Skript zur Vorlesung Leistungspflichten des Unternehmers Teil 1 Die Bauleistung und ihr Preis Prof. Stefan Leupertz Schiedsrichter, Schlichter, Adjudikator Richter am Bundesgerichtshof a.D. Teil 1 Das bauvertragliche Preis- Leistungsgefüge 1 Der Bauvertrag 1.1 Zustandekommen Der Bauvertrag kommt – vorbehaltlich der Bauvergabe durch öffentliche Auftraggeber im Rahmen der speziellen Vergabebestimmungen der VOB/A – nach Maßgabe der §§ 145ff. BGB durch zwei inhaltlich übereinstimmende rechtsgeschäftliche Willenerklärungen, also durch Angebot und Annahme zustande. Er unterliegt in der Regel keiner Form und kann von den Parteien in den durch §§ 134f. BGB gezogenen Grenzen inhaltlich frei gestaltet werden. In der Praxis wird die Ausübung dieses Gestaltungsrechtes durch eine kaum noch zu überblickende Vielzahl von Allgemeinen Geschäftsbedingungen dominiert, die dann allerdings einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307ff. BGB standhalten müssen. Auch die Bestimmungen der VOB/B sind nach ganz h. M.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer isolierten Inhaltskontrolle nur dann nicht unterliegen, wenn die VOB/B als Ganzes, d. h. ohne Änderungen vereinbart ist. Das ist in der Praxis kaum je der Fall. Die Initiative für den Abschluss eines Bauvertrages geht regelmäßig vom Auftraggeber aus, der es naturgemäß in der Hand hat, den gewünschten Bauerfolg näher fest zu legen. Das wieder rum geschieht zumeist durch die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses, in dem die hierfür erforderlichen Arbeiten nach Leistungspositionen aufgeschlüsselt erfasst sind. Auf dieser Grundlage gibt der Auftragnehmer sein Vertragsangebot ab, indem er das Leistungsverzeichnis mit seinen Angebotspreisen versieht und dem Auftraggeber zurückreicht. Der Auftraggeber entscheidet dann darüber, ob er dieses Angebot annimmt, was er dem Auftragnehmer gegenüber zumindest konkludent – etwa durch die unmissverständliche Aufforderung, mit den angebotenen Arbeiten zu beginnen – mitteilen muss (§ 130 Abs.1 BGB). Die Vertragskonstellation ist die gleiche, wenn der 1 a. A: Leupertz, Jahrbuch Baurecht 2004, 43 2 mit Spezialkenntnissen ausgestattet Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis zu Erreichung des vom Auftraggeber nur funktional vorgegebenen Bauerfolges erstellt. Allerdings trägt er dann abweichend vom Normalfall das Leistungs- und Preisrisiko für Unzulänglichkeiten der von ihm verfassten Leistungsbeschreibung. Oft wird der Auftraggeber bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses die Hilfe eines Architekten in Anspruch nehmen. Daraus folgt nicht, dass der Architekt den Auftraggeber bei der Vergabe von Bauaufträgen wirksam rechtsgeschäftlich vertreten kann. Zwar wird er Bauleistungen in aller Regel nicht im eigenen Namen, sondern im Namen seines Auftraggebers, oft des Bauherrn vergeben; das weiß auch der Auftragnehmer, wenn er vertragliche Verabredungen mit dem Architekten trifft2 - § 164 Abs. 1 S: 2 BGB. Wirksam verpflichtet wird der Auftraggeber durch solche Erklärungen seines Architekten indes nur, wenn er ihn dementsprechend rechtsgeschäftlich bevollmächtigt hat (§ 167 Abs. 1 BGB). Dafür genügt es nicht, dass der Architekt für den Auftraggeber im Zusammenhang mit einem konkreten Bauvorhaben tätig wird, und zwar selbst dann nicht, wenn zu dieser Tätigkeit vereinbarungsgemäß die Einholung und Bewertung von Unternehmerangeboten gehört. Denn auch dann besteht seine durch Abschluss des Architektenvertrages begründete Aufgabe lediglich in der technischen und planerischen Betreuung des Bauvorhabens, nicht in der Schaffung der hierfür erforderlichen vertraglichen Grundlagen3. Anders nur, wenn der Architektenvertrag eine entsprechende Vollmachtklausel enthält oder sich aus den sonstigen Umständen des Einzelfalles zweifelsfrei ergibt, dass der Auftraggeber dem Architekten eine umfassende Vertretungsbefugnis eingeräumt hat4. Lässt sich eine solche Bevollmächtigung nicht feststellen, so kann sich eine wirksame Stellvertretung gleichwohl immer noch nach den allgemein gültigen Grundsätzen von Anscheinsund Duldungsvollmacht ergeben, für die diejenige Vertragpartei darlegungs- und beweispflichtig ist, die sich auf die Wirksamkeit des Vertretergeschäftes beruft. Beispiel: Der Auftraggeber überlässt dem Architekten die Vertragsverhandlungen, 2 OLG Brandenburg BauR 2002, 476; OLG Köln NJW-RR 1996, 212 OLG Düsseldorf BauR 2000, 891; OLG Saabrücken NJW-RR 1999, 668; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1485 4 vgl.: BGH BauR 1978,139 3 3 obwohl er selbst teilweise an den Vertragsgesprächen teilnimmt. Wenn der tatsächlich vollmachtlose Architekt dann den Bauvertrag im Namen des abwesenden Auftraggebers unterzeichnet, muss dieser sich u. U. entgegenhalten lassen, den Anschein einer wirksamen Bevollmächtigung gesetzt zu haben5. Erst wenn sich auch dazu keine ausreichenden Feststellungen treffen lassen, ist der vollmachtlos geschlossene Bauvertrag unwirksam und der Architekt haftet ggfls. gemäß § 179 BGB persönlich6. Diese Grundsätze gelten im Wesentlichen auch für den noch stärker mit der technischen Umsetzung des Bauvorhabens befassten Bauleiter7. 1.2 Unternehmereinsatzformen / Beteiligte Außer Architekten und Sonderfachleuten (Tragwerksplaner, Lüftungs- und Klimatechniker, Bodengutachter, Vermessungsingenieure) werden auf Auftraggeberseite bei großen Bauvorhaben oft Projektsteuerer bzw. Projektmanager eingeschaltet, die den Bauherrn von Planungs- und Koordinierungsaufgaben entlasten sollen8. Auf Auftragnehmerseite haben sich verschiedene Unternehmereinsatzformen herausgebildet. Die wichtigsten sind: Der vom Bauherrn mit einem oder mehreren Gewerken beauftragte Hauptunternehmer überlässt die Ausführung eines Teils der Leistungen kraft eigenständiger vertraglicher Vereinbarung nachgeordneten Subunternehmern, die ihrerseits in keiner vertraglichen Beziehung zum Bauherrn stehen. Der Generalunternehmer unterscheidet sich vom Hauptunternehmer dadurch, dass er sämtliche zur Durchführung des Bauvorhabens erforderlichen Bauleistungen übernommen hat, diese selbst aber nur z. T. ausführt und im Übrigen Subunternehmern überlässt. 5 vgl.: BGH BauR 1983, 165 Nach obigen Grundsätzen ist der nicht mit besonderer Vollmacht ausgestattete Architekt grundsätzlich auch nicht befugt, Zusatz- oder Änderungsaufträge zu erteilen (OLG Düsseldorf BauR1198). Etwas anderes soll nach Auffassung des BGH nur bei im Verhältnis zu Gesamtleistung geringfügigen Zusatzaufträgen gelten (BGH BauR 1978314, 316; a. A.: OLG Saabrücken NJW-RR 1999, 668) 7 OLG Düsseldorf BauR 2000, 891 8 im Einzelnen zu den Aufgaben des Projektsteuerers: Eschenbruch; Recht der Projektsteuerung, Rn 5ff. 6 4 Auch der Generalübernehmer hat sich gegenüber dem Bauherrn zur Herstellung des gesamten Bauwerks verpflichtet, lässt aber sämtliche Bauleistungen von Subunternehmern ausführen. In der Praxis treten insbesondere Wohnungsunternehmen und Anlagegesellschaften als Generalübernehmer auf. Von Totalunternehmer und Totalübernehmer spricht man, wenn zu den Bauleistungen auch noch die für die Realisierung des Bauvorhabens erforderlichen Planungsleistungen übernommen werden. Vor allem für große Bauvorhaben mit unterschiedlichen Spezialisierungsanforderungen an die ausführenden Unternehmen ist es üblich, dass sich mehrere Unternehmen zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zusammenschließen. Das geschieht meistens in der Rechtsform einer BGBGesellschaft, die nach der neueren Rechtssprechung des BGH teilrechts- und parteifähig ist9. Die ARGE schließt den Bauvertrag mit dem Auftraggeber und regelt im Innenverhältnis die Modalitäten der Auftragsausführung. Der Baubetreuer verpflichtet sich, auf dem Grundstück des Bauherrn für dessen Rechnung ein Bauvorhaben auszuführen. Davon zu unterscheiden ist der Bauträger, der es übernimmt, auf einem eigenen oder von ihm noch zu erwerbenden Grundstück ein Bauwerk für fremde Rechnung zu errichten. Der Bauträger schließt die Bauverträge mit den ausführenden Bauhandwerkern in der Regel im eigenen Namen und verpflichtet sich, das Eigentum an dem fertig bebauten Grundstück auf den Erwerber zu übertragen. Auf den Bauträgervertrag findet nach ganz h. M. Werkvertragsrecht Anwendung10. Darüber hinaus sind die Bestimmungen der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) zu beachten. 1.3 Inhalt 9 BGH NJW 2001, 1056; BGH NJW 2002, 1207 BGH NJW 1991, 342 10 5 1.3.1 Allgemeines Der Bauerfolg hängt ganz entscheidend davon ab, wie sorgfältig und kooperativ die Beteiligten bei der Erarbeitung und Gestaltung des Bauvertrages zusammenarbeiten. Das betrifft im Gegensatz zu den meisten anderen Vertragstypen nicht in erster Linie die rechtliche Ausarbeitung des Vertragsverhältnisses, sondern - viel tiefgreifender schon die Bestimmung der wechselseitigen vertraglichen Leistungspflichten. Denn es liegt aus den bereits genannten Gründen in der Natur des Bauens, dass in der Regel schon die Konkretisierung des Bauzieles eine detaillierte Planung voraussetzt und sich zudem bei Vertragsschluss nur schwer festlegen lässt, welche Bauleistungen im Einzelnen erforderlich sein werden, um den Bauplan umzusetzen. Die Parteien müssen sich also nicht nur darauf einigen, was nach ihrer Auffassung ein fairer Preis für die verlangte Ware ist, sondern überhaupt erst definieren und festlegen, wofür genau der Auftragnehmer die vertragliche Vergütung bekommen soll. Darin liegt die größte und wichtigste Herausforderung für die Vertragsparteien, der sie sich in der Praxis allzu oft nicht gewachsen zeigen. 1.3.2 Das Bausoll 1.3.2.1 Grundlagen Beim Bauvertrag legen also die Parteien Art und Umfang des herzustellenden Werkes fest, indem sie individuell bestimmen was und ggfls. wie zu bauen ist, um den vertraglich geschuldeten Werkerfolg zu erreichen. Das Ergebnis dieser Bemühungen wird gemeinhin als Bausoll11 bezeichnet. Das Bausoll entspricht also dem verpreisten Leistungsumfang. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die als Bausoll vertraglich festgelegten Leistungen mangelfrei und entsprechend den Regeln der Technik zu erbringen; dafür erhält er die vereinbarte, hilfsweise die übliche Vergütung. Das Bausoll ist keine statische Größe. Es kann im Verlauf des Baugeschehens einvernehmlich, unter den Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B auch einseitig durch Anordnungen des Auftraggebers verändert werden. Für diese, in der Praxis häufigen Fälle einer Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses muss die benachteiligte Partei einen angemessenen finanziellen Ausgleich durch 11 zum Begriff im Einzelnen: Kapellmann/Schiffers, Band 1, Rn 4, 100, 700, 720 6 Anpassung des Vertragspreises erhalten. Dem tragen die Bestimmungen in §§ 2 Abs. 5, Abs. 6 und Abs. 7 VOB/B Rechnung. Hinweis: Vom Bausoll zu unterscheiden ist das Erfolgssoll, das die technisch einwandfreie, den vertraglichen Vorgaben des Auftraggebers entsprechende Herstellung des bestellten Bauerfolges betrifft12. Der Bauerfolg kann auch bei vollständiger Umsetzung des Bausolls verfehlt werden, beispielsweise dann, wenn die Parteien die geschuldeten Leistungen in Bezug auf das Bauziel falsch oder unvollkommen geplant und beschrieben haben. Dann ist das Gewerk mangelhaft und der Auftragnehmer hat hierfür einzustehen, wenn er den Auftraggeber nicht rechtzeitig auf die erkennbaren Unzulänglichkeiten der Ausschreibung hinweist (vgl. § 13 Abs. 3 VOB/B) 13. Erhält der Auftraggeber einen solchen Hinweis, muss er eventuell erforderliche, vom bisherigen Bausoll nicht umfasste Zusatzleistungen anordnen, die der Auftragnehmer dann unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B vergütet erhält. Für die mitunter schwierige Ermittlung des Bausolls ist auf alle zum Vertraggegenstand erhobenen Unterlagen abzustellen, die nach dem so genannten Totalitätsprinzip gleichrangig heranzuziehen sind14. Erst wenn sich Abweichungen beispielsweise zwischen textlicher Leistungsbeschreibung und den Bauplänen ergeben, ist im Rahmen der dann gebotenen Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, welcher Vertragsbestandteil gegenüber dem anderen vorrangig ist (dazu unten unter B. III. 2.)15. Kernstück des klassischen Bauvertrages und wichtigster Anknüpfungspunkt für die Festlegung des Bausolls ist die Leistungsbeschreibung. Regelungen hierzu finden sich in § 7VOB/A. Danach ist – entsprechend auch für den privaten Bauvertrag zwischen Leistungsbeschreibungen mit Leistungsverzeichnis (§ 7 Abs. 9 - 12 VOB/A) und solchen mit Leistungsprogramm (§ 7 Abs. 13 - 15 VOB/A) zu unterscheiden. 12 hierzu eingehend: Motzke, NZBau 2002, 641ff. BGH NJW 1984, 1676; OLG Düsseldorf BauR 1994, 762 14 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2, Rn 64 15 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2, Rn 65, 66 13 7 1.3.2.2 Vertragsformen: Einheitspreisvertrag / Pauschalpreisvertrag Das Leistungsverzeichnis enthält eine Aufgliederung des Bauvorhabens nach Teilleistungen, den so genannten Leistungspositionen, denen die für die Ausführung kalkulierten Mengenansätze (Massen) zugeordnet sind. In der Regel erstellt der Auftraggeber – entweder selbst oder durch einen Architekten – das Leistungsverzeichnis, das der Auftragnehmer dann zur Grundlage seines Angebots macht, indem er die Preise für die einzelnen Leistungspositionen einsetzt und das so ausgefüllte Leistungsverzeichnis an den Auftraggeber zurückreicht. Bleibt es bei dem durch Addition der Positionspreise ermittelten Angebotspreis und nimmt der Auftraggeber das Vertragsangebot an, haben die Parteien einen Einheitspreisvertrag geschlossen, zu dem u. U. allerdings auch noch eine einleitende Baubeschreibung und ggfls. Zeichnungen gehören (vgl. § 7 Abs. 10 - 12 VOB/A). Zumindest beim Einheitspreisvertrag ist das (ausgefüllte) Leistungsverzeichnis also eine Art „Preisliste“16. Vereinbaren die Vertragparteien hingegen auf der Grundlage des durch das Leistungsverzeichnis detaillierten Angebots – meist durch einen prozentualen Abschlag auf den Angebotspreis – einen Pauschalpreis, dann kommt ein Detail-Pauschalvertrag zustande, der sich vom Einheitspreisvertrag in erster Linie dadurch unterscheidet, dass sich Mengenmehrungen und Mengenminderungen in den durch § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1, 2 VOB/B weit gezogenen Grenzen grundsätzlich nicht auf den insoweit eben pauschalierten Vertragspreis auswirken. Hinweis: In zahlreichen Detail-Pauschalverträgen finden sich so genannte Komplettheitsklauseln, durch die der Auftragnehmer unabhängig von der vorgegebenen Leistungsbeschreibung verpflichtet werden soll, eine voll funktionsfähige Leistung ohne zusätzliche Vergütung zu erbringen. Damit wird dem Auftragnehmer faktisch das Risiko für Fehler in der vom Auftragnehmer gefertigten Planung aufgebürdet (Anders beim Global-Pauschalvertrag, bei dem die Bauplanung regelmäßig ohnehin zu den vertraglichen Leistungspflichten des Auftragnehmers gehört. Eine solche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers ist unwirksam17, wenn nicht ausnahmsweise der Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis erstellt hat18. 16 so treffend: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2, Rn 65 OLG München BauR 1990, 776; Werner/Pastor, Rn 1196 m.w.N. 18 OLG Düsseldorf BauR 2004, 506 17 8 Oft verzichtet der Auftraggeber auf eine detaillierte Leistungsbeschreibung und die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses. An seine Stelle tritt dann zumeist ein Leistungsprogramm (vgl. § 7 Abs. 13 - 15 VOB/A) in Form einer funktionalen Ausschreibung, mit der unter Verzicht auf konkrete Leistungsvorgaben nur der Bauerfolg und die an ihn gestellten technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten Anforderungen vorgegeben werden19. Es ist dann üblicherweise (nicht zwingend) Aufgabe des Auftragnehmers, auf dieser Grundlage das Objekt zu planen und zu bauen20. Das typische Ergebnis einer solchen Vertragsgestaltung ist der Global-Pauschalvertrag, bei dem die Bauplanung zum Bausoll des Auftragnehmers gehört. Er trägt deshalb grundsätzlich auch das (Preis-) Risiko, dass der angestrebte Bauerfolg mit seiner Planung nicht erreicht werden kann und zusätzliche, nicht kalkulierte Leistungen erforderlich werden 21. Ein Sonderfall des Global-Pauschalvertrages ist der Schlüsselfertigbau, bei dem nicht nur der Preis, sondern auch die geschuldeten Bauleistungen pauschaliert sind. Der Auftragnehmer schuldet dann alle Arbeiten, die nach den Regeln der Technik für die Erreichung des verabredeten Bauerfolges erforderlich und vorhersehbar sind22. Andere Vertragstypen sind der Stundenlohnvertrag und der Selbstkostenerstattungsvertrag. 2 Der verpreiste Leistungsumfang und der geschuldete Werkerfolg 2.1 Vorab: Die Struktur des Bauvertrages Welche Leistungen schuldet der Unternehmer? Und welchen Preis muss der Besteller für diese Leistungen bezahlen? Das sind die zentralen Fragen des Bauvertragsrechts. Ihre Beantwortung geht fehl, wo sie ausschließlich aus den Besonderheiten des Bauvertragsrechts abgeleitet oder 19 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 65 vgl. OLG Düsseldorf BauR 2002, 1103 21 Werner/Pastor, Rn 1189 22 OLG Düsseldorf BauR 1996, 396; für die gleich gelagerte Problematik beim Detail-Pauschalvertrag mit Komplettheitsklausel: OLG Düsseldorf BauR 2004, 506; eingehend hierzu: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 250, 263, 267ff. 20 9 gar mit baubetrieblichen Erwägungen zur Preiskalkulation begründet wird. Maßgebend sind vielmehr die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, deren Ermittlung und Festlegung in erster Linie nach den allgemein gültigen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre zu erfolgen hat. Der typische Bauvertrag ist auf die Herbeiführung eines Werkerfolges gerichtet und deshalb „Werkvertrag“ i. S. d. §§ 631ff.BGB23. Die werkvertraglichen Bestimmungen des BGB werden der durch das Zustandekommen eines Bauvertrages geschaffenen Interessenlage zwischen den Baubeteiligten allerdings nur in sehr beschränktem Umfang gerecht. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, lassen sich im Kern aber darauf zurückführen, dass es sich bei einem Bauwerk in aller Regel um ein aus zahlreichen Einzelleistungen bestehendes „Unikat“ handelt, dessen Herstellung im Rahmen eines oft sehr komplexen Baugeschehens in weit höherem Maße eine Koordination der Vertragsleistungen und die Kooperation der Vertragsparteien erfordert, als dies bei andersartigen Werkverträgen der Fall ist. Deshalb entspringt auch die mittlerweile gefestigte Kooperationsrechtssprechung des BGH24 bei näherer Betrachtung der zutreffenden Erkenntnis, dass die interessengerechte Abwicklung eines Bauvertrages Verhaltensmaßregeln erfordert, die über den Regelungsgehalt der hierfür maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Der Bauerfolg hängt also ganz entscheidend davon ab, wie sorgfältig und kooperativ die Beteiligten bei der Erarbeitung und Gestaltung des Bauvertrages zusammenarbeiten. Das betrifft im Gegensatz zu den meisten anderen Vertragstypen nicht in erster Linie die rechtliche Ausarbeitung des Vertragsverhältnisses, sondern - viel tiefgreifender - die Bestimmung der wechselseitigen vertraglichen Leistungspflichten. Denn es liegt aus den bereits genannten Gründen in der Natur des Bauens, dass in der Regel schon die Konkretisierung des Bauzieles eine detaillierte Planung voraussetzt und sich zudem bei Vertragsschluss nur schwer festlegen lässt, welche Bauleistungen im Einzelnen erforderlich sein werden, um den Bauplan umzusetzen. Die Parteien müssen sich also nicht nur darauf einigen, was nach ihrer Auffassung ein fairer Preis für die verlangte Ware ist, sondern überhaupt erst definieren und festschreiben, welche Leistungen der Auftragnehmer erbringen und wofür genau er die vertragliche 23 24 BGH NJW 1983, 261 grundlegend: BGH BauR 2000, 409; vgl. auch BGH, BauR 02, 409 10 Vergütung bekommen soll. Darin liegt die größte und wichtigste Herausforderung für die Vertragsparteien, der sie sich in der Praxis allzu oft nicht gewachsen zeigen25. Die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten und Risiken lassen sich nicht mit außerhalb der Rechtsgeschäftslehre angesiedelten Erwägungen zur Risikoverteilung beseitigen oder abmildern. These Die Beantwortung der Frage, wer welche Vertragsrisiken zu tragen hat, hängt auch beim Bauvertrag entscheidend ab vom Inhalt der rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Vertragsparteien. Es gibt – jedenfalls im Grundsatz - keine bauvertragsspezifische Risikoverteilung. These Bauvertragstypisch im Vertrag verankerte Risikobereiche sind: die Sachmangelhaftung des Unternehmers; die Verpflichtung des Bestellers, erforderliche Mehraufwand bezahlen zu müssen (Nachtragsproblematik); beide Risikobereiche sind miteinander verknüpft durch die Bedenkenhinweispflicht des Unternehmers 2.2 Die Ermittlung des geschuldeten und „verpreisten“ Leistungsumfangs durch Auslegung 2.2.1 Das Rechtsgeschäft „Bauvertrag“ als Bezugspunkt der Auslegung Der werkvertragliche Erfolg ist bei richtigem Verständnis des § 633 Abs. 2 BGB erst und nur dann verwirklicht, wenn die Werkleistungen des Unternehmers die 25 Das wiederum hat nach Auffassung des Verfassers entscheidend damit zu tun, dass Bauleistungen viel zu oft in einem Zeitpunkt ausgeschrieben werden, in dem noch keine detaillierten Ausführungspläne vorliegen. Notwendige Folge dieser weit verbreiteten Praxis sind Bauverträge mit schlechten bis unbrauchbaren Leistungsbeschreibungen, die den Keim streitiger Auseinadersetzungen über den verpreisten Leistungsumfang in sich tragen. Das hiergegen oft vorgebrachte Argument, der Kosten- und Zeitdruck erzwinge eine solche Vorgehensweise, ist ein gutes Beispiel für die eingangs dargestellte Fehlvorstellung, das Vertragsrecht habe sich nach den Usancen des Baugeschäfts zu richten. 11 vereinbarten Beschaffenheiten aufweisen und den vertraglich vorausgesetzten, sonst den üblichen Verwendungszweck funktionsgerecht erfüllen26. Das ist das Bauziel, über das sich die Vertragsparteien nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre (essentialia negotii) einigen müssen. Worin dieses Bauziel konkret besteht, ergibt sich naturgemäß nicht aus dem Gesetz. Vielmehr bestimmen die Vertragsparteien mit Vertragsschluss, welche Leistungen der Unternehmer zu welchem Preis erbringen soll. Dafür stehen im Grundsatz zwei Ausschreibungsmethoden zur Verfügung (die in der Praxis allerdings in einer Vielzahl von Mischformen auftreten): Der Besteller kann es dabei belassen, den gewünschten Bauerfolg durch eine funktionale Ausschreibung (mit Leistungsprogramm - § 7 Abs. 13-15 VOB/A) allein über die Beschreibung des Bauziels zu bestimmen. Das Gegenstück dazu ist die detaillierte Ausschreibung (mit Leistungsverzeichnis - § 7 Abs. 9-12 VOB/A), die konkrete Vorgaben des Bestellers für die Ausführung der Bauleistung enthält. Beide Vertragskonstruktionen bergen Sprengstoff. 2.2.1.1 Funktionale Ausschreibung Kennzeichnend für die funktionale Ausschreibung ist es, dass es dem Unternehmer überlassen bleibt, wie er den über Funktionalitäts- und Qualitätsanforderungen des Bestellers definierten Bauerfolg verwirklicht. Er muss die hierfür erforderlichen Leistungen planen und ausführen und er erhält als Gegenleistung die vertragliche vereinbarte Pauschalvergütung. Daran ändert sich nichts, wenn sich seine Vorstellungen bei Vertragsschluss zum voraussichtlichen Leistungsaufwand nachträglich als unzutreffend erweisen und er zur Verwirklichung des Bauziels anderen oder höheren Aufwand betreiben muss, als er kalkuliert hat. Es ist sein wirtschaftliches Risiko, mit welchen Mitteln er seine Leistungsverpflichtung erfüllt, weil er dieses Risiko rechtsgeschäftlich durch sein im Vertragsschluss manifestiertes Einverständnis übernommen hat, eine nicht durch konkrete Leistungsvorgaben spezifizierte Funktionalität als Bauerfolg zu gewährleisten. Gegen eine solche Risikoübernahme ist rechtlich grundsätzlich selbst dann nichts einzuwenden, wenn der Unternehmer den erforderlichen Leistungsaufwand bei 26 Zum Regelungsgehalt des § 633 Abs. 2 BGB im Einzelnen: PWW/Leupertz, BGB, 9. Aufl., § 633, Rn. 20f.; iE ebenso der BGH, der die Funktionalitätserwartung allerdings den Beschaffenheitsvereinbarungen zuordnet: BGH BauR 2008, 344, 346f. - Blockheizkraftwerk 12 Vertragsschluss nicht verlässlich absehen und kalkulieren konnte. Denn den Vertragsparteien steht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen ihrer privatautonomen Entscheidung über die Vereinbarung wechselseitiger Vertragspflichten frei, selbst ungewöhnliche, einer belastbaren Kalkulation entgegenstehende Wagnisse zu übernehmen27. Ist das geschehen, steht auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 VOB/A nicht entgegen, deren Regelungsgehalt allenfalls im Rahmen der Auslegung für die Ermittlung des rechtsgeschäftlichen Willens der Vertragsparteien Bedeutung erlangen kann. Der Ermittlung des geschuldeten Leistungsumfangs durch Auslegung betrifft bei einem Vertrag mit streng funktionaler Ausschreibung grundsätzlich also (nur) die Beantwortung der Frage, worin der funktionale Bauerfolg besteht. Sie muss immer dann gestellt werden, wenn die Parteien über den Inhalt des Bauziels als Gegenstand der vertraglichen Leistungsverpflichtung des Unternehmers streiten. 2.2.1.2 Detaillierte Ausschreibung Bei Abschluss eines Bauvertrages mit detaillierter Ausschreibung liegen die Dinge anders. Dann greift die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Funktionalitätsverpflichtung des Unternehmers, wonach sein Werk selbst dann die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erfüllen muss, wenn diese durch die (fehlerfreie) Abarbeitung der Leistungsvorgaben des Bestellers nicht zu erreichen ist.28 Er muss also auch nicht verpreiste Leistungen erbringen, wenn sie zur Verwirklichung des so verstandenen Bauerfolgs erforderlich sind. An dieser Stelle soll auf eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung und ihren vielfältigen Folgewirkungen verzichtet werden. Sie bedarf gleichwohl der Erwähnung, weil sie die Grundlage für die Erkenntnis ist, dass sich bei (Mehrvergütungs-) Ansprüchen, die an das Auseinanderfallen von erforderlichem und verpreistem Leistungsumfang geknüpft sind, zwei Bezugspunkte für eine Vertragsauslegung bestehen, die nicht miteinander vermengt werden dürfen: Zum einen ist zu ermitteln, worin der (funktionale) Bauerfolg besteht und welche Leistungen hierfür erforderlich sind; zum anderen muss ggf. ebenso durch Auslegung geklärt werden, welche Leistungen mit dem vereinbarten Vertragspreis abgegolten sind. 27 28 BGH BauR 1997, 126 - Kammerschleuse Grundlegend zum neuen Schuldrecht: BGH BauR 2008, 344, 346f. - Blockheizkraftwerk 13 2.2.2 Auslegungsmethodik und Allgemeine Auslegungsregeln - Grundsätze Auslegung ist juristisches Handwerk; anspruchsvoll zwar, aber eben Handwerk. Dafür gibt es Regeln, die zunächst bei der Methodik der Auslegung ansetzen. Sie beginnt beim Wortlaut der Erklärung mit der grammatischen und systematischen Auslegung, die den Wortsinn und den Kontext des einzelnen Wortes im Rahmen der Erklärung in Blick nimmt. Außerhalb der Erklärung liegende Umstände fließen im Wege der historischen Auslegung ein. Schließlich fragt die teleologische Auslegung – grob ausgedrückt – nach dem Zweck des Rechtsgeschäfts und gelangt hierüber zu Rückschlüssen auf den Inhalt der zu beurteilenden Willenserklärung. Das Gesetz nennt in §§ 133, 157 BGB vier Kriterien für die Auslegung von Verträgen: Maßgebend ist zunächst der Wortlaut,29 der allerdings hinter dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Vertragsparteien zurücktritt, wenn er diesem nicht entspricht.30 Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist der Erklärungsgehalt anhand des objektiven Empfängerhorizonts zu bestimmen, wobei entscheidend ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte (§ 157 BGB).31 Damit sind auch die beiden letzten, für die Auslegung der Vereinbarungen zum geschuldeten Leistungsumfang in einem Bauvertrag besonders wichtigen Kriterien genannt. Die Beachtung von Treu und Glauben soll einen gerechten Interessenausgleich gewährleisten.32 Maßstab hierfür sind die im Vertrag zum Ausdruck kommenden Interessen- und Risikobewertungen der Parteien, die umfassend abgewogen werden müssen.33 Führt dieser Prozess zu keinem eindeutigen Ergebnis, kommt es auf die in der gesamten Rechtsordnung verankerten Wertungen an.34 Die verständige Anwendung dieser Grundsätze ist keine einfache Aufgabe. Sie erfordert die Berücksichtigung und Bewertung aller für die Beurteilung der Interessenlage maßgeblichen vertraglichen Absprachen und der sie begleitenden feststellbaren Umstände des Einzelfalles, was den Gerichten zuweilen nicht oder nur unvollkommen gelingt. Geht allerdings die Interessenabwägung fehl, kommt auch die 29 BGHZ 124, 39, 45; BGH NJW 1998, 2966; NJW-RR 2006, 1139, 1141 BGHZ 86, 41, 47; BGH NJW 2002, 1260 31 BGHZ 47, 75, 78; 103, 275, 280; BGH NJW 2006, 3777, 3778 32 BGHZ 115, 1, 5; 152, 153, 156; BGH NJW 2009, 741, 743; 33 NK-BGB/Looschelders, 2. Aufl. 2012, § 133 Rn. 56 34 MüKoBGB/Busche, 5. Aufl., § 157 Rn. 12 30 14 Auslegung zumeist zu falschen Ergebnissen. Die Auswirkungen sind enorm, wenn es in der Sache um die Bestimmung der Leistungsverpflichtung des Unternehmers als Ausgangspunkt für die Beurteilung von Sachmangel- bzw. Mehrvergütungsansprüchen geht. Kein normatives Auslegungskriterium im soeben erörterten Sinne ist hingegen die Verkehrssitte, mit der eine tatsächliche Übung bezeichnet wird, die in den einschlägigen Verkehrskreisen anerkannt und über längere Zeit beachtet worden ist.35 Handelsbräuche (§ 346 HGB), die freilich im Baurecht nur eine geringe Rolle spielen, stellen eine solche Übung dar.36 Das Bestehen einer Verkehrssitte beeinflusst die Auslegung, wenn beide Vertragsparteien diesen Verkehrskreisen angehören, weil in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der wirkliche bzw. mutmaßliche Wille des Erklärenden den sich nach der Verkehrssitte ergebenden Usancen entspricht und der Empfänger die Erklärung deshalb in eben diesem Sinne verstehen darf. Gleiches kann gelten, wenn der Empfänger zwar nicht den einschlägigen Verkehrskreisen angehört, er die dort geltende Verkehrssitte jedoch kannte oder zumindest kennen musste.37 Auch dann darf er der (empfangsbedürftigen) Erklärung grundsätzlich die Bedeutung beimessen, die der Verkehrssitte entspricht.38 2.2.3 Bauvertragsspezifische Auslegungsregeln Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf der Grundlage dieser allgemeinen Grundsätze der Vertragsauslegung bauvertragsspezifische Auslegungsregeln entwickelt, die sich, auch wenn ihre Anwendung keinen ganz geradlinigen Verlauf genommen hat, wie folgt zusammenfassen lassen: Die Auslegung setzt beim Wortlaut der vertraglichen Abreden an, zu denen auch die Beschreibung der Bauleistung im Vertrag gehört.39 Maßgebend ist 35 BGH NJW 1990, 1723, 1724 BGH NJW 1993, 1798 37 NK-BGB/Looschelders, 2. Aufl. 2012, § 133 Rn. 63 mwN 38 BGH NJW 1966, 502, 503 39 BGH BauR 2004, 1438 36 15 die objektive Bietersicht, also die Sichtweise und Verständnismöglichkeit des Unternehmers.40 Zur Ermittlung des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs ist das gesamte Vertragswerk einschließlich der dort in Bezug genommenen Pläne heranzuziehen.41 Auslegungsrelevant in diesem Sinne sind auch die dem Vertrag beigegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dazu gehören beim VOB-Bauvertrag entgegen den Aussagen in einer zumindest missverständlichen Entscheidung des BGH vom 28. Februar 200242 auch die VOB/C und die dort niedergelegten Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV).43 Der Unternehmer darf grundsätzlich auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der vom Besteller gefertigten und ihm zur Verfügung gestellten Planunterlagen vertrauen44. Der Bieter in einem Verfahren über die öffentliche Vergabe einer Bauleistung darf grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten. Er darf deshalb die Leistungsbeschreibung in einer öffentlichen Ausschreibung im Zweifel so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will.45 Zu diesen Anforderungen gehört auch die Beachtung der „Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“ in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, DIN 18299ff. (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A).46 40 BGH BauR 1993, 595, 596f.; BauR 1994, 236 - Wasserhaltung II; BauR 2002, 935 Konsoltraggerüst 41 BGH BauR 2012, 490 Rn. 14 42 BGH BauR 2002, 935 43 BGHZ 168, 368; BGH BauR 1997, 466 – Bodenpositionen 44 St. Rspr.: BGH BauR 1984, 395; zuletzt: BGH BauR 2008, 1134 – Bistro; eingehend: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB, 4. Aufl., Teil B, § 2 Rn 105ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen 45 BGHZ 124, 64, 67 46 BGH BauR 2012, 490 Rn. 15 16 § 7 Abs. 1 VOB/A ist jedenfalls für öffentliche Ausschreibungen zu entnehmen, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer im Zweifel kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen will47. Dieser Grundsatz lässt sich als Auslegungshilfe auch auf private Bauverträge anwenden48. Daraus folgt indes nicht, dass die Parteien keinen Vertrag schließen dürfen, der für den Unternehmer ein erhebliches Wagnis darstellt, etwa weil er die versprochenen Leistungen nicht hat kalkulieren können.49 Ergeben sich nach gebotener Auslegung des Vertrage und der dort in Bezug genommenen Unterlagen Widersprüche, gilt beim VOB/B-Vertrag vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen die Prioritätenregelung in § 1 Abs. 2 VOB/B. Ansonsten greift die allgemeine Regel: „Speziell vor Allgemein“50. Erst wenn die Auslegung auch dann noch zu keinem klaren Ergebnis führt, sind der geschuldete und verpreiste Leistungsumfang nach der Unklarheitenregel zu Lasten derjenigen Vertragspartei zu bestimmen, welche die Leistungsbeschreibung erstellt hat.51 2.2.4 Die Funktionalitätsverpflichtung des Unternehmers als Gegenstand der Vertragsauslegung Fast alle wichtigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Bauverträgen beschäftigen sich mit der Frage, welche Leistungen der Unternehmer nach dem Vertrag zu welchem Preis erbringen muss. Dabei ist erst in jüngerer Zeit in den Blick geraten, dass die Verpflichtung des Unternehmers, ein funktionstaugliches Werk herzustellen, beschränkt sein kann durch die rechtsgeschäftlichen Abreden der Vertragspartner. Anders ausgedrückt: Ein undichtes Dach erfüllt zwar nicht die ihm üblicherweise zugewiesenen Funktionen. Es ist entgegen weit verbreiteter Auffassung dennoch vertragsgerecht, wenn der Auftraggeber ein undichtes Dach bestellt hat. Dass ein solcher Vertrag wirksam geschlossen werden kann, steht nicht 47 BGH BauR 1994, 236 - Wasserhaltung II Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB, 4. Aufl., Teil B, § 2 Rn. 122 mwN; 49 BGH BauR 1997, 126 - Kammerschleuse 50 Zum Ganzen: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB, 4. Aufl., Teil B, § 2 Rn. 101 51 BGH NZBau 2001, 132; Kapellmann/Voit/Leupertz, Privates Baurecht, 2. Aufl., K Rn. 11; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 123; Markus Jahrbuch Baurecht 2004, 1, 17f. 48 17 ernsthaft in Zweifel. Ob er eine solche funktionalitätsbeschränkende Abrede enthält, muss ggf. durch Auslegung geklärt werden. Der Bundesgerichtshof hat sich in jüngerer Zeit mehrfach mit derartigen Fällen befasst. 2.2.4.1 BGH, Urt. v. 13. März 2088 – VII ZR 194/0652 Der BH schreibt Bauleistungen aus, die unter Punkt „075 Lüftung“ folgende Regelung enthalten: „....Planung, Lieferung und Einbau einer mechanischen Lüftungsanlage je nach Erfordernis für Bistro und Bistro-Küche...“. Er beauftragt den AG, der dem AN das Leistungsverzeichnis des BH und die ebenfalls von diesem erstellten Pläne zuleitet. Auf dieser Grundlage bietet der AN seine Leistungen zum Pauschalpreis an. Im Vertrag heißt es hierzu: „Bistro- und Bürobereich komplett, incl. Hygieneausstattung.