Erziehung und Unterricht

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Unterrichtskonzept Alltagsleben
Thema: Erziehung und Unterricht
Erziehung und Unterricht
Historischer Überblick
6. – 2. Jh. v. Chr.
2. Jh. v. Chr. bis zu Ende des
römischen Reiches
Altrömische Erziehung
Griechisch beeinflusste
Erziehung
Ohne Schulen
Mit Schulen
1) Die altrömische Erziehung
Der Historiker Tacitus beschreibt uns sehr anschaulich, wie in der „guten, alten Zeit“ die kleinen
Kinder erzogen wurden (Dialogus de oratoribus, 28, 4f.):
ÜT 1: Nam pridem suus cuique filius, ex casta parente natus, non in cellula emptae nutricis, sed gremio ac sinu
matris educabatur, cuius praecipua laus erat tueri domum et inservire liberis. Eligebatur autem maior aliqua natu
propinqua, cuius probatis spectatisque moribus omnis eiusdem familiae suboles committeretur; coram qua neque
dicere fas erat quod turpe dictu, neque facere quod inhonestum factu videretur.
Ac non studia modo curasque, sed remissiones etiam lususque puerorum sanctitate quadam ac verecundia
temperabat. Sic Corneliam Gracchorum, sic Aureliam Caesaris, sic Atiam Augusti matrem praefuisse educationibus
ac produxisse principes liberos accepimus.
suus cuique filius: das leibliche Kind eines jeden parens, -ntis f.: Mutter empta nutrix: bezahlte Amme gremio
et sinu matris: im Schoß und an der Brust seiner Mutter inservire liberis: sich um die Kinder kümmern maior
aliqua natu propinqua: eine ältere Verwandte mores probati spectatique: ihr bewährtes und allgemein
anerkanntes gutes Benehmen committo 3: anvertrauen coram qua: in deren Gegenwart turpe dictu (Supinum):
schändlich zu sagen inhonestum factu (Supinum): unehrenhaft zu tun
remissio, -onis f.: Erholungsphase sanctitas, -atis f.: Anstand verecundia, -ae f.: Würde principes liberi: die
Kinder im Kaiserhaus accipio 3, -cepi, ceptum: h. hören, erfahren
Kommentar:
Cornelia: Die Mutter der Gracchen. Nach dem frühen Tod ihres Gatten Tib. Sempronius
Gracchus widmete sie sich ganz der Erziehung ihrer Kinder. Sie stand in hohem Ansehen und
galt den Römern als Muster einer gebildeten, seelenstarken Römerin.
Aurelia: Caesars Mutter Aurelia unterrichtete ihren Sohn anfangs selbst, dann suchte sie
besonders gute Lehrer für ihn aus.
Attia: Die Mutter des Augustus war eine Nichte Caesars.
Arbeitsaufträge
1. Wer war in den ersten Jahren des Kindes für dessen Erziehung zuständig?
2. Worin besteht für den Historiker Tacitus der größte Unterschied zwischen der Erziehung
im guten, alten Rom und der Erziehung des kaiserlichen Rom?
