GK Psychologische Diagnostik B Gruppe Prof. Laireiter Wintersemester 2006/07 Gutachten zur Feststellung der körperlichen und seelischen Konstitution hinsichtlich Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nach einschneidendem Life Event Persönlichkeitsdiagnostik und berufliche Neuorientierung Männlicher Proband: 48 Jahre Testauswertung und Bearbeitung am 27. und 28.5.2007 von Brigitte Toman Matr.Nr.: 0320443 Inhaltsverzeichnis - Seite 2 - 1. Einleitung Im Rahmen der Übung zur Persönlichkeitsdiagnostik (B) wurde die Erstellung eines persönlichkeitsdiagnostischen Gutachtens gefordert. Anfangs hatte ich Probleme, eine geeignete Versuchsperson zu finden, die ohne Hemmungen an dieses Thema herangehen kann. Schließlich fand sich ein Bewohner des Hauses, in dem ich lebe, der sich zur Zeit gerade in einer persönlichen sowie beruflichen Umbruchkrise bzw. Neuorientierungsphase befindet und von daher großes Interesse an einer derartigen Fragestellung zeigte. Bei Hrn. K. handelt es sich um einen sehr guten Bekannten von mir. Der anfangs lose Kontakt zu ihm über meinen Hund verdichtete sich in den letzten Wochen zunehmend und wir führten im Laufe des letzten Monats intensive und lange Gespräche. Da Hr. K. sich bis Mitte April für insgesamt 10 Monate wegen eines Betrugsdelikts und Beamtenbeleidigung (Beschimpfung des Richters) in Haft befand, muss er sich derzeit wieder vollkommen neu in den Alltag integrieren und eine neue Arbeitsstelle finden. Bisher ausgeführte Tätigkeiten kommen aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Frage und daher muss sich Hr. K. auch in diesem Bereich neu orientieren. Erzählungen seinerseits über diverse unerklärliche körperliche Beschwerden, für die keine medizinische Diagnose gestellt werden konnten, führten mich zu dem Verdacht auf psychosomatische Symptombildungen. Im Gespräch wirkt Hr. K. äußerlich locker und gelassen, äußert jedoch, dass die Zeit in Haft „schon sehr an ihm nage“ und ihn sehr beschäftigt, aber dass er wisse, dass er sich das selbst eingebrockt habe. Aus diesem Grunde hielt ich es für angebracht, sowohl den körperlichen als auch den psychischen Zustand von Hrn. K. zusätzlich zu den Berufsinteressen und der Leistungsmotivation abzuklären. 2. Übersetzung der Fragestellung des Probanden in eine psychologisch-diagnostische Fragestellung a) Abklärung des psychischen und körperlichen Zustandes von Hrn. K. hinsichtlich der Fähigkeit zur Berufsausübung - Seite 3 - b) Abklärung, inwieweit die Zeit in Haft psychisch verarbeitet wurde bzw. sich auf die zukünftige Berufstätigkeit auf psychischer Ebene auswirken könnte c) Berufsneuorientierung : Abklärung der beruflichen Interessen d) Abklärung der Leistungsmotivation 3. Planung der Untersuchung Ausgewählte Testverfahren zur Erfassung des psychischen und körperlichen Zustandes, der Berufsinteressen und der Leistungsmotivation: Zur Erfassung der Persönlichkeitsstruktur in Kombination mit körperlichen Symptomen und zur Abschätzung des derzeitigen emotionalen Zustandes des Probanden erschien mir der FPI-R als grobes Screeninginstrument am sinnvollsten, da er sowohl körperliche Symptome als auch emotionale Symptome erfasst und zusätzlich noch eine Reihe weiterer wichtiger Persönlichkeitsmerkmale einschließlich einer Kontrollskala (soziale Erwünschtheit). Als Ergänzung zum FPI-R hinsichtlich körperlicher und psychischer Symptome und als Kontrollinstrument wurde der KÖPS eingesetzt. Zur Erfassung der Berufsinteressen wurde das EXPLORIX verwendet. Da hinsichtlich einer zukünftigen Berufsausübung auch die Leistungsmotivation von wesentlicher Bedeutung ist, habe ich mich für die Verwendung des LMI entschieden, da auch in diesem Verfahren zusätzliche Persönlichkeitsmerkmale erfasst werden, die einen Hinweis darauf geben können, welche Berufstätigkeiten den berufsrelevanten Persönlichkeitsstrukturen des Probanden entgegenkommen. 