die Grenze zwischen Krankheit und Tod fließender als heute erlebte, so dass - wie etwa in vielen Psalmen - Schwerkranke oft schon als Tote bezeichnet wurden. Dieses Problem besteht aber bis heute weiter, obwohl sich die Möglichkeiten der medizinischen Behandlung schwerer Krankheiten gebessert und die Feststellung des Todes im medizinischen Sinne präzisiert hat. Denn der Tod im medizinischen Sinn, heute definiert als Aufhören der messbaren Gehirnströme, ist grundsätzlich etwas anderes als der Tod im religiösen Sinn, nämlich die endgültige GOTTESbegegnung des Menschen15. Dass JESUS Menschen, die endgültig mit GOTT vereint waren, in das irdische Leben zurückgeholt hat, wäre widersinnig: erstens, weil Tod im religiösen Sinn als endgültige GOTTESbegegnung verstanden wird, zweitens, weil eine solche Rückholung als Strafwunder gelten müsste. Dass JESUS aber Tote im medizinischen Sinn wiederbelebt hat, müsste nicht abgelehnt werden, wie dies heute die meisten Exegeten tun, da niemand wissen kann, in welchem Zusammenhang medizinischer und religiöser Tod zueinander stehen. Als gesichert gilt jedenfalls, dass die Totenerweckungsgeschichten JESU' Vollmacht über den Tod ausdrücken sollen. 15 Vgl. dazu KREMER J., Lazarus. Die Geschichte einer Auferstehung, KBW/Stuttgart 1986. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 37 Ebenfalls umstritten sind die sog. Naturwunder. Hierher gehören: die Sturmstillung (Mk 4,35-41 // Mt 8,23-27 // Lk 8,22-25), der Seewandel (Mk 6,45-52 // Mt 14,22-33 // Joh 6,16- 21), der reiche Fischfang (Lk 5,1-11; vgl. Joh 21,1-14), die Brotvermehrung (Mk 6,30-44 und Mk 8,1-10 // Mt 14,13-21 und Mt 15,32-39 // Lk 9,10-17 // Joh 6,1-15, hier ausgedeutet in der Brotrede, Joh 6,22-50.51-59) und das Weinwunder auf der Hochzeit in Kana (Joh 2,1-12). Diese Wunder sind in den ältesten Textschichten nicht bezeugt, weisen eine geringere Selbständigkeit nicht nur gegenüber atl., sondern auch gegenüber hellenistischen Naturwundererzählungen auf und zeigen eine starke Symbolik, die sie in deutliche Nähe zu den sog. Begleitwundern (s.u.) rückt. So etwa zeigt die Geschichte von der Sturmstillung und vom Seewandel JESUS als den Herrn über die todbringende Macht des Wassers, bei der Sturmstillung verstärkt durch die Nachbildung von Jona 1,3-16, beim Seewandel verstärkt durch das atl. Theophaniemotiv des "Vorübergehens" (Ex 12,12; 33,22; 34,6; 1 Kön 19,11-13): solche Geschichten sollten die nachösterliche Gemeinde, die sich im Bild des Schiffes wiederfand, in ihrer Verfolgungssituation trösten und stärken. Brotvermehrung und Weinwunder zeigen JESUS als Spender des Lebens, da Brot als Symbol des Lebensnotwendigen, Wein als Symbol der Festesfreude und des Lebens in Fülle verstanden wurde. Wenn auch der historische Kern dieser Erzählungen kaum rekonstruierbar und ihre symbolisch und nachösterlich gefärbte Darstellungsweise unleugenbar ist, erscheint die völlige Leugnung eines solchen Kernes durch die Mehrzahl heutiger Exegeten als nicht zwingend. Sicher wollen diese Erzählungen die göttliche Autorität JESU veranschaulichen - doch ist nicht auszuschließen, dass in ihnen die Erinnerung an Handlungen JESU weiterlebt, die eine solch göttliche Autorität ausstrahlten, zumal wenn man bedenkt, dass auch andere gottverbundene Menschen über zwar noch unerklärliche, doch gut bezeugte und z.T. schon wissenschaftlich untersuchte außergewöhnliche Fähigkeiten der Naturbeherrschung verfügen. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass die Begleitwunder als Stilmittel zu werten sind. Begleitwunder werden nicht von JESUS, sondern an JESUS gewirkt - so etwa symbolisiert die Finsternis bei Seinem Tod das Verlöschen des Lichtes der Welt, das Zerreißen des Tempelvorhangs die Trennung von Altem und Neuem Bund, die Wolke bei der Himmelfahrtsperikope die Aufnahme in den göttlichen Bereich etc. Trotz der genannten exegetischen Probleme ist die Grundaussage der Wundergeschichten eindeutig: in JESU' Wirken wird die heilbringende Nähe GOTTES, das GOTTESREICH, erlebbar. Dies sollte auch der primäre Akzent in der Glaubensverkündigung sein: sie macht auch dem heutigen Hörer die grundsätzliche Abhängigkeit des Geschöpfes vom Schöpfer, des Menschen von GOTT, bewusst. Sekundär aber sollten diese Geschichten auch als Formulierung einer Aufgabe für die Gläubigen verstanden werden - die Kirche sollte ja als gleichsam verlängerter Leib CHRISTI bis zur Vollendung der Welt Heilssakrament sein, d.h. aber der Ort, wo GOTTES Nähe weiterhin erlebbar bleibt. Wir sollten daher Nachfolge CHRISTI nicht auf Leidensnachfolge einschränken, sondern Sein heilendes Wirken nach Maßgabe unserer Fähigkeiten miteinbeziehen. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 38 Abschließend sollen zu jeder Art von Wundern einige besprochen werden, um ein besseres Verständnis zu ermöglichen: Krankenheilungen: Die Krankenheilungen sind die bestbezeugten Wunder JESU. Exemplarisch sollen einige besprochen werden. Schwiegermutter des PETRUS: Mk 1,29-31 (//Mt 8,14 f.; Lk 4,38 f.) Rahmen bei Mk: Nach der Berufung der ersten Jünger (1,16-20) und der Heilung eines Besessenen in der Synagoge von Kafarnaum (1,21- 28) heilt JESUS die Schwiegermutter des PETRUS, dann andere Kranke. Die Heilungen bestätigen also seine Autorität, zumal die beiden ersten provokativ an einem Schabbat gesetzt werden und insofern zugleich "Normenwunder" darstellen. Auch die Gegenüberstellung Mann / Synagoge, Frau / Haus ist aussagekräftig: JESU Wirken beschränkt sich nicht auf einen bestimmten ("heiligen") Bereich, und es übernimmt nicht die gesellschaftsüblichen Urteile und Vorurteile. - Die Erzählung ist sehr knapp und einfach: JESUS geht nach dem Synagogenbesuch in das Haus des PETRUS - dessen Schwiegermutter ist an Fieber erkrankt - JESUS heilt sie durch Berühren der Hand und Aufrichten (i. Gr. ist aufrichten / auferwecken dasselbe Wort) - das Antwortverhalten der Geheilten ist Dienst. Mt ändert den Rahmen - diese Heilung ist in isg. 10 Heilungen eingereiht, die in Mt 8-9 gleichsam als Bestätigung auf die Bergpredigt folgen und zur Wahl (Mt 10,1-4) und Aussendung (Mt 10,5-15) der Zwölf überleiten; seine Darstellung ist noch knapper. Die Rahmung bei Lk ist gegenüber der Mk-Vorlage nur wenig geändert: auch hier ist die Gesundung der Schwiegermutter bereits das zweite Wunder JESU; nur geht dem ersten Wunder, der Besessenenheilung in der Synagoge von Kafarnaum, die missglückte Antrittspredigt in der Synagoge von Nazaret voraus, die erste Jüngerberufung folgt nach - und ist somit durch die vorhergehenden Wunder plausibler geworden. Die Heilung erfolgt bei Lk nur durch das Wort, eine Heilgeste fehlt. Heilung eines Aussätzigen: Mk 1,40-45 (//Mt 8,2-4; Lk 5,12-16) Aussätzigen-Heilungen gelten nach antik-jüdischem Verständnis als Höhepunkt von Krankenheilungen - sie bilden gleichsam die Brücke zu Totenerweckungen. Aussatz wurde nur z.T. als Krankheit im medizinischen Sinn angesehen, weit mehr wurde er als Strafe GOTTES gesehen: daher schloss Aussatz vom Kult ("unrein") und von der Gemeinschaft des GOTTESvolkes aus, war also für den Betroffenen zugleich ein religiöses und soziales Problem. Da Aussatz damals als unheilbar angesehen wurde, wurde der Aussätzige als Toter verstanden (Gleichsetzung von todgeweiht und tot). Selbst in den messianischen "Visitenkarten" des Proto- (Jes 26,19;29,18; 35,5f.) und TritoJESAIA (Jes 61,1) werden vom MESSIAS keine Aussätzigen-Heilungen erwartet - insofern überbietet JESUS auch hier das atl. MESSIASbild ! Die Perikope verweist in ein judenchristliches Milieu ("Priester", "Reinigungsopfer"). Die MkRedaktion ist wenig geglättet, sie zeigt einige Widersprüche. V.40 skizziert die Situation: ein Aussätziger kommt zu JESUS und bittet um Heilung. Dass weder der Name des Mannes noch Ort noch Zeit genannt werden, verleiht der Erzählung typischen Charakter: jeder Hilflose kann und soll sich an JESUS wenden. Die Bitte setzt das Vertrauen voraus, dass in und durch JESUS GOTT selbst wirke. VV.41 f.: JESUS handelt - wie GOTT - aus Erbarmen. Er heilt - ohne "Berührungsangst" - durch Heilungsgeste und Heilungswort. Wie beim priesterschriftlichen Schöpfungswort GOTTES tritt der Erfolg sofort ein. VV.43-45: Diese Verse sind schwierig. Warum "schnaubt" JESUS den Mann an (embrimaomai heißt schnauben - zu brime = Grimm - und wird meist von Pferden ausgesagt; die deutsche Übersetzung ist bereits geglättet) und schickt ihn weg ? Warum gebietet JESUS ihm Schweigen ? Eine Interpretationsmöglichkeit wäre, dies alles im Sinne des mk. MESSIASgeheimnisses zu verstehen: JESUS will nicht als "magischer" oder "politischer" MESSIAS missverstanden werden. Eine andere Möglichkeit wäre, das "Schnauben" einerseits, das Wegschicken und Schweigegebot andererseits zu trennen. Dann könnte das Schnauben im Sinne einer enthusiastischen Erregung und damit als GOTTESverbindung des Wundertäters verstanden werden (auch JAHWE "schnaubt vor Zorn" - Ex 15,8); das Wegschicken und das Schweigegebot (im Sinne eines "heiligen Schweigens", das biblisch und außerbiblisch belegt ist) würden dann zu der folgenden Aufforderung gehören, sich "dem Priester zu zeigen", also das Wirken Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 39 JESU offiziell bestätigen zu lassen. - Der Geheilte gehorcht jedenfalls nicht, JESUS zieht sich zurück, die Hilfesuchenden finden Ihn dennoch. Mt eröffnet mit dieser Heilung die 10 Beglaubigungswunder nach der Bergpredigt. Er strafft die MkVorlage (bes. durch Weglassen der Gemütsregungen JESU) und akzentuiert daher die Reinigung des Aussätzigen / die kultische Bestätigung stärker. Auch das Schweigegebot ist hier klar in den kultischen Bezug gestellt (erst nach der priesterlichen Bestätigung darf der Geheilte davon erzählen). Wie oft bei Mt, wird die jüdische Führungsschicht vor eine Entscheidung für / gegen JESUS gestellt. Lk stellt die Heilung des Aussätzigen und die Heilung eines Gelähmten zwischen die Berufung der ersten Jünger und die Berufung des LEVI - beide Wunder dienen daher auch der Bestätigung der Vollmacht JESU. Der kultische Bezug ist für Lk, den für Heidenchristen schreibenden Heidenchristen, weniger wichtig; er lässt die traditionell vorgegebene Bestätigung der Priester nicht weg, akzentuiert sie aber als Beglaubigung der Vollmacht JESU. Dämonenaustreibungen (Exorzismen) Dämonenaustreibungen können nach unserem heutigen Verständnis als Sonderform der Krankenheilungen angesehen werden, nämlich als Heilung psychischer Erkrankungen. Für den Juden der Antike waren Dämonen die Personifizierung widergöttlicher Mächte, die im Menschen (psychische) Krankheiten verursachen; trotz ihrer übermenschlichen Macht erweist sich GOTT durch JESUS immer als der mächtigere. Wenn wir heute psychische Krankheiten auch nicht mehr auf Dämonen zurückführen, sollten wir doch zwei Aspekte nicht übersehen: erstens das Problem des Verhältnisses von psychischer Krankheit / Schuld und zweitens die Tatsache, dass größeres Wissen nicht zwingend zu größerem Glauben führt. Dämonenaustreibung in der Synagoge von Kafarnaum: Mk 1,21-28 (// Lk 4,31-37): Mk stellt diesen Exorzismus an die Spitze des Heils-Wirkens JESU. Dass diese Heilung am Schabbat und in der Synagoge erfolgt, wird nicht weiter verfolgt. Der Hauptakzent liegt darauf, dass die dämonischen Mächte JESUS eher erkennen als die Ihn umgebenden Menschen - von menschlicher Seite wird ein derartiges Bekenntnis erst nachösterlich erfolgen ! - , doch ist ihnen die Macht GOTTES überlegen. Die Dämonen werden daher in einem "Zwischenbereich" zwischen GOTT und den Menschen angesiedelt, einem metaphysischen Dualismus (Gleichrangigkeit des guten/bösen Prinzips, verworfen durch das Lat IV) ist daher jede biblische Basis entzogen - Gerahmt ist die Erzählung durch die Vollmacht Seiner Lehre (V.22 und 27). Totenerweckungen Totenerweckungen sind gleichsam gesteigerte Krankenheilungen. Sie sind schlechter bezeugt (nur drei, davon zwei nur bei einem Evangelisten) und schwerer zu interpretieren als Heilungen. In der Antike galt der Todkranke bereits als Toter; aber auch heute blieb das grundsätzliche Problem, dass niemand wissen kann, was zwischen Tod im medizinischen Sinn (Aufhören des irdischen Lebens) und Tod im religiösen Sinn (endgültige GOTTESbegegnung) geschieht. Die Tochter des JAIRUS: Mk 5,21-24.35-43 (// Mt 9,18-f.23-26; Lk 8,40-42.49-56) Mk beginnt mit der Situationsschilderung (VV.21-24): JESUS ist am See, umdrängt von viel Volk; der Synagogenvorsteher JAIRUS ("GOTT wird erleuchten", "GOTT wird erwecken") bittet um Heilung seiner schwerkranken Tochter. VV.25-34: Verzögerung durch die Heilung der Blutflüssigen. VV.35-41: Die Verzögerung bedeutet zugleich eine Steigerung, da das kranke Mädchen inzwischen gestorben ist. JESUS spricht dem Vater Mut zu und nimmt nur seine drei engsten Vertrauten mit. Seine Behauptung "Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur" ist merkwürdig: Sieht Er ihre Auferweckung voraus? Oder nimmt Er in ihr noch Leben wahr? Oder spiegelt der Satz eine frühere Stufe der Erzählung, in der es um eine Krankenheilung ging? Die Heilung/Erweckung geschieht, wie auch sonst oft, durch die Kombination von Heilgeste und Heilwort. V.42 f.: Feststellung des Erfolgs. Das Alter des Mädchens dürfte weniger symbolisch gemeint sein, sondern eher ihre beginnende Heiratsfähigkeit (Verlobungsalter: 12 bis 12 1/2) betonen - der Tod, bevor ein Mädchen Frau und Mutter geworden war, galt als besondere Strafe GOTTES. Das Wunder rehabilitiert daher auch JAIRUS. Lk folgt der Mk-Vorlage ziemlich genau, Mt kürzt extrem, so dass bei ihm auch der kunstvolle Aufbau: Bitte um eine Krankenheilung - Verzögerung - Steigerung zur Totenerweckung - wegfällt; bei Mt ist das Mädchen schon zu Beginn tot. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 40 Der Jüngling von Nain: Lk 7,11-17 (Sondergut) VV.11 f.: JESUS und die Jüngern nähern sich dem Ort Nain, in einer Gegenbewegung kommt ein Leichenzug heraus. Es handelt sich um den einzigen Sohn einer Witwe - der Verlust ist also nicht nur ein ideeller, sondern auch ein materieller (die Witwe verliert ihren Erhalter). VV.13-15: das erklärt das Erbarmen JESU - er erweckt den Toten durch Sein bloßes Wort (das atl. Vorbild ELIJA bittet GOTT um die Erweckung, 1 Kön 17,8-24). VV 16 f.: das Volk reagiert mit Furcht und GOTTESlob, weil GOTT Sein Volk in einem "großen Propheten" besucht hat. Lk hat für die Totenerweckung einen besonderen Rahmen gewählt: sie steht nach der Feldrede und der Heilung des Dieners des heidnischen Hauptmannes, die ihrerseits unter den Krankenheilungen eine Sonderstellung einnimmt (Fernheilung, Heide) und leitet über zur Täuferfrage "Bis Du es, der da kommen soll?" (7,19). Denn nach Seinem Lehren und Wirken kann JESUS antworten: "Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet (7,22: Jes 26,19;29,18; 35,5 f.; 61,1). Die Auferweckung des LAZARUS: Joh 11,1-44 Diese Totenerweckung ist Sondergut des Joh-Ev. Das Joh-Ev bringt quantitativ weniger Wunder als die Synoptiker, nämlich nur sieben, qualitativ sind sie stärker als Zeichen der Herrlichkeit JESU CHRISTI gestaltet - sie entsprechen den Offenbarungsreden des Joh-Evangeliums - und steigernd gereiht. Wahrscheinlich hatte der Verfasser eine eigene Zeichenquelle (Semeia-Quelle zu gr. semeion=Zeichen) zur Verfügung. Die Reihung: 1.Hochzeit von Kana (2,1-11) - 2. Heilung eines Beamtensohnes (4,46-54; vgl. Mt 8,5- 13; Lk 7,1-10) - 3. Heilung eines Gelähmten am Teich Betesda (Joh 5,1-15) - 4. Speisung der Fünftausend (Joh 6,1-15; vgl. Mk 6,32- 44; Mt 14,13-21; Lk 9, 10-17) 5. Rettender Seewandel (Joh 6,16- 21; vgl. Mk 6,45-52; Mt 14,22-33) - 6. Heilung eines Blindgeborenen (Joh 9,1-34) - 7. Auferweckung des LAZARUS (Joh 11,1-53). VV.1-5: In der Situationsangabe wird LAZARUS (EL-AZAR = GOTThelf) als Bruder der Schwestern MARIA und MARTA in Betanien vorgestellt. Weil er schwer erkrankt ist, schicken die Schwestern nach JESUS. JESUS weiß von vornherein, dass diese Krankheit "der Verherrlichung GOTTES" dient. VV.6-16: Die Verzögerung des Aufbruchs dient der Vergrößerung des Wunders. Die Reden JESU sind bewusst zweideutig: Er erinnert an den vorgerückten Tag, d.h. Seine sich dem Ende zuneigende Lebenszeit, bezeichnet den Tod des LAZARUS zunächst als Schlaf und sieht den Tod des LAZARUS als Bild des eigenen bevorstehenden Todes. VV.17-27: Die Gespräch mit MARTA (die - im Gegensatz zu Lk - hier als die gläubigere gezeichnet wird) bildet das Zentrum der Perikope, nicht die Zeichenhandlung selbst. "Ich bin die Auferstehung und das Leben" - der Glaube an JESUS nimmt schon jetzt in das göttliche Leben hinein, wodurch der irdische Tod irrelevant wird. JESUS ist Ewiges Leben, die folgende Totenerweckungsgeschichte ist nur Zeichen dafür. VV.28-44: Auf die Begegnung mit MARIA folgt die Erschütterung JESU - wohl nicht nur über den Tod des Freundes, sondern auch in Vorahnung des eigenen Todes - und die Erweckung. Die Betonung des 4.Tages zeigt die Größe des Wunders: Es war zeitgenössische jüdische Meinung, dass die Seele etwa 3 Tage bei dem Leichnam verweile und in dieser Zeit noch zurückkehren könne; erst ab der spürbaren Verwesung ("er riecht schon") wäre dies nicht mehr möglich. Das Gebet JESU ist kein Bittgebet JESUS dankt für die bereits erfolgte Erhörung - , sondern hat Offenbarungscharakter: es bestätigt die Einheit des Willens JESU mit dem des VATERS. Die Wirkung des Wunders ist zwiespältig: Viele Trauergäste werden gläubig, der Hohe Rat fasst den Tötungsbeschluss (11,53). Die Auferweckung einzelner Toter löst das Todesproblem nicht, sondern zeigt nur die Vollmacht JESU - nur die Auferweckung JESU löst das Todesproblem, weil sie keine Rückkehr in das irdische Leben, sondern das endgültige Eintreten in die vollkommene Daseinsweise GOTTES ist. Naturwunder Die sog. "Naturwunder" - das sind Wunder, in denen sich JESUS, analog zu JAHWE im AT, als Herr über die Natur erweist, - sind exegetisch weniger eindeutig als die Krankenheilungen (starke Abhängigkeit vom AT, große Nähe zu den Begleitwundern, auffällige Symbolik). Sicher ist ihr gemeinsamer Nenner: sie wollen JESUS als Herrn über die Natur ausweisen und damit Seine Göttlichkeit veranschaulichen, d.h. sie haben deutlichen Epiphaniecharakter. Die Frage nach ihrer Möglichkeit wird gar nicht thematisiert. Oft werden sie in Rettungswunder und Geschenkswunder unterteilt. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 41 Die Sturmstillung - ein epiphanisches Rettungswunder: Mk 4,35-41 (vgl. Mt 8,23-2; Lk 8,2225) Bei Mk steht die Perikope zwischen den Gleichnissen über das GOTTESreich (4,1-34) und drei pointierten Wundern (eine Besessenenheilung, eine Krankenheilung, eine Totenerweckung - Mk 5,1-43). Schon durch diese Stellung erhält das epiphanische Rettungswunder deutlichen Beglaubigungscharakter. Die VV.35-37 schildern die Situation: JESUS, der vom Boot aus gelehrt hatte, will am Abend in diesem Boot den See überqueren. Der sich erhebende Wirbelwind entspricht den meteorologischen Gegebenheiten, da gerade am Abend die kühleren W-Strömungen vom Mittelmeer und die heißen OStrömungen aus dem Landesinneren aufeinandertreffen. Die VV.38-39 zeichnen einen scharfen Kontrast zwischen JESUS, der in Seiner GOTTunmittelbarkeit friedlich schläft, und den panischen Jüngern, die Seine GOTTunmittelbarkeit immer noch nicht begreifen. JESUS gebietet den Naturgewalten wie Dämonen, und sie gehorchen Ihm - wie sie im AT nur JAHWE selbst gehorchen (vgl. die // Jon 3,1-16). VV.40-41: JESUS tadelt den Unglauben Seiner Jünger (ein typisch mk. Motiv), die Jünger stellen eine Frage, die sich bis heute jeder Mensch stellen muss, der von JESUS hört - "Was ist das für ein Mensch ?" So betont diese Erzählung, dass christlicher Glaube das Vertrauen an die Gegenwart JESU in Seiner Kirche bedeutet, auch und gerade in Verfolgungszeiten. Mt hat die Erzählung in die Sammlung messianischer Wundertaten (Mt 8-9) eingereiht, die die Bergpredigt gleichsam bestätigen; zugleich hat er den Akzent "Nachfolge" stärker herausgearbeitet: Nachfolge ist immer bedroht (Sturm), darf aber auf Rettung durch CHRISTUS (Sturmstillung) hoffen. Lk schließt die Geschichte an die Perikope von den wahren Verwandten JESU an (Lk 8,19-21) und verschiebt daher den Akzent etwas: die wahren Verwandten JESU sind die, die Ihm auch in der Not vertrauen. Die Brotvermehrung - ein messianisches Geschenkwunder: Mk 6,32-44 (//Mt 14,13-21; Lk 9,10-17; vgl. Joh 6,1-13) Vorlage sowohl für die Synoptiker als auch für Joh war eine urchristliche Erzählung von einer wunderbaren Speisung von 5000 Männern mit 5 Broten und 2 Fischen; schon diese Vorlage hatte den Seewandel JESU angeschlossen. Atl. Vorlagen sind die Speisung der Witwe von Sarepta durch ELIJA (1 Kön 17,8-16) und die Speisung von 100 Männern durch ELISCHA (2 Kön 4,42-44). Mk beginnt mit der Situationsschilderung (VV.32-37): JESUS hatte sich mit Seinen Jüngern zurückgezogen (an das Ost-Ufer des Sees), doch viele Leute folgten ihnen. Die Situation spitzt sich durch die Einsamkeit der Gegend und die späte Tageszeit zu einer Notlage zu. Die Bestandsaufnahme der vorhandenen Speisen ergibt 5 Brote und 2 Fische (übliche Nahrung; Symbolik der Zahlen unklar). VV. 38-41: JESUS lässt die Menschen in Gruppen (w.: "wie Beete", vgl. Ex 18,21.25) "ins grüne Gras" (Ps 23) lagern, spricht den Segen und teilt Brote und Fische an die Jünger zur Weiterverteilung aus. Das Wunder selbst wird nicht geschildert, es ereignet sich beim Verteilen. Parallelen zum Letzten Abendmahl (Gebet, Verteilen) sind deutlich. JESUS ist durch diese Zeichenhandlung als guter Hirte und messianischer Gastgeber charakterisiert. VV.42-44: Feststellung des Wunders; die 12 Körbe könnten symbolisch das gesamte Volk Israel meinen, das vom MESSIAS Speise im Überfluss erhält. Mt und Lk betonen den sozialen Aspekt stärker als die Bezüge zum AT (Hirte). Das "Gebt ihr ihnen zu essen" ist bleibender Auftrag an die Kirche. Mk (8,1-10) und Mt (15,32-39) bringen noch eine wunderbare Speisung von 4000 Männern. Ursprünglich lag wohl dieselbe Erzählung zugrunde, wurde aber von Mk und ihm folgend Mt als zwei Ereignisse aufgefasst. Vor allem Mk setzt mit der Dopplung neue Akzente: Er betont erstens die Blindheit der Menschen gegenüber GOTTES Heilshandeln, zweitens lässt er die zweite Speisung in einem jüdisch/heidnischen Mischgebiet spielen - Juden und Heiden sind zur messianischen Mahlgemeinschaft geladen. Joh hat, wie bei allen Wundern, den Zeichencharakter stärker herausgearbeitet. Ferner schließt er nach dem Seewandel die Brotrede (6,22-59) an, eine Offenbarungsrede, die in ihrem ersten Teil das Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 42 Speisungswunder als Zeichen dafür auslegt, dass JESUS das "Brot des Lebens" ist, und in ihrem zweiten (wohl von einem späteren Redaktor stammenden) Teil starke eucharistische Bezüge aufweist. 2.2.3 JESUS versteht Sich als Herr über die Sünde Der fromme Jude z.Z. JESU glaubte an eine Sündenvergebung durch GOTT selbst, wobei bestimmte auf GOTTES Gebot zurückgeführte Riten vollzogen werden mussten (vgl. bes. Lev 11-16). Um aber erst gar nicht in den Bereich der Sünde (schon im nachexilischen Judentum erfolgte die Engführung von Sünde auf Schuld) zu geraten, mieden die Frommen jeden Umgang mit Sündern, vor allem die Mahlgemeinschaft mit ihnen. Für uns ist die Bedeutung gemeinsamen Essens weitgehend verblasst - für den antiken Menschen aber war Mahlgemeinschaft eine Art der Verwirklichung von Lebensgemeinschaft. Dies geht auf die Nomadenzeit zurück: Wer als Gast akzeptiert worden war, hatte denselben Anspruch auf Schutz wie ein Mitglied der eigenen Sippe. Und JESUS gewährte die Mahlgemeinschaft / Lebensgemeinschaft ohne irgendeine Vorleistung (vgl. ZACHÄUS) ! Daher musste es auf die Zeitgenossen JESU schockierend wirken, wenn Er wiederholt (vgl. Mk 2,13-17 // Mt 9,9-13 // Lk 5,27-32; Lk 7,36-50; Lk 19,1-10) mit Sündern Mahl hielt, ja, vielleicht sogar Schuld erließ (Mk 2,12 // Mt 9,1-8 // Lk 5,17-26; Lk 7,36-50; Joh 8, 1-11) und diese Vollmacht Jüngern übertrug (an PETRUS: Mt 16,19 und Joh 21,15-17; an alle Jünger: Mt 18,18 und Joh 20,23). Es zwar exegetisch umstritten, ob JESUS schon zu Lebzeiten verbaliter Schuld vergeben hat oder ob an den genannten Stellen eine nachösterliche Vorstellung rückprojiziert wurde, doch ist dieser exegetische Streit nicht sehr relevant, da schon die unbestrittenen Mahlgemeinschaften mit Sündern JESU' Anspruch zureichend ausdrückten. Denn diese Handlungen lagen nicht auf der Ebene der Vermittlung der Sündenvergebung durch die Priester, die nur als Verwalter der rituellen Sündenvergebung fungierten, sondern JESUS handelte in eigenem Namen und beanspruchte damit göttliche Autorität. Von der Bibel, aber auch von unseren religiösen Lebenserfahrung her wäre es sinnvoll, zischen „Sünde“ (hamartía, meist im Singular) und „Schuld“ (opheílema, meist Plural opheilémata) zu unterscheiden. „Sünde“ ist alles, was uns von GOTT ab-sond-ert, die persönliche Schuld, aber auch das, was uns andere angetan haben, also unaufgearbeitete Verletzungen, und die Unheilsstrukturen der Welt, die sog. „strukturelle Sünde“. CHRISTUS nimmt als „Lamm GOTTES“ „die Sünde der Welt“ hinweg, d.h. beseitigt die Trennung von GOTT und Welt, „öffnet den Himmel“, wozu neben der Vergebung von Schuld eben jede Heilung von Unheilsstrukturen, positiv formuliert: die Errichtung des GOTTESREICHES, gehört. Zugleich korrigierte JESUS die nachexilische Vorstellung von Sündenvergebung: Diese Vergebung ist in der Liebe GOTTES zu den Menschen begründet und nicht durch menschliche "Leistungen" verdienbar (vgl. Lk 15,11-32; Mt 20,1-16 und 22,114) – JESUS rückt damit die Sündenvergebung in die Nähe der Heilung und weg von Bußleistungen. Doch respektiert GOTT unsere Freiheit und drängt uns Seine Liebe nicht auf - GOTTES grundsätzliche Vergebungsbereitschaft wird nur in dem Menschen wirksam, der seinen Mitmenschen vergibt (vgl. die vorletzte Bitte des Vater unsers und das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, Mt 18,23-35) und der "umkehrt". Umkehr meint nicht Reue im Sinne eines vagen traurigen Gefühls, sondern im Sinne einer tätigen Umkehr (hebr. schub, griech. metanoia), d.i. Abkehr Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 43 von allem, was uns von GOTT trennt, und Hinkehr zu GOTT, spielt schon im AT eine große Rolle (vgl. z.B. Ps 51,19). Im NT ist daher die "Sünde gegen den GEIST" (Mk 3,28 f. // Mt 12,31 f. // Lk 12,10) die einzige Sünde, die nicht vergeben werden kann - besteht sie doch in der Verweigerung der Umkehr. Durch Seine Haltung eröffnete JESUS Sündern immer wieder eine Chance, was an einigen Beispielen gezeigt werden soll: Es ist zwar, wie bereits erwähnt, exegetisch umstritten, ob JESUS direkt (verbal) Sünden vergeben hat, unumstritten ist, dass Er dies indirekt (nonverbal) getan hat - in der Art und Weise, wie Er mit Sündern umging, besonders, dass und wie Er mit ihnen Mahl hielt. War doch gerade das Mahl für den damaligen Juden eine Lebensgemeinschaft vor GOTT. Von allen Evangelisten hat Lk JESUS am deutlichsten als "Freund der Sünder" gezeichnet; sicher zeigt sich darin - wie bei Lk auch sonst ein ausgeprägtes soziales Engagement, vielleicht aber auch die Auseinandersetzung mit der für die frühen christlichen Gemeinden aktuellen Frage, wie man mit den Sündern in den eigenen Reihen umgehen bzw. ob sich christliche Missionare auch an bekannte Sünder wenden sollten. JESUS und die Sünderin beim Gastmahl (Lk 7,36-50): Eine gemeinsame Überlieferung wurde von den Evangelisten verschieden behandelt: Während die drei anderen diese Salbungsgeschichte in den Rahmen der Passion stellten, ist sie bei Lk als eine Sündenvergebungs-Geschichte ausgestaltet. Die Erzählung beginnt mit einer Situationsschilderung (VV.36-38): JESUS ist Gast bei einem Pharisäer namens SIMON, da dringt eine "Sünderin" (vermutlich Dirne) in die Männergesellschaft ein, was damals als skandalös galt. JESUS setzt Seinen Ruf aufs Spiel, während der Pharisäer distanzierter Zuschauer bleibt. VV 39-43: JESUS beantwortet die Zweifel des Pharisäers an Seinem Prophetentum mit einem Gleichnis, das zeigt, dass Er ihn durchschaut hat, doch ohne ihn zu beschämen. VV.44-50: JESUS lobt die Liebe der Frau und verheißt ihr dafür Sündenvergebung. Die Schlussformel "Dein Glaube hat Dir geholfen" - findet sich sonst in Heilungsgeschichten und zeigt an, dass auch hier eine Heilung stattgefunden hat, die Heilung von einem verpfuschten Leben. Die Sinnspitze des Gleichnisses - Liebe als Folge der Vergebung - (VV.40-43) passt allerdings nicht ganz zur Reaktion JESU auf die Salbungs-Aktion der Sünderin - Liebe als Grund der Vergebung (V.47). Lk lässt diesen (vielleicht aus der Traditionsgeschichte stammenden) Widerspruch ungeglättet stehen, ihm kommt es auf die Betonung des engen Zusammenhanges von Liebe/Vergebung an, nicht, was Priorität hat. Vielleicht hat die - von den anderen Evangelisten verschiedene - Gestaltung der Salbungsgeschichte durch Lk konkrete Anhaltspunkte in seiner Gemeinde: Es galt einen Mittelweg zu finden zwischen der Akzeptanz bekehrter Dirnen und der strikten Ablehnung eines Rückfalls ihrer "Ex-Kunden" in "heidnische Unzucht". Dieser Weg zwischen Toleranz gegenüber dem Sünder / Intoleranz gegenüber der Sünde wird an einer unjohanneischen Perikope im Joh-Ev noch deutlicher: JESUS und die Ehebrecherin (Joh 8,1-11) Diese Perikope gilt als Einschub in das Joh-Ev - sie würde eher zu den Synoptikern, am besten zu Lk passen -, was die Aussagekraft der Erzählung aber keineswegs schmälert. VV.1-3: In der Situationsschilderung werden Ort (Tempel) und Akteure (JESUS, "Schriftgelehrte und Pharisäer", eine ertappte Ehebrecherin) vorgestellt. VV.4-6a: Die Schriftgelehrten und Pharisäer stellen JESUS eine Scheinfrage, um Ihm eine Falle zu stellen - sich entweder gegen die Tora oder gegen die Sünderin zu stellen. VV.6b-8: JESUS reagiert souverän, indem Er aus den Anklägern Angeklagte macht: Zuerst beachtet Er sie nicht und zeichnet demonstrativ in den Sand, dann spricht Er einen einzigen Satz, der aber kein Ausweichen gestattet: "Wer von euch ohne Sünde ist V.9: Die Gesetzeshüter ziehen isch beschämt zurück. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 44 VV.10-11: JESUS hat der Frau eine Chance eröffnet, mahnt sie aber zur Umkehr. Heute wird in der Auslegung oft nur die Chance gesehen, was aber sicher eine Verkürzung der Aussage ist: Chance und Umkehr gehören zusammen. JESUS als Gast bei ZACHÄUS (Lk 19,1-10) Die Erzählung ist ein Sondergut des Lk und verrät gerade dadurch dessen Interesse an Vergebungsgeschichten. VV.1-4: Am Beginn die Situationsschilderung: JESUS kommt auf Seinem Weg nach Jerusalem durch Jericho, viele Menschen wollen Ihn sehen, darunter auch der reiche Zöllner ZACHÄUS ("der Reine" der Name bewahrheitet sich erst am Ende der Geschichte). Da der Mann kleinwüchsig ist, klettert er auf einen Maulbeerfeigenbaum. VV.5-7: JESUS lädt sich bei dem Zöllner ein, was eine unterschiedliche Reaktion der Anwesenden hervorruft: Der Zöllner klettert "schnell" vom Baum und nimmt JESUS "freudig" auf - die Menge (hier also nicht bloß die "Frommen") empört sich über JESU' Einkehr bei einem Sünder. VV.8-10: JESU' Hinwendung zum Sünder ZACHÄUS veranlasst diesen zur tätigen Umkehr, zur großzügiger Rückerstattung und - auch das ein bei Lk beliebtes Motiv - Almosenspende. JESUS spricht ihm und seinem haus Heil zu. Gerade diese Erzählung verdeutlicht, dass GOTTES Kommen in JESUS und nicht die eigene Leistung Grund des Heiles ist. 2.2.4 JESUS kümmert Sich nicht um die damalige Diskriminierung der Frau Die jüdische Frau zur Zeit JESU teilte die generelle Benachteiligung der Frau im Orient (vgl. EBTH): so etwa war sie in ihrer Wirksamkeit auf den häuslichen Bereich beschränkt, dort aber nicht nur ihrem Mann, sondern auch ihren volljährigen Söhnen unterstellt; vor Gericht galt ihre Zeugenaussage nur so viel wie die eines minderjährigen Kindes; eine Scheidung war nur vom Mann her möglich, wobei die Frau nur im Falle von "Schuldlosigkeit" ihre Mitgift, d.h. ihre Sozialversorgung, zurückerhielt - und die Frage der Schuld wurde meist sehr zum Nachteil der Frau entschieden: gerade zur Zeit JESU diskutierten die beiden bekanntesten Rabbinerschulen darüber, ob schon eine angebrannte Suppe (!) als Schuld der Frau auszulegen sei; jedenfalls aber machte sich eine Frau schuldig, wenn sie in der Öffentlichkeit mit einem anderen Mann sprach. Der orthodoxe Jude, besonders aber der orthodoxe Rabbi, vermeidet bis heute das Gespräch mit und die Berührung von fremden Frauen (d.h. auch der Gruß wird nicht von einem Händedruck begleitet). Mehrere Frauen waren im Judentum erlaubt, doch da sich nur die Reichen mehrere Frauen leisten konnten, kam es bei Ärmeren häufig zum "Austausch" der alt und abgearbeitet gewordenen Ehefrau gegen eine jüngere - wogegen JESUS Sich in der Bergpredigt wendet (Mt 5,31 f.: diese Antithese hatte also urspr. einen anderen Sinn als im heutigen Kirchenrecht) Es war daher für die damalige Sitte geradezu skandalös, dass JESUS mit fremden Frauen ebenso sprach wie mit Männern - ja, sogar mit "unreinen" Frauen (Heilung der Blutflüssigen: Mk 5,25-34 // Mt 9,20-22 // Lk 8,43-48), mit Sünderinnen (Lk 7,36-50; Joh 8,1-11), mit Samariterinnen (Joh 4,1-41), mit Heidinnen (Mk 7,24-30 // Mt 15,21-28). Ja, Er machte Frauen sogar zu Seinen Jüngerinnen (Lk 8,1-3) und zu den Erstzeugen Seiner Auferstehung - eine glaubwürdige Tatsache, nicht nur, weil dies von allen vier Evangelisten übereinstimmend erzählt wird, sondern weit Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 45 mehr deshalb, weil kein vernünftiger Mensch zur damaligen Zeit Frauen als Erstzeugen erfunden hätte. Und JESUS scheute Sich nicht, GOTT selbst mit einer Frau zu vergleichen, die auf der Suche einer verlorenen Drachme ihr Haus zusammenkehrt (Lk 15,8-10). JESU' Umgang mit Frauen war also so revolutionär, dass man dieses Verhalten in der Kirche bis heute nicht so recht verkraftet hat, worauf im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Frauen in der Apg und in den PLBriefen noch eingegangen wird. 2.2.5 JESUS nennt den unaussprechlichen JAHWE "abba"(Papa) Der gläubige Jude hatte (und hat) eine große Ehrfurcht vor dem Namen GOTTES, die er dadurch ausdrückte, dass er diesen Namen nicht nur nicht achtlos, sondern gar nicht direkt aussprach, sondern ihn umschrieb - etwa mit "Herr", "Höchster" etc. Nur der Hohepriester durfte ein Mal im Jahr, und zwar am Versöhnungstag, den GOTTESnamen JAHWE aussprechen; doch tat er dies im Allerheiligsten des Tempels, das er allein betreten durfte und wo ihn daher niemand hörte. Später, als das BibelHebräisch eine tote Sprache geworden war und man daher Vokalzeichen unter (oder über) der ursprünglichen Konsonantenschrift anbrachte, vokalisierte man bewusst falsch, damit kein Bibelleser irrtümlich den richtigen GOTTESnamen las. Die Mas(s)oreten, eine Gruppe jüdischer Gelehrter vor allem in Tiberias, besorgten zwischen 7. und 10.Jh. diese Vokalisierung und eine textkritische und erläuternde Überarbeitung des AT. Sie vokalisierten JAHWE mit den Vokalen des hebräischen "Herr" - etwa wie wenn man bei uns statt GOTT "GETT" schriebe -, woraus JEHOWA entstand. Heute wird diese Bezeichnung nur noch von einer Sekte verwendet, die jegliche wissenschaftliche Bibelarbeit ablehnt. Und noch heute müssen kaputtgewordene Torarollen in geweihter Friedhofserde bestattet werde, weil sie den Namen GOTTES enthielten. - Erst von diesem religiösen Hintergrund her wird verständlich, wie provokativ es auf die Zeitgenossen JESU gewirkt haben muss, wenn Er GOTT mit dem zärtlichen Lallwort "abba" (etwa entsprechend unserem "Papa") ansprach. 2.2.6 JESUS - ein politischer Revolutionär? JESU' Anspruch in Seinem Lehren und Wirken stellte (und stellt!) die Menschen vor die Entscheidung: Ihn als Repräsentanten göttlicher Autorität anzuerkennen oder Ihn als blasphemischen Hochstapler zu verurteilen. In diesem Sinne ist Er sicher als Revolutionär zu bezeichnen. Aber war Er auch im engeren, im politischen, Sinne ein Revolutionär? Seit der Aufklärung wurde diese These immer wieder vertreten. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 46 Thesen: JESUS war ein politischer Revolutionär, der nach Seinem Scheitern zum Religionsgründer hochstilisiert wurde - denn: die Kreuzigung war für Revolutionäre die typische Hinrichtungsart. Gegenargumente: Das politische Motiv musste vom Hohen Rat vorgeschoben werden, um eine Verurteilung durch die religiös uninteressierten Römer zu erreichen. Die Tempelreinigung war eine Art Bankraub, um eine Revolte zu finanzieren. Die Tempelreinigung war eine prophetische Zeichenhandlung; mit den damaligen Waffen wäre auf dem riesigen Tempelgelände ein Raub unmöglich. Manche Jünger sind eindeutig als Revolutionäre charakterisiert: so SIMON PETRUS durch das Mittragen eines Kurzschwertes; der andere SIMON durch den Beinamen "Zelotes"; vielleicht ist auch der Beiname "Iskariot" eher als "Sicarius" zu deuten. Dass sich bei den Jüngern auch Revolutionäre befanden, ist richtig; doch ebenso berief JESUS auch Zöllner, also Kollaborateure: diese Tatsache und Sein gesamtes Verhalten widersprechen der Annahme, JESUS habe eine Terrorgruppe ausbilden wollen. Der berüchtigte PONTIUS PILATUS wird von Evangelium zu Evangelium sympathischer dargestellt, um das Christentum für die Römer annehmbar zu machen. Dass in den Evangelien PILATUS immer sympathischer dargestellt wird, ist richtig. Doch beruht diese Tatsache nicht auf dem Vertuschen einer revolutionären Tätigkeit JESU, sondern auf dem Übergang von der Judenzur Heidenmission: man wollte die Römer von der Schuld am Tod JESU entlasten - leider aufkosten der Juden. Man kann also sagen: Im Judentum war politisches und religiöses Engagement eng verbunden. Auch wenn JESUS kein politischer Terrorist und Ziel Seines Wirkens nicht der Aufstand gegen Rom war, so hatte Sein Handeln doch sozialpolitische Bedeutung - etwa Sein Umgang mit Außenseitern. Er wollte die Bekehrung Seines Volkes zu Seinem VATER, damit dieses Volk zum Licht für die Völker (Jes 60,3 u.ö. vgl. Mt 5,14-16) werde. Eben deshalb sollte in diesem Volk das GOTTESREICH, d.h. die heilbringende Nähe GOTTES, erfahrbar werden - und das erfordert eine tatsächliche sukzessive Umgestaltung des GOTTESvolkes (eine Forderung, die nach der Auferstehung JESU auf die Kirche übergegangen ist). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 47 Anhang zum Kap. 2: Kurzkommentar zum Mk-Ev. Zum Autor und Werk vgl. Skriptum EBTH Einleitung: Mk 1,1-8 V.1: Überschrift des gesamten Buches. „Anfang“: Neuanfang in der Geschichte durch GOTT selbst gesetzt „Evangelium“: Freudenbotschaft; seit PAULUS auf die mündliche Verkündigung von JESU Tod & Auferstehung bezogen, seit JUSTIN auf die schriftliche Fassung durch die Evangelisten bezogen.- Bekenntnis: JESUS ist der CHRISTUS (der MASCHIACH = MESSIAS), der CHRISTUS ist der SOHN GOTTES VV.2-3 Mk zitiert ungenau: V. 2 b ist ein Zitat aus Mal. 3,1, nicht aus Jes.; es bezieht sich auf die endzeitlich erwartete Wiederkunft des ELIJA Charakterisierung des Täufers als wiedergekommener ELIJA (auch von Q, vgl. Lk 1,17; Mt, 11,7). Durch den Zusatz „vor dir her“ wird das Zitat nicht mehr auf das endzeitliche Kommen JAHWEs, sondern auf das Kommen des MESSIAS in der Zeit bezogen (vgl. auch Mt 11,10 Q). V. 3 ist ein Zitat von Jes 40,3, auch leicht modifiziert, weil es auf den Täufer bezogen wird: „Eine Stimme (nämlich die des Täufers) ruft in der Wüste“; bei Jes heißt es aber: „Eine Stimme ruft: In der Wüste bereitet ...“: Die Gemeinde von Qumran begründete damit ihr Leben und Wirken in der Wüste VV. 4-5: V. 4 schildert das Wirken des Täufers: „Wüste“ seit Ex. als Ort der Erprobung und GOTTESbegegnung. „Umkehr“ = die die ganze Schrift durchziehende Voraussetzung der Sündenvergebung; denn: da GOTT die Freiheit des Menschen achtet, wartet er dessen Umkehr, dessen Sinnesänderung, ab. Die Herkunft der Taufe des JOHANNES und später der Urkirche ist historisch unklar; sie dürfte in den kultischen Reinigungsbädern und in der Proselytentaufe der Juden wurzeln. V.5 schildert den Erfolg der Verkündigung des JOH. wohl übertrieben, zeigt aber gut die eschatologische Aufbruchsstimmung V.6: Der Täufer wird dem Bild des ELIJA (vgl. 2 Kön 1) nachgebildet VV. 7-8: Der Täufer verkündet einen „Stärkeren“ – vgl. Q: Mt 3,11=Lk 3,16 (dort tauft JESUS mit Hl. GEIST und Feuer“). Bei Mk dürfte „Wasser“ nur die Reinigung von den Sünden symbolisieren, der „Hl. GEIST“ (w.: Lebensatem) aber das Hineingenommen-Werden in ein neues Leben JESU Wirken in Galiläa (1-9) 1,9-11 Taufe wahrscheinlich historisch – Berufungserlebnis JESU // Berufung von Propheten und des GOTTESknechtes (Jes 42,1 ff.) Atl. Vorbilder: Himmelsöffnung (Jes 63,19; Ez 1,1) & GEISTherabkunft auf den MESSIAS (Jes 11,1), wobei Symbol der Taube wohl ein Symbol für einen Liebesmessias darstellt Die Frage nach dem Unterschied zu Königs- und Prophetenberufungen und damit die Frage nach der einmaligen GOTTSOHNschaft JESU wird hier noch nicht gestellt - Mk will nur JESU Beauftragung durch GOTT herausstellen. Dennoch ist die Szene trinitarisch strukturiert und daher Basis der späteren Ausfaltung der Trinitologie Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 48 Zum Nachdenken: JESUS wird Sich bei der Taufe bewusst, wer Er in Wahrheit ist (der SOHN GOTTES) und was daher Seine Lebensaufgabe ist = Berufungserlebnis - gibt es dazu Gemeinsamkeiten / Unterschiede in unserem Leben? Wie hängen Annehmen der persönlichen Berufung und sinnerfülltes Leben zusammen? – vgl. STEINDL-RAST: wer nicht auf GOTT hört, dessen Leben wird „absurd“ (wörtl.: völlig taub) 1,12-13 Während Mt und Lk Q folgen (Ausfaltung der Versuchung: Fasten, 3 messianisch deutbare Versuchungsinhalte, Anklang an MOSE und Wüstenwanderung), bietet Mk eine kürzere Fassung mit Anklängen an ADAM – die im MA beliebt gewordene ADAM-CHRISTUSTypologie geht also nicht nur auf PAULUS (Röm 5,12-21) zurück. ADAM bestand die Versuchung nicht und verlor das Paradies – JESUS, der Gerechte der Endzeit, besteht die Versuchung und stellt das Paradies wieder her. Zum Nachdenken: Wofür ist Paradies ein Bild? Und warum geht dieses Paradies durch die Sünde (Ab-sonderung) verloren? Warum wird ADAM im Paradies, JESUS in der Wüste versucht? 1,14-15 JESUS löst JOHANNES in mehrfacher Hinsicht ab – V. 15 ist gleichsam die „Visitenkarte“ JESU: Er beginnt Seine Verkündigungstätigkeit erst, als die des JOHANNES gewaltsam beendet wurde („ausliefern“ – ins Gefängnis und / oder dem Tod: später auch von JESUS und von Märtyrern gebraucht) Die Drohbotschaft wird zur Frohbotschaft (allerdings nicht ganz ohne Gerichtszüge) „Erfüllt ist die Zeit“: JESUS versteht sich nicht als Vorläufer, sondern als Bringer der Heilszeit „Reich GOTTES / Herrschaft GOTTES“: im AT zunächst als irdisches Friedensreich verstanden, erhielt erst durch den beginnenden Jenseitsglauben auch (niemals nur!) jenseitige Züge. Neu ist bei JESUS der Anspruch, dass es mit Ihm auf Erden begonnen habe „kehrt um und glaubt“: Glauben (= Verankerung des Lebens in GOTT) und Umkehr (= Abwendung von allem, was uns von GOTT trennt) gehören nach biblischem Verständnis untrennbar zusammen – daher ist Verweigerung der Umkehr (=Sünde gegen den GEIST) die einzige Sünde, die nicht vergeben werden kann „Frohbotschaft“: bei den Griechen und Römern nur profan verwendet (z.B. Sieg eines Herrschers über Feinde), im AT profan und sakral, im NT immer auf GOTTES Heilswirken in JESUS bezogen, zunächst als mündliche Botschaft, von Mk zu einer eigenen Literaturgattung geformt Zum Nachdenken: „Erlöster müssten sie aussehen, die Christen“ (NIETZSCHE) - wir leben in einem Verkündigungsorden – was bedeutet das für mich persönlich? Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 49 Wer gegen den Unheilszusammenhang der Welt ankämpft = wer an der Konkretisierung des GOTTESreiches mitwirkt, muss mit Leid rechnen 1,16-20 „Ideale Szene“ – konkrete Einzelheiten sind bewusst weggelassen, damit der Hörer / Leser sich mit den Berufenen leichter identifizieren kann Zuerst erfolgt JESU erwählender Blick und Ruf – dann erst die freie Antwort des Menschen Zum Nachdenken: Jeder Mensch ist von GOTT gewollt = berufen: denn Er hat von jedem Menschen ein individuelles Bild, das dieser Mensch erreichen soll Der Mensch kann und soll auf diesen Ruf hören, indem er als Mensch seinen Lebensweg als Weg zu GOTT versteht und lebt als Christ CHRISTUS als „den“ Wegweiser annimmt als Individuum seine individuelle Berufung im GEIST schrittweise erhört und erfüllt Der Be-RUF-ung durch GOTT entspricht der Ge-HOR-sam des Menschen - 1,21-31 21 - 22: Es beginnt eine neue Szene – denn: Netzeflicken und Fischen wäre am Schabbat undenkbar. Jeder volljährige Mann durfte / darf im Synagogengottesdienst die Schrift auslegen. Neu ist also nicht das Lehren, sondern das Lehren in der Vollmacht GOTTES. 23: (Psychische) Krankheiten wurden auf Dämonen, also auf Widergöttliches, zurückgeführt 24: Der Dämon erkennt JESUS – bei Mk verschärft das die Tragik JESU, dass Dämonen und Heiden Ihn erkennen, Seine Jünger nicht -, hat aber doch keine Macht über Ihn; Nazarener erinnert wohl an Naziräer und ist daher ein Parallelausdruck zu „Heiliger GOTTES“: JESUS wird in die Reihe der geisterfüllten Rettergestalten gestellt 25-26: Das Wort JESU ist ebenso wirkmächtig wie das Wort GOTTES 27-28: Das Volk kritisiert hier nicht die Heilung am Schabbat, sondern erkennt in der Einzelheilung das Wirken GOTTES 29-31: Die Heilung der Schwiegermutter des PETRUS – PETRUS blieb verheiratet und nahm später seine Frau auf Missionsreisen mit (1 Kor 9,5) - schließt unmittelbar an und ergänzt die Dämonenaustreibung: JESUS heilt nicht nur in der (sakralen) Synagoge, sondern auch in einem (profanen) Privathaus, Er heilt nicht nur Männer, sondern auch Frauen – d.h. Sein Wirken grenzt nichts und niemanden aus. Die spezifische Form der Nachfolge der Frau ist das Dienen (15,41; vgl. auch Lk 8,3; Joh 12,2) – für damals eine Freizügigkeit, weil Rabbinen das Servieren von Frauen bei Tisch ablehnten, noch mehr weibliche Jünger (dies z.T. bis heute) Zum Nachdenken: Auch wenn der historische Kern von Krankenheilungsgeschichten kaum klar rekonstruierbar ist, hat JESUS sicher Kranke geheilt (vgl. Mk 3,22 b). Wie stelle ich mir „Wunder“, d.h. GOTTES Eingreifen in mein Leben, vor? Lasse ich GOTT frei, mich so zu heilen, wie Er es für richtig hält? (Ich wäre ja auch „geheilt“, wenn ich ein Leid annehmen und daran wachsen könnte!) Bin ich für andere heilsam? Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 50 1, 32-39 Ein „Summarium“, das JESU Wirken zusammenfasst – bes. häufig in der Apg. Als Bindeglied zwischen ausgeführten Szenen 32-34: Der Sonnenuntergang markiert das Ende des Schabbat JESUS kann uneingeschränkt heilen. Das Schweigegebot an die Dämonen gehört zum „MESSIASgeheimnis“ 35: Zwischen Seinem Lehren und Wirken „tankt“ JESUS im einsamen Gebet auf – hier u.ö. 36-37: Die Menschen – ebenso die Jünger – suchen JESUS wegen seiner Wundertaten, nicht, um umzukehren und nachzufolgen 38-39: Daher setzt Er Seine Verkündigung an anderen Orten fort 1,40-45 Die Aussätzigenheilung ist der Höhepunkt der im 1.Kapitel erfolgenden Selbstvorstellung JESU, da der Aussätzige als bereits tot galt 40: Der Aussätzige anerkennt GOTTES Gegenwart in JESUS (Kniefall) 41-42: Statt „voll Mitleid“ ist die ältere Lesart „voll Zorn“ (über die Krankheit als widergöttliche Macht). – Berührung: JESUS scheut nicht kultische Unreinheit (vgl. Barmh. Samariter) – Heilungswort Heilung 43-44: urspr. Lesart „Er schnaubte ihn an“ (vgl. Ex 15,8 und 10) – Schweigegebot hat hier wohl kultischen Sinn (Anerkennung der priesterlichen Vollmacht) Bin ich bereit, mich schmutzig zu machen, um anderen zu helfen, um Entscheidungen zu wagen, ... (vgl. HEGEL „Die schöne Seele handelt nicht“) 2,1-12 Wahrscheinlich war die urspr. Geschichte nur 1-5.11 f. 3- 4: das Durchbrechen des Daches – die Frage, ob das überhaupt möglich war, wird nicht gestellt - wird als Zeichen des großen Glaubens (der Träger, nicht des Gelähmten) dargestellt 5: Zuspruch der Sündenvergebung: meint nicht, dass die Krankheit Strafe eine besondere Sündhaftigkeit des Gelähmten sei, sondern dass alles Leid in der Trennung von GOTT wurzelt 6- 7: Einwand der Schriftgelehrten – er ist prinzipiell richtig, impliziert aber, dass GOTTES Gegenwart in JESUS nicht erkannt wird 8-11: JESUS bestätigt indirekt durch den Gebrauch des „theologischen Passivs“, dass GOTT heilt, aber zugleich, dass GOTT das durch Ihn, den Menschensohn, tut. Die Heilung ist Zeichen der Vollmacht der Sündenvergebung 12: „Chorschluss“ – das Volk ( die Gemeinde) erkennt GOTTES Gegenwart in JESUS Zusammenhang Heilung – Heil 2,13-17 14: Vorübergehen – erwählender Blick & berufendes Wort JESU – sofortige Nachfolge 15: Festmahl: JESUS & Jünger mit Zöllnern & Sündern Bild der Gemeinde 16-17: JESUS/MARKUS antwortet auf die Kritik der Schriftgelehrten mit einem von griech. Wanderphilosophen gebrauchten Bild auch die Gemeinde soll keine Trennwand zwischen „Gerechten“ und „Sündern“ errichten Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 51 Der, der nicht merkt, dass Gerechtsein und Sündersein nicht auf 2 Gruppen außer ihm verteilt werden kann, sondern sich in ihm selbst abspielt, wird selbstgerecht (vgl. Aufarbeitung des „Schattens“ bei C.G. JUNG) 2,18-22 18: Frage nach religiösen Sonderleistungen 19: JESU Anspruch, die Heilszeit („Hoch-zeit“) gebracht zu haben 20: umstritten, ob von JESUS oder Gemeindebildung – jedenfalls Hinweis auf die Zeit nach JESU Tod; faktisch führte die christl. Gemeinde bald Fasttage ein Mittwoch und Freitag, im Gegensatz zum jüdischen Montag-Donnerstag-Fasten 21 f: Warnung vor Halbheiten – das Eu-angelion verträgt kein Festhalten am Gesetz 2, 23-28 Dieser Schabbatkonflikt wirkt konstruiert (Woher kommen die Pharisäer? Warum kritisieren sie nur das Ährenraufen, das nach Dtn 23,25 erlaubt war und erst später als „Erntearbeit“ verboten, nicht aber das Wandern?) und ist wohl nachträglich um das JESUSwort in V. 27 gebildet worden 23 f: Ein Schabbatweg ist weniger als 1 km; Wandern und Ährenraufen war verboten Kritik der Pharisäer 25 f: Die Antwort JESU passt nicht ganz, da weder Er noch Seine Gemeinde Hunger litt - sie leitet aber zu dem radikaleren JESUSwort V. 27 über 27: JESUS rückt die Gesetzesauffassung nicht nur für Ausnahmefälle, sondern grundsätzlich zurecht: das Gesetz ist für den Menschen da – der Gehorsam besteht GOTT gegenüber, dem Gesetz gegenüber nur insofern, als es den Willen GOTTES konkretisiert 28: Zusatz, der die besondere Vollmacht JESU betont, aber dem MESSIAS-geheimnis widerspricht JESUS fordert, Gesetze ernst, aber nicht wörtlich zu nehmen – d.h.: eine unkritische wörtliche Befolgung („Kadavergehorsam“) bringt mich religiös nicht weiter, sondern nur die ernste Prüfung, ob und wie weit ein Gesetz in einer konkreten Situation auf GOTT hin durchsichtig, für mich zur Konkretisierung Seines Willens wird 3,1-6 Schabbatheilung = „Normenwunder“, weil JESUS zum Überdenken der Schabbat-Norm auffordert 1 f: Heilung (= ärztliche „Leistung“) = nur bei Lebensgefahr am Schabbat erlaubt 3 f: JESUS ruft den Kranken in die Mitte, weil Er durch ihn die „Gläubigen“ zum Nachdenken bringen will: Wenn am Schabbat der Vollendung der Schöpfung gedacht werden soll, kann seine „Heiligung“ nicht nur im Unterlassen von Arbeit bestehen, sondern in jeder Handlung, die die Schöpfung dieser Vollendung näher bringt 5: Zorn JESU über ihre Herzenshärte – Heilung 6: Ablehnung durch Seine Gegner – sie erkennen allerdings richtig, dass JESUS vor die Entscheidung stellt, das Heil von Ihm oder vom Gesetz abhängig zu machen Lasse ich mich durch GOTT immer wieder in Frage stellen ? Auch wir stehen vor der Alternative, mit „Herzenshärte“ zu reagieren oder unser Herz weit machen zu lassen. 3, 7-12 Summarium. Nur die Dämonen als überirdische Mächte erkennen JESUS als SOHN GOTTES, doch Er weiß die Zeit für die öffentliche Proklamation Seines Wesens noch nicht gekommen. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 52 3,13-19 13: Berg als Ort des Rückzugs und der GOTTESoffenbarung 14: „Er schuf die Zwölf“: zeigt Seine göttliche Vollmacht. Ziel der Zwölf ist primär das Zusammensein mit JESUS, nur sekundär das Verkünden und Heilen. Wahl der Zwölf = prophetische Zeichenhandlung: ganz Israel ist berufen, nicht nur wenige Auserwählte. Das zeigen auch die Namen: vom Zöllner bis zum Revolutionär sind alle berufen. – Die Berufung der Zwölf wird auch Mt 10, 2-4 und Lk 6, 14-16 geschildert, z.T. mit etwas anderen Namen. 3,20-35 Klare Komposition: Verblendung der leiblichen Verwandten wahre Verwandtschaft in GOTT, Verblendung der Schriftgelehrten unvergebbare Sünde 20-21: Die Verwandten halten JESUS für verrückt, sein „Bruder“ JAKOBUS wird in Gal. 2,12, f und in Apg. 21,18-24 als gesetzesstreng (Pharisäer?) geschildert 22-26: BAALZEBUL: syr. GOTT, „Herr des Hauses / des Tempels“ – von den Juden als „Herr der Fliegen“ verspottet und zunehmend als Name für den Teufel verwendet. Das Gleichnis soll betonen, dass JESUS nicht mithilfe des Teufels Dämonen austreibt 27: Indirekt charakterisiert sich JESUS damit als der Stärkere gegenüber dem „Starken“ / dem Teufel (Jes 49, 24 f.) - Er beantwortet die Frage nicht verbal, die Menschen sollen das aus Seinen Dämonenaustreibungen selbst erkennen. 28-30: JESUS warnt, sich gegen GOTT bzw. den GOTTESGEIST zu stellen: es geht hier nicht um Menschen, die zweifeln oder fragen 31-34: JOSEPH wird nur in den Kindheitsevangelien genannt – wahrscheinlich ist er früh gestorben. JESUS lehnt die leibliche Verwandtschaft nicht ab, aber wertet die geistliche höher – von ihr sind die leiblichen Verwandten nicht ausgeschlossen, laut Apg. finden sich CHRISTI Mutter und „Brüder“ in der Urgemeinde JESUS lehnt die natürliche Verwandtschaft nicht ab, wertet aber die geistliche Verwandtschaft höher 4,1-9. 10-12. 13-20 1-9: Das Gleichnis hat starken Verheißungscharakter: trotz aller Widerstände kommt das Wort GOTTES ans Ziel 10-12: durch spätere Überarbeitung schwer verständlich: JESUS sprach in Gleichnissen, um die Menschen für das GOTTESREICH zu öffnen (4,1-2), über das man gar nicht anders sprechen kann. In der Gemeinde wird daraus ein Gegensatz zwischen der verstehenden Gemeinde und den nichtverstehenden Heiden, auf JESUS rückprojiziert zwischen den verstehenden Jüngern und dem nichtverstehenden übrigen Volk. Mk hingegen charakterisiert 8, 17-21 auch die Jünger als unverständig, sie werden erst durch Ostern verständig 13-20: Allegorisierung durch die Gemeinde, deren Bestehen für diese Deutung schon vorausgesetzt ist – dadurch auch Umakzentuierung von der Verheißung zur moralischen Aufforderung Gleichnis : Allegorie Gabe : Aufgabe 4,21- 29 21: JESUS erklärt im Bild des Lichtes, warum Er wirken muss und Sich nicht schonen kann 22: War urspr. wohl ein Gerichtswort, wird aber zur Verheißung, dass JESU Gleichnisse zumindest in Zukunft verstanden werden 23: Aufforderung zum Verstehen der Gleichnisse Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 53 24-25: Verheißung, dass dem, der die Gnade des Verstehens annimmt, weiteres Verstehen geschenkt wird. 26-28: Das Gleichnis ruft zur Sorglosigkeit auf: GOTT wird vollenden, was wir in Seinem Sinn begonnen haben – allerdings müssen auch wir etwas tun, nämlich beginnen 29: Zitat aus Joel 4,13 über das Jüngste Gericht Wie äußert sich mein Glaube, dass GOTT durch CHRISTUS das „happy end“ der Schöpfung und Geschichte garantiert hat ? 4,30-32 Verheißungsbild für das Wachstum des GOTTESREICHES. Die Vögel symbolisieren bei Mk wohl die Beheimatung aller Völker in der Kirche 4,33-34 Hier wird das Sprechen in Gleichnissen positiv gedeutet – um verstanden zu werden. Doch für ein tieferes Verstehen ist das Zusammenleben mit JESUS nötig. 4,35-41 35-37: Seeüberquerung – Fallwind und Wellen als Bild für die Anfechtungen des Glaubenden 38: Gegenüberstellung des aufgrund Seines GOTTvertrauens ruhig schlafenden JESUS der angsterfüllten Jünger 39: JESUS ist HERR über die Natur wie im AT nur GOTT selbst 40: JESUS kritisiert ihren Kleinmut und fragt nach ihrem Glauben 41: An die Stelle der panischen Angst tritt die gottesfürchtige Frage: „Wer ist dieser?“ 5,1-20 Urspr. wohl bloße Dämonenaustreibung: die Lokalisierung im Heidenland und das SichErsäufen der Schweine kamen später dazu und passen zur Aussageabsicht, dass Dämonen sich bei Heiden und Schweinen wohl fühlen, nicht aber zu den geographischen Gegebenheiten (Schweine können nicht 50 km bei Hitze laufen). 1: Gerasa in der halbheidnischen Dekapolis, ca 50 km vom See Gennesaret 2-5: Gefährlichkeit der Besessenheit: Grabeshöhlen als Bereich des Todes, unmenschliche Verhaltensweisen 6-7: Die Dämonen verfügen über ein höheres Wissen => Tragik JESU, dass Ihn zunächst Dämonen und Heiden, nicht aber die eigenen Landsleute erkennen 8: Ausfahrbefehl nachgetragen – zeigt, dass GOTTES Wirken mächtiger als alle Dämonen 9-10: „Legion“ deutet nicht nur die Vielheit der Dämonen an, sondern ist auch eine Anspielung an die „dämonische“ römische Macht 11-13: Schweine als Symbol der Heiden; die Szene ist unrealistisch, das Sich-Ersäufen deutet die totale Vernichtung (See=Todessymbol) der widergöttlichen Mächte an. 14-17: positive Reaktion des Geheilten: er wurde „vermenschlicht“ – negative Reaktion der Bevölkerung 18-20: Die Nachfolge kann sehr verschieden aussehen – manche beruft JESUS als Wanderprediger, andere lässt Er in der Familie Was können wir uns heute unter „Dämonen“ vorstellen ? 5,21-43 In die Totenerweckungserzählung ist eine Heilungserzählung eingeschoben: die Retardierung bewirkt eine Steigerung: durch die Verzögerung tritt erst der Tod ein 21-24: Situationsschilderung. Ein Synagogenvorsteher ist ein angesehener Mann, der Name JAIRUS vielleicht eine spätere Einfügung („GOTT wird erwecken“). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 54 25-34: Einschub: Heilung der Blutflüssigen. Die Erzählung bricht mit vielen damaligen Tabus – eine Krankheit, über die man nicht spricht; eine „unreine“ Frau berührt JESUS; beide spüren die Heilung bis in Körperliche hinein. Wesentlich aber ist der Glaube, der das Heil brachte. 