Erzieher
Altersstufe
Mutter oder ältere Verwandte infans (bis 7 Jahren)
Jungen und Mädchen
Erziehungsstil
Verhalten (in der Familie)
1
Unterrichtskonzept Alltagsleben
Thema: Erziehung und Unterricht
Nach diesem Bericht vollzog sich die frühere Erziehung völlig in der Familie; Kindergärten gab
es nicht. Verantwortlich war in erster Linie die Mutter. Die Mädchen blieben auch, wenn sie
älter geworden waren, in deren Obhut und wurden mit häuslichen Arbeiten, z.B. Wolle spinnen,
beschäftigt. Die Erziehung der Söhne ging dagegen in die Hand des Vaters über. So übernahm
der alte Cato die Verantwortung für die Erziehung seines Sohnes (nach Plutarch, Cato Maior 20):
IT 1: „Er war ein rechter Vater und ein guter Ehemann… Als ihm der Sohn geboren war, gab es außer einer
öffentlichen Betätigung keine so dringende Aufgabe, die ihn hindern konnte, dabei zu sein, wenn seine Frau den
Säugling badete und ihn wickelte. Sie nährte ihn nämlich mit der eigenen Milch… Sobald der Sohn Verstand zeigte,
nahm er ihn selbst vor und brachte ihm Lesen und Schreiben bei… Er hielt es nämlich wie er selbst sagt, nicht für
recht, dass sein Sohn von einem Sklaven gescholten oder am Ohr gezogen würde, wenn er etwas nicht schnell genug
begriff… Nein, er war selbst der Lehrer im Lesen und Schreiben, in der Rechtskunde und im Sport. Er brachte
seinem Sohn nicht nur Speerwerfen, Fechten und Reiten, sondern auch Boxen bei und lehrte ihn Hitze und Kälte zu
ertragen und einen reißenden Fluss zu durchschwimmen. Er schrieb auch, wie er selbst berichtet, mit eigener Hand
und in großen Buchstaben die Geschichte des römischen Volkes auf, damit der Junge zu Hause die Möglichkeit
bekam, die Taten und Sitten der Vorfahren kennen zu lernen und sich an ihrer Kenntnis zu bilden. Vor
unanständigen Reden hütete er sich in Gegenwart des Jungen nicht weniger, als wenn der ehrwürdigen Jungfrauen,
die Vestalinnen, anwesend wären.“
Arbeitsaufträge
1.
2.
3.
4.
Wer übernahm ab dem Knabenalter die Erziehung der Jungen?
Was wäre die Alternative gewesen?
Wieso ist das für Cato keine gute Alternative?
Unterstreiche im Text die „Fächer“, die unterrichtet wurden!
Der alte Cato führte seinen Sohn nicht nur wie alle anderen Väter in das öffentliche Leben ein,
sondern er übernahm auch die Aufgaben eines richtigen Lehrers und brachte seinem Sohn Lesen
und Schreiben bei. In dieser Zeit stellten die reichen Familien für diese Aufgaben auch schon
„Hauslehrer“ ein: gebildete Griechen, seien es Sklaven, Freigelassene oder nach Rom
Zugezogene, die dort ein Auskommen als Lehrer finden wollten.
Erzieher
Altersstufe
Mutter oder ältere Verwandte infans (bis 7 Jahren)
Jungen und Mädchen
Vater oder Hauslehrer
puer (bis zum Anlegen der
toga virilis im Alter von 16
Jahren)
Erziehungsstil
Verhalten (in der Familie)
Verhalten (auch schon in der
Öffentlichkeit)
Lesen, Schreiben
Die Erziehung durch den eigenen Vater war jedoch nicht immer die beste. Der Vater in einer
Familie (pater familias) war der Haushaltsvorstand und somit waren alle Mitglieder des
Haushalts seiner Gewalt unterworfen. Die Söhne bis zur Erklärung ihrer Selbstständigkeit
(emancipatio). Für die Erziehungsmethoden gab es keine gesetzliche Reglementierung.
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Unterrichtskonzept Alltagsleben
Thema: Erziehung und Unterricht
Der folgende Text zeigt, dass nicht alle Menschen damals Freunde der körperlichen Züchtigung
waren (C. Plinius, Epistulae IX, 12):
ÜT 2:
C. PLINIUS IUNIORI SUO S.
1 Castigabat quidam filium suum quod paulo sumptuosius equos et canes emeret. Huic ego iuvene digresso: „Heus
tu, numquamne fecisti, quod a patre corripi posset? Fecisti dico. Non interdum facis quod filius tuus, si repente pater
ille tu filius, pari gravitate reprehendat? Non omnes homines aliquo errore ducuntur? Non hic in illo sibi, in hoc
alius indulget?”
2 Haec tibi admonitus immodicae severitatis exemplo, pro amore mutuo scripsi, ne quando tu quoque filium tuum
acerbius duriusque tractares. Cogita et illum puerum esse et te fuisse, atque ita hoc quod es pater, utere, ut
memineris et hominem esse te et hominis patrem. Vale.
