Anlage-Flash November 2016 Fokus Das tiefe Zinsniveau wirkt sich unterschiedlich auf die verschiedenen wirtschaftlichen Akteure aus. Die Entscheidungen in der Euro-Zone und in den USA stehen weiter aus. Schweiz: Auftragseingänge und längere Lieferfristen unterstützen den Gesamtindex Industrie. Steigende Lagerstände und Personalabbau neutralisieren die positiven Konjunkturaussichten. Europa: Die Stimmung in der Industrie überrascht positiv. Die Frühindikatoren versprechen deshalb eine solide Entwicklung in der Konjunktur. USA: Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiter in guter Verfassung. Dies wirkt sich deutlich positiv auf die Konsumenteneinschätzung und ihr Vertrauen aus. Zinsanstiege in der Euro-Zone? Neben den soliden Daten vom amerikanischen Arbeitsmarkt lieferte Die Wirtschaft der Euro-Zone wächst seit 2014 wieder mit durch- jüngst auch die positive Entwicklung der Inflation ein weiteres schnittlich 1,5% pro Jahr. Das anhaltend tiefe Zinsniveau hat aber Argument für einen solchen Schritt. Im Vergleich zum Vorjahr zunehmend schädliche Nebenwirkungen, z.B. beim Ansparen von stiegen die Konsumentenpreise zuletzt um 1,5%, womit sich die Altersrenten oder für Finanzinstitute, die Erträge aus dem Zins­ Teuerungsrate langsam der Zielmarke von 2% der US-Notenbank differenzgeschäft erwirtschaften. Die verschuldeten Staatshaushalte Fed nähert. in der Euro-Zone profitieren demgegenüber von der Zinssituation: Die tieferen Zinskosten für die Kredite führen zu signifikanten Da der negative Basiseffekt seitens der Energiepreise stetig nach- Einsparungen. lässt, gehen Marktbeobachter davon aus, dass die Gesamtteuerung bis Ende 2016 in Richtung 2% steigen könnte. Die in den Märkten Marktbeobachter vermuten, dass die Europäische Zentralbank eingepreiste Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung an der Fed- (EZB) trotz des im März 2017 ablaufenden Anleihen-Kaufpro­­- Sitzung von Mitte Dezember liegt denn auch bei über 70%. Da wir gram­ms die Zinsen nicht erhöhen wird. Sie rechnen damit, dass aber nicht mit einer wirklichen Trendwende in der Geldpolitik die Wirtschaft in der Euro-Zone bis dahin noch nicht genügend rechnen – für nächstes Jahr wird gegenwärtig lediglich von einem stabil ist und das Kaufprogramm deshalb um ein Jahr verlängert weiteren Zinsschritt ausgegangen – dürfte das Umfeld für Aktien wird. Erste Zinserhöhungen der EZB wären somit auf Ende 2018 grundsätzlich positiv bleiben. Vor diesem Hintergrund halten wir an denkbar. der Übergewichtung der Aktienquote zulasten der Obligationen fest. Clientis Marktkommentar Während in der Euro-Zone über eine Verlängerung oder sogar Ausdehnung des Liquiditätsprogramms der EZB spekuliert wird, erscheint in den USA eine weitere Zinserhöhung gegen Ende Jahr immer wahrscheinlicher. Dieses Dokument dient ausschliesslich zur Information. Es ist weder Angebot noch Aufforderung für den Kauf oder Verkauf von Produkten. Für Richtigkeit und Vollständigkeit wird keine Gewähr übernommen. Die Publikation entstand in Kooperation mit der BKB und der ZRB. Clientis Anlage-Flash November 2016 2 Globale Konjunktur USA: Konsumentenstimmung im Hoch Speziell die Stimmung in der Industrie hat jüngst positiv Die US-Wirtschaft hat sich im ersten Halbjahr nur wenig überrascht; die entsprechenden Einkaufsmanagerindizes dynamisch gezeigt. Die Hoffnung vieler Ökonomen ruht auf konnten sich in allen grossen Staaten der Euro-Zone erholen. der Entwicklung im dritten und vierten Quartal. Dabei haben Bis auf Frankreich liegen die Werte wieder über der kritischen die jüngsten Zahlen die Nerven etwas beruhigt. Die Einkaufs- 50-Punkte-Marke. managerindizes haben zugelegt. Der Index für den