3.1. Terminvereinbarungen Das Erstgespräch wurde für Freitag, den 18.5.2007, 20.00 Uhr festgesetzt. Aufgrund der erhaltenen anamnestischen Daten stellte ich in den folgenden 2 Tagen die Untersuchungsinstrumente zusammen. Der Proband hatte danach von Montag, 21.5. bis Freitag, 25.5.2007 Zeit, alle vier Fragebögen auszufüllen und mir zurückzugeben. - Seite 4 - Das Abschlussgespräch zur Besprechung der Ergebnisse wurde für Samstag, 26.5.2007, 19.00 Uhr festgelegt. 4. Durchführung der psychologischen Untersuchung 4.1. Setting Das Erstgespräch fand am Freitag, dem 18.5.2007 von 20.00 bis ca. 21.00 Uhr in der Wohnung des Probanden statt. Die Fragebögen wurden vom Probanden selbst ohne meine Anwesenheit im Laufe der darauffolgenden Woche ausgefüllt. Das Abschlussgespräch fand am Sonntag, 27.5.2007 von 19:30 bis ca. 20.30 Uhr, ebenfalls in der Wohnung des Probanden statt. 4.2. Erstgespräch Beim Erstgespräch klärte ich den Probanden nochmals über Zweck und Ablauf dieser Arbeit auf und dass das aus den Fragebogendaten erstellte Gutachten anonymisiert an meinen Professor weitergeleitet wird. Weiters sicherte ich dem Probanden zu, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung keinesfalls an Dritte (Bekannte, usw.) weitergegeben wird. Zur Absicherung für mich fragte ich Hrn. K., wie es ihm bei der Vorstellung ergehe, dass ich dann doch recht persönliche Daten über ihn besitze und ob er sich in dieser Hinsicht in der Lage fühle, die Fragebögen wirklich ehrlich auszufüllen. Darauf antwortete Hr. K., dass er zu mir Vertrauen habe und kein Problem damit habe, dass ich über diese Dinge dann Bescheid weiß, da wir in letzter Zeit ohnehin schon mehrere Gespräche geführt hatten. Sein anfängliches Misstrauen gegen Psychologen und psychologische Tests habe sich durch unsere Gespräche (Erläuterung der Unterschiede standardisierte Fragebögen vs. früher einmal bei ihm durchgeführten Rorschachtest) vermindert und mittlerweile würden ihn die Ergebnisse persönlich ebenfalls sehr interessieren. Vor der Anamnese besprach ich mit Hrn. K., dass ich nur die Daten des folgenden Anamnesegespräches für dieses Gutachten heranziehen würde und keine früher oder später erhaltene persönliche Informationen einfließen lassen würde. Von daher von mir genau mitgeteilt, wann das Anamnesegespräch beginnt und wann es zu Ende ist. - Seite 5 - 4.3. Exploration und biographische Anamnese 4.3.1. Allgemeine Daten Hr. H.K. wurde am 15.2.1958 in Innsbruck als 7. und letztes Kind geboren. Sein leiblicher Vater, selbstständiger Gärtner, war zu diesem Zeitpunkt bereits 70 Jahre alt. Die leibliche Mutter, 46 Jahre und Angestellte beim Vater, starb bei der Geburt von Hrn. H.K. Da sich der Vater nicht in der Lage sah, die sieben Kinder zu versorgen, wurden alle Kinder in staatliche Obhut gegeben. Hr. K. selbst kam bereits als Baby in ein SOS Kinderdorf in Oberösterreich und wuchs dort gemeinsam mit 7-8 anderen Kindern bis zu seinem 19.Lebensjahr auf. Von daher besteht kein Kontakt zur leiblichen Familie, da Hr. K. auch nichts über den Verbleib von vier von seinen leiblichen Geschwistern wissen. Von zweien wisse er, was sie heute machen, habe aber keinen Kontakt zu ihnen. Die SOS Mutter, bei der Hr.K. die ganzen 19 Jahre über aufgewachsen ist, ist heute in Pension und lebt nach wie vor in Oberösterreich. Für Hrn. K. sei dies seine „richtige Mutter“ und er habe heute noch einen guten und regelmäßigen Kontakt zu ihr. 4.3.2. Schulische und berufliche Entwicklung: Hr. K. besuchte die Volksschule und die Hauptschule in Oberösterreich. Mit 15 Jahren begann er eine dreijährige Lehre als Fotograf, nachdem er mit 14 Jahren einen Fotowettbewerb gewonnen hatte. Diese Lehre schloss er 19 Jahren ab. Während dieser Zeit lebte er in einem Jugendwohnhaus, welches