1 castigo 1: zurechtweisen, tadeln paulo: ein wenig sumptuosus 3: kostspielig, teuer huic: erg. dixi digredior
3M, -gressus sum: weggehen heus: höre, Achtung, aufgepasst corripio 3M: h. tadeln, schelten pater ille: erg. fiat
gravitas, -atis f.: Schwere, h. Nachdruck, Härte in illo – in hoc: in jener – in dieser Angelegenheit sibi indulgere:
sich gehen lassen
2 admoneo 2, -ui, -itum: warnen, belehren acerbus 3: streng, hart tracto 1: behandeln te fuisse: erg. puerum hoc,
quod es pater: die Tatsache, dass du der Vater bist, deine väterliche Gewalt utere (Imperativ sg. des Dep.):
gebrauche, setze ein
Arbeitsaufträge
1. Unterstreiche im Text alle Wörter, die auf die Strenge des Vaters hinweisen!
2. Wie begründet Plinius seine Forderung nach Verständnis und Nachsicht gegenüber
jungen Menschen?
3. Teilst du Plinius Auffassung? Begründe deine Antwort!
Im Laufe des 2. Jh. v. Chr. bewirkte griechischer Einfluss allerdings, dass neben diese
Privatlehrer ein öffentlicher Unterricht in Schulen trat. Öffentlich besagt aber keinesfalls, dass es
sich um staatliche Schulen handelte, sondern lediglich, dass jeder zum Lehren befähigte Mann
eine Schule gründen und dass jedes Kind eine Schule besuchen konnte, wenn seine Eltern
finanziell in der Lage waren, das Schulgeld aufzubringen. Der Staat kümmerte sich im
Allgemeinen nicht um das Schulwesen, und zu keiner Zeit gab es in Rom eine Schulpflicht.
2. Das römische Schulsystem
2.1 Elementarschule (ludus)
Der Unterricht begann vor Sonnenaufgang und dauerte
(mit Mittagspause) bis zum späten Nachmittag. Da der
Staat keine Schulgebäude zur Verfügung stellte, wurde
in Ladenlokalen und Bretterbuden (tabernae), in
Säulenhallen, an Straßenkreuzungen (trivium) oder auf
öffentlichen Plätzen unterrichtet. Schulbänke gab es
keine. Die Kinder saßen in Gruppen von 20-30 auf
kleinen Schemeln und mussten ihre Schreibtafeln auf
den Knien halten.
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Thema: Erziehung und Unterricht
Der folgende Textausschnitt schildert einen typischen Schultag (Hermeneumata Pseudositheana,
Colloquia Monachensia III, 2):
IT 2:
Ante lucem vigilavi de somno; surrexi de lecto, sedi, accepi pedules, caligas; calciavi me; poposci aquam
ad faciem; lavo primo manus, deinde faciem lavi; extersi; deposui dormitoriam; accepi tunicam ad corpus; praecinxi
me; unxi caput meum et pectinavi; feci circa collum pallam; indui me superariam albam; supra induo paenulam;
processi de cubiculo cum paedagogo et cum nutrice salutare patrem et matrem; ambos salutavi et osculatus sum; et
sic descendi de domo.
vigilio 1: aufwachen sideo 2, sedi, sessum: sich setzen accepi: (von einem Sklaven) bekommen pedules,-ium m.:
Schuhe caligas: Apposition, erklärt pedules: nämlich Stiefel calcio 1: Schuhe anziehen extergeo 2, -tersi, tersum:
abwischen, abtrocknen dormitoria, erg. vestis: Schlafhemd praecingo 3, -cinxi, -cinctum: den Gürtel umbinden
unguo 3, unxi, unctum: salben pectino 1: kämmen collum, -i n.: Hals palla, -ae f.: Überwurf, Umhang se aliquid
induere: sich etw. anziehen superaria, -ae f.: Stola albus 3: weiß paenula, -ae f.: Mantel ambo (acc. m. ambos):
beide osculor 1: küssen
Eo in scholam; introivi, dixi: «Ave magister», et ipse me osculatus est et resalutavit. Porrexit mihi puer meus
scriniarius tabulas, thecam graphiariam, praeductorium. Loco meo sedeos deleo. Praeduco ad praescriptum; ut
scripsi, ostendo magistro; emendavit, induxit; iubet me legere. Iussus alio dedi. Edisco interpretamenta, reddidi. Sed
statim dictavit mihi condiscipulus. Et tu, inquit, dicta mihi. dixi ei: Redde primo. et dixit mihi: Non vidisti, cum
redderem prior te? et dixi: Mentiris, non reddidisti. Non mentior. Si verum dicis, dicto. inter haec iussu magistri
surgunt pusilli ad subductum et syllabas praebuit eis unus de maioribus, alii ad subdoctorem ordine reddunt, nomina
scribunt, versus scripserunt, et ego in prima classe dictatum excepi. deinde ut sedimus, pertranseo commentaria,
linguas, artem. clamatus ad lectionem audio expositiones, sensus, personas. interrogatus artificia respondi. Ad quem,
dixit. Quae pars orationis? Declinavi genera nominum, partivi versum. ut haec egimus, dimisit ad prandium.
