Muttertagsopfer1 2012 Johannes 15,16: «Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt…» Das Glück zweier Menschen In einer Sonntagszeitung werden jeweils drei Paare porträtiert, die eben geheiratet haben. Vermutlich erregen diese Porträts ebenso hohe Aufmerksamkeit wie die Leserbriefe. Ich gebe zu, ich lese sie auch. Das kleine, grosse Glück interessiert mich. Menschen, die nichts Besonderes sind, so wie du und ich, sie treffen sich irgendwo, und irgendwann verlieben sie sich und heiraten. Das wird dann als der «schönste Tag im Leben» beschrieben, ein romantisches Bild der beiden Liebenden unterstreicht diese Tatsache. – Und wir können uns rühren lassen von dem kleinen, grossen privaten Glück. Vielleicht lesen wir dort noch den Begriff die «Auserwählte» oder der «Auserwählte». Im Zusammenhang mit einem Paar wird die Einzigartigkeit beschrieben, dass jetzt gerade diese Frau diesen Mann kennen und lieben gelernt hat und umgekehrt. Auserwählt Ansonsten ist «auserwählen» in unserem Wortschatz wenig gebräuchlich. Wir wählen zwischen zwei Produkten aus, wir wählen unser Parlament oder wählen einen Politiker ab, wir haben die Qual der Wahl mit zu vielen Optionen, wenn wir vor dem Verkaufsregal mit den vielen Müesli stehen und nicht mehr wissen, welches davon unser Kind als Lieblingsmüesli gewählt hat. Aber wir fühlen uns selten auserwählt und schon gar nicht erwählt. Das tönt nach Elite, Crème de la Crème, Einzigartigkeit und kann überheblich wirken. Unsere Bescheidenheit verbietet es uns, in solchen Kategorien von uns selber zu denken. Der Bibeltext beschreibt eine Erwählung. Jesus erwählt seine Jüngerinnen und Jünger, er erwählt sie und beschreibt das als seinen Entscheid. Aber die Auswahl ist zweckbestimmt: Sie ist verknüpft mit einer Leistungserwartung. Nicht zum Ausruhen sind sie erwählt, sondern um Früchte zu bringen. Zuerst ist das vorbehaltlose Ja Jesus gibt den Menschen Vorschusslorbeeren. Er sagt Ja zu uns – und in diesem Ja sind wir alle gleich, sagt er. Aber dann gilt es, die Ärmel hochzukrempeln und Früchte zu erbringen. 2 Wenn ich Vorschusslorbeeren erhalte, dann wäre es eigentlich nur folgerichtig, dass wir etwas damit machen, dass wir das Geschenk weitergeben, dass wir mit dem Talent, das wir erhalten, wuchern und das Beste daraus machen. Mir scheint es, so ist es auch in einer Familie: Die Eltern sagen vorbehaltlos Ja zu ihren Kindern. Eltern «investieren» jahrelang mit viel Geduld ihre ganze Liebe, ihre ganzen Kräfte in die Kinder. Sie geben Zuneigung, nähren, erziehen, führen, immer wieder, unermüdlich. Und auf ganz eine andere Weise kommt die Frucht zurück. Das erste Lachen des Babys, die erste Umarmung, das erste Wort, der erste Schritt, die erste Zeichnung. Familie ist ein Geben und Nehmen. Aber zuerst war dieses Gefühl, einzigartig sein zu dürfen, auserwählt zu sein, dieses einzigartige Paar und diese einzigartige Familie sein zu können. Die Früchte kommen später. 3 Beziehungen sind ein Geschenk Wir wissen, unsere Realität ist so und anders. Glücksporträts im Fotoalbum, aber auch Scheidungsurkunden, Liebesbezeugungen und Schmähbriefe, ewige Liebe und Scheidungskriege. Gelingende Beziehungen sind nicht selbstverständlich. Wir alle kennen diese harten Brüche im Zusammenleben, mit oder ohne Kinder. Fast die Hälfte aller Familien durchläuft einmal eine solche dramatische Krise. Nicht nur die Caritas muss dann feststellen, dass solche Schicksalsschläge zu ernsten finanziellen Schwierigkeiten führen können. Plötzlich müssen wieder zwei Wohnungen bezahlt werden, die Kinder reagieren auf die Trennung der Eltern mit gesundheitlichen Problemen, in der Schule geht es mit den Leistungen bergab, am Arbeitsplatz kommt es zu Spannungen... Es wird uns spätestens dann schmerzlich bewusst, dass tragfähige Beziehungen ein Geschenk sind. Wissen wir es zu schätzen, wenn es gut geht? Können wir eine Hand reichen, wenn es schlecht geht? Sind wir fähig, Hilfe zu suchen? Und können wir Hilfe auch annehmen, wenn wir vor einem Abgrund stehen? Muttertag ist Dankestag Nutzen wir den Muttertag, um für das Geschenk gelungener Beziehungen dankbar zu sein. Wir dürfen glücklich sein, erwählt zu sein. Ich bin überzeugt, jede Person hat eine privilegierte Beziehung, die ihr hilft, das Leben zu bestehen, die ihr das Gefühl gibt: «Ich bin wichtig.» Und ich bin überzeugt, dass wir häufig Früchte ernten könnten, weil wir eben Erwählte sind. Wir müssen nur unsere Sinne öffnen und diese Früchte erkennen. Sie sind da, in unserer Umgebung. So viele Freiwillige verrichten täglich ihre Dienste, in der Pflege von Angehörigen zu Hause, ganz im Stillen in der nächsten Nachbarschaft, in der Aufgabenhilfe. Häufig dürfen wir die Früchte erbringen, beispielsweise in einem Verein oder einer Solidaritätsgruppe, die einen sinnvollen Dienst an der Gesellschaft leistet. Manchmal sind wir die Nutzniesser – wenn wir die Hilfe akzeptieren können. All dies ist nicht selbstverständlich, genau wie die Geduld und Hingabe von vielen Müttern und Frauen. Sie und alle unsere grossen und unscheinbaren Helferinnen und Helfer wollen wir heute feiern. Wenn wir dankbar sind, helfen zu können, und wenn wir dankbar sind, Hilfe annehmen zu können, dann ist das Reich Gottes mitten unter uns. Dann haben unsere Taten Früchte gebracht, wie sie Jesus bereits angekündigt hat. Vorlage für die Ankündigung der Kollekte: Heute nehmen wir die Kollekte auf für die Caritas Zürich. 