ebenfalls zum SOS-Kinderdorf gehörte. Die Wochenenden verbrachte er bei seiner Familie im SOS-Kinderdorf. Mit 19 Jahren zog er in eine eigene Wohnung und war die nächsten 8 Jahre als Fotograf in seinem ehemaligen Lehrbetrieb tätig. Diese ging dann aufgrund der sich weiter entwickelnden Technologien in Konkurs und Hr.K. zog im Alter von 27 Jahren nach Gmunden. Dort besuchte er einen 8monatigen Abendkurs für Bootsbau (Elektroboote, Ruderboote) und war dann 7 Jahre als Bootsbauer tätig, bis die Firma in Konkurs ging. - Seite 6 - In Salzburg war Hr.K. seit 1992 dann 10 Jahre als Luftbildfotograph tätig, bis auch diese Firma in Konkurs ging. Danach arbeitete er 2 Jahre als Securityfahrer (Geldtransporte) und absolvierte während dieser Zeit eine Ausbildung zur Wartung von Navigationssystemen, welche etwa 9 Monate dauerte. 2004 begann Herr K. im Bereich der Helikopterwartung am Flughafen zu arbeiten. Im Juni 2006 wurde Hr. K. wegen eines Betrugsdeliktes, das er gemeinsam mit zwei Arbeitskollegen begangen hatte, und wegen zusätzlicher Beamtenbeleidigung – er beschimpfte während der Verhandlung den Richter – zu 10 Monaten Haft verurteilt Dort wurde er erst in der Küche eingesetzt und im Anschluss wegen besonders guter Führung im Wachzimmer. Auch berichtet Hr.K. dass er lediglich eine Woche in einer 6erZelle verbracht habe und danach „gottseidank“ eine Einzelzelle bekommen habe. Hr. K. hatte bisher in seinem gesamten Leben noch keine Vorstrafen und wurde im Alter von 47 Jahren zum ersten Mal straffällig. Über seine Zeit in Haft meint Hr.K., er wolle gar nicht darüber nachdenken, obwohl es ihm doch ständig im Kopf herumschwirre. Im April 2007 wurde er aus der Haft entlassen und befindet sich seitdem auf Arbeitssuche. Dabei ist er sehr motiviert und gibt an, er möchte unbedingt so bald wie möglich wieder arbeiten. Nach der Frage nach seiner bisher liebsten beruflichen Tätigkeit gab Hr. K. an, am meisten Spaß hätte ihm die Arbeit als Luftbildfotograf gemacht. 4.3.3. Private Entwicklung 1985 lernte er seine zukünftige Frau in Salzburg kennen. Nach sieben Jahren Lebensgemeinschaft fand 1992 die Hochzeit statt und Hr.K. zog mit seiner Frau nach Salzburg. Aus dieser Ehe stammen zwei Söhne (geboren 1992 und 1994). Die Ehe wurde 1994 wieder geschieden und seine geschiedene Frau zog mit den Söhnen in einen kleineren Ort in der Nähe von Salzburg. Hr.K. meint, er wisse gar nicht so genau, wo sie jetzt wohnen. Zu den Söhnen habe er das erste Mal letztes Jahr (2006) wieder Kontakt gehabt anlässlich eines Fußballspieles, nach welchem er sich mit den beiden in einem Cafe traf. Seitdem - Seite 7 - besteht wieder kein Kontakt mehr, aber er denke sehr viel an sie. Leider habe er damals das Besuchsrecht nicht in Anspruch genommen oder „es ist etwas dazwischengekommen“ und daher konnte auch kein richtiger Kontakt zu seinen Söhnen aufgebaut werden. Der Proband berichtet, dass er seit der Scheidung keine längerfristige feste Beziehung mehr hatte. 4.3.4. Psychische Entwicklung Der Proband berichtet über keine schulischen Probleme. Er habe sich immer gut mit seinen Mitschülern verstanden, fühlte sich in der Klasse gut integriert und habe durchschnittliche Noten erzielt. Seine Lieblingsfächer wären Mathematik und Physik gewesen. Dem Proband seien keine psychischen Auffälligkeiten aus seiner Kindheit bekannt. Aber er berichtet, dass er bis zum Alter von 12 Jahren Bettnässer gewesen sei und daher auch in psychologischer Betreuung gewesen sei, jedoch habe keine Ursache gefunden werden können. Laut Hrn. K. hörte das Bettnässen von einem Tag auf den anderen auf. Als Kindheitshobbies gab Hr. K. an, dass er am liebsten mit seinem Mikroskop gearbeitet habe und alles genau unter die Lupe genommen hätte. Berufswunsch wäre immer Lokführer gewesen („aber das wollten damals alle Burschen werden“) Seine heutigen Hobbies wären Drachen fliegen, kochen und backen und Wasserschifahren (derzeit jedoch finanziell nicht möglich). 