25-43: JESUS „sieht“ das inzwischen verstorbene Mädchen so, wie GOTT es sieht – lebendig. Zum ersten Mal werden 3 besondere Vertraute aus den 12 ausgewählt. Die Heilungsgeste ist einfach, scheut aber wieder nicht die kultische Verunreinigung. Die Überlieferung der Heilungsworte in aramäisch könnte sie entweder als authentisches JESUSwort oder als geheimnisvoll charakterisieren oder beides meinen. Das Umhergehen und Essen de Mädchens ist ein Bestätigungszeichen. Der historische Kern von Totenerweckungserzählungen ist schwer rekonstruierbar, klar ist ihre Aussageabsicht: GOTT erweist Sich durch JESUS als der HERR auch über den Tod. 6,1-6a 1-3: JESU Landsleute meinen JESUS zu kennen, weil sie Seine Herkunft und Seinen Beruf kennen. Das Berufsbild (tekton) ist unklar, es kann Holz-, Metall- oder Steinverarbeitung gemeint sein. „Sohn der MARIA“: unklar: weil MARIA Witwe war? Weil Seine Herkunft ungewiss war? „Brüder“ und „Schwestern“: i. Gr. meint adelphos / adelphe) wörtlich „der / die aus demselben Uterus Stammende“ (delphys = uterus), würde also für leibliche Geschwister sprechen ( evangel. Deutung). Im Hebr. / Aram. fehlt aber das entsprechende Parallelwort, „ach“ meint jeden männlichen Verwandten, besonders den Cousin; sprachsoziologisch ist das darin begründet, dass Griechenland früh Stadtkulturen mit Kleinfamilien hatte, die Juden aber lange Nomaden mit Sippengliederung waren, wo Brüder und Cousins gemeinsam aufwuchsen. Ferner werden die hier genannten „Brüder“ in der Passionsgeschichte (15,40) und in der Grabesgeschichte (16,1) zumindest partiell genannt, aber als Söhne einer anderen MARIA ( kath. Deutung). skandalizein) ist ein stärkerer Ausdruck als bloß „Anstoß nehmen“. 4: JESUS tadelt damit das Vorurteil, einen Menschen bloß nach seiner Herkunft zu beurteilen 5: von Mt gemildert, von Lk weggelassen, um die Allmacht JESU nicht zu trüben; aber: es geht hier darum, dass Glaube immer die Antwort des Menschen gegenüber GOTT oder Seinem SOHN einfordert. 6a: Betonung der Bedeutung des Glaubens Überlege, warum wir uns nicht nur von GOTT sondern auch vom Menschen als Bild GOTTES kein Bild machen sollen 6,6b-13 7-9: „Die Zwölf“ meint wohl eine besondere Gruppe innerhalb der Jünger, die Zwölfzahl ist Zeichen der Wiederherstellung der Ganzheit des Volkes Israel. Sicher war Nachfolge von Anfang an gestuft: Menschen, die JESUS in ihre Familie zurücksandte (z.B. den geheilten Besessenen von Gerasa) – Menschen, die Er aus Familie und Beruf herausrief (auch Frauen, vgl. Lk 8, 2 f.!) – die Zwölf – die Drei innerhalb der Zwölf (PETRUS, JAKOBUS, JOHANNES). – Aussendung zu zweit und nur mit dem unbedingt Nötigsten versorgt wurde Vorbild für die vita apostolica (z.B. DOMINICUS) 10: Zufriedenheit mit dem angebotenen Quartier 11: Bevollmächtigte Verkündigung wird zum Gericht, wenn sie nicht angenommen wird. Das Bild war für Juden verständlich: Wenn Juden aus einem heidnischen Gebiet heimkehrten, schüttelten sie den Staub ab 12: Umkehr = Bekehrung zu CHRISTUS 13: Öl als Heilmittel – mit Jak 5,14 f. als Wurzel der Krankensalbung gesehen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 55 Wie gehe ich mit dem Entscheidungscharakter christlicher Verkündigung um – sowohl als „Hörer des Wortes“ als auch als „Verkündiger“ (alle Getauften sind nach Maßgabe ihre Fähigkeiten Träger des Lehramtes!) 6,14-16 JOH.d.T. wurde verschieden eingeschätzt – vom NT am häufigsten als der wiedergekommene ELIJA, dessen Wiederkunft als Beginn der Endzeit verstanden wurde und der daher als Vorläufer des MESSIAS verstanden werden konnte. – HERODES (ANTIPAS) verstand JESUS als auferstandenen JOH., ohne Ihn deshalb für den MESSIAS zu halten. 6,17-29 Legendenhafte Erzählung über die Enthauptung des JOH. 17-19:Gegenüber JOSEPHUS FLAVIUS besteht hier einige Fehler: HERODIAS war Enkelin HERODES d.Gr. und daher Nichte des HERODES ANTIPAS und vorher nicht mit PHILIPPUS, sondern einem anderen Bruder des HERODES ANTIPAS verheiratet – jedenfalls hätte er sie aufgrund der jüd. Ehegesetze nicht heiraten dürfen. Deshalb die Kritik des JOH. an dieser Ehe, deshalb der Hass der HERODIAS. 20: HERODES lässt sich von den Worten des Täufers treffen, doch nicht genug, um sich zu bekehren 21-23: Fest mit dem (historisch unwahrscheinlichen) Tanz der SALOME und dem Schwur des Königs 24-26: der makabre Wunsch nach dem Kopf des JOH. wird hier der Mutter, nicht der Tochter zugeschrieben (anders in der Oper SALOME) 27-29: Durchführung des Hinrichtungsbefehls Pietätvolles Verhalten der Jünger JOH. als Bild der Zivilcourage, HERODES als Bild der Rückgratlosigkeit, HERODIAS & SALOME als Bild des Machtmissbrauchs 6,30-44 30: Rückkehr der 6,6-13 ausgesandten „Apostel“ (bei Mk diese Bezeichnung nur hier) Die Geschichte von der wunderbaren Speisung wird im NT mehrmals in etwas verschiedener Form erzählt, auch die Verbindung mit dem Seewandel erfolgte wohl schon vor der Niederschrift. 32-34: Obwohl JESUS und Seine Jünger selbst müde und erholungsbedürftig sind, hat JESUS „Mitleid“ mit der Menge, die sich nach Führung sehnt wie „Schafe ohne Hirten“ 35-38: Jünger sehen das Problem der hungernden Menge realistisch – JESUS setzt dagegen die „unrealistische“ Aufforderung „Gebt ihr ihnen zu essen“, zugleich wird die Geringfügigkeit und Ärmlichkeit der vorhandenen Lebensmittel betont 39-40: das „grüne Gras“ erinnert an Ps 23 und an die apokalypt. Vorstellung, dass die Wüste sich endzeitlich in fruchtbares Gras verwandeln werde, die Lagerordnung entspricht der der Wüstenwanderung 41: Zentrum: JESUS betet, bricht das Brot und teilt es aus – die Geste erinnert auch an das Abendmahl 42-44: Das Teilen macht alle satt, es bleiben sogar reichliche Reste Vertraue ich darauf, dass JESUS aus Wenigem viel machen kann, wenn ich es Ihm zur Verfügung stelle, und dass auch ich so anderen helfen kann? 6,45-52 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 56 Seewandel JESU; histor. Kern und geograph. Vorstellungen unklar – Aussageabsicht klar: göttl. Vollmacht JESU 45-47: Situation: Jünger überqueren den See ohne JESUS – JESUS bleibt im Gebet zurück – Gebet als Verbindung zum VATER und daher als Quelle Seiner Vollmacht. 48-49: Jünger mitten im See = Bild ihrer Ausgeliefertheit; JESUS „wollte vorübergehen“ – um ihren Glauben zu prüfen? Oder Anspielung auf den „Vorübergang des HERRN“? 50-52: Furcht der Jünger & „Fürchtet euch nicht“ & bestätigendes Zeichen (der Wind legt sich) entspricht einer Epiphanie Verstocktheit der Jünger, die durch die Fülle der Zeichen (Speisung der 5000 & Epiphanie auf dem See & Sturmstillung) noch immer nicht zum Glauben kommen. Sobald JESUS im „BOOT“ (in der Kirche, in der Gemeinde, im Herzen des Einzelnen) ist, sind Sturm und Fluten erträglich Wie offen bin ich, Zeichen GOTTES in meinem Leben wahrzunehmen? 6, 53-56 Summarium über Krankenheilungen 7,1-23 In der hier vorliegenden Gesetzeskritik mischen sich grundsätzlichere jesuanische Anliegen (Gesetzesgerechtigkeit ist Bestehenwollen vor GOTT // Bergpredigt PAULUS) & spätere rationalistischere Anliegen hellenistischer Gemeinden, die im Zusammenleben mit Juden und Judenchristen nur gegen Auswüchse des Gesetzes polemisierten 1-5: Kritik der Pharisäer an den Jüngern (bzw. der Judenchristen an den Heidenchristen) & ihre Begründung 6-7: JESUS antwortet mit einem JES.-Zitat: Lippenbekenntnis contra echten Glauben 8-13: Kritik an Auswüchsen der Gesetzesfrömmigkeit 14-23: grundsätzliche Kritik an der Gesetzesfrömmigkeit: das Böse kommt nicht von außen, d.h. auch: nicht aus der Schöpfung, sondern aus dem „Herzen“ – wie in den „Antithesen“ der Bergpredigt wird die Gesinnung akzentuiert Gesetz: Hilfe für oder Ersatz von eigener Verantwortung? 7,24-30 Die Geschichte ist nicht unproblematisch, hat aber wohl gerade deshalb einen historischen Kern: JESUS hat sich zu Seinen Lebzeiten nur an Juden gewandt - Heidenmission wird erst nachösterlich zum Thema. Dafür aber hat die Erzählung eine doppelte Bedeutung: der Glaube der Heidin wird den verstockten Jüngern / Juden vorgehalten & die (spätere) Hinwendung zur Heidenmission dadurch gerechtfertigt 24-26: Situation: JESUS hält sich kurz in heidnischem Gebiet auf, eine Heidin bittet Ihn um Heilung ihrer „besessenen“ Tochter 27: JESUS lehnt mit einem typischen Vorurteil ab (Juden=Kinder, Heiden=Hunde) 28: Die Frau kombiniert Demut & Schlagfertigkeit & Glauben 29: JESUS lässt Sich durch den Glauben einer Heidin umstimmen! 30: Heilungserfolg 7,31-37 31: Die Ortsangaben sind unsinnig und wollen daher eher die Offenheit JESU auch für heidnische Gebiete betonen 32: Situationsangabe: ein Taubstummer wird zu JESUS gebracht Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 57 33: Beiseitenehmen, d.h. JESUS wirkt kein Schauwunder – altertümliche Heilungsgesten (Speichel galt als heilkräftig), wohl eher, um den Kranken auf die Heilung einzustimmen 34: Seufzen, wohl wie 1,41 über die Krankheit als etwas nicht GOTTgewolltes – „Effata“ 35-36: Heilungserfolg – Schweigegebot (<= MESSIASgeheimnis) - Nichteinhaltung 37: Anspielung auf Jes 35,5 soll Anbruch der Heilszeit anzeigen Nur der, der sich von JESUS die Ohren öffnen lässt, ist nicht absurdus (taub für den Sinn des Lebens STEINDL-RAST), nur der, der sich von JESUS den Mund öffnen lässt, spricht im Sinne GOTTES („HERR, öffne meine Lippen, ...“) 8,1-10 Doppelung des Speisungswunders von 6,32-44 – sicher lag dasselbe Wunderhandeln JESU zugrunde. Warum Mk (und Mt) die Erzählung verdoppelt, ist nicht ganz klar. Um das Unverständnis der Jünger hervorzuheben? – Das würde einer Grundtendenz des Mk-Ev entsprechen, JESU Tragik auch im Unverständnis selbst Seiner Jünger und Verwandten zu begründen. Um ein Speisungswunder auch im heidnischen Gebiet spielen zu lassen? – Das würde zum Adressatenkreis des Mk (Heidenchristen) passen. 8,11-13 11: „Zeichen vom Himmel“ nicht ganz klar: Zeichen GOTTES? Kosmisches Wunder? – Jedenfalls wird an den Pharisäern kritisiert, dass sie ein Bestätigungs-Zeichen fordern und dadurch JESUS erproben 12: JESUS lehnt die Zeichenforderung ab – frei geschenkte Zeichen hat Er bereits viele gewirkt 13: Die, die an Ihn glauben, steigen mit Ihm ins Boot Zeichenforderung, GOTTESbild „I´ glaub´ nur, was i´ siech“ – ein heute vielzitierter Satz 8,14-21 Mk hat hier vorgegebene Traditionen nicht ganz geschickt zusammengefügt, weil er den Tadel des Unverständnisses der Jünger mit der Warnung vor den Pharisäern und HERODES verbinden wollte: lässt man V. 16 weg, ergibt die Perikope eine klare Erzählung über den Unglauben der Jünger Versteht ihr immer noch nicht? – Die Frage ist an den Hörer / Leser aller Zeiten gerichtet: Wie sehr lasse ich mich durch all das, was mir im Leben begegnet, ansprechen? 8,22-26 22: Orts- und Situationsangabe 23-25: Das Hinausführen ist wohl im Sinne des MESSIASgeheimnisses zu verstehen. Die Heilung erinnert stark an die des Taubstummen (7,31-37), ungewöhnlich ist nur, dass sie „auf Raten“ erfolgt. Soll damit die Schwierigkeit der Heilung angedeutet werden? Oder wird (eher) die Heilung aus dem Blickwinkel des Blinden geschildert, der erst zum Sehendwerden hingeführt werden muss? 26: Nicht ganz logisch – wohl wieder im Sinne des MESSIASgeheimnisses Sukzessives Sehendwerden – ein Bild für das menschliche Leben Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 58 8,27-33 MESSIASbekenntnis des PETRUS Leidensankündigung JESU: 27-28: JESUS unterwegs mit den Jüngern – Er fragt sie nach der Meinung der Leute über Ihn und ist mit den durchaus ehrenvollen Titeln nicht zufrieden 29: Durch die direkte Frage zwingt JESUS zu einer direkten Stellungnahme – PETRUS antwortet mit dem MESSIASbekenntnis 30-31: JESUS verbietet darüber zu sprechen (MESSIASgeheimnis) & korrigiert das mögliche Missverständnis eines politisch-königlichen MESSIAS durch die (1.) Leidensankündigung. Dabei verwendet Er den Titel Menschensohn: = Mensch = leidender Mensch (// Jes 53; Ez 4,9 ff.; 12,6 ff.; 24,16 ff.) = erhöhter Weltenrichter (// Dan 7,13; bei Ez Künder des endzeitlichen Heils: Ez 34, 23 ff.; 36, 17 ff.; 40,4; 43,7 ff.; ...) Diesen Titel könnte bereits der irdische JESUS für Sich Selbst verwendet haben, weil er 1) im Gegensatz zum MESSIAStitel nicht politisch misszuverstehen war & 2) schon vom AT her Leid & Erhöhung verband 32-33: Daher die scharfe Zurechtweisung des PETRUS, der – nach menschlichem Wollen und nicht nach GOTTES Willen – den Kreuzesmessias ablehnt Erfolg ist kein Titel GOTTES: Komme ich damit ohne Ressentiments zurecht? Wie müsste eine Kirche aussehen, die sich um irdischen Erfolg nicht kümmert, der es wirklich nur um das Reich GOTTES und Seine Gerechtigkeit geht? Was meint LOHFINK mit dem Begriff Kirche als Kontrastgesellschaft? Brauchen wir / braucht GOTT einen Kreuzesmessias als Sündenbock? Wie kann von einem grausam Getöteten das Heil der Welt kommen? 8,34 - 9,1 Diese Verbindung von JESUSaussprüchen konkretisiert erst die vorhergehende Leidensankündigung 34: „Wer mein Jünger sein will“ – w: „Wer hinter mir hergehen will“: Damit ist nicht nur die engere Schar der Ihm Nachfolgenden gemeint, sondern jeder, der in die Nachfolge CHRISTI eintreten will. – „Verleugnen“ = radikale Form der Distanzierung => Selbstverleugnung = Distanzieren des Egoismus & Gewinnen von Freiheit. – Das Bild vom Kreuztragen war in der damaligen Kultur unmittelbar verständlich, auch schon vor der Kreuzigung JESU. 35: Umwertung der Werte: Lebensgewinn ist Lebensverlust, Lebensverlust ist Lebensgewinn => nur wer sich lässt, wird von GOTT, dem wahren Leben, erfüllt. 36-37: Der Gewinn der Welt wird dem Verlust des wahren (GOTTerfüllten) Lebens gegenübergestellt - wer diese Möglichkeit des erfüllten Lebens verspielt, hat seine Chance vertan 38: Das Nebeneinander von „ich“ und „Menschensohn“ zeigt, dass JESUS beansprucht, dieser Menschensohn zu sein 9,1: Da JESUS das Berechnen der Endzeit ausdrücklich ablehnt (13,32), ist fraglich, ob diese Formulierung der Naherwartung nicht eher eine Gemeindebildung darstellt. Nur so weit, wie wir uns lassen, können wir vom wahren Leben, von GOTT, erfüllt werden – vgl. Meister ECKHART 9,2-1O Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 59 Die Deutung der Verklärungserzählung ist umstritten; mir scheint die „alte“ Deutung am wahrscheinlichsten, dass es sich hier um ein mystisches Erlebnis JESU handelte, dessen Zeugen drei Seiner Jünger wurden. Dieses Erleben stärkte Ihn für den weg nach Jerusalem, für den Weg in die Passion. 2: Berg und Begleitung durch drei besondere Jünger zeigen die Besonderheit dieser Offenbarung an 3-4: Er wurde verwandelt : metamorphein bezeichnet i.Gr. auch die edg. Verwandlung in der Auferstehung; dazu passen die weißen Kleider und das Erscheinen des ELIJA, des Propheten der Endzeit, und des MOSE (Dtn 34,6 wurde offenbar auch als Entrückung verstanden); spirituell könnte man MOSE als Symbol des Gesetzes, ELIJA als Symbol der mystischen GOTTESerfahrung verstehen („Amt und Charisma“). 5-6: PETRUS will dieses Glückerleben festmachen. 7: Die Wolke ist im AT und NT ein Symbol der verhüllenden Offenbarung GOTTES, die Stimme entspricht der bei der Taufe JESU 8: GOTTESerfahrungen sind unter Zeitbedingungen zeitlich begrenzt 9-10: Im Sinne des MESSIASgeheimnisses gebietet ihnen JESUS bis nach Seiner Auferstehung – eine Verheißung, die sie nicht verstehen. „Auf dem Berge Tabor kann man keine Hütten bauen“ – dennoch prägen GOTTESerfahrungen, umso mehr, je tiefer sie sind 9,11-13 11: Die Jünger teilen die Erwartung der endzeitlichen Wiederkunft des ELIJA (vgl 1 Kön 19, 2.10) 12-13: JESUS sieht im Täufer den schon gekommenen ELIJA und in dessen gewaltsamem Tod ein Vorzeichen auf seinen eigenen Tod, den Er vom leidenden GOTTESknecht her deutet. 9,14-29 Möglicherweise lag die Erzählung Mk in 2 Fassungen vor, da das Interesse einmal am Glauben der Jünger (14-19 & 27-29) hängt, dann wieder am Glauben des Vaters (20-27); auch die Krankheit ist doppelt beschrieben (18 & 21 f.). Mk könnte zwei Erzählungen verbunden haben, deren gemeinsamer Nenner der Zusammenhang von Glaube und Nachfolge ist. 14-16: Situationsschilderung: JESUS kommt mit den drei Ihn begleitenden Jüngern zurück und findet die übrigen Jünger mit Schriftgelehrten diskutierend vor 17-18: Ein Vater schildert die Krankheit seines Sohnes (Epilepsie?) und seine vergebliche Heilungsbitte an die Jünger 19: JESUS deckt den Unglauben als Wurzel der Machtlosigkeit der Jünger auf: auch sie – und nicht nur die Schriftgelehrten – haben sich noch zu wenig in GOTT verwurzelt. 20-22: Der Dämon erkennt JESU Vollmacht früher als die Menschen und bäumt sich gegen Ihn auf, so dass die Krankheit nochmals voll ausbricht. Der Vater leitet seine Heilungsbitte mit „Wenn Du kannst ein“, was seinen Halbglauben zeigt. 23-24: Mittel- und Höhepunkt der Erzählung: „Alles kann, wer glaubt“ „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“: Der Mensch kann den Glauben nicht „machen“, sondern sich nur dem von GOTT geschenkten Glauben öffnen 25-27: eigentliche Heilung – das Drohwort JESU und die Reaktion des Knaben zeigt die Größe der Krankheit und die Schwierigkeit des Wunders an 28-29: Jüngerbelehrung: die Jünger fragen nach einer „Heilungsmethode“, JESUS verweist auf das Gebet, das gerade dadurch keine Methode ist, sondern die Öffnung auf GOTT hin, damit Er durch uns wirken und heilen kann Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 60 Was bedeuten diese beiden zentralen Aussagen für mein Leben? „Alles kann, wer glaubt“ „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“: 9,30-32 Jüngerbelehrung, 2. Leidensankündigung, Wortspiel: „Menschensohn“ – „den Menschen ausgeliefert“: es sind die Menschen, die das Heilsangebot GOTTES ablehnen – das theolog. Passiv deutet an, dass GOTT es zulässt und die Freiheit des Menschen respektiert GOTT respektiert unsere Freiheit, Er hindert auch negativen Freiheitsgebrauch nicht – Er kalkuliert unsere Freiheit aber in Sein Heilswirken ein 9,33-37 Wieder geheime Jüngerbelehrung, die deren Unverständnis unterstreicht. 34: Die Jünger streben – allzu menschlich – nach Macht. 35: Diese Antwort JESU ist, in kleinen Varianten, mehrfach überliefert (Mk, Mt, Lk): im GOTTESreich herrscht eine andere Wertordnung als in der Welt – damals, in einer stärker hierarchisch gegliederten Gesellschaft, war JESU Antwort noch viel provokativer als heute – Diener standen am untersten Ende – vgl. auch Phil-Hymnus: der SOHN GOTTES, also der Höchste, machte Sich zum Diener / Sklaven, also zum Niedrigsten 36: das, was in der Antike mit „Kind“ verbunden war, können wir nicht ganz nachvollziehen: 1) Kinder waren primär Arbeitskräfte und Altersversorgung (// 3.Welt heute), standen daher den Dienern nahe. 2) Pais i. Gr. und puer i.L. heißt sowohl „Kind“ als auch „Diener, Sklave“ 37: GOTT kann es Sich „leisten“, gerade im Kind / Diener gegenwärtig zu sein, denn Er muss nicht auf Seine Macht bedacht sein – und Er will es Sich leisten, um zu zeigen, dass Er gerade die Armen erfüllt: die Gegenwart GOTTES im (armen) Menschen wird ebenso „sakramental“ verstanden wie die in Brot und Wein Allzu habgierig ist, wem GOTT allein nicht genügt (Therese von Avila) 9,38-40 Diese kurze Szene passt nicht in das Leben JESU, sondern in die Gemeindesituation, denn: a) zu JESU´ Lebzeiten wäre die Wendung „uns nachfolgen“ undenkbar, b) JESUS hat nie alle zur direkten Nachfolge aufgefordert. Die Gemeinde aber hatte (und hat?) Schwierigkeiten, wen sie anerkennen und wen sie ausgrenzen soll – hier wird auf JESUS als Kriterium verwiesen V. 41 gehört – entgegen der Gliederung der EÜ – zum folgenden Abschnitt 9,41- 50 Spruchsammlung: die Aussprüche JESU waren wohl in verschiedene Situationen hineingesprochen, später zur Gemeindebelehrung zusammengestellt 41: Für die Bewirtung der Wandermissionare wird Lohn verheißen (was nicht heißt, dass wir um des Lohnes willen handeln sollen) 42: Die „Kleinen“ werden präzisiert als die „an CHRISTUS Glaubenden“. Urspr. war bei „Verführung“ wohl eher an den endzeitlichen Peirasmos (Endzeit-Erprobung) gedacht, doch ist die Warnung zeitlos gültig: für den, der „Kleine“ (Hilfsbedürftige, Kinder, ...) vom rechten Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 61 Weg abbringt, ist eine strenge Strafe vorgesehen (Ertränken galt nach Kreuzigen als besonders schimpflich) 43-48: Das ist nicht wörtlich als Aufruf zur Selbstverstümmelung zu verstehen (die in manchen heidnischen Kulten als verdienstvoll galt), sondern dazu, sich radikal vom dem zu befreien, was die Ausrichtung auf GOTT hindert. - Gehenna (Hölle) ist ein Tal südlich von Jerusalem, wo in vorjüdischer Zeit Götzenopfer dargebracht wurden, besonders die Verbrennung der erstgeborenen Söhne – für Juden daher ein Sinnbild des Gräuels. Ob das Jes-Zitat urspr. totale Vernichtung statt ewige Qual meinte, ist umstritten 49-50: Die Bilder sind nicht ganz eindeutig zu interpretieren. 49: Die Parallelisierung von Feuer und Salz könnte meinen, dass beides vor Fäulnis bewahrt. 50: Salz, als Gewürz in der Hitze besonders wertvoll (Konservierung der Speise & Wasserbindung im Körper), könnte meinen: a) Opferbereitschaft (Opfer wurden gesalzen) – b) Wert der christlichen Botschaft – c) Tischgemeinschaft (Brot & Salz), was zum Hinweis auf den Frieden passen würde Ärgernis – ein janusgesichtiger Begriff: negativ, wo man „Kleineren“ gegenüber seine Verantwortung nicht wahrnimmt / positiv, wo man aneckt, weil man gegen den Strom schwimmt (auch CHRISTUS war „Eckstein“!) JESU Weg nach Jerusalem: Mk 10 10,1-12 Die Teile 10,1-12 (Ehe) & 10,13-16 (Kinder) & 10,17-31( Besitz) bilden einen kleinen Katechismus, an die Haustafeln der Paulinen und Dt-Paulinen erinnernd und vielleicht schon vormk. so zusammengestellt 1: Nach den Leidensankündigungen beginnt der Weg nach Jerusalem, in die Passion. Die Ortsangaben stimmen nicht ( es müsste heißen „Er kam durch das Ostjordanland nach Judäa“), was dafür spricht, dass Mk nicht ortskundig war 2: Auch die Frage der Pharisäer ist so unwahrscheinlich: dass Scheidung erlaubt war, stand ohnedies fest, umstritten zwischen den Rabbinerschulen war das Warum 3-9: JESUS setzt einen anderen Akzent: Die Frage soll nicht lauten, was dem Menschen zukommt, sondern was GOTTES Wille ist – und dem Willen GOTTES entspricht die untrennbare Einheit von Mann und Frau 10-12: Jüngerbelehrung (bereits in Gemeindeverhältnisse übersetzt, weil im jüdischen Recht die Frau den Mann gar nicht entlassen konnte) Wie sollte das Kirchenrecht / wie wollen wir mit dem Problem gescheiterter Ehen umgehen? 10,13-16 13-14.16: JESU Segen gilt gerade denen, die keine Leistungen aufweisen können – den Kindern 15: Nur der, der vor GOTT ein Kind / arm / leer u.ä. ist, ist offen für GOTT ein sein Wirken („GOTTESreich“) „Es ist ein gleichwertiger Austausch und ein gerechter Handel: Soweit Du ausgehst aus allen Dingen, nicht weniger und nicht mehr, geht GOTT in Dich ein mit all dem Seinen“ (ECKEHART) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 62 10,17-31 3. Teil dieses kleinen Katechismus (Ehe – Kinder – Besitz) 17: „Einer“ = „Jedermann“ – die Unbestimmtheit lädt zur Identifizierung ein. Er stellt die traditionelle Frage des Tempelbesuchers: „Was muss ich tun ...?“ 18-19: JESU Antwort verweist zuerst auf GOTT: nur GOTT ist der Gute – dann erst auf das Einhalten der Gebote 20-21: Weil der junge Mann die Gebote hält, gewinnt ihn JESUS lieb und ruft ihn in die direkte Nachfolge: das tat Er nicht bei allen, die Ihm begegneten; Er forderte auch nicht von allen Verzicht auf den materiellen Besitz – von anderen forderte Er das Aufgeben des Berufes, der Familie, eines anderen Propheten (des Täufers), ...: offensichtlich jeweils von dem, was den Betreffenden an der freien Nachfolge hinderte 22-23: der junge Mann geht traurig weg, weil er für diese Freiheit der Nachfolge noch nicht bereit ist – JESUS macht auf diese Unfreiheit, die am Eingehen in das GOTTESreich hindert, aufmerksam 24-25: Die Jünger entsetzen sich über dieses unbedingte Von-GOTT-beansprucht-Werden – JESUS antwortet fürsorglich („Kinder“), doch klar; das Bild mit dem Kamel ist bewusst grotesk gewählt (der Versuch, es auf ein Stadttor hinzudeuten, stammt erst aus dem 9.Jh.!) 26-27: Die Jünger verstehen die Radikalität richtig – Reichtum ist ja nur ein Sonderfall des Aufgebens -, JESUS verweist sie auf das Gnadenwirken GOTTES: Nachfolgen-Können ist im letzten Geschenk GOTTES 28-30: PETRUS verweist darauf, dass er und die übrigen Jünger den Ruf in die Nachfolge angenommen haben (das Verlassen der Frau fehlt – vielleicht weil PETRUS u.a. ihre Frauen auf die Missionsreisen mitnahmen 1 Kor 9,5) – JESUS verheißt eingeschränkten Lohn in diesem und vollen Lohn im ewigen Leben: Schon- noch nicht.- Der Schlussvers unterstreicht die paradoxe Wertordnung GOTTES. Das Bemühen um Freiwerden von dem, woran man hängt & was einem am spirituellen Weiterkommen hindert, kann nur im Vertrauen darauf geschehen, dass GOTT einem diese Freiheit schenkt – Das Freiwerden von Etwas setzt immer auch voraus, dass in dieses Vakuum ein höherer Wert tritt vgl. die MASLOWsche Bedürfnispyramide 10, 32-34 32: Die Menschen, die JESUS loser nachfolgten, staunten über Seinen Gang nach Jerusalem, Seine Jünger beginnen sich sogar zu fürchten: offenbar wird ihnen die Gefährlichkeit von JESU Weg zunehmend bewusst – gerade dieser Weg in die Passion wird aber von JESUS und dann vom Evangelisten als göttliche Offenbarung dargestellt 33-34: Mk fasst das, was JESUS bevorsteht, katechismusartig zusammen JESUS als Vorbild dafür, den als von GOTT gewollten Weg konsequent zu gehen, auch wenn das Nachteile, Leiden, vielleicht sogar den Tod bringt 10, 35-45 35-37: Bitte der Zebedäiden (in Mt 20, 20-28 abgemildert als bitte ihrer Mutter) 38-40: Trinken des Leidenskelches ist ein atl. Bild (Jes 51, 17.22; Klgl 4,21; Ps 74,9). Weniger klar ist das Bild der Taufe, da JESUS zu Lebzeiten selbst nicht taufte: wurde schon die Taufe des JOHANNES als Bild für Tod & Wiedergeburt verstanden? - Von der Gemeinde konnte das Bild jedenfalls als Abendmahl & Taufe gedeutet werden. – Die Nachfolge CHRISTI wird als Teil-habe an Seinem Leben & Sterben aufgefasst, aber auch an Seiner Verherrlichung, allerdings ohne dass das besondere Bemühen einen Anspruch auf besonderen Lohn hätte Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 63 41-45: Jüngerbelehrung: Nachfolge ist Umkehrung der irdischen Wertvorstellungen. Die Sicht des Todes JESU als „Lösegeld“ findet sich im NT nur hier; „für viele“ / „für alle“ ist im Aramäischen nicht unterschieden, aber auch hier wird eine Rangordnung abgelehnt, dass CHRISTI Tod den einen mehr zugute komme als den anderen. 10, 46-52 Heilungsgeschichte als Nachfolgegeschichte: Glaube heißt: beharrlich bitten, auf JESU Ruf aufbrechen, sich von Ihm die Augen öffnen lassen, Ihm nachfolgen 46-47: Situation: beim Verlassen von Jericho schreit BARTIMÄUS (=Sohn des TIMÄUS) zu JESUS um Hilfe. „Sohn DAVIDs“ eher jüdischer Ehrentitel des MESSIAS, bei Mk nur hier 48: Reaktion der Menge, die sich durch den Blinden gestört fühlt – Beharrlichkeit des Blinden 49: Reaktion JESU, der auf den Blinden eingeht – Umschwung der Meinung der Menge 50: starke Reaktion des Blinden – er hört auf den Ruf, er wirft sogar seinen Mantel (zugleich seine Decke in der Nacht) weg 51: JESUS verlangt, dass der Kranke sich bewusst wird, ob er wirklich geheilt werden will 52: Erst dann heilt ihn JESUS (Respektieren der Freiheit des anderen) – der geheilte folgt Ihm Jeder Mensch, der JESUS nachfolgen will, muss zuerst von Ihm geheilt werden. Lasse ich das zu oder meine ich, alles selbst „leisten“ zu müssen? Wofür verwende ich die Heilung / Kraft, die ich von JESUS erhalte? JESU Wirken in Jerusalem: Mk 11-13 11, 1-11 Die Perikope enthält einige Ungereimtheiten: JESUS reitet auf einem jungen Esel – wie der MESSIAS in Sach 9,9 -, doch wird Er damit offenbar nicht verstanden (auch bei Mk fehlt der Bezug auf Sach). - Die Ortsangaben sind wieder unklar und zeigen, dass Mk ortsunkundig war (der Weg müsste sein: Bethanien – Bethphage – Jerusalem). - Die (Palm-)Zweige würden eher zum Laubhüttenfest passen. Dann könnte der als kurz geschilderte Jerusalemaufenthalt zwischen Einzug und Tod als dramatische Raffung verstanden werden; ein längerer Aufenthalt würde die Auseinandersetzung JESU mit der religiösen Obrigkeit und damit seine spätere Verurteilung verständlicher machen. „Hosanna“ (hilf doch!) steht am Ende (Ps 118, 25) des Hallel (113-118), das bei jedem Wallfahrtsfest gebetet wurde. – Die Ovationen sind eher in Bethanien denkbar als in Jerusalem, wo die Römer gleich eingeschritten wären: Vielleicht wurden eine Begeisterung in Bethanien und ein normaler Eselsritt nach Jerusalem sekundär verbunden? Wir erfahren gar nichts über JESU innere Reaktion auf die Huldigung: War es Seine letzte Versuchung, ein bloß irdischer MESSIAS zu werden? 1-7: Das Ausborgen des jungen Esels wird merkwürdig umständlich geschildert, obwohl das einzig Auffällige an der Szene ist, das JESUS den Esel bei einem Fremden ausborgen lässt 8-10: Auffällig ist die Huldigung mit ausgebreiteten Kleidern und Zweigen (Palmzweige? In der Umgebung von Jerusalem eher selten). Vom Zuruf der Menge ist der 1.Teil (9 b) nichts Besonders – so konnte jeder Festpilger begrüßt werden -, wohl aber der 2.Teil (10 a), der mit dem Anbruch des GOTTESreiches rechnet und dadurch an Anspruch JESU am Anfang des Mk-Ev wieder aufgreift (1,15). In 10 b muss „in der Höhe“ wohl als „von der Höhe“ verstanden werden Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 64 11: Die Begeisterung endet im Nichts: JESUS schaut sich den Tempel an – fast wie ein Tourist – und zieht sich dann wieder nach Bethanien zurück: Soll damit angedeutet werden, dass JESUS sich bereits von dem Volk distanziert? JESUS ließ Sich durch Schmeichelein anderer nicht von Seinem Lebensweg abbringen Es braucht sehr viel Selbstwertgefühl, um mit PAULUS sagen zu können: Wollte ich noch Menschen gefallen, wäre ich nicht Diener CHRISTI (Gal 1,10) 11,12-26 Mk hat die Erzählung von der Tempelreinigung zwischen die Erzählung von der Verfluchung des Feigenbaumes & Erfüllung dieser Verfluchung eingeschoben: beide Erzählungen erhalten dadurch den Akzent von prophetischen Zeichenhandlungen. 12-14: Die Verfluchung des Feigenbaumes ist als Gerichtszeichen gegen Israel verständlich, wenn auch vor dem Pessachfest nicht logisch – vielleicht ist die Geschichte (wie die des Einzugs) urspr. vor dem Laubhüttenfest zu denken (s.o.) 15-17: Auch die Tempelreinigung (nur bei Joh an den Beginn des öffentlichen Wirkens JESU gestellt, Joh 2) ist als prophetisches Drohzeichen zu verstehen: die Deutung als bloße Tempelreform wurde zu kurz greifen, die seit der Aufklärung immer wieder versuchte Deutung als Revolution verkennt die damaligen Verhältnisse (Ausmaße des Tempels, die Waffenlosigkeit JESU & die geringe Reichweite damaliger Waffen, die viel zu geringe Jüngerschar etc). Faktisch wird JESUS ein paar Tische der Händler, die im Vorhof der Heiden standen, umgestoßen haben. – Mk deutet dies als Zeichen der Beendigung des Tempels als religiöser Institution, unterstrichen durch die Worte „Haus des Gebets für alle Völker / für alle Heiden“. 18: Reaktion Seiner Gegner: Todesbeschluss 19: Reaktion JESU: Verlassen der Stadt symbolisiert Seine Trennung von ihr 20-21: Konstatierung der Verdorrung des Feigenbaumes 22-24: JESUS nimmt den Feigenbaum als Anlass für eine Jüngerbelehrung über die Macht des Glaubens und Gebetes – alle Gebete werden erhört, freilich nur alle die, die im Sinne GOTTES gebetet sind 25-26: Bedeutung unseres Vergebens gegenüber Menschen für die Vergebung GOTTES uns gegenüber JESUS als „der“ Mund GOTTES hat den Menschen nicht nach dem Mund geredet Glaubensverkündigung kann auch im Aufzeigen klarer Grenzen bestehen 11,27-30 27-28: Die Frage der religiösen Autoritäten nach JESU Vollmacht würde besser direkt nach v. 17 passen, was die Vermutung bestätigt, erst Mk habe die Tempelreinigung zwischen die Verfluchung des Feigenbaumes eingeschoben. Diese Frage blieb für die christlichen Gemeinden in ihrer Auseinandersetzung mit den Juden aktuell 29-30: JESUS antwortet mit einer nicht nur rhetorisch, sondern vor allem pädagogisch geschickten Gegenfrage – würden sie sich ehrlich auf diese einlassen, könnten sie ihre eigene Blindheit gegenüber GOTTES Wirken erkennen 31-33: JESU Gegner greifen in ihrem Bemühen, sich selbst abzusichern, die Chance des Umdenkens nicht auf - ihre Selbstbehauptung endet im Zweifel Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 65 Wer sich gegen GOTT absichert – oft durch falsche religiöse Vorstellungen -, verbaut sich die Möglichkeit echter GOTTESerfahrungen Wer sich nicht „ein-fältig“ auf GOTT ausrichtet, gerät in den „Zweifel“, ist „zwei-fältig“ 12,1-12 Das Gleichnis könnte auf JESUS selbst zurückgehen, auch wenn er sonst nicht Sich Selbst in Gleichnissen darstellt – hier hat sich ja die Situation auf seine Passion zugespitzt. Die Gemeinde betonte es als Rechtfertigung der Heidenmission 1: Weinberg als Bild für Israel schon Jes 5,1 ff 2-8: Die Knechte sind Bild für die Propheten, der Sohn für JESUS; das aufsässige Verhalten der Pächter war damals verständlicher (Weinberge bringen erst 4-5 Jahre nach ihrer Pflanzung Ertrag; herrenloses Gut konnte „ersessen“ werden) 9: Reaktion des Besitzers: er gibt den Weinberg anderen (=den Heiden) 10-11: Das häufig verwendete Zitat aus Ps 118, 22f. passt hier nicht ganz Wer sich immer wieder gegen GOTT verschließt, wird zunehmend unfähig, sich für GOTT zu öffnen – ohne zu wissen, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist 12,13-17 In den Abschnitten 12,13-17 & 12,18-27 & 12,28-34 wird eine an sich berechtigte Frage jeweils so an JESUS gestellt, dass sie für Ihn zur Fangfrage wird (Steuerzahlen / Auferstehung / Hauptgebot) 14: 6 n. Chr. war eine Kopfsteuer eingeführt worden – die von JESUS verlangte Antwort auf die Frage nach ihrer Berechtigung sollte Ihn entweder den Römern oder den Juden verfeinden 15-16: JESUS durchschaut sie und stellt eine Gegenfrage 17: JESUS will das römische Geld wie fremdes Eigentum behandelt wissen – es soll „zurückgegeben“ werden. GOTT aber können wir uns nur selbst zurückgeben (Gen 1,26) Kann ich mein Bild-GOTTES-Sein akzeptieren? Vgl. AUGUSTINUS „GOTT will nicht Deine Gaben, GOTT will Dich“ 12,18-27 18-23: Obwohl hier explizit nur die Sadduzäer als Gegner genannt sind, sind die Pharisäer mitgemeint; als „Aufhänger“ für die Auferstehungsfrage dient die Leviratsehe (Dtn 25,5 ff) 24: JESUS geht von der Macht GOTTES aus 25: JESUS wendet sich zuerst gegen die pharisäische Vorstellung (Auferstehung als Rückkehr in eine irdische Lebensform), wobei er zeitgenössische Vorstellungen teilt (Engel essen nicht: Tob 12,19; heiraten nicht: äth. Hen. 15,7; die Toten werden nach der Auferstehung engelgleich: äth. Hen. 51,4) 26-27: Gegen die sadduz. Leugnung der Auferstehung wendet JESUS ein Zitat aus dem AT ein (Ex 3,2.6): wenn GOTT Sich als GOTT der Patriarchen vorstellt, müssen diese (in Ihm) lebendig sein Was kann über den Tod hinaus tragen? Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 66 12,28-34 28. Die Diskussion über die Wertigkeit der Gebote ist typisch für Schriftgelehrte 29-31: JESUS verbindet in Seiner für das Christentum typisch gewordenen Antwort 2 atl. Gebote Dtn 6,4 f & Lev 19,18) und deutet damit eine Reihung an: GOTTESliebe ist Fundament der Nächstenliebe, kann sich aber nur in dieser konkretisieren; Mk behält dabei – im Sinne des AT, aber anders als Mt und Lk – das einleitende Bekenntnis zur Einzigkeit GOTTES bei und betont damit, dass die Liebe GOTTES zu uns unserer GOTTES- und Nächstenliebe vorhergeht 32-33: Die Zustimmung des Schriftgelehrten ist einzigartig im Ev., dürfte aber die urspr. histor. Situation bewahrt haben, dass JESUS unter den Schriftgelehrten nicht nur Gegner hatte (vgl. NIKODEMUS, JOSEPH v. Arimatäa) – während die einseitige Negativzeichnung der Schriftgelehrten eher die spätere Gemeindesituation widerspiegelt mit ihrer Abgrenzung von den Juden 34: JESUS bestätigt die Antwort. Mk endigt damit die Streitgespräche Die hohe Anforderung einer Liebesethik: Liebe als maßloses Maß 12,35-40 35-37: JESUS zitiert zwei widersprüchliche Schriftzitate (wobei unausgesprochen vorausgesetzt ist, dass Er Selbst Davidide ist) und lässt die Antwort offen. Die Gemeinde könnte es im Sinne einer Zweistufenchristologie verstanden haben – vgl Röm 1,3f. 38-40: JESU Kritik an den Schriftgelehrten schließt nicht ganz organisch an und ist nicht sehr tief – Mk zitiert sie wohl aufgrund der Gemeindesituation (Abgrenzung der Gemeinde vom Judentum) JESUS kritisiert hier und an anderen Stellen nicht die Theorie, sondern die Praxis der Schriftgelehrten – vgl. dazu Erlöster müssten sie aussehen, die Christen (NIETZSCHE), Das Christentum ist wie eine schöne Rose, die aber nicht duftet (GANDHI) 12, 41-44 Die Geschichte ist eine Wanderlegende, die nicht nur jüdische, sondern auch griechische und indische Parallelen aufweist. Hier dient sie der Illustration des Unterschieds von Volk und Führern. Die Nennung von 2 Lepta betont die Bedingungslosigkeit des Opfers (sie hätte ja einen für ihren Lebensunterhalt zurückbehalten können). Die Geschichte dieses bedingungslosen GOTTvertrauens beschließt die öffentliche Tätigkeit JESU und erhält dadurch besonderes Gewicht. 13,1-27 1-4: Einleitung: Gattung der Abschiedsrede, wie sie in der Antike vor dem Tod üblich war . Auch Propheten (Mi 3,12; Jer 7,14; 26,6) hatten die Zerstörung des Tempels erwartet 7-13: Vorzeichen (wird 24-27 fortgesetzt): aus der Lektüre der Propheten hatte sich offenbar ein bestimmtes Schema der Endzeiterwartungen herausgebildet. Durch 7 c werden allerdings die Kriegswirren (Zeit vor 70) von den Endzeitwehen geschieden. – Warnung JESU vor Verfolgung, wobei V.9 noch Verhältnisse zur Zeit JESU bzw. unmittelbar danach voraussetzt (=Verfolgung durch die Synagoge), V. 10 bereits die „weltweite“ (= im Röm. Reich erfolgende) Verkündigung Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 67 14-20: Ereignisse in Judäa: Einschub, der in seiner historischen und geographischen Konkretheit nicht ganz zu den allgemeinen apokalyptischen Gedanken passt - vermutlich um 40 n. entstanden, wo der Kaiser CALIGULA sein Standbild im Tempel aufstellen wollte, was an die Makkabäerzeit erinnerte (Dan 9,27) und vor 70 wieder aktuell wurde 21-23: Mahnungen, die sowohl zu den konkreten historischen Wirren als auch zur Endzeit passen 24-27: Parusieschilderung mit starker Anknüpfung an das AT: der kosmischen Zusammenbruch dient aber nur als Rahmen für das Kommen des MESSIAS Vollendung – nur durch „apokalyptische Wehen“ erreichbar? 13,28-37 Zusammenstellung verschiedener Mahnungen, das rechte Warten auf das Ende / die Vollendung der Welt betreffend 28-31: Das Bild vom Feigenbaum ist klar – man soll aus Zeichen das Nahen der Krisenzeit ablesen; welche dies ist, ist aber nicht klar, weil im vorherigen Abschnitt die Ankündigung politischer Wirren, die sich im Jüdischen Krieg erfüllte, und die der Endzeit ineinander verwoben waren - auch hier würde V. 30 („dieses Geschlecht ..“) eher zu nahen politischen Wirren, V. 31 (Bestand der Worte CHRISTI bis zum Weltende // der jüdischen Vorstellung der Dauer des Gesetzes bis zum Weltende: Mt 5,18, Lk 16,17) eher zum Weltende passen. 32: Ablehnung der Berechnungsversuche des Weltendes durch damalige Apokalyptiker (und heutige Sekten). Das Nichtwissen auch des Sohnes betont Seine Unterordnung unter den Vater, sofern Er wahrer Mensch wurde, bereitet(e) aber immer wieder Interpretationsschwierigkeiten. 33-36: Die Verse sind nicht ganz klar, weil in ihnen zwei Vorstellungen vermengt sind: Das Wachbleiben, das nur vom Hintergrund der Naherwartung her Sinn hat (Bild: der Hausherr ist auf einem Gastmahl und die Diener warten auf ihn) & die Treue, die eine grundsätzliche Haltung ist (Bild: der Hausherr geht unbestimmt lang auf Reisen und überträgt den Dienern die Verantwortung) GOTT kann mir in jedem JETZT begegnen – bin ich dafür wachsam? Passion und Auferstehung: Mk 14-16 14, 1-2 Pessach und Mazzotwoche: eine im Judentum übliche pleonastische Bezeichnung. Das Pessachfest beginnt mit dem Sonnenuntergang vor der 1. Vollmondnacht nach der FrühlingsTag-und-Nacht-Gleiche (15.Nisan); es geht auf ein altes Hirtenfest zurück, an dem die ersten Lämmer geopfert wurden (passach=umherhüpfen). Das Mazzotfest (Mazza=ungesäuertes Brot) wurzelt in einem alten Bauerfest (Gerstenbrote als Erstlingsfrüchte des Ackers). Die Verbindung beider Feste und ihre Historisierung (Einbau in die Heilsgeschichte) ist sekundär Die Führer des Volkes haben – im Gegensatz zum Volk – den Tod JESU beschlossen, nur das Wie ist noch fraglich, um einen Aufruhr zu vermeiden. 14,3-9 Die Salbungsgeschichte wird von allen 4 Evangelisten erzählt, doch in verschiedenem Kontext und daher mit verschiedener Akzentsetzung: Mk und Mt stellen sie nach dem Einzug und daher unmittelbar vor die Passion, wodurch sie den Charakter einer Totensalbung erhält (die ja wegen der Auferstehung unterbleibt). Joh stellt sie vor den Einzug, was an eine Königssalbung erinnert, Lk nimmt sie ganz aus der Passion und macht eine Sündenvergebungsgeschichte daraus. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 68 3: Situationsangabe; dass die Frau in eine Männergesellschaft eindringt und JESUS sich von einer Frau berühren lässt, ist ungehörig. 4-5: Der Protest einiger Anwesender ist verständlich, weil 300 Denare etwa dem Jahresgehalt eines Taglöhners entsprechen 6-8: JESUS verteidigt sie und interpretiert ihre Tat doppelt: als gutes Werk & als prophetische Zeichenhandlung (Vorwegnahme der Totensalbung) 9: Es ist merkwürdig, dass der Frau Gedenken auf die Dauer der Verkündigung des Evangeliums verheißen wird, doch ohne ihren Namen zu nennen (Joh 12,3 identifiziert sie mit MARIA, der Schwester des LAZARUS und der MARTA; die Identifizierung mit MARIA MAGDALENA und der Sünderin aus Lk 7 ist erst ab dem 4.Jh. nachweisbar) Die urspr. Fassung nennt den Namen der Frau nicht – sie gestattet uns, in der Erzählung eine Einladung zu sehen, unser Leben an CHRISTUS zu „verschwenden“ 14,10-11 Dass „einer der Zwölf“ JESUS verrät, erschwert Sein Schicksal. Was er verrät und sein Motiv bleiben hier unklar (Geldgier wird ihm erst seit Mt 26,15 unterstellt – vielleicht war es enttäuschter Patriotismus). 14,12-16 12: Die Zeitangabe ist unklar („am ersten Tag“ setzt die griechisch-römische Zeitrechnung mit Tagsbeginn am Morgen voraus – jüdisch wäre „am Tag vor den ungesäuerten Broten“) und unwahrscheinlich (dann wäre die Kreuzigung am Pessachfest selbst erfolgt; ferner kommt SIMON von Kyrene „vom Feld“; beim Mahl selbst werden keine Bezüge zur jüdischen Sederfeier hergestellt) – also wohl sekundäre Gemeindebildung, weil die Christen die Eucharistie als Ersatz für das Pessachmahl verstanden / verstehen 13-16: Ein Mann, der Wasser trägt (= Frauenarbeit), ist auffällig; das Vermieten von Gemächern für Wallfahrtsfeste war üblich 14,17-25 17-21: Entlarvung des JUDAS: 18: Anspielung an Ps 41, 10 („Der von meinem Brote aß, hebt wider mich die Ferse“. 19: Unverständnis der Jünger. 20-21: „Einer von den Zwölf“ ist eine spätere Bezeichnung, im Munde JESU kaum möglich; „aus derselben Schüssel essen“ = Bezeichnung des Naheverhältnisses, nicht unbedingt das Eintauchen der Bitterkräuter beim Pessachmahl. Auch wenn der Tod JESU dem Willen GOTTES entspricht, ist der Verräter schuldig. 22-25: Einsetzung des Herrenmahles: Segen über Brot (am Beginn der Hauptmahlzeit) – über den Becher (am Ende) ist typisch für jedes jüdisches Festmahl, die Besonderheit erhält dieses Mahl durch die Deuteworte (2.Variante 1 Kor 11, 24 f: „Das ist mein Leib für euch – Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut“: beim Juden PAULUS fehlt der anstößige Gedanke des Leib-Essens und Blut-Trinkens). Das „für viele“ (V. 24) sollte besser mit „für alle“ übersetzt werden, da GOTTES Heilswille nicht partiell ist (gegen CALVIN, gegen LEFEBVRE). „Leib“ und „Blut“ bezeichnen den ganzen Menschen als Person; dass Brot und Wein als Symbol dienen, könnte Alltag und Festesfreude symbolisieren. Jedenfalls verweist die gegenwärtige Lebenshingabe auf die zukünftige Vollendung. Lassen wir uns durch den verwandelten Leib CHRISTI in den Leib CHRISTI verwandeln? 14,26-31 26-28: JESUS gibt das Fluchtmotiv klar an („Anstoß nehmen...“), weil laut Dtn 21 ein Gekreuzigter ein von GOTT Verfluchter ist! Aber Er verheißt, über Sach 13 hinaus, einen Neuanfang durch Seine Auferstehung Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 69 29-31: PETRUS (stellvertretend für die Jünger, für uns) überschätzt seine Stärke in der Notsituation 14,32-42 JESU Ringen in Getsemani („Ölkelter“) hat sicher einen historischen Kern, erstens, weil man Ihm diese „Schwäche“ nicht nachträglich angedichtet hätte, zweitens, weil Getsemani außerhalb der Stadtmauern lag, also noch eine reale Möglichkeit zur Flucht bestand. Die Details sind erfunden und z.T. widersprüchlich: Warum werden drei Vertraute ausgewählt, die dann doch zurückgelassen werden? (Anders bei Lk) Woher wusste man JEUS Gebetsworte, wenn niemand dabei war? Wieso kehrt JESUS drei Mal zurück obwohl Er nur zwei Mal weggeht? (Bei Lk nur ein Mal). – Jedenfalls dürften die Jünger Zeugen Seines Gebetsringens und Seiner Angst geworden sein. 35-36: JESU Gebet wird als vorbildliches Beten hingestellt: Selbst in dieser Extremsituation unterstellt Er Seinen Willen dem des VATERs 37: Kritik an PETRUS (vielleicht auch durch den Namen SIMON ausgedrückt?) 38: Aufforderung zur Wachsamkeit. Die Gegenüberstellung von „Geist“ und „Fleisch“ ist nicht griechisch-dualistisch zu verstehen, sondern es sind Aspekte der menschlichen Person: der Mensch als auf GOTT ausgerichtetes Wesen ist stark, der Mensch als hinfälliges und bedürftiges Wesen schwach 41: „Stunde“ meint in der Schrift immer mehr als bloße Uhrzeit In einem geglückten Bittgebet bejahen wir unsere Kontingenz: dass wir bedürftig sind & dass wir ganz in die Hände GOTTES geben sollen Kann ich zu meinem Leben uneingeschränkt (= ohne jedes „Wenn“) Ja sagen? 14,43-52 43: „JUDAS, einer der Zwölf“: wohl als Erschwerungsgrund genannt. „Schar“ = Tempelwache (vgl Schweizer Garde) 44 f: Grund des Kusses unklar: soll damit der schlechte Charakter des Verräters gezeigt werden? Spätere Legende: JESUS sollte vom „Herrenbruder“ JUDAS Thaddäus unterschieden werden 46 f: Die Episode mit dem abgeschlagenen Ohr scheint einen historischen Kern zu haben (Joh 18,10 nennt PETRUS) – sie zeigt, dass Zeloten / Sicarier unter JESU Jüngern waren, denn andere trugen kein Kurzschwert bei sich 48 f.: JESUS kritisiert die, die Ihn verhaften, sieht darin aber die Erfüllung von GOTTES Plan 50: Die Flucht der Jünger wird knapp und ohne Beschönigung geschildert 51 f: Auch die Episode mit dem jungen Mann ist wohl historisch – wahrscheinlich war er noch in der Gemeinde bekannt. Die Identifizierung mit Mk ist legendär und unwahrscheinlich – Mk war sicher kein Augenzeuge und kannte Jerusalem / Judäa kaum direkt Ab der Verhaftung ist JESUS von den Menschen verlassen – am Kreuz wird Er von GOTT verlassen sein: Ist hier in extremer Form der Lebensweg jedes religiösen Menschen abzulesen? 14,53-65 Gegenüberstellung von JESUS und PETRUS, die beide ihrer „Erprobung“ entgegengehen Die Grundzüge der Verhandlungen & Verurteilung sind historisch klar: besonders die Sadduzäer, die sich von JESUS in ihrer Tempelherrschaft bedroht fühlten, wollten JESUS beseitigen. In römisch besetzten Gebieten aber war die Blutgerichtsbarkeit den Römern vorbehalten, also musste ein nach römischem Recht todeswürdiges Verbrechen (Volksaufwiegelung) vorgeschützt werden, um JESU Verurteilung zu erreichen. Details sind Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 70 unklar: War die Verhandlung vor dem Hohen Rat in der Nacht oder am Morgen? Nächtliche Verhandlungen waren unerlaubt, ein Todesurteil musste einen Tag später bestätigt werden. Vielleicht war es aber nur eine offiziöse Verhandlung, bei der nur die Auslieferung an PILATUS beschlossen wurde, weil der Hohe Rat ohnedies keine Blutgerichtsbarkeit hatte – da man später (Heidenmission!) die Schuld der Juden stärker betonen wollte, könnte der jüdische Todesbeschluss hier erfunden worden sein. 55-56: Situationsschilderung: Verhandlung, in der durch falsche Zeugen ein Grund für ein Todesurteil gefunden werden soll 57-59: Dass das Tempellogion eine zentrale Rolle spielt, dürfte historisch sein; die allegorische Deutung auf JESU Leib bei Joh 2,19-22 ist rein johanneisch, JESUS dürfte mit dem neuen Tempel eher das zu GOTT bekehrte Volk gemeint haben – jedenfalls sah sich die Urgemeinde gern im Bild eines Baus (Mt 16,18; 1 Kor 3, 17; 2 Kor 6, 16; Eph 2,22; 1 Petr 2,5). Sicher sahen sich die Sadduzäer als die Tempelherrn bedroht. 60-62: Im direkten Verhör durch den Hohepriester bekennt sich JESUS als MESSIAS. „Hochgelobter“ und „Macht“ sind jüdische Umschreibungen des GOTTESnamens, den die Juden nicht aussprechen durften. Der MESSIASanspruch als solcher war bei den Juden keine todeswürdiges Vergehen, eher bei den Römern. 63-64: Das Todesurteil durch den Hohen Rat ist nicht sehr wahrscheinlich, eher der Auslieferungsbeschluss Im Bild des Hohen Rates wird gezeigt, dass Menschen das Liebesangebot GOTTES in JESUS ganz bewusst, korrekt geordnet, ablehnen 14,66-72 Die Szene hat sicher einen historischen Kern, da die Urgemeinde PETRUS die Verleugnung nicht angedichtet hätte. Offenbar fand er später die ihm hier fehlende Zivilcourage, von seinem Versagen zu erzählen. Von der Komposition ist klar die scharfe Gegenüberstellung der Treue des GOTTESSOHNES und die Untreue des Menschen. Ist für mich „treu zu sein bis in den Tod“ (Schlussworte der SENTA im Fliegenden Holländer) noch ein Wert? 15,1-15 Die Verhandlung vor PILATUS muss stattgefunden haben, da nur er JESUS zum Tod verurteilen durfte. Die Erzählung ist aber stark stilisiert: Schweigen JESU (// Jes 53, 7: GOTTESknecht) / Lavieren des PILATUS / zielbewusstes Auftreten der Sadduzäer / fanatisches Geschrei der Menge Auch die Gegenüberstellung von JESUS BARRABAS ist ein Stilmittel - der Unschuldige wird zum Tod verurteilt, der Schuldige wird freigesprochen -, weil es den Brauch der Freilassung eines Verbrechers im Römischen Recht nicht gab, weshalb Lk die Szene weglässt. 15,16-20a Die Verspottung durch die Soldaten kann durchaus historisch sein, da in außerbiblischen Texten über zum Tod Verurteilte Ähnliches berichtet wird, zudem bei den Römern ein Antisemitismus verbreitet war. „Heil Dir, König der Juden“ entspricht dem üblichen „Ave CAESAR“. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ 15, 20 b-32 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 71 21: Dass der gegeißelte JESUS Hilfe beim Tragen des ca 70 kg schweren Querbalkens braucht, ist wahrscheinlich; dass SIMON vom Feld kommt, spricht gegen den Pessachtag; die Namensnennung – auch der Söhne – spricht dafür, dass sich die Familie (selbst durch das erzwungene Kreuztragen!) bekehrte und der Urgemeinde bekannt war 22: Golgota lag außerhalb der damaligen Stadt, vielleicht wirklich in der Gegend der heutigen Grabeskirche 23: Der Betäubungstrank war jüdische Sitte (Spr 31,6) war jüdische Sitte (Mt 27,34 macht Galle daraus nach Ps 69,22) – JESUS lehnt die Betäubung ab, will also bewusst leiden 24: Die Kleiderverteilung erinnert an Ps 22,19, könnte aber dem römischen Brauch der Beuteverteilung entsprechen 26: Die Aufschrift könnte historisch sein; solche Tafeln waren üblich 27: Die Mitkreuzigung der „Räuber“ ist wahrscheinlich, da für die Urgemeinde eher anstößig. „Schächer“ kommt vom Hebr. schach (Straßenraub) und meint wohl eher Zeloten, die durch Raub ihren Unterhalt und ihre Waffen finanzierten. 28: Späterer Einschub, der die Schriftgemäßheit betonen will 29: Das Kopfschütteln der Zuschauer erinnert an Ps 22,8; die Verhöhnung des scheinbar Gescheiterten ist aber historisch wahrscheinlich. Stilistisch entsteht dadurch der Gegensatz: die Zuschauer lästern in JESUS GOTT, den sie zuvor wegen GOTTESlästerung verurteilten JESUS wird wegen GOTTESlästerung verurteilt, was die eigentliche GOTTESlästerung ist – heute nennt man das Übertragen eigener Probleme und Fehler auf andere Projektion 15,33-41 33: Dreistundenschema eher theologisch als historisch, ebenso die apokalyptische Finsternis (Am 8,9); ein Sandsturm wäre zwar denkbar (eine Sonnenfinsternis beim Pessachvollmond nicht), aber das verfehlt die Aussageabsicht 34: Ps 22,2 ist im Munde JESU schwer verständlich (Gottverlassenheit des GOTTsohnes), aber wohl gerade deshalb historisch; zudem ist nur bei diesem Ps das Missverständnis mit ELIJA möglich, allerdings erst mit V. 11 (ELI atta = mein GOTT bist Du / ELIJA ta = ELIJA, komm). Wahrscheinlichste Deutung; JESUS machte stellvertretend die GOTTverlassenheit des Sünders durch, stirbt also wirklich den Tod des Sünders 36: Ob der Essigtrank eine Verspottung (Ps 69,22) darstellt oder eine mitleidige Geste (Essig = Bezeichnung des billigen Weines für die Soldaten), ist unklar 37: Der laute Schrei ist auffällig, da ein Gekreuzigter an Erschöpfung / Erstickung stirbt 38: Das Zerreißen des Tempelvorhangs ist sicher nicht historisch (es wird in keiner jüdischen Quelle erwähnt), sondern symbolisiert die spätere Trennung des Christentums vom Judentum und damit das Ende des Tempelkultes 39: Das Bekenntnis des heidnischen Hauptmannes – er steht für die Heidenchristen – steht in bewusst schroffem Gegensatz zu dem elenden Tod des von Menschen und GOTT Verlassenen: für Mk ist wichtig, dass GOTT auch und gerade in Leid und Tod gegenwärtig ist. Der jüdische Funktionstitel Sohn GOTTES (Volk Israel, König) wird im Christentum zur Wesensbezeichnung 40 f.: Dass die galiläischen Frauen „von Ferne“ stehen, ist sicher historisch, weil beim Kreuz nach Röm. Recht nur die Soldaten stehen durften; auffällig ist, die Mutter JESU nicht namentlich genannt wird. „MARIA, die Mutter des JAKOBUS und JOSES“ kann nicht mit MARIA, der Mutter JESU, ident sein, weil das erwähnt worden wäre; dass JAKOBUS und JOSES, die in 6,3 als „Brüder JESU“ bezeichnet werden, hier als Söhne einer anderen MARIA aufscheinen, stützt die katholische These, dass JESUS keine leiblichen Geschwister hatte. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 72 Die Passion JESU ist Urbild des spirituellen Weges jedes Menschen, der sich auf GOTT einlässt – Phase der Verlassenheit von Menschen als Reinigung der Nächstenliebe, Phase der GOTTverlassenheit als Reinigung der GOTTESliebe 15,42-47 Die beiden Abschnitte Bestattung / Entdeckung des leeren Grabes sind wohl getrennt überliefert worden und wurden erst von Mk aneinandergefügt. 42: Erst hier wird gesagt, dass JESUS an einem Freitag starb, der auch ein Pessachtag gewesen sein soll: ersteres wird stimmen, letzteres kaum (Unmöglichkeit des Einkaufens) 43: Während die eigentlichen Jünger flohen, wird JESUS von einem vornehmen Sympathisanten bestattet 45 f.: Die offizielle Bestätigung des Todes JESU war wichtig sowohl für PILATUS, der ein Gesundpflegen eines Überlebenden verhindern wollte, als auch für die Christen aus apologetischen Gründen (Scheintodhypothese). Nach Röm. Recht durften die Angehörigen den Leichnam in einem Privatgrab bestatten, nach jüdischem nicht (Massengrab für Verbrecher, was Jes 53,9 entsprochen hätte – daher ist das Privatgrab sicher historisch) 16,1-8 1-4: Situationsangabe. Der Verfasser kennt die klimatischen Verhältnisse offenbar nicht, da eine Salbung am 3. Tag unmöglich – und wohl auch nach der Bestattung durch JOSEPH v.A. überflüssig – wäre, während ein Grabbesuch denkbar wäre. 5: Der Engel ist nur durch sein weißes Gewand als Engel charakterisiert 6 f: die Botschaft ist das Zentrum: Tatsache der Auferweckung – Aufforderung, nach Galiläa zu gehen: ist eine neue Berufung derer, die JESUS verließen – Verheißung, dass sie Ihn dort sehen werden 8: Erstaunliche Reaktion der Frauen 2 Merkwürdigkeiten dieser Stelle: Das leere Grab wird nie angezweifelt, aber auch nie als „Beweis“ der Auferstehung angesehen. Offenbar waren die Erzählungen von der Entdeckung des leeren Grabes (vielleicht wirklich am 3.Tag) / von den Erscheinungen des Auferstandenen urspr. getrennt überliefert – wenn die Ersterscheinungen in Galiläa stattgefunden haben, müssten sie später als 3 Tage erfolgt sein, weil die Gehzeit zu lang Der Schluss ist merkwürdig: Stilmittel des Mk, der auch sonst gern durch scharfe Kontraste zum Nachdenken anregte? Oder ist der urspr. Schluss verlorengegangen ? Welche Steine muss ich von meinem Auferstehungserfahrungen machen zu können? Grab <16,9-20 Späterer Nachtrag (2.Jh.), ein Digest aus den anderen Evangelien> wegwälzen, um Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 73 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZUM KAPITEL 2 Außer den in EBTH genannten Kommentaren wird besonders empfohlen: BAUDLER G., JESUS im Spiegel seiner Gleichnisse. Das erzählerische Lebenswerk JESU - ein Zugang zum Glauben, München - Stuttgart 1988. JEREMIAS J., Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 1977,9.Aufl. ! KNOCH O., Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu, Stuttgart 1980. ! ders., Dem, der glaubt, ist alles möglich. Die Botschaft der Wundererzählungen der Evangelien, Stuttgart 1986. MARTINI C.M., Selig seid ihr ! Betrachtungen zu den Seligpreisungen, MünchenZürich-Wien 1994. RIEBL M., Bergpredigt. Einladung und Anspruch, Wien 1990, 2.Aufl. STEINER A.- WEYMANN V. (Hsg.), Gleichnisse Jesu. Bibelarbeit in der Gemeinde, Basel-Zürich-Köln 1979 Dies., Wunder Jesu. Bibelarbeit in der Gemeinde, Basel-Zürich-Köln 1983,3.Aufl. Dies., Jesus-Begegnungen. Bibelarbeit in der Gemeinde, Basel-Zürich-Köln 1987, 5.Aufl. ! STRECKER G., Die Bergpredigt. Ein exegetischer Kommentar, Göttingen 1984. STÖGER A.- HAMMERSTIEL R., Die Bergpredigt, eine Botschaft von Hoffnung und Frieden, ÖKBW/Klosterneuburg 1982. ! WEISER A., Was die Bibel Wunder nennt. Ein Sachbuch zu den Berichten der Evangelien, KBW/Stuttgart, o.J. Weitere Literatur in den Anmerkungen zum diesem Kapitel. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 74 3 "WAS GOTT NICHT ANGENOMMEN HAT, HAT ER AUCH NICHT ERLÖST" ( IGNATIUS v. Antiochien ) 3.1 Die Passion Die Passionsdarstellung der Evangelisten musste das Ärgernis eines gekreuzigten MESSIAS bewältigen. Ein Mittel dazu war, sie als Erfüllung atl. Texte zu deuten, besonders der GOTTESknechtlieder des Deutero-JESAIA (hier wieder besonders des 4.) und des Ps 22. Stilistisch sind die Passionstexte episch-erzählend, sie versetzen den Hörer geschickt in die beklemmende Rolle des Zuschauers, der das furchtbare Geschehen miterlebt, aber dagegen nichts unternehmen kann. 3.1.1 Einzug in Jerusalem und Salbung Der feierliche Einzug JESU in Jerusalem wird in allen vier Evangelien ähnlich erzählt und als Erfüllung des AT gedeutet (Ps 118; Jes 40 und 62; Sach 9): Noch ist ein positives Ende der irdischen Sendung JESU möglich, noch könnte das Volk sich bekehren und so zum "Licht der Heiden" (Jes 60,1-4) werden. Noch aber könnte auch JESUS Seiner Bestimmung untreu und ein bloß irdischer MESSIAS werden - die Versuchung durch die Huldigung des Volkes entspricht den in der Versuchungsperikope ((Mt 4,1-11 // Lk 4,1-13; vgl.o.,2.1.1) geschilderten messianischen Versuchungen. Auch die Salbung wird von allen vier Evangelisten berichtet, doch in verschiedenem Zusammenhang und in verschiedener Deutung: Lk (7,36-50) trennt die Salbung ganz von der Passion und verbindet sie mit der Erzählung von der reuigen Sünderin. Mk (14,3-9) und Mt (26,6-13) erzählen die Salbung erst nach dem Einzug in Jerusalem und verleihen ihr so den Akzent einer vorweggenommenen Totensalbung (Dem entspricht bei Mk, dass das Begräbnis in aller Eile vorgenommen werden muss und eine Salbung daher unterbleibt). Joh (12,1-11) stellt die Salbung vor den Einzug, wodurch sie den Charakter einer Königssalbung erhält (Daher findet bei Joh später eine aufwendige Totensalbung statt). 3.1.2 Das Letzte Abendmahl16 Gerade in der Darstellung des Letzten Abendmahles differieren die Synoptiker und das Joh-Ev in auffallender Weise, und zwar: Bezüglich des Termins: 16 Vgl. dazu: GRESHAKE G., Erlöst in einer unerlösten Welt?, Mainz 1987, und PESCH R., Das Abendmahl und JESU Todesverständnis (Wort und Dienst 80), Freiburg 1978. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 75 Soll, wie bei den Synoptikern, das Letzte Abendmahl ein Pessachmahl sein, dann wäre JESUS am Pessachfest selbst hingerichtet worden, was mehr als unwahrscheinlich ist (vgl. Lev 16,4-8). / Im Joh-Ev hingegen stirbt JESUS einen Tag vor dem Pessachfest, also am 14.Nisan, zu derselben Stunde, in der die Lämmer für das Fest geschlachtet werden. Beide Termine sind zwar "theologieverdächtig", doch ist der johanneische durchaus glaubwürdig. Damit ergibt sich der 7.April 30 n. als der wahrscheinlichste Todestermin. Bezüglich des Inhaltes: Bei den Synoptikern bildet die Stiftung des Herrenmahles das Zentrum. Da es bei ihnen als Pessachmahl dargestellt wird und dieses bis heute von den Juden als Vergegenwärtigung von GOTTES Befreiungshandeln in den Exodusereignissen gefeiert wird, lag es nahe, das Letzte Abendmahl als endgültige und universelle Befreiung von Sünde, Leid und Tod zu interpretieren. Die Deuteworte JESU über Brot, dem Symbol des Lebensnotwendigen, und Wein, dem Symbol des Lebens in Fülle, weisen in diese Richtung: Er stirbt "für euch"(paulinisch-lukanische Variante) / "für alle" (markinisch-matthäische Variante), d.h. für die, die Sein Leben als Verwirklichung des Für-uns-Seins GOTTES nicht akzeptieren und nachahmen wollten. So ist Er der GOTTESknecht, der für Sein sich nicht-bekehrendes Volk sühnt (Jes 52,13-53,12), und das einzige und endgültige Opfer des Neuen Bundes (Hebr 9,1128 u.ö.). Er selbst dürfte Seine Lebenshingabe daher als den im AT (Jer 31, 31-34 und Ez 36,16-38) verheißenen "Neuen Bund" verstanden haben. Im Joh-Ev ist das Letzte Abendmahl anders dargestellt: Es beginnt mit der Fußwaschung, die einen sakramentalen ("Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Teil an mir", Joh 13,8 b) und einen sozialen ("Ein Beispiel habe ich euch gegeben", Joh 13,15) Aspekt aufweist. Dann folgen sehr lange Abschiedsreden (Joh 13,31-14,31 und 15,1-16,33). In der Antike, in der die Menschen noch im Kreise ihrer Familie starben, war es ganz natürlich, dass sie sich von den Ihren verabschiedeten. Von berühmten Persönlichkeiten wurden solche Abschiedsreden überliefert bzw. ihnen in literarischen Werken in den Mund gelegt, wie etwa das lange Abschiedsgespräch des SOKRATES in PLATONS Dialog "Phaidon". So finden sich auch in der Schrift verschiedene Abschiedsreden, etwa der sog. JAKOBSsegen (Gen 49,1-27), das gesamte Buch Dtn, das sich als Abschiedsrede des MOSE gibt, im NT - abgesehen von den Abschiedsreden JESU - die Abschiedsrede des PAULUS in Milet (Apg 20,1738) und in Briefform 2 Tim und 2 Petr. Die johanneischen Abschiedsreden bilden eine Meditation (daher ist ihre Gliederung schwierig) über zentrale Themen des Joh-Ev, wie Liebe, Friede, den verheißenen Paraklet (Beistand - ein johanneischer Titel für den GOTTESGEIST), vor allem aber darüber, dass unsere Einheit mit CHRISTUS in Seiner Einheit mit dem VATER begründet ist - ein Gedanke, der im abschließenden Hohepriesterlichen Gebet (Joh 17,1-26) nochmals aufgegriffen wird. Auffällig ist, dass im Joh-Ev die Stiftung des Herrenmahles in keiner Weise erwähnt wird - die Begründung dafür ist bis heute unklar. Möglicherweise lässt sich diese Merkwürdigkeit so erklären: Dieses Ev wurde zu einer Zeit verfasst, in der einerseits Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 76 für Christen die Abendmahlsfeier schon etwas Selbstverständliches geworden war, andererseits einer der Gründe der Christenverfolgungen der Vorwurf war, Christen seien "Menschenfresser" - als Folge des Missverstehens der Deuteworte über Brot und Wein. Daher könnte der Verfasser den Einsetzungsbericht weggelassen haben, da er für Christen selbstverständlich, für Christenverfolger missverständlich war; bei einer späteren, mehrfach nachweisbaren Überarbeitung des Evangeliums wurde der eucharistische Aspekt nicht beim Abendmahl, sondern als zweiter Teil der Brotrede (Joh 6,51c-58) eingefügt. 3.1.3 Getsemani: JESU inneres Ringen und Gefangennahme Mit der Ölbergszene beginnt die eigentliche Passion - und damit die Schwierigkeit für die Evangelisten, JESU' Göttlichkeit trotz Seines menschlichen Leidens und Sterbens zu wahren. Sie tun dies in unterschiedlicher Weise: die Synoptiker, besonders Mk, betonen dieses Spannungsverhältnis, dieses Trotzdem (d.h. trotz Seiner Menschlichkeit ist Er GOTTES SOHN), Joh lässt vieles allzu Menschliche weg, um die Göttlichkeit nicht zu verdunkeln. Die Synoptiker zeigen zunächst das Ringen JESU, den Willen Seines VATERS zu erkennen und zu erfüllen. Denn JESUS hatte sicher nicht von Anfang an mit diesem sich nun abzeichnenden tödlichen Ende Seiner Sendung gerechnet - sonst wäre Seine Verkündigung in Wort und Tat ja bloßes Theater gewesen; sondern Er hatte sich um die Bekehrung Seines Volkes ehrlich bemüht. Zeit und Ort waren für dieses Ringen geeignet: die Zeit, weil JESUS durch den spektakulären Einzug in Jerusalem auf Konfrontationskurs gegenüber der Tempelobrigkeit, den Sadduzäern, gegangen war, der Ort, weil der Ölbaumgarten - außerhalb der Stadtmauern und am Weg nach Betanien gelegen - die letzte reale Fluchtmöglichkeit bot. Die Art, wie JESUS betet, ist vorbildlich für jeden Christen: Er bittet, d.h. Er anerkennt die geschöpfliche Abhängigkeit von GOTT; aber Er will mit dieser Bitte nichts durchsetzen, sondern verzichtet auf jeden Eigenwillen gegenüber dem VATER - auch im Ölberggebet ist Er ganz GOTTmensch. Das in den Schmerzhaften Rosenkranz aufgenommene "Blutschwitzen" JESU ist ein Missverständnis des nur bei Lk vorgenommenen Vergleiches "Schweiß wie Blut" (Lk 22,44). Die Gefangennahme wird als Erfüllung der Schrift verstanden. Das Joh-Ev übergeht JESU' Ringen ganz und lässt selbst in der Gefangennahme JESU' Göttlichkeit spürbar werden - durch die dreimalige Verwendung der Formel "Ich bin (es)" (vgl.o.,2.1.5) und dadurch, dass Ihm die Soldaten der Tempelwache zu Füßen fallen. 3.1.4 Verhandlungen, Verurteilung, Kreuzigung17 Zu den Gemeinsamkeiten aller vier Evangelisten zählen: 17 Vgl.dazu: KREMER J., Gekreuzigt als "König der Juden" - ver- kündigt als "Herr und Christus", in:BiLi 45 /1972, 23-32; LOHFINK G., Der letzte Tag JESU, Freiburg 1981; SPEIDEL K.A., Das Urteil des Pilatus. Berichte und Bilder zur Passion Jesu, KBW/Stuttgart, o.J. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 77 JESUS wurde zuerst durch den Hohen Rat (den Sanhedrin, das Synhedrion) verhört, wobei dem Clan des HANNAS (er selbst, seine fünf Söhne und sein Schwiegersohn KAJAPHAS wechselten einander jahrzehntelang in der Hohepriesterwürde ab) die Führungsrolle zukam. Der Rat selbst bestand aus 71 Mitgliedern, unter denen der sadduzäische Priesteradel, die Oberpriester, den größten Einfluss besaßen; die zweite Gruppe bestand aus Vertretern des Laienadels, die dritte aus Vertretern der Pharisäer. In dieser Verhandlung wurde JESUS wegen "GOTTESlästerung" verurteilt. Da aber Judäa samt Samaria und Idumäa seit der Absetzung des unfähigen HERODES-Sohnes ARCHELAOS (6 n.) unter römischer Direktverwaltung stand und die Blutgerichtsbarkeit dem römischen Statthalter vorbehalten war, musste zur Erreichung einer Verurteilung JESU durch die Römer ein politisches Motiv vorgeschoben werden. - Problematisch ist die von den Evangelien behauptete Nächtlichkeit des Verhörs, da dies jüdischem Rechtsdenken widersprach; ebenso, dass JESUS noch in dieser Verhandlung zum Tod verurteilt worden sein soll - denn ein Todesurteil durfte immer erst am folgenden Tag gefällt werden (vgl. Trakt.Sanh. IV 1 ff.). Entweder es handelte sich um keine offizielle Ratversammlung, sondern um eine bestenfalls offiziöse Zusammenkunft, oder die Verhandlungen vor dem Hohen Rat einerseits, vor PILATUS andererseits lagen zeitlich um mindestens einen Tag auseinander und wurden in der literarischen Darstellung dramatisch gerafft. Die Verleugnung JESU durch PETRUS hat sicher einen historischen Kern - die Urgemeinde hätte ihrem Leiter so eine Verfehlung kaum angedichtet. Ja, es lässt sich sogar vermuten, dass PETRUS selbst diese Schuld bekannt hat, weil ja sonst niemand davon gewusst hätte - was sicher viel Zivilcourage erforderte. Historisch ist auch die Auslieferung an und Verurteilung durch PILATUS, da ja nur er das Recht der Blutgerichtsbarkeit hatte; ebendeshalb musste das politische Vergehen der Volksaufwiegelung vorgeschoben werden, das für den Statthalter durchaus glaubhaft und bedrohlich erschien - gab es doch über 60 (!) jüdische Aufstände gegen die Römer, von denen die meisten von Galiläa ausgingen. Nicht historisch ist das relativ positive Bild, das das NT von PILATUS zeichnet und das deutlich von Evangelium zu Evangelium, d.h. aber mit Abnahme der Judenmission und Zunahme der Heidenmission, positiver wird - hier spiegeln sich damals verständliche Rücksichten auf die Heidenmission, die aber später zu einseitiger Beschuldigung der Juden führten und Vorwände für Judenverfolgungen lieferten. Wie wir von zeitgenössischen Historikern wissen, hatte PILATUS eine so brutale Haltung gegenüber den Juden eingenommen, dass er schließlich abgesetzt wurde (vgl. FLAVIUS JOSEPHUS, Bell. Jud. 2,2,2f., und PHILON, Legatio ad Gaium 299-305). Die Geißelung war eine typisch römische Strafe, die allein oder als Vorbereitung der Kreuzigung verhängt werden konnte. Auch die Dornenkrönung und Verspottung durch die Soldaten ist nicht unwahrscheinlich, da JESUS ja wegen Seines angeblichen Königsanspruches verurteilt und wohl auch von den Soldaten verhöhnt wurde. Die Kreuzigung war eine persische Erfindung, merkwürdiger Weise aus religiösen Motiven. Die Perser, die damals Parsen waren, wollten aus religiöser Ehrfurcht die vier antiken Elemente, Luft, Wasser, Erde und Feuer, nicht durch Tote verunreinigen. Bis heute bestatten Parsen ihre Toten nicht, sondern legen sie auf die Plattform der "Türme des Schweigens", wo die Toten von Geiern gefressen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 78 werden. Als Hinrichtungsart erfanden sie die Kreuzigung, wobei die Toten in der ursprünglichen Form so lange am Kreuz blieben, bis Raubvögel sie weitgehend "bestattet" hatten. Die Phönikier und dann die Römer übernahmen sie aus Grausamkeit. Für die Römer galt die Kreuzigung als so schimpflich, dass Römische Bürger nicht gekreuzigt werden durften (vgl. CICERO, Pro C. Rabirio, Oratio 16) - die Kreuzigung wurde zur typischen Strafe für Sklaven und Aufrührer, sofern sie nicht das Römische Bürgerrecht hatten. Die Juden hielten und halten einen Gekreuzigten für von GOTT verflucht (Dtn 21,23), was den Glauben an JESUS als den MESSIAS ungemein erschwert(e). - Bei der Kreuzigung blieb der Längsbalken an vorgesehenen Hinrichtungsplätzen im Boden fixiert oder wurde zumindest vorher aufgerichtet, vom Verurteilten wurde "nur" der etwa 70 kg schwere Querbalken (patibulum) getragen. Die Annagelung erfolgte zwischen Elle und Speiche knapp hinter der Handwurzel, also nicht innerhalb der Handflächen, die Füße wurden übereinandergelegt und ein langer Nagel vom Rist durchs Fersenbein beider Füße durchgeschlagen. Der Gekreuzigte litt zunächst abwechselnd unter Muskelkrämpfen und Erstickungsanfällen, der Tod trat durch Ersticken oder durch Kreislaufzusammenbruch ein. Zu den Unterschieden in den Evangelien gehören: Das Ende des JUDAS durch Selbstmord erzählt nur Mt (27,3-10; Lk bietet in der Apg 1,16-19 eine andere Version). Dass JESUS auch dem HERODES vorgeführt wurde und dass wenigstens Frauen um Ihn klagten, erzählt nur Lk (23,6-12 und 27-31). Bei den Synoptikern hilft SIMON v. Kyrene beim Kreuztragen, während im Joh-Ev JESUS das Kreuz souverän alleine trägt. Die Darstellung der Synoptiker ist die wahrscheinlichere, erstens, weil ein Gegeißelter ziemlich geschwächt ist, zweitens, weil das älteste Evangelium, also Mk, noch die Namen der Söhne des SIMON kennt (Mk 15,21): Dies könnte so zu erklären sein, dass SIMON samt seiner Familie sich bekehrte - dann wäre hier ein schönes Beispiel dafür gegeben, dass selbst ein erzwungenes Kreuztragen zum Heil werden kann ! Überlegt man die Darstellung der Verhandlungen und Verurteilung im ganzen, so fällt auf, dass die Evangelisten die Absurdität des Geschehens herausarbeiten wollen: Der Gerechte wird ungerecht verurteilt; der Treue wird von Seinem engsten Mitarbeiter verleugnet; der HERR der Welt wird wegen eines falschen Königsanspruchs verspottet. Und diese Absurdität ist bis heute gegeben: Immer wieder weisen Menschen das größte Liebesangebot GOTTES, Seine Menschwerdung in JESUS CHRISTUS, zurück - GOTT aber ist bereit, nicht nur unser Leben, sondern auch unser Leiden und Sterben zu teilen. 3.1.5 Kreuzigung und Tod Die Gemeinsamkeiten der Evangelien betreffen hier eher Äußerlichkeiten wie den Namen der Hinrichtungsstätte (Golgota, d.h. Schädelstätte, offenbar ein kahler Hügel); die Kreuzigung mit zwei Terroristen; die Kreuzesinschrift, die JESUS als "König der Juden" titulierte; die Kleiderverteilung, die - wie die Beuteverteilung nach einer Schlacht - zur Soldaufbesserung der Soldaten diente; und schließlich die unbezweifelbare Tatsache des Todes. Gegen die immer wieder vorgebrachte Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 79 unsinnige These, JESUS sei bloß scheintot gewesen, muss man einwenden: Abgesehen von der medizinischen Unwahrscheinlichkeit dieser Behauptung wäre ein wiederbelebter Scheintoter in den Augen Seiner Jünger ein gescheiterter Revolutionär geblieben, hätte also nicht zur Sammlung eines neuen GOTTESvolkes und zur Glaubensverkündigung hin bis zum Martyrium motiviert - worauf noch im Zusammenhang mit der Erfahrung des Auferstandenen näher eingegangen wird. In der Deutung des Todes JESU setzen die Evangelisten unterschiedliche Akzente: Die Synoptiker unterstreichen das schreckliche Geschehen durch Begleitwunder (vgl. o.,2.2.2): Die Finsternis symbolisiert das Verlöschen des Lichtes der Welt, das Zerreißen des Tempelvorhangs symbolisiert den Bruch zwischen Altem und Neuem Bund. Mk und - ihm folgend - Mt arbeiten die Absurdität des Todes JESU durch einen scharfen Kontrast heraus: JESUS betet den Ps 22 - "Mein GOTT, mein GOTT, wozu hast Du mich verlassen ?" -, der römische Hauptmann antwortet "Wahrhaftig, dieser (Mensch) war GOTTES SOHN". Ein größerer Gegensatz ist wohl kaum denkbar - gerade dieser in elendster Weise zugrundegehende Mensch ist GOTT ! Da man z.Z. JESU Psalmen nach ihren Anfangsversen zitierte (ähnlich wie heute Konzilskonstitutionen, Enzykliken u.ä.) und da auch von anderen frommen Juden bezeugt ist, dass sie in ihrer Todesstunde beten, ist es wahrscheinlich, dass auch JESUS betete; für den Ps 22 spricht dabei, dass er erstens besonders gut zur Sterbesituation JESU passt, dass er zweitens die lectio difficilior, die schwierigere Lesart, gegenüber den Todesworten bei Lk und Joh ist - wie kann der GOTTSOHN von GOTT verlassen sein ? - und dass nur bei diesem Ps das Missverständnis mit ELIJA möglich ist: ELIJA 'ta'= "ELIJA, komm" statt ELI atta'= "mein GOTT bist Du" (Ps 22,11). Die übliche Übersetzung "...warum hast Du mich verlassen" entspricht nicht dem griechischen Text (eis ti: Mk, hinati: Mt), der finalen und nicht kausalen Sinn hat, also "wozu" und nicht "warum". Dies wahrt auch besser den religiösen Sinn: Wer "warum" fragt, rechtet mit GOTT, wer "wozu" fragt, will sich dem Willen GOTTES unterordnen. Der - wie immer versöhnlichere - Lk lässt JESUS zuerst für die Ihn hinrichtenden Soldaten beten (23,34), dann den einen Terroristen sich bekehren (23,40 f.). Auch Lk lässt den sterbenden JESUS einen Psalm beten und zwar Ps 31, das jüdische Abendgebet: "VATER, in Deine Hände lege ich meinen Geist" (Lk 23,46 // Ps 31,6) im Mund des GEISTträgers JESUS erhält der zitierte Psalmenvers einen besonderen Akzent: JESUS gibt den GEIST, den Er vom VATER erhalten und der Ihn mit dem VATER verbunden hat, dem VATER zurück. Durch Seine verzeihende Haltung einerseits und durch dieses GOTTvertrauen selbst im Tod wird JESU Sterben zu dem vorbildlichen Sterben schlechthin - es ist kein Zufall, dass der erste Märtyrer, STEPHANUS, in der Apg genau nach diesem Vorbild stirbt (Apg 7,59 f.). - Die Antwort des Hauptmanns ist hier blasser, auch wenn der Begriff "Gerechter" in der Schrift weit mehr meint als bei uns. Bei uns ist das Verständnis von "gerecht" und "Gerechtigkeit" stark vom römischen Rechtsdenken überlagert, in der Schrift, schon im AT, sind dies religiöse Begriffe, die das rechte Verhältnis von GOTT-Mensch meinen. Im Joh-Ev bleibt, gemäß dem Gesamtkonzept dieses Evangeliums, JESUS selbst im Todeskampf Herr der Lage, alles allzu Menschliche bleibt Ihm fremd. Zuerst Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 80 vertraut JESUS Seine Mutter dem "Lieblingsjünger" an (Joh 19,26 f.18). Die Gestalt des Lieblingsjüngers, erst in der Tradition mit dem Zebedäiden JOHANNES gleichgesetzt, gibt bis heute Rätsel auf. Fest steht, dass das Evangelium ihn als ideale Jüngergestalt und Bürgen der Wahrheit des Evangeliums darstellt (1,35-40; 13, 23 ff.; 19,26 f. und 35; 20,3-8;21,7). Jedenfalls sind diese Verse in ihrer Bedeutung stark umstritten19. Früher nahm man sie wörtlich, identifizierte den Lieblingsjünger mit dem Zebedäiden JOHANNES und meinte darin einen Hinweis zu sehen, dass MARIA bereits verwitwet und daher als Mutter eines einzigen Sohnes schutzbedürftig war. Heute nehmen die meisten Exegeten diese Stelle nur symbolisch: In MARIA werden alle, die von JESUS CHRISTUS das Heil erwarten, dem "Jünger", d.h. dem Verfasser des Evangeliums, anvertraut. - Es ist allerdings rückzufragen, ob beide Deutungen einander ausschließen. Dass MARIA zur Zeit des Todes JESU noch lebte, ist auch anderwärts bezeugt (Apg 1,14). Dann aber erscheint es doch reichlich unwahrscheinlich, dass sie ihren Sohn in Seiner schwersten Stunde allein ließ; ein direktes Stehen unter dem Kreuz ist allerdings historisch unwahrscheinlich, weil erstens nach Römischem Recht verboten und zweitens ein Erstickender keine Gespräche über eine größere Distanz führen kann. Dass aber das Ausharren MARIENS in der Nähe des Kreuzes auch symbolischen Sinn hat, ist nicht zu bestreiten. - Im Joh-Ev stirbt JESUS mit den Worten "Es ist vollbracht" (Joh 19, 30) - Er stirbt also in freiwilliger Ausübung Seiner Aufgabe. Niemand antwortet, Er behält das letzte Wort. Aus Seiner Seitenwunde fließen Wasser und Blut, Symbole für die Grundsakramente Taufe und Abendmahl. Auch hier spricht nichts dagegen, diese Aussage trotz ihrer tiefen Symbolik auch wörtlich zu nehmen, da sich das Blut bei Toten ja zersetzt. Bei allen Evangelisten wird die Absurdität des Geschehens deutlich: GOTT ist von GOTT verlassen; Er, der als "Leben" bezeichnet wurde, ist tot; der Sündenlose stirbt den Tod des Sünders. Exkurs: Klärung einiger missverständlicher Ausdrücke: Das NT beschreibt den Sinn des Todes JESU mit verschiedenen Ausdrücken, die - infolge der geänderten kulturellen Verhältnisse - missverständlich sind und auch oft missverstanden wurden und werden. Eine sehr gute erklärende Zusammenfassung bietet die Deutsche Ausgabe des Holländischen Katechismus, die hier gekürzt wiedergegeben werden soll20: "JESUS hat uns losgekauft durch Seinen Tod. Das Wort erinnert daran, wie GOTT Israel `loskauft' aus Ägypten. Und dabei wird kein Preis bezahlt. Es bedeutet, dass das Volk wieder `GOTTES Volk' wird. So werden wir wieder GOTTES Eigentum durch JESU Tod. Der Bund wird wiederhergestellt ... Auch steht da, dass wir durch JESU Tod mit GOTT versöhnt sind. Sehen wir uns den Ausdruck einmal an. Es steht nicht da, GOTT ist mit uns versöhnt. Kein zorniger GOTT muss mit dem Menschen versöhnt werden, sondern der böse Mensch muss mit GOTT versöhnt werden. Auch 18 19 20 Vgl. LORENZEN TH., Der Lieblingsjünger im Johannesevangelium (SBS 55), Stuttgart 1971. Vgl. SCHÜRMANN H., Jesu letzte Weisung, Joh 19,26-27a, in: ders., Ursprung und Gestalt (KBANT), Düsseldorf 1970, 13-28, bes. 25. Glaubensverkündigung für Erwachsene. Deutsche Ausgabe des Holländischen Katechismus, Freiburg 1978, 10.Aufl., 316 f. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 81 hier geht es um Wiederherstellung des Bundes". Das Missverständnis, dass GOTT versöhnt werden müsse, geht auf ANSELM v. Canterbury's Satisfaktionstheorie zurück und setzt eine feudale Gesellschaftsstruktur voraus, was weder zur Bibel noch in unsere Zeit passt: die Größe einer Beleidigung richte sich nach dem Rang des Beleidigten, die Möglichkeit der Genugtuung nach dem Rang des Beleidigers; daher sei jede Sünde eine unendliche Beleidigung GOTTES, die vom Menschen aufgrund seiner bloß endlichen Satisfaktionsfähigkeit nicht gesühnt werden könne, sondern nur durch den menschgewordenen GOTTSOHN. "Alle diese Ausdrücke weisen uns hin auf JESU Gehorsam, Seinen Dienst bis in den Tod. Sie sagen also nicht, der VATER habe JESU Schmerzen gebraucht als stellvertretende Strafe. GOTT brauchte JESU Leben als stellvertretende Liebe. Wer aber in dieser Welt lieben will, stößt auf ein Dasein, in dem das nicht möglich ist". Ein weiterer missverständlicher Begriff ist der der "Höllenfahrt" JESU: Früher beteten wir im Apostolischen Glaubensbekenntnis "abgestiegen zur Hölle" - eine Wendung, die wegen ihrer schweren Verständlichkeit geändert wurde. Und doch wurde damit Tiefes ausgesagt: In der Westkirche deutete man diese "Höllenfahrt" als stellvertretendes Ertragen der GOTT-verlassenheit des Sünders, passend zu Ps 22; JESUS wäre demnach den Tod gestorben, den wir Sünder sterben müssten - der Tod wurde dadurch verwandelt, weil in das Leben GOTTES hineingenommen: Durch den Tod getötet tötete Er den Tod (AUGUSTINUS). In der Ostkirche wird unter dem Bildwort "Höllenfahrt CHRISTI" die universelle Bedeutung von JESU Tod und Auferstehung reflektiert: Durch Seinen Tod überwindet JESUS CHRISTUS den Tod nicht nur für Sich, sondern auch für alle anderen, auch für die vor Ihm verstorbenen, Menschen: Der Mensch begegnet im Tod JESUS und kommt dadurch zu neuem Leben. Die typische Osterikone der Ostkirche stellt CHRISTUS dar, der aus den aufgesprengten Toren der Unterwelt heraustritt und dabei ADAM und EVA (die Vertreter der Menschheit) mit Sich emporzieht, wobei Er meist über den gefesselten (d.h. überwundenen) Teufel steigt. Immer wieder äußern Gegner des Christentums die Kritik, JESUS CHRISTUS könne uns gar nicht erlöst haben, erstens, weil nicht einzusehen sei, warum ein angeblich gütiger GOTT nur durch den Tod Seines SOHNES versöhnbar sei, und zweitens, weil die Welt keinen sehr erlösten Eindruck mache. Dagegen ist einzuwenden: Wie bereits oben gesagt, wollte GOTT nicht den grausamen Tod JESU, sondern Sein ganz auf GOTT hin ausgerichtetes Leben: der grausame Tod war also nicht Wunsch GOTTES, sondern Folge der Unheilsstruktur der Welt ("Erbsünde"). Es zeigt sich ja auch, dass andere Menschen, die durch ihr Leben gegen diese Unheilsstruktur ankämpfen, zu leiden haben. Daher hat nicht bloß JESU Hinrichtung Heilsbedeutung, sondern die Gesamtheit Seines Lebens, Sterbens und Auferstehens, worauf noch eingegangen wird. Ferner: JESUS hat nur beansprucht, dass das GOTTESREICH, mithin die Erlösung, mit Ihm begonnen habe, aber - durch die wiederholten Verweise auf Seine „Wiederkunft“ (Parusie wäre besser mit „endgültigem Offenbarwerden“ zu übersetzen) - immer wieder betont, dass die Vollendung noch ausstehe: Dieses Spannungsverhältnis von SCHON und NOCH NICHT bezeichnet man als "eschatologischen Vorbehalt". Zudem zeigte sich auch an JESUS selbst, dass die Erlösung nicht VON Leid und Tod, sondern DURCH Leid und Tod HINDURCH erfolgt: Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 82 GOTT "zaubert" diese Wirklichkeiten, die durch die Sünde des Menschen einen ausschließlich negativen Charakter erhalten haben, nicht weg - Er nimmt sie an, umgreift sie, macht sie zu etwas Neuem: nicht das Negative, sondern das Positive wird dadurch zur Letztwirklichkeit. 3.2 Die Auferstehung 3.2.1 Die beiden Textgattungen zum Thema Auferstehung Analog zur Menschwerdung (s.o., 1) wird auch das Thema Auferstehung in zwei verschiedenen Textgattungen behandelt; in beiden Textsorten findet sich keine Beschreibung der Auferstehung selbst. Bekenntnisformeln - - In den Briefen verstreut finden sich kurze Formeln, die die Auferstehungserfahrung der ersten Christen bezeugen (z.B. 1 Thess 1 u.4; 1 Kor 15; Phil 2,1; 1 Petr 3 u.ö.): "Gott hat JESUS CHRISTUS auferweckt", "JESUS CHRISTUS ist auferstanden"21, "JESUS CHRISTUS ist der HERR" ... 1 Kor 15 baut ein formelhaftes Bekenntnis zu der wichtigsten theologischen Auferstehungs- Reflexion aus. In diesen Texten findet eine Bezeugung, aber keine Darstellung der Erfahrungen mit dem Auferstandenen statt. Diese Texte erwähnen das leere Grab nicht. Osterevangelien Diese erst zwischen 70 und 100 entstandenen Ostererzählungen stellen die Erfahrungen mit dem Auferstandenen bildhaft dar, um sie - nach Aussterben der Augenzeugen - den Gemeinden zu veranschaulichen. Im Gegensatz zu den formelhaften Texten sind die Osterevangelien bildhafte Erzählungen über die Erfahrungen mit dem Auferstandenen ("Erscheinungen"). Sie betonen das leere Grab. 3.2.2 1 Kor 15: die theologische Reflexion der Auferstehung PAULUS formuliert in diesem wichtigsten Auferstehungstext den christlichen Auferstehungsglauben in einer bis heute gültigen Weise. Diese Zeitlosigkeit ist der Vorteil theologischer Texte gegenüber bildhaften Erzählungen, die in unserer von zweckrationalem Denken bestimmten Zeit Interpretationsschwierigkeiten machen: Nimmt man sie wortwörtlich, werden sie zu Märchen, entmythologisiert man sie (BULTMANN), so geht meist auch ihr eigentlicher Inhalt verloren. 21 Dass der Begriff "auferweckt" älter sei als der Begriff "auferstanden", konnte nicht nachgewiesen werden - vgl. KREMER J., Anastasis - Auferweckung, Auferstehung, EWNT I, 210-221. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 83 Im ersten Teil dieses Kapitels (15,1-19) betont PAULUS massiv die Tatsache der Auferstehung. Er knüpft dabei an einen damals offenbar allgemein bekannten formelhaften Text an (15,3-5), der den Glauben an die Auferstehung CHRISTI doppelt begründet: Sie erfülle "die Schrift" und sie wird von namhaften Zeugen bezeugt. Heute erscheint uns nur der zweite Beweis einsichtig. Denn der sogenannte "Schriftbeweis", der in der Urkirche in Anlehnung an die rabbinische Schriftdeutung offenbar üblich war, geht oft sehr frei mit atl. Texten um, um in ihnen eine Voraussage ntl. Ereignisse, besonders der Auferstehung, nachzuweisen (vgl. z.B. Apg 2,27-32;13,32-40 u.ö). - Anders verhält es sich mit den Zeugen: Nicht nur ihre große Zahl beeindruckt, sondern auch die Tatsache, dass sie alle Juden waren. Für den Juden galt ein Gekreuzigter als von GOTT verflucht (Dtn 21,23): Es wäre also für einen Juden der damaligen Zeit völlig unmöglich gewesen, von sich aus zu erkennen, dass der Gekreuzigte der MESSIAS war wenn nicht von GOTT her eine eindeutige Bestätigung dieses Gekreuzigten als MESSIAS gesetzt worden wäre - eben die Auferstehung. Es ist daher konsequent, dass PAULUS immer wieder die Auferstehung als Grundtatsache des Christentums betont, in 1 Kor 15 mit dem bekannten Satz: "Ist aber CHRISTUS nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos". Dabei fällt auf, dass PAULUS, der einzige schreibende Augenzeuge des Auferstandenen, nie den leisesten Versuch macht, diese Erfahrung zu beschreiben. In einem zweiten Teil (15,20-34) betont PAULUS, dass die Auferweckung JESU nicht nur Ihn als MESSIAS bestätigt hat, sondern auch für uns wesentlich ist: Wurde Er doch nicht als Einziger, sondern als Erster der Entschlafenen (15,20) auferweckt: Die damit beginnende Vollendung der Schöpfung wird erst an ihr Ziel gelangt sein, wenn "GOTT alles in allem ist" (15,28), was die Vernichtung des Todes miteinschließt - wo das göttliche Leben die einzige Wirklichkeit ist, kann es Tod nicht mehr geben. Im dritten Teil (15,35-58) reflektiert PAULUS die Art der leiblichen Auferstehung: Er grenzt sich dabei sowohl gegen die materialistische spätjüdische Vorstellung einer Wiederbelebung des irdischen Körpers am Jüngsten Tag ab als auch gegen die spiritualistische griechische Vorstellung eines körperlosen und unindividuellen Seelengespenstes (In der griechischen Mythologie trinken die Seelen, bevor sie in die Unterwelt gelangen, vom Wasser der Lethe, d.h. vom Wasser des Vergessens - sie verlieren dadurch ihre Individualität und können sich später in anderen Körpern inkarnieren). Leibliche Auferstehung ist für ihn individuelle Auferstehung in neuer, GEIST- gewirkter Leiblichkeit. Die Einheitsübersetzung ist hier etwas blass: soma pneumatikon meint mehr als "überirdischer Leib" - der Ausdruck sagt aus, dass der Auferstehungsleib durch den lebensspendenden GOTTESGEIST gewirkt ist. Diese Auferstehung liegt nicht im "Wesen" des Menschen (griechische Vorstellung einer unzerstörbaren Seelensubstanz) und kann auch nicht vom Menschen "verdient" werden (spätjüdisches Gesetzesdenken), sondern ist das durch CHRISTUS vermittelte Gnadengeschenk GOTTES. Moderne christliche Auferstehungsvorstellungen knüpfen wieder an das paulinische Vorstellungsmodell an22. 22 Vgl.bes. GRESHAKE G.,Stärker als der Tod. Zukunft, Tod, Auferstehung, Himmel, Hölle, Fegfeuer, Mainz 1983, 7.Aufl.; - GRESHAKE G.-KREMER J., Resurrectio mortuorum. Zum theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung, Darmstadt 1986; - KÜNG H., Ewiges Leben ? , München-Zürich 1982; - LOHFINK G., Der Tod ist Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 84 3.2.3 Die Osterevangelien - "Geschichten um Geschichte" 23 In den Osterevangelien versuchen Nicht-Augenzeugen, die Erfahrungen, die die Erstzeugen mit dem Auferstandenen machten, für Christen der zweiten Generation anschaulich darzustellen. So entstehen bildhafte, aktualisierende Erzählungen (im Judentum "Haggada" genannt) mit apokalyptischem Einschlag. Diese Parallele zu den Kindheitsevangelien ist kein Zufall: Die Menschwerdung als Eintritt des GOTTSOHNES in die Welt und die Auferstehung als Rückkehr des GOTTSOHNES in die göttliche Seinsweise sind beides keine bloß innergeschichtlichen Ereignisse, sondern lassen in der Geschichte Ewigkeit gleichsam aufblitzen. Dies wird auch durch das Auftreten eines oder mehrerer Deute-Engel veranschaulicht. Die starke Bildhaftigkeit der Texte erschwert ihr Verständnis, da Bilder immer mehrdeutiger sind als Begriffe. Daher müssen bildhafte Texte von theologischen Texten her erschlossen werden - bezüglich der Auferstehung heißt das: die Osterevangelien müssen von 1 Kor 15 her erschlossen werden - und nicht umgekehrt. Diese Bildhaftigkeit erklärt auch die relativ starke Unterschiedlichkeit dieser Texte: Gemeinsam ist ihnen - abgesehen von der Bezeugung der Wirklichkeit der Auferstehung - nur die Nennung von Frauen als Erstzeugen und das Zeugnis vom leeren Grab und seine Deutung durch Engel. Ferner lassen sich - mit Ausnahme von Mk - bei allen Evangelisten Grabes- und Erscheinungserzählungen unterscheiden. Mk bietet nur eine Grabes-, aber keine Erscheinungserzählung. Denn der Originaltext endet Mk 16,8; 16,9-20 ist ein späterer Zusatz aus dem 2.Jh., der die Darstellung der anderen Evangelien zu einem Art Digest verarbeitet. Es ist möglich, dass dieser Zusatz den ursprünglichen Mk-Schluss überlagert hat, weil das Ende 16,8 sehr abrupt wäre und zum Auftrag des Engels nicht passen würde. Bei Mk kommen drei Frauen am ersten Tag der Woche zum Grab, um die wegen des Festtages unterlassene Salbung nachzuholen. Dieses Motiv des Grabbesuches scheint auf den ersten Blick plausibel, rechnet aber nicht mit der raschen Verwesung eines Leichnams im judäischen Klima - Mt und Joh lassen dieses Motiv daher weg, nur der ebenfalls ortsunkundige Lk behält es bei. Sie stellen fest, dass der Stein weg und das Grab leer ist. Im Grab deutet ein - durch sein weißes Gewand als Engel charakterisierter - Jüngling das Geschehen: Er bezeugt die Auferweckung JESU, trägt den Jüngern auf, nach Galiläa zu gehen, und verheißt, dass CHRISTUS ihnen dort erscheinen werde. Die Frauen fliehen und schweigen, das ursprüngliche Ende bleibt fraglich. nicht das letzte Wort. Meditationen, Freiburg 1976; - NOCKE F.J., Eschatologie, Düsseldorf 1982; - RATZINGER J., Eschatologie - Tod und ewiges Leben, Regensburg 1978, 5.Aufl. 23 Vgl. KREMER J., Die Osterevangelien - Geschichten um Ge- schichte, KBW/Stuttgart- ÖKBW/Klosterneuburg 1977. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 85 Bei Mt gehen nur zwei Frauen zum Grab, das bei ihm - als einzigem - von Soldaten bewacht wird: offenbar eine apologetische Einfügung, die das Gerücht eines Leichenraubes widerlegen soll. Das Geschehen ist durch das Begleitwunder eines Erdbebens und durch den den Stein wegwälzenden Engel zu einer Epiphaniegeschichte dramatisiert. Die Botschaft des Engels entspricht genau der des Mk-Ev: Bezeugung der Auferweckung, Auftrag an die Jünger, nach Galiläa zu gehen und Verheißung, der Auferstandene werden ihnen dort erscheinen. An diese Grabeserzählung schließen bei Mt zwei Erscheinungsgeschichten: Zunächst erscheint der Auferstandene den Frauen und bestätigt den Auftrag des Engels, dann erscheint Er den "Elf" als den offiziellen Repräsentanten des neuen GOTTESvolkes in Galiläa auf einem "Berg", also dem traditionellen Ort einer Theophanie - wodurch die Auferstehung als Anbruch des GOTTESREICHES charakterisiert ist. Der Auferstandene erteilt den Missionsauftrag an "alle Völker" (Heilsuniversalismus), worin eine Umkehrung der prophetischen (bes. Jes 60,1 ff.) Vorstellung der endzeitlichen Völkerwallfahrt nach Jerusalem und ein Anknüpfen an das Kommen der heidnischen Weisen zum MESSIAS am Beginn des Mt-Ev (Mt 2) gesehen werden kann. Diese Mission soll erfolgen "hingehend", "taufend" (hier findet sich die einzige trinitarische Taufformel des NT!) und "lehrend". Zum Abschluss verheißt ihnen der Auferstandene Seine (geistige) Gegenwart "bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20): Seine Rückkehr in die göttliche Seinsweise bedeutet also nicht, dass Seine Jünger - und in der Folge: Seine Kirche - in der Welt allein wären, sondern erfüllt die eingangs (Mt 1,23) gegebene Verheißung, dass dieser Mensch nicht bloß Mensch, sondern IMMANUEL, GOTT mit uns, ist. Diesen Gedanken hat Lk in anderer Form in seiner oft missverstandenen Himmelsfahrterzählung gestaltet (s.u.). Bei Lk gehen mehrere galiläische Frauen zum Grab, später (Lk 24,10) werden drei von ihnen namentliche genannt. In oder vor dem leeren Grab treffen sie auf zwei durch ihre leuchtenden Gewänder als Engel charakterisierten - Männer (Die Vermehrung der Engel bei Lk und Joh auf zwei könnte mit dem jüdischen Zeugenrecht zusammenhängen - Dtn 19,15). Diese bezeugen die Auferstehung JESU unter Rückbezug auf Seine in Galiläa gegebene Verheißung. Lk erzählt nur Erscheinungen in Jerusalem und in der Umgebung von Jerusalem; doch offenbar war ihm auch ein Zusammenhang von Erscheinungen mit Galiläa bekannt, den er mit der Rückerinnerung an die Verheißung JESU einbringt. Die Meldung der Frauen an "die Elf" und "die übrigen" findet keinen Glauben, nur PETRUS eilt zum Grab und staunt. Lk ist damit der einzige Evangelist, der auf eine - von PAULUS (1 Kor 15, 5) bezeugte - Erscheinung des Auferstandenen vor PETRUS anspielt (Lk 24,34). Nun folgen mehrere Erscheinungserzählungen: Der Auferstandene gesellt sich zu zwei auf dem Weg nach Emmaus befindlichen Jüngern, wird von ihnen nicht erkannt und führt sie zum Erkennen durch Schriftinterpretation und Brotbrechen (Lk 24,13-35) - eine hintergründige Geschichte, die darauf hinweist, dass der sich auf dem Lebensweg befindende Mensch CHRISTUS in der kirchlichen Eucharistiefeier erkennen kann, wenn er ehrlich sucht ("Brannte uns nicht das Herz ...?" 24,32). Kurz wird erwähnt, dass auch PETRUS den Auferstandenen erfahren hat (Lk 24,34). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 86 Ausführlich und sogar zwei Mal (Lk 24,36-53; Apg 1,4-11) erzählt Lk die Himmelfahrt"24 . Dabei fallen einige Abweichungen in der Darstellung auf: Im Ev findet die Himmelfahrt am Ostersonntag in Betanien statt, in der Apg 40 Tage nach Ostern auf dem Ölberg, wobei der Auffahrende von einer Wolke verhüllt wird; d.h. in der Apg hat eine stärkere Theologisierung der Erzählung stattgefunden: 40 Tage ist eine theologisch bedeutsame Zahl (40 Jahre Wüstenwanderung der Exodus-Gruppe, 40 Tage Fasten JESU), der Berg ist ein theologisch bedeutsamer Ort, auf einer Wolke wird nach Dan 7,13 der Menschensohn kommen, so dass in der Erwähnung der Wolke bei der Himmelfahrt eine Anspielung auf die Wiederkunft CHRISTI zu sehen ist, was durch die Erläuterung der beiden Deute-Engel bestätigt wird (Apg 1,11). Wichtiger als diese Einzelheiten aber ist, dass Lk die Ostererfahrung in Auferstehung / Himmelfahrt / GEISTsendung zerlegt, um die einzelnen Aspekte dieser Erfahrung stärker betonen zu können, was die kirchliche Liturgie übernommen hat. Dass diese Aspekte als Einheit zu denken sind, zeigen die anderen Evangelien: So ist die Beauftragung zur Mission und die Verheißung der Gegenwart des Auferstandenen in Mt 28 die Parallele zu Himmelfahrtserzählung bei Lk, die GEISTübertragung durch Anhauchen (Joh 20,22) die johanneische Parallele zur Pfingsterzählung. Keinesfalls darf die lukanische Himmelfahrtserzählung als "Verschwinden" JESU verstanden werden, sondern als - in der Antike übliche - Darstellung der Aufnahme in die göttliche Seinsweise. Joh lässt nur MARIA MAGDALENA zum Grab gehen und PETRUS und dem "Lieblingsjünger" berichten; beide eilen zum Grab, doch nur letzterer - der ja wiederholt eine Vorzugsstellung in diesem Evangelium genießt - beginnt zu glauben: Dass schon das leere Grab und nicht erst die lebendige Erfahrung des Auferstandenen zum Glauben führt, ist ein neues Motiv gegenüber den anderen Evangelien. Die beiden Engel (zwei Zeugen) begegnen nur MARIA, ihre Funktion ist gegenüber den anderen Evangelien verblasst, da bei Joh der Auferstandene selbst Zeugnis für Seine Auferstehung ablegt. Schwer zu deuten bleiben Seine Worte "Berühre mich nicht" / "Halte mich nicht fest", besser: „Hafte nicht an mir“ . Die griechischen Worte "me mou haptou" sind im Deutschen, wie oben angeführt, doppeldeutig; die lateinische Übersetzung entscheidet mit "Noli me tangere" für "Berühre mich nicht" - ob dies die bessere Deutung ist, sei dahingestellt. Da Joh - im Gegensatz zu Lk - Auferstehung und Erhöhung ("Himmelfahrt") nicht als getrennte Ereignisse sieht, kann dieser Satz jedenfalls nicht im Sinne einer noch ausstehenden Vollendung des Auferstandenen gedeutet werden. Entweder will er verdeutlichen, dass Auferstehung nicht als Rückkehr ins irdische Leben missverstanden werden darf, oder - und dies ist m. E. vom Sprachlichen her die wahrscheinlichste Deutung - er wehrt ein vordergründiges Glauben ab: das Griechische haptein ist ja verwandt mit dem Deutschen haften, d.h. man könnte auch übersetzen "Hafte nicht an mir", im Sinne von "Hafte nicht an der direkten Erfahrung" - was zu der Mahnung an THOMAS (Joh 20,29) und auch zur sonstigen Bevorzugung des geistigen statt des körperlichen Sehens im Joh-Ev passen würde. 24 Vgl. dazu das sehr klare Büchlein von LOHFINK G., Die Himmelfahrt JESU - Erfindung oder Erfahrung ? KBW / Stuttgart, 1980,2.Aufl. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 87 An diese (einzig erzählte) Erfahrung des Auferstandenen direkt beim Grab schließt eine doppelte Begegnung des Auferstandenen mit Seinen Jüngern: Die erste (ohne THOMAS, Joh 20, 19-23) nimmt die Jünger in den - schon Joh 15,27 verheißenen "Frieden" hinein, der die Basis für die Sendung und GEISTverleihung ist. Dabei ist das hebräische "schalom" nicht deckungsgleich mit dem griechischen "eirene" und noch weniger mit dem lateinischen "pax": Während pax einen rechtlich, also auf rein menschlicher Ebene, abgesicherten Nicht-Kriegs-Zustand meint, meint schalom einen umfassenden Heilszustande zwischen Schöpfer und Schöpfung. Joh bringt hier ebenso wie Lk den Gedanken der GEISTverleihung an die Kirche, doch stellt er sie schlichter (nach dem Vorbild von Gen 2,7) dar, während sie Lk im Pfingstereignis dramatisiert: Gerade die Verschiedenheit der Darstellung weist aber darauf hin, dass eine solche GEISTerfüllung am Beginn des neuen GOTTESvolkes stand, GEISTerfahrungen aber bis heute mehr ekstatisch (Lk) oder mehr kontemplativ (Joh) sein können. Die zweite (mit THOMAS, Joh 20,24-29) mahnt zu einem Glauben ohne empirische "Beweise". Joh 21, im Joh-Ev die einzige Erzählung eines Erlebens des Auferstandenen außerhalb von Jerusalem, gibt sich selbst als Nachtrag zu erkennen. 3.2.3 Leibliche Auferstehung - gibt es das ? Besonders seit der Epoche der Aufklärung, die aber erst im 20.Jh. die breite Masse erreicht hat, wurde der christliche Auferstehungsglaube immer wieder kritisiert: Die Osterevangelien seien in sich widersprüchlich, die Auferstehung widerspreche den Naturgesetzen - daher müsse man sie anders erklären, etwa durch eine Betrugshypothese (die Jünger hätten den Leichnam gestohlen und dann die Auferstehung erfunden), durch eine Scheintodhypothese (JESUS sei gar nicht wirklich tot gewesen), durch einen Mythos (JESUS sei gar keine historische Person, sondern ein Vegetationsgott, der - die Vegetation symbolisierend - jährliche sterbe und auferstehe). Was lässt sich dagegen einwenden ? Die Annahme eines Mythos scheidet von vornherein aus, da auch nicht-christliche antike Texte die historische Existenz eines galiläischen Zimmermannes namens JESUS bezeugen, der als Wanderprediger wirkte und gekreuzigt wurde (vgl. auch EBTH). Gegen die anderen Hypothesen müssen jene Gründe angeführt werden, die in der Schrift für die Auferstehung JESU sprechen: Am wenigsten überzeugend ist für uns heute der sogenannte "Schriftbeweis" (etwa 1 Kor 15,3 f.; Lk 24,25-27; Apg 2,25-35 u.ö.), da wir die atl. Texte nicht mehr so frei aktualisieren, wie dies bei den Rabbinen und, ihnen folgend, im frühen Christentum geschah. Heute würden wir also nicht mehr behaupten, dass die Auferstehung dem AT entspreche, sondern nur, dass sie ihm nicht widerspreche. - Umgekehrt sind die - bloße Äußerlichkeiten betreffenden - Widersprüche der Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 88 Osterevangelien kein Gegenbeweis gegen die Echtheit ihres Inhaltes, weil sie, wie bereits gesagt, keine Protokolle sein wollen, sondern Geschichten um Geschichte sind. Für die Echtheit des Inhaltes aber spricht zunächst, dass Frauen als Erstzeugen genannt werden: Da in der damaligen Zeit Frauen als Zeugen Kindern und heidnischen Sklaven gleichgestellt waren, wäre die Erfindung von Frauen als Erstzeugen völlig unsinnig. Das wichtigste Argument für die tatsächliche Erfahrung des Auferstandenen aber ist, dass ohne eine solche Erfahrung die radikale Sinnesänderung der Jünger und in der Folge davon die Gründung der Kirche als eines zweiten GOTTESvolkes neben dem ersten unerklärlich wäre. Vergessen wir nicht: Die Jünger waren Juden, daher galt für sie selbstverständlich unbezweifelt der Satz aus Dtn 21,23: "...denn ein Gehenkter (d.h. Gekreuzigter) ist ein von GOTT Verfluchter". Es war also auf menschlicher Ebene gar nicht möglich, einen Neuanfang zu setzen: Da es einen solchen aber gab und noch gibt, muss die entscheidende Initiative von GOTT ausgegangen sein - GOTT muss den Jüngern unmissverständlich klar gemacht haben, dass dieser Gekreuzigte keineswegs von Ihm verworfen, sondern endgültig von Ihm bestätigt ist. - Diese Einsicht widerlegt auch klar die Scheintod- und die Betrugshypothese: der Einsatz der Jünger, inklusive Bereitschaft zum Martyrium, wäre dann völlig unerklärlich. Fragt man nach der Voraussetzung, von der die Kritiker des Auferstehungsglaubens stillschweigend ausgehen, so kommt man auf das durch nichts beweisbare Vorurteil, dass die materielle Wirklichkeit die einzige sei. Dieses Vorurteil geht von der philosophischen Richtung des Positivismus aus, der inzwischen viele Fortsetzungen bzw. Verzweigungen erfahren hat. Es gibt sich sehr wissenschaftlich, ist aber trotzdem grundsätzlich nicht beweisbar. Sobald man nämlich behauptet, die materielle (empirische) Wirklichkeit sei die einzige, darf man auch nur empirische Beweisverfahren zulassen. Da aber Gesamtwirklichkeit weder räumlich noch zeitlich empirisch gegeben ist, ist sie als solche auch nicht empirisch überprüfbar, noch weniger die Forderung, nur empirische Prüfungsverfahren zuzulassen. Auferstehung aber meint eben nicht die Rückkehr des Auferstandenen in das irdische Leben, sondern den Eintritt in ein völlig neues Leben. Daher sind auch die Begegnungen mit dem Auferstandenen keine bloß irdischen Erfahrungen, sondern Erfahrungen besonderer Art, die sich nicht (PAULUS) oder nur bildhaft (Evangelien) in Worte kleiden lassen. Die Auferweckung JESU zeigt: GOTTES Liebe ist stärker als der Tod 25 - GOTT lässt keinen, der sich Ihm ganz anvertraut, im Tod, sondern nimmt ihn in Sein Leben hinein. Daher wird durch die Auferweckung JESU nicht nur Sein Anspruch endgültig bestätigt, sondern ist auch für uns die Begründung einer berechtigten Hoffnung über den Tod hinaus. Denn die Sinnlosigkeit des Todes ist nicht dadurch zu bewältigen, dass man ihn verdrängt (westlicher Konsummaterialismus) oder seine 25 GRESHAKE G., Stärker als der Tod. Zukunft. Tod. Auferstehung. Himmel. Hölle. Fegefeuer, Mainz 1983, 7.Aufl., bes. 263 ff. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 89 Schrecklichkeit leugnet (östlicher Materialismus: "Nur das Individuum stirbt, die Gattung Mensch ist unsterblich", HEGEL), sondern nur dadurch, dass uns eine Hoffnung über den Tod hinaus geschenkt wird. 3.2.4 Biblische Grundlagen der Eschatologie, d.h. der "Lehre von den Letzten Dingen" (Gericht, Fegfeuer, Himmel, Hölle) Eine Hoffnung über den Tod hinaus findet sich in fast allen Religionen. Innerhalb der Hochreligionen haben sich zwei Vorstellungsmodelle entwickelt: Im indogermanischen Bereich (Hinduismus, Buddhismus, griechische Philosophie) dachte man dualistisch: Die (unindividuelle) Seele ist von sich aus unsterblich, sie kehrt nach ihrer Befreiung vom Körper-Kerker in den göttlichen Bereich zurück. Im biblischen Bereich hingegen wird der Mensch als Einheit gesehen; er ist sterblich. Nur GOTT ist Leben und weckt durch Seinen GEIST den ganzen Menschen auf (leibliche Auferstehung): "Wenn der GEIST dessen in euch wohnt, der JESUS von den Toten auferweckt hat, dann wird Er, der CHRISTUS JESUS von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch Seinen GEIST, der in euch wohnt "(Röm 8,11). Das Christentum begegnete beiden Vorstellungsmodellen: dem jüdischen einer körperlichen Auferstehung am Jüngsten Tag, dem griechischen einer Trennung von Seele und Leib im Tod. Dazu kam die Erfahrung des Auferstandenen, die zu beiden Vorstellungsmodellen nicht passte. Offensichtlich gelang es kaum, die Erfahrung des Auferstandenen in diesem kulturell vorgegebenen Interpretationsrahmen unterzubringen. Das zeigt sich im NT daran, dass die Vorstellung einer Auferweckung am Jüngsten Tag (1 Thess 4,16; Phil 1,10; Röm 8, 18-30; Mt 10,15; 11,21 f.; 21,41; Joh 11,24; Apg 26,23 u.ö., ) und die einer GOTTES- bzw. CHRISTUSbegegnung im Tod (Phil 1,20-23; 2 Kor 5,1-10; Lk 23,43; 24,26; Apg 2,32 f.; Joh 11, 25.26 unvermittelt nebeneinander bestehen. Dieser Unausgeglichenheit suchte man lange unter Vernachlässigung des besseren paulinischen Interpretationsmodells eines GEIST-gewirkten Leibes (s.o., zu 1 Kor 15) - durch eine Kombination der eigentlich unvereinbarlichen griechischen und jüdischen Vorstellung zu begegnen: Die unsterbliche Seele kommt gleich nach dem Tod zu GOTT, erhält aber erst am Jüngsten Tag ihren wiederbelebten Körper zurück. Die biblisch nicht begründbare Annahme einer leiblosen Seele diente also zur Überbrückung der "Zwischenzeit" zwischen individuellem Tod und Weltenende. Nicht gelöst werden konnte, wieso diese leiblose Seele - entgegen dem in sich konsequenteren griechischen Modell - dennoch individuell sein solle, da innerhalb eines dualistischen Denkmodells der Körper als Individuationsprinzip fungiert: ihre Individualität wurde auch bei bedeutenden christlichen Denkern (z.B. THOMAS v.A.) eher vorausgesetzt statt begründet. - Heute greift man wieder auf die paulinische Unterscheidung von irdischem und GEISTgewirktem Leib zurück: Bereits im Tod wird die individuelle Person, d.h. die Person mit ihren leibhaftigen Weltbezügen und ihrer konkreten Lebensgeschichte, von GOTT in Sein Leben hineingenommen - sofern der Mensch dies nicht ablehnt: zur "Hölle" s.u. Damit wird auch der soziale Aspekt, der früher durch die Allgemeine Auferstehung am Jüngsten Tag gewährleistet war, 26 GRESHAKE-KREMER, Resurrectio mortuourm, Darmstadt 1986, 117 ff. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 90 einbezogen: Da der Leib jedes Menschen potentiell die ganze Schöpfung mitmeint, wird die individuelle Auferstehung erst in der Auferstehung aller vollendet - erst mit dem Ende und der Vollendung der Welt ist auch der Auferstehungsleib CHRISTI vollendet - vgl. Kol 1,12-20, bes. 1,18. Alle Fragen sind allerdings mit diesem neueren Vorstellungsmodell auch nicht gelöst: Es bleibt das Problem der "Zwischenzeit", das verschieden gelöst wird: Entweder man nimmt - mit GRESHAKE 27 - an, der Jüngste Tag sei ein Prozess, der erst mit dem Tod des letzten Menschen (Geschöpfes ?) abgeschlossen sei; dann würde die Zeit aber auch für Verstorbene noch weitergehen. Oder man nimmt - mit LOHFINK 28 - an, dass der Mensch mit dem Tod an der Gleichzeitigkeit GOTTES teilhabe; dann müssten aber die Verstorbenen, übrigens ebenso wie GOTT, dennoch "irgendwie" wissen, dass in der Schöpfung diese Gleichzeitigkeit noch nicht erreicht ist (was man übrigens in jedem Fürbittgebet an Heilige voraussetzt). Allerdings scheint das Modell LOHFINKs das konsequnetere: mit dem Tod endet die Bindung an Raum, Zeit und Materie – die fragen der Zwischenzeit stellt sich also nur für uns, nicht für die, die bereits im Leben GOTTES sind. Dann wäre diese Vorstellung auch mit dem früheren Modell vereinbar: für uns stellt sich die Frage der Zwischenzeit und der Wiederherstellung der leibseelischen Einheit, nicht für den Verstorbenen. Gemeinsam ist jedenfalls dem traditionellen und dem neueren Vorstellungsmodell: erstens der Glaube an ein Ewiges Leben des Individuums und zweitens, dass dazu ein - nur durch den Tod erreichbarer - GEISTgewirkter Leib nötig sei. Von diesen Schwierigkeiten her gewinnt ein PAULUSwort bleibende Gültigkeit: "Nein, wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das GOTT denen beriet hat, die Ihn lieben" ( 1 Kor 2,9). Dass die GOTTESbegegnung für den unvollkommenen Menschen auch "Gericht" bedeutet, ist biblisch vielfach abgestützt (Doch sollte man Gericht nicht primär vom römischen Rechtsdenken, also als Prozess und Verurteilung, sondern biblisch als "Gerecht-gemacht- Werden durch GOTT" verstehen - vgl. Mt 10,15; 11,21 f.; 12,41 u.ö.); weniger hingegen die Vorstellung eines Fegfeuers, das ein Bild für die im Tod stattfindenden läuternde und insofern schmerzliche GOTTESbegegnung sein dürfte: So verstanden wäre "Fegfeuer" nur ein anderes Wort für "Gericht" ("Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen GOTTES zu fallen", heißt es Hebr 10,31; vgl. auch 1 Kor 3,12-15. ) Himmel meint schalom, vollendete Gemeinschaft und Liebe, und zwar nicht nur vertikal (GOTT-Mensch) sondern auch horizontal (Menschen untereinander). Die Schrift drückt dies mit verschiedenen Bildern aus, so das AT und die Apokalyptik als GOTTESstadt, die Evangelien mit (Hochzeits)Mahl. Die Vorstellung der Hölle aber bereitet existentielle Schwierigkeiten: Kann ein guter GOTT ewig strafen ? Doch dabei wird übersehen, dass Hölle nicht eine von GOTT verhängte Strafe , sondern die Konsequenz der Freiheit des Menschen ist: "Hölle ist nicht eine Strafe, die GOTT von außen her über den Menschen verhängt, sondern 27 28 GRESHAKE G., Stärker als der Tod, Mainz 1983, 7.Aufl., bes. 263 ff. LOHFINK G., Der Tod ist nicht das letzte Wort. Meditationen, Freiburg - Basel - Wien 1976, 53 ff. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 91 eine innere fürchterliche Möglichkeit menschlicher Freiheit selbst " 29: Wer die Freiheit des Menschen bejaht, muss auch die Möglichkeit - nicht die Wirklichkeit - des absoluten Freiheitsmissbrauches zugeben. Es ist daher konsequent, dass die Kirche bestimmte Menschen zwar heiligspricht, nie aber verdammt - aber doch die prinzipielle Ablehnung der Hölle dogmatisch verworfen hat (DH 411): Denn dass niemand sich selbst verdammt, kann und soll Gegenstand des Hoffens und Betens, aber kann in dieser Welt nie Gegenstand des Wissens sein. Zudem ist diese Wirklichkeit biblisch gut belegt (z.B.Jes 66,24; Mt 5,22.29 f.; 22,13 f.; Offb 9,1 f.; 19,20 u.ö.) - Worin die Hölle als selbstgewählte und endgültig gewordene GOTTferne besteht, ist allerdings biblisch nicht klar zu entscheiden, da bildhafte Aussagen immer mehrdeutig sind. Da der Auferstehungsglaube sich im Judentum nur langsam entwickelte, scheint die jüdische, genauer: die pharisäische (daher auch paulinische) Vorstellung die gewesen zu sein, dass der Mensch von sich aus sterblich sei und nur die "Gerechten" mit ewigem Leben beschenkt würden (vgl. 2 Makk 7) - Hölle wäre dann das Ausradiert-Werden. Der Satz "Denn der Wurm in ihnen wird nicht sterben, und das Feuer in ihnen wird niemals erlöschen" (Jes 66,24) scheint ursprünglich genau dieses Ausgetilgt-Werden gemeint zu haben - wer dauernd gefressen/verbrannt wird, von dem bleibt nichts übrig. - Die jüngere Vorstellung (vgl. Dan 12) findet sich etwa in einer späteren Schrift des NT: "Und der Teufel, ihr Verführer, wurde in den See von brennendem Schwefel geworfen, wo auch das Tier und der falsche Prophet sind. Tag und Nacht werden sie gequält, in alle Ewigkeit" (Offb 20,10). Die Vorstellung einer Auferweckung zur ewigen Qual, wie sie in den späteren atl. (Dan 12) und ntl. (nachpaulinischen) Schriften vertreten wird, scheint aus dem hellenistischen Denken übernommen worden zu sein. Diese Bildworte Gericht/Fegfeuer, Himmel und Hölle sind also nur auf GOTT hin zu verstehen - was GRESHAKE 30 so zusammenfasst: Der Christ fürchtet die Verantwortung vor GOTT (Fegfeuer), er fürchtet noch mehr, GOTT endgültig zu verlieren (Hölle) und hofft, GOTT endgültig zu erreichen (Himmel). 3.2.5 Die Titel JESU - Versuch einer Annäherung an das Geheimnis Seiner Person Die Fülle der Titel, die das NT JESUS beilegt, ist keineswegs Symptom einer leider auch kirchlich stark ausgeprägten Titelsucht, sondern stellt einen Versuch dar, sich dem Geheimnis Seiner Person zu nähern: JESUS ist der CHRISTUS (MESSIAS, der Gesalbte) 31: Im AT war die Salbung Zeichen einer In-Dienst-Nahme durch JAHWE - jeder König und Priester war daher ein "Gesalbter", ein Messias. Doch schon im AT entwickelte sich in den tristen Zeiten nach dem Exil immer mehr die Vorstellung "des" Gesalbten als dessen, der das Heil JAHWES vermittelt. Obwohl der irdische JESUS den MESSIAStitel wegen seiner politischen Missverständlichkeit nicht für Sich verwendet haben dürfte, steht für die Urkirche fest: JESUS ist dieser CHRISTUS - so sehr, dass dieser Titel für JESUS von Nazaret gleichsam zum zweiten Eigennamen 29 30 31 GRESHAKE, Stärker als der Tod, 84. GRESHAKE, ebd., 21. Ausführlicher bei KASPER W., Jesus der Christus, Mainz 1984, 9.Aufl. Sr Katharina Deifel OP 32 33 Neues Testament, 92 und dadurch ausschließlich für Ihn reserviert wurde. Wir Christen heißen daher nicht "Christoi" ("Christusse"), sondern "Christianoi" ("die zu CHRISTUS Gehörenden"). Gerade diese Zugehörigkeit zu CHRISTUS sollte uns Christen daran erinnern, dass wir als "Leib CHRISTI" für das allmähliche Wirklichwerden des GOTTESreiches mitverantwortlich sind - wir erschweren gerade den Juden den Zugang zu CHRISTUS als dem MESSIAS, weil mit Ihm das erwartete (Jes 11) messianische Zeitalter (noch) nicht angebrochen zu sein scheint. JESUS ist der SOHN (GOTTES) 32. Schon im AT meint "Sohn" keineswegs nur eine biologische Beziehung, sondern häufig ein Zugehörigkeitsverhältnis - immer wieder heißt das ganze Volk Israel, später auch Könige, "Sohn JAHWES", einmal sogar der SATAN (Ijob 1,6 (Dieser ungewöhnliche SATANStitel erklärt sich wohl daraus, dass - in Ablehnung eines Dualismus - die Zugehörigkeit und Unterordnung des SATANS unter JAHWE ausgedrückt werden soll). Von dieser Zugehörigkeit ist auszugehen, wenn man das SOHN-Sein JESU ntl. und nicht heidnisch erfassen will. Bekanntlich zeugen in den heidnischen Mythologien der biblischen Umwelt verschiedene GÖTTER in durchaus biologischer Weise Söhne mit hübschen irdischen Frauen. So kann die Menschwerdung GOTTES in MARIA nicht verstanden werden, wenngleich dies dem Christentum von Gegnern immer wieder vorgeworfen wurde - vgl. Koran, Sure 19. Aufgund dieser Gefahr sollten auch lehramtliche ("gezeugt und nicht geschaffen") und liturgische (GOTTES und MARIENS SOHN" / Schönster Herr JESUS ) Texte sorgfältig auf ihre Missverständlichkeit hin überprüft werden. - Dass JESUS als "der" SOHN verstanden wird, drückt die Einmaligkeit Seiner GOTTESbeziehung aus: Dogmatische gesprochen - der Titel meint nicht bloß eine zeitlich begrenzbare Funktion, sondern ein bleibendes "Wesen". Daher ist der ntl. SOHNEStitel als überbietende Erfüllung des atl. Sohnesverständnisses zu sehen. JESUS ist der MENSCHENSOHN: Das im AT mehrdeutige Wort wurde in Dan 7 als "apokalyptischer Mensch" verstanden, ursprünglich kollektiv im Sinne einer Idealperson, d.h. die Heiligen Israels der letzten Tage; doch schon vor CHRISTUS wurde das Verständnis individualisiert im Sinne eines GOTTgesandten und dadurch der Bedeutung von MESSIAS angenähert. JESUS dürfte den MENSCHENSOHN- Titel als Selbstbezeichnung bevorzugt haben, weil er nicht so leicht politisch missverstanden werden konnte wie der MESSIAStitel33. JESUS ist "der" Prophet: Auch dieser Titel ist eine Erfüllung und Überbietung des AT. Der atl. Prophet heißt "nabi", "(von GOTT) berufener Rufer", der immer wieder Botschaften GOTTES dem GOTTESvolk auszurichten hat. JESUS aber ist in Seiner Person Wort und Botschaft GOTTES. JESUS ist der LOGOS - ein Titel, den nur das Joh-Ev verwendet: Diese Bezeichnung wird - wenig glücklich - mit "Wort" übersetzt, ist allerdings überhaupt kaum angemessen ins Deutsche zu übertragen - man denke an GOETHES "Faust". Es liegt, trotz der griechischen Sprache, eher die hebräische Vorstellung der Offenbarung GOTTES als Tat-Wort (dabar) zugrunde, durch das GOTT Sich in Schöpfung und Geschichte offenbart - in der Geschichte zunächst mit worthaften Aufträgen an einzelne Menschen, die Propheten, total in JESUS CHRISTUS (Joh 1,14). Sekundär mag mit dieser Bezeichnung auch die griechische Wortbedeutung Einen Überblick über den SOHNEStitel bietet KREMER J. Sohn Gottes, BiLi 46, 1973, 3-21. Diese Auffassung wird nicht generell geteilt ; ausführlicher bei PESCH R.