4 Liturgiebausteine 5 Liturgiebausteine Einleitung Wenn eine Mutter zu einem Kind sagt: «Du bist mir aber ein Früchtchen!», dann bedeutet das nichts Verheissungsvolles, dann hat es vermutlich etwas ausgefressen. Wenn das eine Mutter zu ihrem Kind sagt, dann besteht immer die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts. Schliesslich stammt das «Früchtchen» von der Mutter, und es ist nicht anzunehmen, dass sich die Mutter von ihrer Frucht distanziert. Mütter sind in Freud und Leid mit ihren Kindern verbunden. Mutter-Kind-Beziehungen sind Sinnbilder für schicksalhafte und enge Bindungen an und für sich. Am Muttertag möchten wir über unsere Beziehungen und über unsere Früchte nachdenken. In erster Linie danken wir für das Geschenk von gelungenen Beziehungen. Besinnung Ein Sprichwort sagt: «Ärgere dich nicht darüber, dass der Rosenstrauss Dornen trägt, sondern freue dich, dass der Dornenstrauch Rosen trägt.» Oft sehen wir zuerst das, was uns lästig fällt in einer Beziehung, und viel zu wenig das Positive. Öffne unsere Hände für Momente, die uns wie Rosen geschenkt werden! Herr, erbarme dich… Zum Christsein gehören Einsicht und Verzeihen. Öffne unseren Mund für echte Umkehr und Vergebung! Christus, erbarme dich… Wir dürfen uns freuen an dem, was wir an Treue und Verlässlichkeit jeden Tag von unseren Angehörigen erfahren. Öffne unsere Herzen, um die kleinen Zeichen zu spüren! Herr, erbarme dich… Gott, du bist für uns wie eine Mutter oder ein Vater. Öffne uns die Augen und die Sinne für die Rosen unter den Dornen. Insbesondere danken wir dir dafür, dass wir einander immer wieder akzeptieren mit unseren Ecken und Kanten. Mach uns grosszügig untereinander und mit uns selbst. Amen. 6 Fürbitten Wir wünschen uns ein gutes Zusammenleben zwischen den Generationen. Tragen wir unsere Bitten vor: Viele Mütter und Väter tragen ganz alleine Verantwortung für ihre Kinder. Gott, schenke ihnen die Zuversicht, aus der Isolation herauszufinden. – Wir bitten dich, erhöre uns… Wir bitten dich für Familien, die einen dornenvollen Weg gehen müssen wegen des Verlustes eines Elternteiles. Lass sie immer eine helfende Hand finden. – Wir bitten dich, erhöre uns… Für Familien, die wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet sind. Stärke ihr Selbstwertgefühl und lass sie kreative Wege und Unterstützung finden. – Wir bitten dich, erhöre uns… Wir bitten dich für alle Menschen, die tagtäglich in aller Stille ein krankes Familienmitglied pflegen. Gib, dass sie Wertschätzung und Befriedigung erfahren dürfen. – Wir bitten dich, erhöre uns… Gott, wir denken an unsere Verstorbenen, insbesondere an unsere Eltern. Hilf, dass wir aus den schönen Erinnerungen Lebensfreude schöpfen dürfen. – Wir bitten dich, erhöre uns… Gott, schenk uns Geduld, Barmherzigkeit und Zärtlichkeit, die wir alle so dringend brauchen. Um dies und vieles mehr bitten wir dich, durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen. Gabenbereitung Guter Gott, im Brotbrechen erkennen wir dich. Wenn wir miteinander Freud und Leid teilen, dann geben wir uns als eine Familie zu erkennen. Mit Brot und Wein bringen wir dir gleichsam Rosen und Dornen dar. 7 Wir danken dir für das Schöne, aber auch für die Aufgaben, an denen wir wachsen können. Durch Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen. Meditation zur Eucharistie Deine Schönheit feiern mit einem Stück Brot das im Teilen Deinen Traum einer solidarischeren Welt verwirklicht Deine Zärtlichkeit feiern mit einer Rose die zur Sinnlichkeit berührt und uns zum Hoffnungstanz bewegt Deine Grosszügigkeit feiern im Verweilen in der Schöpfung die uns deinen Ursegen schenkt Damit kein Mensch mehr verhungert Deinen Frieden feiern mit Brot und Wein zum Erkennen Deiner Gegenwart in allem (nach Pierre Stutz, «Vertrauensworte. Die Lebenskraft im Vaterunser») Segen Nicht, dass von jedem Leid verschont du mögest bleiben, noch, dass dein künft’ger Weg stets Rosen für dich trage und keine bittere Träne über deine Wangen komme – dies alles, nein, das wünsche ich dir nicht! 8 Dass jede Gottesgabe in dir Frucht trage und mit den Jahren sie dir helfe, die Herzen froh zu machen, die du liebst; Dass immer einen wahren Freund/eine wahre Freundin du hast, wenn dir’s an Licht gebricht und Kraft; dass du dadurch den Stürmen standhältst und so die Höhen doch erreichst. Amen. (nach einem irischen Segen) 9