4.3.5. Körperliche Entwicklung und Beeinträchtigungen: Während der Kindheit keine schweren Erkrankungen. 1992: 1 Woche Koma nach Absturz mit dem Drachen; Ohrhammer zertrümmert, wurde durch „Plastikteil“ (?) ersetzt, 2 Rippenbrüche, gebrochenes Handgelenk 1993: Operation von 4 Magengeschwüren nach bereits länger bestehenden starken Schmerzen. - Seite 8 - 2004: Schmerzen in der Brust/Herzgegend – Bewusstlosigkeit; Ursache konnte lt. Hrn. K. nicht eindeutig gefunden werden. Es wurde vorsorglich eine Angiographie durchgeführt, seitdem keine Beschwerden mehr. 2006 während Inhaftierung: Kopfverletzung, die genäht werden musste Bewusstlosigkeit mit anschließendem Taubheitsgefühl im linken Bein; auch hier konnte keine organische Ursache gefunden werden. Bei einem Schlaganfall hätte die gesamte linke Seite taub sein müssen. Behandlung mit Elektrostimulation. Derzeit berichtet der Proband über starke stechende Schmerzen im linken Fuß von den Zehen bis zum Kniegelenk aufwärtsziehend, welche ihn beim Gehen stark behindern. Eine diesbezügliche Untersuchung wurde angeordnet, Hr. K. hat jedoch den vereinbarten Termin beim Orthopäden nicht wahrgenommen. Weiters berichtet Hr.K. über Übelkeit, Schwindelgefühle, Durchschlafprobleme und häufiges Herzjagen oder –stolpern. Hr. K. berichtet, dass derzeit eine Gesundheits-Vorsorgeuntersuchung am Laufen sei, welche noch nicht komplett abgeschlossen sei. Die bisherigen Ergebnisse seien jedoch zufriedenstellend ausgefallen. Verhaltensexploration Zum Erstgespräch erschien Hr.K. locker und gelöst. Er erschien äußerst motiviert und kooperativ, offen und ehrlich auf meine Fragen zu antworten. Der Proband zeigte ausgeprägte Probleme, die berichteten Daten aus seiner Biographie in eine sinnvolle zeitliche Abfolge zu bringen und es war sehr viel Hinterfragen meinerseits notwendig, bis eine plausible zeitliche Reihenfolge erstellt werden konnte. Bei emotional behafteten Themen wirkte er zwar nach außen locker, seine Stimme klang jedoch gepresst und die Augen überschattet. Bei besonders belastenden Themen (Exfrau, - Seite 9 - Haft, seine Söhne) wandte er seine Aufmerksamkeit meinem ebenfalls anwesenden Hund zu und begann diesen zu streicheln. Dennoch war er bemüht, so offen wie möglich zu sein. Als die Sprache auf die Woche im Koma kam, erschien er emotional übermäßig belastet und meinte, das wäre das einzige, über das er noch niemals mit jemandem gesprochen habe und auch in Zukunft mit niemandem darüber sprechen wolle. 5. Testdurchführung Die Bearbeitung der Testbögen erfolgte in der Wohnung des Probanden ohne meine Anwesenheit. Der Proband wurde zuvor ermutigt, nicht lange über die Antworten nachzudenken, sondern das anzukreuzen, was ihm am ehesten in den Sinn kommt. 6. Verfahrensbeschreibung, Auswertung und Interpretation der Testergebnisse 6.1. Das Freiburger Persönlichkeitsinventar, revidierte Fassung (FPI-R), 7.Auflage. (2001). Fahrenberg, J., Hampel, R., Selg, H. Das FPI ist ein mehrdimensionales Persönlichkeitsinventar zur Erfassung von relativ überdauernden Persönlichkeitsmerkmalen. Gemessen werden die Ausprägungsgrade wichtiger Persönlichkeitsdimensionen aufgrund Selbstbeurteilung des Probanden. Zusätzlich enthält das FPI eine Skala zur Erfassung von körperlichen Beschwerden und Gesundheitssorgen. 