- SCHNACKENBURG R. - KAISER O. (Hsg.), Jesus und der Menschensohn, Fs. f. A. VÖGTLE, Freiburg 1975. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 93 "Vernunft" mitgedacht gewesen sein, um die Vernunftgemäßheit der göttlichen Offenbarung in Schöpfung und Geschichte zu betonen. JESUS ist der HERR (KYRIOS) 34 : Dieser Begriff ist im Griechischen ebenso zweideutig wie im Deutschen, denn er meint "Herr" sowohl im Sinne einer Höflichkeitsanrede für Männer als auch als Anrede GOTTES. Wenn auch nicht an allen Belegstellen des NT klar ist, ob dieser Titel im ersten oder im zweiten Sinn gemeint ist, ist doch sicher, dass er oft im zweiten Sinn verwendet wird und somit JESUS Göttlichkeit zuspricht - am deutlichsten im Philipper-Hymnus, Phil 2,5-11. JESUS ist GOTT (THEOS): Diesen Titel verwendet nur das Joh-Ev, doch trotz dieser scheinbaren "Verdopplung" GOTTES in VATER und SOHN wird für beide der Titel Theos immer im Singular gebraucht! 3.2.6 Biblische Grundlagen der Trinitätslehre Schon im AT wird kein strenger Monotheismus vertreten: Erstens ist der Monotheismus des AT in einem jahrhundertelangen gewachsen, so dass man erst ab der Exilszeit von einem Monotheismus im Sinn sprechen kann. Zweitens wird das Wirken JAHWES personhaft konkretisiert, vor allem in Schriften: Etwa durch den Boten ("Engel", mal'ak), das Wort (dabar), die (hokmah) und den GEIST (ruach - vgl. den Exkurs zu 1.5). Prozess strengen späteren Weisheit Im NT kommt es durch den Anspruch JESU zu einer "Verdopplung" GOTTES - natürlich aber nie zu zwei GÖTTERN (vgl. Phil 2,5-11; Mt 11, 25-30; Joh 1,1-18 u.ö.). Und weil auch das Wirken des GOTTESGEISTES personhaft gesehen wird, ist bereits im NT und nicht erst durch die spätere Theologie die Basis zu einer Trinitätslehre gelegt. Schon beim ältesten ntl. Autor, bei PAULUS, finden sich trinitarische Formeln - etwa 1 Kor 12,1-11 (der GEIST und Seine Gaben); 2 Kor 3,18 (GEIST und CHRISTUS in Wechselbeziehung) und 13,13 (liturgische Segensformel als Briefschluss), Gal 4,4-7 (GOTT sandte Seinen SOHN und den GEIST Seines SOHNES, durch die wir Söhne werden) u.ö.; generell am häufigsten in Briefschlüssen. Den deutlichsten Beleg bietet Mt (Mt 28,18 ff.), der den Sendungsauftrag des Auferstandenen mit einer trinitarischen Taufformel, übrigens der einzigen im NT, verbindet. Neben diesen Formeln, in denen die Trinität ausdrücklich erwähnt wird, ist das gesamte NT implizit trinitarisch strukturiert, am deutlichsten bei Lk. Lk deutet die atl. Vorstellung vom GEISTerfüllten MESSIAS (Jes 11,2; 42,1; 61,1-3 ) und einer endzeitlichen GEISTbegabung des ganzen GOTTESvolkes ohne Unterschied von Alter, Geschlecht und sozialem Stand (Jes 44,1-5; Joel 3,1-5) neu: im Lk-Ev ist JESUS "der" GEISTträger und MESSIAS, in der Apg wird dieser GEIST dem neuen GOTTESvolk, der Kirche, verliehen. Joh bezeichnet diesen GEIST als parakletos (Helfer,16,7), der nach der Rückkehr des SOHNES zum VATER unsere Verbindung mit GOTT gewährleistet. 34 Vgl. SCHULZ S., Maranatha und Kyrios Jesus, ZNW 53, 1962, 125-144. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 94 Trotz dieser zahlreichen biblischen Belege ist die Offenbarung GOTTES als VATER, SOHN, GEIST schwer verständlich. Vielleicht hilft zur Annäherung die Ausgrenzung dessen, was damit nicht gemeint sein kann: Nicht gemeint ist, dass die drei göttlichen "Personen" drei GÖTTER sind (Irrlehre des "Tritheismus"). Ebenso ist nicht gemeint, dass GOTT in Wahrheit eine in Sich geschlossene Einheit sei und Sich nur als Dreiheit offenbare - denn sonst würde Er eben nicht "Sich" offenbaren (Irrlehre des "Modalismus"). Die kirchliche Lehre, grundgelegt im Constantinopolitanum I, spricht von einem GOTT in drei "Personen", wobei aber der Personbegriff erklärungsbedürftig ist: In der Antike war "persona" die lateinische Übersetzung des griechischen "prosopon", d.h. Maske des Schauspielers: das aber würde eine Annäherung, wenn nicht einen Zusammenfall, mit dem Modalismus bedeuten. In unserer Zeit meint Person etwa dasselbe wie Individuum oder Persönlichkeit - was zu einem Tritheismus führen würde. Der auf AUGUSTINUS zurückgehende Vorschlag, Person als Relation, als Beziehung, zu verstehen, bietet eine gewisse Lösung des Dilemmas: GOTT wäre dann nicht eine starre, in Sich eingekapselte Einheit, sondern eine in Sich Beziehungen lebende Einheit, die Sich auch als solche offenbart. Der Relationsbegriff bietet nämlich die Möglichkeit, in GOTT Beziehungen anzunehmen, die weder auf Wesensverschiedenheit noch auf wandelbaren Akzidenzien (Eigenschaften) beruhen. Ferner: Nur wenn GOTT bereits in sich Relation ist, wird Er durch die Schöpfung nicht zu etwas Anderem – Er ist Relation und schafft Relation. Das würde auch zu de biblischen Aussage passen „GOTT ist die Liebe“ ( 1 Joh), weil Liebe immer nur in Beziehungen möglich ist. Vielleicht ist das Klügste, was wir Menschen über die Dreifaltigkeit aussagen können, in einer Legende ausgerückt, die über den hl. AUGUSTINUS erzählt wird: Als er gerade über sein berühmtes Werk "De Trinitate" nachdachte, ging er am Meer spazieren: Da sah er ein Kind am Ufer, das mit einer kleinen Muschel Wasser aus dem Meer schöpfte und es in eine Sandgrube goss, die es gegraben hatte. "Was tust du da ?" fragte AUGUSTINUS. "Ich schöpfe das Meer aus", erwiderte der Knabe ernst. "Und meinst du, es wird dir gelingen ?" fragte der große Theologe lächelnd. "Eher gewiss, als es dir gelingen wird, das Wesen der Dreieinigkeit zu erfassen", gab das Kind zur Antwort und war verschwunden. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 95 Anhang zu Kap. 3: Kurzkommentar zum Joh-Ev Zum Autor und Werk im allgemeinen vgl. das Skriptum EBTH Offenbarung JESU in der Öffentlichkeit (1-12) (als Kommentar wurde herangezogen: SCHULZ S., NTD, Bd 4, Göttingen 1983) Das Joh-Ev ist stärker meditativ als die Synoptiker. Grundthemen kehren immer wieder wie die Gleichung VATER:SOHN = SOHN: Jünger, die Bedeutung des Glaubens an JESUS als GOTTgesandten und SOHN GOTTES, die Liebe als Kennzeichen der christlichen Gemeinde Fast alles Faktische hat zugleich einen tieferen Sinn, ist Symbol des Überirdischen – GOETHEs Satz „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“ gilt besonders für das Joh-Ev. Joh 1,1-18 (Prolog) Jeder Evangelist setzte dort ein, wo für ihn das Heilsgeschehen begann - für JOHANNES beginnt es „vor aller Zeit“ mit der Präexistenz des LOGOS, wobei die Wendung „Am Anfang“ bewusst an Gen 1,1 erinnert. Wie PAULUS im Phil-Hymnus, so verwendet auch JOHANNES einen (Weihnachts?-)Hymnus seiner Gemeinde; seine Zusätze betonen - in antignostischer Polemik - die Konkretisierung des ewigen LOGOS im irdischen JESUS. LOGOS ist ein schwieriger Begriff; primär dürfte er vom Verfasser im hebräischen Sinn gemeint sein, als griechische Übersetzung des hebräischen dabar („Tatwort“ GOTTES, d.h. was GOTT ausspricht, geschieht, wie in der priesterschriftlichen Schöpfungsdarstellung, Gen 1; vielleicht beeinflusste auch die spätere hellenistisch-jüdische Weisheitstradition den LOGOS-Begriff, z.B. Spr 8,22-31; Weish.9,9-12;18,14f.; Sir.24,5-31) – dann wäre LOGOS mit SOPHIA verwandt. Sekundär spielte sicher auch der LOGOS-Begriff der griechischen (Popular-)Philosophie und der hellenistischen Gnosis mit. Logos ist im Griechischen ein ungemein vieldeutiger Begriff: Wort, Sinn, Verstand, Vernunft u.ä. In der Gnosis wurde der Logos als mythologische, d.h. geschichtlich nicht fixierbare und nicht wirklich menschliche, Mittlergestalt mit Vorbildcharakter für den Selbsterlösungsweg des Menschen verstanden; eine gnostische Deutung des Joh-Prologs verbietet sich u.a. deshalb, weil der Evangelist diesen Prolog als Einleitung seines Evangeliums wählt, also seiner JESUSGeschichte. Sicher aber entstammt der Hymnus dem hellenistisch-jüdischen Bereich, der Autor ist – wie der von Hebr – am mittleren Platonismus (PHILON!) geschult. Der Hymnus selbst ist zweiteilig: Die 1.Strophe (V.1-4) dürfte ursprünglich die Verse 1.3-4 umfasst haben und von JOHANNES durch V.2 ergänzt worden sein. Sie beschreibt die präexistente, göttliche Existenzweise des LOGOS: Er ist mit dem VATER identisch/nicht-identisch und ist Schöpfungsmittler. Die 2.Strophe (V.5-18) dürfte ursprünglich die Verse 5.10-12b umfasst haben, die übrigen Verse sind johanneische Ergänzung. Dieser 2.Teil ist selbst zweiteilig: Hier geht es darum, dass der LOGOS Sich in der Schöpfung offenbarte (5-13, ohne 6-8) und Seine Menschwerdung in JESUS als Höhepunkt dieser Offenbarung gilt (14-18, wobei 6-8 wohl zwischen 14 und 15 einzuschieben ist): Der LOGOS ist also auch Heilsmittler. Im Gegensatz zu Mt und Lk hat Joh keinen erzählenden, sondern eine hymnischen Prolog seinem Evangelium vorangestellt: Er stellt damit einerseits sein Evangelium von vornherein in einen theologischen und allgemeingültigen Interpretationsrahmen und bewahrt umgekehrt Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 96 dadurch, dass seinem Prolog ein Evangelium, also eine Erzählung mit geschichtlichkonkreten Bezügen, folgt, diesen Prolog vor einer Verflüchtigung in mythische Unverbindlichkeit. Ferner klingen im Prolog die wesentlichsten Gedanken johanneischer Theologie/Christologie an: die Identität/Nicht- Identität von VATER und SOHN, der LOGOS als „der“ Offenbarer GOTTES und damit als Schöpfungs- und Heilsmittler, die geforderte Entsprechung von göttlichem WORT (LOGOS) und menschlichem Glauben, das dadurch „Leben“, „Licht“, „Fülle“ für den Menschen wird. 1: „Im Anfang“ = Anfang schlechthin wie Gen 1,1; zu LOGOS s.o., 1&2: Identität / Nicht-Identität des LOGOS mit GOTT 3: LOGOS als Schöpfungsmittler ( PLATONs Timaios) 4: Leben und Licht als Existenzbedingungen des Menschen 5: Das schöpfungsfundierende Licht scheint in die Finsternis der Geschichte, auch in die der Gemeinde; das Woher der Finsternis wird nicht thematisiert; dass sie erst im geschichtsbezogenen Teil des Hymnus genannt wird, zeigt, dass hier kein ontologischer Dualismus vertreten wird (Licht/Finsternis als zwei urspr. Gegenpole), sondern ein geschichtlicher (die Finsternis ist Produkt der Menschheit) 6-9: Der Einschub über JOH.d.T. als Zeugen des Lichtes ist hier nicht organisch eingefügt – er würde besser zwischen V. 14 und 15 passen. Zugleich wird in apologetischer Absicht betont, dass der Täufer nicht der MESSIAS war. 10-11: Fortsetzung von 5: die Welt – bei JOH immer negativ als sündige Menschenwelt – nahm ihren Schöpfer nicht auf 12: die wenigen Menschen, die sich anders verhielten und den LOGOS annahmen, werden mit der GOTTESkindschaft beschenkt = Glauben 13: Der Glaube ist daher Geburt aus GOTT und kann nicht durch menschliche Abstammung garantiert werden (gegen das spätjüdische Genealogiendenken – nur der wahre Israelit wird des kommenden Heils teilhaftig) 14: Bekenntnis zur Fleischwerdung des LOGOS (gegen die Gnosis) ; zelten (wörtlich statt wohnen) betont, dass das Weilen des LOGOS auf Erden vorübergehend war. Die göttliche Herrlichkeit blieb im Menschen erhalten und ist nur dem Glauben sichtbar – Einheit von Präexistenz & Erdenleben & Postexistenz. Der LOGOS ist der Einziggezeugte 15: JOH.d.T. hier als Zeuge des Schöpfungs- und Erlösungsmittlers 16: Fülle meint das ewige, göttliche Leben; wir alle meint nicht nur die joh. Gemeinde, sondern die Gläubigen aller Zeiten 17: Gnade und Wahrheit überbieten das mosaische Gesetz 18: Die Unsichtbarkeit GOTTES wurde sowohl vom AT als auch von der Gnosis betont. Der SOHN=LOGOS ist der wahre Offenbarer, weil Er in engstmöglicher Gemeinschaft mit dem VATER steht Der Prolog entfaltet die wesentlichen Akzente des JOH-Ev.: Präexistenz- & InkarnationsChristologie, Wechselbezug von WORT und Glaube. Graphisch wäre dies etwa folgendermaßen darstellbar: Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 97 VATER (absolutes Prinzip) In Wesensgleichheit In Wesensgleichheit In Wesensgleichheit SOHN (prinzipiiertes Prinzip) GEIST In Wesensverschiedenheit („per hiatum“) schaffend (d.h. Identität/Nichtidentität setzend) Relatives Schaffen= Ichgewissheit (Denken = Nach-Schaffen) konkretes Ich Gegenstandswelt Körper Mitmenschen Joh 1, 19-34 (Zeugnis des Täufers) 19: JOH. als Zeuge; „die Juden“ im Joh-Ev immer negativer Begriff – zeigt, dass Trennung des Christentums vom (pharisäisch dominierten) Judentum bereits vollzogen Spiegelt wohl auch 20-23: Der Täufer betont, nicht der MESSIAS / ELIA / Prophet zu sein Kon-kurrenz zu den 24-28: Verweis auf den großen Unbekannten Täufergemeinden JOH. als Vorbild jedes Christen: Wegweiser auf CHRISTUS zu sein 29: „Am folgenden Tag“. Im Joh-Ev häufig: Tag als Symbol des Erlösers – Nacht als Symbol des Bösen. Titel „Lamm GOTTES“ ungewöhnlich (nur noch Joh 1,36) – s.u. 30-31: Täuferzeugnis, dass JESUS der Größere 32-33: Das Joh-Ev lässt die Taufe JESU durch den Täufer weg, um Seine Göttlichkeit nicht zu trüben – stattdessen das Zeugnis, dass Er der GEISTträger ist 34: Titel SOHN GOTTES gleich am Anfang ( Synoptiker) Die Gefahr des Missverständnisses: Der zürnende GOTT, der durch den Tod seines SOHNES versöhnt werden muss Leider wurde der biblische Gedanke der sühnenden Lebenshingabe seit dem MA bis zur Unkenntlichkeit verzerrt: Der durch die Sünde der Menschen beleidigte GOTT musste durch das Lebensopfer Seines SOHNES versöhnt werden – ein düsteres, ja, erschreckendes GOTTESbild. Die Korrektur des Missverständnisses: Die Versöhnung einer hartherzigen Menschheit Nicht ein guter GOTT muss versöhnt werden, sondern eine keineswegs immer gute Welt: Lasst euch mit GOTT versöhnen (2 Kor 5,20); CHRIST ist erschienen, uns zu versühnen (Weihnachtslied). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 98 Wenn es aber um die Versöhnung der Menschen geht – wozu brauchen wir die Lebenshingabe des Lammes? Oder: Brauchen wir einen Sündenbock? (R. SCHWAGER SJ) Jeder Mensch trägt in sich negative Aspekte, die ihn daran hindern, eine freie, menschliche Persönlichkeit zu werden, die ihn von sich selbst, von GOTT, von den Mitmenschen entfremden. Sicher gehört hierher auch die persönliche Schuld, aber nicht nur – Die Tiefenpsychologie (C.G. JUNG) nennt diesen Negativbereich Schatten, die Theologie Sünde der Welt, Unheilszusammenhang oder Erbsünde. Wo das Aufarbeiten dieses Schattens nicht gelingt, wird der eigene Schatten auf andere projiziert und an anderen verurteilt – wie viele „Hexen“ wurden und werden sowohl im Laufe der Menschheitsgeschichte als auch im Laufe der Individualgeschichte „verbrannt“! In Primitivkulturen wird der Schatten zunächst wechselseitig übertragen - wechselseitige Aggressivität ist die Folge (Krieg aller gegen alle), und diese führt zum Anwachsen des Unheils in der Welt. Eine erste, noch sehr unzureichende Aufarbeitung erfolgt dadurch, dass man nicht mehr beliebig aufeinander projiziert und daher einander bekämpft, sondern auf ein bestimmtes Opfer – meist Menschen in einer Außenseiterposition (Fremde, Behinderte, weise Frauen = Hexen, ...): die Gewalttätigkeit gegen den Schatten wird in Opferriten kanalisiert Sündenbockmechanismus. AT: Am Versöhnungstag belädt der Hohepriester einen Bock – eben den Sündenbock symbolisch mit den Sünden des Volkes und jagt ihn in die Wüste. Der Fortschritt gegenüber Primitivkulturen ist ein zweifacher: Es wird ein Tier statt eines Menschen geopfert & Es wird zugegeben, dass nicht das Tier schuldig ist, sondern dass ihm die Sünden der Menschen aufgeladen werden Nach christlichem Glauben hat GOTT diesen Unheilszusammenhang durchbrochen, aber zugleich die Freiheit des Menschen nicht angetastet: Dafür wählte GOTT den Weg, Selbst Mensch zu werden und durch Sein Lehren und Wirken gegen diesen Unheilszusammenhang zu kämpfen – oder, positiv formuliert, mit der Errichtung des GOTTESREICHES zu beginnen. Gerade dadurch stieß Er auf die radikale Ablehnung der von der „Sünde der Welt“ geprägten Menschen, Er wurde zum Brennpunkt der Projektion der Sünde der Welt, zum Sündenbock par excellence. Allerdings ist zu bedenken, dass nicht GOTT Leid und Tod Seines SOHNES wollte – GOTT will immer nur unser Heil -, sondern die Menschen, die Ihn ablehnten. Das Kreuz ist also nicht eine von GOTT geforderte Sühne, sondern ein Protest von Menschen gegen das Heilswirken GOTTES. Die Antwort der Menschen auf das Heilswort GOTTES war ein Nein. Doch GOTT ließ diese Antwort nicht als endgültige gelten, sondern eröffnete sozusagen den Dialog neu durch die Auferstehung. Diese Form der Erlösung belässt uns die Freiheit, sie anzunehmen oder abzulehnen. .In Bildern wie Lamm oder Sündenbock, wird ausgesagt, dass der GOTTmensch JESUS dadurch Heilsmittler ist, dass Er den Unheilszusammenhang („Sünde der Welt“) durchbrochen und einen Heilsweg („GOTTESREICH“) eröffnet hat, den zu gehen wir alle eingeladen sind. Joh 1,35-51 ( erst Jüngerberufung) Diese Jüngerberufung unterscheidet sich von denen der Synoptiker: Bei JOH. vor der Verhaftung des Täufers Namen / Personen z.T. verschieden Jünger nicht aus ihrer Berufsarbeit weggerufen (spiegelt wohl die spätere Verfassungszeit wider: nach Tod / Auferstehung waren nur wenige Wandermissionare, die meisten Christen lebten in ihrem Beruf und ihrer Familie) 35-37: Der Täufer ergreift die Initiative, indem er zwei seiner Jünger zu JESUS schickt. „Nachfolge“ als terminus technicus Orts- und Zeitangaben sind im 38-39: „Wo wohnst Du?“ meint zumindest auch: Joh-Ev immer doppelbödig, „Wie lebst Du?“ d.h. haben einen symbolischen 10.Stunde = 16 00: 10 ist aber auch Zahl der Vollendung, der erfüllten Zeit Sinn Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 99 40-42: ANDREAS hier vor PETRUS berufen, SIMON erhält von JESUS sofort den Beinamen KEPHAS (=PETRUS) – JESUS immer wieder als der allwissende GOTT(SOHN) charakterisiert. 43-51: „Am folgenden Tag“ beruft JESUS PHILIPUS und NATHANAEL, der durch JESU „Allwissenheit“ überzeugt wird und gleich bekennt: „Rabbi, „SOHN GOTTES“, „König von Israel“ – das Joh-Ev nimmt also das Ergebnis der Erfahrungen mit JESUS vorweg. – Die Antwort JESU bestätigt das : „Wahrlich, wahrlich“, „Engel GOTTES“, „Menschensohn“ Der Verfasser bemüht sich immer wieder um eine Quasi-Historisierung, wobei aber alle Fakten symbolisch zu verstehen sind. Daher diese Anhäufung von Hoheitstiteln gleich am Anfang: sie sind der Blickwinkel, unter dem wir das Evangelium lese müssen und entsprechen der Frage der Synoptiker: „Für wen haltet ihr mich?“ Joh 2,1-12 (Hochzeit von Kana) Diese Wundererzählung, die keine Parallele bei den Synoptikern hat, wurde vom Evangelisten aus judenchristlichem Milieu übernommen (Semeia-Quelle?) – jüdische Reinigungsriten vorausgesetzt, dominante Rolle MARIENS, die hier wie unter dem Kreuz das GOTTESvolk symbolisiert. Der Evangelist hat eine typische Legende des DIONYSOSkultes eingearbeitet (Weinvermehrung als Zeichen der Epiphanie der GOTTHEIT) 1-2: Historisierung wieder doppelbödig – „dritter Tag“ ist der Tag, an dem GOTTES Heilswirken offenbar wird - & Lokalisierung im jüdischen Bereich (Galiläa) 3-5: Die Mutter (= das GOTTESvolk, aus dem der MESSIAS hervorging) ergreift die Initiative – Ablehnung JESU ungewöhnlich, aber nicht unhöflich: ähnlich wie bei den Synoptikern betont Er, dass Sein Wirken von GOTTES Willen abhängt, nicht von Verwandtschaftsbeziehungen - es ist merkwürdig, dass Seine Mutter auf ihrer Bitte beharrt: Ahnt sie eher als Er, dass die Stunde Seines Wirkens schon gekommen ist? 6-10: Das Wunder wird nicht geschildert, sondern vorausgesetzt. Die große Menge des Weines über den Bedarf hinaus (500- 700 l) soll die Fülle des Heils symbolisieren. 11: Feststellung, dass dies Sein erstes „Zeichen“ – Zeichencharakter der Wunder im Joh-Ev besonders betont: sie zeigen die göttliche Herrlichkeit JESU GOTT will durch JESUS Leben in Fülle schenken Joh 2, 13-22 (Tempelreinigung) Bei den Synoptikern ist diese Perikope vor die Passion gerückt, weil die Tempelreinigung als einer der Verurteilungsgründe gedeutet wird; sie hat den Charakter der Korrektur des Gesetzes gegenüber Missbräuchen im Joh-Ev steht sie am Anfang, weil sie als Aufhebung des Tempelkultes durch das Kommen JESU verstanden wird (spätere Zeit, in der der Tempel schon längst zerstört und die Trennung der Kirche von der Synagoge vollendet) – Verurteilungsgrund ist die Auferweckung des LAZARUS, um die Verstocktheit Seiner Gegner zu betonen: den Lebensspender zu töten 13-14: im Joh-Ev sind oft Feste ein Anlass des Auftretens JESU; Pessachfest wohl schon Anspielung auf Seine Passion. - Es wird nicht erwähnt, dass das Verkaufen von Opfertieren und das Wechseln in Tempelgeld für den jüdischen Opferkult notwendig war 15-16: JESUS setzt mit der Vertreibung der Händler eine prophetische Zeichenhandlung, die zeigen soll, dass der Tempelkult ein Ende hat (// Joh 4,21: wer GOTT „im GEIST und in der Wahrheit anbetet“, braucht keinen Opferkult) – nach der Möglichkeit einer solchen Handlung wird nicht gefragt (der Tempelvorhof hatte 80 000 m²) 17-18: Die Jünger sehen in dieser Handlung eine Erfüllung von Ps 69,10 „die Juden“ fordern ein Legitimationszeichen 19-22: JESUS verweist geheimnisvoll auf Seinen Tod & Seine Auferstehung: sie legitimieren Ihn als den, der den alten Kult aufheben darf – Seine Jünger verstehen erst nach der Auferstehung Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 100 Was Religion alles anzurichten vermag, zeigt eine nette Geschichte, die der Erzbischof von Mailand, Kardinal MARTINI, erzählte. Die Geschichte handelt von einem italienischen Paar, das Hochzeit feierte. Braut und Bräutigam hatten vom Gemeindepfarrer die Erlaubnis bekommen, auf dem Kirchplatz einen kleinen Empfang zu veranstalten. Aber es regnete, und so fiel das Fest ins Wasser. Deshalb fragten sie den Pfarrer: „Wären Sie damit einverstanden, wenn wir den Empfang in die Kirche verlegen?“ – Der Pfarrer war keineswegs davon angetan, einen Empfang in seiner Kirche stattfinden zu lassen. Aber das Brautpaar beteuerte: „Wir essen nur ein bisschen Kuchen, singen ein kleines Liedchen, trinken ein Schlückchen Wein und gehen dann wieder nach Hause“. So konnte der Pfarrer schließlich zur Zusage bewegt werden. Doch als lebensfrohe Italiener tranken die Hochzeitsgäste einen Schluck Wein, sangen ein Liedchen, tranken dann ein bisschen mehr Wein, sangen noch ein Liedchen, und nach einer halben Stunde war das schönste Fest im Gange. Alle hatten ihren Spaß und amüsierten sich prächtig. Der Pfarrer aber wurde nervös. Aufgebracht ging er in der Sakristei auf und ab. Da kam der Vikar herein und sagte: „Sie sind ja ganz aufgeregt!“ – „Natürlich bin ich aufgeregt. Hören Sie doch mal den Krach, den die machen, und das in einem GOTTEShaus, um Himmels willen!“ – „Aber Herr Pfarrer, die Leute konnten doch nirgendwo anders hin.“ – „Das weiß ich auch. Aber muss man dabei einen solchen Lärm machen?“ – „Vergessen wir doch nicht, Herr Pfarrer, dass JESUS selbst einmal auf einer Hochzeit war!“ – „Ich weiß, dass JESUS selbst einmal auf einer Hochzeitsfeier war, das müssen Sie mir nicht erzählen. Dort war aber nicht das Allerheiligste!“ (De MELLO, Der springende Punkt, S. 70 f.) Joh 2,23-25 (1.Summarium) Summarien dienen in allen Evangelien und in der Apg. dazu, die ausführlicher geschilderten Szenen zu verbinden. Hier werden mehrere Zeichen erwähnt & die rechte Einstellung zu diesen Zeichen gefordert: Gegenstand des Glaubens sollen nicht Wunder sein, sondern der SOHN GOTTES Joh 3,1-21 1. christolog. Offenbarungsrede: eigentlich ein Monolog JESU, zu dem NIKODEMUS durch das typisch „johanneische Missverständnis“ nur die Stichworte liefert. Die Rede formuliert das christolog. Bekenntnis der Zeit des Verfassers, das er JESUS in den Mund legt. 1-2: NIKODEMUS wird als Ratsherr vorgestellt, der „des Nachts“ kommt – weil den Rabbinern das Studium in der Nacht empfohlen war? Weil er noch „in der Nacht“ ist und zu CHRISTUS als „dem Licht“ kommt? „Menschensohn“ hier wie den Synoptikern ein Hoheitstitel CHRISTI, immer in der 3.Person verwendet. Gut rabbinisch sieht NIKODEMUS die Wunder als Beglaubigungszeichen GOTTES 3: JESUS beginnt 3 Mal in diesem Gespräch mit „Wahrlich, wahrlich“. Er fordert die „Geburt von neuem / von oben“, um das „Reich GOTTES zu sehen“ und damit die Wunder Zeichen des Anbruchs dieses Reiches richtig anordnen zu können 4: Der nicht-wiedergeborene Mensch missversteht das 5 - 8: 5: zum 2. Mal „Wahrlich, wahrlich“. Wasser & GEIST = Hinweis auf die Taufe: die Taufe verwandelt den Menschen in eine neue Existenz hinein präsentische Eschatologie (// Röm 6,3; Kolosser- und Epheserbrief). 6: Gegensatz Geist / Fleisch nicht im Sinne des griech. Dualismus, sondern (// PAULUS) im Sinne der gottzugewandten / weltverfallenen Existenz. 8: Das Wortspiel mit Wind = GEIST ist im Deutschen nicht nachzumachen. Die neue Existenz ist ein Geschenk GOTTES, dessen Wirken für den Menschen unbegreiflich ist. Die Stelle ist überzogen, wenn man daraus – wie die Calvinisten – eine Prädestinationslehre ableiten will. 9: Neuerliches Missverstehen des NIKODEMUS 10: JESUS tadelt das Unverständnis Israels Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 101 11: 3. „Wahrlich, wahrlich“. JESUS begründet die Wahrheit Seines Zeugnisses damit, das nur Er Augenzeuge des VATERS ist (// Joh 1,18) 12: Der Gegensatz „das Irdische“ / „das Himmlische“ ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich meint „das Irdische“ die Voraussetzungen zur Wiedergeburt, vielleicht die äußere Taufzeremonie, was erst zum Erkennen „des Himmlischen“ befähigt. 13: Abstiegs-Aufstiegs-Christologie, wie sie für die spätere Dogmatik grundlegend 14 - 15: Die atl. Geschichte mit der Erhöhung der Schlange wird zum Vorausbild der Erhöhung CHRISTI in Kreuz und Auferstehung 16: GOTTES Liebe, die im Joh-Ev und in den Joh-Briefen ein Zentralmotiv, hier als Grund der Hingabe des SOHNES; diese Hingabe des SOHNES muss aber vom Einzelnen im Glauben angenommen werden – wieder präsentische Eschatologie 17: Grund der Sendung des SOHNES: Rettung der Welt 18 -21: Glaube als Unterscheidungskriterium für gerichtet / gerettet: Menschwerdung = Weltgericht; die, die nicht glauben = die finster / böse sind, nehmen das Licht der Welt nicht auf; durch die, die im Licht sind, wirkt GOTT Joh 3,22-30 22-24: Situationsangabe: JESUS und JOHANNES taufen im Land Judäa – im Gegensatz zu den Synoptikern wirkt JESUS schon vor der Gefangenschaft des JOHANNES 25-26: Eifersucht der JOHANNESjünger 27-30: Zeugnis des JOHANNES: Er selbst ist nicht der MESSIAS – er ist der „Freund des Bräutigams“ – „Jener muss wachsen...“ Dass der Evangelist noch um 100 n. die Unterordnung des Täufers so betont, spricht dafür, dass es noch Täuferjünger gab, deren Verhältnis zur frühe Kirche geklärt werden musste. Joh 3, 31-36 Gehört nicht mehr zum Täuferzeugnis über JESUS, sondern neue kleine christologische Offenbarungsrede 31-33: Nur der Gesandte des Himmels ist wahrhafter Zeuge – wieder Gegensatz himmlisch / irdisch 34: Der Gesandte GOTTES verfügt über das Wort GOTTES in uneingeschränktem Maß 35: Liebe des VATERS zum SOHN: häufiges Motiv für GOTTES Heilswirken in der Welt 36: Wieder Glaube als Kriterium Joh 4,1-42 1-4: Situationsangabe – JESUS weicht vor den Gegnern nach Galiläa aus, u.zw. auf dem kürzesten, von den Juden gemiedenen Weg durch Samaria 5-6: Orts- und Zeitangabe: Sychar wohl heute Askar, 6.Stunde = 12 Uhr Mittag 7-9: Samariterin kommt Wasser holen – dass sie um die Mittagsstunde kommt, charakterisiert sie als Außenseiterin – JESUS bittet sie um Wasser – sie ist über die Bitte erstaunt (Jude Samariter, Mann Frau) 10: Wasser als Bild des Ewigen Lebens 11-12: Frau missversteht Ihn 13-14: JESUS führt das Bild aus, ohne es zu erläutern 15: Frau missversteht Ihn weiter 16-18: JESUS kommt etwas unmotiviert auf ihre familiären Verhältnisse zu sprechen und erweist darin Seine Allwissenheit 19-20: Die Frau erkennt Ihn daher als Propheten und fragt Ihn nach dem richtigen Ort der GOTTESverehrung, der zwischen Juden und Samaritern strittig war 21-24: JESUS gibt zwar den Juden den Vorzug (unjohanneisch), doch erklärt die Frage für eschatologisch irrelevant 25: Die Frau versteht zwar, dass von der messian. Endzeit die Rede ist, erkennt aber nicht den wahren MESSIAS Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 102 26: JESUS gibt Sich zu erkennen mit der Selbstoffenbarung Ich bin es 27: Die Jünger wundern sich, dass JESUS mit einer Frau redet (sie ist in mehrfacher Hinsicht „minderwertig“: als Frau, als Samariterin, als Ehebrecherin) 28-30: Die Frau ist von JESU´ Allwissenheit beeindruckt und holt Neugierige herbei 31-32: Themenwechsel: wieder Missverstehen, nun anhand der Speise 34-38: JESU Speise = Erfüllung des Willens GOTTES. Das johann. Wie mich der VATER gesandt hat ...wird hier im Bild der Ernte ausgesagt: Saat und Ernte fallen hier zusammen, weil sich bereits im Hören des Wortes GOTTES Glauben oder Unglauben ereignet 39-42: das konkretisiert sich daran, dass viele Samariter Seinem Wort glauben Joh 4,43-45 2.Summarium – Rückkehr nah Galiläa Joh 4,46-54 Die Zeichen-Quelle hat den Stoff der Fernheilung anders verarbeitet als Q: in Q ist es ein heidnischer Hauptmann, dessen Knecht krank ist – Fernheilung dadurch motiviert, dass JESUS nicht das Haus eines Heiden betreten durfte – der Glaube des Hauptmanns steht im Mittelpunkt in der Zeichen-Quelle kann der Mann als königlicher Beamter kaum Heide sein: das Joh-Ev greift das auf und stellt die Fernheilung als besonderes Zeichen von JESU Vollmacht dar. Glaube und Wunder werden also nicht gegeneinander ausgespielt, sondern die Wunder als Zeichen für den Glauben betont Joh 5,1-18 Die Geschichte steht aufgrund einer Blattvertauschung wohl nicht an der urspr. Stelle – urspr. wohl 6-5-7. 1-4: Zeit- (jüdisches Fest) und Ortsangabe – der Name des Teiches ist in verschiedener Form überliefert, Betesda heißt Haus des Erbarmens. Die Ausgrabungen bestätigen die biblischen Angaben 5: Gelähmter – diese Krankheit auch gut symbolisch zu verstehen: jeder von uns hat vieles, was ihn lähmt 6-7: Die Frage JESU will bewusst machen, dass zum Gesundwerden der Willensentschluss und Mut gehört (für einen Kranken wird – vielleicht schlecht, aber doch – gesorgt; ein Gesunder muss für sich selbst sorgen). Die Antwort des Kranken klingt fast wie eine Entschuldigung 8-9a: Heilsbefehl und Heilung – JESU Wort ist wirkmächtig wie das Wort GOTTES. 9b-13: die Heilungsgeschichte wird zu einem Schabbatkonflikt erweitert 14: Neuerliches Zusammentreffen JEUS mit dem Mann; JESUS teilt hier die antike Auffassung, dass Krankheit Sündenstrafe sei (anders bei der Blindenheilung Joh 9) 15-18: JESUS beansprucht, in Seinem Wirken das ununterbrochene Schöpfungswirken GOTTES zu repräsentieren – während bei den Synoptikern JESUS nur wegen der Schabbatverletzung von den Juden verfolgt wird, wird Er es bei Joh auch und besonders wegen Seines göttlichen Anspruchs Joh 5,19-30 19-24: Offenbarungsrede, die das Verhältnis VATER-SOHN umreißt: der SOHN wirkt dasselbe wie der VATER, eben weil Er nicht aus Eigenem wirkt, sondern ganz gemäß dem Willen des VATERs; deshalb überträgt der VATER dem SOHN sogar die Totenerweckung und das Gericht 25-30: Ineinander von vorjohanneischem präsentischem Enthusiasmus (das Nichthören der Offenbarung ist schon das Gericht, das Glauben ist schon die Auferstehung) & (nach-?) johanneischer apokalyptischer Erwartung der endgültigen Totenerweckung. Es ist exegetisch umstritten, ob die apokalyptisch gefärbten Stellen alle der nachjohanneischen kirchlichen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 103 Redaktion angehören oder ob diese Spannung zur Aussage des Evangelisten gehört im Sinne eins extremen Schon-Noch nicht. Joh 5,31-47 Weitere Offenbarungsrede, die stärker an 5,18 (Schabbatkonflikt) anknüpft: spiegelt die Auseinandersetzung der johann. Gemeinde mit der Synagoge. 31-32: Dem Zeugenrecht kam in der Antike große Bedeutung zu, Selbstzeugnis aber nicht gültig. 33-35: Hinweis, dass bereits JOH.d.T. von JESUS Zeugnis ablegte – JESUS sieht diesen Hinweis als Konzession an die Juden, weil er ein menschliches Zeugnis nicht nötig hat. 36-38: Für JESUS zeugen Seine Werke, die Er im Auftrag des VATERs wirkt, und der VATER Selbst. Wortspiel mit LOGOS: meint sowohl das Wort GOTTES im AT als auch CHRISTUS. 39-47: Das Forschen in den Schriften des AT nützt ihnen nichts, da sie nicht in rechter Weise forschen – denn sonst würden sie verstehen, dass das AT auf CHRISTUS verweist: daher zeugt ihr Zeuge MOSE gegen sie Joh 6,1-21 Erste große christolog. Rede des Joh-Ev, erstes Ich-bin-Bildwort. Es liegt dieselbe Überlieferung zugrunde, wie bei den Synoptikern, doch setzt JOH. andere Akzente: Brotwunder nicht wegen einer Notlage, sondern als Zeichen der göttl. Vollmacht – daher auch eng mit dem Seewandel (Epiphaniegeschichte) verbunden 1-4: Situationsangabe – Berg und Nähe des Pessachfestes haben zumindest auch symbol. Bedeutung 5-9: JESUS „testet“ Seine Jünger angesichts der großen Volksmenge – Er kennt ihr Unverständnis 10-13: Das Wunder wird eigentlich nicht geschildert, sondern vorausgesetzt 14-15: Das Volk akzeptiert Ihn als Garanten irdischen Wohlergehens – JESUS zieht Sich zurück 16-19: Überfahrt der Jünger – Seewandel JESU - Furcht der Jünger 20-21: „Fürchtet euch nicht.“: typisches Epiphaniemotiv Joh 6,22-59 Die sog. Brotrede zerfällt in zwei Teile: 22-51a gehen auf den Evangelisten zurück - das Brot ist hier Bild für den göttl. Gesandten, an einer sakramentalen Ausfaltung ist der Evangelist nicht interessiert -, 51b-59 sind eine Ergänzung der kirchl. Redaktion mit stark eucharist. Bezügen. 22-25: neuer Morgen, anderes Ufer – Verwunderung des Volkes, wie JESUS dorthin gekommen. 26-27: JESUS tadelt, dass sie das Brotwundern nicht als Zeichen verstehen und verheißt eine Speise, die ewiges Leben spendet 28: jüdisches Missverständnis, dafür Gesetzeswerke verrichten zu müssen 29: JESUS korrigiert: der Glaube an den von GOTT Gesandten ist das von GOTT geforderte Werk 30-31: Die Juden fordern als Beglaubigungszeichen wieder Manna vom Himmel 32-40: JESUS bezeichnet Sich Selbst als das Himmelsbrot, dessen Genuss (d.h. der Glaube an Ihn) ewiges Leben schenkt – jetzt schon & am Jüngsten Tag (V. 39 und V. 40 bringen ausdrücklich dieses Spannungsverhältnis zur Sprache) 41-42: Murren der Juden, die meinen, Ihn zu kennen, weil sie Seine irdischen Eltern kennen 43-51a: Wieder korrigiert JESUS: Zu Ihm kommen kann nur der, dem es der VATER schenkt. Nochmals Betonung, dass Er das Brot, das ewiges Leben schenkt 51b: Eucharistische Umdeutung – statt Leib/Blut: Fleisch/Blut (antidoketistisch, d.h. Abwehr der Irrlehre, JESUS habe keinen menschlichen, leidenfähigen Leib gehabt) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 104 52: Die Juden missverstehen das als Menschenfresserei 53-59: JESUS führt das anstößige Bild von Fleisch essen & Blut trinken weiter aus. In dieser kirchl. Redaktion ist nicht mehr der Glaube an das Himmelsbrot als Bild für CHRISTUS, sondern der Empfang der Eucharistie Garant des ewigen Lebens! Joh 6,60-71 Die VV. 60-71 schließen an 51a an, die „harte Rede“ betrifft also nicht den Einschub über die Eucharistie, den das Bild des Himmelsbrotes 60-65: Viele Jünger ärgern sich über den Anspruch, dass JESUS der vom Himmel Herabgestiegene ist – Er verheißt ein noch größeres Ärgernis, Seinen Wiederaufstieg in den Himmel. Zum ersten Mal scheidet JESUS zwischen echter und falscher Jüngerschaft 66-71: Rückzug der falschen Jünger – Bekenntnis des PETRUS (// zum MESSIASbekenntnis bei Mt) – JESUS als der Allwissende weiß den Verrat JUDAS´ voraus. Joh 7,1-13 1-2: JESUS bleibt in Galiläa, weil Er Sich in Judäa bedroht fühlt 3-5: Seine Brüder fordern Ihn zu öffentlicher Wirksamkeit auf – es ist nicht klar, ob aus Unverständnis oder aus böser Absicht 6-8: JESUS lehnt ihr Ansinnen ab mit dem Hinweis auf Seine Zeit: für sie, die nach ihrem eigenen Willen handeln, ist immer die richtige Zeit – für Ihn, der nach dem Willen des VATERS handelt, ist die Stunde noch nicht gekommen 9-13: JESUS geht später heimlich zum Laubhüttenfest, die Meinung der „Juden“ über Ihn ist zwiespältig Joh 7,14-24 Schließt an 5,47 an – wahrscheinlich wurden Blätter in den Handschriften vertauscht - die sinnvollere Reihung der Kapitel wäre 6 – 5 – 7. 14: Gemeint ist die Mitte des 8tägigen Laubhüttenfestes 15: Die „Juden“ wundern sich über JESU Schriftverständnis 16-18: JESUS begründet das damit, dass Seine Lehre von GOTT stammt, und fordert seine Hörer zur Erprobung der Lehre durch Tun auf (V.17 wird in der protestant. Tradition als „Beweis des GEISTES und der Kraft“ bezeichnet) – für das Joh-Ev gilt: Glaube = Liebe = Tun des Willens GOTTES. Und weil JESUS GOTTES Lehre verkündet, gibt Er GOTT die Ehre 19: JESUS beschuldigt die „Juden“, das Gesetz des MOSE nicht zu befolgen und Ihn töten zu wollen 20: Sie weisen das zurück mit der Beschuldigung, Er sei besessen = verrückt 21-24: JESUS begründet Seine Schabbatverletzung durch die Heilung des Gelähmten (Kap.5) damit, dass die Juden am Schabbat beschneiden – wenn die Beschneidung erlaubt ist, muss auch eine Heilung erlaubt sein (Schluss vom Geringeren zum Größeren). Diese Begründung der Schabbatverletzung bleibt stärker im jüdischen Denken verhaftet – die Beschneidung am 8.Tag ist wichtiger als die Einhaltung der Schabbatruhe; eine tiefere Begründung der Schabbatverletzung gab JESUS bereits 5,17 f: weil GOTT am Schabbat wirkt (sonst würde die Schöpfung ins Nichts zurückfallen), wirkt auch GOTTES Gesandter am Schabbat Joh 7,25-36 25-27: Streit der „Juden“ über die Person JESU; die Anschauung, die Herkunft des MESSIAS müsse unbekannt sein, ist sonst nicht überliefert – gängig war die Erwartung, dass Er aus dem Geschlechte DAVIDs und aus Bethlehem stamme 28-29: JESUS macht auf die Differenz zwischen irdischem und himmlischem Ursprung aufmerksam – eine Differenz, die der Verfasser des Joh-Ev immer wieder zu einer Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 105 Doppelbödigkeit seiner Erzählungen nützt: im Irdischen wird für die Glaubenden das Überirdischen erfahrbar, die Nicht-Glaubenden verstehen das nicht 30: Den GOTTgesandten kann niemand gegen GOTTES Willen („Stunde“) festnehmen 31-32: Wieder wird die Spaltung zwischen den „Juden“ deutlich – die Menge glaubt (zumindest im vordergründigen Sinn an den Wundertäter) / die religiösen Funktionäre wollen Ihn verhaften 33-34: JESUS verweist auf die Kürze Seiner irdischen Existenz und Seine Rückkehr zum VATER (Präexistenz = Postexistenz) 35-36: Das Missverstehen der „Juden“ ist fast zynisch – dass Er Sich wegen Seines Misserfolgs bei den Juden den verachteten Heiden zukehren werde Joh 7,37-52 37-39: JESUS nimmt den Ritus des Wasserschöpfens am 7.Tag des Laubhüttenfestes zum Anlass Seins Ausrufes; es ist unklar, auf welche atl. Stelle sich der V. 37 beziehen soll und ob das lebendige Wasser aus dem Inneren CHRISTI oder der Glaubenden fließen soll. Auf jeden Fall ist das Wasser Bild des Hl. GEISTES (vgl. auch 19,34) 40-44: Wieder Streit der „Juden“ über die Person JESU 45-49: Vorwürfe der religiösen Funktionäre – die Menschwerdung GOTTES in JESUS ist bis heute ein kontroverses Thema zwischen Juden und Christen 50-52: Daher wird auch der Vermittlungsversuch des NIKODEMUS abgewiesen Joh 7,53-8,11 Die bekannte und berührende Perikope gehört sicher nicht zum urspr. Textbestand – sie fehlt in einigen Handschriften ganz, die Sprache ist unjohanneisch, die Geschichte würde eher zu den Synoptikern, besonders zu Lk, passen. Dass man sie dennoch ins Joh-Ev aufnahm, dürfte zwei Gründe haben: man wollte diese schöne Erzählung nicht missen und sie illustriert das folgende Ich richte niemand (8,15) 7,53: Der Kontext dieses Überleitungsverses ist unklar 8,1-4: Situationsschilderung 5 -6: Da nach Lev 20,10 und Dtn 22,22 auf Ehebruch die Strafe der Steinigung stand, war die Frage eine Fangfrage, sich entweder gegen das Gesetz oder gegen die Barmherzigkeit gegenüber Sündern zu entscheiden. – Durch die Geste des Schreibens / Zeichnens gibt ihnen JESUS die Chance, ihre Haltung zu überdenken 7-8: Erst als sie auf der Frage insistieren, gibt Er die sie entlarvende Antwort: Wer von euch ohne Schuld ist ... 9: Die Älteren sind ehrlich genug, zuerst zu gehen – erst jetzt ist die volle Konfrontation JESU mit der Frau möglich 10-11: Durch Sein Nicht-Verurteilen gibt Er der Frau eine neue Chance, distanziert sich aber klar von der Sünde Joh 8, 12-20 Abgesehen von der eingeschobenen Geschichte mit der Ehebrecherin ist das Kap. 8 ein Streitgespräch mit den „Juden“. Die joh. Streitgespräche sind anders akzentuiert als die der Synoptiker: bei diesen beansprucht JESUS, die Autorität der Toraauslegung zu sein, bei Joh. beansprucht Er wesentlich mehr: die GOTTgleichheit. 12: Anknüpfung an 7,37: Laubhüttenfest – V.20: wird die Ortsangabe nachgetragen. Ich bin das Licht der Welt: wieder eine Ich-bin-Rede; im AT und in 1 Joh ist GOTT das Licht, hier JESUS – Er beansprucht damit GOTTgleichheit. Der Aufruf zur Nachfolge ist hier der Aufruf von der Finsternis ins Licht. Wie bei den Essenern, doch im Gegensatz zur Gnosis ist der Licht-Finsternis-Dualismus ein existentielles, nicht ein ontologisches Problem – d.h. die Finsternis liegt im Menschen, nicht in einem Gegensatz in GOTT oder zwischen eine guten und bösen Prinzip. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 106 13: Die Pharisäer lehnen das Selbstzeugnis JESU ab gemäß dem jüdischen Zeugenrecht – von theolog. Konzept des Joh-Ev her aber kann das Zeugnis JESU nur ein Selbstzeugnis sein, weil kein Mensch für GOTT Zeugniskompetenz hat 14: Daher verweist JESUS auf Seine Herkunft vom VATER 15-18: Daher sind Ihm weltliche Beurteilungsmaßstäbe fremd. Sein Urteil ist wahr, weil es das jüdische Zeugenrecht überbietet – da hier nicht zwei Menschen Zeugen sind, sondern der VATER und der von Ihm gesandte SOHN 19: JESUS relativiert ihre Frage nach Seinem leiblichen Vater, indem Er ihre Unkenntnis GOTTES aufweist, und das gerade im Tempel, was auch den Tempelkult relativiert Joh 8,21-29 21: In Anknüpfung an 7,31-36 wiederholt JESUS Seine Ankündigung, Er werde weggehen 22. Missverstehen der „Juden“ 23-24: JESUS antwortet mit dem Dualismus von oben / von unten, göttlich / widergöttlich. „Sündig“, d.h. von GOTT getrennt, sind die, die das Ich bin es (// JAHWE) nicht glauben 25: Die Frage Wer bist du? ist wieder ein typisches Missverstehen 26-27: Trotz ihres Missverstehens muss JESUS die Botschaft des VATERs verkünden 28-29: Verheißung, dass sie Ihn erst nach Seiner „Erhöhung“ erkennen werden und dass der VATER in Ihm immer präsent ist Joh 8, 30-59 30: Der Glaube, zu dem einige gekommen sind, ist noch kein bleibender Glaube 31-32: JESUS fordert das Bleiben Wort / im Glauben und verheißt die Befreiung durch das Erkennen der Wahrheit / durch das Erkennen des Gesandten GOTTES 33: typisches Missverstehen – die „Juden“ meinen, als Kinder ABRAHAMs Befreiung nicht nötig zu haben 34-38: Wie PAULUS versteht JOH. die Sünde absolut als alles, was von GOTT trennt. Davon kann sich der Mensch nicht selbst befreien – das wäre das Fehlverständnis der „Juden“ -, sondern nur der SOHN kann davon frei machen, weil Er vom VATER kommt 39a: erneutes Missverstehen, indem sich die „Juden“ auf ABRAHAM, d.h. auf ihre Zugehörigkeit zum auserwählten Volk, berufen 39b-41a:Vorwurf JESU 41b: Als Nachkommen ABRAHAMs beanspruchen sie die GOTTESkindschaft 42-47: JESUS lehnt diesen Anspruch ab, weil sie, wenn sie GOTTES Kinder wären, auch Ihn, den Gesandten GOTTES, anerkennen müssten. Der Teufel ist Bild der Lüge, d.h. des Unglaubens gegenüber JESUS. JESUS verweist auf Seine Sündenlosigkeit – auf Seine GOTTverbundenheit: deswegen kann Ihn nur der aus GOTT Stammende verstehen. - Hier spiegelt sich die Entstehungszeit des Ev. Wider: der Gegensatz zwischen der pharisäisch dominierten Synagoge und der jungen Kirche 48: Die „Juden“ lehnen JESUS als „Samariter“ (Schimpfwort) und als besessen ab 49-51: JESUS verweist wieder auf den VATER und verheißt dem Glaubenden Ewiges Leben 52-53: Die „Juden“ sehen in dieser Verheißung einen Beweis Seiner Besessenheit 54-56: Der VATER ehrt Ihn, ABRAHAM freute sich über Ihn – entweder wird hier eine prophetische Schau ABRAHAMs angenommen oder (wahrscheinlicher) ABRAHAMs gegenwärtige Freude im Himmel. 57: Missverstehen der „Juden“ 58: Präexistenzanspruch JESU 59: Tötungsversuch der „Juden“, weil JESUS für sie den Tatbestand der GOTTESlästerung erfüllt Joh 9,1-7 Wie in Kap. 5 ist die Heilungsgeschichte der Zeichen-Quelle entnommen (semitisierendes Griechisch) und durch ein Streitgespräch fortgesetzt. Gegenüber den Blindheilungen der Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 107 Synoptiker ist diese Heilung eine Steigerung, weil der Mann bereits blind geboren wurde und sein Glaube nicht vorausgesetzt wird – JESUS heilt allein aus eigener Initiative. 1: Situationsangabe; das Vorübergehen ist vielleicht eine Anspielung an den Vorübergang des HERRN 2: Die Frage der Jünger setzt die in der Antike verbreitete Strafleidtheorie voraus, steht also auf dem Boden jüdischer Gesetzesfrömmigkeit 3-5: JESUS stellt der in der Strafleidtheorie vorausgesetzten Gerechtigkeit GOTTES Seine Barmherzigkeit gegenüber: GOTTES Heilswirken soll offenbar werden – und zwar durch Ihn: der Gesandte GOTTES muss die Zeit Seiner irdischen Existenz nützen 6-7: Das Heilungsverfahren wird umständlich beschrieben. Der Speichel galt einerseits in der Antike als heilkräftig, andererseits war seine Verwendung am Schabbat untersagt, ebenso wie das Waschen im Teich – der Teich hat den Symbolnamen „Gesandter“, versinnbildlicht also, durch wen allein diese Heilung geschieht Joh 9,8-41 Streitgespräch in Einzelszenen: 8-12: der Geheilte und seine Nachbarn 13-34: der Geheilte und die Pharisäer 35-39: der Geheilte und JESUS 40-41: JESUS und die Pharisäer 8-12: Die Nachbarn sind voll ungläubigem Staunen über die Heilung 13-34: 13-17: 1. Verhör durch die Pharisäer: weil die Heilung am Schabbat geschah, entsteht unter ihnen eine Spaltung – 18-23: Zweifel an der Heilung, daher Befragung der Eltern; ihre Furcht vor den „Juden“ ist ein krasser Anachronismus und spiegelt die Verhältnisse vor der Jahrhundertwende (Achtzehngebet) – 24-34: 2.Verhör: für die Pharisäer steht fest, dass einer, der den Schabbat übertritt, ein Sünder ist – der Geheilte verweist darauf, dass GOTT keine Sünder erhören würde (JOH. versteht die Heilungen also als Gebetserhörungen – vgl. auch 11,41 f.) – die Pharisäer, für die die Blindheit ein Beweis der Sündhaftigkeit des Geheilten ist, sind über dessen Bekenntnis zu JESUS empört und stoßen ihn aus der Synagoge aus (Anachronismus) 35-39: Jetzt steht der Glaube des Geheilten im Mittelpunkt. Auf die unvermittelte Frage JESU nach dem Glauben des Geheilten antwortet dieser zunächst mit der Gegenfrage nach dem Menschensohn, dann antwortet JESUS mit einer Selbstoffenbarung und der Geheilte glaubt – damit ist JESUS der, durch den die Blinden sehend und die Sehenden blind werden 40-41: Die Pharisäer beziehen das auf sich – JESUS macht sie, im Gegensatz zu einer biologischen Blindheit, für ihre Blindheit verantwortlich Joh 10,1-6 In 10 dürfte wieder eine Blattvertauschung vorliegen – wahrscheinlichste Reihenfolge: 10,1921 – 10,22-26 – 10,1-18. 1-2: Einführung des Bildes Schafhirte / Dieb 3-5: Konsequenz aus diesem Bild: die Schafe folgen nur dem Hirten, nicht dem Dieb 6: Unverständnis der Hörer Das Gleichnis besteht in der Gleichung: Hirt : Schafstall Offenbarer : Welt Joh 10,7-10 Bildwechsel & Allegorisierung, wohl auf den Evangelisten zurückgehend: JESUS als einzige Tür zum Heil Joh 10,11-13 Neue Bildrede – JESUS als guter Hirte in Anlehnung an atl. Traditionen (Ps 23; Ez 34, 2 ff.) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 108 Joh 10,14-18 Johann. Deutung der beiden Bildreden 14-15: Wiederholung des Bildes vom guten Hirten & Umwandlung des urchristl. Gedanken vom Opfertod CHRISTI in eine souveräne Lebenshingabe & Ausgestaltung zu der Gleichung: VATER : SOHN SOHN : Schafen 16: späterer polem, Einschub der kirchl. Redaktion 17-18: neuerliche Betonung der souveränen Lebenshingabe, ergänzt durch das Wiedernehmen des Lebens und die Entsprechung zum Willen des VATERs Joh 10,19-21 Erneute Spaltung unter den Juden Joh 10,22-26 Wohl urspr. die Einleitung in die Bildrede vom guten Hirten 22-23: Zeitangabe (Tempelweihfest zur Erinnerung der Wiedereinweihung des Tempels durch JUDAS MAKKABÄUS 165 v.) & Ortsangabe (Halle SALOMOs an der Ostseite des Tempels) 24-26: Auf die Aufforderung der Juden antwortet JESUS mit einem Hinweis auf Seine Werke und erklärt ihr Unverständnis damit, dass sie nicht Seine „Schafe“ sind Joh 10, 27-30 Dürfte urspr. an V. 18 angeschlossen haben. Die Geborgenheit der Schafe in Ihm beruht auf Seiner Einheit mit dem VATER Joh 10,31-39 31-33: Die von Ihm beanspruchte Einheit mit dem VATER gilt als GOTTESlästerung – Steinigungsversuch – JESUS verweist auf Seine guten Werke – „Juden“ bleiben beim Vorwurf der GOTTESlästerung 34-38: JESUS antwortet mit einem freien Schriftbeweis (Ps 82,6) und Schluss vom Kleineren zum Größeren und fordert zum Glauben aufgrund Seiner Werke auf 39: „Juden“ versuchen Ihn zu ergreifen Joh 10,40-42 Summarium: Viele kommen zum glauben an JESUS, weil sich das Zeugnis des JOHANNES über Ihn erfüllte. Wie in einer Ringerzählung kehrt der Verfasser zum Anfang zurück: zum Zeugnis des Täufers Joh 11, 1-16 1-5: Situationsangabe: EL-AZAR (= GOTT hat <dem Namensträger> geholfen) und seine Schwestern MARTHA und MARIA werden ohne nähere Angaben eingeführt – vorgeformte Tradition. Bethanien liegt 15 Stadien = 3 km von Jerusalem entfernt. V. 2 dürfte ein späterer Einschub sein. Ähnlich wie in Kap. 9 verweist JESUS auch hier darauf, dass die Krankheit der Verherrlichung GOTTES diene. Es wird die Liebe JESU zu den drei Geschwistern ausdrücklich erwähnt 6-12: Dialog JESU / Jünger: Die Jünger warnen vor einem neuerlichen Aufenthalt in Judäa – die Antwort JESU ist verschlüsselt: 12 Stunden des Tages = Seine Wirkungszeit; da es „noch“ Tag ist, können Ihm die Gegner nichts anhaben, Er aber muss die wenige verbleibende Zeit noch nützen. JESUS formuliert doppeldeutig mit Schlaf / Aufwecken – die Jünger missverstehen Ihn. 13-16: JESUS klärt das Missverständnis auf – THOMAS fordert die Jünger auf, mit JESUS in den Tod zu gehen Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 109 Joh 11, 17-27 17:Hoffnungslosigkeit der Situation – 4 Tage tot 18-19: üblicher Trauerbesuch der Juden (2 Sam 10,2), das Trauerzeremoniell dauerte 7 Tage 20-22: Aus MARTHAs Vorwurf spricht dennoch ihr Glaube an JESU Wunderkraft 23: Die Verheißung Dein Bruder wird auferstehen ist doppeldeutig 24: MARTHA missversteht dies nur im Sinne der Auferstehung am Jüngsten Tag, an die die zeitgenössischen Juden – mit Ausnahme der Sadduzäer – glaubten 25-26: Ich bin die Auferstehung und das Leben: damit ist gemeint, dass für den, der an JESUS glaubt, der Tod letztlich irrelevant geworden ist – die Auferweckung des LAZARUS ist dafür nur ein bestätigendes Zeichen und ist daher ans Ende der Erzählung gerückt 27: MARTHA antwortet mit einem starken MESSIASbekenntnis, das an das des PETRUS bei Mt 16 erinnert Joh 11, 28-44 28-31: Begegnung JESU mit MARIA und den Trauergästen 32-35: Auf MARIAs Vorwurf, der mit dem MARTHAs gleichlautend ist, reagiert JESUS nicht mit einem Gespräch, sondern mit einem Gefühlsausbruch, wobei Sein „Grimm“ nicht ganz verständlich ist (vielleicht über die Macht des Todes?) 36-37: zwiespältige Reaktion der „Juden“ 38: Das Grab wird ähnlich geschildert wie das Grab JESU 39-40: JESUS befiehlt die Entfernung des Steines – Einwand MARTHAs 41-42: JESU Gebet ist kein Bitt-, sondern ein Dankgebet: dass Er betet, zeigt, dass Er immer im Sinne des VATERs handelt, dass Er dankt, dass Er mit dem VATER so verbunden ist, dass Er Sich der Erhörung gewiss ist. 43-44: Ruf JESU – Antwortverhalten des LAZARUS Joh 11,45-54 Schroffe Gegenüberstellung: dem größten Zeichen der Göttlichkeit JESU folgt der Todesbeschluss. 45-48: Die Sorge, dass die „Juden“ zum Glauben kommen könnten, erfüllt das Synhedrium mit Furcht vor Strafmaßnahmen der Römer 49-52: Der Verfasser war mit jüdischen Verhältnissen nicht mehr voll vertraut – im Gegensatz zu den Heiden war das jüdische Amt des Hohepriesters auf Lebzeit. Sein aus politischer Klugheit geäußerter Satz ist ohne sein Wissen zugleich eine Prophetie. – Die paulin. u. markin. Sühnetodchristologie ist zwar kein Hauptakzent des Joh-Ev, aber dem Verfasser offenbar nicht fremd (vgl. auch Joh 1,29; 10,11.15.17) 53-54: Tötungsbeschluss – vorläufiger Rückzug JESU Bei Mk wird der Todesbeschluss gefasst, weil JESUS die Tora nicht mehr als alleinige Heilsmittlerin sieht und sie in Seinem Sinne auslegt – bei Joh fällt der Todesbeschluss aufgrund Seiner Zeichen, letztlich aufgrund Seines Anspruchs auf göttl. Vollmacht Joh 11,55-57 „Pascha der Juden“ zeigt bereits eine große Distanz zur jüdischen Liturgie Joh 12, 1-11 1-3: Die Salbungsgeschichte findet sich bei allen 4 Evangelisten, doch verschieden akzentuiert – bei JOH. verbunden mit der LAZARUSerzählung. JESUS nimmt den Liebesdienst der MARIA unbekümmert an (ein jüdischer Mann durfte mit keine fremden Frau sprechen, sie nicht einmal ansehen – schon gar nicht, sich von ihr berühren lassen!). Der sich verbreitende Duft wurde später symbolisch aus die Verbreitung der christlichen Botschaft gedeutet 4-6: Die Rolle des JUDAS ist hier negativer gezeichnet als bei den Synoptikern Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 110 7-8: Hinweis JESU auf Seinen Tod – und, dass Liebesdienste nicht pragmatisch abgewertet werden dürfen 9-11: Der Zulauf der Menge bestätigt den Tötungsbeschluss Joh 12, 12-19 Auch diese Erzählung findet sich bei allen 4 Evangelisten, von JOH. etwas umakzentuiert 12-13: Das „Entgegengehen“ ist ein terminus technicus für das Einholen des Königs, „Hosianna“ (hilf doch) ein Ruf an GOTT (Ps 118,25 f.; Ps. 20,10) oder an den König (2 Sam 14,4; 2 Kön 6,26). 14-16: JESUS korrigiert die politischen Königserwartungen anhand von Sach 9,9 und präsentiert Sich als Friedensfürst, was die Jünger erst nach Seiner Auferstehung verstehen 17-19: Die Huldigung der Volksmenge wird mit der LAZARUSperikope verbunden, der Todesbeschluss der Pharisäer erneut bestätigt Joh 12,20-36 20-22: Die „Griechen“ (unklar, ob Proselyten oder GOTTESfürchtige) stehen für die späteren Heidenchristen; die Apostel mit griech. Namen haben hier Zugang zu JESUS 23-28a: JESUS antwortet indirekt – zunächst mit dem bekannten Bild des Weizenkornes (vgl. 1 Kor 15,36 f.; 1 Clem 24,4 f.), dann mit dem auch bei den Syoptikern erwähnten Paradoxon vom Verlieren / Gewinnen des Lebens. Kurz wird die Angst JESU erwähnt (bei den Synoptikern ausführlicher in der Ölbergszene), dann die Bitte um Verherrlichung 28 b: Der VATER bestätigt die Verherrlichung 29: Das Volk versteht aber diese Stimme nicht 30-33: JESU Erhöhung bedeutet die Entmachtung des Bösen / die Rettung aller 34: Berufung des Volkes auf die jüdischen MESSIASvorstellungen 35-36: Modifikation des Bildes vom Licht der Welt: Seine Gegenwart zu nützen Joh 12,37-50 Zusammenfassende Rede als Abschluss des öffentlichen Wirkens 37-40: Der trotz der Wunderzeichen bestehende Unglaube der „Juden“ wird mit Jes-Zitaten begründet (Jes 53,1; Jes 6,9) (anders Mk 4,12, wo damit die Verstockung gegenüber den Gleichnissen begründet wird) 41: Die Jes-Weissagung wird in einer MESSIAS-Schau des JES. Begründet (unklar, ob daran gedacht ist, dass JESAIA in Seiner Vision von Jes 6 den präexistenten LOGOS schaute) 42-43: Die der High Society, die zum Glauben gekommen waren, wagten nicht, sich dazu zu bekennen 45-50: Zusammenfassung vieler bereits ausgeführter Gedanken: Glaube an den Gesandten / den sendenden VATER – JESUS als Licht, das die Welt erleuchtet – wer die Worte des Gesandten nicht annimmt, richtet sich selbst, weil der Gesandte nur die Worte des VATERs spricht Offenbarung JESU im Jüngerkreis (13-17) Joh 13,1-20 Von 13-17 wendet Sich JESUS mit Seiner Verkündigung ausschließlich den Jüngern zu, 18 – 20 ist Seine „Erhöhung“ in Tod & Auferstehung 1: Die Zeitangabe ist nicht ganz genau. Da die Pessachlämmer am 14. Nisan am frühen Nachmittag geschlachtet wurden (nach JOH. die Todesstunde des „GOTTESlammes“ JESUS), wurde das Pessachmahl am 15. Nisan (d.h. am Abend desselben Tages) gehalten, darauf folgte bis zum 22. Nisan das Fest der ungesäuerten Brote. Daher ist bei JOH. das Letzte Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 111 Abendmahl ein Abschiedsmahl, aber kein Pessachmahl – dieser Gegensatz zu den Synoptikern ist nicht auszugleichen; wahrscheinlich bietet das Joh-Ev die genauere Datierung, da eine Hinrichtung am 15. Nisan, am eigentlichen Pessachfest, sehr unwahrscheinlich wäre. – Wichtiger ist dem Evangelisten die Aussage, dass die „Stunde“ gekommen ist. 2-5: Betonter Gegensatz: der SOHN GOTTES, der alles – auch den Verrat des JUDAS – weiß und der vom VATER ausgesandt ist und zum VATER zurückkehren soll, tut mit der Fußwaschung einen niederen Sklavendienst 6-11: Dialog mit dem sich weigernden PETRUS: Hinweis auf das Verstehen „nachher“ (wohl nach der Auferstehung) & der Teilhabe an der Gemeinschaft mit CHRISUTS = sakramentaler Charakter der Fußwaschung 12-18: Soziale Dimension der Fußwaschung – die johann. Gleichung wird abgewandelt in: wie ich euch gedient habe, so sollt auch ihr einander dienen. – Mit Ps 41,10 wird nochmals auf den Verräter verwiesen. 