dimissus venio domi. Muto, accipio panem candidum, olivas, caseum, caricas, nuces. bibo aquam frigidam. Pransus
revertor iterum in scholam. invenio magistrum perlegentem, et dixit: Incipite ab initio
introeo, -ire, -ii od. –ivi, -itum: eintreten porrigo 3, -rexi, -rectum: (dar)reichen puer scriniarius:
Schultaschenträger; Sklave, der die Schultasche trug theca graphiaria: das Pennal; lederne Hülle für die
Schreibgriffel praeductorium, -i n.: Schreibvorlage deleo 2: löschen praeduco 3: Linien oder Buchstaben
nachschreiben praescribo 3, -scripsi, -scriptum: vorzeichnen, vorgeben. induco 3, -duxi, -ductum: Geschriebenes
in den Wachstafeln ausstreichen edisco 3: auswendig lernen interpretamentum, -i n.: Übersetzung; vom
Lateinischen in Griechische und umgekehrt reddo 3, -didi, -ditum: wiedergeben, aufsagen dicto 1: vorsagen,
aufsagen pusillus 3: sehr klein, jung subductum, -i n.: Grundbegriffe; das „ABC“ syllaba, -ae f.: Silbe, Alphabet
subdoctor, -doctoris m.: Unterlehrer, Hilfslehrer ordine reddere: der Reihe nach aufsagen classis, -is f.: Klasse
dictatum excipere: die Lektion abhören pertranseo, -ire, -ii od. –ivi: geistig durchgehen commentarium, -i n.:
Interpretation lingua, -ae f.: Aussprache ars, artis f.: Grammatik lectio, -onis f.: Lektion expositio, -onis f.:
Aufbau sensus, -us m.: Gedanken, Inhalt artificium, -i n.: kunstvoller Aufbau declino 1: deklinieren, beugen
nomen, -inis n.: Nomen, Substantiv partio 4, partivi, partitum: einteilen, gliedern muto 1: sich umziehen carica, ae f.: die Feige pransus 3: nach dem Frühstück
Arbeitsaufträge
1. Was ist aus diesem Text über das Familienleben in einer wohlhabenden Familie zu
erfahren, wer kümmert sich um den Sohn? Wie weit reicht die Betreuung?
2. Wie wird das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler dargestellt?
3. Welche Aufgaben werden dem Schüler gestellt?
4. Welche Vor- und Nachteile zu einem heutigen Schulbetrieb sind deiner Meinung nach
feststellbar?
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Thema: Erziehung und Unterricht
Im Elementarunterricht wurden durch einen „litterator“ (= Buchstabenlehrer oder auch magister
ludi genannt) die Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt. Man bediente
sich einfacher Unterrichtsmethoden wie Vorlesen Vorschreiben durch den Lehrer, seitenlanges
Abschreiben von Buchstaben, Silben, Wörtern und Sätzen durch die SchülerInnen. Wenn die
kleinen ABC-Schützen einen neuen Buchstaben beherrschten, erhielten sie bei freundlichen
Lehrern diesem Schriftzeichen nachgeformtes Gebäck. Aber meistens ging es in der
Elementarschule sehr streng zu.