6.1.3. Auswertung und Interpretation der Testergebnisse des Probanden H.K. In Tabelle 1 finden sich die Dimensionen des FPI sowie die einzelnen erzielten Werte des Probanden: - Seite 10 - Tabelle 1: Darstellung der Rohwerte, Staninewerte, Ausprägung und Vertrauensintervall (VB) der einzelnen Testwerte. Testvariable Rohwert Stanine Ausprägung VB Lebenszufriedenheit 3 2 -- +/- 2,9 Soziale Orientierung 11 9 ++ +/- 2,9 Leistungsorientierung 7 4 - +/- 2,9 Gehemmtheit 8 7 + +/- 2,9 Erregbarkeit 7 7 + +/- 2,8 Aggressivität 7 6 + +/- 2,9 Beanspruchung 10 7 + +/- 2,8 Körperliche 9 9 ++ +/- 2,7 Gesundheitssorgen 7 6 + +/- 2,9 Offenheit 10 8 ++ +/- 2,9 Extraversion 7 5 +/- 3,1 Emotionalität 13 9 ++ +/- 3,1 Beschwerden Insgesamt zeigt sich ein sehr auffälliges Profil. Lediglich drei Variablen weisen durchschnittliche Werte auf: Leistungsorientierung (Staninewert: 4), Aggressivität (Staninewert: 6), Gesundheitssorgen (Staninewert: 6) und Extraversion (Staninewert: 5) Überdurchschnittlich auffällige Werte ergaben sich bei den Dimensionen „soziale Orientierung“ mit einem Staninewert von 9, „Körperliche Beschwerden“ (Staninewert: 9), „Emotionalität“ (Staninewert: 9), „Lebenszufriedenheit“ (Staninewert: 8), „Offenheit“ (Staninewert: 8). Erhöhte Werte in negativem Sinn fanden sich auch in den Bereichen „Gehemmtheit“ (Stanine: 7), „Erregbarkeit“ (Stanine 7) und „Beanspruchung“ (Stanine 7). Da der Proband im Bereich „Offenheit“ einen sehr hohen Wert erzielte, kann davon ausgegangen werden, dass der Fragebogen ehrlich beantwortet wurde. Sehr auffällig ist der Bereich der „Körperlichen Beschwerden“. Bei Beantwortung der einzelnen Items berichtet Hr. K. über häufige Kopfschmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung, - Seite 11 - Kloßgefühl im Hals, Hitzewallungen und Blutandrang zum Kopf, Herzjagen, empfindlicher Magen, Wetterfühligkeit, Engegefühle im Brustbereich. In Kombination mit dem überdurchschnittlichen Wert im emotionalen Bereich, welcher auf eine sehr labile, ängstliche und depressive Grundstimmung hinweist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den beschriebenen körperlichen Symptomen um ein Psychosomatisierungsgeschehen handelt. Gleichzeitig macht sich der Proband allerdings nicht mehr Sorgen um seinen Gesundheitszustand als die Durchschnittsbevölkerung, was einen Hinweis auf ein abwertendes und negierendes Verhalten hinsichtlich der wahrgenommenen Symptome darstellen könnte. Im Bereich der Lebenszufriedenheit weist der Proband derzeit eine sehr hohe Lebensunzufriedenheit und eine negative, bedrückte Lebenseinstellung auf, was jedoch möglicherweise auf die erst kurz zurückliegende Haftentlassung und die damit verbundenen aktuellen Probleme zurückzuführen ist. Die sehr stark ausgeprägte soziale Orientierung, welche auf ein überdurchschnittlich soziales Verantwortungsgefühl für andere Menschen hinweist, könnte möglicherweise eine Art Kompensationsversuch zur Selbstwertsteigerung darstellen. Der Proband weist in diesem Bereich einen hohen Grad an Hilfsbereitschaft und einer hohen Bereitschaft zu trösten und zu pflegen auf. Gestützt wird diese Annahme durch den erhöhten Wert im Bereich der Hemmung, was sich in gehemmtem, unsicherem und eher kontaktscheuem Verhalten auswirkt, welches möglicherweise durch die überdurchschnittliche starke Hilfsbereitschaft überdeckt wird. Weiters weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sich der Proband in psychischem Sinne vermehrt angespannt und überfordert fühlt und oft das Gefühl hat, im Stress zu sein. Diese empfundene erhöhte Beanspruchung deckt sich mit dem erhöhten Wert im Bereich der Erregbarkeit, welche sich in einer erhöhten Reizbarkeit und Empfindlichkeit auch bezüglich unwichtiger Dinge äußert und einer erhöhten Tendenz, sich leicht aus der Ruhe bringen zu lassen mit teilweise aggressiven Reaktionen. Im Bereich der „Aggressivität“ liegen die Werte des Probanden im oberen Durchschnitt, was darauf hindeutet, dass er eventuelle aggressive Impulse gut im Griff hat. - Seite 12 - Insgesamt weisen diese Ergebnisse darauf hin, dass der Proband sich derzeit in einer sehr schwierigen Phase mit vielen inneren Konflikten und einer hohen Tendenz zur Psychosomatisierung befindet. 