19-20: Neue Abwandlung der joh. Gleichung: VATER SOHN Jünger Joh 13,21-30 21-22: JESU Erschütterung ist weniger psychologisch, als vielmehr geistlich zu verstehen (im GEISTE GOTTES). Der Hinweis auf den Verräter löst Ratlosigkeit aus 23-26: Hier wird zum 1.Mal der Lieblingsjünger erwähnt, der im Evangelium nie mit dem Zebedaiden JOHANNES identifiziert wird. Er ruht hier am Herzen JESU wie JESUS am Herzen des VATERs (Joh 1,18); in 20,2 ff und 21, 20-23 bildet er einen Gegensatz oder zumindest ein Pendant zu PETRUS, was verschieden gedeutet wurde: PETRUS: Lieblingsjünger = Amt: Charisma oder = Judenkirche: Heidenkirche 27-30: Entsendung des JUDAS – Missverstehen der Jünger – JUDAS geht in die „Nacht“, was (auch) symbolisch gemeint ist Joh 13,31-38 Beginn der Abschiedsreden. Literarkritisch unlösbar ist das Problem ihres Aufbaus (14,31 sagt JESUS Steht auf, lasst uns gehen und spricht dann noch bis 17 inklusive weiter); wahrscheinlich hat der Verfasser hier verschiedene Überlieferungen einzuarbeiten versucht. Inhaltlich sind sie der Höhepunkt der johann. Theologie 31-32: Ein Menschensohn-Hymnus, der den 2.Teil des Evangeliums einleitet, wie der LOGOSHymnus den 1. Teile einleitete. Da in der Erhöhung Kreuz und Auferstehung zusammengesehen werden, bedeutet sie zugleich die Verherrlichung des VATERs durch den SOHN und des SOHNES durch den VATER. 33: Anrede „Kinder“ im Evangelium nur hier, in den Joh-Briefen öfter 34-35: Das Liebesgebot löst das Gesetz ab und soll zum Kennzeichen der christl. Gemeinde werden. Allerdings wird das Liebesgebot auf die Bruderliebe eingeschränkt (so auch 1 Joh 3,11-18) 36-38: PETRUS missversteht den Weggang JESU als innerweltlichen Vorgang; die Ankündigung der Verleugnung ist entsprechend der Tradition, aber nicht ganz passen zum Liebesgebot, eingefügt. Joh 14,1-14 1-4: JESUS fordert zum Glauben auf und begründet das mit den „Wohnungen“, die Er beim VATER bereiten wird. Dafür ist vorausgesetzt, dass erstens die Jünger nach Seinem Weggang auf Erden unbehaust sein werden und dass zweitens der Glaube den Weg zum VATER und SOHN kennt 5-6: Missverstehen des THOMAS – der SOHN als einziger Weg zum VATER 7: Typisch johann. Einheit von Christologie und Theologie, von SOHN und VATER 8: Missverstehen des PHILIPPUS – es ist letztlich die Forderung nach einer direkten GOTTESschau bereits auf Erden Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 112 9-12: JESUS verweist auf Seine Einheit mit dem VATER und verheißt den Jüngern die Fähigkeit zu „größeren Werken“ (sind damit größere Wunder gemeint oder die geographische Ausweitung ihres Wirkens?) 13-14: Der zum VATER zurückgekehrte SOHN ist ein mächtiger Fürsprecher Joh 14, 15-26 15: Die Liebe als Motiv, die Gebote = Worte Gesetze im jüdischen Sinn zu halten 16-17: unvermittelte Verheißung des GEISTES - Er wird als Paraklet (Advocatus, Beistand: die Herkunft dieser Bezeichnung ist umstritten) und als GEIST der Wahrheit bezeichnet: er übernimmt die Rolle des irdischen JESUS nach dessen Erhöhung – aber nur für die Jünger (=die an JESUS Glaubenden), nicht für die sich verschließende „Welt“ 18: Präsenz CHRISTI im GEIST 19-20: Die urspr. apokalyptische Erwartung einer Wiederkunft am Weltenende wird hier vergegenwärtigt als Auferstehung CHRISTI: als Auferstandener kommt Er wieder, doch so, dass Ihn nur die Jünger, nicht aber die Welt erkennt. Die Auferstehung zeigt die Einheit von VATER und SOHN 21: Neuer Hinweis auf die Bedeutung des Haltens der Gebote als Zeichen der Liebe zu Ihm 22-24: Missverstehen des JUDAS, der eine weltweite Demonstration von CHRISTI Macht will – JESUS verweist erneut auf das Kriterium der Liebe: sie ist keine Demonstration, sondern öffnet für die Einwohnung des VATERs und des SOHNES. 25-26: Die Funktion des GEIST-Beistandes wird die Belehrung und Erinnerung der Gemeinde sein Joh 14, 27-31 27: Nur der GOTTSOHN kann den Frieden GOTTES, den Schalom, verleihen 28-29: Die Erhöhung wird als Rückkehr zum VATER akzentuiert; die Überordnung des VATERs hat später zu subordinationistischen Trinitätstheorien geführt 30-31: JESU gewaltsamer Tod wird hier auf den SATAN zurückgeführt – doch nicht ihm, sondern dem Gebot des VATERs ist JESUS unterstellt Joh 15,1-8 Das Bild vom Weinstock ist hier zu einer Bildrede ausgeweitet. Der Weinstock ist ein Bild des Lebensbaumes, das auch im AT vorkommt. Nimmt man die wichtigsten Texte zusammen, entsteht ein heilgeschichtlicher Roter Faden: Jes 5,1-7 (GOTTES Enttäuschung über den Weinberg Israel) – Ez 15,1-8 ( GOTTES Strafandrohung gegen den Weinberg Israel) – Mt 21, 33-46 (Gleichnis von den bösen Winzern, die zuerst die Knechte, dann den Sohne des Besitzers töten) – Mt 20,1-16 (Berufung der Arbeiter in den Weinberg) – Joh 15,1-8 (Weinstock: Reben CHRISTUS : Jünger) 1: Weinstock = Lebensbaumsymbol: CHRISTUS ist Spender des Ewigen Lebens 2: Glaube = Fruchtbringen 3: sakramentaler Charakter des Wortes JESU 4-5: Aufforderung zum Bleiben in JESUS, weil ohne Ihn der Mensch machtlos 6: Die Trennung von diesem Weinstock ist weder kirchenrechtlich (Exkommunikation) noch apokalyptisch (Weltgericht) zu verstehen, sondern präsentisch: im Glauben / Nichtglauben, Bleiben in JESUS / Sich-Trennen ereignet sich Ewiges Leben / Gericht Das Joh-Ev bringt zwar keinen direkten Einsetzungsbericht, aber verweist in der Brotrede (Joh 6) und in der Bildrede vom Weinstock (Joh 15) indirekt auf diese Symbole. Brot und Wein sind zumindest im vorderasiatischen, europäischen und angloamerikanischen Bereich verständliche Symbole für das Lebensnotwendige einerseits, für das Festliche andererseits. Es war daher im doppelten Wortssinn naheliegend, dass JESUS beim Letzten Abendmahl die Symbole Brot und Wein zum Sakrament Seiner immerwährenden Gegenwart unter uns machte: naheliegend, weil Brot und Wein bei einem Festmahl selbstverständlich vorhanden waren, und naheliegend, weil Er damit nonverbal ausdrücken konnte: so lebensnotwendig Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 113 wie Brot und so herzerfreuend wie Wein ist die Gemeinschaft mit mir. Jedenfalls macht das Wort CHRISTI die Symbole zum Sakrament – denn Sein Wort ist wie das Wort GOTTES ein wirkmächtiges Wort. Wenn auch das Joh-Ev keine direkte sakramentale Deutung bringt, dürfen wir für uns diese Bildrede wohl auch in dieser Richtung verstehen: In jeder Eucharistiefeier verwandelt CHRISTUS sich in Brot und Wein, um unsere Verwandlung in Sich bewirken zu können und so durch uns in der Welt bis zu ihrer Vollendung wirken zu können. Nur als Seine Reben sind wir symbolische Menschen, die für andere durchsichtig sind auf den, der in ihnen partiell gegenwärtig ist; und sind wir sakramentale Menschen, durch die hindurch GOTT Heil wirken kann. Joh 15,9-17 9-11: Wie der VATER den SOHN liebt, so der SOHN die Jünger; Beweis ihrer Liebe ist das Halten der Gebote 12-13: Die Aufforderung, so zu lieben wie CHRISTUS, übersteigt die Forderung nach Nächstenliebe bei weitem; Beweis für diese Liebe ist die Lebenshingabe, was selbstverständlich nicht bloß das Martyrium meint 14-15: Die Bezeichnung der Jünger als „Freunde“ ist singulär 16-17: Die Berufung zum Jünger / Freund geht von GOTT / JESUS aus Joh 15, 18-16,4a Als Freunde JESU stehen seine Jünger in Schicksalsgemeinschaft mit Ihm 18-21: Gegenüberstellung von JESU & Jünger Welt 22-24: Obwohl die Welt JESU Worte hörte und Seine Taten sah, lehnt sie Ihn ab: darin besteht ihre Schuld. Sie wird dadurch umso größer, weil sie mit Ablehnung JESU auch den VATER ablehnen. 25: Die Grundlosigkeit des Hasses wird als Erfüllung der Schrift gedeutet ( Ps 35,19; Ps 69,5) 26-27: Das Zeugnis des Parakleten, des GEISTES der Wahrheit, fundiert das Zeugnis der Gemeinde 16,1-4a: Die Warnung JESU soll Seine Jünger in der Verfolgung stärken. Der Wahn, im Namen GOTTES zu verfolgen, zu foltern und zu töten, ist wohl der schlimmste Wahn, der die Kirchengeschichte durchzieht Joh 16, 4b-15 Die beiden Funktionen des Beistand-GEISTES: die richterliche und die offenbarende 4b-11: Der Beistand-GEIST als Richter über die Welt: Der Fortgang JESU ist gut für die Jünger, weil Grund der GEISTsendung – der GEIST richtet die Welt, indem Er jetzt schon die wahre Bedeutung von Sünde, Gerechtigkeit und Gericht aufzeigt (was vordergründig als Gericht über JESUS erscheint, ist in Wahrheit ein Gericht über die Welt / den Teufel) 12-15: Der GEIST als Offenbarer: der GEIST wird in die volle (eschatologische) Wahrheit führen, in die Einheit von VATER und SOHN: diese Einheit autorisiert den GEIST und ist zugleich Inhalt Seiner Belehrung Joh 16,16-24 16: die baldige Wiederkunft JESU ist nicht apokalyptisch (Weltenende), sondern eschatologisch (Ostererfahrung) zu verstehen: sie wird das weitere Leben der Jünger prägen. 17-18: Die Jünger verstehen nicht, dass Sein irdischer Weggang mit Seiner geistigen Wiederkunft identisch ist 19-22: JESUS versinnbildlicht die Verwandlung von Trauer in Freude mit dem Bild der gebärenden Frau. 23: Nicht erst beim Weltenende, sondern schon bei der Begegnung mit dem Auferstandenen werden sich die Fragen der Jünger klären Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 114 24: Die Gebete, die im Sinne des Auferstandenen gesprochen werden, werden erhört und vollenden die Freude Joh 16, 25-33 25-28: „Tag“ ebenso wie „Stunde“ im Joh-Ev nicht apokal. der Jüngste Tag, sondern der Tag der Erfahrung der Auferstehung. Nochmals Kurzfassung von Präexistenz – Menschwerdung – Verherrlichung 29-30: Jetzt, sozusagen im letzten Moment, verstehen die Jünger 31-33: JESUS wird trotz ihrer Zerstreuung nicht allein sein aufgrund Seiner Verbindung mit dem VATER (anders die GOTTverlassenheit bei Mk und Mt). JESU Erhöhung ist Sein Sieg über die Welt. Joh 17,1-8 Die Bezeichnung „Hohepriesterliches Gebet“ ist insofern passend, als JESUS in diesem Abschiedsgebet wie ein Priester für Seine Jünger eintritt 1-2: JESU Verherrlichung (= Rückkehr in die göttl. Herrlichkeit) dient letztlich der Verherrlichung des VATERs. „..alles Fleisch“ = semitisierende Bezeichnung für „alle Menschen“ unter dem Aspekt ihrer Hinfälligkeit. Doch die „Macht“ JESU besteht nicht im Gericht über die hinfälligen Menschen, sondern dass Er ihnen das Ewige Leben schenkt. 3-5: Das Ewige Leben besteht in der Erkenntnis GOTTES und Seines Gesandten 6-8: Der Offenbarer hat GOTT denen geoffenbart, die immer schon Ihm gehörten Joh 17, 9-19 9-10: Beginn der eigentlichen Fürbitte, die nicht „der Welt“, sondern den Jüngern gilt 11-12: Bitte um Bewahrung der Jünger, weil sie mit CHRISTUS und dadurch mit dem VATER eins sind die johann. Ekklesiologie gründet in seiner Christologie 13-18: Der Weggang JESU und die damit verbundene neue Gegenwart ist bereits vollendete Freude für die Jünger. Sie bleiben „in“ der Welt, sollen aber nicht „von“ der Welt sein – sie sind vom SOHN in die Welt gesandt, wie der SOHN vom VATER in die Welt gesandt war. 19: Die Heiligung JESU besteht in Seiner Hingabe für die Jünger, was an die vorpaulinischen Sühnetod-Formeln erinnert Joh 17,20-26 20-23: Die Einheit der Glaubenden, der Kirche, ist begründet in der Einheit von VATER und SOHN und äußert sich im Festhalten an der Offenbarung JESU 24-26: JESU letzter Wille ist die Bitte, dass die Jünger aller Zeiten auch Seine himmlische Herrlichkeit erreichen – auch der 4.Evangelist glaubt an eine zukünftige Vollendung des Heils im Jenseits, doch steht dieser Gedanke bei ihm nicht im Vordergrund und wird nie apokalyptisch ausgemalt. „Der Tod ist nicht das Ende des Glaubens, sondern der Glaube das Ende des Todes“ (SCHULZ, NTD,221) Die Erhöhung JESU in Passion und Auferstehung: Joh 18 –20 Die Passionserzählung folgt im äußeren Ablauf der der Synoptiker, doch weist Eigenheiten auf, die allzu Menschliches weglassen (z.B. das Ringen am Ölberg) und Göttliches stärker betonen. Joh 18,1-11 1-3: Situationsangabe. „Bach“ wäre wörtlich „Winterbach“ (=nur im Winter, d.h. in der Regenzeit, wasserführend), „Kidron“ hat auch symbolische Bedeutung („dunkel, trüb“). In Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 115 V.3 ist nicht klar, wer mit „Soldaten“ gemeint ist: die Tempelgarde (wahrscheinlicher) oder eine Beteiligung römischer Soldaten. 4-9: Selbst in der Situation der Verhaftung versucht der Evangelist, die göttliche Überlegenheit JESU herauszustellen: Er weiß alles vorher – Er antwortet mit „Ich bin es“ – Er stellt sich schützend vor Seine Jünger 10-11: Die Szene mit dem abgehauenen Ohr findet sich auch bei den Synoptikern, doch trägt das Joh-Ev die Namen nach Joh 18, 12-27 112-14: Gegenüber den Synoptikern ist die Darstellung der Verhandlung vor HANNAS / KAJPHAS knapper, die der vor PILATUS ausführlicher geworden – die Auseinandersetzung mit den Römern wurde interessanter als die mit den Juden. 15-18: Im Joh-Ev folgt außer PETRUS ein zweiter Jünger, der den Hohepriester kannte, wodurch der Einlass der beiden plausibler wird. 19-24: Das Verhör hat hier eher privaten Charakter und es werden keine apokalyptischen Vorwürfe gemacht (Tempelzerstörung, MESSIASanspruch). Der Schlag eines Dieners und der Tadel JESU auch hier. 25-27: Knappe Darstellung der Verleugnung durch PETRUS und des Krähens des Hahnes. Joh 18,28-40 28: Der sonst in Caesarea residierende Statthalter weilt zu den Festtagen in Jerusalem, um etwaige Aufstände gleich niederschlagen zu können; sein Amtssitz ist unklar (Burg Antonia im NW des Tempelplatzes oder Herodesburg im W der Oberstadt?). Da heidnische Häuser 7 Tage unrein machen, kommt er zu den Juden heraus. Das symbolisiert die Absurdität des Ge-schehens: die Juden halten sich an das religiöse Gesetz, überliefern aber den GOTTgesandten dem römischen Gericht. 29-32: Verhandlung des PILATUS mit den Juden – historischer Hintergrund: römisch besetzten Ländern wurde die Vollmacht der Todesurteile entzogen 33-34: Im Verhör kommt PILATUS gleich auf den politischen Kern, den Königsanspruch JESU 35-38a: JESUS bejaht zwar die Frage nach dem Königtum, charakterisiert dieses aber als „nicht von dieser Welt“ stammend – das hat auch apologetischen Sinn (die Christen mussten ihre politische Harmlosigkeit betonen). Dieses 1.Verhör endet mit der berühmten PILATUSfrage 38b-40: PILATUS will sich durch einen – historisch allerdings nicht belegten – Brauch aus der Affäre ziehen, was misslingt. Joh 19,1-16 b 1-4: Geißelung und Dornenkrönung hier als Versuch des PILATUS, die Ankläger von der Harmlosigkeit JESU zu überzeugen und ihr Mitleid zu wecken 5: Der Satz Da(s) ist der Mensch ist bewusst zweideutig: Gerade dieser erniedrigte, gequälte Mensch ist der Mensch nach GOTTES Bild, ist der von GOTT Erhöhte 6-8: PILATUS hat die Ankläger falsch eingeschätzt – sie reagieren nicht mit Mitleid oder Verachtung, sondern fordern die Kreuzigung – allerdings zunächst mit einer dem Römer gleichgültigen Begründung: GOTTESlästerung, aus die nach Lev 24,16 die Steinigung stand; der Hinweis, JESUS habe sich zum SOHN GOTTES gemacht, bewirkt aber in PILATUS das Gegenteil: sein Mitleid schlägt in Furcht um 9-11: In einem neuerlichen Verhör schweigt JESUS – PILATUS verweist auf seine Macht; der Hinweis JESU, dass PILATUS die Macht „von oben“ bekommen habe, ist keine Rechtfertigung der römischen Staatsmacht, sondern ein Hinweis darauf, dass PILATUS ein Werkzeug im göttlichen Heilsplan ist. Deshalb trifft diejenigen Juden, die JESUS PILATUS überlieferten, die größere Schuld 12: Da der Vorwurf der GOTTESlästerung nichts brachte, ändern die Ankläger ihre Anklage in Rebellion gegen den Kaiser – darauf muss PILATUS reagieren Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 116 13-14: Nur das Joh-Ev gibt Ort und Zeit der Verurteilung genau an; der Ort dürfte der mit Steinplatten ausgelegte Innenhof der Burg Antonia gewesen sein – das passt zur griech. Bezeichnung lithostroton; die hebr. Bezeichnung gabbatha ist unklar und könnte Erhöhung heißen. Die Zeitangabe ist mit der der Synoptiker nicht kompatibel (Synoptiker: 9 Uhr des Pessachtages, Joh-Ev: 12 Uhr des Rüsttages für den Pessachtag – Joh wahrscheinlicher) 15-16a: Mit der Forderung nach Kreuzigung zerstören die Juden ihre eigene MESSIAShoffnung Joh 19, 16b-30 16b-17:Situationsangabe: Golgota, Tragen des Querbalkens (hier ohne Hilfe eines anderen, was nach einer Geißelung nicht sehr wahrscheinlich ist) 19-22: Die Anbringung eines Schildes war üblich – er wurde bereits beim Weg zur Hinrichtung dem Verurteilten um den Hals gehängt oder vor ihm hergetragen. Mit der Doppeldeutigkeit der Inschrift wollte PILATUS sich wohl an den jüdischen Anklägern rächen. Die Mehrsprachigkeit hat aber auch symbolischen Sinn: JESUS als Retter der ganzen damals bekannten Welt 23-24: In der Gewandverteilung wird die Erfüllung eines Schriftzitats gesehen (Ps 22,19), sie ist historisch wahrscheinlich, weil der karge Lohn der Soldaten durch „Beute“ aufgebessert wurde. 25-27: Bei den Synoptikern stehen die Frauen, dem römischen Recht gemäß, „von ferne“. Die johann. Szene hat daher wohl keinen historischen Kern, dafür ist sie umso stärker symbolisch: das durch die Mutter JESU symbolisierte Judenchristentum steht zur Heidenkirche, durch den Lieblingsjünger und wohl auch Verfasser des Evangeliums versinnbildlicht, in einem Mutter-Sohn-Verhältnis, das von beiden Seiten respektiert werden soll (Leider verlief die Kirchengeschichte über weite Strecken anders!) 28-30: Bei der Schilderung von JESU Tod fehlen alle Begleitwunder, auch alle Qual. Seine Worte Ich habe Durst sollen nur die Schrift erfüllen, Seine Sterbeworte klingen fast triumphierend – der Gesandte GOTTES hat Seinen Auftrag erfüllt und kehrt zum VATER heim. Während Q und Mk Leid und Tod JESU eher als gewaltsames Prophetenschicksal verstehen und die Kreuzestheologie des PAULUS Leid und Tod als Sühnopfer „für uns“ deutet, interpretiert die Herrlichkeitschristologie des Joh-Ev dies als Sieg über die Welt und Erhöhung zum Himmel. Dies wird besonders anhand der Sterbeworte deutlich: Ps 22 bei Mk und Mt, Ps 31 bei Lk, Es ist vollbracht im Joh-Ev. Joh 19, 31-42 31-32: Da der Kreuzigungstag der Rüsttag zu einem bes. hohen Festtag war (Zusammentreffen von Schabbat und erstem Pessachtag), mussten die Leichen vor dem Abend bestattet werden (Dtn 21,23) 33-34: Bei JESUS wird das Zerschlagen der Beine durch einen Lanzenstich ersetzt – das Herausfließen von Wasser und Blut könnte kirchliche Redaktion sein, um das Entstehen der beiden Sakramente Taufe und Abendmahl im Kreuzestod zu begründen. 35: Wer ist der namentlich genannte Zeuge? Der Lieblingsjünger? 36-37: Die Bedeutung des Lanzenstichs wird durch 2 Schriftzitate unterstrichen: Ps 34,21 bzw. Ex 12,46 (dem wahren Pessachlamm wird kein Knochen zerbrochen) und Sach 12,10 38-39: Zwei vornehme heimliche Jünger JESU, JOSEPH v.A. und NIKODEMUS, sorgen für die Bestattung 40-42: Die Einbalsamierung ist großzügig, das Grab neu, also noch nicht durch einen Leichnam verunreinigt. Gräber wurden mehrmals benützt: die Knochen der verwesten Leichen kamen in Ossuarien (Gebeinkisten), so dass das Grab für neue Belegungen frei wurde. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 117 Joh 20,1-18 2 Geschichten um das leere Grab miteinander verwoben: PETRUS & Lieblingsjünger und MARIA von Magdala 1-2: Situationsangabe, die beide Erzählungen einleitet: MARIA M. kommt in der „Dunkelheit“ zum Grab, findet den Stein weggewälzt und meldet das dem PETRUS und Lieblingsjünger. 3-10: PETRUS und Lieblingsjünger laufen zum Grab, der Lieblingsjünger ist schneller und kommt als einziger aufgrund des leeren Grabes zum Glauben, lässt aber PETRUS den Vortritt. Symbolische Deutung: die Heidenkirche ist glaubensbereiter als die Judenkirche, die aber den Vorrang hat; das Charisma ist glaubensbereiter als das Amt, ordnet sich diesem aber unter. 11-18: M.M. geht ins Grab hinein und trifft auf zwei Engel, die hier aber - im Gegensatz zu den Synoptikern – funktionslos geworden sind. Sogleich erscheint ihr der Auferstandene, den sie aber zunächst nicht erkennt (// Emmausszene), was auf die Andersartigkeit der neuen Seinsweise hinweisen soll. Wie die Emmausjünger Ihn am Brotbrechen erkennen, so sie an der Namensnennung. Ihre Anrede „mein Meister“ drückt wohl die Hoffnung aus, mit Ihm wieder so wie vor Seinem Tod verbunden zu sein. Das griech. hat verschiedene Über-setzungen erfahren; am ungünstigsten ist wohl „berühre mich nicht“, was auch ein Gegensatz zur THOMASperikope wäre. Besser „Halte mich nicht fest“, noch besser „Hafte nicht an mir“ (haften ist ein Lehnwort zu ), d.h. mach deinen Glauben nicht von dieser Erfahrung abhängig – diese Deutung passt zur THOMASperikope. Unklar ist auch denn ich bin ... hinaufgestiegen: Da gerade im Joh-Ev eine Auseinanderlegung der Ostererfahrung in Auferstehung – Himmelfahrt – GEISTsendung fehlt, sind Deutungen unwahrscheinlich, die eine solche Auseinanderlegung voraussetzen (etwa Halte mich nicht fest, damit ich zum VATER aufsteigen kann). Eher Hafte nicht an meiner früheren Daseinsweise, gib mich frei für meine eigentliche Daseinsweise beim VATER. – Dann sendet er sie zu Seinen Jüngern mit dem Auftrag der Auferstehungsbotschaft, was ihr bis ins Mittelalter den Titel apostola apostolorum eintrug. Joh 20,19-23 19: Das Kommen durch die verschlossenen Türen soll JESU neue Daseinsweise unterstreichen – vielleicht auch symbolisch für uns sagen, dass für eine CHRISTUSerfahrung unsere Barrieren durchbrochen werden müssen. Der doppelte Friedensgruß löst die Verheißung von 14,27 ein: JESUS schenkt den göttlichen Frieden (schalom), nicht den irdischen (pax) 20: Das zeigen der Wundmale ist der Beweis der Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten. Die Freude löst die Verheißung von 16,20 ff. ein, dass ihre Trauer sich in Freude verwandeln wird. 21: Zentraler Satz: VATER SOHN SOHN Jünger 22-23: GEISTübertragung wie in Gen 2,7 durch Anhauchen, also anders als in der Pfingstperikope. Vielleicht liegen den unterschiedlichen Darstellungen unterschiedliche Erfahrungen zugrunde, dass GEISTerfülltheit in kontemplativer oder ekstatischer Weise erlebt werden kann. Nur im Joh-Ev ist mit der GEISTübertragung die Vollmacht der Sündenvergebung verbunden. Dabei ist zweierlei zu beachten: Adressaten sind nicht die Elf bzw. Apostel, sondern die Jünger aller Zeiten ( Und Sünde ist nicht auf Schuld engzuführen, sondern umfasst alles von GOTT Trennende – hier wird also eine heilende Kirche grundgelegt! Joh 20,24-29 24-25: Erst jetzt wird bekannt, dass THOMAS bei der vorigen Erscheinung gefehlt hatte – er fordert einen „handgreiflichen“ Beweis (// heute: „I´ glaub´ nur, was i´ siech!“) 26-27: Wieder erscheint JESUS bei verschlossenen Türen und wünscht Frieden, dann fordert Er THOMAS zur Einlösung seines Wunsches auf Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 118 28: THOMAS braucht den handgreiflichen Beweis nicht mehr und bekennt JESUS als GOTT // zum LOGOS-Hymnus am Beginn 29: JESUS fordert von den Jüngern aller Zeiten einen Glauben ohne Beweisforderung Joh 20,30-31 Formeller Schluss des Joh-Ev: Hinweis auf viel Taten JESU. Der Zweck des Buches ist ein dogmatischer, die Hörer / Leser zum Glauben zu führen. Nachtrag Das ganze 21. Kap. ist ein Nachtrag – im 1. Teil ist eine traditionelle Ostergeschichte vorarbeitet, der 2.Teil ist eine kirchliche Redaktion Joh 21,1-14 Die Anfügung dieser Ostergeschichte erfolgt nicht ganz geschickt, weil zum Vorhergehenden nicht passend: die „Söhne des Zebedäus“ werden im Joh-Ev nie genannt, nur bei den Synoptikern; im Kap. 20 waren die Jünger in Jerusalem mit dem GEIST begabt und gesendet worden, jetzt sind sie in Galiläa und gehen ihrem früheren Beruf nach 1-3: Situationsangabe, die nicht zu Kap. 20 passt; auch die Jüngerliste ist ungewöhnlich 4-6: Am „Morgen“ erscheint JESUS, wird aber nicht erkannt. Dennoch werfen sie auf Sein Gebot das Netz auf der „rechten“ (=glücklichen) Seite aus 7-8: Wieder ist der Lieblingsjünger der, der JESUS rascher erkennt, aber PETRUS den Vortritt lässt 9-10: Obwohl JESUS schon ein Mahl bereitet hat, fordert Er Fische von den frisch gefangenen 11: Erst dadurch wird der wunderbare Fischfang deutlich (// Lk 5,1-11). Gerade dieser Vers ist voll von Symbolik: PETRUS zeiht das Netz allein (er ist Chef der Jünger, was im 2. Teil des 21. Kapitel verdeutlicht wird), es sind 153 Fische darin (die Deutung der Zahl ist umstritten; am wahrscheinlichsten: die damals bekannten Fischsorten – d.h. die Kirche wird alles Arten von Menschen umfassen), das Netz reißt nicht (die Einheit der Kirche ist durch die Fülle der Gläubigen nicht bedroht) 12-14: Gemeinsames Mahl Joh 21, 15-23 15-17: Durch die dreimalige Frage – Antwort wird PETRUS feierlich mit der Gemeindeleitung betraut (hier wohl passender durch den Auferstandenen als Mt 16,18 durch den irdischen JESUS). Die Dreimaligkeit betont die Feierlichkeit, könnte aber auch eine Anspielung auf die dreimalige Verleugnung sein 18-20: Weissagung des Martyriums des PETRUS (gebundene Hände – Nachfolge) 21-22: Weissagung an den Lieblingsjünger, der offenbar nach PETRUS eine wesentliche Führungsrolle hatte, und Korrektur dieser Weissagung, nachdem er, offenbar in hohem Alter, doch gestorben war. Joh 21,24-25: 2. Buchschluss Der Lieblingsjünger als Autor des Ev. – übertreibende Schlusswendung --------------------------------------------------------------------------- Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 119 LITERATURANGABEN ZU KAP. 3 Außer den in EBTH genannten Kommentaren und den in den Anmerkungen genannten Werken werden besonders empfohlen: ! GRESHAKE G., Stärker als der Tod, Mainz 1983, 7.Aufl. GRESHAKE G.- KREMER J., Resurrectio mortuorum. Zum theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung. Darmstadt 1986. ! KREMER J., Die Osterevangelien - Geschichten um Geschichte, KBW/ Stuttgart 1981, 2.Aufl. ! LOHFINK G., Der Tod ist nicht das letzte Wort. Meditationen, Freiburg 1976. Ders., Die Himmelfahrt Jesu - Erfindung oder Erfahrung ? KBW/ Stuttgart 1972. ! SPEIDEL K., Das Urteil des Pilatus, KBW/Stuttgart 1976. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 120 4 APOSTELGESCHICHTE: "UND IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN" (Apg 1,6) (1) 4.1 Die APG – Inhaltsübersicht Einleitung (Apg 1) CHRISTUSzeugnis Jerusalem (Apg 2-7 Beauftragung zum CHRISTUSzeugnis & „Himmelfahrt“ in 2: Pfingsten: GEISTempfang & Beginn des öffentlichen Zeugnisses 3: 1. Wunder u. 2. Rede des PETRUS ( Lehre & Wirken wie JESUS) 4: 1. Verfolgung der Apostel & 3. Rede des PETRUS. Urgemeinde als Ideal 5: HANANIAS u. SAPHIRA. Urgemeinde als Ideal. Verfolgung 6: Wahl der „Sieben“. Anklage des STEPHANUS 7: Verteidigungsrede und Steinigung des STEPHANUS CHRISTUSzeugnis in 8: Verfolgung und Zerstreuung der Hellenisten. PHILIPPUS, PETRUS, Judäa und Samaria, 1. JOHANNES in Samaria. Kämmerer. Heiden (Apg 8-14) 9: Bekehrung des SAULUS. PETRUS in Lydda und Joppe. 10: Hauptmann CORNELIUS 11: Rechtfertigung des PETRUS in Jerusalem. Hellenistenmission in Antiochia. 12: Verfolgung der Gemeinde durch HERODES AGRIPPA I, Martyrium des JAKOBUS d.Ä., wunderbare Befreiung des PETRUS. Tyrannentod des HERODES AGRIPPA I. 13-14: 1. Missionsreise des PAULUS und BARNABAS (Zypern, Pisidien, Ikonion, Lystra, Derbe: SO-Kleinasien) CHRISTUSzeugnis „bis 15: Apostelkonzil (~ 49n) mit Aposteldekret ans Ende der Welt“ (Apg 16-18: 2. Missionsreise des PAULUS: Kleinsasien-Europa: Philippi, 15-28) Thessalonich, Beröa, Athen (Areopagrede), Korinth, Ephesus 18-20: 3. Missionsreise des PAULUS: Ephesus (Aufruhr der Silberschmiede), Makedonien und Griechenland, Troas, Milet (Abschiedsrede des PAULUS) 21-23: Rückreise nach Jerusalem, Gefangennahme des PAULUS (Reden des PAULUS vor dem Volk und vor dem Hohen Rat) 24-26: Haft des PAULUS in Caesarea (Statthalter FELIX und FESTUS), Appellation an den Kaiser, PAULUS vor HERODES AGRIPPA II 27: Reise nach Rom. Schiffbruch bei Malta. 28: PAULUS predigt in Rom = Erfüllung der Verheißung von Apg 1,8 Sr Katharina Deifel OP 4.2 Neues Testament, 121 Ausbreitung des Christentums 30- 50 n.: Judenchristen in Jerusalem 50- 500 n.: Heidenchristen im Römischen Reich 500- 1500 n.: Christliches Abendland Ab 1500 n.: Bemühen um eine christliche Welt 4.3 Die Apg im allgemeinen 35 4.3.1 Die Apg als 2.Teil des lk. Doppelwerkes Stil, Wortschatz und theologisches Konzept des Lk-Ev und der Apg sind ähnlich. Das Ev stellt den Weg JESU nach Jerusalem dar, die Apg den Weg der Ausbreitung des Christentums von Jerusalem weg "bis ans Ende der Welt", d.h. konkret bis nach Rom. Zudem sind beide Werke durch die Wiederholung der Himmelfahrt (s.o.) verbunden. Der Verfasser LUKAS wurde in der Tradition für einen Arzt und Begleiter des PAULUS gehalten. Heute hält man das eher für unwahrscheinlich, da zwischen dem Selbstzeugnis des PAULUS und dem Apg einige Differenzen bestehen. Kein zureichendes Gegenargument sind m.E. Unterschiede im theologischen Konzept des PAULUS und des LUKAS, da ein Schüler ja nicht zwingend die Gedanken seines Lehrers übernehmen muss. Sicher war der Verfasser ein gebildeter Heidenchrist, der ein gutes Griechisch schrieb und sein Doppelwerk sorgfältig durchdacht aufbaute (zur Person des Lk vgl. EBTH). Die Abfassungszeit liegt nach der des Lk-Ev, doch vor der Christenverfolgung des DOMITIAN, also zwischen 80 und 90 n.Chr. Der Entstehungsort ist unbekannt, aber wohl kaum der palästinensische Raum. 4.3.2 Die Quellen der Apg Die Quellenlage ist umstritten, doch gilt die Verarbeitung auch schriftlicher Quellen als wahrscheinlich, da sich Textstellen mit unlukanischer Sprache nachweisen lassen. Mit großer Wahrscheinlichkeit können folgende Quellen angenommen werden: Kurze Aufzeichnungen für Namenslisten u.ä., eine "Antiochenische Quelle" für Apg 6-15, ein Reisetagebuch ("Itinerar") für die Wir-Berichte in der 2. Hälfte der Apg: Früher meinte man in diesen Wir-Berichten ein Beweis dafür zu haben, dass LUKAS tatsächlich ein Begleiter des PAULUS war. Heute sieht man in der Übernahme der Wir-Form aus dem Itinerar eher ein Stilmittel zur besonderen Betonung des WegMotivs. 35 In der Darstellung der Apg folgen wir weitgehend ROLOFF J., Die Apg, NTD Bd 5, Göttingen 1981, und LIMBECK M., Mit Paulus Christ sein, KBW/Stuttgart 1989. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 122 4.3.3 Literarische Gattung und Gestaltung Die literarische Gattung ist singulär, doch bestehen Ähnlichkeiten einerseits zu profaner antiker Literatur, wie etwa zu "Praxeis" (romanhafte Erzählung der Großtaten berühmter Männer) und "Periodoi" (Reisbeschreibungen), andererseits - und natürlich stärker - zu biblischen Gattungen wie etwa der deuteronomistischen und chronistischen Geschichtsdarstellung im AT und zu den Evangelien. Man kann in der Apg die erste Kirchengeschichte sehen, die - im Gegensatz zu modernen "wissenschaftlichen" Kirchengeschichten - GOTTES Wirken in der Kirche darstellt. Der Geschichtswert ist sicher nicht geringer einzuschätzen als von anderen antiken Geschichtswerken, die immer stärker tendenziös waren als dies heute üblich ist. Für eine Chronologie bieten sich nur wenige Fixpunkte, wie etwa der Tod des HERODES AGRIPPA I (44 n.), PAULUS in Korinth (zwischen 50 und 53 n., da in dieser Zeit GALLIO, der Bruder SENECAS, Statthalter der Provinz Achaia war), die Abberufung des Statthalter FELIX (um 60 n.). LUKAS bietet eine bewusste Gestaltung seines Werkes, das sich des "dramatischen Episodenstiles" (ähnlich dem des römischen Geschichtsschreibers LIVIUS) bedient: d.h. er erzählt ihm wichtige Ereignisse ausführlicher und dramatisierend und stellt durch kurze Zusammenfassungen ("Summarien") dazwischen die Zusammenhänge her. Weiters haben die Reden eine wichtige Funktion - sie machen immerhin etwa ein Drittel des Gesamtwerkes aus -, weil sie die theologische Deutung des Geschehens liefern. Dabei sind die Reden feinfühlig gestaltet - je nach Sprecher und Adressaten: so sind die PETRUS-Reden bewusst in schlechterem, aramäisierendem Griechisch gehalten; Missionspredigten an Juden knüpfen an da AT an, solche an Heiden an zum biblischen Glauben passende popularphilosophische Vorstellungen. Bezüglich der Gliederung vertrat man früher eine Zweiteilung - Wirken des PETRUS / Wirken des PAULUS: dies wurde aufgegeben, da die Apg keine Heiligenbiographie sein will. Heute wird eine Dreiteilung anerkannt, die dem "Weg" des CHRISTUSzeugnisses gerecht wird: Jerusalem (2-7), Umgebung von Jerusalem (814), "bis ans Ende der Welt" (15-28). Den Übergang vom 1. zum 2. Teil bildet die Hellenistenverfolgung mit der Steinigung des STEPHANUS, den Übergang vom 2. zum 3. Teil das sog. Apostelkonzil mit seiner Billigung der Heidenmission. Die Theologie der Apg entspricht der des Lk-Ev: die Zuverlässigkeit der christlichen Lehre soll erwiesen werden. Deshalb durchzieht das Verheißungs-Erfüllungs-Schema das Werk wie ein Roter Faden. Ferner ist wichtig, dass die Naherwartung der ersten Christen nun durch eine Stetserwartung abgelöst wird, in der der Kirche als dem neuen GOTTESvolk die Aufgabe zufällt, das Zeugnis für den menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen GOTTSOHN wachzuhalten bis zur Vollendung der Welt. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 123 4.4 Wichtige Kapitel der Apg in Auswahl Nach dem Vorwort (Apg 1,1-3), das die Verbindung zu THEOPHILUS herstellt, dem auch das Ev gewidmet war, folgt die zweite Darstellung der Himmelfahrt (Apg 1,411), die bereits besprochen wurde (vgl.o., 3.2.3). Vorher verheißt der Auferstandene die GEISTsendung und gibt den Auftrag, Seine "Zeugen zu sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1,8). Nach der Himmelfahrt folgt das erste Summarium (Apg 1,12-14), eine idealisierte Schilderung der Urgemeinde; hier werden auch MARIA - zum einzigen Mal nach dem Tod JESU - und Jüngerinnen erwähnt. Daran schließt sich die Nachwahl des MATTHIAS (Apg 1,15-26): Nach dem Tod des JUDAS wird der Kreis der "Zwölf" noch einmal ergänzt. Die Apg erzählt von einem natürlichen Tod des JUDAS (Apg 1,16- 20), abweichend von der Selbstmordversion des Mt (Mt 27, 3-10). Später ist man offensichtlich von der Zwölfzahl des Führungsgremiums abgegangen, da man die Hoffnung auf eine Bekehrung des ursprünglichen GOTTESvolkes immer mehr aufgeben musste und zunehmend ein von diesem - nun "alten" - GOTTESvolk unterschiedenes neues GOTTESvolk, die Kirche, entstand. Exkurs: Der Apostelbegriff: Die Bezeichnung "Apostel" wird im NT nicht bei allen Autoren im selben Sinn verwendet: LUKAS betitelt nur die als Apostel, die Zeugen sowohl des irdischen JESUS als auch des Auferstandenen waren - PAULUS ist daher für ihn kein Apostel. Für PAULUS gelten die Zeugen des Auferstandenen als Apostel. Die Urkirche - und manchmal auch PAULUS - verwenden diese Bezeichnung auch in einer weiteren Bedeutung, die an den ursprünglichen Wortsinn anschließt: Apostolos heißt im Griechischen einfach der Gesandte, im christlichen Bereich dann der christliche Missionar. 4.4.1 Pfingsten (Apg 2) 36 Wie bereits erwähnt, bilden bei den anderen ntl. Schriftstellern Auferstehung, Erhöhung und GEISTsendung eine Einheit. Nur LUKAS hat die Erhöhung als Himmelfahrt und die GEISTsendung im Pfingstereignis ausgestaltet und von der Auferstehung auch zeitlich getrennt. Dass die GEISTsendung am Beginn des öffentlichen Wirkens der Kirche steht, bildet dabei eine Parallele zur Taufe JESU und betont das inspiratorische Wirken des GEISTES. "Pfingsten" ist eines der drei Wallfahrtsfeste, an dem viele Festpilger in Jerusalem anwesend waren - so wohl auch die aus Galiläa stammenden Jünger. Der Begriff "Pfingsten" leitet sich vom griechischen pentekoste (hemera) ab und heißt "der 50.Tag (nach Pessach)"; im Hebräischen wird dieses Fest als Schawuot, als Wochenfest, bezeichnet und war ursprünglich ein Agrarfest, an dem die Erstlinge der 36 Vgl. dazu KREMER J., Pfingsten - Erfahrung des Geistes, KBW/ Stuttgart 1975. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 124 Weizenernte dargebracht wurden; im 1.Jh.n. wurde dieses Fest historisiert und zum "Schwurfest", an dem der Sinaibund erneuert wird. Die religiöse Erfahrung der GEISTsendung wird (Apg 2,1-4) nach dem Muster atl. Theophanie-Erzählungen (Sturm, Feuer) gestaltet ("Brausen": 1 Kön 19,11; Jes 66,15; Ps 50,3; "Feuer": Ex 3,2 f., 13,21; 19,18). Abweichungen vom lk. Sprachgebrauch lassen eine vorlk. Vorlage vermuten, die GEISTsendung wird als ekstatisches Erleben dargestellt; trotz der anschaulichen Darstellung bleibt vieles unklar: Wer ist mit "alle" (2,1) gemeint ? Nur die Zwölf oder die vorher (1,15) genannten 120 Personen? Wo findet das Ereignis statt ? Zuerst scheint an ein Haus (2,3) oder dessen Obergemach (1,13) gedacht, dann aber an einen großen Platz, an dem sich Tausende versammeln (2,6.41). Auch die Völkerliste weist Unklarheiten auf: es werden Völker genannt, die einen großen Anteil an Diasporajuden hatten, wobei auffallenderweise Syrien fehlt vielleicht, weil diese Tradition dort entstand; "Juden und Proselyten", die mitten in der Völkerliste aufscheinen, passen überhaupt nicht hierher. Schließlich ist unklar, worin das "Pfingstwunder" eigentlich bestehen soll: Zunächst (2,5-11) scheint an ein "Hörwunder" gedacht - aber: die genannten Völker sprachen ebenso wie die Jünger Aramäisch und Griechisch. Dann (2,12 f.) dürfte ein "Sprachwunder", das Zungenreden, gemeint sein. Das Zungenreden, die "Glossolalie", ist ein in vielen Religionen bis heute bezeugtes Phänomen. Der Glossolale gibt in religiöser Ekstase unverständliche Laute von sich, die von ihm selbst und von anderen als begeisternd erlebt werden. - Aber: das würde nur zur Vermutung der Trunkenheit passen, nicht aber zum vorher erwähnten Verstehen. Und schließlich wird die Rede als "zu Herzen gehend" bezeichnet (2,37) - was meinen könnte, dass nur eine "geistige" Rede den anderen wirklich erreicht. Diese Unklarheiten dürften daher kommen, dass LUKAS hier verschiedene mündliche Traditionen zusammengearbeitet hat – denn die Sprache von2, 5-11 ist lk. Möglicher Weise liegt auch eine Anspielung auf Gen 11 (Turmbau zu Babel) vor: eine Gemeinschaft, die sich gegen GOTT erhebt, muss zerfallen - nur GOTT bzw. der GOTTESGEIST kann wahre Gemeinschaft stiften. Der historische Kern dürfte sein, dass die Jünger nach der Begegnung mit dem Auferstandenen zum Schawuotfest nach Jerusalem kamen und dort ihre öffentliche Verkündigung begannen, offenbar traten in dieser Zeit Phänomene besonderer Art auf, etwa die Glossolalie, die als Zeichen für den Empfang der eschatologischen GEISTgabe (Joel 3) gedeutet wurden. 4.4.2 Die Pfingstpredigt (Apg 2,14-41) Wie JESUS nach Seiner GEISTtaufe Seine "Primiz"predigt in Nazaret hält (Lk 4,1622), so hält PETRUS nach dem GEISTempfang die Pfingstpredigt. Geschickt legt LUKAS ein altes, sicher in der Judenmission verwendetes Verkündigungsschema zugrunde, das "Kontrastschema", das der Unheiltstat "der" Juden (Kreuzigung JESU) die Heilstat GOTTES (Auferweckung JESU) gegenüberstellt. Dieses Schema war den jüdischen Hörern nicht neu, da bereits die deuteronomistische Geschichtsdeutung und viele Propheten mit diesem Kontrast zwischen menschlicher Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 125 Untreue / GOTTES Bundestreue arbeiten. Auf JESUS angewandt bedeutet dies, dass nur die Heilsbedeutung der Auferstehung, nicht aber die Seines Sühnetodes gesehen wird. Der Aufbau der Rede ist klar: In der Einleitung (2,14b-21) knüpft PETRUS an Joel 3 an und interpretiert die Kirche als endzeitliche Heilsgemeinde, wodurch auch der Übergang von der Naherwartung zur Stetserwartung ermöglicht wird. Im Hauptteil erfolgt - unter Verwendung des eben erwähnten Kontrastschemas eine Christologisierung atl. Texte: "Die" Juden haben JESUS CHRISTUS verworfen / GOTT hat Ihn auferweckt. Die plakative Gegenüberstellung Unheilshandeln der Juden / Heilshandeln GOTTES ist zwar rhetorisch geschickt gewählt, aber erstens historisch falsch - nur ein ganz kleiner Teil der Juden hat JESUS verworfen ! - und provozierte zweitens bis in unser Jahrhundert ein schreckliches Verhalten der Christen gegenüber den Juden. Dafür werden als Beweis angeführt: die Schrift (Ps 16, wieder in sehr freier Umdeutung, die den Glauben an die leibliche Auferstehung bereits voraussetzt), die Jünger als Zeugen und die - von Hörern indirekt miterlebte - GEISTsendung. In der Schlussfolgerung (2,36-41) wird die Argumentation des PETRUS mit der Reaktion der Zuhörer kunstvoll verwoben: PETRUS konkretisiert die den Juden vertraute Forderung nach Umkehr als Hinkehr zu JESUS, worauf die Hörer fragen, wie sie dies tun sollten; PETRUS fordert sie zu Taufe auf, die in dreifacher Weise charakterisiert wird: als Taufe "auf den Namen JESU CHRISTI" (also nicht trinitarisch), "zur Vergebung der Sünden" und "um die Gabe des Hl. GEISTES zu empfangen". Daraufhin lassen sich angeblich Dreitausend taufen. Die Zahl ist sicher zu hoch gegriffen, da Jerusalem damals nur 30 000 Einwohner hatte. Exkurs: Taufe LUKAS zeigt nicht die Entwicklung der Taufe, sondern setzt sie als etwas Fertiges voraus, was sicher nicht den historischen Tatsachen entspricht, sondern eine idealtypische Vereinfachung darstellt. Als Vorformen im weiteren Sinn können die rituellen Tauchbäder / Taufbäder der Juden gesehen werden, die aber wiederholbar und Selbsttaufen waren; die Proselytentaufe war einmalig, aber auch eine Selbsttaufe. Proselyten sind Heiden, die sich voll zum Judentum bekehrten, d.h. sich beschneiden ließen und die Tora einhielten. Eine Vorform in engeren Sinn ist die Taufe des Täufers, die eine einmalige Fremdtaufe war. Dass der irdische JESUS selbst getauft hat, ist eher unwahrscheinlich - es gibt dafür nur einen Hinweis, Joh 3,22.26, und dieser spiegelt eher eine Auseinandersetzung mit dem Täufer wider. Dies dürfte auch der Grund sein, warum der irdische JESUS nicht taufte - die Botschaft des JOHANNES war eine Drohbotschaft, seine Taufe ausschließlich Bußtaufe. Die Urkirche christologisiert die täuferische Tradition und verändert sie damit: getauft wird "auf den Namen JESU" - d.h. der eigentliche Taufspender ist der Auferstandene, der Getaufte wird dem Auferstandenen zugeeignet und erhält dadurch die Vergebung der Sünden und Anteil am neuen Leben. _______________ Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 126 Exkurs: Kirche 37 Der irdische JESUS intendierte sicher keine Kirche im Sinne eines vom atl. GOTTESvolk getrennten neuen GOTTESvolkes, sondern eine Bekehrung des (atl.) GOTTESvolkes, damit dieses zum Heil der Völker werde. Dies zeigt die ablehnende Haltung JESU gegenüber der Syrophönizierin (Mk 7,24-30 und //), die Wahl der Zwölf als Symbol der Wiederherstellung der längst nicht mehr vorhandenen zwölf Stämme, die Beschränkung der Aussendung der Zwölf "auf die verlorenen Schafe Israels" (Mt 10,6). JESUS dürfte somit die in allen drei Teilen des JESAIAbuches nachweisbare Vorstellung einer "Völkerwallfahrt nach Jerusalem" geteilt haben, d.h. dass das bekehrte Volk Israel zum Heilsmittler für die Heiden werden solle (vgl. Jes 2,1-5; 55,1-5; 60,1 ff). Die Konstitution eines neuen GOTTESvolkes setzt den - von Menschen und nicht vom GOTTSOHN herbeigeführten ! - Bruch mit dem alten GOTTESvolk voraus, also Seine Verurteilung durch die maßgebliche Führungsschicht des alten GOTTESvolkes, aber zugleich das tiefe Erleben des Auferstandenen durch Seine Jünger, ohne das sie nicht zur Gründung eines neuen GOTTESvolkes motiviert gewesen wären: Kirche ist also das Werk des Auferstandenen und Seines GEISTES ! Kirche übernimmt damit die Aufgabe des irdischen JESUS, die heilbringende Nähe GOTTES, das "GOTTESREICH", auf Erden erlebbar zu machen - sie ist, wie das Vaticanum II formuliert - Grundsakrament des GOTTESreiches, d.h. soll auf die Nähe GOTTES auf Erden zugleich symbolhaft hinweisen, zugleich sie sukzessive verwirklichen, ohne je selbst die Vollendung ganz erreichen zu können: dass "GOTT alles in allem ist" (1 Kor 15,28), ist dem "Himmel" vorbehalten, bleibt aber Maß und Ziel alles irdischen Handelns der Kirche. Jedenfalls ist nach Ostern und Pfingsten kein CHRISTUS "ohne" oder "außerhalb" der Kirche möglich ! _______________ Wieder stellt ein Summarium (Apg 2,42-47) den Übergang zu den nächsten Episoden her und zeichnet zugleich ein ideales Bild der Urkirche. In den folgenden Kapiteln (Kap 3-5) wird das Wirken der Apostel, besonders des PETRUS und JOHANNES, im Sinne der Nachfolge CHRISTI dargestellt: Sie heilen allerdings im Gegensatz zu JESUS nicht in eigener Vollmacht, sondern "im Namen JESU" - und lehren, sie werden vom Hohen Rat verfolgt, wollen aber GOTT mehr gehorchen als den Menschen (Apg 4,19 und 5,29). Da die Christen lange als jüdische Sekte galten, wurden sie zunächst nicht von den Römern verfolgt - die Römer hatten den Juden bestimmte Privilegien gewährt, um Unruhen zu vermeiden -, wohl aber von den Juden, die in der Verkündigung eines gekreuzigten MESSIAS und in der späteren (vgl. Apg 6 und 7) Lockerung der Bindung an das mosaische Gesetz eine GOTTESlästerung sahen. Die Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urkirche, von LUKAS wieder sehr idealisiert dargestellt (Apg 4,32-37), hat sich in Wahrheit nicht bewährt, so dass später heidenchristliche Unterstützungen nötig wurden. Daher erwähnt PAULUS in vielen seiner Briefe eine Kollekte der heidenchristlichen Gemeinden für Jerusalem; 37 Vgl. LOHFINK G., Wie hat Jesus Gemeinde gewollt ? Freiburg 1987. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 127 die Apg übergeht sie, weil sie nicht in ihr theologisches Konzept passt. Wegen dieser Problematik hat die Kirche Gütergemeinschaft in der Folge nur bei Sondergemeinschaften (Orden) befürwortet, nicht aber als generelle christliche Lebenshaltung. 4.4.3 Die Einsetzung des Diakonats, die Tötung des STEPHANUS und die Verfolgung der Hellenisten: Apg 6-7 Schon im Judentum gab es eine Trennung zwischen "Hebräern" (aramäischsprechenden Juden des Mutterlandes) und "Hellenisten" (griechisch-sprechenden Juden der Diaspora); letztere hatten eigene Synagogen in Jerusalem. Offenbar hatten sich früh auch solche Hellenisten zum Christentum bekehrt. Ihre Witwen stellten ein besonderes Sozialproblem dar: Viele alte Juden kamen nämlich aus der Diaspora nach Jerusalem, um dort begraben zu werden. Wenn ihre Frauen sie überlebten, hatten diese keinen sozialen Rückhalt bei ihren - in der Diaspora weilenden - Familien, waren also besonders hilfsbedürftig. Um diesem Problem gerecht zu werden und andererseits die Apostel nicht mit Aufgaben zu überlasten, wählt die christliche Gemeinde sieben bekehrte Hellenisten aus, die den Sozialdienst übernehmen (6,2 f.), aber auch die Apostel in der Verkündigung unterstützen sollen (6,7). Ihre Amtseinsetzung erfolgt durch Gebet und Handauflegung (6,6), ihre Amt ist als Dienstamt charakterisiert. Unter diesen Hellenisten wird STEPHANUS als herausragende Persönlichkeit dargestellt. Der historische Ablauf seines Konflikts mit gesetzestreuen Juden und seine Steinigung muss etwas anders abgelaufen sein, als in der Apg dargestellt: Der - Apg 6,14 - erhobene Vorwurf, STEPHANUS lehre eine Änderung der mosaischen Bräuche, dürfte nicht ganz zu Unrecht bestanden haben: Die Hellenisten hatten tatsächliche eine geringere Bindung an den Tempelkult als die Juden des Mutterlandes. Es scheint also innerhalb der Hellenisten einen Streit zwischen einer gesetzestreuen Richtung, die wie ihre Glaubensbrüder im Mutterland sein wollten (6.9 f.), und den christlich gewordenen Hellenisten gegeben zu haben - einen Streit, den LUKAS einseitig darstellt, um das Idealbild der Christen nicht zu trüben. Im Zuge dieses Streites muss es zu einer Lynchjustiz an STEPHANUS gekommen sein (an 6,14 schließt 7,54 lückenlos an). In diese vorlk. Tradition wird durch die lk. Redaktion ein Verhör vor dem Hohen Rat eingeschoben, wohl um den Tod des STEPHANUS stärker mit dem Tod CHRISTI zu parallelisieren. Dabei wird übergangen, dass der Hohe Rat ja gar keine Blutgerichtsbarkeit hatte, so dass für eine offizielle Verurteilung STEPHANUS wie JESUS dem römischen Statthalter hätte übergeben werden müssen. Auch die Rede des STEPHANUS, die längste der gesamten Apg, kann in diesem Zusammenhang nicht historisch sein: sie nimmt auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe überhaupt keinen Bezug; abgesehen davon, dass man den Beschuldigten vor dem Hohen Rat kaum so lange schweigend angehört hätte. Allerdings ist diese Rede auch keine Erfindung des LUKAS, sondern eine Verarbeitung einer alten Predigttradition aus dem Hellenistenkreis: Mithilfe des Kontrastschemas wird das Selbstverständnis des Judentums in Frage gestellt; das Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 128 christologische Interpretationsmodell ist altertümlich - eine MOSE-CHRISTUSTypologie, die in CHRISTUS den Vollender des Gesetzes sieht - ähnlich Mt 5,21-48 und Hebr 3,1-6, aber im Gegensatz zu PAULUS. Die Hörer lassen ihrer Betroffenheit keinen Raum - es wurde schon erwähnt, dass 7,54 auch an 6,14 angeschlossen werden könnte -, sondern werden aggressiv, gesteigert durch eine Vision des STEPHANUS, die ihn als GEISTträger bestätigt: Er sieht im geöffneten Himmel den "Menschensohn" zur Rechten des VATERS "stehen" (7,55 f.). Sowohl der Menschensohntitel als auch das Stehen ist auffällig: es ist die einzige Stelle des gesamten NT, wo der Menschensohntitel nicht von JESUS selbst verwendet wird. Dies und das "Stehen" könnte auf die richterliche Funktion des Erhöhten verweisen. STEPHANUS stirbt nach dem Vorbild JESU und wird dadurch zum Vorbild christlichen Sterbens: Er überantwortet mit den Worten des jüdischen Abendgebets (Ps 31,6) sein Leben JESUS - diese Worte betet auch die sterbende JESUS im Lk-Ev (Lk 23,46), natürlich an den VATER adressiert - und betet für seine Mörder (vgl. Lk 23,34). Die Erwähnung des SAULUS unter den Mördern führt die Hauptperson des zweiten Teiles der Apg zunächst geschickt als Statisten ein (7,58; 8,1a.3). Das Summarium 8,1b-3 erwähnt die erste Christenverfolgung und die Zerstreuung der meisten Christen in die umliegenden Landschaften, Judäa und Samaria - etwas ungenau, denn diese Verfolgung scheint nur die christlichen Hellenisten betroffen zu haben. Wichtig ist die theologische Aussage: Daran, dass die Verfolger unbeabsichtigt eine weitere Ausbreitung der Kirche hervorrufen, zeigt sich, dass GOTTES Pläne von Menschen nicht zu durchkreuzen sind. Es folgt eine Erzählung des Wirkens der Apostel PETRUS und JOHANNES und des Diakons PHILIPPUS in Samarien (8,4-40). 4.4.4 Die Bekehrung des SAULUS (Apg 9,1-31) Bis Apg 13,9 trägt der Apostel den jüdischen Namen SAULUS ("der Erflehte"), dann den lateinischen Namen PAULUS ("der Kleine"). Der Namenswechsel hat nichts mit seiner Bekehrung zu tun - wie die volkstümliche Redensart "Aus einem SAULUS ist ein PAULUS geworden" nahelegt -, sondern er trug von Geburt an einen Doppelnamen, da er einerseits Jude aus dem Stamm BENJAMIN war, (Gal 1,13 f.; 2 Kor 11,22; Röm 11,1; Apg 22,3 f u.ö.), andererseits das römische Bürgerrecht besaß. (Apg 16,37-39; 22,27-29 u.ö., besonders aber Apg 25,10 f.). Die Berufung an den Kaiser war nur dem Römischen Bürger gestattet - und ohne diese Berufung wird unerklärlich, warum PAULUS als Untersuchungshäftling nach Rom gebracht wurde 38. 38 Die Gegenargumente von LIMBECK,s.Anm.199,37-39, sind in diesem Punkt nicht stichhältig, zumal er die Möglichkeit der Schenkung des Bürgerrechts überhaupt nicht berücksichtigt. Gerade eine solche aber lag für die bessergestellten Einwohner von Tarsus vor, weil ihnen von ANTONIUS und KLEOPATRA anlässlich ihrer vor Tarsus in einem Schiff stattfindenden Hochzeit das Bürgerrecht durch Schenkung verliehen worden war. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 129 Die Bekehrung des PAULUS gehört zu den Schlüsselszenen der Apg; sie ist nach der Auferstehung JESU das am häufigsten dargestellte Ereignis des NT (Apg 9,1-31; 22,4-16; 26,9-18 und Gal 1,11-16; 1 Kor 15,8ff.; Phil3,6 ff.). Das paulinische Selbstzeugnis ist allerdings von der Darstellung der Apg etwas verschieden: PAULUS reiht seine CHRISTUSbegegnung in die Osterfahrungen der anderen Jünger ein und deutet sie als Berufung zum Apostel, LUKAS, der die Ostererfahrungen mit der Himmelfahrt abgeschlossen sein lässt, stellt die CHRISTUSbegegnung als Vision dar und interpretiert sie, aufgrund seines engeren Apostelbegriffes, als Bekehrung vom Christenverfolger zum CHRISTUSprediger. Der literarischen Gattung nach ist Apg 9 als volkstümliche Bekehrungslegende gestaltet. Sie hat sicher einen historischen Kern, da der Christenverfolger SAULUS ja von sich aus keinen Grund zu einer solch radikalen Sinnesänderung gehabt hätte. Der Aufbau ist sorgfältig: eine Dreiteilung (1-9 / 10-19a / 19 b- 22), wobei der erste und der dritte Teil parallel konstruiert sind. PAULUS reist, um die Christen weiter zu verfolgen, nach Damaskus: dieser Zweck kann nicht offiziell gewesen sein, da der Sanhedrin keine Gerichtsbarkeit in Syrien hatte. Möglicherweise handelte PAULUS aufgrund eigener Initiative; wenn er tatsächlich Empfehlungsschreiben des Sanhedrin bei sich hatte, können diese bestenfalls offiziösen Charakter gehabt haben. Die CHRISTUSbegegnung ist als Kombination einer Epiphanie- (Licht, Stimme, "Ich bin...") und einer Berufungserzählung gestaltet. PAULS Sturz zu Boden soll wohl den Verlust der eigenen Kraft ausdrücken, seine Blindheit ist eher kein Strafwunder, sondern soll ihn als "Werkzeug" (vgl.9,15) charakterisieren. Die Berufungserzählung ist aber nicht in sich abgeschlossen, sondern erst durch die Parallelvision des HANANIAS (9,10-19a): Dadurch wird die göttliche Führung des Geschehens betont. Nach anfänglicher Weigerung - wie sie für Berufungserzählungen typisch ist - legt HANANIAS dem PAULUS die Hände auf, wodurch es gleichzeitig zur Heilung und GEISTübertragung kommt. Die Taufe erfolgt, wie bei CORNELIUS (Apg 10,47 f.), erst anschließend. PAULUS beginnt sogleich mit der Verkündigung CHRISTI als des "SOHNES GOTTES", was der Tradition entspricht, da PAULUS diesen Titel häufig, LUKAS aber kaum verwendet. Im folgenden rafft die Apg: Nach Gal 2,16-24 und 2 Kor 11,32 f. ging PAULUS zunächst auf zweieinhalb Jahre nach Arabien (dem heutigen Jordanien mit der Hauptstadt Petra), um zu missionieren. Bei seiner Rückkehr nach Damaskus musste er vor Nachstellungen des Nabatäerkönigs ARETAS IV in einem Korb fliehen. Die Apg lässt den Arabienaufenthalt weg, legt die beiden Damaskusaufenthalte zusammen und lässt PAULUS vor den Juden fliehen. 9,31 zieht eine positive Zwischenbilanz: Die Kirche hat sich trotz oder sogar wegen ihrer Verfolgung ausgebreitet, und der Christenverfolger PAULUS ist zum eifrigen CHRISTUSverkündiger geworden. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 130 Nun (9,32-11,18) wird der Blick noch einmal auf PETRUS gelenkt, zunächst durch die knappe Schilderung einer Krankenheilung (9,32 -35) und einer Totenerweckung (9,36-43 – vgl. dazu Mk 5,21-24.35-43). 4.4.5 CORNELIUS - der erste Heidenchrist (Apg 10,1-11,18) Da die Hinwendung zur Heidenmission zu den entscheidendsten Ereignissen der Urkirche gehört, wird sie als längste Episode der ganzen Apg erzählt. Der Gattung nach ist sie eine typische Missionslegende, ihre Form ist durch die Korrespondenzvisionen des CORNELIUS und des PETRUS geprägt, wodurch - analog zur Bekehrung des PAULUS - die göttliche Lenkung des Geschehens betont wird. Allerdings ist nicht ganz klar, ob CORNELIUS wirklich der erste bekehrte Heide war zumindest stellt die Apg dies so dar; bei dem von PHILIPPUS getauften äthiopischen Kämmerer (Apg 8,26-40) ist nämlich unsicher, ob es sich um einen Proselyten oder auch nur um einen GOTTESfürchtigen handelt. Da männliche Hofbeamte weiblicher Regenten in der Antike üblicherweise Eunuchen waren, könnte der Kämmerer nur GOTTESfürchtiger sein, da nach Dtn 23,2 kein Verschnittener Jude werden durfte. Allerdings wäre es dann nicht ganz logisch, warum das Problem der Heidenmission nicht schon bei der Taufe des Kämmerers, sondern erst bei der Taufe des CORNELIUS brisant wird. Der römische Hauptmann CORNELIUS wird als GOTTESfürchtiger vorgestellt, d.h. einer, der sich zum ethischen Monotheismus des Judentums bekennt, aber nicht beschnitten ist und das mosaische Gesetz nicht voll einhält: GOTTESfürchtige gelten daher als Heiden. In den Grundzügen ist die Erzählung, die aus der Jerusalemer PETRUS-Tradition stammt, wohl historisch und spiegelt den Übergang zur Heidenmission wider. Die lk. Redaktion stellt die Bekehrung eines Heiden als eine Art heidenchristliches Pfingsten dar, um den generellen Übergang zur Heidenmission zu rechtfertigen, was durch die Rechtfertigung des PETRUS in Jerusalem (11,1-18) noch unterstrichen wird. Ort des Ereignisses ist Caesarea (Kaisaria Sebaste), ein künstlicher, um 10 v.Chr. von HERODES d.Gr. angelegter Hafen, der ab 6 n. Chr. der Sitz des römischen Statthalters wurde. CORNELIUS und PETRUS werden durch Parallelvisionen zueinander geführt, wobei die des PETRUS zunächst schwer deutbar ist: der Sinn der Aufhebung von rein / unrein wird erst durch die GEISTgabe an Heiden klar. Die Begegnung zwischen dem Judenchristen PETRUS und dem gottesfürchtigen heidnischen Hauptmann wird feierlich gestaltet - ist sie doch der Prototyp der nun damit entstehenden Kirche aus Juden- und Heidenchristen. Die PETRUSrede (10,3443), die wieder mit dem typischen Kontrastschema arbeitet, bietet im NT die einzige zusammenhängende Darstellung des Lebens JESU außerhalb der Evangelien. Theologisch nimmt PETRUS dabei eine gewisse Mittelstellung ein zwischen den Judaisten, die von allen Christen die volle Befolgung des mosaischen Gesetzes verlangten, und PAULUS, der das Gesetz als Heilsweg ablehnt: GOTT schenkt Sein Heil dem, der "Ihn fürchtet und tut, was recht ist" (10,35), also den Juden und Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 131 gottesfürchtigen Heiden. Diese Haltung dürfte der des historischen PETRUS entsprechen, soweit sie aus PAULUSbriefen (besonders Gal 2) rekonstruierbar ist. Am Ende der PETRUSrede greift GOTT nochmals ein - durch GEISTausgießung auf die Heiden. PETRUS anerkennt das Heilshandeln GOTTES: "Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Hl.GEIST empfangen haben ?" (10,47). Diese Episode endet mit einer recht umständlichen Rechtfertigung des PETRUS in Jerusalem, die die Vorbehalte verdeutlicht, die gegen die Eingliederung von Heiden in die christliche Gemeinde bestanden (11,1-18). Nachdem GOTT Selbst durch die GEISTgabe an CORNELIUS die Möglichkeit zur Heidenmission eröffnet hat, macht sie rasche Fortschritte: Es entsteht eine aus Juden und Griechen gemischte Gemeinde in Antiochia, der Hauptstadt von Syrien. Antiochien war - nach Rom und Alexandrien - mit ca 500 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt des Reiches, von der Lage her ein Schnittpunkt zwischen Morgenund Abendland und, ganz im Gegensatz zum eher chauvinistischen Jerusalem, eine tolerante Weltstadt. Dort kommt auch die Bezeichnung "Christen" auf ("Christen" kommt von Christianoi, d.h. "die zu CHRISTUS Gehörenden") und dorthin holt BARNABAS PAULUS als Mitarbeiter (11,19-26). In Jerusalem kommt es inzwischen zur Hinrichtung des JAKOBUS d.