Wie streng es in der Schule oft zuging und welches geringe Ansehen ein Elementarlehrer besaß,
schildert der Dichter Martial (9,68); ein erboster Nachbar äußert so seinen Ärger über den Lärm
nebenan:
ÜT 3:
Quid tibi nobiscum est, ludi scelerate magister,
invisum pueris virginibusque caput?
nondum cristati rupere silentia galli:
murmure iam saevo verberibusque tonas.
tam grave percussis incudibus aera resultant,
5
causidicum medio cum faber aptat equo:
mitior in magno clamor furit amphitheatro,
vincenti parmae cum sua turba favet.
vicini somnum - non tota nocte - rogamus:
nam vigilare leve est, pervigilare grave est. 10
discipulos dimitte tuos. Vis, garrule, quantum
accipis ut clames, accipere ut taceas?
1 ludus, -i m.: (Grund-) Schule invisus +
dat.: verhasst bei
cristatus 3: mit
hochragendem Kamm rupere = ruperunt
gallus, -i m.: Hahn murmur, -uris n.:
Grummeln, Schimpfen verbera, -um n.:
Prügel tono 1: donnern, lärmen
5 gravis, -e: h. laut percutio 3M, -cussi,
-cussum: schlagen
incus, -udis f.:
Amboss resulto 1: erschallen causidicus,
-i m.: Rechtsanwalt faber, -i m.: Schmied
medio equo: in der Mitte des Pferdes =
auf dem Rücken mitis, -e: sanft, leise
furio 3M, -is, -ere: toben parma, -ae f.
(pars pro toto): Schild, h. Gladiator faveo
2: zujubeln
10 vigilio 1: wachen pervigilio 1, erg.
per
totam
noctem:
durchwachen
garrulus, -i m.: Schwätzer quantum:
ebensoviel (Geld) wie
Arbeitsaufträge
1. Welche Eigenschaften scheint Martials Nachbar zu haben?
2. Woran wird deutlich, dass er wohl nicht zum Erzieher geboren war?
Dass die oben beschriebene Situation kein Einzelfall war, wissen wir auch von diversen
Inschriften:
Inschrift aus einem Raum am Palatin in Rom, der offensichtlich als Schulraum genutzt wurde
Inschriften in der Villa Ahrweiler
Arbeitsaufträge
1. Versuche die Inschriften zu entziffern!
2. Was kannst du herauslesen?
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Unterrichtskonzept Alltagsleben
Schulart
Elementarschule (ludus)
Lehrer
litterator
primus magister
magister ludi
Thema: Erziehung und Unterricht
Alter
7-12
Lerngegenstände
Lesen und Schreiben
2.1.1 Antike Schreibmaterialien
Die Griechen hatten das Alphabeth, mit dem einzelne Laute darstellbar waren, von den
Phöniziern übernommen. Damit waren sie über die Schriftform der Hieroglyphen, der
babylonischen Keilschrift und der frühgriechischen Schriften Linear A und B hinausgelangt.
Ägypten lieferte das Schreibmaterial, den Papyrus.
Die Papyrus-Stauden, die im Nildelta wuchsen, wurden geschnitten,
das klebrige Mark der Stängel in Streifen zerteilt. Dann legte man
die Markstreifen nebeneinander und eine zweite Lage rechtwinkelig
dazu darüber. Beide Lagen wurden gepresst und getrocknet.
So gewann man ein flexibles und
hellgrundiges Schreibmaterial, auf
dem mit Tinte (atramentum) und
Pinsel oder Rohrfeder (calamus)
geschrieben wurde. Die Tinte bewahrte man in Tintenfässern
(melanocheion - atramentarium) auf, die aus Bronze oder Ton
gefertigt waren und konnte mit einem Schwamm (spongia)
wieder gelöscht werden.
Die Blätter wurden aneinander geklebt, so dass Rollen (bis
40 m Länge) entstanden.
Beim Lesen musste man also mit
beiden Händen die Rolle halten und
durch Ein- bzw. Ausrollen (volvere)
wurde die nächste Textspalte
sichtbar.
In gerollter Form wurden die Papyri in Regalen abgelegt oder in
einem Behälter (scrinium Schachtel vgl. dt. Schrein) aufbewahrt, der
wie ein Papierkorb aussah.