“ Nachträglich werden der Grundriss sowie die Vorgaben für die Nutzung des Bistros und die Bistroküche geändert. Der AG verlangt vom AN den Einbau einer für die geänderte Planung tauglichen Lüftung. Weil der AN sich weigert, die erforderlichen Leistungen ohne Mehrvergütung auszuführen, kündigt der AG den Vertrag gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B. Der Bundesgerichtshof gibt dem AN Recht, weil er die vom AG verlangte Herstellung einer für die geänderte Raumnutzung tauglichen Lüftung nicht schuldete. Die diese Sichtweise tragenden Erwägungen verdienen es, wörtlich wiedergegeben zu werden: Das Berufungsgericht verkennt dabei die für funktionale Ausschreibungen geltenden Grundsätze der Vertragsauslegung. Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Welche Leistungen durch die Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. ........ Fordert der Auftraggeber ein funktionales Angebot des Auftragnehmers zur Erstellung einer technischen Anlage für ein Bauwerk unter Vorlage der von 52 BGHZ 176, 23 - Bistro 18 ihm bis zu diesem Zeitpunkt erstellten Bauwerksplanung, so wird diese grundsätzlich Gegenstand des Angebots des Auftragnehmers. Das bedeutet, dass die Bauwerksplanung die für die Technik zu erbringenden Leistungen bestimmt. Soweit nach Vertragsschluss vom Auftraggeber angeordnete Änderungen der Bauwerksplanung Änderungen der technischen Leistungen zur Folge haben, ist das als Änderung des Bauentwurfs anzusehen, § 1 Nr. 3 VOB/B, und kann zu einem geänderten Vergütungsanspruch des Auftragnehmers führen, § 2 Nr. 5 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 42/05, BGHZ 173, 314). ......Den Parteien steht allerdings frei, eine andere Regelung zu treffen. Sie können vereinbaren, dass der Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen hat, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrunde liegende Planung ändert.......... Wegen der damit übernommenen Risiken sind, ähnlich wie an einen Verzicht auf Rechte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 VII ZR 118/94, BauR 1995, 701, 702 = ZfBR 1995, 264), strenge Anforderungen an die Annahme einer derartigen Vereinbarung zu stellen. Sie kann nicht schon deshalb bejaht werden, weil die von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellte Leistungsbeschreibung eine Regelung enthält, wonach der Auftragnehmer Planung, Lieferung und Einbau einer technischen Anlage "je nach Erfordernis" vorzunehmen hat. Mit der bei einer Ausschreibung technischer Leistungen üblichen Formulierung "nach Erfordernis" wird regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass es Sache des Auftragnehmers ist, auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Planung die für eine funktionierende und zweckentsprechende Technik notwendigen Einzelheiten zu ermitteln. Damit, wie auch mit der von der Klägerin verwendeten Formulierung "komplett", wird der funktionale Charakter der Leistungsbeschreibung zum Ausdruck gebracht....... Soweit der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen wäre, wonach die Formulierung unter "075 Lüftung" die Verpflichtung des Auftragnehmers erfassen sollte, der Lüftung auch eine geänderte Planung zugrunde zu legen, kann sie nicht dahin verstanden werden, dass der Auftragnehmer dazu ohne 19 einen Anspruch auf Mehrvergütung verpflichtet sei. Nahe läge vielmehr ein Verständnis, nach dem ohne Bezug auf vergütungsrechtliche Folgen lediglich verdeutlicht würde, dass die Lüftungsanlage eine dem jeweiligen Vertragsinhalt, der sich gegebenenfalls durch eine Anordnung nach § 1 Nr. 3 VOB/B geändert hat, angepasste Funktion erfüllen muss. Denn ein Auftraggeber kann grundsätzlich nicht erwarten, dass ein Auftragnehmer bereit ist, einen Vertrag zu schließen, der es dem Auftraggeber erlaubt, die Vertragsgrundlagen beliebig zu ändern, ohne dass damit ein Preisanpassungsanspruch verbunden wäre. Es verbietet sich nach Treu und Glauben, aus einer mehrdeutigen, die technischen Anforderungen betreffenden Passage der Leistungsbeschreibung derart weitgehende vergütungsrechtliche Folgen für den Auftragnehmer abzuleiten, § 157 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 42/05, BGHZ 173, 314). Aus alledem lassen sich weitere Erkenntnisse und Auslegungsgrundsätze ableiten: Der Unternehmer ist nur in den durch die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Besteller gezogenen Grenzen verpflichtet, ein funktionstaugliches Werk herzustellen. Die Grenzen der Funktionalitätsverpflichtung des Unternehmers sind im Zweifel durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln. Bezugspunkt für die Auslegung ist nach allgemeinen Grundsätzen das gesamte Vertragswerk einschließlich der in Bezug genommenen Pläne. Gegenstand der Auslegung ist auch die Frage, ob solche Pläne Vertragsgegenstand sind und ob durch sie auf diese Weise festlegt wird, welche Funktion die Werkleistungen des Unternehmers erfüllen sollen, insbesondere, für welchen Zweck sie geeignet sein müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Unternehmer auch solche Leistungen zum vereinbarten Pauschalpreis verspricht, die eine bei Vertragsschluss nicht vereinbarte Funktionalität gewährleisten. Allerdings sind wegen der für ihn damit 20 verbundenen unkalkulierbaren Risiken hohe Anforderungen an das Zustandekommen einer dahingehenden Vereinbarung zu stellen. Ob sie getroffen wurde, ist abermals eine Frage der Vertragsauslegung. Die Ausführungen im oben zuletzt zitierten Absatz der Bistro-Entscheidung sind möglicherweise missverständlich. Soweit ihnen entnommen werden soll, dass die Auslegung zu einem Ergebnis führen kann, wonach die infolge der Planänderung erforderlichen (Mehr-) Leistungen zwar geschuldet, dann aber gesondert zu vergüten seien, begegnen sie in dieser Allgemeinheit Bedenken. Denn es liegt in der Natur eines Bauvertrages mit funktionaler Ausschreibung, dass der Unternehmer alle Leistungen zum vereinbarten Preis erbringen muss, die für die Verwirklichung des funktional beschriebenen Bauziels erforderlich sind. Die Erwägung, kein vernünftiger Unternehmer werde unkalkulierbare Mehrleistungen ohne die Aussicht auf eine entsprechende Mehrvergütung zusagen, betrifft also die Frage, ob die Parteien eine über die durch die Leistungsvorgaben des Bestellers definierte Funktionalität hinausgehende Leistungsverpflichtung des Unternehmers begründet haben. Das ist auch und gerade mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Unternehmer für solche (Mehr-) Leistungen grundsätzlich keine zusätzliche Vergütung beanspruchen könnte, regelmäßig zu verneinen. Davon zu unterscheiden ist die Frage nach einem Anspruch auf Anpassung der Vergütung nach den Grundsätzen einer Störung der Geschäftsgrundlage, der auch bei einer funktionalen Ausschreibung in Betracht kommen kann (dazu sogleich). Der Bistro-Fall hätte nicht anders entschieden werden dürfen, wenn der Besteller (AG) die vom Unternehmer (AN) zu erbringenden Leistungen (richtig und vollständig) detailliert ausgeschrieben hätte. Denn die geschuldet Funktionalität wäre aus den unter II. 2. dargelegten Gründen die selbe gewesen, wie sie dem Vertrag mit funktionaler Ausschreibung zugrunde lag. 2.2.4.2 BGH, Urt. v. 30. Juni 2011 – VII ZR 13/1053 Der Besteller (AG) beauftragt den Unternehmer (AN) mit Abbrucharbeiten. In einer Zulageposition für „Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung“ war die 53 BGHZ 190, 212 - Estrich 21 Estrichstärke mit 3cm (geschätzt) angegeben. Tatsächlich war der Estrich, wie der AN während der Ausführung der Arbeiten feststellt, über 4 cm dicker als angegeben. Er macht eine Mehrvergütung für Mehraufwand geltend, den der AG nicht bezahlen will. Schließlich kündigt der AG den Vertrag, nachdem der AN die Arbeiten eingestellt hatte. Der Fall führt in ähnliche Regionen wie die Bistro-Entscheidung. Der BGH geht von einer funktional auf den Abbruch der Klinik bezogenen Leistungsverpflichtung des AN aus und beschäftigt sich sodann mit der Frage, ob sich aus den Angaben zur Stärke des Estrichs eine Begrenzung der mit der funktionalen Ausschreibung einhergehenden Pauschalierung der Vergütung ergeben kann. Dazu führt er folgendes aus: „.......Der Abschluss eines Vertrages über eine komplett funktional beschriebene Bauleistung zu einem Pauschalpreis schließt es nicht aus, dass die Parteien zu einzelnen Leistungen besondere Vereinbarungen treffen (sogenannte Detaillierung). So können sie etwa vereinbaren, dass einzelne Leistungen überhaupt nicht vom Auftragnehmer erbracht werden (BGH, Urteil vom 22. März 1984 - VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344, 346), oder sie können eine Leistungsbeschreibung zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen, aus der sich ergibt, dass die Pauschalpreisvereinbarung bestimmte, für die Funktionalität erforderliche Leistungen nicht oder nicht vollständig erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 - VII ZR 194/06, BGHZ 176, 23, 29 ff.). Liegen solche Vereinbarungen vor, so können von der Leistungsbeschreibung abweichende Leistungen des Auftragnehmers gemäß § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 VOB/B unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B einen Vergütungsanspruch für geänderte oder zusätzliche Leistungen oder unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 8 Abs. 2 und 3 VOB/B einen sonstigen Zahlungsanspruch auslösen (BGH, aaO; Urteil vom 15. Dezember 1994 - VII ZR 140/93, BauR 1995, 237, 238 = ZfBR 1995, 129). Ein solcher Fall kann z.B. vorliegen, wenn in einem Vertrag über eine funktional beschriebene Gründung durch Bezugnahme auf ein Bodengutachten bestimmte Bodenverhältnisse zum Leistungsinhalt erhoben werden und sich herausstellt, dass die tatsächlichen Bodenverhältnisse abweichen. Ordnet der Auftraggeber an, dass die Gründung auch in den tatsächlich vorgefundenen 22 Bodenverhältnissen stattfinden soll, liegt darin eine Änderung des Bauentwurfs, die zu einem Anspruch auf eine veränderte Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B führen kann (BGH, Urteil vom 20. August 2009 VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158, 182). Gleiches kann gelten, wenn der Vertrag über Betonsanierungsarbeiten eine vorhandene Betongüte von B 25 ausweist, die tatsächliche Betongüte mit B 5 jedoch deutlich schlechter ist, so dass ein Mehrleistungsaufwand entsteht (BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 - VII ZR 59/95, BauR 1997, 126, 128 = ZfBR 1997, 29). ........... Inwieweit eine detaillierte Angabe im Leistungsverzeichnis dazu führt, dass sie die Pauschalierung der Vergütung begrenzt, ergibt die Auslegung des Vertrages. Die Erwähnung von detaillierten Bauumständen in einer Leistungsbeschreibung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Vergütungsvereinbarung insoweit tangiert ist. Vielmehr ist es auch möglich, dass die Erwähnung von detaillierten Bauumständen lediglich zum Ausdruck bringen soll, wovon der Auftraggeber ausgeht, ohne dass er dies zum Vertragsinhalt erheben will. Die notwendige Abgrenzung muss der Tatrichter unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der sonstigen Umstände und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks treffen. Es geht insoweit im Wesentlichen nicht um die Begrenzung der nach dem Vertrag geschuldeten Leistung, sondern der dafür vereinbarten Vergütung. Die vom Tatrichter vorzunehmende Auslegung muss auch im Blick haben, dass die Erwähnung von Bauumständen dazu führen kann, diese als Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen, wenn sie nicht Gegenstand der Entgeltvereinbarung geworden sind.“ Die Entscheidung, die m. E. zum richtigen Ergebnis kommt und im Übrigen wichtige Aussagen zur Anwendbarkeit der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage in derartigen Fällen enthält, wirft grundsätzliche Fragen zum Bezugspunkt für die Auslegung auf, die stellen zu sollen mir erst in unzähligen Diskussionen um den Aussagegehalt der von mir seinerzeit voll mitgetragenen und später öffentlich stets verteidigten Entscheidung bewusst geworden ist. Es geht um Folgendes: 23 Der BGH bezieht die Auslegung bei näherer Betrachtung auf eine Begrenzung der mit der funktionalen Ausschreibung einhergehenden Pauschalierung der Vergütung, die er allerdings ablehnt. Gegen Letzteres ist nicht einzuwenden. Nur die Blickrichtung stört. Es ist zwar auch bei einer streng funktionalen Ausschreibung grundsätzlich denkbar, ergänzenden Angaben des Bestellers zum Leistungsumfang im Wege der Auslegung eine rechtsgeschäftliche Abrede zu entnehmen, wonach der Unternehmer die volle Funktionalität gewährleisten muss, die notwendig pauschalierte Vergütung indes nur einen Teil der hierfür erforderlichen Leistungen abdecken soll. Nahe liegender ist es m. E. indes, die leistungsbeschränkenden Detailvorgaben (hier zur Estrichstärke) auf den Umfang der Leistungsverpflichtung zu beziehen und mit den Mitteln der Auslegung zu klären, ob sich aus solchen Leistungsvorgaben eine Funktionalitätsbeschränkung ergibt. Dazu ein Fallbeispiel: Der Rohbauunternehmer (AN) schuldet im Rahmen eines BGB-Bauvertrages die Herstellung eines Gebäudes zum Pauschalpreis mit einer vom Besteller (AG) funktional ausgeschriebenen Gründung. Der AG hat ein fachgerecht erstelltes Boden- und Gründungsgutachten eingeholt, welches zu dem Ergebnis kommt, dass die ermittelten Bodenverhältnisse eine Flachgründung zulassen, die ausdrücklich empfohlen wird. Das Gutachten ist im Vertrag in Bezug genommen und die Parteien haben dort vereinbart, dass es Gegenstand des Vertrages sein soll. Nach Beginn der Arbeiten stellt sich beim Aushub der Baugrube heraus, dass der Boden unvorhergesehen teilweise nicht die im Gutachten angegebenen Beschaffenheiten besitzt; um die Standsicherheit des Gebäudes zu gewährleisten, muss eine aufwändige Pfahlgründung erstellt werden, die der AG auch verlangt. Unterstellen wir, der AN will die Pfahlgründung wegen des damit verbundenen zeitlichen Aufwandes nicht, jedenfalls nicht zu den für die Flachgründung vereinbarten Preisen ausführen, weil er dann einen lukrativen Anschlussauftrag verlieren würde. Und unterstellen wir mit der h. M. in der Literatur weiter, der Besteller sei im Rahmen eines BGB-Bauvertrages nicht berechtigt, einseitig eine Änderung oder Erweiterung des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs anzuordnen. Dann ist die alles entscheidende, durch Auslegung zu klärende Frage: Schuldet der Unternehmer nach dem Vertrag die tatsächlich erforderliche 24 Pfahlgründung? Wird sie verneint, kann der AG die Pfahlgründung nur kraft rechtsgeschäftlicher Einigung mit dem AN verlangen, die auch die Preisvorstellungen des AN umfasst. Wird sie hingegen bejaht, lautet die rechtsgeschäftliche Abrede nach gebotener Auslegung: Herstellung eines Gebäudes mit Pfahlgründung zum vereinbarten Pauschalpreis. Welche Auslegung die richtige ist, mag im Einzelfall entschieden werden. Der Bundesgerichtshof spricht die soeben diskutierte Fallkonstellation in den oben wiedergegebenen Passagen der Estrich-Entscheidung ausdrücklich an und stellt hierzu – allerdings bezogen auf einen VOB/B-Vertrag – fest, dass eine Anordnung des Bestellers, die nach den tatsächlichen Bodenverhältnissen erforderliche Gründung auszuführen, eine Änderung des Bauentwurfs darstelle, die zu einem Anspruch auf eine veränderte Vergütung führen könne. Das entspricht jedenfalls im Ergebnis der hier vertretenen Sichtweise, weil eine Änderung des Bauentwurfs iSd § 1 Abs. 3 VOB/B sich nur aus einer Veränderung der funktionalen Leistungsvorgaben ergeben kann. Das wiederum setzt voraus, dass der Unternehmer die aufgrund der unvorhergesehenen Bodenbeschaffenheiten erforderliche Gründung nicht von Anfang an schuldete. Gleichwohl knüpft der Bundesgerichtshof die Auslegung des Vertrages über die Estricharbeiten im Folgenden an die Beantwortung der Frage, ob die Pauschalierung der Vergütung durch die Schätzangaben zur Stärke des Estrichs im Vertrag begrenzt worden ist. Dieser Auslegungsansatz erscheint mit Rücksicht auf die vorstehenden Erwägungen nicht unbedenklich, weil die damit in Betracht genommene Möglichkeit einer (nur) vergütungsbeschränkend wirkenden Abrede schwer in Einklang zu bringen ist mit der Struktur eines Bauvertrages mit funktionaler Ausschreibung, der gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass der Unternehmer das volle Planungsrisiko trägt und deshalb ohne Anspruch auf Mehrvergütung alle Leistungen erbringen muss, die zur Verwirklichung des funktionalen Bauerfolgs erforderlich sind. Würde man die Auslegung des Vertrages mit dem Ziel betreiben, den Abgeltungsbereich der vertraglichen Vergütung trotz unverändertem Bauziel zu begrenzen, so würde dadurch die dem Bauvertrag mit funktionaler Ausschreibung innewohnende Risikoverteilung aufgelöst. Ein dahingehender rechtsgeschäftlicher Wille der Vertragsparteien wird sich m. E. nur in ganz besonders gelagerten Einzelfällen 25 ergeben. Er wäre – ebenso wie der im Bistro-Urteil behandelte gegenteilige Fall einer „funktionalitätserweiternden Komplettheitsklausel“ ohne Mehrvergütungsanspruch an hohe Anforderungen zu knüpfen und ließe sich jedenfalls nicht allein mit der Erwägung begründen, der Unternehmer habe nach dem Vertrag nicht mit dem Risiko belastet werden sollen, unvorhergesehenen und deshalb nicht in seine Preise einkalkulierten Mehraufwand ohne Anspruch auf Preisanpassung erbringen zu müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Preiskorrektur kommt mithin nur nach den Grundsätzen einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 2 BGB in Betracht, weil dem Unternehmer, der seinen Preis für die Estricharbeiten ersichtlich nach den Schätzangaben des Bestellers zur Estrichdicke kalkuliert hat, ein Festhalten am Vertragspreis nicht zugemutet werden kann. Auf weitere Ausführungen zu den in diesem Punkt wegweisenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs soll hier verzichtet werden. 