Ä. und zu einer neuerlichen Verhaftung des PETRUS, aus der er auf wunderbare Weise befreit wird, aber als Folge Jerusalem verlässt (12,1-19a), weshalb wir später JAKOBUS d.J. als Leiter der Jerusalemer Gemeinde finden (vgl.Apg 15). PAULUS und BARNABAS unternehmen ihre erste Missionsreise, die sich auf Zypern und Kleinasien beschränkt (ca 45-48 /49 n.Chr., Apg 13 -14). Ab dieser ersten Missionsreise wird nur mehr der lateinische Name PAULUS verwendet. Dabei entwickelt PAULUS seine auch später beibehaltene Vorgangsweise : er wendet sich immer zunächst an die Juden - was insofern leicht möglich war, als am Schabbat jeder volljährige Jude die Schrift auslegen darf und diese Ehre gerne Gästen angeboten wurde. Da sich aber meist nur wenige Juden bekehrten, ja, es oftmals zu harten Auseinandersetzungen kam, wandte sich PAULUS in einem zweiten Schritt an die Heiden, meist mit mehr Erfolg. So weit als möglich versuchte PAULUS, nicht nur ein religiöses Strohfeuer zu entfachen, sondern Mitarbeiter zu gewinnen und dadurch eine bleibende Gemeinde zu konstituieren. 4.4.6 Das Apostelkonzil in Jerusalem (Apg 15,1-35) 39 Das sogenannte "Apostelkonzil" (zwischen 48 und 50 n.Chr.) war zwar kein Konzil im späteren Sinn, nämlich eine Repräsentation der Gesamtkirche durch ihre Vertreter, aber es war eine Versammlung des damaligen Führungsgremiums, das die wichtigste Entscheidung der Urkirche traf: Heiden ohne Umweg über das Judentum zum Christentum zuzulassen. 39 Eine gute prakt. Anregung zur Aufarbeitung des Apostelkonzils bietet SCHINZER R., Die Bibel ins Spiel bringen, Göttingen 1984, 2.Aufl. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 132 Die Darstellung ist dreigliederig: Die Vorgeschichte (15,1-3) spielt in Antiochia: Es entstand ein Streit, ob auch Unbeschnittene ( und damit nicht zur vollen Gesetzeseinhaltung Verpflichtete) zu Kirche gehören können - man beschließt, eine Delegation unter der Leitung von PAULUS und BARNABAS zur Klärung nach Jerusalem zu schicken. Der Hauptteil (15,4-29) spielt in Jerusalem: Nach der Schilderung des Konflikts (4 f.) beraten die Apostel und Ältesten, PETRUS hält eine Rede (7-11) bekennt sich uneingeschränkt zur Heidenmission, JAKOBUS (12-21) unterstützt dies, fordert aber als Kompromiss gegenüber den Judenchristen in den "JAKOBUSklauseln" eine Minimalberücksichtigung des Gesetzes: die Vermeidung von Götzenopferfleisch, von Unzucht und Blut und Ersticktem. Für uns sind diese Begriffe erklärungsbedürftig, ja, fallweise nicht mehr eindeutig erklärbar: Nicht nur beim gängigsten jüdischen Opfer (Heilsopfer, Lev 3) sondern auch bei den meisten heidnischen Opfern wurde nur ein Teil des Tieres GOTT oder den GÖTTERN verbrannt, ein Teil gehörte den Priestern, der Großteil aber wurde von den Opfernden gegessen. Hatten reiche Heiden so viele Tiere geopfert, dass die Opfergemeinde sie nicht essen konnte, wurde dieses übrige Fleisch billig verkauft. Da für ärmere Leute Fleisch einen Luxus darstellte und arme Heidenchristen nicht an jüdischen Opfermählern teilnehmen durften, wäre für sie die Teilnahme an heidnischen Opfermählern bzw. der Billigkauf an heidnischen Tempeln eine Möglichkeit gewesen, auch etwas Fleisch essen zu können. Dass dieses Verbot des Götzenopferfleisches Heidenchristen hart traf, zeigt die mehrfache Behandlung des Themas in PAULUSbriefen (1 Kor 10,14-11,1; Röm 14,1-23). Nicht ganz klar ist, was mit "Unzucht" gemeint ist: vielleicht sind es Ehen zwischen nahen Verwandten diese waren zwar nicht nur im jüdischen, sondern auch im römischen Recht verboten, doch im Orient (besonders in Ägypten) schon lange Brauch und daher auch in den östlichen Teilen des Römischen Reiches geduldet. Es könnte aber auch die Teilnahme an bestimmten heidnischen Festen gemeint sein, bei denen sexuelle Tabus aufgehoben waren. Vielleicht ist auch beides gemeint. Jedenfalls soll ein Rückfall der Heidenchristen in sexuelle Freizügigkeit vermieden werden. Das Verbot des Blutgenusses ("erstickt" = nicht geschächtet) erklärt sich daraus, dass das Blut als Sitz des Lebens galt (Lev 17). Diese Forderungen, die auch als "Aposteldekret" bezeichnet werden, dienten wohl dazu, einen Rückfall von Heidenchristen ins Heidentum zu verhüten 40. Die Nachgeschichte (15,30-33) führt uns wieder nach Antiochia, wo der Gemeinde die Jerusalemer Beschlüsse mitgeteilt werden. Da auch ein Augenzeuge, nämlich PAULUS, das Apostelkonzil schildert, ist ein Vergleich von Apg 15 und Gal 2,1-10 interessant: Als Gemeinsamkeiten sind zu nennen: dass PAULUS und BARNABAS die Leiter der antiochenischen Delegation sind, dass das Hauptthema die Frage nach der Verbindlichkeit von Beschneidung und Gesetzesunterstellung für Heidenchristen 40 Spätere westliche Textzeugen variieren die JAKOBUSklauseln erheblich: Sie verwandeln die kultischen Forderungen in ethische: "... sich zu enthalten von der Befleckung durch Götzen, von Unzucht und Bluttat und, was man nicht will, das einem zugefügt werde, das tut auch anderen nicht an". Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 133 war und dass vom Jerusalemer Führungsgremium die Frage dieser Verbindlichkeit verneint wurde. Unterschiede: - - Die Apg nennt TITUS, den unbeschnittenen Mitarbeiter des PAULUS, an dem sich die Beschneidungsfrage entzündete, nicht. PAULUS erwähnt nur die "drei Säulen", nicht aber ein Ältestengremium, obwohl dieses in der judenchristlichen Jerusalemer Gemeinde, der Synagogenverfassung entsprechend, sicher vorhanden war. Vielleicht setzte er es als so selbstverständlich voraus, dass er es nicht nennt, vielleicht wollte er aber auch seine Abhängigkeit von den Jerusalemer Führungskräften unterspielen. Die Apg macht PETRUS zum uneingeschränkten Sprecher der Heidenmission historisch war dies aber PAULUS. Am auffallendsten ist aber die Differenz bezüglich der Auflagen, die das Konzil den Heidenchristen erteilt haben soll: PAULUS erwähnt nur eine Kollekte, aber kein Aposteldekret, LUKAS nennt nur das Aposteldekret, aber keine Kollekte. Historisch dürfte PAULUS zuverlässiger sein: offenbar wollte man den Heidenchristen zunächst wirklich gar "keine Lasten aufbürden" (15,19) - außer der finanziellen Unterstützung, die die Jerusalemer Gemeinde brauchte, die aber von LUKAS, um das Idealbild nicht zu zerstören, konsequent verschwiegen wird. Dennoch entsprechen auch die Klauseln den Tatsachen - sie spiegeln sich ja auch in den PAULUSbriefen wider-, nur dürften sie erst nach dem Konzil erlassen worden sein, weil die Reibereien zwischen Juden- und Heidenchristen nicht aufhörten. Die Apg dürfte also zwei historisch getrennte Ereignisse zusammengezogen haben. Der irdische JESUS hatte sich nur gegen die Veräußerlichung - so in den Antithesen der Bergpredigt (Mt 5,17-48) - und gegen den Missbrauch des Gesetzes gewendet etwa gegen eine bloß buchstäbliche Einhaltung des Schabbatgebotes (Mk 3,1-6) oder der Reinheitsvorschriften (Mk 7,1-23;Lk 10,25-37) oder gegen die Widmung der den Eltern geschuldeten Unterstützung an den Tempel (durch das Korban-Gelübde, vgl. Mk 7,11). Obwohl JESUS in der Interpretation des Gesetzes vielfach revolutionäre Ansichten vertrat, hat Er erstens das Gesetz als solches nie in Frage gestellt und lag mit dem Ringen um eine gültige Interpretation durchaus im Trend Seiner Zeit, weil die Gesetzesinterpretation ein kontroverstheologisches Thema zwischen den einzelnen Rabbinerschulen darstellte. Die Entscheidung des Apostelkonzils, die Verbindlichkeit des Gesetzes für Heidenchristen ganz abzuschaffen, mutet daher sehr radikal an und ist eher aus der Zeit heraus (Ermöglichung der Heidenmission, Abgrenzung von den Juden) zu verstehen. Die paulinische Theologie erläutert, was damit gemeint war: Es geht nicht um die Herstellung eines regellosen Zustandes im menschlichen Zusammenleben, sondern um die Bewertung des Gesetzes - seine Heilsbedeutung wird abgelehnt, weil der Mensch sich Erlösung nicht durch Gesetzesbefolgung verdienen kann, sondern von GOTT in CHRISTUS schenken lassen muss. Daher ist auch nicht recht einsichtig, warum die spätere christliche Praxis sich nur an den Dekalog gebunden fühlte, nicht aber an die sinnvollen sozialen Weisungen des AT etwa: das Schabbat- und das Jobeljahr, die das ständige Anwachsen sozialer Gegensätze von Armen und Reichen eindämmen wollten (Ex 23,10 f.; Dtn 15, 1-11; Lev 25,1-31; das Sklavengesetz, das jüdische Sklaven den Kindern der Familie gleichstellte und ihre Freilassung nach sieben Jahren regelte (Ex 21,1-11; Dtn 15,1218; Lev 25,39-46 - hier allerdings mit Freilassung nicht im Schabbat-, sondern erst im Jobeljahr) - es sollte uns Christen zu denken geben, wenn vor nicht viel mehr als 100 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 134 Jahren die Sklaverei ein Thema des amerikanischen Sezessionskrieges sein konnte; oder das Verbot, männliche Angehörige des GOTTESvolkes zu kastrieren (Dtn 23,2) während man im Kirchenstaat bzw. im Vatikan bis in unser Jh.(!) Kastraten verwendete, um ohne weibliche Sopranstimmen auszukommen. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Nach offizieller Freigabe der Heidenmission unternimmt PAULUS die zweite Missionsreise ( ca 50 bis 53 n.Chr., Apg 16-18 ), die das Christentum erstmals nach Europa bringt (Philippi, Thessalonike, Athen, Korinth). Dabei trennt sich PAULUS von BARNABAS. Die Apg nennt dafür nur einen privaten Grund, Differenzen wegen BARNABAS' Neffen JOHANNES MARKUS, doch dürften, wie Gal 2,13 zeigt, auch theologische Differenzen vorgelegen haben - wie PETRUS hatte auch BARNABAS persönliche Schwierigkeiten mit der Verkündigung eines gesetzesfreien Evangeliums an Heiden. 4.4.7 PAULUS in Athen: die Areopagrede (Apg 17,16-34) Die historische Bedeutung des Athenbesuches von PAULUS war wohl gering - Athen lebte damals nur noch von seinem kulturellen Ruf, hatte aber seine politische und wirtschaftliche Bedeutung an die Hafenstadt Korinth abgegeben; zu dem war PAULUS nur kurz dort und konnte keine Gemeinde gründen. Dennoch wird dieser Aufenthalt von der Apg literarisch betont, weil Athen immer noch Symbol für Philosophie und Kunst war - daher wird anhand der Areopagrede die Begegnung des Christentums mit der heidnischen Bildung dargestellt. Historisch ist das direkte Ansprechen von Heiden zwar ungewöhnlich, aber nicht unmöglich, zumal die jüdische Gemeinde in Athen klein und bedeutungslos war. Mit "Areopag" ist sicher nicht die Behörde gemeint, sondern ihr Tagungsort am Fuß der Akropolis. Der Areopag war ursprünglich die oberste Gerichtsbehörde in Athen, unter römischer Oberhoheit aber wurde sie auf eine Unterrichtsbehörde eingeschränkt (ähnlich wie der Sanhedrin auf eine Kultbehörde reduziert war). Offenbar herrschte dort Redefreiheit (wie heute in London im Hyde-Park). Die Rede zeigt das typische Redeschema der Heidenmission: erst nach Anknüpfung an heidnische (meist stoische) Vorstellungen, die mit dem biblischen Denken harmonierten, folgt der Übergang zu spezifisch christlicher Verkündigung: In der Einleitung (17,16-22a) sucht PAULUS, sich die Hörer geneigt zu machen ("captatio benevolentiae": Dies war für antike Rhetorik und antike Briefe typisch und begegnet daher auch beim historischen PAULUS in seinen Briefen). Im Hauptteil (17,22b-31) beginnt er mit den gemeinsamen Vorstellungen über GOTT und Welt (17,24 f.: GOTT ist Schöpfer und Lenker der Welt, Er wohnt nicht Tempeln und ist bedürfnislos) und GOTT und Mensch (17,26-29: die Menschen sollen GOTT "suchen", doch nicht bloß intellektuell, sondern existentiell) - es lassen direkte Zitate aus dem Dichter ARATUS und dem stoischen Philosophen KLEANTHES nachweisen - bis hierher konnte PAULUS der Zustimmung seines Auditoriums sicher sein. Erst mit der Darstellung der Beziehung GOTT-CHRISTUS (17,30 f.: GOTT lässt sich in CHRISTUS finden, den Er durch die Auferweckung beglaubigte) stößt PAULUS Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 135 auf Unverständnis, weil für einen Griechen die leiblich-individuelle Auferstehung nichts Wünschenswertes war. Entsprechend dürftig ist der Erfolg der Rede (17,32-34). Obwohl die Historizität der Areopagrede zweifelhaft ist und LUKAS wesentliche Akzente der paulinischen Theologie weglässt (Schuldhaftigkeit der religiösen Unwissenheit der Heiden, vgl. Röm 1,18-32; Heilsbedeutung nicht nur der Auferstehung, sondern auch des Kreuzes, vgl. 1 Kor 1,18-31), ist es grundsätzlich richtig, dass PAULUS der Heidenmissionar ist und dass er an das heidnische Vorverständnis anknüpfte (vgl. Röm 1 und 3). In Korinth, der in jeder Hinsicht heterogenen Hafenstadt, gelingt PAULUS eine Gemeindegründung, dann kehrt er über Ephesus nach Antiochien zurück (Apg 18). 4.4.8 Dritte Missionsreise (ca 54 bis 58 n., Apg 19-21) und Abschiedsrede in Milet (Apg 20,17-38) Es ist unklar, wie weit man überhaupt von einer dritten Missionsreise sprechen kann: denn erstens lässt sich diese nicht scharf von der zweiten abgrenzen - als eine gewisse Zäsur kann höchstens der Zwischenaufenthalt in Antiochia gesehen werden , zweitens hält sich PAULUS hauptsächlich in Ephesus auf und macht nur von dort aus kürzere Besuche in anderen Gemeinden. Gerade dieser lange Aufenthalt in Ephesus führt zu Problemen mit den Silberschmieden, die durch das Anwachsen der christlichen Gemeinde eine Geschäftsstörung fürchteten - sie verkauften nämlich kleine Nachahmungen der berühmten ARTEMISstatue (19,21- 40). In Milet hält PAULUS seine Abschiedsrede (20,17-38: zur literarischen Gattung der Abschiedsrede vgl. o., 3.1.1). Sie weist eine deutliche Sonderstellung auf, weil PAULUS hier über sich selbst und zu Christen spricht. Die Rede hat sicher einen historischen Kern, sie ist viel stärker paulinisch als die anderen PAULUSreden der Apg, so dass man annehmen kann, dass LUKAS hier Traditionen aus paulinischen Gemeinden verarbeitete: Das Apostelamt wird als Dienst am HERRN gesehen (20,19: vgl. Phil 2,22; mehrfach in 2 Kor; Röm 7,6; 12,11); das Zeugnis des Evangeliums ist für Juden und Heiden bestimmt (20,21: vgl. Gal 3,28; 1 Kor 1,24; 10,32; 12,13; Röm 1,16; 10,12); der Sühnetod CHRISTI wird betont (20,28: vgl. Röm 3,25 u.ö.). Die Rede weist die typischen Motive einer Abschiedsrede auf: die Betonung der Todesnähe, die Selbstrechtfertigung (hier: PAULUS betont seinen Aposteldienst, sein Bemühen um Vorbildlichkeit und seine GEISTgeleitetheit), Zukunftsverheißungen und Mahnungen (Warnung vor Irrlehrern, Mahnung zu uneigennütziger Amtsführung), rührender Abschied. Von Milet kehrt PAULUS über Caesarea nach Jerusalem zurück. 4.4.9 Gefangennahme und Gefangenschaft des PAULUS (Apg 21-28) In Jerusalem hat sich der Gegensatz von Juden- und Heidenchristen offenbar zugespitzt - von LUKAS wieder minimiert dargestellt, doch spiegelt sich das Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 136 angespannte Verhältnis in dem Vorschlag des JAKOBUS wider, PAULUS möge seine Gesetzestreue durch Auslösung von vier Nasiräern demonstrieren. Nach Num 6 können sich Männer oder Frauen auf Zeit GOTT weihen, müssen aber dann bestimmte Regelungen einhalten; sie dürfen nichts zu sich nehmen, was vom Weinstock stammt, dürfen ihr Haar nicht scheren und selbst beim Tod naher Verwandter den Toten nicht berühren. Nach Ablauf der Frist muss der / die Geweihte zum Priester gehen und ein Brandopfer (männliches Lamm), ein Sühnopfer (weibliches Lamm), ein Heilsopfer (ein Widder: mit diesem werden die abgeschorenen Haare verbrannt), ungesäuerten Kuchen, ungesäuertes Brot, und ein Speise- und Trankopfer darbringen. Für ärmere Nasiräer stellte dies eine große Belastung dar, deshalb waren sie über eine materielle Unterstützung froh. Der Kompromissversuch schlägt fehl, weil fanatische Juden irrtümlich meinen, PAULUS habe einen Heiden in den Tempel mitgenommen, worauf die Todesstrafe stand. In dem entstehenden Tumult kann PAULUS nur durch das Eingreifen der Römer vor dem Gelyncht-Werden bewahrt werden (Apg 21,27-40). Dies und vor allem seine Schutzhaft in Caesarea sind sicher historisch, nicht aber die beiden Reden, die eine vor dem Volk (Apg 22, mit der zweiten Darstellung seiner Bekehrung), die andere vor dem Hohen Rat (Apg 23). Die Schutzhaft zieht sich in die Länge, vielleicht weil der Statthalter FELIX wirklich Geld für die Freilassung des PAULUS erhoffte (Apg 24,26). Als FELIX, wohl vor 60 n., von FESTUS abgelöst wird und der neue Statthalter PAULUS nach Jerusalem bringen lassen will, appelliert dieser an den Kaiser - ein Recht, das nur Römischen Bürgern zustand . Die - an sich historische - Romreise wurde von LUKAS stark überarbeitet: aus dem Gefangenentransport wird ein Triumphzug, denn GOTTES Plan hat sich durchgesetzt, PAULUS erreicht Rom, das Zentrum der damaligen Welt. Damit hat sich die Verheißung des Auferstandenen (Apg 1,8) erfüllt. Um dieses "Happy End" nicht zu verdüstern, verschweigt LUKAS sowohl den Märtyrertod des PAULUS als auch die Zwistigkeiten innerhalb der römischen Gemeinde (offenbar zwischen PETRUS und PAULUS, vgl. 1 Kl 5,2ff.). Weniger erfreulich ist, dass LUKAS mit seiner "Verwerfungstheorie" der Juden eine fast zweitausendjährige Ablehnung der Juden durch die Christen begründet hat: Die Juden erweisen sich bei LUKAS als endgültig verstockt, das Ende der Apg rechnet nur mehr mit Einzelbekehrungen, nicht aber mit der des ganzen Volkes und begründet dies mit Jes 6,9 f. PAULUS, Röm 9-11, sieht dies anders, doch beginnt man sich erst in unserem Jh. wieder darauf zu besinnen. Davon abgesehen, ist LUKAS die erste Kirchengeschichte gelungen, die, analog dem AT, die Geschichte von GOTTES Heilsplan her deutet. _________________________________________________________________ Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 137 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 4 Außer den in EBTH genannten Kommentaren und den in den Anmerkungen angeführten Werken sind besonders zu empfehlen: BORNKAMM G., Paulus, Stuttgart 1979, 4.Aufl. ! KREMER J., Pfingsten - Erfahrung des Geistes, KBW/Stuttgart 1976. ! LIMBECK M., Mit Paulus Christ sein. Sachbuch zur Person und Theologie des Apostels Paulus, KBW/Stuttgart 1989. LOHFINK G., Wie hat Jesus Gemeinde gewollt ? Freiburg 1982. SCHINZER R., Die Bibel ins Spiel bringen. Anregungen für den Umgang mit der Bibel in Gruppen, Göttingen 1984, 2.Aufl. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 138 5 PAULUS UND SEINE BRIEFE 5.1 Das Leben des PAULUS Für das Leben des PAULUS liegen uns drei - sehr verschiedenwertige - Quellen vor: Die echten PAULUSbriefe, die - bereits besprochene - Apg und die Acta Pauli, ein Ende des 2.Jhs.entstandener PAULUSroman, ohne historischen Wert. PAULUS war in der kleinasiatischen Stadt Tarsos, wohl zwischen 5 und 10 n.Chr., geboren, er stammte von wohlhabenden (Phil 3,8) jüdischen Eltern aus dem Stamm BENJAMIN (Röm 11,1), er wurde Pharisäer (Phil 3,5), Rabbiner-Schüler (laut Apg 22,3 war er in Jerusalem Schüler des berühmten Rabbis GAMALIEL, eines Enkels des ebenfalls berühmten Rabbis HILLEL) und Zeltmacher. Der Doppelname SCHA'UL (der Erflehte) / PAULUS (der Kleine) war wohl ursprünglich, weil - entgegen moderneren Behauptungen41 - alles dafür spricht, dass PAULUS auch das Römische Bürgerrecht besaß. Nicht nur nach der Apg (7,58; 8,3; 9,1 f.) sondern auch nach seinem Selbstzeugnis (Gal 1,3.23: 1 Kor 15,9) war PAULUS Christenverfolger: Als Pharisäer erhoffte PAULUS den Anbruch des GOTTESREICHES durch genaue Gesetzeseinhaltung - die (hellenistischen) Christen stellten das in Frage; als frommer Jude konnte er unmöglich einen Gekreuzigten als MESSIAS akzeptieren. Nach seiner Bekehrung sind ebendas die Hauptakzente seiner Theologie: Erlösung nicht durch die Tora, sondern durch das Evangelium - und zwar durch das Evangelium von CHRISTUS, dem Gekreuzigten. Damit erweist sich aber die totale Gegenüberstellung von Gesetz / Evangelium, wie sie vor allem von den Reformatoren betont wurde, als allzu plakativ: PAULUS hat dem Gesetz nur den Erlösungscharakter abgesprochen, keineswegs aber seinen Wegweisungscharakter für das menschliche Zusammenleben. Seine Bekehrung/Berufung erzählt PAULUS drei Mal: Gal 1,15 f. wie eine Prophetenberufung, 1 Kor 15,8 ff. wie eine Ostererscheinung, Phil 3,8 (u.ä. 2 Kor 4,6) wie eine innere Erleuchtung. Die Verschiedenheit der Darstellung spricht 41 ) Apg 16,37-39; 22,27-29 u.ö., besonders aber Apg 25,10 f.: Die Berufung an den Kaiser war nur dem Römischen Bürger gestattet - und ohne diese Berufung wird unerklärlich, warum PAULUS als Untersuchungshäftling nach Rom gebracht wurde. Die Gegenargumente von LIMBECK, Mit PAULUS Christ sein,37- 39, sind in diesem Punkt nicht stichhältig, zumal er die Möglichkeit der Schenkung des Bürgerrechts überhaupt nicht berücksichtigt. Gerade eine solche aber lag für die bessergestellten Einwohner von Tarsus vor, weil ihnen von ANTONIUS und KLEOPATRA anlässlich ihrer vor Tarsus in einem Schiff stattfindenden Hochzeit das Bürgerrecht durch Schenkung verliehen worden war. Eher ist LIMBECK zuzustimmen, dass PAULUS kaum Bürger von Tarsus im hellenistischen Sinn war (ebenda, 34-37). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 139 natürlich nicht gegen die Echtheit seines Erlebens, sondern dafür, dass tiefgreifende Erfahrungen schwer in Worte zu kleiden sind. Im Gegenteil: ohne eine solche CHRISTUSbegegnung wäre die totale Wandlung des PAULUS kaum erklärbar. Laut Gal 1,18 und 2,1 hat dieses Erlebnis 17 Jahre vor dem Apostelkonzil stattgefunden, also etwa um 32 n.Chr. Nach seiner Bekehrung war PAULUS (nach 2 Kor 11,32, aber entgegen der Apg) offenbar zwei Mal in Damaskus und missionierte zwischen diesen beiden Aufenthalten in Arabien, dann in seiner Heimat Kilikien, von wo ihn BARNABAS nach Antiochia holte, das sich bald zu dem zunächst bedeutendsten heidenchristlichen Zentrum entwickelte. Etwa zwischen 45 und 58 n.Chr. unternimmt PAULUS drei Missionsreisen (über die Schwierigkeit der Abgrenzung der dritten von der zweiten Reise wurde bereits gesprochen, s.o., 4.2.8), durch die er - mit offizieller Erlaubnis durch das Apostelkonzil - zu "dem" Heidenapostel wird und das Christentum nach Europa bringt. Nach seiner Rückkehr nach Jerusalem kommt es zur Auseinandersetzung mit gesetzestreuen Juden, zur Schutzhaft in Caesarea und zu seiner Überstellung nach Rom. Ab nun aber haben wir keine sicheren Nachrichten mehr - außer dass er in Rom des Märtyrertod erlitt. Es gibt zwei Möglichkeiten, was in der Zwischenzeit zwischen seiner Überstellung nach Rom und seiner Hinrichtung geschehen sein könnte: Die weniger wahrscheinliche Möglichkeit ist, dass PAULUS, der zunächst nur in leichter Haft gehalten wurde (Apg 28,30 f.), aus irgendwelchen uns nicht bekannten Gründen doch zum Tode verurteilt wurde. Die wahrscheinlichere Möglichkeit ist, dass PAULUS nach dieser leichten Haft nochmals freikam. Wir wissen nicht, ob er in dieser Zeit noch, wie geplant, nach Spanien reiste (Röm 15,24) oder in den Osten zurückkehrte (Pastoralbriefe: Auch wenn diese sicher deuteropaulinisch sind, s.u., könnte sich in ihnen die Erinnerung an eine Rückkehr des PAULUS aus Rom in den Osten erhalten haben). Nach 64 n.Chr. (Brand Roms, erste Christenverfolgung durch die Römer) müsste er dann wieder in Rom gewesen sein und zwischen 64 (Brand Roms) und 68 (Selbstmord NEROS) das Martyrium erlitten haben. Jedenfalls wäre nach dieser Version eher ein Grund für seine Hinrichtung vorhanden als nach der erstgenannten Möglichkeit. 5.2 Die Briefe des PAULUS (Allgemeines) 5.2.1 Zur Frage der Echtheit In der gesamten Antike ist mit vielen pseudonymen Werken 42 ("Pseudepigraphien") zu rechnen , und zwar aus mehreren Gründen: Durch die Gleichsetzung von Name und Wesen hatte man eine scheue Abneigung vor anonymen Werken. Bei uns spiegelt sich diese Gleichsetzung nur mehr bei Ehenamen oder Ordensnamen oder in Märchen (Rumpelstilzchen) wider. In der Schrift zeigt es sich durch Umbenennung von Menschen, die eine neue Funktion 42 Vgl.dazu BROX N., Falsche Verfasserangaben. Zur Erklärung der frühchristlichen Pseudepigraphie, KBW/Stuttgart 1975. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 140 erhalten (ABRAM-ABRAHAM, Gen 17, 5; JAKOB-ISRAEL, Gen 32,29; SIMON PETRUS, Mt 16,17f.). Der Begriff "geistiges Eigentum" wurde anders verstanden als bei uns: der Schüler schrieb im Namen seines Lehrers (im AT etwa das Buch JESAJA, im NT die Ergänzungen im Joh-Ev und eben die Deutero-Paulinen). Dies war sowohl ein Kompliment an diesen Lehrer als auch eine Möglichkeit für einen unbekannten Autor, sich unter einem bekannten Namen Gehör zu verschaffen. Unter dem Namen des PAULUS sind 13 Briefe überliefert (der Hebräerbrief wurde ihm auch von der Tradition nie zugesprochen), von denen aber sechs schwerlich von ihm sein können, denn: Erstens zeigen sie, wie noch im einzelnen nachzuweisen ist, starke Abweichungen vom sehr stringenten theologischen Konzept des PAULUS (etwa die fehlende Naherwartung in 2 Thess und die kosmische Christologie in Kol und Eph: gerade beim Kol und Eph wird deutlich, dass ein anderes theologisches Denkmodell keineswegs "minderwertiger" als das des PAULUS sein muss), zweitens spiegeln sie eine spätere Gemeindesituation (1/2 Tim und Tit: etwa eine beginnende Trennung von Klerus und Laien, die Entwicklung eines dreistufigen Amtes, das Zurückdrängen der Frau, die Auseinandersetzung mit anderen Gegnern: mit Gnostikern statt mit Judaisten). Nur bedingt anwendbar sind zwei weitere Argumente: - - Wenn eine Situation vorausgesetzt wird, die zum Leben des PAULUS nicht passt denn da wir vom Leben des PAULUS primär aus seinen Briefen wissen, wäre dies allein kein Argument gegen die Echtheit (dies gilt für 1/2 Tim und Tit: diese "Pastoralbriefe" setzen voraus, dass PAULUS nochmals in den Osten zurückkehrte); wenn sich starke Abweichungen in Stil und Wortwahl zeigen - da wir nur wissen, dass PAULUS seine Briefe diktierte, aber nicht, ob es sie wortwörtlich oder bloß ein Stichwortkonzept diktierte, könnten sprachliche Unterschiede auch auf den jeweiligen Sekretär zurückzuführen sein (so wäre der verschiedene Stil allein kein zureichender Grund, Kol und Eph dem PAULUS abzusprechen - dieser Grund kommt nur zu dem unterschiedlichen theologischen Konzept hinzu). 5.2.2 Übersicht über die dem PAULUS zugeschriebenen Briefe Paulinisch sind die zwischen 50 und 60 entstandenen sieben Briefe (Merkwort nicht chronologisch: RO-KO-KO-THESS-GAL-PHIPHI), wahrscheinlichste Chronologie: 1 Thess, Gal, 1 Kor, Phil, Phlm, 2 Kor, Röm Als deuteropaulinisch, d.h. dem PAULUS nur zugeschrieben, gelten die dann sicher erst nach seinem Tod entstandenen Briefe (Merkwort chronologisch: THESS-KOLEPH-TIM-TIM-TI): 2 Thess, Kol, Eph, 1 Tim, 2 Tim, Tit 5.2.3 Briefe als eigene literarische Gattung Die Briefe des PAULUS sind echte Briefe - im Gegensatz zu der in der Antike beliebten Form des Kunstbriefes (wie sie z.B. ein berühmter Zeitgenosse des PAULUS, nämlich SENECA, für seine Epistulae morales wählte) - sie sind daher Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 141 Gelegenheitsschriften, die in eine bestimmte Situation hineinsprechen. Hierin stellt nur der Römerbrief eine gewisse Ausnahme dar, weil PAULUS hier an eine ihm noch fremde Gemeinde schreibt, also nicht auf deren Probleme eingehen kann, sondern sich selbst dieser Gemeinde vorstellen will. Mit Ausnahme von Phlm sind alle echten PAULUSbriefe Gemeindebriefe, bei manchen ist umstritten, ob sie nicht aus mehreren Briefen zusammengesetzt wurden (vor allem bei 2 Kor). Formal hält er sich an die in der Antike übliche Briefform: Praescriptum (Vorwort) mit Selbstvorstellung, Hauptteil, meist beginnend mit einem Gebet und/oder mit einer captatio benevolentiae (Gewinnen des Wohlwollens der Leser), Postscriptum (Nachwort) mit eigenhändig geschriebenem Gruß als Echtheitskriterium. Inhaltlich bevorzugt PAULUS das auch sonst in der Bibel vorkommende IndikativImperativ-Schema, d.h. er legt in einem lehrhaften ("dogmatischen") Teil dar, was GOTT für uns getan hat, und schließt daran einen ermahnenden ("ethischen", "paränetischen") Teil, wie wir Menschen auf GOTTES Gnadenhandeln antworten sollten. 5.3 Übersicht über die echten PAULUS-Briefe 1 Thess (um 50, aus Korinth) In der Gemeinde von Thessalonike gab es Probleme mit der urchristlichen Naherwartung, da offenbar einige Gemeindemitglieder gestorben waren - vor der Wiederkunft CHRISTI. PAULUS dankt zunächst dafür, dass die Thessaloniker vom Götzendienst zum Christentum bekehrt worden sind (1 Thess 1-3) und begründet die christliche Hoffnung in GOTTES Treue: für den GOTT, der sie zum Glauben führte, ist es gleichgültig, ob sie bei der Wiederkunft CHRISTI noch leben oder schon gestorben sind ( 1 Thess 4) - Lebende und Tote werden dann "immer beim Herrn sein" (4,17). Daher sollen alle für den Tag des HERRN bereit sein (1 Thess 5). Gal (zwischen 53 und 55, aus Ephesus) Galatien ist eine Landschaft im westlichen Mittelkleinasien, die Mitte des 2.Jts.v.Chr. von Kelten (Goten ,"Galatern") besiedelt worden war. Der Galaterbrief behandelt dieselbe Thematik wie der Römerbrief, nämlich die "Rechtfertigung" (d.h. die Erlösung) durch Glauben, doch - im Gegensatz zum Römerbrief - nicht grundsätzlich, sondern aus aktuellem Anlass: In die heidenchristliche Gemeinde waren Judaisten eingedrungen, d.h. Judenchristen, die auch von Heidenchristen die Beschneidung und volle Gesetzeseinhaltung verlangten. Im belehrenden Teil (Gal 1-4) weist PAULUS zunächst seine Autorität als Apostel nach, wodurch wir einiges aus seinem Leben, auch seine Berufung, erfahren, und betont dann die Beschlüsse des Apostelkonzils, ohne die Klauseln zu erwähnen (1-2). Hierauf weist er nach, dass der Mensch nicht durch Gesetzesgehorsam - zu dem er nie voll und ganz fähig ist - erlöst werden kann, sondern dass er sich die Erlösung durch GOTT Selbst in CHRISTUS schenken lassen muss (3-4). Daraus zieht er die ethischen Konsequenzen (Gal 5-6): Der Christ ist frei vom mosaischen Gesetz und dadurch frei für das "Gesetz" CHRISTI, die "Früchte des GEISTES" (5,22) hervorzubringen. An dieser Stelle bringt PAULUS erstmals einen Laster- (5, 19-21) und einen Tugendkatalog (5,22-26), wie wir sie auch in anderen paulinischen (1 Kor 6,9 f.; Röm 1.29-31) und deuteropaulinischen Briefen finden: sie sind nichts typisch Christliches, sondern sind aus der heidnischen Popularphilosophie (vor allem von Stoikern und Kynikern) in das Judentum und Christentum übernommen worden. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 142 1 Kor (um 55 n., aus Ephesus) Korinth war die Hauptstadt der römischen Provinz Achaia und als Hafen ein bedeutendes Handels- und Wirtschaftszentrum mit allen Vorteilen (Liberalität) und Nachteilen (Bevölkerungsgemisch, soziale und ethische Probleme), was sich auch in der von PAULUS um 50 gegründeten christlichen Gemeinde widerspiegelt. Die sehr heterogene Gemeinde litt unter Parteiungen und unter dem Einfluss von "Enthusiasten". So weit diese Gruppe für uns greifbar wird, muss es sich dabei um gnostisch beeinflusste Schwärmer gehandelt haben, die die Auferstehung ausschließlich in das irdische Leben verlegten (1 Kor 15,12 ff.) und als durch diese Gnosis (Erkenntnis) vermeintlich bereits völlig Auferstandene sich an keine sittlichreligiösen Gebote hielten (1 Kor 6,12; 10,23). Der Aufbau des Briefes ist locker - PAULUS antwortet auf konkrete Probleme und Anfragen der Gemeinde -, doch baut er am Anfang (1 Kor 1: Theologie des Kreuzes) und am Ende (1 Kor 15: Theologie der Auferstehung) grundsätzliche theologische Reflexionen ein: Gegen die Parteiungen in der Gemeinde ( 1 Kor 1-4) betont PAULUS besonders die "Torheit des Kreuzes" (1 Kor 1,23): GOTT wirkt das Heil, wie Er will, und nicht wie es die "Weisheit" der Menschen, die heidnische Philosophie und der jüdische Gesetzesgehorsam, erwarteten. Sicher schimmert hier auch etwas von PAULUS' eigener Lebensgeschichte durch: trotz seiner jüdischen und hellenistischen Bildung an einen gekreuzigten MESSIAS zu glauben. Nun folgen Stellungnahmen zu Einzelproblemen: Zu einem Fall von Blutschande (5,1-12).Interessant ist, dass PAULUS hier den ersten Beleg für eine Exkommunikation liefert (5,4), noch interessanter aber die Begründung: der Ausgeschlossene soll "dem Satan übergeben" werden "zum Verderben seines Fleisches, damit sein Geist am Tag des Herrn gerettet wird" (5,5). Wenn man berücksichtigt, dass der Jude PAULUS nicht griechisch-dualistisch dachte, also der Gegensatz Fleisch / Geist nicht Körper / Seele, sondern weltverfallene / christliche Existenz meint und unter SATAN die negative, d.h. für Sünde, Leid und Tod zuständige Macht der Welt verstanden wurde, kann man den schwer verständlichen Gedanken so interpretieren: der Sünder soll aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, wodurch er am Unheilszusammenhang der Welt zugrundegeht; aber gerade dieses irdische Scheitern soll zu seiner endgültigen Rettung führen. Wie PAULUS sich das genauer vorstellt, führt er nicht aus. Doch ist wichtig, dass Exkommunikation keine Verdammung des Exkommunizierten ist - ein Urteil, das Menschen überhaupt nicht zustände. Zur Ablehnung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Christen: Dies erinnert an die Bergpredigt, die Gerichte u.ä. ja auch nicht für alle Menschen abschaffen will, wohl aber für alle Christen - heute müsste man vielleicht präzisieren: für alle Christen, die auch als solche leben wollen. Zur Warnung vor einem (enthusiastischen) Missverstehen christlicher Freiheit als Bindungs- und Verantwortungslosigkeit. Hierauf geht er auf Fragen der Ehe und Ehelosigkeit ein (1 Kor 7): Man hat von diesem Kapitel her PAULUS immer wieder Ehe- und Frauenfeindlichkeit vorgeworfen kaum zu recht. Denn zunächst muss man bemerken, dass er alles, was er sagt, für Mann und Frau sagt - für die damalige Zeit ziemlich ungewöhnlich. Die Ehe primär Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 143 als "remedium concupiscentiae" (als Heilmittel gegen die Begierde, 7,2-6.9) scheint uns unzureichend, ist für die damalige Zeit aber realistisch. Man sollte nicht unsere Vorstellungen einfach zurückprojizieren - vergessen wird nicht: damals handelten meist die Eltern den Ehevertrag aus, die Brautleute lernten einander vielfach erst bei der Hochzeit kennen, die Frau, die wesentlich ungebildeter war als der Mann, war kaum eine echte Partnerin, sondern seine Dienerin - sie war ja auch den einheimischen Sklaven gleichgestellt - und die Mutter seiner Kinder. Die Bevorzugung der Ehelosigkeit vor der Ehe (7,25-38) ist überhaupt nur von der paulinischen Naherwartung her begründet ("wegen der bevorstehenden Not",7,26), keineswegs aber eine generelle Wertung oder gar Forderung ("Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn", 7,25). Dann behandelt PAULUS ein Problem, das inhaltlich zwar nur mehr von historischem Interesse ist, aber formal zeigt, wie in der Gemeinde miteinander umgegangen werden sollte ( 1 Kor 8 und 10), die Frage des Götzenopferfleisches (vgl. o., 4.4.6): die "Starken", die bereits im Glauben so gefestigt sind, dass der Genuss des billigen Opferfleisches sie nicht zu einem Rückfall ins Heidentum verführen würde, sollen dennoch auf die "Schwachen" Rücksicht nehmen, um diese nicht in Versuchung zu führen - eine Haltung, die man bei heute aktuellen Problemen jeder Pfarrgemeinde wünschen könnte ! In den Kapiteln 11 und 14 gibt PAULUS einen Einblick in die damalige GOTTESdienstordnung. Einiges davon ist nur mehr von historischem Interesse, etwa die Rolle der Frau - zumal diese Forderungen einander z.T. widersprechen: 11,5 fordert von der Frau, beim Gebet und bei der prophetischen Rede "ihr Haupt zu verhüllen", d.h. entsprechend der damaligen Sitte einen Schleier zu tragen. 14, 34 sollen die Frauen schweigen, "wie auch das Gesetz es fordert". Die meisten Exegeten halten 14,34 für einen späteren Einschub, und zwar aus mehreren Gründen: Da diese Wendung 1 Tim 2,11 f. auffallend ähnle und zudem in verschiedenen Handschriften an verschiedenen Stellen überliefert sei, ist dieser Vers wohl eine in den Text gerutschte Glosse (d.h. eine Randbemerkung, die jemand - in Anlehnung an 1 Tim 2,11 f. - an den Rand des Textes geschrieben habe, sei irrtümlich in den Text aufgenommen worden). Dafür spreche auch, dass die Begründung mit der "Forderung des Gesetzes" völlig unpaulinisch sei, ferner die Tatsache, dass PAULUS auffallend viele weibliche Mitarbeiter gehabt habe, wie die Grußlisten der Briefe beweisen. Ebenfalls nur historisch interessant sind die Probleme, die sich aus der ursprünglichen Einheit von Eucharistiefeier und Agape ergaben (11,17-23). Zeitlos gültig aber ist das älteste Zeugnis für die Abendmahlsworte CHRISTI, die PAULUS uns hier überliefert (11,23-25). Dazu gehört auch die Forderung, "zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist" (11,29) - dies ist mehr, als bloß nicht im "Zustand der schweren Sünde" zu sein; heißt es doch, wir sollen uns bewusst machen, dass wir mit dem Empfang des HERRENleibes in Gemeinschaft mit Ihm treten Eucharistieempfang heißt Eintritt in die Nachfolge CHRISTI. Dann (1 Kor 12) geht PAULUS auf die Charismen ein und erläutert sie durch das schöne Bild der Kirche als Leib CHRISTI. PAULUS lässt dabei jedes natürliche Talent des Menschen, das dieser in den Dienst des GEISTES und damit in den Dienst der Gemeinde stellt, als Charisma gelten und vermeidet so die später einsetzende Verengung auf Amtsgnade einerseits, besondere religiöse Begnadungen andererseits Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 144 43. Dass die Gemeinde jedes ihr zur Verfügung gestellte Talent braucht - und nicht bloß für außerordentlich gehaltene Fähigkeiten (aus dem Kontext geht hervor, dass PAULUS vor allem die Überschätzung der Glossolalie durch die enthusiastischen Korinther ablehnte, 14,1-25) -, konkretisiert PAULUS an dem bekannten Bild der Kirche als Leib CHRISTI. Das Bild geht auf den römischen Patrizier MENENIUS AGRIPPA zurück, der den Streik der Plebejer gegen die Patrizier damit beseitigen konnte (LIVIUS, A.u.c.,II 32,8 ff.). Mit diesem Bild wird die Aufgabe der Kirche formuliert: die neue Verleiblichung des Auferstandenen zu sein, durch die - wie vorher durch den irdischen JESUS - die Nähe GOTTES in der Welt erlebbar sein sollte. Daran schließt sich das Hohelied der Liebe (1 Kor 13): Liebe ist kein Charisma neben anderen, da sie kein Sondertalent ist, sondern das Grundcharakteristikum jedes Christen. So fundiert sie alle Charismen, übersteigt aber auch Glaube und Hoffnung, da sie allein auch in der Vollendung, "im Himmel", bestehen bleibt. 1 Kor 15 gehört zum theologischen Rahmen des Briefes und wurde schon als wichtigstes Auferstehungszeugnis eingehender besprochen (vgl. o., 3.2.2): Nach der Bezeugung der Tatsache der Auferstehung wird ihre universelle Bedeutung (CHRISTUS als "der Erste der Entschlafenen", 15,20) und die GEISTgewirktheit des Auferstehungsleibes (15,42 ff.) dargelegt. Der Briefschluss (1 Kor 16) bringt Persönliches - das Anliegen der Kollekte für Jerusalem, Reisepläne, Grüße - und die offenbar bereits liturgisch gewordene Formel "maranatha" (vgl. Offb 22,20), eher als Bitte ("Unser HERR, komm") als Feststellung ("Unser HERR ist gekommen") zu übersetzen. Phil (um 55, Gefangenschaftsbrief, wohl aus Ephesus) Die Spätdatierung, dass der Phil ein Brief aus der römischen Gefangenschaft sei, wird heute kaum mehr vertreten - PAULUS war ja oft genug im Gefängnis (vgl. 2 Kor 11,23), um auch vor Rom Gefangenschaftsbriefe schreiben zu können. Philippi war die Bezirkshauptstadt von Makedonien, die erste Gemeinde auf europäischem Boden und die Lieblingsgemeinde des PAULUS. Gerade diese lebendige Beziehung spiegelt sich in dem Brief wider, was gegen eine Spätdatierung spricht. Die Gliederung ist nicht ganz klar, was aber nicht unbedingt dafür spricht, dass der Brief aus mehreren zusammengesetzt sei ("Teilungshypothese") Briefe sind Gelegenheitsschriften und keine systematischen Werke. Auch die von PAULUS bekämpften Gegner sind nicht so klar zu fassen wie etwa die in Gal oder 1 Kor, denn einmal gleichen sie Judaisten, einmal Enthusiasten: entweder es gab tatsächlich zwei Gruppen von Gegnern, oder es handelte sich sozusagen um eine "Mischgruppe" von judenchristlichen Gnostikern mit libertinistischer Ethik. Im ersten Teil (1-2) mahnt PAULUS zur Eintracht und stellt CHRISTUS als Vorbild hin (Phil 2,5): Dazu greift er einen offenbar bekannten (Taufe?)Hymnus auf, den berühmten Philipper- Hymnus (Phil 2, 6-11). Trotz seiner frühen Entstehungszeit weist der Hymnus schon eine theologisch entwickelte Christologie auf: die Verbindung von Deszendenz- und Aszendenzchristologie oder, wie man heute sagt, die Verbindung einer Christologie von oben und von unten - der präexistente GOTTSOHN erniedrigt sich zu einer menschlichen Existenz inklusive einem menschlichen Tod und wird gerade deshalb vom VATER wieder in die göttliche Seinsweise erhöht. Im zweiten Teil (3-4) mahnt PAULUS - gemäß seinem eigenen Vorbild - zu christlicher Grundhaltung. 43 Vgl. KREMER J., "Eifert aber um die größeren Charismen", in: ThPQ 1980,321-335. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 145 Phlm (auch um 55, auch Gefangenschaftsbrief, wohl aus Ephesus) Dieser Brief ist der einzige uns erhaltene Privatbrief des PAULUS: er ist ein Empfehlungsschreiben für den entlaufenen Sklaven ONESIMUS an seinen Herrn PHILEMON aus Kolossae. Der Brief zeigt eine sehr menschliche Seite des Apostels - seinen persönlichen Einsatz für einen Sklaven - und, wie er das Sklavenproblem gelöst wissen wollte: für den Umgang von Christen untereinander sollte es gleichgültig sein, ob ein Freier oder Sklave ist. Die Kritik, dass PAULUS keine grundsätzliche Stellung gegen die Sklaverei beziehe, ist unhistorisch gedacht. In einer statischen Gesellschaftsordnung, wie sie in der Antike und im Mittelalter herrschte, waren den Menschen grundsätzliche soziale Änderungsmöglichkeiten kaum bewusst, zumal die Christen eine damals winzig kleine Gruppe ohne realen gesellschaftlichen Einfluss waren. Zudem lebte PAULUS, ebenso wie seine Zeitgenossen, in einer radikalen Naherwartung, die jede Änderung der bestehenden Sozialordnung als überflüssig erscheinen lassen musste - was auch in 1 Kor 7 mehrfach anklingt. 2 Kor (nach 55, aus Makedonien) Der Brief ist inhaltlich eine Einheit - die persönliche Verteidigung gegen Gegner (Judaisten ? Enthusiasten? eher: judenchristliche Gnostiker) wird zu einer tiefsinnigen Reflexion über das Apostelamt ausgeweitet -, doch formal uneinheitlich. Als mögliche Reihung wurde vorgeschlagen: Apologie des Apostelamtes (2-7), Tränenbrief (10-13), Versöhungsbrief (1), Kollektenbrief (8-9). Doch gilt hier dasselbe wie für Phil: solche Teilungshypothesen bleiben Hypothesen - Briefe sind nun einmal Gelegenheitsschriften, eine unklare Gliederung allein ist noch kein sicherer Beweis für ihre Zusammengesetztheit; auch nicht, dass PAULUS den Korinthern gegenüber einmal milde ("Versöhnungsbrief"), einmal scharfe ("Tränenbrief") Töne anschlägt - menschliche Beziehungen sind nicht immer glatt und einheitlich, zumal gegenüber einer so heterogenen Gemeinde. Sieht man von der Thematisierung der Kollekte ab (2 Kor 8-9), so kreisen die Gedanken des Briefes um die paradoxe Herrlichkeit des Apostelamtes, und zwar zunächst grundsätzlich (2 Kor 1-7: der Apostel ist Diener der göttlichen Offenbarung: 2,14; er ist Diener des Neuen Bundes - in Gegenüberstellung von Gesetz/Evangelium: 3,3-6; GOTT offenbart Seine Herrlichkeit gerade im Leiden und Sterben Seiner Diener: 4,7-11, daher wird PAULUS gerade durch seine Leiden als Apostel bestätigt: 6,3-10), dann stärker persönlich (2 Kor 10-13: in diesem Teil findet sich die sogenannten "Narrenrede", 11,1-12-13: PAULUS persifliert jene in der Gemeinde auftretenden Narren, die sich selbst rühmen, "Überapostel" zu sein (11,5 f.), dadurch, dass auch er sich rühmt - doch rühmt er sich nicht seiner Vorzüge, sondern seiner Leiden für CHRISTUS - wodurch wir einiges aus seinem Leben erfahren: er erlitt fünf Mal die jüdische, drei Mal die römische Prügelstrafe, war mehrmals in Gefängnissen, wurde ein Mal gesteinigt, erlitt drei Mal Schiffbruch, ertrug viele Strapazen, war oft auf der Flucht - hier unter ausdrücklicher Erwähnung seiner Flucht aus Damaskus in einem Korb: 11,23-33). Röm (nach 55, aus Korinth) Der Römerbrief ist der einzige echte PAULUSbrief an eine nicht von ihm gegründete Gemeinde; er dient vielmehr der Selbstvorstellung gegenüber einer Gemeinde, die er zu besuchen gedenkt. Da er die Gemeinde noch nicht kennt, kann er auch auf keine Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 146 konkreten Probleme dieser Gemeinde eingehen, sondern seine eigenen theologischen Anliegen systematisch darlegen: Röm ist daher nur formal ein Brief, inhaltlich ein theologischer Traktat über die Rechtfertigung, sozusagen die "theologische Visitenkarte" des PAULUS. Die Gliederung ist klar: auf einen längeren dogmatischen Teil (1- 11) folgt ein kürzerer ethischer (12-15). Unklar ist nur das Kapitel 16, das eine auffallend lange Grußliste enthält, obwohl PAULUS die Gemeinde nicht kannte. Man versuchte dafür folgende Erklärung: Die Grußliste stamme aus einem - verlorengegangenen Epheserbrief, der von PHOEBE auf ihrer Romreise zuvor in Ephesus abgegeben worden war. Dort habe man den Römerbrief kopiert und irrtümlich die Grußliste des Epheserbriefes dazukopiert: eine mögliche, doch nicht beweisbare Erklärung. Röm 1 - 11: der dogmatische (lehrhafte) Teil Röm 1,1-17: Einleitung: Der Brief beginnt mit einer feierlichen Selbstvorstellung (1,1-4) als "Knecht CHRISTI JESU" (dieser Titel knüpft an den atl. Titel ebed JAHWE, GOTTESknecht, an. Die bei PAULUS öfter nachweisbare Stellung CHRISTUS JESUS statt JESUS CHRISTUS zeigt, dass der CHRISTUStitel früh zum Eigennamen geworden war) und als Apostel, der das Evangelium von GOTTES SOHN verkündet. Die Gegenüberstellung "dem Fleisch nach / dem Geiste nach" (1, 3 f.) meint keine Trennung von Körper / Seele, sondern die irdische und die endgültige Existenzweise; "eingesetzt als SOHN GOTTES" erinnert an die ältere Erhöhungschristologie, der Zusatz "in Macht" wehrt eine adoptianistische Deutung ab. Hierauf folgt die Nennung der Adressaten und der Friedensgruß an sie (1,5-7). Nach einem Dankgebet für die Bekehrung der Römer nennt PAULUS erstmals und sehr prägnant das Thema das Briefes (1,8-17): "Der aus dem Glauben Gerechte wird leben" (1,17) - also die Rechtfertigung aus dem Glauben. In Wahrheit ist dieses Zitat aus Hab 2,4 ist zweideutig: "Der aus Glauben Gerechte wird leben", d.h. der, der durch seinen Glauben die von GOTT geschenkte Gerechtigkeit annimmt, hat das (ewige) Leben / "Der Gerechte wird aus dem Glauben leben", d.h. es gehört zum Wesen des Gerechten, entsprechend seiner Glaubensverpflichtung zu leben. - Wie die Argumentation des Briefes zeigt, entscheidet sich PAULUS für die erste Deutung, bezieht aber die zweite insofern mit ein, als der durch den Glauben gerecht Gemachte einen entsprechenden Lebenswandel führt. - Dieser Vers soll zum "Turmerlebnis" LUTHERS und damit zu seiner Gnadenauffassung geführt haben, worauf in der Besprechung der Wirkungsgeschichte dieses Briefes noch eingegangen wird. Röm 1,18-8,39: Hauptteil: Rechtfertigung aus dem Glauben: Ohne Evangelium ist der Mensch dem Zorn GOTTES verfallen (Röm 1,18-3,20): Die Heiden hätten GOTT durch ihre Vernunft erkennen können und anerkennen sollen ("danken"), haben es aber nicht getan (1,18- 21): Ihre Strafe ist nicht äußerlich, sondern Konsequenz ihres Fehlverhaltens - ihre verkehrte Religion ist Ausdruck ihrer falschen Erkenntnis (1,22 f.), ihre verkehrte Moral (Lasterkatalog) ist Ausdruck ihrer falschen Haltung (1,24-32). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 147 Die Juden verurteilen die Heiden aber nur unter dem Anschein der Gerechtigkeit (2,1-5), GOTT misst Juden und Heiden mit demselben Maß, dem Gesetz (2,6-11): Denn den Heiden ist das Gesetz "ins Herz geschrieben"(Gewissen!) und sie halten es nicht (2,12-16), die Juden rühmen sich des Gesetzesbesitzes, aber halten es auch nicht; denn es nützt die Beschneidung allein nichts - sie ist Bundeszeichen, aber nicht Bundesersatz (2,17-29). Trotz der Untreue Israels ist GOTTES Treue stärker (Diese aus dem AT - Propheten, Dtn - bekannte Gegenüberstellung von GOTTES Treue / Untreue Israels setzt PAULUS in Röm 9-11 fort): GOTTES Treue und nicht die menschliche Gesetzeseinhaltung retten (3,1-20) - "durch das Gesetz kommt es vielmehr zur Erkenntnis der Sünde" (3,20). Allerdings wurde dem Gesetz ursprünglich keine Selbsterlösungsfunktion zugeschrieben - ursprünglich war es die Wegweisung, die dem GOTTESvolk ein geglücktes Leben ermöglichen sollte. Dies änderte sich nach dem Exil: mit wachsender politischer Enttäuschung meinten die sich bildenden Gruppen, besonders die Pharisäer (PAULUS!) und Essener, sich durch peinlich genaue Gesetzeseinhaltung die Erlösung "verdienen" zu können. Die Gnade GOTTES wird uns durch den Glauben an JESUS CHRISTUS zuteil (Röm 3,21-7,25): Alle (gemeint sind die in Röm 1-2 genannten Heiden und Juden) sind Sünder, alle werden durch den Glauben an JESUS CHRISTUS gerechtfertigt, da Er stellvertretend für alle Sühne geleistet hat (3, 21-25). Der Sühnegedanke knüpft an atl. Vorstellungen an: am Versöhnungstag wurde das Blut eines Jungstieres und eines Widders zur Entsühnung auf die Deckplatte der Bundeslade gespritzt (Lev 16,14). Doch wurde schon im AT diese rein kultische Entsühnung weiterentwickelt besonders im 4.GOTTESknechtlied (Jes 53: zur Theologie des Sühnegedankens vgl. o., 3.1.5) - so zeigt GOTT, "dass Er gerecht ist und den gerecht macht, der an JESUS glaubt" (3,26). Weil Rechtfertigung immer ein Gnadengeschenk GOTTES ist, ist sie erstens durch Werke des Gesetzes nicht verdienbar und kommt zweitens allen, Juden und Heiden, zu (3,27-31). Dies veranschaulicht PAULUS am Beispiel ABRAHAMS (Röm 4), indem er aus diesem jüdischen Vorbild der Gesetzestreue ein Vorbild des Glaubens macht: er "beweist" dies dadurch, dass ABRAHAMS Glaube vor seiner Beschneidung angerechnet wurde, seine Rechtfertigung also durch den Glauben und nicht durch die Beschneidung erfolgte (4,1-22). Dadurch sei ABRAHAM nicht nur der biologische Stammvater der Juden, sondern der geistige Stammvater aller Gläubigen, der Juden und Heiden (4,23-25). Diese Glaubensgerechtigkeit aber führt zum Heil (Röm 5,1-21): Da wir durch den Glauben Frieden (im Sinne von schalom) mit GOTT haben, ist unsere Hoffnung auf GOTTES Herrlichkeit eine begründete Hoffnung; denn wir sind schon jetzt durch den GOTTESGEIST in GOTTES Liebe hineingenommen - was sich auch daran zeigt, dass CHRISTUS für uns starb, als wir noch Sünder waren; umso berechtigter dürfen wir als schon Gerechtfertigte hoffen - christliche Hoffnung ist also kein bloßes Wunschdenken (5,1-11). - Es folgt eine Parallelisierung der Unheilstat ADAMS / der Heilstat CHRISTI (5,12-21), die im Mittelteil (5,15-17) rhetorisch geschickt unterbrochen wird, um die Übermacht der Gnade über die Sünde zu verdeutlichen. Hier (5,12) ist einer der wenigen biblischen Belege für den Gedanken einer "Erbsünde" - wobei PAULUS, wie oft kritischer als spätere Theologen, den Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 148 Unheilszusammenhang der Welt eben nicht in Vererbung begründet, sondern "weil alle sündigten". Durch die Taufe wird der Glaubende in eine besondere Gemeinschaft mit CHRISTUS hineingenommen, durch die er zugleich an Tod und Auferstehung CHRISTI teilhat: der Christ soll gemäß dieser neuen Seinsweise handeln (Indikativ-Imperativ-Schema, 6,1-14).- Durch die Taufe ist der Christ frei von Sünde, aber auch frei vom Gesetz: dies meint nicht Gesetzlosigkeit, sondern Übergang von der Herrschaft der Sünde in die Herrschaft der Gnade, die wahre Freiheit ist (6,15-7,6). - Denn das Gesetz als solches ist zwar heilig, wird aber vom "fleischlichen" Menschen ins Gegenteil verkehrt (dies ist nicht auf den sexuellen Bereich zu verengen: "Fleisch", basar, charakterisiert im hebräisch-aramäischen Denken den Menschen als hinfälliges und dem Irdischen verfallenes Wesen) - es wird Mittel zur Sünde, weil es den Menschen in einen Zwiespalt von Wollen und Vollbringen führt, dem er aus eigener Kraft nicht entrinnen kann, sondern nur mit der Hilfe CHRISTI (7,7-25). Die Reformatoren deuteten diesen Gegensatz von fleischlicher und geistiger Existenzweise als Zwiespalt innerhalb des Christen - im Sinne ihres Rechtfertigungsverständnisses (simul iustus et peccator zugleich Gerechtfertigter und Sünder, Ablehnung der geschaffenen Gnade, s.u. ); eher aber ist der Gegensatz zwischen vorchristlicher und christlicher Existenzweise gemeint (vgl. die Vergangenheitszeit in Röm 7,5, ferner die in Röm 6 geschilderten Wirkungen der Taufe). Die GEISTgewirkte Existenz des Glaubenden (Röm 8): Dieses Kapitel stellt die Zusammenfassung und den Höhepunkt der theologischen Überlegungen des Römerbriefes dar. Wer "in CHRISTUS" oder "im GEISTE" ist, ist frei von Sünde und Tod (auch hier meint der Gegensatz Fleisch / Geist nicht Körper / Seele, sondern weltverfallene / auf GOTT ausgerichtete Existenzweise, was besonders 8,7-9 zeigt), weil CHRISTUS den Tod des Sünders starb und diesen Tod dadurch grundsätzlich zu etwas anderem machte (8,1-11): "Wenn der GEIST dessen in euch wohnt, der JESUS von den Toten auferweckt hat, dann wird Er, der CHRISTUS JESUS von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch Seinen GEIST, der in euch wohnt" (Röm 8,11).- Daher sollen wir gemäß dem GEIST leben, der uns zu Söhnen GOTTES macht; gerade unsere gegenwärtige Teilhabe am Leiden CHRISTI verbürgt uns die künftige Teilhabe an Seiner Herrlichkeit (8,12-17). Von hier eröffnet sich die Hoffnung auf das Heil der ganzen Schöpfung: Der Mensch steht in Schicksalsgemeinschaft mit der ganzen Schöpfung, seine Sünde wirkte sich auf diese aus (was wir heute wohl deutlicher sehen als PAULUS) - daher wird der Mensch nicht von der Schöpfung, sondern mit der Schöpfung erlöst (8,18-22). - Diese Vollendung steht im Spannungsverhältnis SCHON- NOCH NICHT, der uns schon verliehene GEIST bildet gleichsam die "Brücke" zur Vollendung (8,2326). - Der Weg zur Vollendung entspricht dem ewigen Heilsplan GOTTES, Ziel ist unsere Teilhabe "an Wesen und Gestalt des SOHNES", also unser Werden zu GOTTESkindern (8,27-30). Das Kapitel endet in einem Lobpreis der Glaubenszuversicht: für wen GOTT ist, wen CHRISTUS liebt, der hat letztlich nichts zu befürchten (8,31-39). Röm 9-11: Anhang an den Hauptteil: Die endgültige Rettung Israels: Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 149 PAULUS liebt auch als Christ sein Volk mit jeder Faser seines Herzens: Er würde für sich sogar auf die Gemeinschaft mit CHRISTUS verzichten, wenn er dadurch sein Volk retten könnte ! (9,1-3). Diese Bereitschaft zu stellvertretender Sühne beweist die große religiöse Reife des PAULUS. Wir finden ähnliche Gedanken auch in anderen Religionen - etwa wiederholen mahayana- buddhistische Mönche in ihrer täglichen Gelöbniserneuerung die Bereitschaft, nicht ohne die Erlösung aller Geschöpfe erlöst werden zu wollen. Es besteht weiterhin Hoffnung für die Rettung Israels, weil GOTT treu zu Seiner Erwählung steht. Diese Erwählung begründet keinen Anspruch aufgrund der biologischen Abstammung, sondern beruht ganz auf der freien Gnadenwahl GOTTES, nach deren Grund zu fragen dem Menschen nicht zusteht (9,6-29). - Israels (momentaner) Fall stammt aus seinem Unglauben, weil es Gesetzesgerechtigkeit an die Stelle von Glaubensgerechtigkeit setzte: diese Sünde ist die Ursünde des Menschen - die Selbstbehauptung gegen GOTT ("Wie GOTT sein wollen") und damit die Nichtanerkennung der GOTTheit GOTTES und der Geschöpflichkeit der Geschöpfe (9,30-10,4). Die Glaubensgerechtigkeit ist das "Evangelium", die Frohbotschaft, für alle - die Schuld Israels besteht darin, dass sie die Frohbotschaft ebenso hörten wie die Heiden, aber sie weniger annahmen, obwohl sie die besseren Voraussetzungen dafür gehabt hätten (10,5-21). Dennoch wird GOTT Seine Verheißung auch gegenüber Israel erfüllen (11,1-36): Schon jetzt wird, wie auch das Beispiel des PAULUS zeigt, ein Rest gerettet (11,110), der Fall des Großteils Israels aber ist ein Mittel für die Bekehrung der Heiden und letztlich für die Bekehrung Israels ! Denn GOTTES Verstockungsgericht ist nicht endgültig und hat einen positiven, einen pädagogischen Aspekt, weil es unmittelbar - der Bekehrung der Heiden dient und - mittelbar (Israels "Eifersucht" auf die Heiden) - auch der endgültigen Rettung Israels. Diese Abwandlung der atl. Verstockungstheorie (Jes 6,9 ff.) ist ein anderes - und sympathischeres Deutungsmodell des Verhältnisses von altem und neuem GOTTESvolk als es die Verwerfungstheorie des Lk (s.o., 4.4.9) ist. Diese Interpretation war sicher auch für PAULUS die Rechtfertigung seiner Tätigkeit als Heidenmissionar (11,13 f.). - Daher warnt PAULUS die Heiden vor Überheblichkeit gegenüber den Juden (11,17-24) und hofft auf die endgültige Rettung Israels, so dass durch GOTTES Erbarmen ein gemeinsames GOTTESvolk von Heiden und Juden entstehen wird (11,25-32). Auch diesen Teil beendet eine Schlussdoxologie (11,33-36). Röm 12 - 15: der ethische Teil: Die Gliederung des Briefes in einen lehrhaften und einen ethischen Teil ist nicht bloß ein formales Ordnungsprinzip, sondern entspricht dem theologischen Konzept des PAULUS: durch GOTTES Gnade sind wir erlöst, wir können dieses Geschenk nur im Glauben annehmen - ein echter Glaube bringt gute Früchte hervor. Aus dem Glauben ergeben sich Forderungen für ein christliches Gemeindeleben (Röm 12): Der Christ soll "sich" ganz in den Dienst GOTTES stellen - die Wendung "eure Leiber" ist ein Hebräismus und meint "eure ganze Person"; eine ähnliche Forderung erhebt AUGUSTINUS: "GOTT will nicht deine Gaben, GOTT will dich". Nur eine solche Ganzhingabe ("Opfer") entspricht dem im lehrhaften Teil entwickelten Glaubensver- Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 150 ständnis. Daher soll der Christ zwar in der Welt wirken, aber sich nicht von den "Moden" dieser Welt bestimmen lassen (12,1-2).