Für einfache Mitteilungen des Alltags und kurzfristige
Notizen verwendete man in römischer Zeit gerne
Wachstäfelchen (tabulae ceratae). Dabei handelt es sich
um hölzerne Tafeln von 10-20 cm Breite und 6-15 cm
Höhe,
mit
einer
etwas
vertieften
Mitte
in
der
Holzfläche, in die eine
Wachsauflage
eingegossen
wurde. Mit einem spitzen
Griffel (stilus) konnte man die
Buchstaben in das Wachs ritzen, mit dem breiten Ende des stilus
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Thema: Erziehung und Unterricht
das Wachs wieder glätten und so die Wörter tilgen (stilum vertere – „den Griffel wenden“,
also „ausradieren“). Wie heute auch gab es verschiedene Qualitäten und Materialien; vom
vergoldeten oder silbernen Metallgriffel bis zum einfachen Eisenstilus, vom fein verzierten
Elfenbeinstift bis zum Knochengriffel war alles vertreten.
In spätantiker Zeit trat als Schreibmaterial das Pergament weitgehend an die Stelle des
Papyrus. Die fein gegerbte und geschabte Tierhaut war haltbarer als die Pflanzenfaser. Im
Mittelalter war es das bevorzugte Material.
2.2 Sprach- und Literaturschule
In der zweiten Ausbildungsstufe (sofern die Eltern es sich leisten konnten) erteilte ein
„grammaticus“ Sprach- und Literaturunterricht an Hand von griechischen und lateinischen
Autoren, wobei an den Texten ausgiebige Interpretationsarbeit geleistet wurde. Vielfältige
Kenntnisse wurden auch in Geographie, Geschichte, Physik und Astronomie vermittelt.
Unterrichtsgegenstände
Griechische Klassiker
Lateinische Klassiker
Schriftliche Stilübungen
als Vorbereitung für die
Rednerausbildung
Unterrichtsschritte
Unterrichtsinhalte
Homer (auch in der lat. Übersetzung des Livius Andronicus)
die Tragiker
der Komödiendichter Menander
Vergil
Terenz
Sallust
Cicero
Nacherzählungen von Fabeln, mythischen Begebenheiten
Wiedergabe von Erzählungen
Inhaltsangaben literarischer Werke
Vorlesen und Einzelerklärungen durch den Lehrer
Lesen
Auswendiglernen
Rezitieren
Textbeurteilung
Das folgende Beispiel aus der Vergillektüre soll die Methode eines Grammatikers illustrieren
(Grammatici Latini 3,461 §10). Der erste Vers der Aeneis lautet:
Arma virumque cano Troiae qui primus ab orbis…
Die Waffen und den Mann besinge ich, der als erster von den Gestaden Trojas…
Zu diesem ersten Vers, dessen Relativsatz nicht einmal vollständig wiedergegeben ist, werden dann sehr
kurzschrittige Fragen gestellt, zuerst zur Metrik, dann die folgenden:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
Wie viele Wörter hat der Vers?
Neun.
Wie viele Nomina?
Sechs: arma, virum, Troiae, qui, primus, oris.
Wie viele Verben?
Eines: cano.
Wie viele Präpositionen?
Eine: ab.
Wie viele Konjunktionen?
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- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
- Magister:
- Discipulus:
Thema: Erziehung und Unterricht
Eine: -que
Untersuche die Worte der Reihe nach. Nehmen wir arma: Was ist das für eine Wortart?
Ein Substantiv.
In was für einem Kasus?
Akkusativ.
Was für eine Funktion des Akkusativs?
Ein Objektsakkusativ.
Was für ein Genus hat arma?
Neutrum.
Wieso?
Alle Substantive, die im Plural die Endung -a haben, sind Neutra.
Weswegen existiert arma nicht im Singular?
Weil arma viele verschiedene Dinge bezeichnet, etc.…
Schulart
Elementarschule (ludus)
Sprach- und Literaturschule
(höhere Schule)
Lehrer
litterator
primus magister
magister ludi
grammaticus
Alter
7-12
Lerngegenstände
Lesen und Schreiben
12-16
Grammatik
Lektüre der griechischen
und lateinischen Klassiker
Sog. Neumagener Schulrelief, Schulszene von
einem Pfeilergrabmal aus Neumagen, griechischer
Grammatiklehrer (Privatunterricht) zwischen zwei
Schülern mit Schriftrollen; ein jüngeres Kind tritt
hinzu mit dem Schreibtäfelchen
(Elementarunterricht); der Grabbesitzer zeigte auf
dem Grabmal, dass er sich für seine Kinder
häuslichen Unterricht leisten konnte.