2.2.4.3 BGH, Urt. v. 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/1154 Der Unternehmer (AN) wird vom öffentlichen Auftraggeber (AG) im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B damit beauftragt, die teerhaltige Asphaltschicht einer Ortsdurchfahrt und den darunter liegenden Boden zum Pauschalpreis zu entfernen. Das vom AG erstellte Leistungsverzeichnis sieht vor, dass der Boden gelöst und von der Klägerin weiterverwendet wird. Angaben zur Bodenbeschaffenheit fehlen. Tatsächlich ist der gelöste Boden geringfügig schadstoffbelastet (LAGA Z 1.1). Der AN beansprucht eine Mehrvergütung für die Beseitigung des Bodens. Kaum eine andere Entscheidung des VII. Zivilsenats ist in den vergangenen Jahren insbesondere in Praktikerkreisen auf so massives Unverständnis gestoßen. Es könne doch nicht sein, dass der Unternehmer nun auch noch für die Folgen einer unvollständigen Ausschreibung der Bauleistung durch den Besteller einstehen müsse. Dem liegt ein tiefgehendes Fehlverständnis zugrunde. Der Bundesgerichtshof kommt auf dem Wege einer geradezu klassischen Auslegung des Bauvertrages zu dem Ergebnis, dass der Unternehmer den gelösten Bodens trotz Schadstoffbelastung zum vereinbarten Pauschalpreis beseitigen muss. Er hebt ausdrücklich hervor, dass der Unternehmer auf eine VOB/A-konforme Ausschreibung 54 BGHZ 192, 172 26 ohne Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses vertrauen durfte. Darüberhinaus sei der öffentliche Auftraggeber gemäß § 9 Nr. 1 bis 3 VOB/A verpflichtet, die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z. B. die Boden- und Wasserverhältnisse, so zu beschreiben habe, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen könne. Dabei seien die „Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“ in Abschnitt 0 der ATV (DIN 18299 ff.) zu beachten. Dort ist zu lesen, dass Schadstoffbelastungen „nach den Erfordernissen des Einzelfalles“ angegeben werden müssen (DIN 18299, Abschnitt 0.1.20 und DIN 18300 Abschnitt 0.2.3). Der Unternehmer verliert nur deshalb, weil nach den für den Bundesgerichtshof in Ermangelung eines tauglichen Revisionsangriffs bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts feststand, dass der Boden geringfügig schadstoffbelastet war und ein verständiger und fachkundiger Bieter dies auch wusste bzw. wissen musste. Dann aber hätten „nach den Erfordernissen des Einzelfalles“ keine Schadstoffbelastungen angegeben werden müssen und es habe kein Verstoß gegen die Ausschreibungsregeln in DIN 18299, 18300 vorgelegen, der dem Bieter Anlass für die Annahme hätte bieten können, schadstofffreien Boden vorzufinden. Der Bundesgerichtshof hat am 21. März 2013 einen fast gleich gelagerten Fall mit entgegengesetztem Ergebnis entschieden.55 Hintergrund hierfür war bei gleichem Gang der Auslegung wie in der Entscheidung vom 22. November 2011 allein der Umstand, dass der Unternehmer anders als dort bei Vertragsschluss nicht davon ausgehen musste, die tatsächlich vorhandenen Bodenverunreinigungen vorzufinden. Die zuletzt genannten Entscheidungen bieten Anlass für einige abschließende Anmerkungen. In beiden Fällen lag dem Vertrag eine detaillierte Ausschreibung des Bestellers zugrunde. Weil dieser Umstand indes keinen Einfluss darauf hat, dass der Unternehmer ein funktionstaugliches Werk herstellen muss, kann auch die Auslegung eines Bauvertrages mit detaillierter Ausschreibung des Bestellers zu dem Ergebnis gelangen, dass die Parteien funktionalitätsbeschränkende Abreden getroffen haben. Besteht diese Beschränkung darin, dass der Unternehmer wie im Fallbespiel, nur eine Gründung für solche Bodenverhältnisse versprochen hat, die 55 BGH BauR 2013, 1126 27 dem zum Vertragsinhalt erhobenen Bodengutachten entnommen werden konnten, schuldet er nicht die Herstellung einer Pfahlgründung, die er bei Einbeziehung der VOB/B gemäß §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 5 VOB/B folglich nur kraft Anordnung des Bestellers gegen Zahlung einer Mehrvergütung erbringen muss. Gelangt die Auslegung der Regelungen zum Leistungsinhalt hingegen zum gegenteiligen Ergebnis, schuldete der Unternehmer also von Anfang eine Pfahlgründung, ist wiederum im Wege der Auslegung zu prüfen, ob die hierfür erforderlichen Leistungen vom vertraglich vereinbarten Preis umfasst sind. Dazu wird man im Fallbespiel kaum gelangen können, weil beide Parteien von der Möglichkeit einer Flachgründung ausgingen und der Besteller jedenfalls keinen Anlass für die Annahme haben konnte, dass der für die Herstellung einer funktionstauglichen Gründung tatsächlich erforderliche Mehraufwand vom Vertragspreis umfasst sei. Vielmehr handelt es sich um eine sich aus der Divergenz zwischen geschuldetem und verpreisten Umfang ergebende Äquivalenzstörung, die beim BGB-Bauvertrag gemäß § 313 Abs. 2 BGB ausgeglichen werden kann und im Rahmen eines VOB/B-Vertrages eine Preisanpassung nach Maßgabe der Vorschriften in §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 5 VOB/B bzw. 1 Abs. 4, 2 Abs. 6 VOB/B rechtfertigt. 3. Vertragliche Leistungsverpflichtung: Risikobereich Sachmangel 3.1 Die Erfüllung der Beschaffenheitsvereinbarungen iSd § 633 Abs. 2 BGB führt nicht notwendig zur Verwirklichung des funktionalen Werkerfolges Ob der Unternehmer mangelfrei, d.h. vertragsgerecht geleistet hat, hängt also in erster Linie davon ab, welchen Leistungsumfang die Parteien im Bauvertrag vereinbart haben. Das wiederum ist regelmäßig durch Auslegung nach den obigen Grundsätzen zu ermitteln. Die gesetzliche Definition des werkvertraglichen Sachmangels findet sich in § 633 Abs. 2 BGB. Allerdfings sind die soeben erörterten, an die Funktionalität anknüpfenden Zusammenhänge im Wortlaut des § 633 Abs. 2 BGB in reparaturbedürftiger Verkennung der sich hieraus ergebenden Konsequenzen unterrepräsentiert. Danach würde nämlich gelten: Soweit der Unternehmer die regelmäßig in den Ausführungsvorgaben des Bestellers enthaltenen Beschaffenheitsvereinbarungen umsetzt, ist sein Gewerk mangelfrei. Das wäre völlig 28 unzureichend, weil mit dem Grundsatz der Erfolgsbezogenheit der Werkleistungsverpflichtung nicht in Einklang zu bringen. So entspricht es – zu Recht – der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass der Unternehmer auch dann nicht vertragsgerecht gearbeitet hat, wenn er zwar die Ausführungsvorgaben des Bestellers (Beschaffenheitsvereinbarungen) beanstandungsfrei umgesetzt, gleichwohl aber den funktionalen Erfolg seiner Werkleistung verfehlt hat56. Dabei geht der BGH davon aus, dass die Funktionalität regelmäßig zur Beschaffenheitsvereinbarung gehört57. Das führt zu richtigen Ergebnissen, ist aber in der dogmatischen Herleitung nicht unproblematisch. Denn die Funktionalitätserwartung reicht iaR nicht weiter, als die rechtsgeschäftlichen Abreden, denen sie innewohnt. Sie betrifft zunächst also nur die Beschaffenheitsvereinbarungen selbst, das Gesamtergebnis der Werkleistungen, dessen Funktionalität der Unternehmer zu gewährleisten hat, hingegen nur dann, wenn diese durch die Einhaltung der Beschaffenheitsvereinbarungen überhaupt erreicht werden kann58. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie folgendes Beispiel verdeutlichen mag: Beispiel: Der Unternehmer soll einen Industrieestrich in einer Werkhalle des Bestellers verlegen, die – zu seiner Kenntnis - mit schwerem Gerät befahren wird. Im Leistungsverzeichnis sind Hersteller und Typ des Estrichmaterials sowie dessen Verarbeitung konkret vorgegeben. Obwohl der Unternehmer sich exakt an diese Vorgaben hält, zeigen sich im Estrich alsbald Risse, weil dieser den Belastungen durch die nach dem Vertrag vorausgesetzte Benutzung mit schwerem Gerät nicht standhält. Dann ist das Gewerk nach obigen Grundsätzen trotz der beanstandungsfreien Abarbeitung aller Ausführungsvorgaben mangelhaft, weil der Estrich zwar den an ihn zu stellenden Funktionsanforderungen genügt, gleichwohl aber der funktionale Werkerfolg nicht erreicht ist. Der Grund hierfür liegt indes nicht in der fehlerhaften Umsetzung der Beschaffenheitsvereinbarungen, sondern in der fehlerhaften 56 BGH NJW-RR 02, 1533; BauR 01, 823; NJW 98, 3707f; BauR 84, 510, 512f; BGHZ 90, 344, 346f BGH, BauR 2008, 344 58 iE ebenso: MüKo/Busche § 633 Rn 14 57 29 Ausschreibung, die einen Estrich vorgegeben hat, der den Anforderungen an den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck nicht genügt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den Mangelvorwurf ist dann aber nicht die Nichteinhaltung von Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB (1. Stufe des Mangelbegriffs), sondern die Verfehlung der nach dem Vertrage vorausgesetzten Verwendungseignung nach § 633 Abs. 2 S. 2 BGB (2. Stufe des Mangelbegriffs), wo sich das Kriterium der Funktionalität wieder findet. Es ist nicht dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese nach altem Recht weit gehend unumstrittenen Grundsätze mit der Einführung des neuen § 633 Abs. 2 BGB hat in Frage stellen wollen. Er hat sie nach dem Wortlaut der Vorschrift durch die Schaffung einer Alternativität zwischen den einzelnen Stufen des Mangelbegriffs gleichwohl teilweise außer Kraft gesetzt. Diese Unzulänglichkeit ist durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 633 Abs. 2 BGB dahin zu korrigieren, dass die dort tatbestandlich genannten Voraussetzungen kumulativ, also nebeneinander, erfüllt sein müssen, um die Mangelfreiheit des Werkes konstatieren zu können59. Die Werkleistungen müssen also auch bei getroffenen Beschaffenheitsvereinbarungen dem vertraglich vorausgesetzten, sonst dem gewöhnlichen Verwendungsweck entsprechen, soweit dieser nicht bereits in den in jedem Fall zu berücksichtigenden Beschaffenheitsvereinbarungen repräsentiert ist. Darüber hinaus kommt es in Ermangelung konkreter Beschaffenheitsvereinbarungen auch dann auf die übliche Beschaffenheit (3. Stufe § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB) an, wenn sich aus dem von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzte Verwendungszweck (2. Stufe - § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB) nicht oder nicht vollständig ergibt, welche Beschaffenheitskriterien das Werk erfüllen muss. Diese Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Baurechtsspezifischer Mangelbegriff Das Gewerk muss 1. Alternative a) die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit haben (Bausoll) und b) für die vertraglich vorausgesetzte, sonst für die übliche 59 iE ebenso: Werner/Pastor Rn 1457; Vorwerk BauR 03, 1, 4 30 Verwendung geeignet sein (Erfolgssoll, funktionaler Mangelbegriff); 2. Alternative (Beschaffenheitsvereinbarung fehlt) a) sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung, sonst für die übliche Verwendung eignen und b) die übliche Beschaffenheit haben. 3.2 Sachmangel - Rechtswirkungen Aus alledem folgt: Sind vereinbarte Beschaffenheiten nicht eingehalten, ist das Gewerk auch ohne eine Einschränkung der Gerbrauchs- und Funktionstauglichkeit mangelhaft; erst recht kommt es nicht auf die Entstehung eines Schadens an60. Andererseits ist der Unternehmer selbst dann zur Herstellung eines voll funktionstauglichen Gewerkes verpflichtet, wenn der solcherart geschuldete Werkerfolg durch die vertraglichen Vorgaben zur Ausführung der Werkleistungen nicht erreicht werden kann61. These Der Unternehmer hat – über den Wortlaut des § 633 Abs. 2 BGB hinaus mangelhaft gearbeitet, wenn er trotz beanstandungsfreier Umsetzung der Ausführungsvorgaben des Bestellers den funktional definierten Werkerfolg verfehlt. Zwischenergebnis Sachmängelhaftung: Den Unternehmer trifft ein erhebliches Haftungsrisiko bei unzureichender Beschreibung der ihm abverlangten Leistungen durch den Besteller. OLG Düsseldorf, NJW-RR 96, 146; OLG Köln NJW-RR 05, 1042 – unzureichende Architektenplanung einer Abdichtung gegen drückendes Wasser 61 BGH BauR 00, 411 - dichtes Dach; NJW-RR 02, 1533; BauR 01, 823; NJW 98, 3707f; BauR 84, 510, 512f; BGHZ 90, 344, 346f; Rostock BauR 05, 441 - dichter Keller 60 31 3.3 Mitverantwortung und Sowiesokosten Bei fahrlässigen Verstößen gegen die Prüfungs- und Hinweispflicht trifft den Besteller mit Rücksicht auf die in seine Verantwortung fallenden Fehler in den Leistungsvorgaben je nach den Umständen des Einzelfalles eine Mitverantwortung für die Entstehung des Mangels, so dass er gemäß § 254 BGB (bei Planungsfehlern des von ihm beauftragten Architekten über § 278 BGB) die Mangelbeseitigungskosten mit einem quotal seinem Verursachungsbetrag entsprechenden Betrag bezuschussen muss62. Gleiches gilt aus dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung für eventuelle mangelbeseitigungsbedingte „Sowiesokosten“63. 4 Die Bedeutung der Bedenkenhinweispflicht 4.1 Grundlagen Hat der Besteller die Art der Ausführung (fehler- oder lückenhaft) vorgegeben, so haftet der Unternehmer gleichwohl dann nicht, wenn er die Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung seiner gewerbebezogenen Fachkenntnisse nicht erkennen konnte oder wenn er nach gebotener Prüfung bei Kenntnis den Besteller auf diese Unzulänglichkeiten ausreichend hingewiesen hat. Eine derartige Prüfungs- und Hinweispflicht folgt für den VOB/B-Vertrag mit den sich aus § 13 Abs. 3 VOB/B für die Mängelhaftung ergebenden Konsequenzen unmittelbar aus § 4 Abs. 3 VOB/B. Sie gilt in Ausprägung der Kooperationspflicht auch für den BGB-Werkvertrag und spielt solcherart für das Baugeschäft wegen der unter 3 aufgezeigten Zusammenhänge eine zentrale Rolle64. BGH NJW 99, 416; s auch Leitzke NZBau 01, 672 – zu Hamm NZBau 01, 502; vorprozessual: nur Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe – BGH BauR 84, 395; Nürnberg BauR 00, 273; Raiser – NZBau 01, 598, 599 – und Preussner – BauR 02, 231, 241 – sind der Auffassung, dass sich ungeachtet der Erkennbarkeit aus der Verweisung auf § 442 I 1 in § 651 S 2 eine Beschränkung der Haftung für Hinweispflichtverstöße des Unternehmers bei fehlerhaften Stofflieferungen des Bestellers ergebe; dagegen mit Recht: Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, § 633 Rn 13 63 BGH BauR 02, 86; NJW-RR 00, 465; OLG Karlsruhe NJW-RR 99, 1694 64 Grundsätzlich zur Prüfungs- und Hinweispflicht: BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, BauR 2008, 344; ausführlich mit zahlreichen Beispielen: Werner/Pastor, Der Bauprozess, Rn 1519ff, 1533 62 32 4.2 4.2.1 Fallkonstellationen Der Bedenkenhinweis wird erteilt; der Besteller weist den Unternehmer an, wie geplant zu bauen. Soweit der Unternehmer sich an seine Prüfungs- und Hinweispflichten hält und die gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B gebotene Mitteilung macht, muss der Besteller seinerseits reagieren und eine Entscheidung treffen. Für den VOB/B-Vertrag gilt: Teilt er die (objektiv berechtigten) Bedenken nicht und weist er den Unternehmer deshalb an, nach den bisherigen Ausführungsvorgaben weiter zu bauen, muss der Unternehmer diese Anweisung grundsätzlich befolgen. Bei Lichte betrachtet dürfte es sich dann häufig um eine Teilkündigung des Vertrages hinsichtlich derjenigen Leistungen handeln, die zusätzlich für Erreichung des funktionalen Erfolges erbracht werden müssten. Für die aus der Abänderung des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs resultierenden Folgen ist der Besteller verantwortlich (vgl. § 4 Abs. 3 HS 2 VOB/B) und der Unternehmer wird jedenfalls gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B von der Mängelhaftung frei. Er darf die weitere Ausführung der Arbeiten indes verweigern, wenn andernfalls gesetzliche oder behördliche Bestimmungen verletzt (vgl. § 4 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 aE VOB/B), Gefahren für Leib und Leben geschaffen65 oder derart schwerwiegende Mängel des Gesamtbauvorhabens drohen würden, dass dem Unternehmer die Fortsetzung der Arbeiten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zugemutet werden kann66. Beharrt der Besteller trotz solcher Bedenken auf der Durchführung des Bauvorhabens nach seinen (fehlerhaften) Vorgaben, muss der Unternehmer im Einzelfall zudem das Recht haben, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen67, weil er sich sonst am Ende uU den Vorwurf gefallen lassen müsste, vorsätzlich einen Mangel produziert oder – noch schlimmer – Leib und Leben Dritter gefährdet zu haben. Für den BGB-Bauvertrag liegen die Dinge zumindest im Ausgangspunkt anders, weil das BGB-Werkvertragsrecht ein einseitiges Anordnungsrecht des Bestellers nicht kennt. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass der Unternehmer sich in einem Dilemma befindet, wenn der geschuldete Bauerfolg durch die Umsetzung der konkreten Ausführungsvorgaben des Bestellers nicht verwirklicht werden kann. 65 OLG Karlsruhe, BauR 2005, 729 iE zum Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers in diesen Fällen: Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB-Kom., 2. Aufl., Teil B, § 4 Rdn. 108 mwN; Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB-Kom., 16. Aufl., Teil B, § 4 Nr. 3 Rdn. 79 mwN 67 Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB-Kom., 16. Aufl., Teil B, § 4 Nr. 1 Rdn. 98 66 33 Hält er sich an die (fehlerhafte) Leistungsbeschreibung, produziert er einen Mangel; wählt er die Sicherstellung des Bauerfolges unter eigenmächtiger Abweichung von jenen Ausführungsvorgaben, begeht er in aller Regel ebenfalls einen Vertragsverstoß, weil er vertraglich vereinbarte Beschaffenheiten übergeht. Deshalb ist es auch für den BGB-Bauvertrag richtig, dass der Unternehmer in dieser Lage eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Bestellers herbeiführen muss, die er durch den nach obigen Grundsätzen gebotenen Bedenkenhinweis veranlasst. Verlangt der Besteller daraufhin die Umsetzung seiner ursprünglichen Ausführungsvorgaben und geht der Unternehmer trotz seiner Bedenken hierauf ein, so haben sich die Vertragsparteien nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre im Ergebnis vertraglich darauf geeinigt, dass der geschuldete Werkerfolg ungeachtet etwaiger ursächlich auf die mit Bedenken belegten Ausführungsvorgaben zurückzuführender Funktionsmängel des Werkergebnisses dem entspricht, was durch die Umsetzung der Ausführungsvorgaben erreicht werden kann. Auf § 13 Abs. 3 VOB/B kommt es in diesen Fällen deshalb nicht an. Aber wie steht es mit dem Verlangen des Bestellers, nach seinen Ausführungsvorgaben zu bauen, wenn der Unternehmer dem wegen seiner Bedenken nicht nachkommen will? Ein gesetzliches Anordnungsrecht des Bestellers besteht nicht; es lässt sich für den BGB-Werkvertrag allenfalls aus dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung oder mit der Erwägung rechtfertigen, dass der Unternehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet ist, den auf die Herstellung einer sach- und zweckgerechten Bauleistung gerichteten Willen des Bestellers im Rahmen seiner vertraglichen Erfolgsverpflichtung umzusetzen68. Was in diesem Sinne als sach- und zweckentsprechend zu gelten hat, bestimmt in erster Linie der Besteller, der allerdings abweichend von § 1 Abs. 3 VOB/B nicht befugt ist, den Bauentwurf und damit das vertraglich vereinbarte Leistungsziel, den geschuldeten Erfolg zu ändern. Darüber hinaus ist der Unternehmer ebenso wie beim VOB/B-Vertrag nicht verpflichtet, Ausführungsvorgaben des Bestellers zu beachten, deren Umsetzung zu einem Verstoß gegen gesetzliche oder behördliche Bestimmungen, zu Sicherheitsrisiken oder zu schwerwiegenden Baumängeln führen würde. In allen anderen Fällen wird der Unternehmer die Ausführungsvorgaben des Bestellers umsetzen müssen, wenn dieser es trotz der ihm mitgeteilten Bedenken verlangt. Der Unternehmer haftet dann 68 Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB-Kom., 16. Aufl., Teil B, § 4 Nr. 1 Rdn. 75 34 allerdings in Anwendung des sich aus § 13 Abs. 3 VOB/B ergebenden Rechtsgedankens nicht für die hierdurch bedingte Verfehlung des (funktionalen) Erfolges. Im Ergebnis gilt für den BGB-Bauvertrag also nichts anderes, als für den VOB/B-Vertrag. 4.2.2 Der Bedenkenhinweis unterbleibt Setzt der Unternehmer eine fehler- oder lückenhafte Leistungsbeschreibung des Bestellers mit dem Ergebnis um, dass die Funktionalität des Bauergebnisses verfehlt wird, ist seine Werkleistung mangelhaft - § 633 Abs. 2 BGB. Ob er bei unterbliebenem Bedenkenhinweis haftet, hängt davon ab, ob er die Unzulänglichkeiten der Ausschreibung hätte erkennen können. Er wird von der Mangelhaftung frei, wenn er nach gebotener Prüfung keine Bedenken gegen die Ausführungsvorgaben haben musste69. Das ergibt sich nicht unmittelbar aus § 13 Abs. 3 VOB/B, ist aber gerechtfertigt, weil die zu Prüfung und Hinweis Anlass gebenden Vorgaben und Vorleistungen aus der Risikosphäre des Bestellers stammen. Sind sie unvollständig oder fehlerhaft, trägt er deshalb im Ergebnis das Risiko einer durch ihre Umsetzung bedingten Verfehlung des funktionalen Werkerfolges, wenn der Unternehmer die Unzulänglichkeiten der Leistungsvorgaben nicht erkennen konnte. Probleme entstehen im umgekehrten Fall, wenn der Unternehmer ohne einen – dann gebotenen - Bedenkenhinweis die Leistungsvorgaben des Bestellers ignoriert und die Bauleistung ohne Rücksprache mit dem Besteller so ausführt, dass der funktionale Werkerfolg erreicht wird. Zwar waren die dann regelmäßig zusätzlich oder in anderer Weise als geplant angefallenen Leistungen objektiv erforderlich. Gleichwohl hat der Unternehmer vertragliche Leistungspflichten verletzt. Denn es ist aus den bereits dargelegten Gründen allein dem Besteller vorbehalten, die rechtsgeschäftliche Entscheidung darüber zu treffen, ob er – ggfls. gegen Zahlung einer Mehrvergütung – den funktionalen Bauerfolg verwirklicht wissen oder es bei seinen verbindlichen Leistungsvorgaben belassen und die Leistungsverpflichtung des Unternehmers dementsprechend beschränken will70. Das gilt erst recht, wenn die vom Unternehmer übergangenen Leistungsvorgaben – wie oft 69 Ebenso: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 6, Rdn. 24, 48; aA Fuchs, BauR 2009, 404, 409 70 § 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B sieht ein entsprechendes einseitiges Anordnungsrecht vor. Für den BGBBauvertrag ist das nicht geregelt. Dort kann nach derzeitiger Rechtslage nur eine ergänzende Auslegung des Vertrages helfen. 35 Beschaffenheitsvereinbarungen darstellen, an deren Einhaltung der Unternehmer gebunden ist (vgl. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB) und die er nur kraft rechtsgeschäftlicher Anordnung des Bestellers unbeachtet lassen darf. Jedenfalls im letztgenannten Fall hat der Unternehmer nicht vertragsgerecht gearbeitet, wenn er die Beschaffenheitsabreden missachtet. Eine ganz andere Frage ist es freilich, ob und ggfls. welche Ansprüche der Besteller hieraus herleiten kann. Dem soll hier nicht weiter nachgegangen werden. In der widerspruchslosen Abnahme des unter Abweichung von seinen Vorgaben erstellten Bauwerks dürfte allerdings eine nachträgliche Billigung jener Abweichung zu sehen sein. 4.2.3 Der Bedenkenhinweis wird erteilt; der Besteller reagiert nicht Es wird vertreten, dass der Unternehmer sich in einem solchen Fall darauf beschränken darf, die Bauleistung entsprechend den unzureichenden Leistungsvorgaben ausführen71, er also von der Mängelhaftung für die Verfehlung des funktionalen Erfolges frei wird. Dafür spricht der Wortlaut des § 13 Abs. 3 VOB/B, der die Enthaftung des Unternehmers allein an die Erteilung des Bedenkenhinweises, nicht hingegen an die Reaktion des Bestellers hierauf knüpft. Unproblematisch ist das nicht. Der Bedenkenhinweis soll den Besteller in die Lage versetzen, nach obigen Grundsätzen über die Art der Bauausführung zu entscheiden. Insoweit trifft ihn – ähnlich wie bei einer erforderlichen Bemusterung eine Mitwirkungsobliegenheit72. Die Sanktion wegen eines Verstoßes gegen diese Obliegenheit besteht nicht darin, den Unternehmer aus der Sachmängelhaftung zu entlassen. Vielmehr greift § 642 BGB, wonach der Unternehmer bezogen auf die Dauer des Annahmeverzuges eine Entschädigung beanspruchen und gemäß §§ 643, 645 BGB den Vertrag kündigen und abrechnen kann. Darüber hinaus dürfte er berechtigt sein, die Arbeiten bis zu einer Entscheidung des Bestellers einzustellen. Soweit in der unterbliebenen Mitwirkung des Bestellers ausnahmsweise ein Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht gesehen werden kann73, erhält er gemäß §§ 280 Abs. 1, 280 Abs. 2, 286 BGB zudem seinen weitergehenden Schaden ersetzt. Trotz alledem wird man den Wortlaut des § 13 Abs. 3 VOB/B hinnehmen müssen. Ob es gerechtfertigt ist, die dort niedergelegten Rechtsgedanken auch in diesem Punkt 71 Fuchs, aaO. 410 Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB-Kom., 2. Aufl., Teil B, § 4 Rdn. 106 - Mitwirkungspflicht 73 Eingehend hierzu: Kniffka, Jahrbuch Baurecht 2001, 1, 6ff. 72 36 gemäß § 242 BGB auf den BGB-Bauvertrag anzuwenden, erscheint allerdings fraglich. Wenn der Unternehmer ohne eine rechtsgeschäftliche Anordnung des Bestellers für die Verwirklichung der Funktionalität zusätzlich erforderliche Leistungen ausführt, erhält er hierfür keine vertragliche Vergütung, weil sie insoweit nicht vereinbart ist. Auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der GoA kommt nicht in Betracht, weil die zusätzlich erforderlichen Leistungen als zum vertraglichen Leistungsumfang gehörend geschuldet sind und er diese deshalb nicht ohne Auftrag erbracht hat74. Allerdings liegt eine Äquivalenzstörung vor75, so dass allenfalls eine Anpassung der Vergütung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 2 BGB ist zu erwägen ist (dazu sogleich). 4.2.4 Der Bedenkenhinweis wird erteilt; der Besteller weist den Unternehmer an, die danach für die Verwirklichung des Bauerfolges erforderlichen Leistungen auszuführen. Trägt der Besteller dem (berechtigten) Bedenkenhinweis des Unternehmers Rechnung, indem er von seinen fehlerhaften Ausführungsvorgaben Abstand nimmt und die zusätzlich für die Verwirklichung des Bauerfolges erforderlichen Leistungen verlangt, so stellt sich die Mangelfrage nicht, wenn der Unternehmer diesem Verlangen nachkommt. Allerdings muss er erneut prüfen, ob die nunmehr geänderten Ausführungsvorgaben des Bestellers zu einem funktionstauglichen Gewerk führen. Hat er Bedenken, muss er diese nach obigen Grundsätzen abermals anmelden76. Darüber hinaus ist in diesem Fällen regelmäßig das Äquivalenzgefüge gestört, weil der Unternehmer zusätzliche Leistungen erbringen muss, die nicht Gegenstand der vertraglichen Vergütungsvereinbarung mit dem Besteller waren. 5 Preisanpassung 5.1 Grundlagen Es entspricht dem Wesen eines vertraglichen Austauschgeschäfts, dass die rechtsgeschäftlich vereinbarten Leistungen und Gegenleistungen nach der Vorstellung der Vertragsparteien grundsätzlich gleichwertig sein sollen. Gegenstand 74 Im einzelnen hierzu: Leupertz, BauR 2005, 775, 785ff. Leupertz aaO., 787f. 76 BGH, Urt. v. 29.11.1973 – VII ZR 179/71, BauR 1974, 128 75 37 des Bauvertrages ist dementsprechend die von ihrem gemeinsamen Geschäftswillen getragene Abrede der Vertragsparteien, der Besteller möge für den konkret ausgeschriebenen Leistungsumfang eine entsprechende Gegenleistung in Form der vertraglich vereinbarten Vergütung erbringen. Darin, nämlich in der durch ihre rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen manifestierten Äquivalenzerwartung, besteht die beiderseits gebilligte Geschäftsgrundlage77. Sie wird verfehlt, wenn sich die Leistungsverpflichtung des Unternehmers entgegen den Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss nicht im vergütungspflichtigen Leistungsumfang erschöpft, sondern er zur Erreichung des Bauerfolges darüber hinaus Leistungen erbringen muss, für die er weder nach dem Vertrage eine Vergütung erhält, noch sonst einen Ausgleich verlangen kann78. Die der Erfolgshaftung des Unternehmers zugeordneten Leistungsanforderungen decken sich also nicht notwendig mit dem vergütungspflichtigen Leistungsumfang. Gleichwohl gehen die Vertragsparteien im Rahmen ihrer zur Geschäftsgrundlage zu rechnenden Äquivalenzerwartung regelmäßig davon aus, dass bereits die Erbringung der nach der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Leistungen zur Erreichung des Bauerfolges führen wird und dass die hierfür vereinbarte Vergütung eine adäquate Gegenleistung (nur) für diese Leistungen darstellt79. Der solcherart definierte vergütungspflichtige Leistungsumfang ist indes streng zu trennen von den für die Erreichung des geschuldeten Bauerfolgs erforderlichen Leistungsanforderungen80. Zusätzliche, nicht in der Leistungsbeschreibung enthaltene Leistungen sind vom verpreisten Leistungsumfang nicht umfasst, und zwar auch dann nicht, wenn sie für die Verwirklichung des Bauerfolgs erbracht werden müssen und somit vertraglich geschuldet sind. Sie sind demnach gesondert 77 BGH, Urteil vom 2. 11. 1961 - II ZR 126/59, NJW 1962, 250, 251; Urteil vom 14. 10. 1959 - V ZR 9/58, NJW 1959, 2203; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 313, Rdn. 25; DaunerLieb/Heidel/Ring/Krebs, Anwaltkommentar BGB, Schuldrecht Teilband 1, § 313, Rdn. 60 78 vgl. zu ähnlichen Fallkonstellationen: BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 324/99, NJW 2001, 1204 – irrtümlich Berücksichtigung eines an die BRep zu zahlenden Ausgleichsanspruchs für die Bemessung des Kaufpreises für einen Rückübertragungsanspruch; BGH, Urt. v. 01.02.1990 – VII ZR 176/88, NJW-RR 1990, 601, 602 – öffentliche Förderung eines Bauvorhabens; 79 Vgl.: Leupertz, BauR 2005, 775, 788 80 So zutreffend insbesondere: Motzke, NZBau 2002, 641ff; vgl. hierzu auch: Leupertz, BauR 2005, 775, 785f 38 zu vergüten, was beim BGB-Werkvertrag nach herrschender Meinung allerdings eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraussetzt81. Dieses, auf den Grundprinzipien der Rechtsgeschäftslehre beruhende Verständnis führt zwanglos zu der Erkenntnis, dass hinsichtlich eventueller Mehrvergütungsansprüche des Bestellers zwischen zusätzlich für die Verwirklichung des unveränderten Bauerfolgs erforderlichen Leistungen und solchem Mehraufwand zu unterscheiden ist, der außerhalb des vertraglichen Äquivalenzgefüges durch eine (einseitige) Veränderung des Bauerfolges, des Bauziels, entsteht. Die VOB/B geht einen völlig anderen Weg, der im Folgenden nachgezeichnet werden soll. 5.2 Verträge mit funktionaler Ausschreibung Bei Bauverträgen mit funktionaler Ausschreibung erhält der Unternehmer die vertraglich vereinbarte Vergütung für alle Leistungen, die er für die Verwirklichung des funktional definierten Bauziels (Bauerfolg) erbringen muss. Ein Anspruch auf Preisanpassung kann sich demnach nur ergeben, wenn das Bauziel verändert wird. Dann gelten die Grundsätze, die im Folgenden für den Bauvertrag mit detaillierter Ausschreibung erörtert werden. 5.3 Verträge mit detaillierter Ausschreibung 5.3.1 Mehraufwand durch eine Veränderung des Bauziels (geänderte Leistungen) 5.3.1.1 BGB-Bauvertrag Nach h. M. ist der Besteller im Rahmen eines BGB-Bauvertrages nicht berechtigt, Leistungsänderungen einseitig anzuordnen82. Wenn er gleichwohl geänderte Leistungen verlangt und der Unternehmer diesem Verlangen nachkommt, dürfte die gebotene Auslegung der Gesamtumstände in der Regel ergeben, dass die Vertragsparteien sich rechtsgeschäftlich über die Erbringung auch dieser Leistungen geeinigt haben. Dann richtet sich die Vergütung für die geänderten Leistungen 81 Zur Behandlung der Problemfälle, in denen der Unternehmer ohne eine rechtsgeschäftlich wirksame Abrede mit dem Besteller Mehraufwand betreibt, um den Bauerfolg zu verwirklichen: Leupertz, BauR 2005, 775. 82 aA: MünchKomm-Busche, BGB, 5. Aufl., § 631 Rdn. 123 – Leistungsbestimmungsrecht aus der Natur des Bauvertrages mit der Vergütungsfolge des § 632 Abs. 2 BGB; Staudinger – Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2008, § 633 Rdn. 12 – Verpflichtung des Unternehmers nach Treu und Glauben, auf zumutbare Änderungswünsche des Bestellers einzugehen; BaRoth-Voit, BGB, 2. Aufl., § 631 Rdn. 37 – Leistungsänderungsrecht des Bestellers mit Verpflichtung zur Fortschreibung der Vertragspreise 39 grundsätzlich nach § 632 Abs. 1, 2 BGB und der Unternehmer erhält hierfür die übliche Vergütung. Allerdings kann die Auslegung im Einzelfall ergeben, dass der Unternehmer gleichartige Leistungen nach den hierfür im Vertrag vorgesehenen Preisen abrechnen muss. 5.3.1.2 VOB/B-Vertrag Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Bestellers ergibt sich für den VOB/BVertrag aus § 1 Abs. 3 VOB/B durch die Gestattung, den Bauentwurf zu ändern. Wie weit dieses Leistungsbestimmungsrecht reicht, ist umstritten. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden. § 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B erfasst die Fälle geänderter Leistungen seinem Wortlaut nach nicht. Denn die infolge einer Änderung des vertraglichen Leistungsumfangs anfallenden Leistungen werden nicht „zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich“. Die vertragliche Leistung ist der nach dem Ausgangsvertrag vorgesehene funktionale Bauerfolg. Gerade der soll verändert werden. Erst die (wirksame) Änderung führt dazu, dass die geänderten Leistungen nunmehr erforderlich sind. Jedes andere Verständnis der Regelung würde darauf hinauslaufen, dass das Anordnungsrecht zugleich Ursache und Folge der Leistungsänderung wäre. Das kann schlechterdings nicht gemeint sein. Der Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers für infolge einer Bauentwurfsänderung des Bestellers anfallenden Mehraufwand wird gemeinhin aus § 2 Abs. 5 VOB/B hergeleitet. Der Wortlaut der Vorschrift gibt das nicht ohne weiteres her. Denn die hier in Rede stehenden (Mehr-) Leistungen, die erst infolge einer Veränderung des vertraglich vereinbarten Bauerfolgs erforderlich werden, sind nicht „im Vertrag vorgesehen“. Sie werden dem vertraglichen Leistungsumfang hinzugefügt. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 5 VOB/B ist deshalb nur dann eröffnet, wenn man den fort verwendeten Begriff der „Leistung“ in dem Sinne versteht, dass damit die in der Detaillausschreibung enthaltenen Teilleistungen gemeint sind. Wiederholen sich diese Teilleistungen bei der Erbringung des änderungsbedingten Mehraufwandes, waren sie nach ihrer Art bereits im Vertrag vorgesehen. Das wäre die Grundlage für die Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten. Ein solches Verständnis 40 erscheint möglich, ist aber schon deshalb nicht unproblematisch, weil die VOB/B den Begriff der „Leistung“ auch als Synonym für den geschuldeten Bauerfolg verwendet, wie sich bspw. aus § 1 Abs. 4 VOB/B ergibt („…der vertraglichen Leistung erforderlich werden,..“). Das ist nicht ohne weiteres mit dem jüngst vom BGH in anderem Zusammenhang bestätigten, allgemeinen Auslegungsgrundsatz in Einklang zu bringen, dass ein Begriff, der innerhalb eines AGB-Klauselwerks mehrfach verwendet wird, grundsätzlich für alle Klauseln einheitlich auszulegen ist, weil ein verständiger und redlicher Vertragspartner in der Regel davon ausgehen wird, dass einem identischen Wortlaut auch eine identische Bedeutung beizumessen ist83. § 2 Abs. 6 VOB/B betrifft „im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen“ und damit seinem Wortlaut nach gerade diejenigen, um die es hier geht. Gemeint sind freilich aus den soeben dargelegten Gründen abermals die in der Detaillausschreibung enthaltenen Teilleistungen. 