Bereich der Industrie liegt wieder im expansiven Bereich. Positiv zeigt sich Die gute Stimmung unter den Industrieunternehmen wurde die Stimmung unter den Konsumenten. Das vom Conference auch durch andere Indikatoren bestätigt. In Deutschland Board ermittelte Konsumentenvertrauen ist überraschend hat insbesondere der deutliche Anstieg des ifo-Index positiv ge­stiegen und hat den höchsten Stand seit September 2007 überrascht (Abb. 2). Doch Experten halten für 2017 eine leichte erreicht (Abb. 1). Abschwächung der Konjunktur — u. a. aufgrund des BREXIT – für wahrscheinlich. Der Anstieg ist unter anderem mit der positiveren KonsumentenEinschätzung des Arbeitsmarkts zu erklären. Der Arbeitsmarkt Schweiz: gemischte Signale selbst zeigt sich weiter in guter Verfassung. Die Arbeitslosen- Die Stimmung hat sich auch in der Schweiz wieder etwas quote liegt bei 5%, und die Zahl der Beschäftigten hat zuletzt ein aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie ist auf neues Hoch erreicht. Dennoch ist eine dynamische Konjunktur 53,2 Punkte gestiegen (Abb. 3). Die zugrundeliegenden Indika- aktuell nicht erkennbar. toren geben jedoch kein einheitliches Bild. Unterstützung erhält der Gesamtindex vom Auftragseingang und von längeren Liefer- EU: Stimmungsindikatoren hellen sich auf fristen. Gleichzeitig ist aber der Lagerbestand deutlich gestiegen, Die Frühindikatoren in der EU versprechen auch für die kom- und der Personalabbau wird fortgesetzt. Beides keine Indizien menden Monate eine solide Entwicklung der Konjunktur. für deutlich positive Konjunkturaussichten. Abb. 1: US-Konsumentenvertrauen 120 100 80 60 40 20 US-Konsumentenvertrauen (Conference Board) 0 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Quelle: BKB (Bloomberg) Abb. 2: Deutscher ifo-Index verspricht Anstieg des BIP 120 8 Deutsches BIP, % gegenüber Vorjahr (rechte Skala) ifo-Geschäftsklimaindex (linke Skala) Abb. 3: Schweizer Frühindikatoren und BIP 80 Einkaufsmanagerindex Industrie (linke Skala) 6 4 110 2 6 BIP, % gegenüber Vorjahr (rechte Skala) Subindex Beschäftigung (linke Skala) 70 4 60 2 50 0 40 -2 0 100 -2 -4 90 -6 80 -8 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Quelle: BKB (Bloomberg) 30 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 -4 Quelle: BKB (Bloomberg) Clientis Anlage-Flash November 2016 3 Zinsen, Währungen und Immobilienmarkt US-Notenbank unter zunehmendem Druck Zentralbank interessiert. Vielmehr wird darauf geachtet, wie Die Fed hat sich an ihrer Sitzung erneut gegen eine Erhöhung sich die anderen verhalten. des Leitzinses entschieden. Es ist die siebte Zinsentscheidung in Folge, in der die Fed ihren Zinssatz unberührt lässt. Gleichzeitig Schweiz: mehr leerstehende Immobilien wurden die Erwartungen für die weiteren Zinserhöhungen Leerstände am Schweizer Wohnimmobilienmarkt waren in den gedämpft. So rechnen die Mitglieder des Offenmarkt-Ausschus- letzten Jahren kein Thema. Das könnte sich ändern. Erste An- ses (FOMC) im Durchschnitt mit einem Zinssatz von 1,9% anstatt zeichen sind erkennbar – die Leerstände steigen an. Das Tief- 2,4% per Ende 2018 (Abb. 1). zinsniveau und damit verbunden der Anlagenotstand hat dazu geführt, dass viel Kapital in den Immobilienmarkt geflossen ist. Die Argumente für eine Zinserhöhung seien zwar stärker gewor- Dem steigenden Angebot an Wohnimmobilien stand eine robuste den. Dennoch möchte man noch weitere Fortschritte der Wirt- Nachfrage gegenüber. schaft sehen. Der zögerliche Kurs stösst intern allerdings auch auf Kritik. Drei der insgesamt zehn Mitglieder sprachen sich für Während das Angebot weiter steigt, lässt die Dynamik der eine Erhöhung des US-Leitzinses aus. Eine zu zögerliche Erhö- Nachfrage