- Darauf folgt das schon in 1 Kor 12 (s.d.) verwendete Bild der Gemeinde als Leib CHRISTI (12,3-8) und die auch in 1 Kor 13 (s.d.) alles fundierende Liebe (12,9-21). In seiner Aufforderung zum Gehorsam gegenüber der Staatsmacht bleibt PAULUS bei grundsätzlichen Überlegungen stehen - das geordnete Zusammenleben der Menschen und die dieses garantierende Staatsmacht entsprechen dem Willen GOTTES (13,1-7) - nicht geht es PAULUS darum, hier jede beliebige Ausprägung von Staatsmacht zu rechtfertigen, zumal der Staat von seiner Naherwartung her ohnedies etwas bald Vorübergehendes war. Sicher ist damit nichts gegen ein fallweise erlaubtes oder gar gebotenes Widerstandsrecht gesagt: Denn wenn der Wille GOTTES den Staat prinzipiell begründet, begrenzt er ihn zugleich: Ein legitimer Widerstand stellt ja nicht den Staat als solchen, sondern nur den Missbrauch der Staatsgewalt in Frage! Die Liebe ist die "Erfüllung des Gesetzes", weil sie mehr tut als das Gesetz verlangt. Gerade angesichts der Naherwartung sollten wir uns um Liebe bemühen (13,8-14). Der kurze anschließende Lasterkatalog (13,12-14) soll der Bibeltext gewesen sein, durch dessen Lektüre sich AUGUSTINUS bekehrte (Conf VIII 12,29). Hierauf geht es wieder um die Rücksicht der "Starken" auf die "Schwachen" in der Gemeinde - nicht Rechthaberei, sondern CHRISTUSzugehörigkeit ist das wesentliche (14,1-15,13: es ist umstritten, ob die "Schwachen" hier, wie in 1 Kor, die sind, die die Enthaltung von Götzenopferfleisch und Opferwein forderten oder - vielleicht gnostisch beeinflusste - Asketen, die Fleisch- und Weingenuss überhaupt ablehnten. Röm 15,14 - 16,27: Briefschluss: Nach persönlichen Mitteilungen des PAULUS, besonders seiner Reisepläne nach Spanien und seines Ersuchens um Fürbittgebet (15,14- 33), folgt eine lange Grußliste, deren Problematik schon erwähnt wurde und die auch Sonderprobleme bietet (16,1-24). In dieser Grußliste begegnen nicht nur Mitarbeiter des PAULUS, die uns aus anderen Briefen und / oder aus der Apg bekannt sind, wie das judenchristliche Ehepaar PRISKA (PRISCILLA) und AQUILA (16,3), sondern auch eine JUNIA / ein JUNIAS (16,7): Obwohl nur der weibliche Name JUNIA - dieser übrigens häufig - belegt ist, der männliche Name JUNIAS aber innerhalb und außerhalb der Bibel nie (!) nachweisbar ist und obwohl noch HIERONYMUS und CHRYSOSTOMOS (In epist. ad Romanos hom. 31,12) JUNIA selbstverständlich für eine Frau halten, wurde ab dem Mittelalter ein Mann daraus: Hat man einer Frau den Titel "Apostolin" missgönnt ? 44 Der Brief wird durch einen Lobpreis GOTTES beschlossen (16,25- 27). Zur Wirkungsgeschichte des Römerbriefes Der Grundgedanke des Römerbriefes ist die Ablösung des Gesetzes durch die Gnade: Das Gesetz ist zwar gut, weil es von GOTT stammt, es kann aber den 44 Vgl. dazu RANKE-HEINEMANN U., Eunuchen für das Himmelreich, Hamburg 1988, 132. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 151 Menschen nicht rechtfertigen (gerecht machen, erlösen), weil der Mensch erstens zur vollen Gesetzeseinhaltung unfähig ist und zweitens durch die Gesetzesbefolgung die Selbsterlösung durch eigene Leistung anstrebt und insofern "wie GOTT sein" will. Aber: nur GOTT ist gerecht und macht gerecht (Röm 3,26). GOTT schenkt aus Gnade Sein Heil - wir wissen davon durch das von CHRISTUS verkündete Evangelium - die richtige Antwort des Menschen ist Glaube im Sinne eines vertrauensvollen Annehmens des geschenkten Heils; der Mensch, der so in GOTTES Gnade hineingenommen wird, bringt aufgrund seines Glaubens gute Werke hervor (Indikativ-Imperativ- Schema). Dieses Rechtfertigungsverständnis wurde besonders von LUTHER übernommen, wie die sogenannten Sola-Formeln zeigen: sola gratia (durch Gnade allein) wird der Mensch gerechtfertigt, dies wissen wir sola scriptura (aus der Schrift allein) und nehmen es sola fide (im Glauben allein) an, wobei solus Deus (GOTT allein) Grund und Ziel des Heiles bleibt. Dass die Erlösung von GOTT geschenkt wird, ist auch katholische Auffassung. Doch besteht eine - vielleicht sogar die - wesentliche Differenz zwischen evangelisch / katholisch in der Auffassung des Wirkens der Gnade: Die evangelische Auffassung lässt nur die gratia increata (die ungeschaffene Gnade, d.h. GOTTES Heilswirken selbst) gelten: Der Mensch, der sich im Glauben dieser Gnade öffnet, bleibt Sünder, doch gibt er GOTT die Möglichkeit, durch ihn hindurch Gutes zu vollbringen. Ein solcher Mensch ist dann zugleich iustus et peccator (Erlöster und Sünder), GOTT rechnet ihm aber seine Heillosigkeit nicht an ("forensische Rechtfertigung"). Das katholische Lehramt (vor allem definiert im Tridentinum, Sessio VI: Decretum de iustificatione, DH 1520-1583, besonders die 33 Canones, DH 1515-1583) nimmt zusätzlich zur gratia increata auch eine gratia creata (geschaffene Gnade) an: Der Mensch, der sich im Glauben der Gnade GOTTES öffnet, wird durch diese Gnade tatsächlich besser - und je besser er wird, desto mehr kann er mit GOTT gemeinsam Gutes wirken, desto mehr kann er an der Heiligkeit GOTTES teilhaben ("effektive Rechtfertigung"). Es ist leicht einsichtig, dass die Ablehnung oder Anerkennung einer geschaffenen Gnade zu einem unterschiedlichen Kirchen- und Amtsverständnis, einer verschiedenen Sakramentsauffassung und der Ablehnung bzw. Anerkennung einer MARIEN- und Heiligenverehrung führt. Beide Vorstellungsmodelle können sich insofern auf PAULUS berufen, als beide das Indikativ-Imperativ-Schema übernommen haben: GOTTES Gnade kommt den menschlichen Möglichkeiten immer schon zuvor, die menschliche Antwort soll daher Glaube im Sinne von vertrauensvoller Verankerung des ganzen Lebens in GOTT sein. Das Problem des Verhältnisses von göttlicher Gnade / menschlicher Freiheit bestand allerdings schon vor der interkonfessionellen Differenz von katholisch / evangelisch (besonders der Streit zwischen AUGUSTINUS, der die Gnade für erlösungsnotwendig hielt, und PELAGIUS, der sie nur für erlösungsförderlich hielt) und wirkte innerhalb der katholischen Kirche im sogenannten "Gnadenstreit" weiter. Der Gnadenstreit betraf eine Unterscheidung innerhalb der helfenden Gnade zwischen zureichender und wirksamer Gnade: Die Jesuiten (Luis de MOLINA) vertraten die Meinung, die zureichende Gnade, die jedem Menschen angeboten werde, werde erst durch die Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 152 freie menschliche Zustimmung zur wirksamen Gnade - in diesem Denkmodell wäre, in Annäherung an PELAGIUS, die Freiheit wichtiger; die Dominikaner hingegen (Domingo BANEZ) meinten, Gnade ist wesentlich wirksame Gnade, der Begriff zureichende Gnade sei nur ein Hilfsbegriff, um zu erklären, warum die wirksame Gnade nicht bei jedem Menschen ans Ziel kommt. Heute versucht man sich einer Lösung durch Rückbesinnung auf das personale Denken der Bibel zu nähern: GOTT und Mensch sind nicht zwei konkurrierende Kräfte, sondern zusammenhandelnde Personen, und zwar besonders innig zusammenhandelnde Personen, weil GOTT in dem und durch den Menschen wirkt, der dies zulässt. Daher ist Freiheit kein Gegensatz zur Gnade, sondern eine der Äußerungen von Gnade im Menschen 45. _________________________________________________________________ LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 5 Außer den in Kapitel 0 genannten Kommentaren und den in den Anmerkungen genannten Werken werden besonders empfohlen: BORNKAMM G., Paulus, Stuttgart 1979, 4.Aufl. ! GRESHAKE G., Geschenkte Freiheit, Freiburg 1977. ! LIMBECK M., Mit Paulus Christ sein. Sachbuch zur Person und Theologie des Apostels Paulus, KBW/Stuttgart 1989. 45 Vgl. dazu GRESHAKE G., Geschenkte Freiheit, Freiburg 1977. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 153 6 DIE DEUTEROPAULINEN, DER HEBRÄERBRIEF UND DIE KATHOLISCHEN BRIEFE Die Zusammenfassung der Deuteropaulinen, des Hebr und der Katholischen Briefe in eine Gruppe erscheint insofern berechtigt, als sie alle in die Zeit zwischen 70 und 110, die meisten zwischen 80 und 100, gehören dürften und viele ähnliche Problemstellungen aufweisen. 6.1 Die Deuteropaulinen Die Frage der Echtheit der PAULUSbriefe wurde bereits allgemein behandelt (s.o.,5.2.1). Da aber bei keinem deuteropaulinischen Brief alle Unechtheitskriterien auf einmal zutreffen, werden sie bei der Besprechung jedes Briefes ausdrücklich zu nennen sein. 2 Thess 2 Thess ist 1 Thess so auffallend ähnlich, dass er unmittelbar danach geschrieben sein müsste. Dagegen spricht aber: Warum sollte PAULUS knapp nacheinander derselben Gemeinde fast dasselbe schreiben ? An die Stelle der für den echten PAULUS so typischen Naherwartung ist die apokalyptische Verzögerung getreten, die sich bei PAULUS nie findet, dafür aber in späteren Briefen (etwa in 1 Joh, 2 Petr) und in der Offb; dazu passt der ebenfalls unpaulinische, doch apokalyptische Gedanke des Antichristen (2 Thess 2,3 ff. - vgl. 1 Joh 2,18 f.). Die Echtheit wird auffällig, fast aufdringlich betont (2 Thess 3, 14 und 17). Der Brief könnte also von einem PAULUSschüler geschrieben sein, der sich eng an die Gedanken seines Lehrers anschloss; das apokalyptische Gedankengut könnte in die Zeit des Kaisers DOMITIAN verweisen. DOMITIAN regierte von 81-96 und war der erste römische Kaiser, der die Christen systematisch verfolgte (die Christenverfolgung unter NERO war nur ein Ablenkungsmanöver nach dem Brand Roms). Da Apokalypsen Trostschriften sind - vgl.u.,7.1. -, lässt sich gerade unter DOMITIAN viel apokalyptisches Gedankengut nachweisen. Kol Der Brief weist eine klare Gliederung auf: auf den lehrhaften Teil (Kol 1-2) mit einer Polemik gegen synkretistische Gnostiker folgt die Paränese (Kol 3-4) mit einer christlichen Haustafel, die eine stärkere Unterordnung der Frau unter den Mann zeigt, als dies bei PAULUS üblich ist (vgl.o.,5.3: 1 Kor). Gegen die Echtheit spricht: Vokabular und Stil - doch wäre dies allein kein Kriterium. Wichtiger sind die theologischen Änderungen: - Das CHRISTUSbild hat sich gegenüber PAULUS gewandelt und zeigt eine gewisse Nähe zu johanneischen Gedanken, besonders zum Joh- Prolog, wie vor allem in dem schönen CHRISTUShymnus (Kol 1,12- 20) deutlich wird: CHRISTUS und Kirche bilden nicht mehr gemeinsam einen Leib (vgl.1 Kor 12,Röm 12), sondern Er ist als Haupt der Kirche gegenübergestellt (Kol 1,18); überhaupt wird Er mehr enthistorisiert als bei PAULUS, erhält dafür aber kosmische Dimensionen: Er ist nicht mehr bloß Heilsmittler, sondern wird Schöpfungsmittler ("alles ist durch Ihn und auf Ihn hin geschaffen", Kol 1,16), Sein Leib ist nicht nur die Kirche, sondern letztlich das All. Sr Katharina Deifel OP - - Neues Testament, 154 Gerade an diesem großartigen christologischen Konzept zeigt sich, dass die Bewertung als "deuteropaulinisch" keineswegs eine Abwertung ist: Es gibt hier eigenständige und sehr hochstehende Autoren ! Auch die Eschatologie hat sich geändert: statt Naherwartung und eschatologischem Vorbehalt findet sich der gnostisierende Gedanke, dass mit der Taufe die Auferstehung bereits erfolgt sei (Kol 2,12). Die Gegner, mit denen sich der Autor auseinandersetzt, sind nicht mehr Judaisten oder Enthusiasten, sondern Gnostiker, wobei er selbst gnostisierende Gedanken übernommen hat - auch hierin eine gewisse Parallele zum Joh-Ev. Alles in allem kann der Brief als Werk eines eigenständigen Theologen gelten, der die paulinische Theologie weiterentwickelt hat und eine gewisse Nähe zu johanneischen Gedanken zeigt. Eph Auch der Eph ist in einen lehrhaften (1-2) und einen ethischen (3- 4) Teil gegliedert; im ersten Teil findet sich ebenfalls ein hymnischer Text, in dem der Heilsplan GOTTES gepriesen wird. Während der Kol-Hymnus, wie der Joh-Prolog, vom Briefautor nur überarbeitet sein dürfte, scheint der Eph-Hymnus vom Briefautor selbst zu stammen. Da er die Heilsgeschichte preist, ist hier kein kosmischer CHRISTUS dargestellt. - Die Gegenüberstellung Haupt/Leib CHRISTUS/Kirche findet sich aber auch in Eph (4,15 f.). Im zweiten Teil findet sich auch eine christliche Familienordnung, wieder mit deutlicherer Unterordnung der Frau unter den Mann als bei PAULUS. Gegen die Echtheit spricht: Es handelt sich um keinen Brief, sondern um einen theologischen Traktat ohne Grußliste - und das, obwohl PAULUS gerade die Gemeinde von Ephesus besonders gut kannte, weil er sich während der sogenannten dritten Missionsreise über zwei Jahre dort aufhielt ! Das theologische Konzept entspricht dem des Kol-Briefes, die Bedeutung der Kirche ist noch stärker betont - Kirchenzugehörigkeit löst den paulinischen Gedanken der Rechtfertigung ab. Der Epheserbrief dürfte vom Kolosserbrief abhängen. Die Pastoralbriefe Die Bezeichnung wurde für diese drei Briefe gewählt, weil sie weder Gemeinde- noch Privatbriefe sind, sondern sich an die Gemeindeleiter ("pastores", d.h. Hirten) wenden, und zwar wurden als Adressaten zwei aus den paulinischen Briefen bekannte Mitarbeiter des PAULUS gewählt, TIMOTHEUS und TITUS. TIMOTHEUS war der Sohn eines Heiden und einer Judenchristin, den PAULUS für die Judenmission beschneiden ließ (vgl. Apg 16,1-3); er soll Bischof von Ephesus geworden sein. TITUS war unbeschnittener Heidenchrist und soll Bischof von Kreta geworden sein. 1/2 Tim und Tit weisen Gemeinsamkeiten auf: Sie behandeln nicht nur allgemeine Themen - besonders die rechte Gemeindeordnung und die Ketzerbekämpfung -, sondern bringen auch sehr betont "Persönliches", was als Echtheitsbeweis dienen soll (1 Tim 5,23: TIMOTHEUS soll Wein zum Wasser mischen wegen seiner Kränklichkeit; 2 Tim 4,13: TIMOTHEUS soll dem PAULUS einen Mantel und Bücher mitbringen). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 155 1 Tim In einem ersten Teil (1 Tim 1) bringt der Autor grundlegende Gedanken - wie die Wichtigkeit richtiger Glaubensverkündigung und der damit verbundenen Notwendigkeit der Ketzerbekämpfung. Soweit die Gegner aus Briefen rekonstruierbar sind, dürfte es sich hier - wie in Kol und Eph - um (judenchristliche) Gnostiker handeln, keinesfalls mehr um die paulinischen Gegner, die Judaisten und Enthusiasten. Das entspricht auch der historischen Tatsache, dass nach der Tempelzerstörung die Trennung zwischen Juden und Christen unüberbrückbar wurde, was das Selbstverständnis der Judenchristen erschwerte: entweder sie gingen in der zunehmend heidenchristlichen Kirche auf oder sie bildeten Sekten. Ferner thematisiert der Autor das Verhältnis Gesetz/Evangelium und die Verantwortung kirchlicher Amtsträger. Das Verhältnis Gesetz / Evangelium ist hier deutlich weniger radikal als bei PAULUS als Entweder/Oder verstanden, sondern das Gesetz wird eher als Vorstufe zum Evangelium gesehen - ähnlich Mt. Im längeren zweiten Teil (1 Tim 2-6) stellt er die rechte Gemeindeordnung dar. Bei der Behandlung des Verhältnisses von Mann und Frau fällt gegenüber PAULUS eine stärkere Unterordnung der Frau unter den Mann, somit ein Rückfall in die Vorstellungen der zeitgenössischen Umwelt auf - mit einigen für die Bewertung der Frau in der Kirche bis heute negativen Wendungen . So die Vorstellung, die Frau sei minderwertiger als der Mann, weil EVA sich zuerst hatte verführen lassen (2,13 f.), und sie sei nur durch das Gebären von Kindern zu retten (2,15). Bezüglich der Ämter beginnt sich die bis heute übliche Dreistufigkeit abzuzeichnen (Episkopos: 3,17, Prebyteros: 5,17- 22, Diakonos: 3,8-13. Bischöfe (3,2) und Diakone (3,12) sollen "Mann einer einzigen Frau" sein (in Tit 1,6 wird dieselbe Forderung für die Ältesten erhoben): Dies wird heute so verstanden, dass sie im Falle des Todes ihrer Frau nicht mehr heiraten durften - eine bis heute für den Dauerdiakon geltende Regelung. Allerdings könnte es in der damals noch nicht völlig monogamen Umwelt auch einfach gemeint haben, Bischöfe und Diakone sollten monogam leben. Außerdem gab es einen eigenen, offenbar sozialen Aufgaben dienenden Witwenstand (5,3-16). 2 Tim Der zweite TIMOTHEUSbrief ist persönlicher als der erste gestaltet, denn er gibt sich als Testament des PAULUS. Nach einer Ermutigung für TIMOTHEUS (2 Tim 1) folgen seelsorgerliche Anweisungen (2 Tim 2-4); hier wird die "Schrift" (gemeint ist natürlich nur das AT !) erstmals ausdrücklich als "inspiriert" bezeichnet (3,16). Tit Der Brief enthält ausschließlich pastorale Ratschläge an TITUS, wieder verbunden mit der Nennung von Standespflichten und mit der Aufgabe der Ketzerbekämpfung. Das war in Kreta besonders wichtig: als Insel war Kreta in der gesamten Antike ein kultureller Schnittpunkt und daher auch ein Sammelbecken verschiedener Religionen - so dass bis heute ein Religionsgemisch als "Synkretismus" bezeichnet wird. Gründe gegen die Echtheit der Pastoralbriefe: Theologische Differenzen zu PAULUS sind die Ablösung der Naherwartung durch eine Stetserwartung, die Andersartigkeit der zu bekämpfenden "Ketzer" (synkretistische Gnostiker statt Judaisten und Enthusiasten) und die beginnende Gegenüberstellung von (aktiven) Amtsträgern und (passiver) Gemeinde und der damit verbundenen Abwertung der Frau. Die Zeitsituation ist deutlich eine andere - die Ämter (Episkopos-PresbyterosDiakonos) und Stände (Witwen) sind bereits entwickelter als bei PAULUS und verweisen in die Zeit zwischen 80 und 100 n.Chr. Dazu kommen sachliche Merkwürdigkeiten: Warum belehrt PAULUS seine Mitarbeiter so ausführlich, obwohl er jahrelang mit ihnen beisammen war und sie Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 156 erst kürzlich verließ ? Warum schildert er dem ohnedies in Kreta weilenden TITUS die dortige Irrlehre so ausführlich ? Dazu kommen weitere Gründe, die allerdings für sich allein genommen nicht ausreichen würden, die Pastoralbriefe dem PAULUS abzusprechen: die Sprache unterscheidet sich von den PAULUSbriefen; die Briefe sind im Leben des PAULUS, soweit es uns aus seinen unumstrittetenen Briefen bekannt ist, nicht unterzubringen; die Echtheit wird aufdringlich betont. Untereinander aber weisen die Briefe sprachlich und inhaltlich große Ähnlichkeit auf: Wahrscheinlich stammen alle von demselben Verfasser, der PAULUS für die Anliegen seiner eigenen Zeit - besonders für die Entstehung einer Kirchenordnung und für die Ketzerbekämpfung - aktualisieren wollte. 6.2 Der Hebräerbrief 46 Allgemeines Hebr ist eine Predigt in Briefform nach dem Vorbild eines Synagogenvortrags auf der Grundlage des Ps 110, aber auch anderer atl. Texte. Der Predigtstil bedingt ein ständiges Ineinander von Indikativ-Imperativ (anders als PAULUS), wobei der Verfasser aber immer eine Begründung der Imperative zu bringen versucht. Der Verfasser muss ein hellenistisch gebildeter Judenchrist gewesen sein. Das zeigt sowohl die Sprache (ausgezeichnetes Griechisch, kunstvolle Rhetorik) als auch die starke Beeinflussung durch PHILO v. Alexandrien - des jüdischen Hauptvertreters des mittleren Platonismus (irdische Welt als Abbild der himmlischen, präexistenter LOGOS, Leben als Rückweg in die himmlische Heimat etc.). Allerdings unterscheidet der Verfasser sich von PHILO und der (ohnedies später anzusetzenden) Gnosis dadurch, dass der LOGOS bei ihm kein zeitloses gottmenschliches Mittelwesen, sondern die Konkretisierung von GOTTES Heilswirken im geschichtlichen JESUS von Nazaret ist. Von den vielen Versuchen, eine konkrete Person mit dem Verfasser zu identifizieren, hat nur die schon von LUTHER geäußerte eine gewisse Plausibilität: APOLLOS, ein Reiseprediger, der offenbar Beziehungen zu PAULUS und TIMOTHEUS unterhielt (vgl. 1 Kor 1,12; 3,4-6; 16,12; Tit 3,13 - vgl. Hebr 13,23) doch über Vermutungen kommen wir hier nicht hinaus. Paulinisch ist der Brief keinesfalls. Der Abfassungort ist wahrscheinlich Italien (vgl. Hebr 13,24), die Adressaten sind sicher Judenchristen, möglicherweise im paulinischen Missionsgebiet in Kleinasien (Ephesus) oder Griechenland (Korinth). Dazu passen: die Erwähnung des TIMOTHEUS und die der Kollekte (wahrscheinlich Hebr 6,10) und, dass der Brief in eine frühe Sammlung paulinischer Schriften gerutscht ist. Obwohl die Bezeichnung "An die Hebräer" in den ältesten Handschriften bezeugt ist, stellt Hebräer doch eine anachronistische Bezeichnung der Judenchristen dar, deren Verwendung unklar bleibt. Meinte sie vielleicht, dass die Minderheit der Judenchristen in einer ähnlichen Situation der Unterdrückung und Heimatlosigkeit seien wie die Hebräer in Ägypten ? 46 Vorwiegend nach: STROBEL Au., Der Brief an die Hebräer, NTD Bd9/2, Göttingen 1991) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 157 Die Datierung ist umstritten: wegen der Erwähnung des TIMOTHEUS (Hebr 13,23) ist die sog. 3.Missionsreise der Terminus post quem (also nach 55), wegen der Zitation durch 1 Clem ist dieser Brief der Terminus ante quem (also vor 95). Sicher ist der Hebr also zwischen 55 und 95 entstanden. Die genauere Fixierung ist kontrovers: Für eine Spätdatierung (um 90) wird die Ermahnung zur Standhaftigkeit in Drangsalen angeführt, unter denen die Verfolgungen unter DOMITIAN verstanden werden könnten (z.B. Hebr 2,3). Für eine Frühdatierung (um 60) werden angeführt: erstens die zahlreichen Stellen, an denen der Tempelkult als etwas noch Bestehendes vorausgesetzt wird; zweitens die Tatsache, dass ein judenchristlicher Autor die Katastrophe von 70 nicht unerwähnt gelassen hätte, zumal sie zu seinem Konzept der Ablösung des Tempelkultes gepasst hätte, drittens, dass die Gemeinde noch nicht "bis aufs Blut" Widerstand leisten musste, dass also noch keine blutigen Verfolgungen stattgefunden haben (Hebr 12) – die ersten blutigen Verfolgungen fanden unter NERO 64-48 n.Chr. statt Hebr 1,1-4,13: Der SOHN als Vollendung der Offenbarungen GOTTES Hebr 1: Das Fehlen eines Präskripts ist merkwürdig: Ist es verlorengegangen ? Wurde es, weil der Brief eine Predigt darstellt, bewusst weggelassen ? Ps 110,1 ("Setze Dich zu meiner Rechten") wird ausgefaltet: Die Offenbarung GOTTES wurde im SOHN vollendet, der Mittler und Ziel der Schöpfung ist und "Abglanz" und "Abbild" des VATERS. Vom LOGOS PHILOS' (vgl. De plant. 18,50) unterscheidet sich dieser SOHN durch Seine historische Konkretisierung in JESUS, besonders durch Seine Selbsthingabe am Kreuz (// zum Phil-Hymnus). Durch eine "Kette" von Schriftstellen ("Konkatenation") wird die Erhabenheit des SOHNES über die Engel dargelegt. Die messianische Deutung von Ps 2, Ps 110 und 2 Sam 7,14 erfolgte schon vorchristlich (z.B. Ps.Sal. 17,21 ff) Hebr 2: Die Ermahnung zu christlicher Lebensführung wird damit begründet, das geschenkte Heil nicht leichtfertig zu verspielen. Die endgültige Erhöhung des SOHNES beruht auf Seiner zeitlich begrenzten Erniedrigung. Diese hat universelle Heilsbedeutung (VV. 9 ff: "für alle", "Brüder"). Dafür nahm Er unser dem Tod verfallenes "Fleisch und Blut" (V.14) an; um den Tod zu besiegen, ließ Er sich töten, um die Sünde zu besiegen, ließ Er sich in Versuchung führen. Hebr 3: Als "Brüder" JESU sollen sich die Getauften bewähren. JESUS überragt MOSE: Dieser bewährte sich "in seinem Haus" (=Israel), jener "über Seinem Haus". An JESUS kann die Gemeinde lernen, was Treue ist - im Anschluss an Ps 95 wird vor Untreue gewarnt, d.h. hier, vor dem Abfall vom CHRISTUSglauben. Hebr 4,1-13: JOSCHUA konnte das untreue Israel nicht zur "Ruhe" bringen, JESUS (ebenfalls JOSCHUA) gewährt die endgültige Ruhe den wandernden GOTTESvolk, das durchhält. Hebr 4,14-10,18: CHRISTUS als wahrer und endgültiger Hohepriester des Neuen Bundes Hebr 4,14-16: Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 158 CHRISTUS hat Sich als wahrer Hohepriester in der Versuchung bewährt. Er hat nicht nur selbst "die Himmel durchschritten" (wohl // zum Durchschreiten der beiden Vorhänge am Versöhnungstag), sondern auch uns den Weg "zum Thron der Gnade" eröffnet (im Gegensatz zum AT, wo nur der Hohepriester das Allerheiligste betreten durfte). Hebr 5: Die früheren Hohepriester mussten nicht nur für die Sünden des Volkes, sondern auch für ihre eigenen opfern. Die Berufung CHRISTI wird dargestellt anhand von Ps 2,7 und 110,4, Seine (für das zeitgenössische Judentum anstößige) Aufgabe - Bewährung des Sohn-Seins in Gehorsam und Leid anhand von Ps 116,8 und Ps 22,25. Gerade eine so verstandene Sohnschaft verbietet eine gnostische Interpretation des Briefes. Durch Seine Vollendung vollendete Er das Heil derer, die in Seiner Nachfolge stehen. Rätselhaft ist die Wendung "Hohepriester nach der Ordnung MELCHISEDEKS", die 6,20 nochmals aufgegriffen und im Kap. 7 ausgeführt wird (s.d.). Dazwischen aber mahnt der Verf. erneut die Gemeinde, die "schwerhörig" geworden und in das Stadium von Säuglingen zurückgefallen ist. Hebr 6: Die Elementarunterweisung wird knapp in Erinnerung gerufen, wobei der Pl "Taufen" oder "Taufbäder" seltsam ist (Ist einfach gemeint, dass viele Menschen getauft wurden ? Sind die rituellen Reinigungsbäder der Juden gemeint, die vielleicht von Judenchristen beibehalten wurden ? Oder beides, wobei der unmittelbar folgende Begriff "Handauflegung" die verschiedenen Taufen dann auf die christliche hin spezifizieren würde ?) . Sehr scharf wird hierauf die Möglichkeit einer "zweiten Buße/Umkehr" abgelehnt (V.4). Dabei geht es nicht um einzelne Sünden, sondern um "die" Sünde, den Glaubensabfall (dies wurde später übersehen - z.B. durch die Novatianer im 3./4.Jh., die eine Buße nach Todsünden verweigerten; oder LUTHERs Kritik an Hebr, die ebenfalls auf einem viel späteren kirchlichen Sündenbegriff beruhte). Ab 6,9 wandelt sich der Tenor von Ermahnung zur Ermunterung, die in der Treue GOTTES begründet wird. Mit der den "Heiligen" (wahrscheinlich wird hier die Selbstbezeichnung der Jerusalemer Gemeinde aufgegriffen) erwiesenen "Liebe" dürfte die auch von PAULUS oft erwähnte Kollekte gemeint sein (1 Kor 16,1; 2 Kor 8,4; 9,1.12; Röm 15,25.31). GOTT gab dem ABRAHAM eine sichere Verheißung, wobei Er nur bei Sich Selbst schwören konnte (//PHILO). Die Argumentation erfolgt ganz aus judenchristlicher Perspektive (im Gegensatz zum Röm 4). Unser Anker (Hoffnung) reicht ins Allerheiligste (in den Himmel), weil der SOHN dorthin einging. Hebr 7: Nun wird das schon mehrfach angeklungene MELCHISEDEK-Symbol entfaltet, wobei sich zwei Gedanken mischen: MELCHISEDEK ("König der Gerechtigkeit") ist einerseits Typos des historischen CHRISTUS, andererseits Konkretisierung des präexistenten CHRISTUS (bes. V.3). Er wird als "König von Salem (d.h. König des Friedens)" und "Priester des höchsten GOTTES" eindeutig über ABRAHAM gestellt (er segnet ABRAHAM, dieser entrichtet jenem den Zehnten). Daraus, dass die Schrift über seinen Stammbaum schweigt, wird auf die Ewigkeit seiner Person und damit auf seine "Gleichgestaltung" mit dem SOHN geschlossen (argumentum e silentio). Die Annahme, dass der ewige LOGOS sich in Menschen konkretisiere, ist eine Weiterentwicklung von PHILO (bei ihm ist der LOGOS Schöpfer der Menschen), doch schwerlich die eines gnostischen Urmensch-Erlöser-Mythos, denen ja gerade die historische Konkretisierung, besonders aber die Leidensfähigkeit des Mittlers, fehlt. Dass ABRAHAM, der Stammvater auch LEVIS und damit des levitischen Priestertums, von MELCHISEDEK gezehntet wurde, beweist, dass das levitische Priestertum unvollkommen ist und eines vollkommenen Priestertums und damit neuen Gesetzes bedarf. Die Vollkommenheit des neuen Hohepriesters wird mehrfach begründet: die levitischen Priester sind es durch Abstammung, MELCHISEDEK-CHRISTUS durch einen Eid <GOTTES> - Ps 110,4; dieser Ps-Vers liefert ein weiteres Argument: die levitischen Priester waren sterblich, MELCHISEDEK-CHRISTUS ist "Priester auf ewig"; die levitischen Priester müssen auch für ihre eigenen Sünden opfern, CHRISTUS nur für die der anderen. Die Argumentationskette wird in Kap 8 fortgesetzt. Hebr 8: CHRISTUS ist Hohepriester im Himmel, von dem das irdischen Heiligtum nur ein Abbild ist (//PHILO). Deshalb ist schon von den Propheten ein Neuer Bund verheißen worden (Jer 31). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 159 Hebr 9,1-10,18: Alle kultischen Einrichtungen des Alten Bundes weisen auf einen vollkommenen Neuen Bund. Bei der Beschreibung der Einrichtung des Heiligen/Allerheiligsten hat der Verf. den Rauchopferaltar fälschlich in das Allerheiligste verlegt - ein Irrtum ist weniger wahrscheinlich als eine bewusste Änderung (der Rauchopferaltar stand zwar im Heiligen , aber "vor der Lade" - Ex 30,6; 1 Kön 6,22 und erzeugte die "Wolke", die die Lade einhüllte ). Diese Einrichtungen (sie werden ausdrücklich als gegenwärtig vorausgesetzt ! - vgl. V.9, was wichtig für die Datierungsfrage ist, s.o.) können aber nur rituelle Reinheit erwirken und verweisen dadurch auf eine "bessere Ordnung". CHRISTUS opferte nicht Tiere, sondern Sich Selbst - dadurch ist Er das endgültige und vollkommene Opfer, in Ihm sind Opfer und Opfernder ident. Das neue "Testament" setzt Seinen Tod voraus. Hebr 10,19 - 13,19: Der Weg des Glaubens: Hebr 10,19-39: Durch Sein Blut eröffnete Er den Weg zum himmlischen Allerheiligsten, das im Gegensatz zum irdischen nicht nur einem, sondern allen offensteht. Deshalb sind wir zu Glauben, Hoffnung und Liebe aufgerufen und müssen den Glaubensabfall meiden - denn die Strafe für den Abfall vom Neuen Bund wird weit schlimmer sein als die für den Abfall vom Alten ("Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen GOTTES zu fallen":10,31). Der Verf. tröstet die Gemeinde in ihren Drangsalen mit der baldigen Wiederkunft des MESSIAS, was er mit Hab 2,4 belegt: diese Deutung war im frühen Christentum gängig vgl. (1 Clem), während PL die Stelle in Röm 1,17 anders interpretiert. Hebr 11: Das "durch den Glauben" wird zum Leitmotiv des folgenden Abschnitts, wobei Glaube hier nicht, wie bei PL, als GOTTgeschenktes Mittel der Rechtfertigung verstanden wird, sondern als Vertrauen in die Wirklichkeit des Unsichtbaren, dessen bloße Abbilder die sichtbaren Phänomene sind (//PHILO): während also bei PL der Glaube primär Gabe ist, wird er vom Verf. des Hebr. primär als Aufgabe verstanden. Dann werden eine Reihe großer Glaubenszeugen genannt (ABEL, HENOCH, NOACH, ABRAHAM, SARA). Sie wollten Fremdlinge sein, weil sie bereits erkannt hatten, dass ihre wahre Heimat der Himmel sei. Zum Lohn für ihren Glauben lässt Sich GOTT als "GOTT ABRAHAMs, ISAAKs und JAKOBs" bezeichnen. Dieser Glaube konnte sogar Todesfucht und Tod überwinden: Wie im zeitgenössischen Judentum wird die Opferung des ISAAK als vollzogen gedacht, ISAAK wird dadurch zum prominenten Beispiel einer Totenerweckung. Besonders herausgehoben wird noch MOSE, der als Typos CHRISTI für die Rettung seines Volkes viel leiden musste. Andere Zeugen werden nur namentlich aufgezählt, sogar die Außenseiterin RAHAB oder Szenen aus dt-kanon. Schriften (2 Makk 7). Hebr 12: Diese "Wolke von Zeugen" verpflichtet uns zur Abwendung von der Sünde und zur Ausdauer im Glaubenskampf. Dass die Gemeinde noch nicht "bis aufs Blut" Widerstand leisten musste, könnte ein weiteres Argument dafür sein, dass noch keine blutigen Verfolgungen stattgefunden haben, also für die Frühdatierung sprechen. Betont wird aber, dass die Erziehung GOTTES eine harte ist - in Anlehnung an Spr 3,11 ff. Die Gnade GOTTES darf nicht leichtsinnig verscherzt werden (Beispiel: ESAU). Vor uns verbirgt Sich GOTT nicht mehr in Feuer, Sturm und Wolken wie am Sinai, wir sind zur Gemeinschaft des himmlischen Jerusalems geladen. Hebr 13: Erst dieses Schlusskapitel zeigt, dass eine Homilie in Briefform vorliegt. Der einleitende Tugendkatalog betont die tätige Liebe (Bruderliebe, Gastfreundschaft, Ehe). Nochmals wird eingeschärft, dass die Opfer des AT durch das Selbstopfer CHRISTI abgelöst sind; in Seine Nachfolge sollen wir treten, im Bewusstsein, dass die Erde nicht unsere bleibende Wohnung darstellt. Der Verfasser bittet um das Fürbittgebet der Gemeinde (V.18) und segnet diese seinerseits. Nach der Schlussermahnung erfolgen persönliche Mitteilungen, aus denen die Verbundenheit des Autors mit dem PAULUS-Mitarbeiter TIMOTHEUS hervorgeht. Die Bezeichnung "alle Heiligen" ist hier etwas Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 160 unklar, da diese frühe Selbstbezeichnung der (Jerusalemer) Gemeinde bald aufgegeben wurde : ist die gesamte Adressatengemeinde gemeint ? Oder eine bestimmte Teilgemeinde in dieser ? Zusammenfassung: Der Hebr akzentuiert an CHRISTUS, dass Er der endgültige Offenbarer GOTTES und - durch Seine Selbsthingabe - das endgültige Opfer/ der ewige Hohepriester und der Begründer des Neuen und Ewigen Bundes ist. Damit ist das atl. Opferverständnis umgekehrt: nicht die Menschen opfern GOTT "etwas", sondern GOTT opfert in CHRISTUS den Menschen "Sich" - ein liturgisch manchmal eher verdunkelter Gedanke 47. Das neue GOTTESvolk soll in Seiner Nachfolge beharrlich und leidensbereit sein und im Bewusstsein leben, dass es auf dem Weg zu seiner wahren Heimat bei GOTT ist ("wanderndes GOTTESvolk" - eine vom Vat.II wieder stärker aufgegriffene Idee, vgl. bes. LG II und VII). 6.3 Die Katholischen Briefe Die Bezeichnung "katholisch" ist hier in ihrem ursprünglichen Sinn gebraucht, nämlich im Sinne von "allgemein"; gemeint sind Rund-schreiben („Enzykliken“), die nicht für eine einzige Gemeinde, sondern für alle christlichen Gemeinden gelten. Die Bezeichnung "Rundschreiben" ist in der Antike und im Mittelalter viel zutreffender als heute: Da händisches Kopieren sehr mühsam war, wurde nur ein Exemplar angefertigt und dieses tatsächlich von Gemeinde zu Gemeinde weitergereicht (manchmal lassen sich noch gut römische Reiserouten rekonstruieren). - Allerdings trifft die Bezeichnung "katholisch" bzw. Rundschreiben nicht auf alle sieben Briefe wirklich zu, so etwa nicht auf 2/3 Joh. Sie sind wohl alle pseudepigraphisch, ihre Anordnung im NT entspricht nicht ihrer zeitlichen Entstehung. Da die zeitliche Entstehung aber auch nur vermutet werden kann - einziger Fixpunkt ist, dass 2 Petr die jüngste Schrift des NT darstellt -, behalten wir bei der Besprechung die Anordnung des NT bei. Jak Der Verfasser gibt sich (nach Jak 1,1) als "HERRENbruder"(Cousin?) JESU - das wäre JAKOBUS d.J., der nach PETRUS die Jerusalemer Gemeinde leitete und - wie aus verschiedenen PAULUSbriefen und Apg ersichtlich, eine eher judaisierende Richtung vertrat: dies würde zum judaisierenden Gedankengut des Briefes passen. Gegen die Echtheit spricht aber: Der Verfasser schreibt ein so gutes Griechisch, dass Griechisch seine Muttersprache gewesen sein muss; ferner zitiert er das AT immer nach der LXX, was ein hebräisch betender Jude aus dem Mutterland nie getan hätte. 47 Etwa das Gebet zur Gabenbereitung "Der HERR nehme das Opfer an aus deinen Händen ...", wobei gleichzeitig die Kollekte durchgeführt wird. - Zum neuen Opferverständnis (Selbsthingabe statt Sacrificium) vgl. auch BAUDLER G., GOTT und die Frau. Die Geschichte von Gewalt, Sexualität und Religion, München 1991, bes. 343 ff. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 161 Auch der Inhalt verweist in eine spätere Zeit: der Autor setzt sich kritisch mit der paulinischen Theologie auseinander - die ihm also bereits vorgelegen haben muss! - , ferner fehlt der für die Frühzeit wichtige Gegensatz von Juden/Heidenchristen. Der Entstehungsort ist unbekannt, die Entstehungszeit wird um 100 n liegen, vom Verfasser kann nur vermutet werden, dass er ein griechischsprechender Judenchrist war, vielleicht mit Kontakten zum Jerusalemer Kreis um JAKOBUS. Das Schreiben ist locker aufgebaut, es ist kein Brief im eigentlichen Sinn, d.h. kein Gelegenheitsschreiben, das auf konkrete Anliegen angeht. Es fehlt auch eine Grußliste am Briefende. In der Einleitung (Jak 1) werden als Adressaten die Zwölf Stämme Israels (!) genannt: Dieser Adressatenkreis ist befremdlich, da zu dieser Zeit die Zwölf Stämme seit über 700 Jahren nicht mehr existierten - vielleicht soll dies die Gesamtheit des GOTTESvolkes symbolisieren, analog zur Wahl eines Zwölferkreises durch JESUS. Themen sind die Verwirklichung des Glaubens in guten Werken und das Standhalten in der "Versuchung". Das mit "Versuchung" wiedergegebene Wort (1,12 u.ö.) heißt im Griechischen Peirasmos und hat eine umfassendere Bedeutung: es meint zwar auch die Versuchung auf sittlich-religiösem Gebiet, zugleich aber das Geprüftwerden durch widrige Lebensumstände, besonders durch Christenverfolgungen - vielleicht wäre der Begriff besser mit "Erprobung" zu übersetzen, der Versuchung und Prüfung enthält. Der Begriff findet sich auch in anderen Kath. Briefen (1 Petr) und in der Offb, setzt also die Deutung der eigenen Gegenwart als "endzeitliche Wehen" voraus - was in die Zeit des Kaisers DOMITIAN weist. Nun folgen Lebensweisheiten, wie sie auch für die hellenistische (jüdische und griechische) Weisheitsliteratur typisch sind: gegen eine Bevorzugung der Reichen (2,1-13), über den sich nur in Werken bewährenden Glauben (2,14-26), gegen den Missbrauch der Zunge (3,1-12), gegen irdische Gesinnung (3,13-4,12), gegen falsche Selbstsicherheit (4,13-17) - der Christ sollte nur unter dem Vorbehalt planen "Wenn der HERR will" (sub conditione Iacobea, unter der jakobischen Bedingung: 4,15), über die Macht des Gebets (5,13-18) - mit der einzigen biblischen Bezeugung einer Krankensalbung (5,14-16). Der Brief wirkt etwas farblos - LUTHER nannte ihn die "strohene Epistel" - und enthält wenig spezifisch christliches Gedankengut 48, denn die moralischen Mahnungen waren dem hellenistischen Judentum und Griechentum ebenso vertraut. Nicht ganz klar ist außerdem, ob der Verfasser gegen die paulinische Theologie selbst polemisiert (dass der Glaube den Werken vorausgesetzt sei) oder nur gegen ein mögliches Missverständnis derselben (Glaube brauche gar keine Werke). 1 Petr 48 Manche moderne Ausleger (vgl. MEYER A., Das Rätsel des Jacobusbriefes, Beiheft ZNW 10,1930) halten den Brief sogar für eine jüdische Schrift, die ursprünglich dem Patriarchen JAKOB zugeschrieben war, was auch die merkwürdige Briefadresse erkläre.- Diese Einschätzung dürfte wohl übertrieben sein. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 162 Der Brief gibt sich als von PETRUS durch seinen Sekretär SILVANUS (5,12) in "Babylon" (Rom, 5,13) verfasst. Gegen PETRUS als Verfasser spricht: Es findet sich kein Hinweis, dass der Verfasser JESUS persönlich kennt; der Verfasser schreibt ein sehr gutes Griechisch und zitiert das AT immer nach der LXX; es finden sich viele Anklänge an PAULUS in Sprache, Theologie und darin, dass der Brief an kleinasiatische Gemeinden adressiert ist, die vorwiegend von PAULUS gegründet worden waren. Für SILVANUS treffen diese Gegenargumente aber nicht zu: Er kannte JESUS nicht persönlich ; er hatte Griechisch als Muttersprache; er war, bevor er Sekretär des PETRUS wurde, Schüler und Begleiter des PAULUS. Ist die "Sekretärshypothese" hier also zutreffend (d.h. dass der Brief vom Sekretär des PETRUS verfasst worden sei)? Wenn ja, dann kaum in dem Sinn, dass SILVANUS den Brief direkt im Auftrag des PETRUS schrieb - denn dann müsste er vor 67 n. (dem wahrscheinlichsten Todesjahr des PETRUS) entstanden sein; vielleicht aber in dem Sinn, dass SILVANUS später Anliegen des PETRUS (und des PAULUS) aufgriff - denn der Brief verweist eher in die Zeit zwischen 80 und 90 n.Chr. - eine Zeit zwischen der Christenverfolgung durch NERO und der durch DOMITIAN, in der die Christen "nur" gesellschaftlich diskriminiert waren - in manchem vergleichbar unserer heutigen Situation. Die Einleitung (1,1-12) umfasst das übliche Präskript mit Absender, Adressaten und Gruß und hier, wie sonst oft bei PAULUS, eine Eulogie, einen Lobpreis GOTTES weil das Heil schon begonnen hat, dürfen wir auch im gegenwärtigen Peirasmos (s.o., zu Jak) hoffen und sogar jubeln. Nun folgt die Grundparänese (1,13-2,10), d.h. die Mahnung zu Haltungen, die jedem Christen eignen sollten - Hoffnung, Heiligkeit (Lev 11 und 19), GOTTESfurcht, Bruderliebe, Verlangen nach "geistiger Milch" (es ist nicht ganz klar, ob mit diesem Bild das Wort GOTTES oder die Eucharistie oder beides gemeint ist); abgeschlossen wird dieser Teil durch ein an PAULUS erinnerndes Bild der Kirche (Kirche als Leib CHRISTI - 1 Kor 12) - die Christen als lebendige Steine, CHRISTUS als der Eckstein (Jes 28,16) und die Christen als "königliche Priesterschaft" (Ex 19,5f.), womit die Kirche als Erbin des atl. GOTTESvolkes verstanden wird. Die Einzelparänese (2,11-3,12) bringt Mahnungen an einzelne Gruppen der Gemeinde: die Christen sind Fremdlinge auf Erden, sie sollen sich der Staatsgewalt unterordnen, doch "um CHRISTI willen", die Sklaven sollen auch ungerechtes Leid ertragen - ein Gedanke, den der Autor ausweitet: CHRISTUSnachfolge ist Leidensnachfolge, Mahnungen an Frauen und Männer. Gedanken zum Leid und zur christlichen Gemeindeordnung (3,13,- 5,5) betonen nochmals den Wert des Leidens um der Gerechtigkeit willen (3,13 - 4,6) und als Läuterung und Gerichtsbeginn (4,12- 19); dazwischen sind zwei Gemeindeordnungen eingeschoben, eine mehr charismatische (4,7-11) und eine mehr institutionelle (5,15) mit einer presbyteralen Struktur. Nach dem Schlussappell zur Standhaftigkeit (5,6-11) folgt das Postskript (5,12-14). 2 Petr Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 163 Allgemeines 2 Petr gibt sich als Testament des PETRUS, ist aber sicher nicht von ihm (// 2 Tim als angebliches Testament von PL). Es ist die jüngste Schrift des NT, schon an den Anfang des 2.Jhs. gehörend. Seine Kanonizität war lange umstritten: im 2.Jh. wird er nirgends erwähnt, im 3.Jh. nennt ihn ORIGENES als umstrittene Schrift, erst im 4.Jh. wird er kanonisiert. Umgekehrt ist 2 Petr durch die Erwähnung der Sammlung der PL-Briefe und der "übrigen Schriften" (3,15 f.) ein frühes Zeugnis des beginnenden Kanons. Gründe, warum der Brief unmöglich von PETRUS sein kann: Er ist stark von Jud abhängig, ist aber sicher später entstanden, weil er Verbesserungen an Jud anbringt (wie etwa an der Reihenfolge biblischer Erzählungen und in der Vermeidung der Zitation nicht-kanonischer Schriften). Die apostolische Lehrtradition wird stark betont, in der Pastoral steht die sittliche Leistung der Christen im Vordergrund (z.B. 1,4-11) , in der Eschatologie sind jüdisch- hellenistische Einflüsse stärker als in allen anderen Schriften des NT (Beschleunigung der Parusie durch Wohlverhalten der Christen, rein futurische Eschatologie, kosmologische Weltbrandlehre, besonders aber gerechte Belohnung/Bestrafung - vgl. 1,11; 2,5 ff.; 3,7.11 f.). Daher wird dieser Brief als am stärksten "frühkatholisch" eingestuft. Die Ketzerpolemik ist wenig differenziert, als Gegner lassen sich libertinistische Gnostiker erkennen, die eine freizügige Ethik und eine rein präsentische Eschatologie vertraten. Es ist keine bestimmte Adressaten-Gemeinde rekonstruierbar, der Brief ist auch in diesem Sinne "katholisch", d.h. an die ganze Kirche gerichtet. 2 Petr 1,1-4: Der Brief beginnt mit der üblichen Absender- und Empfängerangabe und erweitertem Gruß. Der Eigenname SIMON wird durch die Titel "Petros", "Knecht" und "Apostel" ergänzt, was die dogmatische Autorität des Schreibers unterstreichen soll - er ist Garant der tradierten normativen Glaubenswahrheit, die den Christen vom Gnostiker unterscheidet. Die Wendung "Anteil an der göttlichen Natur" (V.4) verrät hellenistisch-dualistischen Einfluss. 2 Petr 1,5-21: Die überlieferte Wahrheit Es folgt ein kettenartig aneinandergereihter Tugendkatalog, der dem Ideal hellenistischer Frömmigkeit entspricht; die Tugenden werden als Voraussetzung des Einzugs ins Himmelreich verstanden. Der eigentliche Zweck des Briefes ist die Bezeugung der Zuverlässigkeit christlicher Hoffnung: Die Verklärung (und nicht die Auferstehung, was merkwürdig ist), deren Zeuge der Apostel ist, wird als Unterpfand der Parusie verstanden. Von der literarischen Fiktion des Testamentes her konsequent, von der fingierten frühen Verfassungszeit aber inkonsequent ist die Ankündigung des baldigen Todes. Das ganze AT wird als Prophetie verstanden, die, weil im GEISTE geschrieben, auch nur im GEISTE hier gleichgesetzt mit der kirchlichen Tradition - ausgelegt werden darf. 2 Petr 2: Warnung vor Irrlehrern Der Verf. spricht eine Warnung vor gnostischen Irrlehrern aus, die, entsprechend der fingierten frühen Abfassungszeit, als zukünftige vorausgesagt werden. Es werden ihnen "Ausschweifungen" und "Habgier" vorgeworfen. Für GOTTES Strafe werden drei atl. Beispiele genannt: die sündigen Engel, die Zeitgenossen NOACHs und die Landsleute LOTs. Es folgt eine ausführlichere Charakteristik der Irrlehrer als anmaßend - sie achten nicht einmal überirdische Mächte - , wieder als habgierig und ausschweifend, schließlich als Abtrünnige, die den wahren Weg kannten, aber wieder verließen. Solche Menschen bilden auch eine ständige Versuchung für die Gemeinde. 2 Petr 3,1-13: Apologie der christlichen Parusie-Erwartung Der Verf. verweist auf den angeblich von ihm stammenden 1 Petr - in beiden Briefen habe er als Apostel die wahre Überlieferung lehren wollen (die Fiktion der Verfasserschaft des PETRUS wird konsequent durchgehalten). Die VV. 3-4 verweisen allerdings unausgesprochen in eine spätere Zeit, in Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 164 der die Naherwartung zunehmend problematisch wurde. Der Verf. bringt vier Argumente gegen den Zweifel an der Parusie: 1.In der Sintflut gab es bereits einmal einen Weltuntergang und eine Neuschöpfung - hier durch Wasser; der künftige Weltuntergang werde durch Feuer erfolgen - GOTT nimmt offenbar durch Sein Wort die Elemente in den Dienst. Der Weltuntergang durch Feuer stammt eher aus dem indogermanischen Denken (Griechen, Germanen), wurde aber auch von den Sibyllinen übernommen (VV.5-7). 2. Vor GOTT gilt die Zeit nicht (V.8). 3.Die Parusie-Verzögerung ist fundiert in der Langmut GOTTES (V.9). 4.Der "Tag des HERRN" kommt "wie ein Dieb", d.h. völlig unerwartet (V.10). Daher mahnt der Verf. zu einem christlichen Lebenswandel, von dem er auch eine Beschleunigung der Parusie erwartet (// rabbinisches Judentum). In der Bibel finden sich zwei Vorstellungen - die der Renovierung und (meist in jüngeren Schriften: Jes 65,17; Offb 21,1.5 und in Apokryphen) die der Neuschöpfung - 2 Petr teilt die letztere. 2 Petr 3,14-18: Briefschluss Nach nochmaliger Mahnung zur Sittlichkeit bezeugt der Verf. die PAULUSbriefe , die als "schwer verständlich" und von "Unwissenden verdreht" (gemeint ist wohl die libertinistische Fehlinterpretation der paulinischen Gnadenlehre) bezeichnet werden. Sie werden jedenfalls mit den "Schriften" (offenbar des AT) auf eine Stufe gestellt. Der Brief schließt mit einem Segenswunsch an die Adressaten und einer Doxologie. 1/2/3 Joh Der Verfasser wird in keinem der drei Briefe genannt, die Zuschreibung an JOH erfolgte im 2.Jh. aufgrund der sprachlichen und theologischen Nähe zum Joh-Ev. PAPIAS (M.2.Jh.) kannte nur den 1 Joh, der Canon Muratori 1 Joh und einen zweiten (unklar, ob 2 Joh oder 3 Joh). Ab dem 3.Jh. sind alle drei Briefe bezeugt (CLEMENS v. Alexandrien), ab dem 4.Jh. gelten sie als "katholisch" (EUSEB) und kanonisch (ATHANASIUS). Nur in 2 Joh und 3 Joh bezeichnet sich der Verfasser als Ältester. Seinen Namen nennt er nicht, da er offenbar den Adressaten gut bekannt war. Vor der Entwicklung der dreistufigen Gemeindeverfassung (Episkopos - Presbyteros - Diakonos) gab es Presbyteroi, meist Apostelschüler (vgl. paulinische Gemeinden), als verantwortliche Tradenten der apostolischen Lehre. Ob der hier genannte Presbyter mit dem von PAPIAS genannten Presbyter JOHANNES ident ist, ist ungewiss. Die drei JOHANNESbriefe sind inhaltlich und sprachlich miteinander verwandt und zeigen auch eine Nähe zum Joh-Ev. Wie im Joh-Ev sind Glaube und Liebe die Grundthemen, terminologisch gibt es kleine Unterschiede: Mit "Licht der Welt" ist im Ev CHRISTUS, in 1 Joh GOTT selbst gemeint; mit "Parakletos" ist im Ev der GEIST, in 1 Joh aber CHRISTUS gemeint. Aufgrund ihrer Kürze geben 2 Joh und 3 Joh natürlich weniger für einen Vergleich her als 1 Joh; zumindest für 1 Joh kann man schließen, dass der Brief denselben Verfasser hatte wie der - besonders in Joh 21 hervortretende - Endredaktor des Joh-Ev (vgl. bes. das Motiv der Zeugenschaft: Joh 21,24 f. // 1 Joh 1,1-3). Ob 2 und 3 Joh denselben Verfasser hatten wie 1 Joh, ist exegetisch umstritten und aufgrund der Kürze von 2 und 3 Joh kaum je mit Sicherheit entscheidbar - mit Sicherheit entstammen alle drei Briefe derselben Schultradition der johanneischen Gemeinde(n). Das passt auch zu ihrer wahrscheinlichsten Entstehungszeit - um 100 n. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 165 1 Joh ist ein theologischer Traktat an eine Gruppe von Gemeinden, also wirklich "katholisch". 2 Joh richtet sich an eine als "Herrin" bezeichnete Gemeinde, 3 Joh ist ein Privatbrief an einen uns nicht mehr näher bekannten GAIUS, beide sind echte Briefe. Alle drei Briefe dürften als Irrlehre gnostische Gruppen bekämpfen, die aufgrund ihres Dualismus doketistisch (Leugnung der Menschwerdung) und libertinistisch (freizügige "Ethik") waren. 1 Joh 1 Joh ist kein Brief im eigentlichen Sinn, sondern ein theologischer Traktat über die Themen Glaube und Liebe, zugleich eine Apologie gegen "Ketzer", die hier (gnostische) Leugner der Inkarnation sein dürften - alle von der Gnosis beeinflussten Sekten dachten stark dualistisch, lehnten also die Inkarnation ab. Das Leben in Gemeinschaft mit GOTT (1,5-2,17) ist ein Leben im Licht, gekennzeichnet durch das Halten Seiner Gebote - besonders des "neuen" Gebotes (vgl. Joh 13,34) der Bruderliebe: Dieser Begriff ist enger, aber intensiver als der der Nächstenliebe: er meint das Verhalten der Christen untereinander, analog zu den Idealen der Bergpredigt. Der bekannte Vers „GOTT ist Licht, und es ist keine Finsternis in Ihm“ 1 Joh 1,5) zeigt, dass der johanneische Dualismus kein metaphysischer ist (guter Geist / böse Materie) – GOTT als die wahre Wirklichkeit ist Licht; die Dunkelheit stammt von Menschen, die sich gegen GOTT und Seinen CHRISTUS entscheiden – Finsternis ist kein ontologisches, sondern ein existentielles Problem (vgl. auch EBTH, zum Joh-Ev) Die Bewährung des Glaubens (2,18-3,24) soll erfolgen in Abwehr der Irrlehrer, die hier ausdrücklich als "Antichristen" bezeichnet werden (2,18), und im Leben als Kinder GOTTES, das sich besonders in der Bruderliebe konkretisiert. Ein solcher Glaube ist Weg zum Leben (4,1-5,12): er unterscheidet die Geister, d.h. unterscheidet zwischen Gläubigen und Irrlehrern (Unterscheidungskriterium ist wieder - der Glaube an den fleischgewordenen GOTTESSOHN); er lebt die Bruderliebe als Antwort auf die zuvorkommende Liebe GOTTES - "denn GOTT ist die Liebe" (4,8); Liebe macht auch zuversichtlich für den Tag des Gerichts; und GOTTESliebe ist nur glaubwürdig, wenn sie sich in Bruderliebe konkretisiert und sich zu CHRISTUS als dem SOHN bekennt: für die GOTTSOHNschaft werden drei "Zeugen" genannt: der GEIST, das Wasser (der Taufe) und das Blut (des HERRENmahles) (5,7-8: Hier wurde von späteren Textzeugen (des 2./3.Jhs.) das sog. Comma Johanneum eingefügt: "im Himmel zeugen VATER, WORT und GEIST, auf Erden GEIST, Wasser und Blut"). Der Briefschluss ist untypisch, weil er keine Grüße u.ä. enthält; er bringt noch einen neuen und nicht ganz klar überlieferten Gedanken, das Verhältnis von Sünde und Ewigem Leben (5,13-19: im AT verstand man unter "Todsünden" solche, die mit dem Tod zu bestrafen waren; hier zeichnet sich die neue, auch uns geläufige Bedeutung ab: Sünden, die von GOTT als dem Ewigen Leben trennen. Worin sie bestehen, wird hier nicht gesagt - vielleicht in der Leugnung des SOHNES. V.16 ist in den Handschriften unterschiedlich überliefert: "eine Sünde, die nicht zum Tod führt"/ Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 166 "eine Sünde, die zum Tod führt" - wobei die erste Möglichkeit aufgrund der Fortsetzung wahrscheinlicher ist. Auf jeden Fall wird angenommen, dass der Mensch sich durch Sünde von GOTT trennen kann, dass aber der, der zu GOTT gehört, davor bewahrt wird). Schließlich folgt eine Zusammenfassung der Hauptgedanken: CHRISTUS ist der wahre Offenbarer, der wahre GOTT und das Ewige Leben (5, 2021). 2 Joh Das sehr kurze Schreiben ist ein Brief, der Absender bezeichnet sich als "der Älteste", was wohl eher ein Titel als eine Altersangabe ist; die Adressatin wird als "Kyria" (Herrin) tituliert, was wohl Bezeichnung einer Gemeinde mit ihren Mitgliedern und nicht Titel einer Frau mit ihren Kindern ist. Inhaltlich ist der Brief eine einfache Kurzfassung von 1 Joh: die Aufforderung zum Leben in der Liebe, d.h. nach den Geboten, und die Warnung vor Irrlehrern, die wieder als "Antichrist" bezeichnet werden. 3 Joh 3 Joh ist ein sehr kurzer Privatbrief des "Ältesten" an einen uns nicht bekannten GAIUS. Inhaltlich werden allgemeine Anliegen (wie die Unterstützung von Wandermissionaren, VV.5-8, und die Mahnung, das Böse zu meiden und das Gut zu tun, V.11) und persönliche Anliegen verbunden (die Ablehnung eines DIOTREPHES, die Empfehlung eines DEMETRIUS). Jud Dieser Brief gibt sich als Brief des HERRENbruders JUDAS, des Bruders des JAKOBUS d.J., und diente in manchem 2 Petr als Vorlage. Nach der üblichen Einleitung (VV.1 f.) folgt die Warnung vor - nicht näher bestimmbaren - Irrlehrern (VV.3-16) und die Mahnung zur Glaubenstreue und Fürsorge für gefährdete Glaubensbrüder (VV.17-23); der Brief schließt mit einer Doxologie (VV. 24 f.). ________________________________________________________________ LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 6 Außer den in EBTH genannten Kommentaren und den in den Anmerkungen genannten Werken werden empfohlen: LOHSE E., Paränese und Kerygma im 1 Petr, ZNW 45,1954,68-89. LUCK U., Die Theologie des Jak., ZThK 81, 1984, 1-30. MERKLEIN H., Paulinische Theologie in der Rezeption des Kolosser- und Epheserbriefes, in: ders., Studien zu Jesus und Paulus (WUNT 43), Tübingen 1987, 409-453. SCHWARZ R., Bürgerliches Christentum im NT ? Eine Studie zu Ethik, Amt und Recht in den Pastoralbriefen (ÖBS 4), Klosterneuburg 1983. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 167 WEIß K., Die "Gnosis" im Hintergrund und im Spiegel der Johannesbriefe, in: Gnosis und NT (ed.K-W.TRÖGER), 1973, 341-356. 7 DIE OFFENBARUNG DES JOHANNES 49 7.1 Prophetie und Apokalyptik Im Judentum hatte sich der Jenseitsglaube erst spät entwickelt - noch z.Z. JESU glaubten gerade die sadduzäischen Tempelpriester nicht an ein Jenseits -, daher hatte die (vorexilischen und exilischen) Propheten ihre Kritik und ihre Verheißungen immer auf die Gegenwart oder eine aus dieser ablesbaren innergeschichtlichen Zukunft bezogen. Dies änderte sich nachexilisch, und zwar aus mehreren Gründen: Innerjüdische Entwicklungen: - Das erhoffte innergeschichtliche Heil blieb aus. Allmählich taucht auch die Frage auf (etwa in Psalmen oder in der Weisheitsliteratur), ob nicht GOTT, der HERR über alles ist, auch Herr über den Tod sei. Später, unter der Syrerherrschaft, kam ein weiteres Motiv hinzu: In den Makkabäerkämpfen gegen die Syrer fielen gerade die Glaubenseifrigsten im Kampf - sollte GOTT sie im Stich lassen ? Beeinflussung von außen: Die Juden waren über 200 Jahre unter persischer Herrschaft. Die Perser aber waren Anhänger des Parsismus, einer stark dualistisch geprägten Hochreligion: Es gibt einen guten GOTT des Lichtes und einen bösen GOTT der Finsternis, die im Kampf liegen; die Weltgeschichte hat den Sinn, dass die Menschen dem guten GOTT zum Sieg verhelfen; dieser Kampf ist beschwerlich, das Ende, der Sieg des Guten, aber herrlich. Im Zusammenhang mit dem entstehenden Jenseitsglauben entwickelte sich die Prophetie zur Apokalyptik ("Enthüllung"), gekennzeichnet durch (nach GRESHAKE und LOHSE): Prophetie Offen, durch GOTT & Mensch gestaltbar Hoffnung Auf die Treue des Partner-GOTTES Naherwartung Zeit als Handlungszeit Ordnungsprinzip Schon – noch nicht in dieser Welt Wirklichkeitssicht Ganzheitlich Zukunft 49 Apokalyptik Enthüllung des ewig von GOTT allein Bereiteten Auf das Erscheinen des Retter-GOTTES Zeit als Wartezeit Diesseits – Jenseits Dualistisch: böser, gegenwärtiger, irdischer Äon guter, zukünftiger, jenseitiger Äon, also zeitlicher & räumlicher Dualismus dualistische Gegenüberstellung der Akteure, z.B. in der Joh- Offb: Außer den in EBTH genannten Kommentaren, besonders des NTD (LOHSE E., Die Offb des Johannes), wurden herangezogen: KOCH K., Apokalyptik (WdF 365), Darmstadt 1982; VÖGTLE A., Das Buch mit den sieben Siegeln. Die Offenbarung des Johannes in Auswahl gedeutet, Freiburg 1981; WOSCHITZ K.M., Erneuerung aus dem Ewigen. Denkweisen - Glaubensweisen in Antike und Christentum nach Offb 1-3, Wien 1987. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 168 GOTT Teufel (Drache, Schlange, SATAN) MESSIAS, Lamm 2 Assistenztiere des Teufels (Röm. Reich und Kaiserkult) Braut, Frau Hure Babylon Neues Jerusalem Stadt Babylon (=Rom) Der irdische Äon läuft in unterscheidbaren Perioden seinem schrecklichen Ende zu ("apokalyptische oder messianische Wehen"): dabei wird die Gegenwart immer als diese schreckliche Endzeit verstanden - Apokalypsen wollen Trostschriften sein, die in einer Verfolgungszeit zum Ausharren ermutigen: daher sind die jüdischen Apokalypsen in der Zeit der Judenverfolgung durch die Syrer entstanden (1.H.2.Jh.v.Chr.), die christlichen Apokalypsen in der Zeit der Christenverfolgungen durch die Römer (ab E.1.Jh.n.Chr.). Am Höhepunkt der Not erscheint GOTT (oder Sein MESSIAS), hält Endgericht und errichtet einen neuen, paradiesischen, ewigen Äon. Ein weiteres Charakteristikum von Apokalypsen ist die Zahlenmystik: Heilige Zahlen stammten urspr. aus Astralreligionen, dieser Ursprung wurde später vergessen: 7 7 damals bekannte Planeten = Fülle des Alls 3 1/2 = Hälfte davon, daher Unvollendetheit 4 4 Enden der flächig vorgestellten Erde + 4 Jahreszeiten, die von 4 Sternbildern regiert werden. 12 12 Monate = Vollendung (des Jahres) 24 24 Gestirne, je 12 nördlich und südlich des Tierkreises In der Zeit der syrischen Judenverfolgung entstanden viele jüdische Apokalypsen, meist unter großen Namen der Vergangenheit (HENOCH, ABRAHAM, JAKOB, MOSE,...), doch wurde nur eine in den Kanon des AT aufgenommen, das Buch DANIEL; apokalyptische Teile finden sich ferner in Sach und Jes 24-27. Ebenso entstanden in der Zeit der römischen Christenverfolgung viele christliche Apokalypsen, doch wurde nur die des JOHANNES in den Kanon des NT aufgenommen; apokalyptisches Gedankengut findet sich vereinzelt in den späteren Briefen, wie in den Deuteropaulinen (z.B. 2 Thess) und in den Katholischen Briefen (bes. 2 Petr). 