5.3.2 Zusätzlich für die Verwirklichung des unveränderten Bauerfolgs erforderliche Leistungen (zusätzlich erforderliche Leistungen) 5.3.2.1 BGB-Bauvertrag Der Unternehmer schuldet alle Leistungen, die zur Verwirklichung des funktionalen Bauerfolges erforderlich sind. Solche Leistungen sind mithin auch dann vertraglich „vereinbart“, wenn sie nicht von den Leistungsvorgaben des Bestellers umfasst sind. Sie sind dann allerdings nicht gesondert verpreist. Weil die in diesem Sinne zusätzlich erforderlichen Leistungen zum vertraglichen Leistungsumfang gehören, sind sie jedenfalls beim Pauschalvertrag von der vertraglichen Vergütung umfasst. Deshalb kommt eine zusätzliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 1, 2 BGB insoweit nicht in Betracht. Gleiches gilt für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag84. Gleichwohl geht der Aufwand, den der Unternehmer zur Verwirklichung des Bauerfolgs betreiben muss, über die Leistungen hinaus, für die er die Vergütung erhält. Das führt zu einer Störung des Äquivalenzgefüges und damit zu einer Störung der Geschäftsgrundlage, die eine Preisanpassung nach Maßgabe der Vorschriften in § 313 Abs. 1, 2 BGB nach sich ziehen kann. Allerdings sind die Anforderungen an die Anpassung des Vertrages für die hier interessierenden Fälle angesichts des Kriteriums der Unzumutbarkeit zu hoch. 83 84 BGH, Urteil vom 20.8.2009 – VII ZR 212/07, BauR 2009, 1736, 1738 Tz 19 Im einzelnen hierzu: Leupertz, BauR 2005, 775, 785ff. 41 5.3.2.2 VOB/B-Vertrag Für VOB/B-Vertrag ergibt sich ein Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers für notwendige Zusatzleistungen nach allgemeiner Auffassung aus §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 6 VOB/B. Allerdings passt schon § 1 Abs. 4 VOB/B, der das Anordnungsrecht des Bestellers betrifft, seinem Wortlaut nach nicht auf die Fälle zusätzlich erforderlicher Leistungen. Denn nach obigen Grundsätzen kann es keine „nicht vereinbarten“ Leistungen geben, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich „werden“. Sind sie erforderlich, sind sie unabhängig von den Leistungsvorgaben des Bestellers auch geschuldet und damit rechtgeschäftlich vereinbart. Sie sind eben nur nicht verpreist. Im Übrigen ergibt die Regelung nur dann einen Sinn, wenn man den dort zweimal verwendeten Begriff der „Leistung“ unterschiedlich auslegt. Mit „nicht vereinbarte Leistungen“ sind offenkundig wiederum die Teilleistungen der Ausschreibung gemeint, wohin gegen Bezugspunkt für „die Ausführung der vertraglichen Leistung“ nur der funktionale Bauerfolg sein kann. § 2 Abs. 6 VOB/B wirft ähnliche Probleme auf, weil keine Leistungen gefordert werden, die im Vertrag nicht vorgesehen sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die zusätzlichen Leistungen sind lediglich nicht verpreist. § 2 Abs. 5 VOB/B ist offenkundig nicht anwendbar, weil die zusätzlich erforderlichen Leistungen weder durch eine Änderung des Bauentwurfs (§ 1 Abs. 3 VOB/B) noch durch „andere Anordnungen“ des Bestellers veranlasst sind. Sie waren von Anfang an geschuldet. 42 Teil 2 Grundlagen der Preisanpassung nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung 1 Anspruchsgrundlagen für eine Anpassung der Vertragspreise Das BGB-Werkvertragsrecht kennt keine Vorschriften, nach denen eine Anpassung der Vertragspreise an einen veränderten Leistungsumfang zu erfolgen hat. Eine Preisanpassung findet dort allenfalls nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB statt. Demgegenüber hält die VOB/B ein detailliertes Regelungssystem für Preisanpassungen bereit. Folgende Klauseln sind in diesem Zusammenhang relevant: Mengenmehrungen/Mengenminderungen Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 3 VOB/B Pauschalpreisvertrag: § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 VOB/B i. V. m. § 242 BGB Selbsteintritt des Auftraggebers Einheitspreisvertrag : § 2 Abs. 4 VOB/B Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Abs. 4 VOB/B Änderungen des Bauentwurfs durch den Auftraggeber Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3 VOB/B Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Nr. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3 VOB/B Zusatzleistungen durch einseitige Anordnung des Auftraggebers Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 6 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Nr. 6 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B 43 Erbringung nicht bestellter Leistungen: § 2 Abs. 8 VOB/B 2 Überblick 2.1 Mengenmehrungen / Mengenminderungen 2.1.1 BGB – Werkvertrag Beim BGB-Werkvertrag sind die Parteien grundsätzlich an ihre vertraglichen Vereinbarungen gebunden. Will der Auftragnehmer einen Nachtrag geltend machen, muss er sich hierüber mit dem Auftraggeber einigen und einen neuen Vertrag i. S. d. § 631 BGB schließen. Eine einseitig durchsetzbare Preisanpassung wegen Mengenmehrungen oder Mengenminderungen kommt sowohl für den Einheitspreisvertrag als auch für den Pauschalpreisvertrag nur unter den Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Weil es sich dabei um einen Anwendungsfall des § 242 BGB handelt, der einen schwerwiegenden Verstoß gegen Treu und Glauben voraussetzt, sind die Anforderungen an eine so begründete Preisänderung äußerst hoch. Es muss ein objektiv festzustellendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen, das sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles85 für die eine Vertragspartei als unerträglich erweist und von ihr bei Vertragsschluss auch nicht vorherzusehen war86. Eine Kostensteigerung von 20 % auf den Vertragspreis reicht hierfür u. U. noch nicht aus87. Als Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist die vertraglich vereinbarte Vergütung den veränderten Verhältnissen anzupassen88, worauf die benachteiligte Partei einen Anspruch hat. Wie diese Anpassung vorzunehmen ist, ergibt sich aus § 313 BGB nicht. Sie wird je nach den Umständen des Einzelfalles in der Regel zu einer Anhebung bzw. Absenkung des Vertragspreise um (einen Teil) der erhöhten/verminderten Kosten führen89 und kann in besonders gelagerten Fällen auch den Rücktritt vom Vertrage rechtfertigen - § 313 Abs. 3 S. 1 BGB. Weigert sich die bevorteilte Vertragspartei, der verlangten und gebotenen Anpassung zuzustimmen, so kann die andere Vertragspartei den Vertrag aus wichtigem Grund 85 BGH BauR 1996, 250 Ingestau/Korbion/Keldungs, Teil B, § 2 Abs. 7 Rn 24ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 279ff.; Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 841 87 BGH Schäfer/Finnern Z 2.311 Bl. 5; vgl. aber auch BGH VersR 1965, 803 für eine überproportionale Verteuerung einer Einzelposition mit einer Steigerung des Gesamtpreises um nur 10 %. 88 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 288 89 kritisch hierzu: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 289 86 44 kündigen90. Darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen sich der Wegfall der Geschäftsgrundlage ergibt, ist derjenige, der sich darauf beruft91. 2.1.2 VOB-Einheitspreisvertrag - § 2 Abs. 3 VOB/B Die Besonderheit des Einheitspreisvertrages besteht darin, dass er die durch das Baugeschehen typischerweise bedingten Leistungsschwankungen bereits strukturell berücksichtigt, indem der betragsmäßig nicht festgelegte Preis aus der Summe der Einzelpositionspreise gebildet wird, die sich wieder rum aus dem Produkt der Vordersätze mit den vereinbarten Einzelpreisen (EP) ergeben. Ändern sich die Vordersätze einzelner Positionen, weil sich während der Bauausführung nicht einkalkulierte Mengenmehrungen oder Mengenminderungen ergeben, so wirkt sich das gleichwohl auf das von den Parteien verabredeten Preisgefüge aus, weil der Auftragnehmer die für das Bauvorhaben insgesamt anfallenden Baustelleneinrichtungskosten, Baustellengemeinkosten und sonstigen Allgemeinkosten, dazu Wagnis und Gewinn, üblicherweise auf die einzelnen Leistungspositionen verteilt und so in die Einheitspreise einrechnet. Bei veränderten Mengenansätzen bedeutet das für den Vertragspreis, dass sich der Aufragnehmer bei Mehrmengen besser steht, wohingegen er bei kleineren Mengen einen Preisnachteil hinnehmen muss. Dafür gewährt § 2 Abs. 3 VOB/B einen Ausgleich. Grundlage für eine Preisänderung bei Mehrmengen ist § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. Danach kann die benachteiligte Partei (i.d.R. der Auftraggeber) eine Anpassung der Einheitspreise verlangen, wenn sich ohne Eingriff des Auftraggebers eine Mengenmehrung von mehr als 10 % gegenüber den vertraglich angenommenen Vordersätzen ergeben hat. Dann ist nur (!) für die über 110 % hinausgehenden Mengen auf Verlangen einer Partei ein neuer Preis zu vereinbaren. Kommt hierüber keine Einigung zu Stande, muss der neue Preis gerichtlich festgesetzt werden. Maßgebend sind auch dann die für den bisherigen Einheitspreis maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen92, nur der Umlagemaßstab für die fixen Baustellenkosten ändert sich. 90 BGH NJW 1969, 233; zu § 2 Nr. 7 VOB/B: OLG Düsseldorf NJW 1995, 3323 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 290 92 Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 767 91 45 Bei feststellbaren Mindermengen gilt § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Übersteigen diese 10 % der vertraglich kalkulierten Mengen, so ist auf Verlangen des Auftragnehmers für die betroffene Position ein völlig neuer Einheitspreis nach Maßgabe der Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 VOB/B zu bilden93. Das gilt nicht, wenn er schon durch die Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen einen angemessenen Ausgleich erhält - § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B. Praxishinweis: Wenn sich der Auftragnehmer im Vergütungsprozess auf Mengenunterschreitung beruft und daraus eine Anspruch auf Anpassung der Einheitspreise ableitet, muss er nicht nur die Unterschreitung der Vordersatzmenge, sondern auch die Grundlagen für die Berechnung des neuen Preises darlegen und ggfls. beweisen94. Das führt dazu, dass er seine Ursprungskalkulation offen legen muss95. Die Gerichtspraxis zeigt, dass eine solche Kalkulation im Zeitpunkt des Abrechnungsstreites oft nicht mehr existiert oder überhaupt nie existiert hat. Dann darf und muss der Auftragnehmer die Kalkulation nachfertigen und plausibel machen96. Verlangt hingegen der Auftraggeber wegen einer Mengenmehrung eine Anpassung des Einheitspreises, muss er die Mengenmehrungen und die Berechnungsgrundlagen beweisen. Das kann er nur, wenn er die Ursprungskalkulation des Auftragnehmers kennt. Ist das nicht der Fall, muss der Auftragnehmer sie im Prozess offen legen97. 2.1.3 VOB-Pauschalpreisvertrag - § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 i. V. m. § 242 BGB Für den Pauschalpreisvertrag gilt der Grundsatz des § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1 VOB/B: Er bleibt unverändert. Eine Preisanpassung für Mengenabweichungen findet nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 VOB/B, mithin nur bei einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage statt. Insoweit kann im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zum BGB-Werkvertrag verwiesen werden. Allerdings ist in § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2, 3 VOB/B ausdrücklich bestimmt, dass 93 hierzu im Einzelnen: Kapellmann/Messeschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 152f. OLG München BauR 1993, 726 95 OLG Schleswig BauR 1996, 265 96 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 168 97 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 168 94 46 für die Bildung des neuen Pauschalpreises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Mindermengen von den Grundlagen der Preisermittlung auszugehen ist, die sich üblicherweise aus der Ursprungskalkulation des Auftragnehmers ergeben. Im Ergebnis entspricht der Preisunterschied also regelmäßig der Differenz zwischen den ursprünglich veranschlagten (kalkulierten) und den tatsächlich angefallenen Kosten, die allerdings ebenfalls auf der Grundlage der ursprünglichen Kalkulation zu ermitteln und nur in dem adäquat kausal auf die Äquivalenzstörung zurückzuführenden Umfang zu korrigieren sind 98. 2.2 Änderung des Bauentwurfs / Zusatzleistungen 2.2.1 BGB-Werkvertrag Die Vorschriften zum BGB-Vertrag sehen die Möglichkeit einer einseitigen Leistungsänderung nicht vor. Nach dem Ausgangsvertrag nicht geschuldete Leistungen sind also grundsätzlich nur kraft besonderer rechtsgeschäftlicher Vereinbarung i. S. d. §§ 631f. BGB zu erbringen und zu vergüten. Von den Parteien einvernehmlich ohne entsprechende Preisabsprachen vorgenommene Leistungsänderungen können allerdings nach Treu und Glauben zur Anpassung eines dadurch zum Leistungsumfang in einem groben Missverhältnis stehenden Pauschalpreises zwingen99. 2.2.2 VOB-Vertrag - § 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B i. V. m. §§ 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B § 1 Abs. 3 VOB/B trägt dem durch die Unwägbarkeiten eines oft hochkomplexen Baugeschehens begründeten Bedürfnis des Auftraggebers Rechnung, die für den Bauerfolg maßgebenden Planvorgaben nach Vertragsschluss einseitig ändern zu dürfen. Noch weiter geht § 1 Abs. 4 VOB/B, wonach der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers verpflichtet ist, nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, mit auszuführen, wenn sein Betrieb darauf eingerichtet ist. Notwendiges Korrektiv für diese einseitigen Abänderungsrechte100, die in den gesetzlichen Bestimmungen des allgemeinen Schuldrechts keine Parallele finden, ist die Pflicht, die Preisabsprachen mit dem Auftraggeber dem veränderten Bausoll anpassen zu müssen. Diese Pflicht ergibt sich für den Einheitspreisvertrag aus den Bestimmungen in §§ 2 Abs. 5, Abs. 6 98 vgl.: Ingenstau/Korbion/Keldungs, Teil B, § 2 Abs. 7 Rn 29 BGH BauR 1974, 416, 417 100 zuletzt: BGH IBR 2004, 122, 123, 124 99 47 VOB/B, die über § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4 VOB/B auch auf den Pauschalpreisvertrag Anwendung finden. Die für die Berechnung des neuen Preises maßgeblichen Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen101: Wenn die Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 VOB/B erfüllt sind, so ist ein neuer Preis für die verändert auszuführende Leistung unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Dadurch ist der Bezug zur ursprünglichen Preiskalkulation (Auftragskalkulation) hergestellt, die für die Preisanpassung fortgeschrieben wird102. Für die Ermittlung des neuen Preises sind nur die Mehr – oder Minderkosten zu berücksichtigen, die adäquat kausal auf die Änderungsanordnung zurückzuführen sind. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Kostenentwicklung an, sondern es sind die voraussichtlichen Mehroder Minderkosten in Ansatz zu bringen, wie sie auf der Grundlage der Auftragkalkulation hätten errechnet werden müssen103. Ob vertraglich vereinbarte Nachlässe in die Nachtragsforderung einfließen, ist nach Auffassung des BGH104 eine Frage des Einzelfalles und im Wege der Auslegung des Ursprungsvertrages zu ermitteln. Ist im Vertrag ein Nachlass „auf alle EP“ gewährt, so gilt das in Ermangelung anderweitiger Absprachen auch für den Nachtrag105. Weil eine Änderung des Planenturfs nicht selten mit Bauzeitverschiebungen einhergeht, muss der Auftragnehmer im Nachtragsfall darauf achten, dass er auch die hierdurch bedingten, zeitabhängigen Mehrkosten in seine Nachtragsforderung einrechnet. Auch das darf er allerdings nur in dem Umfang, in dem er sie in Kenntnis des veränderten Bauablaufs schon in seine Auftragskalkulation einbezogen hätte 106. Aus alledem wird deutlich, dass der Auftragnehmer zu schlüssigen Darlegung einer Nachtragsforderung im Prozess in aller Regel seine Urkalkulation offen legen muss. 101 ausführlich zu den Grundsätzen der Preisermittlung: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2 Rn 219ff. 102 BGH BauR 1999, 897; BGH BauR 1996, 378 103 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2, Rn 213; Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 808 104 BGH, IBR 2003, 591 105 BGH IBR 2003, 591; im Ergebnis ebenso: OLG Hamm NJW-RR 1995, 593; OLG Düsseldorf BauR 1993, 479, 480; kritisch unter Hinweis auf die Akquisitionswirkung des Nachlasses: Ingenstau/Korbion/Keldungs, Teil B, § 2 Abs. 6, Rn 23; Kapellmann, NZBau 2000, 57 106 Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 804 48 Denn nur daraus ergeben sich die Grundlagen der Preisermittlung107. Hatte er bei Angebotsabgabe keine detaillierte Kalkulation erstellt, muss er das jetzt im Prozess nachholen. Darüber hinaus obliegt es ihm, die Berechnung der neuen Preise nachvollziehbar aus der Urkalkulation zu entwickeln und deren Richtigkeit im Bestreitensfall zu beweisen. Die hierfür maßgeblichen Parameter sind der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO zugänglich108. Die obigen Grundsätze gelten entsprechend für die Berechnung von Nachträgen für zusätzliche Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 6 VOB/B. Die Anknüpfung an die ursprüngliche Preiskalkulation folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 6 Nr. 2 S. 1 VOB/B, wonach die Berechnung des neuen Preises auf „den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung“ zu erfolgen hat109. Das kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten, wenn die zusätzlich verlangten Leistungen keine Entsprechung im vertraglichen Leistungsbild finden. Dann handelt sich um gleichwohl mehrvergütungspflichtige „besondere Kosten der geforderten Leistung“ i. S. d. § 2 Abs. 6 Abs. 2 VOB/B, für deren Ermittlung das ursprüngliche Preisgefüge allerdings nur eine schwache oder gar keine Stütze bietet. Der Nachtragsanspruch gemäß § 2 Abs. 6 besteht nur für solche zusätzlichen Leistungen, die der Auftragnehmer auf einseitiges Verlangen des Auftraggebers gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B ausführen muss, weil sie für die Ausführung des vertraglichen Leistungserfolges erforderlich sind110. Andere zusätzliche Leistungen, die nicht der Verwirklichung des nach dem Vertrag vorgesehenen Bauerfolgs dienen und die dem Auftragnehmer gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B deshalb nur mit seiner Zustimmung übergeben werden können, werden von der Vergütungspflicht nach § 2 Abs. 6 nicht umfasst. Insoweit handelt es sich um Anschlussaufträge, für die nach allgemeinen Grundsätzen eine gesonderte