nach. So ist gemäss dem Bundesamt für Statistik die hung könnte die Fed später zu aggressiveren Schritten zwingen. Zahl der leerstehenden Wohnungen von 35’000 Wohnungen im Marktbeobachter gehen von einer Anhebung des Leitzinses in Jahr 2009 auf rund 56’500 im Jahr 2016 gestiegen. Damit sind die der Dezember-Sitzung aus. Leerstände zum siebten Mal in Folge gestiegen. Die Leerstandsziffer beläuft sich aktuell auf 1,3%; das ist der höchste Wert seit Zentralbanken im Dilemma 2001. Das Plus ist vor allem auf Mietwohnungen zurückzufüh- Abgesehen von den USA hat noch keine der grossen Volkswirt- ren. schaften eine Zinswende eingeleitet. Sowohl in der Euro-Zone als auch in Japan deuten die Zeichen auf eine noch expansivere Im Eigentumssegment sind Angebot und Nachfrage noch aus- Geldpolitik hin. Auch Grossbritannien, Australien und Neusee- gewogen. Der Anlagenotstand bei den Investoren hält an – und land haben in den vergangenen Monaten ihre Geldpolitik weiter somit auch die Bautätigkeit. Bei den indirekten Immobilienanla- gelockert. Die meisten Zentralbanken würden sich höhere Zinsen gen kommt der Anlagenotstand ebenfalls zum Tragen. Auch 2016 wünschen. Dadurch erhielten sie auch wieder mehr zinspoliti­ ist viel Kapital in die diversen Anlagegefässe geflossen. Es ist schen Spielraum, um künftige Rückschläge zu bekämpfen. aber feststellbar, dass nicht mehr zu jedem Preis investiert wird, sodass weiteres Aufwärtspotenzial begrenzt sein dürfte. Höhere Zinsen ziehen aber rasch Kapitalströme an. Das stärkt die heimische Währung. Die Exporteure geraten unter Druck, und das inländische Wachstum wird gefährdet. Daran ist keine Abb. 1: Erwartungen der einzelnen FOMC-Mitglieder 5.0 4.5 4.0 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 2016 2017 2018 2019 Longer run Quelle: US Federal Reserve, BKB Clientis Anlage-Flash November 2016 4 Aktienmarkt Schwellenländer im Aufschwung Energietitel verlaufen seitwärts Die grossen Aktienmärkte haben im Oktober im Vergleich zum Anfang Oktober profitierten die Energieaktien nach der OPEC- Vormonat einen Aufschwung verzeichnet. Die relative Aktienmarkt- Entscheidung über eine Begrenzung der Fördermenge vom stärke der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern setzt Ölpreisanstieg. Sie stiegen so Mitte Oktober um rund 2% an. Ende sich weiter fort. Schwellenländeraktien in CHF legten im Monats- Monat sanken die Ölpreise wieder, die nach einem ergebnislosen vergleich um 2,1% zu. Die Industrieländer verzeichnen im Oktober OPEC-Treffen unter Druck gerieten, und wirkten sich wiederum ebenfalls eine Steigerung, schlossen dennoch mit –0,1% ab und entsprechend auf die Energietitel aus. hinken den Schwellenländern weiter nach (Abb. 1). Die Finanztitel gehörten im Vormonat zum schwächsten Sektor im Der Schweizer Aktienindex, der Swiss Market Index (SMI), büsste MSCI Welt Index. Sie legten im Oktober aber immerhin um 4% zu. hingegen im Oktober rund 4% ein. Gründe waren unter anderem die Die Branche wurde unter anderem durch den Scheinkontenskandal Ermittlungen in der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton. bei Wells Fargo, der grössten Bank der Welt, geschwächt (Abb. 2). Abb. 1: A ktienperformance in CHF Abb. 2: Energie- und Finanztitel 16% Performance in lokaler Währung 120 14% Währungseinfluss Net Return Index in CHF, 01.01.16=100 2.9% 115 12% 10% Energietitel Finanztitel 110 8% 6% 4% 3.3% 2% 0% -2% 105 12.0% 1.5% 0.6% 0.6% -0.8% -0.7% 2.5% -0.1% 15.2% 2.1% seit Jahresbeginn Oktober seit Jahresbeginn Oktober Industrieländer Schwellenländer Perf. in CHF: Quelle: Bloomberg/MSCI 100 95 90 85 80 01.16 02.16 03.16 04.16 05.16 06.16 07.16 08.16 09.16 10.16 Quelle: Bloomberg/MSCI