2. Jh. n. Chr. (Trier, Rheinisches Landesmuseum)
2.3 Redeschule
Der Unterricht des „rhetor Latinus“ (Redelehrer) hatte – ganz
nach griechischem Vorbild – die Beherrschung der Redekunst
zum Gegenstand. Zunächst wurden die vielfältigen Regeln,
Techniken und Vorschriften gelernt, deren Anwendung dann in
Form von schriftlichen und mündlichen Übungen trainiert wurde.
Dazu mussten die Schüler über ein vom Lehrer gestelltes Thema
eine Rede aufsetzen, auswendig lernen und öffentlich vortragen.
Der Rhetor nahm einen sozial höheren Rang ein als der Lehrer der
unteren Schulstufen; er wurde auch besser bezahlt. In den ersten
Jahrhunderten wirkten die Rhetoren als Privatlehrer, doch in der
Kaiserzeit kam es auch zu städtischer oder staatlicher Besoldung.
Rednerschulen existierten nicht nur in Rom, sondern in allen
größeren Städten des Reiches. Berühmt waren die Schulen in Athen (für seine Philosophie)
und in Beirut (für seine Rechtswissenschaft). Viele junge Römer – so z.B. Cicero (Bild) –
studierten in Athen. Junge Leute aus kleineren Städten, in denen es keine Hochschule gab,
mussten – wie die meisten Studenten heute auch – auswärts studieren.
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Unterrichtskonzept Alltagsleben
Thema: Erziehung und Unterricht
Die Menge der jungen Leute senatorischen Standes ging dann über den Waffendienst in die
Politik; für das Fortkommen dort waren Fähigkeiten entscheidend, die nicht in der Schule
erlernbar sind.
Schulart
Elementarschule (ludus)
Sprach- und Literaturschule
(höhere Schule)
Hochschule
Lehrer
litterator
primus magister
magister ludi
grammaticus
Alter
7-12
Lerngegenstände
Lesen und Schreiben
12-16
rhetor
ab 16
Grammatik
Lektüre der griechischen
und lateinischen Klassiker
Die Kunst der Rede
Der nordafrikanische Schriftsteller Apuleius fasste einmal den ganzen römischen
Bildungsweg und seine Ziele in folgenden Worten zusammen:
Der litterator […] macht den Anfang und bearbeitet den Rohzustand unseres Geistes. Dann kommt der
grammaticus, der uns mit vielerlei Wissen schmückt, und schließlich der rhetor, von dem wir die Waffe der
Beredsamkeit empfangen.
Arbeitsaufträge
1. Vergleiche das Schulsystem von damals mit dem heutigen. Was hat sich verändert?
Was war besser? Was war schlechter?
2. Wo würdest du lieber zur Schule gehen?
3. Welcher Schultyp findest du am interessantesten?
Verwendete Literatur:
Alltag im antiken Rom (2008): Von Arbeitsteilung bis Zirkusspiel, hg. von Müller, Werner, Lachawitz, Günter,
Oswald, Renate, Pietsch, Wolfgang, Wien 2008.
Alltag im antiken Rom (2008): Von Arbeitsteilung bis Zirkusspiel. Imagines. Gestalten und Persönlichkeiten aus
Geschichte, Mythos und Legende, hg. von Müller, Werner, Lachawitz, Günter, Oswald, Renate, Pietsch,
Wolfgang, Wien 2008.
Felix (2001): Das Sachbuch, hg. von Westphalen, Klaus, Utz, Clement, Nickel, Rainer, Bamberg 2001.
Latein in unserer Welt (1992): Streiflichter aus der römischen Kaiserzeit. Tacitus und Plinius, hg. von
Hadamovsky, Wilhelm, Nowotny, Ernst, Wien 1992.
Medias in Res (2009): Latein für den Anfängerunterricht, hg. von Hissek, Oliver, Kautzky, Wolfram, Linz 2009.
Res Romanae (2000): Begleitbuch für die lateinische Lektüre, hg. von Krefeld, Heinrich, Berlin 2000.
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