Vergütung zu vereinbaren ist. 107 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Teil B, § 2, Rn 137 BGH BauR 1993, 600; ebenso für die Schätzung der Berechnung der Vergütung nach Kündigung aus wichtigen Grund: BGH BauR 2003, 880 109 Ingenstau/Korbion/Keldungs, Teil B, § 2 Nr. 6 Rn 23, 25 110 Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 816 108 49 3 Die Regelungen der VOB/B im Einzelnen 3.1 Mengenabweichungen gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B 3.1.1 Der Einheitspreisvertrag § 2 Abs. 3 VOB/B befasst sich mit dem vertraglichen Einheitspreis, gilt deshalb auch nur für den Einheitspreisvertrag.111 Ausgangspunkt für die Bewertung von Mengenänderungen ist § 2 Abs. 2 VOB/B, der für den Einheitspreisvertrag die Vergütung definiert. Vordersatz x Einheitspreis (EP) = Vergütung Bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Abrechnungen auf der Grundlage von Einheitspreisverträgen kann der berechtigte Einheitspreis (EP) in aller Regel durch den Anwalt/das Gericht ermittelt werden, da dieser Einheitspreis vereinbart wird. In der Praxis werden Leistungsverzeichnisse von dem Auftraggeber versandt, in denen die Auftragnehmer bei Abgabe ihrer Angebote die Einheitspreise (zumeist rechts) eintragen. Der so genannte Vordersatz bezeichnet die Menge oder Masse112. Vor Beginn eines Bauvorhabens ist die Menge der auszuführenden Leistung kaum exakt zu bestimmen, so dass in Ausschreibungen und entsprechenden Angeboten vorläufige Annahmen enthalten sind. Diese Annahmen sind für die Berechnung der Vergütung nicht maßgeblich. Der Auftragnehmer kann also nicht einfach die Mengen seiner Abrechnung zugrunde legen, die beim Einheitspreis Gegenstand der Ausschreibung/des Angebotes waren, weil sich nach § 2 Abs. 2 VOB/B die Vergütung (auch) nach den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet. Der Umfang der tatsächlich ausgeführten Leistung kann in aller Regel von dem Anwalt/dem Gericht nicht ermittelt werden. Es handelt sich dabei um eine Frage, die durch Sachverständigengutachten (§ 402 ff. ZPO) zu klären ist. Da sich die Vergütung so berechnet, muss der Auftragnehmer die Kosten, die nicht gesondert vergütet werden, in den Einheitspreis einkalkulieren, seine allgemeinen Kosten also auf den Einheitspreis umlegen. Diese sind z.B. die Kosten der Baustelleneinrichtung, der Vorhaltung von Gerät, Kosten der Bevorratung etc. Es liegt auf der Hand, dass dann, wenn sich die Mengen ändern, dies Auswirkungen auf die Vergütung haben muss. Muss beispielsweise der Auftragnehmer bei einem Auftrag 1.000 € allgemeine Kosten einkalkulieren und verteilt er diese Kosten auf 111 112 Kapellmann/Schiffers, Band I Rn 502; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 3 Rn 6. Der Begriff "Masse" wird in der Praxis häufig verwandt. In der VOB/B ist von "Menge" die Rede. 50 eine Menge von 100 m², entfallen auf jeden m² 10 €. Kommen dann nur 50 m² zur Ausführung, erhält er - anteilig - lediglich 500 € dieser Kosten zurück, so dass sich die Vergütung entsprechend (deutlich) mindert. Den Ausgleich soll § 2 Abs. 3 VOB/B schaffen. 3.1.1.1 Grundsatz, § 2 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B Weicht die ausgeführte Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung um nicht mehr als 10 % von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang ab, so "gilt" der vertragliche Einheitspreis. Das bedeutet, dass der vertragliche Einheitspreis bei Abweichungen von +/- 10 % (einschließlich!) unverändert bleibt. Weder Auftraggeber noch Auftragnehmer können eine Preisanpassung verlangen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es sich um regelmäßig geringfügige Schwankungen handelt, die sich gegebenenfalls in anderen Bereichen ausgleichen und jedenfalls beiden Vertragspartnern zuzumuten sind. Darin liegen für Auftragnehmer und Auftraggeber Chancen und Risiken, so dass es gerechtfertigt ist, die damit einhergehenden Vor-/Nachteile dem einen oder anderen zu belassen113. Zu beachten ist, dass diese Abweichungen nur dazu führen, dass der vertragliche Einheitspreis unverändert bleibt, sich also nichts daran ändert, dass sich die Vergütung auch nach den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet. Wenn also der Vordersatz überschritten wird, erhält der Auftragnehmer in Höhe der Überschreitung auch die Vergütung auf der Grundlage des vertraglichen Einheitspreises. 3.1.1.2 Mengenüberschreitung, § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B Für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes ist zu verlangen, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Entgegen dem Wortlaut gilt § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht für jede Überschreitung des Mengenansatzes von über 10 %. Ungeschriebene Voraussetzung ist, dass die Überschreitung darauf beruht, dass der Vordersatz falsch war. Ursache dafür können nur eine falsche Berechnung oder andere Verhältnisse als angenommen sein. Beruht die Abweichung auf einer Anordnung des Auftraggebers, liegt ein Fall des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht vor. Dann gilt § 2 Abs. 5 VOB/B114. 113 BGH BauR 1987, 217 OLG Düsseldorf BauR 1991, 219; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 144; Heiermann/Riedl, VOB/B 2 Rn 77. 114 51 Meistens beruhen Mengenüberschreitungen auf ungenauen Angaben im Leistungsverzeichnis/Angebot. So werden beispielsweise Aushubarbeiten in der Regel mit grob geschätzten Mengen ausgeschrieben und beauftragt. Es stellt sich bei Ausführung der Arbeiten dann heraus, dass diese Ansätze unzureichend sind. Dies ist ein typischer Fall der Mengenüberschreitung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass überhaupt ein Vordersatz genannt wurde, wobei die in der Praxis häufig anzutreffenden "Ca.-Angaben" ausreichend sind. Ist eine Menge von Anfang an ersichtlich unbestimmt (der Höhe nach) bezeichnet und beauftragt, ändert dies nichts daran, dass diese unbestimmte Menge für die Bewertung nach § 2 Nr. 3 VOB/B zugrunde zu legen ist115. Ein neuer Preis ist auf Verlangen zu vereinbaren. Die - missglückte - Formulierung bedeutet nicht, dass im Streitfalle dieses Verlangen zunächst (gerichtlich) durchgesetzt werden muss, der Empfänger des Verlangens also auf Abgabe einer entsprechenden Erklärung in Anspruch genommen werden muss. Notfalls kann der neue Preis durch das Gericht gemäß den §§ 315 ff. BGB festgesetzt werden 116. Das Verlangen muss allerdings auch gestellt werden. Andernfalls verbleibt es auch bei den Mehrmengen bei dem vertraglichen Einheitspreis. Das Verlangen kann sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer gestellt werden, wobei derjenige das Verlangen stellen wird, der sich von der Überschreitung einen (Vergütungs-)Vorteil verspricht. Zu beachten ist, dass das Verlangen eines neuen Preises nur die Mehrmenge betrifft, in dem Fall der Mengenüberschreitung also zwei Einheitspreise für die Vergütung maßgeblich sind. Für die 100 % ausgeführte Menge verbleibt es bei dem vertraglichen Einheitspreis. Dies gilt auch für die "ersten" 10 % der Mengenmehrung. Für 110 % Menge gilt also der vertragliche Einheitspreis, für die darüber hinausgehende Menge der neu zu vereinbarende Preis. Wenn sich der Auftragnehmer von der Mengenerhöhung eine höhere Vergütung verspricht, wird es für ihn leicht sein, unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten das entsprechende Verlangen beziffert auszubringen. Für den Auftraggeber gilt dies nur dann, wenn er diese Grundlagen kennt, also die Urkalkulation der jeweiligen Position. Wenn der Auftragnehmer sich weigert, diese Grundlagen offen zu legen, ist der Auftraggeber nicht in der Lage, die aus seiner Sicht bestehende Preisreduzierung schlüssig darzulegen. In diesen Fällen dürfte es richtig sein, dem Auftraggeber hinsichtlich der Vergütung der über 110 % liegenden 115 116 BGH BauR 1991, 210; Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 508. OLG München BauR 1993, 726; OLG Celle BauR 1982, 381 52 Menge zumindest ein Zurückbehaltungsrecht zuzugestehen, wobei auch daran gedacht werden kann, die Abrechnung insoweit als nicht prüfbar zurückzuweisen, vgl. § 14 Abs. 1 VOB/B. Mehr- oder Minderkosten können sein117: - unmittelbare Kosten (Lohnkosten, Material). - Baustellengemeinkosten (Baukran, Baustellencontainer, Geräte). - allgemeine Geschäftskosten (AGK); dies sind Kosten, die in der Regel unmittelbar mit der Baustelle nichts zu tun haben, also Kosten des "allgemeinen Betriebs" des Auftragnehmers. - Wagnis und Gewinn; dies ist der kalkulatorisch vorgesehene Ansatz für den Gewinn auf die jeweilige Position. 3.1.1.3 Unterschreitung der Mengenansätze, § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B ist bei einer über 10 % hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Für die grundsätzliche Anwendung gilt das, was für die Mengenüberschreitung gilt. Die Abweichung muss ausschließlich auf einer Änderung der vorgefundenen Verhältnisse beruhe. Ordnet der Auftraggeber eine Mengenminderung an, die sich auch daraus ergeben kann, dass er Leistungen selber ausführt (§ 2 Abs. 4 VOB/B) ist § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B nicht einschlägig118. Berechnungsbasis ist auch hier die vorhandene Mengenangabe, also eine genaue Mengenangabe bei dem Vordersatz oder auch geschätzte Angaben ("ca.")119. Anders, als bei § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gilt die Anpassung des Einheitspreises nicht nur für die über 10 % hinausgehende Unterschreitung, sondern für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung. Ist die 10 %-Grenze also überschritten, wird ein neuer Einheitspreis für die gesamte Leistung auf Verlangen neu bestimmt120. 117 vgl. Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 146 ff. Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 514 119 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 151. 120 BGH BauR 1987, 217; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 89. 118 53 Die Preisanpassung ist auch hier "auf Verlangen" vorzunehmen. Allerdings lässt § 2, Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B ausschließlich eine Erhöhung des Einheitspreises zu. Eine Reduzierung kommt also in keinem Fall in Betracht121, so dass die Frage, ob auch der Auftraggeber das "Verlangen" ausbringen kann, eher theoretischer Natur ist. Zweck der Regelung ist, dass grundsätzlich bei einer gravierenden Mengenminderung die Grundlagen der Kalkulation eine auskömmliche Vergütung nicht mehr sicherstellen, es dem Auftragnehmer deshalb nicht zuzumuten ist, an dem ursprünglich vereinbarten Einheitspreis festgehalten zu werden. Die Erhöhung des Einheitspreises erfolgt - kurz gesagt - dadurch, dass die tatsächlichen Kosten festgestellt und den kalkulierten Kosten gegenüber gestellt werden122. Ziel der Berechnung ist es, dem Auftragnehmer den vorauskalkulierten Gewinnsatz für die tatsächlich ausgeführten Mengen zu erhalten123. Danach müssen die in den weggefallenen Mengen enthaltenen allgemeinen Kosten (Fixkosten) herausgerechnet werden. Diese Menge ist dann voll auf die tatsächlich ausgeführten Mengen anteilig einzustellen124. Die Erhöhung kann der Auftragnehmer nicht verlangen, soweit er durch die Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Diese Einschränkung trägt wiederum dem Grundsatz Rechnung, dass der Auftragnehmer bei größeren Mengenminderungen dann nicht (insoweit) an den vertraglich vereinbarten Einheitspreis festgehalten werden kann, wenn dies zu ihm unzumutbaren Nachteilen führt. Wie schon dargelegt, betreffen diese Nachteile in aller Regel die Fixkosten, die über die Erhöhung des Einheitspreises wieder ausgeglichen werden sollen. Wenn aber durch Mengenerhöhungen bei anderen Positionen mit entsprechend höheren Anteilen auf Fixkosten der Auftragnehmer Vorteile erhält, sind die Nachteile/Vorteile gegen zu rechnen, was ergeben kann, dass im Ergebnis bei dem Auftragnehmer kein nennenswerter - Nachteil verbleibt. Es muss also zunächst ermittelt werden, welche Kostennachteile der Auftragnehmer aufgrund der Mindermenge erleidet. Dem ist gegenüberzustellen, welche zusätzlichen Deckungsbeträge der Auftragnehmer bei Mehrmengen der anderen Positionen erzielt. Der Saldo ergibt dann, ob noch ein Ausgleich vorgenommen werden muss. Bei dieser Berechnung kommen Mengenmehrungen auch erst dann in Betracht, wenn diese über 10 % liegen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). Dies leuchtet nicht ganz ein, 121 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 525 mit dem Nachweis, dass auch bei Mengenminderung Ersparnisse des Auftragnehmers denkbar sind; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 90. 122 OLG Schleswig BauR 1996, 265; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 20 ff. 123 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 18f. 124 Beck´scher VOB/Kommentar/Jagenburg VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 49; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 90. 54 weil auch die ersten 10 % Mengenmehrung einen "Ausgleich" für den Auftragnehmer darstellen können, entspricht aber der Rechtsprechung des BGH125. Entsprechendes gilt, wenn der Auftragnehmer den Ausgleich in anderer Weise erhält. Hier kommt es also auf Mengenmehrungen bei anderen Positionen nicht an. Bei der Frage, ob ein Ausgleich auf "andere Weise" erfolgt, ist immer zu prüfen, ob aufgrund der "anderen Weise" Umlagenanteile dem Auftragnehmer zufließen (vergleichbar also zu den Vorteilen aufgrund von Mengenmehrungen bei anderen Positionen). Dies kann bei der Beauftragung zusätzlicher Leistungen der Fall sein126, kann sich auch aus Leistungsänderungen (§ 2 Abs. 5 VOB/B) ergeben127. Der Ausgleich in "anderer Weise" bedingt immer, dass der Ausgleich in Zusammenhang mit ein und demselben Vertragsverhältnis steht. Als Ausgleich können andere Vertragsverhältnisse also nicht herangezogen werden128. Streitig ist die Anwendung von § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B, wenn eine Position vollständig entfällt, die tatsächlich ausgeführte Menge also "Null" beträgt. Nach richtiger Auffassung 129 verbleibt es bei der Anwendung von § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B, der für Unterschreitungen des Mengenansatzes eine spezielle Regelung darstellt. Nach dem Wortlaut kann die "tatsächlich ausgeführte Menge" auch "Null" sein. In diesen Fällen ist durch Berechnung der Fixkosten die Erhöhung der Gesamtposition zu berechnen und mit dem kalkulierten Gewinnanteil zu beaufschlagen130. 3.1.2 Pauschalvertrag, § 2 Abs. 7 VOB/B 3.1.2.1 Überblick Wenn als Vergütung der Leistung eine Pauschalsumme vereinbart ist, so bleibt die Vergütung unverändert. Dies gilt nicht, wenn die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der pauschalen Summe nicht zumutbar ist (§ 242 BGB). Dann ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren, § 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B. Pauschalvereinbarungen sind bedeutsam. Auftraggeber sehen darin den - vermeintlichen - Vorteil einer "Preissicherheit", Auftragnehmer höhere Chancen für eine höhere Vergütung. Die Erwartungen erfüllen sich selten. Auftraggeber sehen sich Nachforderungen ausgesetzt, vertreten bei 125 BGH BauR 1987, 217; Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 546. Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 3 Rn 37. 127 Dazu eingehend: Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 548. 128 Beck´scher VOB-Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 48; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 3 Rn 38. 129 Vgl. Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 540. 130 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 540; a.A. Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 92. 126 55 "Minderleistungen" die Auffassung, die Pauschalsumme sei zu reduzieren. Auftragnehmer bereuen - aus unterschiedlichen Gründen - die Festlegung auf eine Pauschale. Dabei ist der Grundsatz klar: "Ist als Vergütung der Leistung einer Pauschalsumme vereinbart, so bleibt die Vergütung unverändert." Die Problematik liegt zum einen darin, dass Unklarheit darüber besteht, was eine "Pauschalsumme" ist und in welchen Fällen von dem Grundsatz der Unveränderlichkeit der Pauschalsumme abgewichen werden kann. 3.1.2.2 Grundsatz: Keine Änderung der Vergütung Die Problematik liegt auf der Hand: Immer dann, wenn die Leistungen nicht erschöpfend beschrieben sind, wird eine Partei bei Beendigung der Leistung feststellen, dass sie benachteiligt ist. Entweder hat der Auftragnehmer festgestellt, dass er zur Erfüllung des Vertrages mehr leisten musste, als er kalkuliert hatte, oder der Auftraggeber meint, dass der Leistungsumfang doch deutlich geringer ausgefallen ist und deshalb eine Reduzierung der Pauschale angemessen sei. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Vergütung unverändert bleibt (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B) ist immer Zurückhaltung geboten. Nur dann, wenn einer Partei das Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist, und zwar in den Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), kann ein Anspruch auf Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten bestehen. Ausgangspunkt dieser Prüfung ist vorrangig, festzustellen, was vertraglich vorgesehene Leistung war. Dies bedeutet nicht, dass es z.B. auf die Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers ankommt. Häufig sind die Fälle, in denen der Auftragnehmer nach Beauftragung zu einer Pauschale feststellt, dass die geschuldete Leistung wesentlich umfangreicher ist oder nur mit Erschwernissen ausgeführt werden kann. Wenn diese Umstände bei Auftragserteilung bewusst offen gelassen wurden, gehören die notwendigen Leistungen zur vertraglich vorgesehenen Leistung131. Danach ist die ausgeführte Leistung zu ermitteln und der vertraglich vorgesehenen Leistung gegenüber zu stellen. Liegt eine Abweichung vor, ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung dessen einer Partei das Festhalten an der Pauschalsumme nicht mehr zumutbar ist. Es wird deshalb zumeist um Massenänderungen gehen, weil andere Leistungen bei fehlender Beschreibung entweder schon nicht zu vertraglich geschuldeter Leistung gehören (Detail-Pauschalvertrag) oder aufgrund unvollständiger/lückenhafter Beschreibung von dem Auftragnehmer geschuldet sind (wie beim Global- 131 BGH BauR 1997, 126 = NJW 1997, 61; BGH BauR 1981, 388 = ZfBR 1981, 171. 