6.2. Fragebogen für körperliche, psychische und soziale Symptome (KÖPS). (1998). Manz, R. Der KÖPS ist ein Screeningverfahren, welches mittels einer (objektiven) Selbstratingskala relevante Einzelsymptome im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich erfasst. Die ermittelten Symptome beziehen sich dabei auf die vergangenen 4 Wochen. Die Werte des Probanden bei diesem Verfahren werden in Tabelle 2 dargestellt. Tabelle 2: KÖPS: Rohwert, Stanine, Prozentrang, Ausprägung und Vertrauensintervall (VB) Testvariable Rohwert Prozentrang Stanine Ausprägung VB (Stanine) Skala zum 28 93 8 ++ +/- 1,74 46 97 9 ++ +/- 1,41 11 72 6 +/- 1,92 Gesamtergebnisse 85 95 8 ++ +/- 1,24 körperlichen Symptombereich Skala zum psychischen Bereich Skala zum sozialkommunikativen Bereich Analog zum FPI weisen die Werte von Hrn. K. auch bei diesem Verfahren überdurchschnittlich erhöhte Werte im Bereich der körperlichen Symptome mit einem Prozentrang von 93 und einem Staninewert von 8 auf. Nur 7 % der männlichen Stichprobe über 40 Jahre weisen höhere Werte im körperlichen Bereich auf. Ebenso im psychischen Bereich findet sich eine überdurchschnittlich erhöhte Ausprägung mit einem Prozentrang von 97 und einem Staninewert von 9. Nur 3 % der Männer über 40 weisen höhere Werte im psychischen Bereich auf. - Seite 13 - Im sozial-kommunikativen Bereich, in welchem soziales Verhalten und Erleben erfasst werden, zeigt Hr.K. im Vergleich zu seiner Altersgruppe einen durchschnittlichen Wert mit einem Prozentrang von 72 und einem Staninewert von 6. Zur genaueren Erfassung der Problembereiche ging ich die einzelnen Items durch. Hinsichtlich der körperlichen Beschwerden berichtet der Proband in diesem Verfahren über eine sehr starke Angst, sein Herz könne stehen bleiben und starkes und häufiges Herzklopfen, Herzjagen oder Herzstolpern. Weiters häufig Schwindel, Gelenkschmerzen, Mattigkeit, Rückenschmerzen, übermäßiges Schlafbedürfnis, Schwächegefühl, Gewichtsverlust und Schmerzen in der Brust. Im psychischen Bereich gab der Proband an, sehr häufig das Gefühl zu haben, dass ihm seine Schwierigkeiten über den Kopf wachsen, dass er ständig Angst habe, etwas Falsches zu tun oder zu sagen, dass er sehr lange brauche, um Enttäuschungen zu verarbeiten, Unterlegenheitsgefühle, innere Unruhe, mangelndes Selbstvertrauen, Konzentrationsprobleme, Gefühllosigkeit, erhöhte Reizbarkeit, belastende unerwünschte Gedanken und Schwierigkeiten, Entschlüsse zu fassen. Im sozial-kommunikativen Bereich fiel lediglich auf, dass der Proband über mangelnde Sozialkontakte berichtet und es ihm zur Zeit etwas schwer fällt, ungezwungen mit seinen Mitmenschen umzugehen. Alle diese Angaben beziehen sich auf die letzten vier Wochen. Die Werte dieses Verfahrens decken sich mit den Werten des FPI und weisen auf eine derzeit sehr instabile, labile Persönlichkeitsstruktur des Probanden hin sowie auf stark ausgeprägte körperliche Reaktionen. 6.3. Leistungsmotivationsinventar (LMI). (2001). Schuler, H., Prochaska, M. Frintrup, A. Das LMI stellt vordergründig ein Verfahren zur Messung des berufsbezogenen Leistungsmotivationsprofils dar. Zusätzlich können über das LMI berufsrelevante Stärken und Schwächen und der Verhaltensstil in Bezug auf leistungsbezogene Aufgabenstellungen erfasst werden. Tabelle 3 zeigt die Werte der einzelnen Dimensionen von Hrn. K beim LMI Tabelle 3: Darstellung von Rohwert, Prozentrang, Staninewert, Ausprägung und Vertrauensintervall des LMI - Seite 14 - Testvariable Rohwert Prozentrang Stanine Ausprägung VB (Stanine) Beharrlichkeit 30 4 2 -- +/- 1,76 Dominanz 35 8 2 -- +/- 1,72 Engagement 38 54 5 +/- 1,96 Erfolgszuversicht 36 7 2 -- +/- 1,88 Flexibilität 38 4 2 -- +/- 1,92 Flow 48 54 5 +/- 2,24 Furchtlosigkeit 19 1 1 -- +/- 1,63 Internalität 56 76 6 + +/- 2,17 Kompensative 42 34 4 - +/- 1,96 Leistungsstolz 54 50 5 +/- 2,17 Lernbereitschaft 