7.2 Die Offenbarung des JOHANNES als christliche Apokalypse Im NT gibt es nur diese eine Apokalypse; sie unterscheidet sich von jüdischen Apokalypsen in doppelter Weise: sie ist nicht pseudonym (d.h. der Verfasser schreibt unter seinem eigenem Namen) und enthält keine vaticinatio ex eventu (Weissagung aufgrund des Eingetroffenen), sondern bezieht sich ausschließlich auf die Deutung der eigenen Gegenwart. Orthonymität und Fehlen der vaticinatio ex eventu hängen zusammen: Nur wer unter dem Pseudonym einer berühmten Persönlichkeit der Vergangenheit schreibt, kann - auf vergangene Ereignisse zurückblickend - diese als Zukunftsweissagungen darstellen. Der Autor nennt sich JOHANNES und bezeichnet sich als "Knecht GOTTES" (Offb 1,1) und "euer Bruder JOHANNES" (Offb 1,9): Es gibt keinen Grund, diese Namensangabe zu bezweifeln - aber ebenso keinen, ihn mit dem Verfasser des JohEv zu identifizieren, was der Verfasser der Offb selbst auch nirgends tut. Schon Bischof DIONYS v. Alexandrien, M.3.Jh.n., wies auf die starken Unterschiede Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 169 zwischen dem Verfasser des Joh-Ev und der Joh-Briefe einerseits und dem der Offb andererseits hin: In der Form ist die Sprache der Offb viel stärker hebräisierend und mit Zitaten und Anspielungen aus dem AT durchzogen. Inhaltlich gibt sich der Autor nicht als Augenzeuge JESU und bezieht sich auch nicht auf den irdischen JESUS, sondern schildert bildhaft den Ablauf der "Letzten Dinge", d.h. der Ereignisse zwischen der Auferstehung JESU und Seiner Wiederkunft und Errichtung der GOTTESherrschaft. Der Autor JOHANNES war ein frühchristlicher Seher und muss eine in Kleinasien bekannte und anerkannte Autorität gewesen sein. Seine Identität mit dem in der Kirchengeschichte des EUSEBIUS genannten Presbyter JOHANNES ist nicht nachweisbar. Nach dem Zeugnis des IRENÄUS entstand die Offb gegen Ende der Regierung des DOMITIAN (+ 96 n.), was sicher richtig ist: Dieser Kaiser forderte als erster schon zu Lebzeiten göttliche Verehrung von allen Untertanen - die Christen verweigerten dies und wurden verfolgt. Die kanonische Anerkennung der Offb erfolgte im Westen früher als im Osten, generell endgültig erst mit dem Osterfestbrief des ATHANASIUS, 367 n. Die Offb erfuhr im Laufe der Geschichte eine vielfältige Deutung: Vom Mittelalter bis in die Neuzeit versuchte man eine kirchen- bzw. weltgeschichtliche Erklärung herauszulesen, wobei es zu recht willkürlichen Identifikationen kam. So verstehen heute nur Sekten die Offb und lesen dann die merkwürdigsten Dinge aus ihr heraus. Heute weiß man, dass der Autor seine eigene Zeit als Endzeit deutete; dies schließt allerdings nicht aus, dass wir vieles auch auf unsere Zeit beziehen können doch müssen wir uns bewusst bleiben, dass wir diese Bezüge herstellen und nicht der Seher JOHANNES unsere Zeit (oder andere für ihn zukünftige Zeiten) "voraussah". 7.3 Die Gliederung der Offb EINLEITUNG (1,1-20) Vorwort, briefliche Einleitung und Berufung des JOH. 7 SENDSCHREIBEN (2,1-3,22) Ephesus - Smyrna - Pergamon - Thyatira - Sardes - Philadelphia - Laodizea. 7 SIEGEL (4,1-8,1) Vorspiel im Himmel 7 Siegel: Schädigung von 1/4 durch 6 Siegel 1.Zwischenstück (7,1-17) 7.Siegel: Stille 7 Engel mit 7 Posaunen 7 POSAUNEN (8,2-11,19) 7 Erzengel mit Posaunen + 1 Engel mit Räucherpfanne: Schädigung von 1/3 durch 6 Posaunen 2.Zwischenstück (10,1-11,14) 7.Posaune: Öffnung des Allerheiligsten des himml. Tempels LAMM UND DRACHE (12,1-14,20) 12: Himmelskönigin Drache MESSIAS zu GOTT entrückt, Drache bedroht die Frau 13: 2 Tiere als Assistenten des Teufels: Röm. Reich und Kaiserkult 14: Lamm mit den Seinen - 3 Engel verkünden Gericht Erscheinung des MENSCHENSOHNES mit Sichel auf Wolke, "Weizenernte" und "Traubenernte" als Gerichtsbilder. 7 SCHALEN (15,1-16,21) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 170 7 Engeln mit 7 Zornesschalen als Steigerung der Plagen der Posaunen: nicht mehr nur 1/3, sondern alle betroffen DER FALL BABYLONS (17,1-19,10) Vernichtung der Hure Babylon (Stadt Rom) / Triumphlieder der himml. Chöre, weil Erlösung angebrochen WIEDERKUNFT CHRISTI UND VOLLENDUNG (19,11-22,5) Wiederkunft CHRISTI als gerechter Richter - 1000jähriges Reich - Endsieg über den freigelassenen Teufel + GOG + MAGOG ( Ez 38 f.) - Gericht gemäß den Werken Neuschöpfung im Bild der Braut ( Hure) + des Neuen Jerusalem ( Babylon), bildhafte Schilderung der neuen Stadt SCHLUSS + BEGLAUBIGUNG (22,6-21) CHRISTUS bestätigt den Seher JOH. und verheißt baldige Ankunft 7.4 Der Inhalt der Offb in Schwerpunkten Einleitung (Offb 1) Das Vorwort (1,1-3) stellt die Schrift als Offenbarung durch einen Deuteengel und den Autor als JOHANNES, Knecht und Zeuge CHRISTI, vor. Die briefliche Einleitung (1,4-8) weist die Schrift als Rundschreiben an sieben Gemeinden der römischen Provinz Asia (den Großteil Kleinasiens umfassend) aus. Die genannten Orte waren Sitz römischer Behörden und insofern von gewisser Bedeutung; zudem waren sie in einem Rundkurs auf römischen Straßen erreichbar - der Brief war also wirklich ein Rundschreiben. Der Brief betrifft die Ereignisse zwischen CHRISTI Auferstehung und Parusie, die als bald bevorstehend vorgestellt wird ("...was bald geschehen muss", 1,1). GOTT wird durch eine dreigliedrige Formel umschrieben ("der da ist und der da war und der da kommt"(1,4), ebenso CHRISTUS ("der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde", 1,5). Die Siebenzahl und die Dreizahl bleiben für den Aufbau des gesamten Buches bestimmend. Die 7 Geister sind die als 7 Erzengel umgedeuteten 7 Planeten. In den folgenden Versen (1,7-8) wird CHRISTUS als der Wiederkommende charakterisiert (nach Dan 7,13 und Sach 12, 4-10), was durch GOTT Selbst bestätigt wird (Jes 41,4; 44,6 u.ö.). Hierauf wird der Seher durch eine Einleitungsvision / Berufungsvision beauftragt (1,9-20); dabei wird häufig das Vergleichswort "wie" verwendet - typisch für die literarische Gattung der Apokalyptik, die Übersinnliches durch sinnliche Bilder veranschaulicht und zugleich die Unzulänglichkeit dieser Bilder betont. Der Seher weilt, wohl in Verbannung, auf der Insel Patmos. Die Verbannung war eine durch das Römische Recht vorgesehene Strafe. Patmos, eine kleine Insel vor der kleinasiatischen Küste, war eine für Verbannungen vorgesehene Insel. Nach der Audition einer Stimme "wie" einer Posaune erfolgt die Vision CHRISTI in Seiner himmlischen Herrlichkeit: Er wird beschrieben einerseits als Mensch, andererseits als Nicht-nur-Mensch, wobei Bilder aus dem AT verwendet werden, besonders Dan 7,9 (Dass die Visionen des Sehers immer wieder aus atl. Bildern "zusammengesetzt" erscheinen, spricht nicht gegen ihre Echtheit. Es ist vielmehr psychologisch erwiesen, dass der Mensch in Träumen u.ä. Zuständen nur solches kombinieren kann, was er erfahren hat. Der judenchristliche Seher "sieht" daher mithilfe der ihm vertrauten Bilder aus dem AT): das lange Gewand symbolisiert die hohepriesterliche, der Goldgürtel die königliche Würde, das weiße Haar Seine Zeitlosigkeit, die flammenden Augen die Allwissenheit, das Schwert aus dem Mund die richterliche Hoheit. Die für Epiphanieerzählungen typische Furchtreaktion des Menschen ist hier dadurch gesteigert, dass der Seher "wie tot" zu Boden fällt und CHRISTUS ihn mit dem ebenfalls typischen "Fürchte dich nicht" aufrichtet, wobei Er die vorigen GOTTESprädikate nun zur Selbstbezeichnung verwendet und dadurch Seine Gleichrangigkeit mit GOTT betont (1,17 f.). Abschließend werden die sieben Leuchter als die sieben Gemeinden gedeutet, die sieben Sterne als deren Schutzengel. Die Vorstellung, dass nicht nur der Einzelmensch, sondern auch Städte ihre Schutzgeister - im Judentum: Schutzengel - hätten, war der Antike geläufig. Die sieben Sendschreiben (Offb 2-3) Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 171 Obwohl die Beurteilung der Gemeinden verschieden ist - uneingeschränktes Lob erhalten nur Smyrna und Philadelphia - , ist der formale Aufbau bei allen gleich und entspricht der atl. Bundeseinforderung: Botenformel ("Das sagt der...", "So spricht der ..."), Botenspruch ("Ich kenne", "Ich weiß") und Beurteilung, die immer bezogen ist auf die Auseinandersetzung zwischen CHRISTUStreue und Kaiserkult, ein im Zentrum des Buches (Offb 12- 14) wiederkehrendes Thema. Die Adressatengemeinden sind: Ephesus - Smyrna - Pergamon - Thyatira - Sardes - Philadelphia - Laodizea. Die sieben Siegel (Offb 4,1 - 8,1) Vorspiel im Himmel: Eine Himmelsvision dient als Ouvertüre des Endgeschehens (4,1-11): Der Himmel wird als Palast vorgestellt, der auf dem Firmament ruht, weshalb sich vor dem GOTTESthron "ein gläsernes Meer" (4,6) befindet (Nach populärer antiker Vorstellung war die Erde eine auf dem Meer ruhende Scheibe, darüber das Firmament wie eine Käseglocke, darüber ebenfalls Wasser). Im Gegensatz zum Menschensohn wird GOTT auf Seinem Thron nicht beschrieben (wie Jes 6), nur Sein Glanz mit dem von Edelsteinen bzw. Halbedelsteinen verglichen und Seine Herrlichkeit durch Seinen Hofstaat ausgedrückt: 24 Älteste, eher Engel als verklärte Menschen, bilden den Thronrat (Die Zahl 24 ist nicht ganz klar: vielleicht wurden hier undurchschaut die 24 bei den Babyloniern als GÖTTER verehrten Gestirne übernommen). 7 Feuerfackeln, ursprünglich die 7 in der Antike bekannten Planeten (so noch Ez 1,27), wurden bereits im späteren Judentum (Tob 12,15) als 7 (Erz)Engel verstanden. Die 4 Lebewesen werden hier, wie bei Jes (Jes 6,2 f.), als sechsflügelige SERAPHIM verstanden, die zum Lobpreis GOTTES bestimmt sind und deren viele Augen Allsichtigkeit symbolisieren. Diese 4 Lebewesen waren urspr. in Babylon die 4 Sternzeichen, die die 4 Jahreszeiten einleiten: der Stier den Frühling, der Löwe den Sommer, der Skorpion / Mensch den Herbst und der Wassermann / Adler den Winter. Diese 4 Lebewesen wurden - ohne ihre astrologische Herkunft schon bei EZECHIEL übernommen (Ez 1,10), doch als vier gleiche Wesen, die nach vier Seiten hin vier verschiedene Gesichter tragen, nämlich Mensch, Löwe, Stier und Adler. In der Offb wurden wieder vier verschiedene Lebewesen daraus, die als Engel charakterisiert sind. Die Identifikation mit den Evangelisten geht erst auf die Kirchenväter zurück. Der Szene kommt Aktualität für die Zeit des JOHANNES zu: nur GOTT gebührt Lobpreis, nicht dem die Göttlichkeit bloß beanspruchenden römischen Kaiser. GOTT hält eine mit 7 Siegeln versiegelte Buchrolle in der Hand - Dan 12,4 versiegelt DANIEL die Buchrolle "bis zur Zeit des Endes", d.h. die Offb beansprucht, die Fortsetzung von Dan zu sein. Nur CHRISTUS ist würdig, sie zu öffnen, d.h. den göttlichen Heilsplan zu vollenden (Offb 5,1-14). Dabei wird CHRISTUS mit atl. MESSIASprädikaten betitelt ("Löwe aus dem Stamm JUDA", Gen 49, 9 f.; "Spross aus der Wurzel DAVIDS", Jes 11,1 ff.). Er, der gerade noch als priesterlich-königlichrichterlicher Menschensohn dargestellt worden war - der rasche Wechsel von Bildern ist typisch für diese Literaturgattung -, wird nun als Lamm (Opfertier) und Widder (Kraftsymbol) dargestellt, die Wendung "wie geschlachtet dastehend" bezeichnet, ähnlich dem Joh-Ev, die Doppeldeutigkeit der Erhöhung durch Kreuz und Auferstehung; die 7 Hörner symbolisieren Macht, die 7 Augen Allwissenheit. Dieses Lamm wird nun durch einen Hymnus (5,9-12) in gleicher Weise verehrt wie vorher GOTT Selbst (4,9-11), dann werden beide gemeinsam gepriesen (5,13 f.). Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 172 Nun erfolgt die Öffnung der 7 Siegel durch das Lamm (Offb 6,1-8, 5) - sie bewirken die Schädigung von 1 Viertel der Schöpfung: Der Gedanke der "apokalyptischen Wehen" war atl. vorbereitet, im NT findet sich der Gedanke zuerst bei PAULUS (z.B. 1 Kor 7, Röm 8), bei MARKUS (Mk 13), in späteren Briefen (z.B. 1 Petr, 1 Joh): die Geburt der neuen Schöpfung geht unter Katastrophen vor sich. Die Öffnung der ersten vier Siegel bringt - in freier Weitergestaltung von Sach 1,7-15 - vier Reiter (6,1-8): sie sind "allegorische Personifikationen der durch sie bewirkten Plagen" (WIKENHAUSER), ihre Farben haben symbolische Bedeutung: das weiße Ross steht für den Eroberungskrieg, das rote für den Bürgerkrieg, das schwarze für die Hungersnot, das fahle für den (Seuchen)Tod. - Das 5.Siegel zeigt die Seelen der Blutzeugen am himmlischen Altar (6,9-11): der Himmel, zuvor als Palast vorgestellt, wird nun zu einem Tempel mit Altar, um den sich die Märtyrer befinden; ihr Blut (Sitz des Lebens) ist am Altarfuß ausgesprengt wie im AT das der Opfertiere. Sie bitten nicht um "Rache", sondern um Durchsetzung der göttlichen Macht. - Das 6.Siegel (6,12-19) bringt den (teilweisen) Zusammenbruch der kosmischen Ordnung. Vor der Öffnung des 7.Siegels ist als retardierendes Moment ein Zwischenspiel eingeschoben (7,9-17), nämlich die Versiegelung der 144 000 und die unzählbare Schar vor dem Thron und Lamm; die Versiegelung schließt an Ez 9,1 ff. an, wo es um die Bezeichnung derer geht, die vor der Vernichtung durch die Heere NEBUKADNEZARS bewahrt werden sollen; das Versiegelungszeichen kann christlich umgedeutet werden (Die Versiegelung erfolgt bei Ez mit dem althebräischen Zeichen für den Buchstaben Taw, der +-förmig oder x-förmig geschrieben werden konnte beides wäre als Anspielung auf CHRISTUS zu deuten, entweder auf Sein Kreuz oder auf Seine Initialen (Ch wird im Griechischen als X geschrieben). Die Zahl 144 000 ist natürlich symbolisch zu verstehen - gemeint ist die Wiederherstellung der 12 Stämme Israels in großer Fülle (12 x 12 000). Die "große Schar, die niemand zählen konnte", meint wohl die geretteten Heidenchristen, unter denen wieder die Märtyrer (Siegespalme) herausragen. Das GOTTESvolk umfasst jedenfalls Juden(christen) und Heidenchristen - ein mehrfach (11,1 f.; 21,1214) wiederkehrender Gedanke. - Vor der Öffnung des 7.Siegels (8,1-5) tritt, als dramatische Pause, eine halbstündige Stille ein, dann erhalten die 7 (Erz)Engel 7 Posaunen, das typische Instrument des Endgerichtes (vgl. Joel 2,1; 1 Thess 4,16; 1 Kor 15,52 u.ö.). Die 7 Posaunen (Offb 8,2 - 11,19) Im folgenden Abschnitt (Offb 8,2-11,19) verbreiten die 7 Posaunen gesteigerte Katastrophen - Schädigung von 1 Drittel: Die durch die ersten vier Posaunen ausgelösten Katastrophen sind den ägyptischen Plagen (Ex 7-10) nachgebildet (1: Hagel + Feuer + Blut, 2: blutiges Meer, 3: WermutStern macht 1/3 der Flüsse bitter, 4: die Himmelskörper verlieren 1/3 ihrer Leuchtkraft). Die 5.Posaune kombiniert dazu die Heuschreckenvision des JOEL (Joel 1,2-2,11), steigert sie aber durch Dämonisierung der Heuschrecken und dadurch, dass sie der Anführer der gefallenen Geister befehligt - er wird hebr. als ABBADON, griech. als APOLLYON (Verderber) bezeichnet. Vielleicht ist dies eine Anspielung auf den griechischen GOTT APOLLON, der in der griechischen Epik (z.B. Ilias) und Dramatik fallweise als Pest- und Würgengel fungiert und andererseits seit AUGUSTUS der besondere Schutzgott des römischen Herrscherhauses war. Die 6.Posaune (9,13-21) bringt eine Befreiung der 4 Unheilsengel des Euphrat mit einem dämonischen Reiterheer, das in Qualität und Quantität unrealistisch ist - sie töten 1/3 der ungläubigen Menschen. Sinn der Katastrophen ist die Bekehrung der Menschen (9,20), doch sie bekehren sich nicht. Nun folgt wieder ein Zwischenspiel (10,1-11,14), das dreiteilig ist: Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 173 Der Seher muss eine kleine, süß schmeckende, doch im Magen bittere Buchrolle verzehren (10,1-11). Die übliche Deutung - der Weg zur süßen Erlösung führt durch bittere Leiden - ist nicht recht einsichtig, weil das Büchlein dann umgekehrt im Mund bitter und im Magen süß sein müsste; aber wahrscheinlich kann man Bilder nicht nach logischen Kriterien beurteilen. Vielleicht ist auch nur gemeint, das Wort GOTTES ist süß (heilbringend) und bitter (Gerichtswort) zugleich. Der Seher muss - in Anlehnung an Ez 40,3-43,20 - den neuen Tempel vermessen, d.i. die aus Juden und Heiden bestehende Heilsgemeinde des Neuen Bundes; die merkwürdige Zeitangabe von 42 Monaten begegnet noch öfter. Die Zahl 7 ist eine heilige Zahl, die Vollkommenheit ausdrückt; ihre Hälfte, 3 1/2, drückt daher Unvollkommenheit - und somit die Zeit der endzeitlichen Wehen - aus: 3 1/2 Jahre sind 42 Monate oder 1260 Wochen - Zeitangaben, die sich schon bei Dan 7, 25 finden und in der Offb mehrfach übernommen wurden. Und schließlich treten zwei Zeugen auf (11,3-14), die vom "Tier", dem Römischen Reich (s.u.) getötet, doch von GOTT auferweckt werden. Die Deutung dieser beiden Zeugen ist umstritten: Am unwahrscheinlichsten ist, dass es sich hiebei um PETRUS und PAULUS handelt, da die "große Stadt" (11,8) eindeutig Jerusalem und nicht Rom meint. - Eher könnte - in freier Weitergestaltung von Sach 4,2 ff (2 Ölbäume: der Herrscher SERUBABBEL und der Priester JOSCHUA) und der daran anschließenden essenischen Vorstellung eines königlichen und priesterlichen MESSIAS - die Idealperson der christlichen Gemeinde als königliches und priesterliches GOTTESvolk gemeint sein. Am ehesten aber sollen MOSE (Verwandlung von Wasser in Blut, Ex 7, 17 ff.) und ELIA ( Abwehr der Feinde durch Feuer, 2 Kön 1,10) bezeichnet werden, die im damaligen Judentum (vgl. Mk 9,4 //) als endzeitlich wiederkehrende Vorläufer des MESSIAS erwartet wurden. Die 7.Posaune bringt die endgültige Machtergreifung GOTTES und Seines CHRISTUS (11,15-19) himmlische Gesänge, Öffnung des Allerheiligsten des himmlischen Tempels, die Bundeslade wird sichtbar. Die Bedrängnis des MESSIAS und der Kirche durch den Drachen und seine beiden Tiere (Offb 12-14) In diesem Abschnitt und den folgenden wird der für die Apokalyptik typische Dualismus dadurch veranschaulicht, dass guten Symbolgestalten böse Gegenspieler gegenübergestellt werden. Zwei "Zeichen" erscheinen am Himmel (12,1-6), eine schwangere Frau, die mit Sonne, Mond und 12 Sternen geschmückt ist und das GOTTESvolk symbolisiert. Dieses Bild entstammt astralreligiösen Vorstellungen (Muttergottheiten als Himmelskönigin); da diese dem Judentum fremd waren, werden die - im Heidentum göttlichen - Gestirne zum Schmuck des GOTTESvolkes; die 12-Zahl der Sterne verweist auf die wiederhergestellten 12 Stämme. Die mittelalterliche Identifikation der Frau mit MARIA ist sekundär, weil hier überhaupt nichts historisch Greifbares angesprochen ist - vgl. die unmittelbar auf die Geburt erfolgende Himmelfahrt des MESSIAS (12,5). Doch hat diese sekundäre Identifikation ihre Berechtigung, weil ja MARIA im NT mehrfach auch symbolisch, als "Tochter Zion", verstanden wird. Ihr Gegenspieler ist ein Drache, Symbol des Teufels, mit 7 Köpfen und 10 Diademen (Anspielung auf Rom; Drache oder Schlange: vgl. Gen 3; Jes 27,1; 51,9; Ps 74,12 ff.; Dan 7,7 und 8,10 u.ö.). Das GOTTESvolk wird vom Teufel verfolgt, bringt aber dennoch den MESSIAS hervor: Ihm kann der Teufel nichts anhaben, weil er gleich in den Himmel entrückt wird; die Frau/das GOTTESvolk aber flieht auf 1260 Tage (d.h.3 1/2 Jahre) in die Wüste, d.h. ist für die Dauer der Endzeit aus menschlicher Sicht besonders gefährdet, in religiöser Sicht besonders in GOTTES Fürsorge geborgen (vgl. Ex-Tradition). Hierauf entbrennt ein himmlischer Kampf (12,7-12), wobei JOHANNES zwei altbiblische Traditionen verband: Einerseits der SATAN als himmlischer Ankläger der Menschen (Ijob, Sach 3,1) und MICHAEL, der besondere Schutzengel des Volkes Israel, als himmlischer Verteidiger, andererseits die Vorstellung eines urzeitlichen Sturzes Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 174 rebellierender Engel, durch den SATAN-BELIAL zum obersten Herrn aller bösen Geister wurde. Dieser SATAN verliert seine himmlische Macht und wird auf die Erde gestürzt: dadurch wird erstens sein vorläufiges Wüten auf Erden motiviert und zweitens seine endgültige Entmachtung vorangekündigt. Der Drache setzt die Verfolgung der Frau-Kirche fort (12,13-18), sie kann vor ihm mit "Adlerschwingen" (Ex 19,4) in die Wüste fliehen, wo er sie nicht vernichten, aber ihre Nachkommen bedrohen kann - d.h. die Kirche als Ganzes wird überleben, auch wenn viele ihrer Mitglieder verfolgt werden und umkommen. Der Teufel bekommt Unterstützung durch die beiden Tiere (Offb 13,1-18): Zunächst taucht ein Tier aus dem Meer auf (13,1-10), das ist das Römische Weltreich - tatsächlich waren die Römer übers (Mittel)Meer nach Kleinasien gekommen. Es vereinigt in sich alle vier Raubtiere DANIELS (Dan 7,3-8: Der Löwe ist Bild Babylons, der Bär Mediens, der Panther Persiens und das Mischtier der Diadochenreiche), weil Rom alle bisherigen negativen Weltreiche überbietet; zugleich ist dieses Tier als Abbild des Drachen dargestellt, seine 7 Köpfe entsprechen den 7 Kaisern (Die Zählung der Kaiser ist nicht ganz korrekt: die Kaiser des 3- Kaiser-Jahres (68n.) werden ausgelassen, DOMITIAN wird hier - und im folgenden - als NERO redivivus, als wiederbelebter NERO, verstanden, so dass die Reihe lautet: AUGUSTUS - TIBERIUS - CALIGULA - CLAUDIUS - NERO - VESPASIAN - TITUS - NERO (=DOMITIAN). Es kommt aus dem Mittelmeer, dem "Hausmeer" der Römer. Es folgt das Tier vom Festland (13,11-18) - zwei Chaostiere kannte schon die jüdische Überlieferung, LEVIATAN (Meer) und BEHEMOT (Land): Dieses Tier ist durch die Verbindung von Lamm und Drache (unser Wolf im Schafspelz) - als falscher Prophet charakterisiert, das Propaganda für den Kaiserkult macht. Dass dieses Tier vom Festland, d.h. von Kleinasien kommt, entspricht der damaligen historischen Situation: Auch bei den heidnischen Römern, für die die Zeit der Republik zur "guten alten Zeit" geworden war, setzte sich der Kaiserkult nur schleppend durch - zuerst, in Anlehnung an die Ahnenverehrung, als Kult des toten Kaisers. Erst DOMITIAN versuchte, sich selbst zu Lebzeiten als göttlich verehren zu lassen, und fand dafür Unterstützung eher im Osten, besonders in Kleinasien, weil im Orient Herrscher seit alters her göttlich verehrt worden waren. - Mit dem "geheilten Tier" (13,12 und 14) ist wieder DOMITIAN als wiederbelebter NERO gemeint. Von den umstrittenen Deutungen der Zahl 666 ist am wahrscheinlichsten, die Ziffern für hebräische und griechische Buchstaben zu nehmen: Sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen und Lateinischen waren die Buchstaben zugleich Zahlzeichen - eine Unübersichtlichkeit, die die Entwicklung der Höheren Mathematik erst nach Einführung der Arabischen Zahlzeichen ermöglichte. - An dieser Stelle liegt die Schwierigkeit darin, dass zwar jedes Wort in eine Zahl übersetzbar war, aber umgekehrt der Rückschluss von der Zahl auf das darin versteckte Wort schwierig, vielfach unmöglich ist: der Autor wollte wohl aus Sicherheitsgründen die Anspielung möglichst verschleiern. Hebräisch ergeben die Konsonanten von NERO QESAR die Ziffernsumme 666, griechisch die Buchstaben (hier die Konsonanten und Vokale) therion (wildes Tier, Vieh) 666 - das ergäbe den verhüllten Sinn: Kaiser NERO ist ein wildes Tier. Dem Teufel und seinen beiden Tieren wird das himmlische Lamm mit Seinem Gefolge gegenübergestellt (14,1-20) - es sind die 144 000, die Ihm ein neues Lied (vgl. Ps 33,2 f.) singen, das nur von den in der Prüfung Bewährten gesungen werden kann. Die Wendung "die sich nicht mit Weibern befleckt haben", "jungfräulich", meint Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 175 Frei-Sein von Götzendienst (seit HOSEA wurde Götzendienst mit Hurerei gleichgesetzt, zumal im AT Götzendienst oft tatsächlich mit Kultprostitution verbunden war). Der Abschnitt, der mit dem Kampf zwischen GOTTESvolk und SATAN begann, wird durch den Ausblick auf das Weltgericht (14,6-20) beschlossen: Ein Engel ruft zur Bekehrung, ein zweiter kündigt den Fall Babylons (Roms) an mit Worten aus Jes 21,9, ein dritter verkündigt das Gericht für alle, die das Tier anbeten. Nach einer Ermunterung der Treuen wechselt das Bild: der Menschensohn und ein Engel kommen mit Sicheln zur Getreideernte, ein anderer Engel zur Traubenernte, was den Übergang Traubensaft/Blut gestattet - dabei darf nie vergessen werden, dass es sich um Bilder handelt - sie wollen nicht informieren ("so wird es tatsächlich sein"), sondern auffordern ("haltet in allen Prüfungen durch"). Die 7 Schalen (Offb 15,1 - 16,21) Zu Beginn (15,1-8) werden sieben Engel vorgestellt. Nach einem Einschub - himmlische Chöre preisen vorwegnehmend den Endsieg GOTTES - werden die Engel als Priester (weiße Gewänder) und Könige (goldene Gürtel) charakterisiert und erhalten von einem der 4 Wesen 7 Zornschalen. Das Ausgießen der Schalen (16,1-21) bringt Plagen, die genau den Plagen der Posaunen entsprechen, doch zugleich eine Steigerung darstellen: nicht mehr nur 1/3, sondern alle betroffen. 1: Geschwüre für alle Ungläubigen, 2: Meer zu Blut, 3: Flüsse zu Blut, 4: Sonne verbrennt Menschen, 5: Verfinsterung des Reiches des Tieres, Qualen für seine Bewohner, 6: Austrocknung des Euphrat, Frosch-Dämonen sammeln Könige der Erde in Harmageddon (har=Berg + Schlachtort Megiddo) zum endzeitlichen Kampf gegen GOTT. Das Endgericht über Babylon (Offb 17,1 - 19,10) Die Hure BABYLON (Rom) reitet auf dem Tier (dem Römischen Reich, Offb 17,1-18) - erinnernd an die altorientalischen Darstellungen von Muttergöttinnen als "potnia theron", als Herrin der Tiere, ihre auffällige Kleidung und der Name auf einem Stirnband könnte der Adjustierung römischer Dirnen entsprechen. Bei der Deutung dieser Vision liegt der Schwerpunkt auf der Identifizierung des Reittieres der Dirne mit dem Tier von Offb 13: die 7 Köpfe werden doppelt gedeutet, als 7 Hügel (Rom als 7Hügel-Stadt) und 7 Kaiser. Die 10 Hörner stellen 10 Könige von Satellitenstaaten dar, die hier offenbar mit dem Tier gemeinsam das Gericht über die Hure vollziehen sollen (Vielleicht wird hier angespielt auf eine volkstümliche Erwartung, nach der sich der wiederbelebte NERO mit den parthischen Satrapen gegen Rom verbünden werde, vielleicht sind auch nur mehrere Bilder ineinandergedacht). Gemeint ist jedenfalls, dass GOTT Sich bei Seinem Gericht auch antichristlicher Mächte bedienen kann und sicher siegen wird. Nun (Offb 18,1-24) wird das Gericht über Babylon ausgemalt: GOTT versucht mit allen Mitteln, die Menschen zur Umkehr zu bringen - wer dennoch beim Götzendienst (Kaiserkult) verharrt, verdient die endgerichtliche Bestrafung; zugleich werden die Christen zum Durchhalten ermuntert. Im Himmel aber wird gejubelt (Offb 19,1-10), wobei zum ersten Mal in der christlichen Literatur das hebräische "Halleluja" ("preist JAHWE") verwendet wird. Das GOTTESvolk wird unter zwei Bildern dargestellt: als Braut (Frau) des Lammes (Gegenbild der Hure) und als die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladenen Gäste. Das Kommen CHRISTI und die Vollendung (Offb 19,11 - 22,5) Die Siege über die einzelnen Gestalten des Bösen verlaufen in umgekehrter Reihenfolge ihres Auftretens, so dass der SATAN als erster aufgetreten ist, aber als letzter besiegt wird. Zuerst besiegt CHRISTUS das Tier (Offb 19,11-21): Die atl. Erwartung einer endzeitlichen JAHWEschlacht wird aufgegriffen und als messianische Schlacht verstanden. Statt auf einem Esel reitet der MESSIAS nun auf einem Pferd - dem CHRISTUS patiens (leidenden CHRISTUS) wird damit ein CHRISTUS triumphans gegenübergestellt; die vielen Diademe (Kronen, 19,12) charakterisieren Ihn als Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 176 "König der Könige und Herrn der Herren" (19,16), der Titel "WORT GOTTES" wird durch das aus dem Mund kommende Schwert symbolisiert. Das Gericht wird anschaulich ausgemalt: blutgetränktes Gewand, Einladung der Aasfresser zum Leichenschmaus (als Gegenbild zum himmlischen Hochzeitsmahl des Lammes), das Tier und der falsche Prophet werden in den "Feuersee" geworfen - in den Ort der ewigen Qual (vgl. Offb 20,10) -, ihre Anhänger werden "nur" getötet. Hierauf wird das 1000jährige Reich CHRISTI begründet (Offb 20,1- 10), wobei außerbiblische und atl. Motive ineinander verwoben sind: Die endzeitliche Fesselung des Teufels, die seiner endgültigen Besiegung vorhergeht, stammt aus der iranischen Mythologie. Dort passt diese Vorstellung auch besser hin, weil die iranische Mythologie mit einer Bekehrung auch des bösen Prinzips rechnet; in die Bibel passt sie weniger, weil hier eher der Eindruck eines Sieges "auf Raten" erweckt wird. In der Offb wird sie verbunden mit der Vorstellung eines 1000jährigen Reiches CHRISTI auf Erden, in dem die ins Leben zurückgekehrten Märtyrer ("1.Auferstehung") mit Ihm als Könige, Richter und Priester herrschen werden (ein von Dan 6,22.27 und Ez 37,3.10 beeinflusster Gedanke). Die Idee eines 1000jährigen Reiches findet sich nirgends sonst in der Schrift, wohl aber in der jüdischen Apokalyptik: Sie verband in dieser Vorstellung eines "messianischen Zwischenreiches" die prophetische Erwartung eines irdischen Heils für Israel mit der apokalyptischen Erwartung eines jenseitigen Heils für alle - eine Idee, die sich in verschiedenen Modellen des Chiliasmus bis in unsere Zeit fortsetzte. Chiliasmus (zu griech.chilioi=1000) meint die Vorstellung eines langen paradiesischen Zustandes auf Erden und gab immer wieder zu religiösen und politischen Schwärmereien Anlass - in der Neuzeit vorwiegend zu politischen (Marxismus, Nationalsozialismus). Die Vorstellung ist jedenfalls nicht genuin christlich und keinesfalls eine verbindliche kirchliche Lehre. Nach Ablauf der 1000 Jahre kommt es zum Endkampf (Offb 20,7-10) mit dem freigekommenen Teufel und mit den mit ihm verbündeten mythischen Völkern GOG und MAGOG (vgl. Ez 38-39, nur ist dort MAGOG ein Land): GOTT vernichtet Seine Gegner souverän, der SATAN kommt in den Feuersee zu seinen beiden Tieren. Es folgt der Weltgericht (Offb 20,11-15): der Untergang der alten Welt und die Auferstehung der Toten, wobei die Unterwelt sowohl als Person als auch als Raum vorgestellt wird. Das Gericht hält hier nicht CHRISTUS, sondern GOTT Selbst; Er bedient Sich dabei zweier Bücher, eines, in dem die Werke verzeichnet sind, und eines anderen, in dem die Namen der zum Ewigen Leben Bestimmten stehen. Die übrigen werden zusammen mit dem ebenfalls personifiziert vorgestellten Tod in den Feuersee zum Teufel und seinen Tieren geworfen. Zum Abschluss erstehen ein neuer Himmel und eine neue Erde (Offb 21,1-8) und ein neues Jerusalem (Offb 21,9-22,5). Dieses Bild ist zwar im Rahmen des damaligen Vorstellungshorizontes formuliert, das Gemeinte aber - das Neuwerden der gesamten Schöpfung - ist von jedem Weltbild her haltbar. Im NT ist nur hier und im 2 Petr dieses endgültige Neuwerden als totale Neuschöpfung vorgestellt, sonst ist an eine Erneuerung der bestehenden Schöpfung gedacht. Diese Neuschöpfung wird - im Gegensatz zur Stadt Babylon und Hure Babylon - als "neues Jerusalem", "Braut CHRISTI" und Überbietung des Paradieses charakterisiert, es wird die endgültige Gegenwart GOTTES und damit vollendetes Glück verheißen - was dadurch bestätigt wird, dass GOTT Selbst das Wort ergreift. Das Bild des neuen Jerusalem wird prächtig ausgemalt: Der Seher wird von einem der Schalenengel auf einen hohen Berg entrückt (Ez 40, 1 f.). Die Stadt hat zwölf Tore (Stämme Israels) und zwölf Grundsteine (Apostel), symbolisiert also das vollendete GOTTESvolk, ihre Ausmaße sind gigantisch - ein Würfel von 12 000 Stadien, d.h. 2400 km, Seitenlänge -; die Würfelgestalt ist Ausdruck der Vollkommenheit, vielleicht auch Erinnerung an die Form des Allerheiligsten im Salomonischen Tempel (1 Kön 6,20), vielleicht auch an den Turmbau von Babel (Gen 11): Menschen können die Verbindung von Himmel und Erde nicht schaffen, wohl aber GOTT. Die Stadt besteht aus edelsten Materialien, der HERR Selbst ist ihr Licht, sie wird von einem Strom des Lebens durchflossen, an dem eine Allee von Bäumen des Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 177 Lebens steht - die Neuschöpfung ist also als Wiederherstellung und Überbietung des Paradieses (Gen 2; vgl. auch Ez 47) dargestellt; die Tore der Stadt sind immer offen - was den Gedanken der Völkerwallfahrt nach Jerusalem (Jes 60,1-11 u.ö.) aufgreift. Der Buchschluss (Offb 22,6-21) bestätigt das Geschaute und Gehörte zunächst durch einen Engel, dann durch CHRISTUS Selbst. Die Naherwartung verkürzt in typisch apokalyptischer Perspektive die Zeit - daher wird, im Gegensatz zu Dan 12, nicht zur Versiegelung, sondern zur Weitergabe des Buches aufgefordert. An diese Naherwartung knüpft die Schlussverheißung CHRISTI an ("Siehe, ich komme bald", 22,12) und die Bitte zuerst des GEISTES und der Braut (22,17), dann des Sehers (22,20) um dieses baldige Kommen. _________________________________________________________________ LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 7 Außer den zu EBTH genannten Kommentaren und den in den Fuß- noten angeführten Werken sind besonders zu empfehlen: KOCH K., Apokalyptik (WdF 365), Darmstadt 1982. VÖGTLE A., Das Buch mit den sieben Siegeln. Die Offenbarung des Johannes in Auswahl gedeutet, Freiburg 1981. WOSCHITZ K.M., Erneuerung aus dem Ewigen. Denkweisen - Glaubensweisen in Antike und Christentum nach Offb 1-3, Wien 1987. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 178 8 CHRISTUS- , MARIEN- UND KIRCHENBILDER DES NT 8.1 Das Problem Die in der Bibel schriftlich fixierte Offenbarung ist "GOTTESwort in Menschenwort" (vgl.o., O.1) - daher grundsätzlich der Gefahr des zeitbedingt-eingeengten Verständnisses, des Missverständnisses, der Verdrehung, sogar der Verfälschung ausgesetzt: das zeigt sich schon in der scharfen Ablehnung von Irrlehrern bei PAULUS und in späteren Briefen. Andererseits wurden in das NT durchaus verschiedenartige theologische bzw. christologische Modelle aufgenommen, d.h. aber auch, als "kanonisch" anerkannt. Bis heute stellt sich daher die Aufgabe der Abgrenzung: Was ist noch ein legitimer Versuch, GOTTES Offenbarungshandeln in der Geschichte, zumal in JESUS CHRISTUS, zu erfassen - und was muss als missglückter, zu einseitiger, verzerrter Versuch gelten ? Diese Aufgabe ist eine Konsequenz unserer Endlichkeit und daher innerhalb dieser Geschichte nie völlig lösbar: GOTTES Offenbarung ist immer größer als unsere Möglichkeit, sie zu erfassen und weiterzugeben, weshalb wir immer eine Fülle von "Näherungsmodellen" brauchen werden ! 8.2 Christologische Näherungsmodelle 50 8.2.1 Älteste christologische Formeln Diese Formeln entstanden zwischen 40 und 50 n.Chr. und finden sich eingestreut in den PAULUSbriefen und Evangelien - etwa "CHRISTUS wurde auferweckt/ist auferstanden", "CHRISTUS ist der HERR" u.ä. Sie sind kurz, weil die Erinnerung an den irdischen JESUS und die Begegnung mit dem Auferstandenen noch bei vielen lebendig war. Die Formeln vertreten eine Erhöhungs- oder Zwei-StufenChristologie, doch nicht mehr im Sinne eines (vorpl. wohl vorhandenen) häretischen Adoptianismus, sondern im Sinne einer Bestätigung der Messianität JESU. Adoptianismus meint, JESUS sei ein gewöhnlicher Mensch gewesen und erst später ( etwa bei der Taufe, bei der Verklärung oder gar erst bei der Auferstehung) zum SOHN GOTTES adoptiert worden. Dem widerspricht schon Röm 1,1-4: durch die Auferweckung wurde JESUS nicht "SOHN GOTTES", sondern "SOHN GOTTES" in Macht. Das Alter eines biblischen Autors allein ist jedenfalls kein Bewertungskriterium, weder positiv noch negativ; die beiden reifsten theologischen Modelle finden sich am Ende (Joh-Ev) und bereits am Anfang (PAULUS: schon dieser vertritt die Präexistenz des SOHNES - vgl. Phil-Hymnus). 50 Vgl. dazu: KASPER W., Jesus der Christus, Mainz 1974, und PRAMMER F., Dogmatik-Skriptum für die RPA, Wien 1992. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 179 8.2.2 PAULUS PAULUS bevorzugt als Titel SOHN (GOTTES): Er ist präexistent (Phil 2,6-11; Röm 8,3), erhöht und wiederkommend - d.h. schon PAULUS verbindet die Erhöhungschristologie mit einer Inkarnationschristologie ! Ferner nennt er JESUS häufig Kyrios (HERR) und neuer (letzter) ADAM. Der Titel CHRISTUS aber ist schon bei PAULUS praktisch zum Eigennamen geworden, weshalb JESUS CHRISTUS und CHRISTUS JESUS völlig gleichwertig verwendet werden. 8.2.3 MARKUS MARKUS zeichnet ein CHRISTUSbild "sub contrario" (unter dem Gegenteil verborgen): gerade der leidende, von den Menschen verkannte ("MESSIASgeheimnis"), verworfene und gekreuzigte JESUS ist MESSIAS und SOHN GOTTES. 8.2.4 MATTHÄUS Auch für MATTHÄUS ist JESUS primär MESSIAS und SOHN GOTTES, doch setzt er noch weitere Akzente: JESUS ist der wahre Erfüller des Gesetzes (Bergpredigt), der neue MOSE (fünf große Reden, Betonung des Lehrhaften); der Auferstandene ist in besonderer Weise gegenwärtig in kirchlichen Amtsträgern (Mt 10,40 ff.) und in hilfsbedürftigen Menschen (Mt 25,31 ff.). 8.2.5 LUKAS Neben die schon bei den anderen Autoren vorkommenden und SOHN GOTTES treten neue Akzente: JESUS wird auch geradezu "charmant" geschildert - Er ist "Heiland", d.h. in Nähe GOTTES erlebbar - besonders für soziale Außenseiter; Zentrum der Geschichte. Titeln MESSIAS, Kyrios als Mensch anziehend, Ihm wird die heilende Er ist GEISTträger und 8.2.6 Hebr Der Verfasser dieses Briefes sieht in CHRISTUS "die" Offenbarung GOTTES, "den" Hohepriester und "das" Opfer - und damit den Begründer des Neuen und Ewigen Bundes. 8.2.7 Joh-Ev Der (die) Verfasser dieses Evangeliums betont (betonen) - neben den anderen üblichen Titeln - besonders, dass der präexistente SOHN "der" Offenbarer und "das" Wort GOTTES, ja, GOTT selbst ist. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 180 8.2.8 Offb Da der Seher JOHANNES die "Letzten Dinge" zwischen Auferstehung CHRISTI und Vollendung der Schöpfung schildern will, ist er am irdischen JESUS nicht interessiert, sondern beschreibt einen göttlich-kosmischen CHRISTUS. Dieses CHRISTUSbild steht dem des Kol und Eph nahe. Zusammenfassend kann man sagen: Das NT enthält nicht "die" Christologie, sondern verschiedene Versuche, die GOTTESoffenbarung in CHRISTUS darzustellen. Gerade in der Identitätskrise der heutigen Gesellschaft hat die Kirche die Aufgabe, CHRISTUS als den Sinn des Menschen und der Geschichte aufzuzeigen und erlebbar zu machen: nur als GOTT und MENSCH kann Er Mittler zwischen GOTT und Mensch und daher Heilsbringer (RAHNER) sein. 8.3 MARIA im NT 51 Das NT spricht wenig und sehr unterschiedlich von MARIA. MARKUS erwähnt sie nur zwei Mal: JESUS betont, dass Geistliche Verwandtschaft wichtiger ist als Familienzugehörigkeit (Mk 3,31-35 // Mt 12,46-50 // Lk 8,19.21), und JESUS wird von Seinen Landsleuten abgelehnt, weil sie Ihn, "den Sohn MARIENS" , zu kennen meinen (Mk 6,3 // Mt 13,55). Ob man MARIA unter den Verwandten JESU mitzudenken hat, die Ihn für verrückt halten (Mk 3,20 f.) oder unter den Frauen beim Kreuz (Mk 15,40 f.), bei der Grablegung (Mk 15,47) oder bei der Engelserscheinung im Grab (Mk 16,1 ff.), wird nicht ausdrücklich gesagt. Bei MATTHÄUS und LUKAS erhält MARIA in den Kindheitsevangelien eine Sonderstellung, sonst aber ebensowenig wie bei MARKUS: Mt 1,16-25 nennt sie als jungfräuliche Mutter, Mt 2,11 als Zeugin der Huldigung der Weisen. Lk 1 nennt sie als jungfräuliche Mutter (Verkündigung) und als erhöhte Magd (Heimsuchung), Lk 2 als Zeugin der Huldigung durch die Hirten, der Verheißungen von SIMEON und HANNA und des ungewöhnlichen Verhaltens des Zwölfjährigen im Tempel. - Lk zeigt uns MARIA nochmals nach der Auferstehung im Kreis der Jünger (Apg 1,14). - Dass MARIA in den Kindheitsevangelien eine Sonderstellung erhält, die sie sonst nicht hat, erscheint widersprüchlich - nähert sich aber vielleicht gerade dadurch der historischen Wirklichkeit der Erwählung als Last, die wir auch von Propheten (JEREMIA !) nur zu gut kennen. Der Verfasser des Joh-Ev erwähnt MARIA nur zwei Mal, doch immer in besonderer Funktion: Joh 2,1-12 veranlasst sie das erste "Zeichen" JESU, Joh 19,25-27 wird sie dem "Lieblingsjünger" anvertraut, was - zumindest auch - tiefere Bedeutung hat, 51 Vgl. dazu bes.: PAUL VI, Apostolisches Schreiben "Marialis cultus" (Über die MARIENverehrung), Lateinischdeutsch, Trier 1975. - BEINERT W., Heute von Maria reden ? Kleine Einführung in die Mariologie, Freiburg 1973, 2.Aufl. - KNOCH O., Maria in der Hl. Schrift, in: BEINERT W.-PETRI H., Handbuch der Marienkunde, Regensburg 1984, 93-231. - RAHNER K., Maria und das christliche Bild der Frau, in: StZ, Bd 193 (1975), 795-800. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 181 dass das durch sie symbolisierte GOTTESvolk an das durch den Lieblingsjünger symbolisierte Evangelium verwiesen wird. Die apokalyptische Frau (Offb 12,1-18) meint primär das GOTTESvolk, aus dem der MESSIAS, hervorgeht; die Beziehung auf MARIA ist sekundär, aber insofern nicht unberechtigt, weil sie auch an anderen Stellen des NT (bes. Lk 1,26-56 und Joh 19, 2527) das GOTTESvolk symbolisiert. 8.4 Von CHRISTUS zur Kirche 8.4.1 Wie hat JESUS Gemeinde gewollt? 52 JESUS war Jude, lebte also in der Glaubens-, Rechts- und Kultgemeinschaft des Volkes Israel. Die hebräische Selbstbezeichnung dieser Gemeinschaft war kahal, die griechische Übersetzung seit der LXX ekklesia: beides meint „die <von GOTT> <aus allen Völkern> berufene Versammlung“, drückt also eine Erwählung aus; synonyme Ausdrücke sind daher „auserwähltes Volk“ oder „GOTTESvolk“. Dabei wurde diese Erwählung zeichenhaft und stellvertretend für andere Völker verstanden – dem Selbstverständnis des GOTTESvolkes kommt also von vornherein Sakramentalität zu, d.h. wirksames Heilssymbol zu sein. Dieses Selbstverständnis drückt sich besonders schön im Gedanken der eschatologischen Völkerwallfahrt nach Jerusalem aus, der sich bei Propheten, besonders im Buch JESAIA, findet ( Jes 2,2-5 // Mich 4,1-5; Jes 49,22 f.; 55,4f.; 60,1-22; 66,. 18-23): das Ende / die Vollendung ist da, wenn sich das ganze Volk Israel zum HERRN bekehrt hat – denn durch diese Bekehrung erlangt es eine Strahlkraft, so dass auch die übrigen Völker, die „Heiden“, sich bekehren. Die GOTTESherrschaft realisiert sich nach diesem Vorstellungsmodell also in zwei Schritten: Bekehrung der Juden – dann Bekehrung aller. - Nun hatte aber schon vor JESUS die Hoffnung auf das Kommen des GOTTESreiches eine Entwicklung durchgemacht: ursprünglich wurde es als irdisches Friedensreich verstanden und konnte aufgrund des sich spät entwickelnden Jenseitsglaubens auch gar nicht anders verstanden werden. Doch setzte schon atl. ein Vergeistigungsprozess ein, durch den das GOTTESreich auch (wenn auch niemals nur !) einen transzendenten Akzent erhielt. Diese Entwicklung hatte sicher mehrere Wurzeln: die Enttäuschung darüber, dass nach dem Exil die Wiederherstellung sehr bescheiden ausfiel; die Frage nach dem Leid und Tod des Gerechten, im 2.Jh. verschärft durch die Märtyrer der MAKKABÄERkriege; das Vertrauen, dass GOTTES Macht und Liebe am Tod keine Grenze finden könne; vielleicht auch der Einfluss des persischen Dualismus (Mazdaismus). Diese Entwicklung war z.Z. JESU noch nicht abgeschlossen – z.B. lehnten gerade die Sadduzäer den Jenseitsglauben ab. JESUS konnte Sich in Seiner Verkündigung an diesen Vergeistigungsprozess anschließen – neu und schockierend aber war Sein Anspruch, dass dieses 52 LOHFINK G., Wie hat JESUS Gemeinde gewollt? Freiburg 1982 Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 182 GOTTESreich mit Ihm angebrochen sei. Ist diese Reich-GOTTES-Verkündigung, verbunden mit Seiner Sammlung von Jüngern, als Kirchengründung zu verstehen? Bis in unser Jh. wurde dies so verstanden, meist unter Berufung auf Mt 16,18 f. und Mt 18,18. Dagegen sprechen aber: Direkt einige andere Textstellen – wie Joh 20, 19-23 und Joh 21; Mt 28,16-20; Apg 1 und 2: an all diesen Stellen ist es der Auferstandene, der beruft und immer eine Verbindung zum GOTTESGEIST nennt. Ferner wird der Gedanke der Völkerwallfahrt umgedreht: die Jünger werden zu den Völkern gesandt – was freilich voraussetzt, dass sie Lichtbringer geworden sind (was in der Mission fallweise vergessen wurde) Indirekt der Gesamtkontext des Wirkens JESU: Der irdische JESUS teilte ja noch die Vorstellung von der Sammlung und Bekehrung Israels: - Er wählt aus Seinen Jüngern die Zwölf als Zeichen der Wiederherstellung der zwölf Stämme Israels; - Er beschränkt Sein Wirken aus Israel (Mt 10,5 f.: Aussendung der Zwölf; Mt 15,24: vorläufige Ablehnung der Bitte der heidnischen Frau); - Er lebt in der Naherwartung (Mt 16,28 u.ö.) Nicht Er, auch nicht „die Juden“, sondern Seine Gegner unter den Juden (vorwiegend die Sadduzäer) tragen die Schuld am Bruch zwischen einem alten und neuen GOTTESvolk durch die Ablehnung und Hinrichtung JESU. Eine Kirchengründung im eigentlichen Sinn, d.h. die Gründung eines vom urspr. GOTTESvolk getrennten neuen GOTTESvolkes, setzt also voraus: Erstens das Scheitern des Konzepts „Bekehrung Israels – Israel als Heilsmittler für alle“. Zweitens die Erfahrung, dass der, der dieses Konzept vertrat, trotz Seines irdischen Scheiterns von GOTT in neuer und unübertroffener Weise bestätigt wurde und daher dieses Konzept in neuer Weise weitergeführt werden muss. Für die Gründung einer Kirche ist also Tod und Auferstehung gleichermaßen vorausgesetzt – ein bloß auf menschlicher Ebene gefällter Beschluss, die Sache JESU weiterzuführen, wäre unerklärlich, weil unmotiviert. Denn als Juden mussten die Jünger glauben, einem falschen MESSIAS nachgelaufen zu sein (Dtn 21,23) – bis GOTT diesen Gekreuzigten durch die Auferstehung endgültig bestätigte. CHRISTUS hat also die Kirche gegründet, doch als Auferstandener in Seinem GEISTE. Wir wissen nicht, warum die Geschichte nach Ostern weiterging und weitergeht – es wäre durchaus möglich gewesen, mit der Auferweckung JESU die Vollendung der Welt zusammenfallen zu lassen - ; da die Geschichte aber weitergeht, muss in ihr die Kirche als Gemeinschaft der an CHRISTUS Glaubenden die in CHRISTUS vorweggenommene Vollendung durch Wort- und Tatverkündigung lebendig halten und möglichst viele Menschen in diese durch CHRISTUS eröffnete GOTTESbeziehung hineinzunehmen versuchen. Wenn also die Geschichte nach Ostern weitergeht, ist eine Trennung von CHRISTUS und Kirche unmöglich – dann ist die Kirche der verlängerte „Leib CHRISTI“ bis zur Vollendung der Welt. Die bisherigen Überlegungen ergaben: Nicht der irdische, wohl aber der auferstandene CHRISTUS hat die Kirche gegründet, und diese hat daher die Grundaufgabe, Sein Wirken in der Welt bis zu ihrem Ende fortzusetzen. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 183 Welches Kirchenbild den Absichten JESU entspricht, können wir an Seinem irdischen Wirken verbindlich ablesen. Was waren die wichtigsten Aspekte Seines Wirkens – und werden diese in der Kirche weiterhin realisiert ? JESUS verkündigte in Wort und Tat die angebrochene GOTTESherrschaft – heute wohl besser: JESUS verkündigte in Wort und Tat, dass in Ihm die liebende Nähe GOTTES in der Welt leibhaftig gegenwärtig und erlebbar wurde. Bei JESUS fielen Wort- und Tatverkündigung nie auseinander, vielmehr dienten Seine Worte dazu, seine Taten eindeutig zu klären. Dabei fallen vor allem zwei Eigentümlichkeiten auf: Erstens: Sie zeigen, dass das vollendete GOTTESreich frei sein wird von den Grundnegativitäten menschlichen Daseins – von Sünde, Leid und Tod. Auch wenn viele der biblischen Erzählungen exegetisch umstritten sind, so zeigen sie doch: JESUS vergibt – zumindest indirekt – Sünden (gemeinsame Mähler mit Sündern), verurteilt aber die Sünde; Er heilt physisch und / oder psychisch Kranke; Er erweckt (wahrscheinlich) auch Tote, zumindest aber ist Seine Auferstehung die endgültige Überwindung des Todes. Zweitens: Sie zeigen, dass das GOTTESreich frei sein wird von gesellschaftlichen Schranken. Dies hatte schon der Prophet JOEL für die Endzeit verheißen (Joel 3,1 f.), Lk legt diesen Text dem PETRUS bei der Pfingstpredigt in den Mund (Apg 2, 16-18) – doch sind wir uns kaum mehr bewusst, welch sozialen Sprengstoff dieser Text bietet: Denn damals war der Geschlechtsunterschied zwischen Mann und Frau, der Altersunterschied zwischen Alten und Jungen und der Statusunterschied zwischen Freien und Sklaven so gravierend, dass hier gleichsam zwei Welten zusammengestellt wurden. Der Prophet JOEL verheißt diese soziale Gleichstellung für die Endzeit, der Lk. PETRUS beansprucht, dass dies durch die pfingstliche GEISTsendung erfüllt sei – also muss der irdische JESUS das Bindeglied zwischen JOELs Verheißung und PETRUS´ Erfüllungsanspruch sein. Wie ging JESUS mit sozialen Unterschieden seiner Zeit um ? Er wandte Sich in auffallender Weise Außenseitern zu. Besonders provozierend war sein Umgang mit Frauen. Im zeitgenössischen Judentum waren Frauen Menschen zweiter Klasse, sie wurden vorwiegend als Besitz des Mannes gesehen. JESUS hingegen spricht mit Frauen, sogar mit solchen, die keinen guten Ruf haben, was sogar Seine Jünger verwundert (vgl. Joh 4,27-42); und Er lässt Sich von Frauen, sogar von unreinen, berühren (von einer Sünderin: Lk 7,36-50; von einer Blutflüssigen: Mk 5,25-34 et par.). Unter denen, die JESUS direkt nachfolgen, also mit Ihm durchs Land ziehen, sind Frauen (Lk 8,1-3) – obwohl es für orthodoxe Juden ein Skandal war und ist, dass ein Rabbi Jüngerinnen hat. JESUS lobt Frauen, die sich von Ihm belehren lassen (Lk 10, 38-42) und lässt sich sogar von Frauen belehren (Mk 7, 24-30 // Mt 15,21-28 und Joh 2, 1-12). Und nach der Auferstehung macht Er Frauen zu Seinen Erstzeugen, was nach jüdischem Recht völlig unsinnig war. Kinder wurden z.Z. JESU einerseits als Arbeitskräfte, andererseits als Altersversorgung gesehen. JESUS nimmt sie als Menschen ernst, ja, Er stellt ihr bedingungsloses Vertrauens-Können sogar als Vorbild für Seine Jünger hin (Mk 10.13-15). Sklaven waren schon mit AT besser gestellt als sonst in der Antike, weil sie dem Personen- und nicht dem Sachrecht unterstanden und jüdische Sklaven nach einer gewissen Zeit (urspr. 7, später 49 Jahre) freigelassen werden mussten. Vielleicht sollte man daher in diesem Kulturkreis besser mit „Knecht“ als mit Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 184 „Sklave“ übersetzen. JESU Zuwendung zu knechten zeigt sich darin, dass er auch Knechte heilte – so den Diener des Hauptmanns von Kafarnaum (Lk 7,1-10 // Mt 8,5-13) oder den Diener des Hohenpriesters bei Seine Gefangennahme. Es zeigt sich aber daran, dass Er selbst Sklavendienste tut (Fußwaschung, Joh 13,3-17) und diese Dienstbereitschaft auch von Seinen Jüngern fordert (Mk 10,42-45). Zu dieser radikalen Ablehnung von Herrschaftsstrukturen innerhalb des GOTTESvolkes passt, dass JESUS auch Ehrentitel scharf ablehnt (Mt 23,8-11). An diesen hier exemplarisch genannten Verhaltensweisen JESU gegenüber Außenseitern der damaligen Gesellschaft wird deutlich, dass Er ein GOTTESvolk ohne Statusunterschiede wollte. Hier sei auch auf die Bergpredigt verwiesen, die das Kontrastgesellschaft (LOHFINK) konzipiert (bes. Mt 5, 13-16). GOTTESvolk als Wie weit hat die Urkirche diesem von JESUS konzipierten Ideal entsprochen ? Selbst wenn man nicht die idealisierte Darstellung der Urkirche durch Lk in der Apg zugrundelegt sondern die realistischere der Pl-Briefe, zeigt sich, dass die erste Generation der Christen sich wirklich als Kontrastgesellschaft zu leben bemühte und dass gerade das ihre Anziehungskraft ausmachte: Denn weit mehr als die einzelnen Missionare trugen zur Ausbreitung des Christentums die von ihnen gegründeten Gemeinden bei, deren Leben in der Nachfolge CHRISTI die überzeugendste Predigt darstellte. Die christlichen Gemeinden bildeten gleichsam neue Familien, die geschwisterlich miteinander umgingen, ohne Statusunterschiede und auch ohne Unterschied von Klerus und Laien 53. In einem Punkt war die Urkirche zunächst sogar radikaler als JESUS selbst: JESUS forderte nur von einem kleinen Teile Seiner Jünger die direkte Nachfolge – einschließlich des Verlassens der Familie und des Verzichts auf Besitz (vgl. Lk 14,33). Die meisten aber waren und sind dazu berufen, Nachfolge in ihrer Familie und in ihrem Beruf zu leben – wodurch freilich auch diese Bereiche verändert werden. Fassen wir zusammen: JESUS hat ein Ideal des GOTTESvolkes aufgestellt – die Urkirche hat dieses Ideal zu leben versucht, war also der Topos, der Raum, für eine utopische Gemeinschaft . Damit haben wir ein verbindliches Maß für spätere Zeiten. Warum aber hat man dieses Ideal nicht in die verschiedenen Zeiten und Kulturen übersetzt, sondern es vielmehr anderen Zeiten und Kulturen angepasst und es dadurch seiner ursprünglichen Strahlkraft beraubt ? Das Abweichen vom Ideal und Anpassen an die irdische Gesellschaft erfolgte in mehreren Schritten. Sicher erfolgte der erste Schritt schon an der Wende vom 1. zum 2.Jh., als die Ämter nicht mehr Funktionen im Sinne einer Arbeitsteilung waren, sondern sich rasch im Sinne einer Hierarchisierung und damit zu einer von JESUS abgelehnten Statusdifferenz entwickelten. – Der nächste Schritt war, dass im 4.Jh. das Christentum zunächst staatlich toleriert, dann Staatsreligion wurde. Damit bedeutete Christsein nicht mehr ein oft lebensgefährliches Leben aus Glaubensüberzeugung, sondern die Eintrittskarte für berufliche und gesellschaftliche Anerkennung: die Kontrastgesellschaft war zur Normalgesellschaft 53 Vgl. DAUTZENBERG-MERKLEIN-MÜLLER, Die Frau im Urchristentum, Freiburg 1983. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 185 geworden. – Im Mittelalter gesellten sich feudale Gesellschaftsordnung und kirchliche Machtentfaltung zu dem veränderten Kirchenbild. – Erst seit dem vorigen Jahrhundert sind wir durch den realen Machtverlust der Kirche einerseits, durch sich ausbreitende Strömungen wie Säkularismus, Materialismus und Pluralismus andererseits zu einem Umdenken gezwungen. Und dieses Umdenken steht nicht in menschlichem Belieben, da wir, sobald wir uns als Christen bezeichnen, in CHRISTUS ein verbindliches Maß haben. Nur wenn wir nach diesem Maß zu leben versuchen, wird Kirche wieder die Verleiblichung GOTTES in CHRISTUS in der Welt erlebbar machen – womit aber jeder bei sich selbst anfangen muss. 8.4.2 Kirche als Heilungsinstitution – Wer heilt die Kirche? Wir haben bereits kurz skizziert, dass JESUS durch Sein Wirken und durch Seine Lehre ein verbindliches Ideal von Kirche fundiert hat, das ganz auf die Heilsgeschichte GOTTES mit Seiner Schöpfung ausgerichtet ist: Seit der Selbstvorstellung GOTTES als der Ich-bin-für-euch-Da setzte GOTT immer wieder Heilszeichen, gipfelnd in JESUS CHRISTUS (vgl. Hebr 1): denn eine größere Bindung an die Schöpfung als durch Menschwerdung GOTTES ist nicht einmal denkmöglich. Das Vat II drückte dies treffend aus mit den Begriffen: CHRISTUS ist das Ursakrament, die Kirche das Grundsakrament – die Kirche im allgemeinen und die von ihr verwalteten Sakramente im besonderen sind also die Fortsetzung der Verleiblichung CHRISTI, sind gleichsam die Verlängerung Seiner heilenden Hände – oder sollte dies zumindest sein. Denn die Umwandlung der Minderheiten- und Bekennerkirche in eine Massen- und Machtkirche hatte ihren Preis, und zwar einen hohen: das liebende Heilsangebot GOTTES in CHRISTUS, das durch die Kirche fortgesetzt werden soll, wurde zeitweise stark verdunkelt durch ihren Machtanspruch. Selbst die frühe Kirche, die als Minderheiten- und Bekennerkirche noch als ganze die biblische Utopie zu realisieren versuchte, kam nicht ganz ohne Leitsymbole aus – Menschen, die die Nachfolge CHRISTI in besonderer, zeichenhafter Radikalität zu leben versuchten wie die Wandermissionare und etwas später die Märtyrer. Je weniger die Kirche als ganzes Kontrastgesellschaft und Heilsgesellschaft wurde, desto mehr bildeten sich kleinere inner- und z.T. auch außerkirchliche Gruppen, die dieses Ideal weiterhin hochzuhalten und zu leben versuchten – Orden u.a. symbolische Gemeinschaften. Eine Öffnung dieser Gemeinschaften zur Gesamtkirche hin erfolgte m.E. schon durch die Bildung von Dritt-OrdensGruppen für Laien. Heute ist die Kirche, vielleicht nicht ganz freiwillig, aber sicher dem Grundkonzept JESU entsprechend, auf dem Rückweg zur Minderheiten- und Bekennerkirche, ja. Liebeskirche – Orden und engagierte Laiengruppen erhalten damit eine klare neue Aufgabe: Wegweiser und Wegbegleiter zu sein auf dem (Rück)Weg zur Liebeskirche. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 186 LITERATUREMPFEHLUNGEN ZU KAP 8 BEINERT W., Heute von Maria reden ? Kleine Einführung in die Mariologie, Freiburg 1973, 2.Aufl. BEINERT W.-PETRI H., Handbuch der Marienkunde, Regensburg 1984. DAUTZENBERG – MERKLEIN – MÜLLER, Die Frau im Urchristentum, Freiburg 1983 KASPER W., Jesus der Christus, Mainz 1974. LOHFINK G., Wie hat JESUS Gemeinde gewollt ? Freiburg 1982. Sr Katharina Deifel OP Neues Testament, 187 NACH STUDIUM DIESES SKRIPTUMS SOLLTEN FOLGENDEN FRAGEN BEANTWORTEN KÖNNEN SIE DIE 1) JESUS beginnt Sein öffentliches Wirken: Taufe, Versuchung, Jüngerberufungen 2) Geben Sie einen Überblick über die Arten der Gleichnisrede und erläutern Sie die Funktion der Gleichnisse als Bildrede vom GOTTESreich anhand eines selbstgewählten Beispiels 3) Die Bergpredigt als Richtziel des Lebens und als Ideal christlicher Gemeinde 4) Geben Sie einen Überblick über die Arten der Wunder und erläutern Sie die Funktion der Wunder als Zeichen des angebrochenen/noch nicht vollendeten GOTTESreiches anhand eines selbstgewählten Beispiels 5) Wie äußerte sich der besondere Anspruch JESU schon in Seinem irdischen Leben ? Und warum kann gerade aufgrund dieses Anspruchs JESUS nicht (nur) als politischer Revolutionär gesehen werden ? 6) Die Passion JESU - Historisches und Theologisches, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vier Evangelien 7) 1 Kor 15 als theologischer Schlüssel zur Deutung der Osterevangelien 8) Die Osterevangelien - "Geschichten um Geschichte" 9) Die lukanische Ausfaltung der Auferstehung in Himmelfahrt und Pfingsten. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, wie die neue Gegenwart CHRISTI (Mt 28,16-20 und Lk 24,44-53) und die GEISTgabe (Joh 20,19-23 und Apg 2) dargestellt werden 10) Die Apg als erste "Kirchengeschichte" im Überblick 11) Herkunft und Werdegang des PAULUS und Überblick über seine echten Briefe 12) Schwerpunkte paulinischer Theologie: Kreuz (1 Kor 1), Auferstehung (1 Kor 15 ) und Rechtfertigung (Röm 1-8) 13) Überblick über den und theolog. Schwerpunkte des Hebr 14) Die deuteropaulinischen und die Katholischen Briefe im Überblick 15) Die Offenbarung des JOHANNES: literarische Gattung und Überblick 16) Die verschiedenen CHRISTUSbilder des NT 17) MARIA im NT 18) Die biblischen Grundlagen des Kirchenbildes