Landesbericht aus Österreich

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Landesbericht aus Österreich
Friedrich Mayrhofer, Geschäftsführer Caritas für Menschen mit Behinderungen, Linz
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Vorbemerkung zur Situation in Österreich
Gesetzliche Rahmenbedingungen: Österreich hat eine föderale Verfassung.
Dies hat auch Auswirkungen auf die Sozialgesetzgebung. Leider sind die
meisten Angelegenheiten sowohl Bundes- als auch Ländersache. Hierdurch
werden die Zuständigkeiten der staatlichen Stellen teilweise völlig unübersichtlich. Die Finanzierung wird dadurch noch komplexer, dass auch die Gemeinden und Bezirke eine wesentliche Rolle spielen. Daher müssen Finanzierungsverhandlungen oft mit mehreren Stellen geführt werden.
Angebotsstruktur: Aus historischen Gründen ist die Aufgabenwahrnehmung
durch den Staat in der Sozialwirtschaft wesentlich größer als in Deutschland
– insbesondere in den Städten. So führt die Caritas in Österreich kein einziges Spital, das Diakoniewerk nur einige wenige; einzig die Orden sind hier
noch relativ stark vertreten. Im stationären Pflegebereich sind die Gemeinden
die bei weitem größten Anbieter. So betreibt die Stadt Wien über 90% der
Bettenkapazität. Die ambulanten Dienste werden wiederum mehr von gemeinnützigen Organisationen angeboten. Die Leistungen für Menschen mit
Behinderungen werden fast ausschließlich von nicht staatlichen Einrichtungen erbracht.
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Die Finanzierungssituation der Sozial- und Gesundheitsdienste
Die jetzige Situation ist geprägt durch eine Neuorientierung der Regierung,
die sich als konkretes Budgetziel das Null-Defizit vorgenommen hat. Aus diesem Grund werden jetzt fast überall die Sozial-Budgets eingefroren und in
dessen Folge die Zuschüsse „gedeckelt“. Inwieweit die Organisationen diese
Begrenzung durch Kosteneinsparungen bewältigen können, bleibt abzuwarten.
Die gesetzliche Sozialversicherung – in Deutschland eine Pflichtversicherung
– ist defizitär. Die Erhöhung des Beitrages wird momentan politisch diskutiert.
Die Einführung der Versicherungspflicht ist aber derzeit politisch nicht mehrheitsfähig.
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Tendenziell, jedoch noch nicht in großem Maßstab, nimmt die private Finanzierung von Investitionen und anschließende Vermietung an die Wohlfahrtsträger zu.
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Aktuelle Probleme der Finanzierung
Neben der bereits oben erwähnten „Deckelung“ der Leistungen für den laufenden Betrieb ist die Finanzierung der Investitionen ein nicht gelöstes Problem.
Die lange Zeit praktizierte Form der relativ großzügigen Finanzierung durch
den Staat und vor allem durch die Länder wird immer mehr durch Mischformen ersetzt. Direktzuschüsse, Vorfinanzierung durch Banken wegen zugesagter, aber später ausbezahlter Zuwendungen, ohne dass der Zinsendienst
übernommen wird und vermehrte Eigenleistung sind mittlerweile die Regel
geworden. Inwieweit die Finanzierungskosten in den sog. „Tagesätzen“ unterzubringen sind, ist sehr fraglich. Auch die AfA wird normalerweise nicht als
Kostenfaktor anerkannt. Bis jetzt sind akute Probleme von Wohlfahrtseinrichtungen sehr pragmatisch gelöst worden.
Bei der Krankenhaus-Finanzierung erhalten die privaten Träger generell nur
96% des Betriebsabganges, obwohl die Gesetzeslage eindeutig anderes bestimmt. Investitionen werden jeweils einzeln verhandelt.
Eine Absichtserklärung der Regierung besteht, diese Ungleichbehandlung zu
beenden. Sollten die Verhandlungen nicht positiv verlaufen, ist eine Verfassungsklage wahrscheinlich.
Mit Ausnahme von vermehrten Bemühungen zum Fundraising sind noch keine signifikanten Entwicklungen hin zu neuen Finanzierungsquellen bemerkbar. Zur Zeit wird versucht, die Finanzierungslücke durch Kosteneinsparungsprogramme zu schließen. Bei einem Personalkostenanteil von über
70% ist dies allerdings nur in geringem Ausmaß möglich, will man die Qualität nicht reduzieren.
Heute können kaum noch größere Investitionen ohne Bankkredite durchgeführt werden: sowohl zur Zwischenfinanzierung bis zur Zuteilung der staatlichen Zuschüsse (Mittelfrist-Kredite), als auch zur Deckung der Differenz zwischen Investitionssumme und der gewährten Mittel (langfristige Kredite ab 10
Jahren Laufzeit), wobei ein Teil wieder staatlich gefördert wird (WohnbauKredite).
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Wettbewerb
Der Wettbewerb nimmt rasant zu. Als Indikator kann die Situation in der Behindertenarbeit dienen: Vor 30 Jahren gab es ca. fünf größere Anbieter; jetzt
sind in Oberösterreich über 40 Anbieter am Markt, wobei die jüngeren insbesondere die innovativen Felder besetzt haben.
Profitorientierte Unternehmen sind zur Zeit hauptsächlich im Bereich der Altenheime und der Spezialkliniken präsent. Erste Versuche gibt es bei den
ambulanten Pflegediensten.
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Anpassung der Anbieter an die geänderten Rahmenbedingungen
Neuorganisation: Die Caritas Linz wurde im Jahre 2000 in eine Holding mit
operativen Töchtern in den einzelnen Geschäftsfeldern umgebaut. Sie widmen sich der Betreuung und Pflege, der Kinder- und Jugendarbeit und den
Menschen mit Behinderungen. Ziel ist die Schaffung einer flexiblen Organisation mit besserer Konzentration auf die jeweilige Marktentwicklung.
Finanzierung: Die Caritas Linz gründete gemeinsam mit einer Immobilienfirma die „Elisabeth Liegenschafts-Entwicklungs AG“. Neben dem Ziel eines
professionelleren Liegenschafts-Managements möchte sie den Kapitalmarkt
durch ein „private Placement“ im Frühling 2002 ansprechen.
Kooperationen: Überlegungen zur Zusammenarbeit mit anderen Anbietern
(von losen Arbeitsgemeinschaften bis hin zur Gründung gemeinsamer Tochterfirmen) werden aktuell geprüft.
Entwicklung ertragsorientierter Projekte: In Aufgabenfeldern, die nicht im
Focus der gemeinnützigen Organisationen stehen, werden Projekte entwickelt, die ein ausreichendes Gewinnpotential haben. Kooperationen mit anderen Organisationen und Firmen sind hier besonders gesucht.
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Auswirkungen der europäischen Marktordnung
Bis jetzt sind noch relativ wenig Konsequenzen spürbar. Einerseits besteht
Hoffnung, die Vergabe von Sozialprojekten durch den Staat transparenter zu
gestalten. Momentan werden noch parteinahe Organisationen bevorzugt.
Andererseits wird die Bevorzugung von in öffentlicher Trägerschaft stehenden Sozial- und Gesundheitsdiensten hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.
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