41 34 4 - +/- 1,67 Schwierigkeitspräferenz 41 31 4 - +/- 1,72 Selbstständigkeit 33 5 2 -- +/- 2,03 Selbstkontrolle 26 5 2 -- +/- 1,72 Statusorientierung 40 31 4 - +/- 1,63 Wettbewerbsorientierung 38 34 4 - +/- 1,84 Zielsetzung 41 34 4 - +/- 1,88 GESAMT 656 8 2 -- +/- 1,44 Anstrengung Auch bei diesem Verfahren erzielte Herr K. ein sehr auffälliges Gesamtprofil mit 7 von 17 überdurchschnittlich auffälligen Abweichungen vom Durchschnitt der männlichen Gesamtstichprobe, wobei die hauptsächlich berufsbezogene Dimensionen im Durchschnitt lagen und die Dimensionen zu spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen im abweichenden Bereich. Das Gesamtergebnis des Verfahrens lag mit einem Prozentrang von 8 und einem Staninewert von 2 im auffällig unterdurchschnittlichen Bereich. Das heißt, 92 % der männlichen Gesamtstichprobe erreichten bei diesem Verfahren bessere Ergebnisse. Im Durchschnittsbereich lagen: Engagement (Stanine: 5), Flow = Konzentration (Stanine 5), Internalität (Stanine 6), kompensative Anstrengung (Stanine 4), Leistungsstolz (Stanine 5), Lernbereitschaft (Stanine 4), Schwierigkeitspräferenz (Stanine 4), Statusorientierung (Stanine 4), Wettbewerbsorientierung (Stanine 4) und Zielsetzung (Stanine 4). - Seite 15 - Überdurchschnittlich erniedrigt war der Wert für die „Furchtlosigkeit“ mit einem Prozentrang von 1 und einem Staninewert von 1, was auf eine sehr stark ausgeprägte Versagensangst hindeutet. Damit verbunden ist eine extrem hohe Anspannung vor wichtigen Aufgaben und Situationen, wodurch die Ergebnisse möglicherweise negativ beeinflusst werden können. Bei Zeitdruck neigen Personen mit sehr hohen Werten dazu, nervös zu werden und zu einer beeinträchtigen Leistungsfähigkeit. Weiters tendieren Personen mit sehr hohen Werten dazu, schwierigen Aufgaben und Situationen aus dem Weg zu gehen. Die Dimensionen Beharrlichkeit und Dominanz befinden sich ebenfalls im unterdurchschnittlichen Bereich. Eine niedrige Beharrlichkeit weist auf geringe Ausdauer und Kräfteeinsatz bei beruflichen Aufgaben hin als auch auf eine erhöhte Ablenkbarkeit. Die niedrige Ausprägung des Bereiches Dominanz bei Hrn. K. zeigt, dass er keine Tendenzen zur Machtausübung oder Beeinflussung von anderen aufweist. Niedrige Werte in diesem Bereich weisen auch auf geringe Initiative hin und die Tendenz, sich in einer Arbeitsgruppe eher im Hintergrund zu halten. Der niedrige Wert bei der Erfolgszuversicht deutet auf eine starke Misserfolgsorientierung hin, besonders, wenn Schwierigkeiten oder Konkurrenz auftreten. Hr. K. zeigt auch eine leichte Tendenz zur Internalisierung von Misserfolgen. Das bedeutet, dass er die Ursachen für Misserfolge eher bei sich selbst als bei äußeren Einflüssen sucht. Auch die Flexibilität ist bei Hrn. K. nur sehr gering ausgeprägt und wenig veränderungsbereit. Es fällt ihm offensichtlich schwer, sich an neue Situationen und Aufgabenstellungen zu gewöhnen und bevorzugt vertraute Situationen. Gemeinsam mit der im oberen Durchschnitt ausgeprägten Internalisierungstendenz und der im unteren Durchschnitt liegenden Schwierigkeitspräferenz ergibt diese Dimension ein stimmiges Bild. Mittlere Schwierigkeitspräferenz deutet darauf hin, dass Hr. K. Aufgaben im mittleren bis niedrigeren Schwierigkeitsbereich bevorzugt, da er Misserfolge internal attribuiert. Neuartige Situationen beinhalten immer die Gefahr des Scheiterns, was daher vermieden wird. Überdurchschnittlich ausgeprägt waren auch die Bereiche Selbstständigkeit und Selbstkontrolle. Ein erniedrigter Selbstständigkeitswert weist im Sinne des Verfahrens darauf hin, dass Hr.K. Schwierigkeiten darin hat, die Verantwortung für seine Angelegenheiten alleine zu tragen und eher bereit ist, Direktiven zu akzeptieren. Eigenständige Entscheidungen werden nur ungern getroffen und Fremdbestimmung der Arbeitsweise