56 Pauschalvertrag). Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Vorrangig kommt es darauf an, ob ein Vertragsteil die Ursachen für die falschen Annahmen gesetzt hat (beispielsweise falsche auftraggeberseitig gestellte Planung; falsches Leistungsverzeichnis). Starre Grenzen gibt es nicht. Folgende Fallgruppen sind bislang herausgearbeitet: Häufig findet sich ein Ansatz von 20 % Mehrkosten. Diese Grenze gilt aber nur dann, wenn die 20 % Kostenerhöhung die gesamte Vergütung betreffen, also nicht etwa im Fall einer einzelnen Position132. Ob bei Abweichungen innerhalb einer oder weniger Positionen bezogen auf die Gesamtabweichung andere Maßstäbe zugrunde zu legen sind, ist umstritten. Nach einer Auffassung soll eine Abweichung bei einer Einzelposition jedenfalls dann zu berücksichtigen sein, wenn sich diese Abweichung in einer Größenordnung von 10 % auf die Gesamtvergütung auswirkt133. Nach der Rechtsprechung 134 sollen selbst krasse Mengenüberschreitungen bedeutungslos sein, und zwar auch dann, wenn diese mehr als das zehnfache ausmachen, so lange eine Toleranzschwelle von ca. 20 % bezogen auf die Gesamtvergütung nicht überschritten wird. Diese Unterschiede zeigen, dass starre Grenzen nicht gegeben sind, im Einzelfall alle Umstände abgewogen werden müssen. 3.1.2.3 Ausgleich (Anpassung der Vergütung) Der Ausgleich ist auf Verlangen unter Berücksichtigung der "Mehr- oder Minderkosten" zu gewähren. Für die Bemessung des Ausgleichs ist von den Grundlagen der Preisermittlung auszugehen, § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1, 2 VOB/B. Diese Einschränkungen sind in § 313 BGB nicht vorgesehen, weshalb die Auffassung vertreten wird, die engere Fassung in § 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B verstoße gegen § 307 BGB und sei deshalb unwirksam135. In Ausnahmefällen kommt dies durchaus in Betracht, vor allem dann, wenn schon der ursprüngliche Preis für den Auftragnehmer verlustbringend war und sich dieser Verlust aufgrund der Änderung vervielfacht. Andererseits ist immer zu bedenken, dass gerade bei der Vereinbarung einer Pauschale auch der Auftragnehmer bewusst Risiken eingeht. Deshalb ist es nicht ohne weiteres für den Auftragnehmer unzumutbar, wenn solche Risiken bei einer Leistungsänderung fortwirken. Dies gilt auch für Fehler seiner Kalkulation136. Letztlich wird die Anpassung immer nur geschätzt werden können (vgl. § 287 ZPO), wobei 132 OLG Düsseldorf BauR 2001, 801; OLG Stuttgart IBR 2000, 593; OLG München NJW-RR 1987, 598; Werner/Pastor, Rn 1203; nach OLG Schleswig BauR 2000, 1201 soll eine Mengendifferenz von 10 % ausreichend sein. 133 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 279. 134 OLG Stuttgart IBR 2000, 593. 135 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 288. 136 Beck´scher VOB-Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Rn 77; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 153 a. 57 von den Mehr- oder Minderkosten auszugehen ist und die Grundlagen der Preisermittlung grundsätzlich von Bedeutung sind. Andere Abweichungen, so die Selbstübernahme des Auftraggebers (§ 2 Abs. 4 VOB/B) sowie die Leistungsänderungen auf Anordnung des Auftraggebers (§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B) bleiben unberührt. Das bedeutet, dass auch bei Vereinbarung einer Pauschalsumme in diesen Fällen sich die Ansprüche des Auftragnehmers nach den § 2 Abs. 4, 5 und 6 VOB/B richten. 3.2 Eigenvornahme durch den Auftraggeber, § 2 Abs. 4 VOB/B Werden im Vertrag ausbedungene Leistungen des Auftragnehmers vom Auftraggeber selbst übernommen (z.B. Lieferung von Bau, Bauhilfs- und Betriebsstoffen), so gilt, wenn nicht anderes vereinbart wird, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B entsprechend, § 2 Abs. 4 VOB/B. Daraus ergibt sich zunächst die Befugnis des Auftraggebers, vereinbarte Leistungen ohne weiteres selbst zu übernehmen137. Die Regelung ist aufgrund des Verweises auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B (Kündigung) überflüssig. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber bis zur Vollendung der Leistung den Vertrag jederzeit (insgesamt) kündigen. Dies gilt erst recht für Teilleistungen, wobei sich für beide Kündigungsmöglichkeiten die Ansprüche des Auftragnehmers aus § 8 VOB/B ergeben138. Die Diskussion, ob es sich bei der Wahrnehmung der Befugnis zur Selbstübernahme um eine Kündigung oder Teilkündigung des Vertrages handelt139, ist damit nur theoretisch. Dies gilt auch für die Frage, ob der Auftraggeber die Leistungen selbst oder durch Dritte erbringen kann/muss140. Ebenso wenig ist im Ergebnis von Bedeutung, ob es einer vorherigen ausdrücklichen Ankündigung bedarf141. Die Rechtsfolgen sind nach allen Ansichten gleich: Der Auftragnehmer behält seinen Vergütungsanspruch und muss sich nur die ersparten Aufwendungen abziehen lassen. Es ist einerlei, ob dieser Anspruch aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B oder § 326 Abs. 2 BGB resultiert142. 3.3 Mehrleistungen / Veränderung des Bauzieles 3.3.1 Überblick 137 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 170; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 95. Vgl. Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rd 172 mit dem Vorschlag, bei der nächsten Überarbeitung § 2 Nr. 4 VOB/B ersatzlos zu streichen. 139 Leinemann/Schoofs, VOB/B § 2 Rn 81; Nicklisch/Weick, VOB/B § 2 Rn 54; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 95. 140 Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 96 c. 141 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Rn 7. 142 vgl. Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 96 a. 138 58 Es liegt auf der Hand, dass der Auftragnehmer „angeordnete“ Leistungsänderungen nicht ohne Ausgleich hinnehmen muss. Einen allgemeinen Rechtssatz zur Lösung dieser Frage gibt es nicht. Im Einzelfall ist genau zu prüfen, welcher Tatbestand tatsächlich eingreift, zumal die Voraussetzungen dafür unterschiedlich sind. Die folgende Übersicht verdeutlicht die wichtigsten "Anordnungen" des Auftraggebers. Anordnungen des Auftraggebers Änderung des Bauentwurfs, §§ 1 Nr. 3, 2 Nr. 5 Abs. 1 "andere" Anordnungen § 2 Nr. 5 Abs. 2 Forderung nicht vorgesehener Leistung §§ 1 Nr. 4, 2 Nr. 6 Änderung der Preisgrundlage Ankündung durch AN Anspruch auf Vereinbarung Anspruch auf besondere Vergütung Daraus ergeben sich Unterschiede vor allem auch für die Vorgehensweise des Auftragnehmers. Der Auftraggeber kann im Rahmen seiner Befugnisse aus den § 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B in weiten Grenzen Änderungen vornehmen und auch Erweiterungen ("nicht vereinbarte Leistungen") fordern, soweit der Betrieb des Auftragnehmers auf die Erbringung auch dieser Leistungen eingerichtet ist. Der Auftragnehmer muss dann tätig werden. Handelt es sich um zusätzliche Leistungen, hat der Auftragnehmer grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung, wenn er diesen Anspruch zuvor, also vor der Ausführung auch ankündigt. Wird demgegenüber nur die Preisgrundlage verändert, also eine vertragliche Leistung geändert, bestehen keine Ankündigungspflichten des Auftragnehmers, es "soll" dann lediglich eine Vereinbarung vor der Ausführung getroffen werden. 3.3.2 Anordnung/Forderung durch den Auftraggeber § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B setzt eine Bauentwurfsänderung oder eine "andere Anordnung" des Auftraggebers, § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B eine Forderung voraus. In 59 all diesen Fällen ist also eine rechtsgeschäftliche „Weisung“ des Auftraggebers erforderlich, die der Auftragnehmer als verpflichtende Vertragserklärungen auffassen muss143. Nicht erforderlich ist, dass es sich allein um eine einseitige Erklärung des Auftraggebers handelt. Ausreichend kann auch sein, wenn die Weisung die Folge gemeinsamer Beratungen ist, sofern sich der Auftraggeber deren Ergebnis für den Auftragnehmer erkennbar zu Eigen macht144. Aus dem Gesamtverhalten des Auftraggebers muss für den Auftragnehmer nur deutlich werden, dass die vertragliche Leistungspflicht sich verändern soll145. Darauf, ob der Auftraggeber eine Änderung oder Zusatzleistung verlangen will, kommt es nicht an. Selbst wenn er bei der Erklärung gegenteiliges zum Ausdruck bringt, aber deutlich wird, dass die Änderung/Leistung verlangt wird, treten die Rechtsfolgen der §§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B ein146. Liegen diese Voraussetzungen vor, stellt sich aber später heraus, dass durch die Erklärung des Auftraggebers tatsächlich der Vertragsinhalt nicht berührt wurde, die andere Leistung also schon vom ursprünglichen Vertrag umfasst war, entsteht keine Vergütungsverpflichtung147. Etwas anderes gilt, wenn Unklarheit darüber besteht, ob eine Abweichung vorliegt. Wenn die Parteien sich dann auf eine Vergütung einigen, besteht die Vergütungsverpflichtung, weil durch diese Einigung die Unstimmigkeiten einvernehmlich ausgeräumt werden148. Nach einer Auffassung149 soll dies auch dann gelten, wenn bei tatsächlicher Beurteilung eine Leistungsänderung nicht vorliegt. Eine Form für die Erklärung ist nicht vorgeschrieben. Die Änderung/Anordnung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Sonderfall ist die stillschweigende Anordnung. Findet der Auftragnehmer beispielsweise vor Ort eine andere Situation vor, als vertraglich vereinbart und beginnt mit anderen/zusätzlichen Leistungen, ist eine Anordnung/Forderung des Auftraggebers (nur) dann anzunehmen, wenn auch der Auftraggeber diese Umstände kennt und nicht eingreift, obwohl er die tatsächlich geänderte oder Zusatzleistung nicht wünscht 150. 143 BGH BauR 1992, 759; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 110 b. Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 190. 145 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 845 146 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 845. 147 OLG Dresden BauR 1999, 1454. 148 BGH BauR 1995, 237; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 191. 149 Kapellmann/Schiffers, Band II, Rn 1089 unter Hinweis auf BGH BauR 1994 237, 238. 150 Beck´scher VOB/Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Nr. 5 Rn 62; Kapellmann/Schiffers, Band I Rn 872. 144 60 Die Erklärung muss durch den Auftraggeber abgegeben werden. § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B sieht dies ausdrücklich vor. Entsprechendes gilt für § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B151. Der Architekt ist in aller Regel nicht berechtigt, Anordnungen zu treffen, die für den Auftraggeber Vergütungsfolgen auslösen. Etwas anderes gilt für geringfügige Zusatzarbeiten und Notmaßnahmen, solange vergleichbar geringfügige Kosten entstehen152. Unrichtig ist die Auffassung, die originäre Vollmacht berechtige den Architekten bereits uneingeschränkt dazu, Zusatzaufträge in kleinerem Umfang zu erteilen, wobei die Grenze bei 5 % der Auftragssumme je Auftrag und bei 10 % für alle Zusatzaufträge liegen soll153. Eine rechtsgeschäftliche Vollmacht wird dem Architekten allgemein nicht erteilt. Es kann deshalb nur in Ausnahmefällen und bei geringfügigen Leistungen auf eine Vollmacht des Architekten abgestellt werden154. 3.3.3 Die Ankündigung, § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B Bei der Forderung von nicht im Vertrag vorgesehenen Leistungen muss der Auftragnehmer den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt, § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B. 3.3.3.1 Ankündigung als Anspruchsvoraussetzung? Ob die vorherige Ankündigung Anspruchsvoraussetzung ist, ist trotz des klaren Wortlauts streitig. Nach einer Auffassung soll es sich nur um eine vertragliche Nebenpflicht handeln. Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass schon § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B vorsieht, dass der Auftragnehmer einen Anspruch hat. Wenn er den Anspruch aber schon hat, kann die Ankündigungspflicht keine Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs ein. Bei schuldhafter Verletzung der Ankündigungspflicht bestehe deshalb nur ein Schadensersatzanspruch des Auftraggebers aus § 280 BGB155. Die Rechtsprechung und Gegenauffassung in der Literatur hat schon bei den Vorfassungen der VOB/B die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Wortlaut hinreichend klar die Ankündigung als Anspruchsvoraussetzung ergäbe156. Da in Kenntnis des Meinungsstreits der Wortlaut bei der Neufassung der VOB/B nicht 151 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn 5. BGH BauR 1978, 314 ("Zusatzarbeiten für 272,12 DM"); OLG Düsseldorf BauR 2000, 891; OLG Stuttgart BauR 1994, 789. 153 OLG Hamburg IBR 2001, 491 mit Anmerkung von Keldungs. 154 Dazu eingehend: Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn 6. 155 OLG Celle BauR 1982, 381; Beck´scher VOB/Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Nr. 6 Rn 67 f.; Nicklisch/Weick, VOB/B § 2 Rn 71. 156 BGH BauR 1996, 542; BauR 1991, 210; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 198; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 130. 152 61 geändert wurde, ist zukünftig davon auszugehen, dass der Meinungsstreit sich erledigt hat. Die vorherige Ankündigung ist also Anspruchsvoraussetzung157. 3.3.3.2 Form und Zeitpunkt der Ankündigung Eine Form ist für die Ankündigung nicht vorgesehen, so dass diese auch mündlich erfolgen kann. Für den Auftraggeber muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass die Zusatzleistung nicht mit der bisher vereinbarten Vergütung abgegolten ist, wobei es ausreicht, wenn der Auftragnehmer zum Ausdruck bringt, dass die Leistung nicht im Angebot/Vertrag enthalten ist158. Die Ankündigung muss vor Beginn der Leistung ausgebracht werden. Dies bedeutet nicht, dass die Ankündigung zwangsläufig erst nach der Forderung der nicht vorgesehenen Leistung erfolgen kann. Legt der Auftragnehmer beispielsweise über eine solche Leistung dem Auftraggeber ein Angebot vor und fordert dieser danach die Leistung ab, bedarf es einer weiteren Ankündigung des Vergütungsanspruchs nicht159, wenn nicht ohnehin aufgrund der Abforderung der vorher angebotenen Leistung bereits eine Vereinbarung zu sehen ist. 3.3.3.3 Ausnahmen von dem Ankündigungserfordernis Der BGH hat in einer Reihe von Ausnahmefällen die fehlende Ankündigung als im Ergebnis unschädlich behandelt. Dabei hat er auf die Frage abgestellt, ob und gegebenenfalls inwieweit der Auftraggeber schutzbedürftig ist. Diese Frage ist dann zu verneinen, wenn der Auftraggeber von der Entgeltlichkeit der Leistung zumindest ausgehen musste. Entbehrlich ist die Ankündigung auch dann, wenn dem Auftragnehmer nichts übrig blieb, als die Leistung sofort auszuführen. Wenn der Auftragnehmer die Ankündigung ohne Verschulden versäumt hat, soll dies dem Anspruch ebenfalls nicht entgegenstehen160. 3.3.4 Folgen für die Vergütung 3.3.4.1 Vergütungsvereinbarung Bei Änderungen des Bauentwurfs oder anderen Anordnungen des Auftraggebers, die die Grundlagen des Preises für eine vom Vertrag vorgesehene Leistung ändern, ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden. Aus 157 Kritisch zu dieser Sanktion: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 198 f. OLG Düsseldorf BauR 1991, 797; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 130 a. 159 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 910. 160 BGH BauR 1996, 542; BauR 1991, 210; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 131. 158 62 dieser Formulierung ist klar, dass die Vereinbarung jederzeit, also auch nach Beendigung der Leistung getroffen werden kann. Bei der Forderung von im Vertrag nicht vorgesehenen Leistungen ist die besondere Vergütung möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren. Auch daraus ergibt sich die Berechtigung, die Vereinbarung erst später zu treffen. 3.3.4.2 Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers bei Weigerung des Auftraggebers? Es stellt sich die Frage, ob dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, wenn die Vereinbarung nicht vor Beginn der Ausführung zustande kommt, was gleichermaßen für § 2 Abs. 5 und § 2 Abs. 6 VOB/B gilt. Der Auftraggeber ist sicher verpflichtet, an dem Zustandekommen der Vereinbarung mitzuwirken. Aufgrund der Formulierungen "Soll-" bzw. "ist möglichst" vor Beginn der Ausführung ergibt sich, dass keine Verpflichtung des Auftraggebers bestehet, in jedem Falle dazu beizutragen, dass in diesem Stadium, also vor Beginn der Ausführung die Vereinbarung auch zustande kommen. Häufig werden Verlangen nach den § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B Anlass für Streitfälle sei. Hier gilt im Grundsatz, dass Streitfälle den Auftragnehmer nicht berechtigen, die Arbeiten einzustellen, § 18 Abs. 4 VOB/B. Es ist deshalb nicht richtig, anzunehmen, der Auftragnehmer stehe grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn der Auftraggeber sich weigert, vor Beginn der Ausführung der Arbeiten eine Vereinbarung zu treffen161. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Auftraggeber das Vorliegen einer Leistungsänderung überhaupt bestreitet und eine Preisänderung grundsätzlich ablehnt. Dann ist es dem Auftragnehmer nicht zuzumuten (§ 242 BGB) die Werkleistung in Kenntnis der Tatsache, dass er seinen Vergütungsanspruch nur mit gerichtlicher Hilfe wird durchsetzen können, als Vorleistung zu erbringen 162. 161 So aber Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 973 ff. OLG Düsseldorf NZBau 2002, 276, vgl. BGH BauR 2000, 409; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 139 b; Werner/Pastor, Rn 1151. 162 63 64