wird bevorzugt. - Seite 16 - Unter Berücksichtigung des erniedrigten Flexibilitätswertes kann dies aber auch lediglich einen Hinweis darauf darstellen, dass sich die Selbstständigkeit in vertrauten Situationen durchaus erhöht und eine vermehrte Führung lediglich in neuen Situationen und Aufgabenbereichen erforderlich ist. Hinsichtlich der Selbstkontrolle neigt Hr. K. dazu, Aufgaben und Pflichten aufzuschieben und benötigt von daher mehr Druck von außen. Die Konzentration auf die Aufgaben ist erschwert und gekennzeichnet von einer schlechten Organisationsweise der Aufgabeneinteilung. Die Gesamtergebnisse weisen darauf hin, dass es für Hrn. K. sehr schwierig wird, sich an einen neuen Arbeitsplatz zu gewöhnen und gänzlich neue, unbekannte Tätigkeiten auszuführen. Zusätzlich erschwert wird dies durch die im unteren Durchschnittsbereich liegende Lernbereitschaft. Im Normalfall sollte bei Antritt einer neuen Position die Lernbereitschaft erhöht sein, was bei Hrn. K. jedoch nicht der Fall ist. Wichtig bei Antritt einer neuen Stelle wären auch die Bereiche Beharrlichkeit und Erfolgszuversicht, bei denen jedoch Herr K. stark unterdurchschnittliche Werte aufweist. Mangelnde Erfolgszuversicht und Beharrlichkeit können zu schneller Resignation und häufigem Stellenwechsel führen, was jedoch wieder die starke Angst vor Misserfolg und vor neuen Situationen in Gang setzen kann und so zu einem ewigen Kreislauf werden kann. Es wäre auch möglich, dass diese Ergebnisse ebenfalls auf den erst knapp zurückliegenden Haftaufenthalt zurückzuführen sind und sich in einer entspannten Atmosphäre wieder mehr Selbstvertrauen, Engagement und Lernbereitschaft aufbauen und sich die Furcht vor Misserfolgen legt. Andernfalls wäre es dringend indiziert, professionelle Hilfe hinzuzuziehen. 6.4. Explorix – das Werkzeug zur Berufswahl und Laufbahnplanung. (2004). Jörin, S., Stoll, F., Bergmann, Ch., Eder, F. Der Explorix wird hauptsächlich für die Bildungs- und Berufsberatung bei Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt. Anliegen dieses Verfahren ist es, möglichst dauerhafte, stabile Interessen zu erfassen und zu berücksichtigen. Über die Selbstbewertung hinsichtlich Interessen für konkrete generelle Tätigkeiten, Sympathien für konkrete Berufe und Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten wird ein Profil des Probanden erstellt, aus dem dann präferierte Berufsinteressen und -richtungen abgeleitet und daraus aus einer eigenen Liste konkrete Berufe zugeordnet werden können. - Seite 17 - Nach Auswertung aller drei Bereiche (Tätigkeiten, Berufe und Fähigkeiten wird ein dreistelliger Buchstabencode errechnet, aus welchem die entsprechenden Persönlichkeitstypen nach der Theorie von John Holland ersichtlich sind. Bei Hrn. K. ergaben sich zwei derartige Codes aufgrund zweier gleichrangiger Punktezahlen und daraus vier Persönlichkeits-Typen, denen er zugeordnet werden kann. Den höchsten Punktewert erzielte er für Code S /Sozial: erziehend-pflegend, den zweithöchsten für den Typ E/führend, verkaufend. Bei Typ C/Conventional: ordnend-verwaltend und Typ I (Investigate): untersuchendforschend wurde vom Probanden eine gleichhohe Punktzahl erzielt. In Abbildung 1 ist das genaue Berufsprofil von Hrn. K. ersichtlich. Profil Hr.K 50 Punkte 40 30 33 45 25 38 33 17 20 10 0 R I A S E C Berufstypen Daraus kann ersehen werden, dass die höchsten beruflichen Präferenzen bei Hrn.K. eindeutig im sozialen Bereich liegen, die zweithöchsten im führend-verkaufenden Bereich. Gleichrangig sind der Bereich C (ordnend-verwaltend) und I (untersuchend-forschend) Anschließend wurden aus den zwei Buchstabencodes (SCE und SEI und die dazugehörigen ähnlichen Codes, zB. CES, ESC, etc.) die spezifischen möglichen und interessierenden Berufe von Hrn. K. ermittelt. Dabei ergaben sich folgende Berufe, für die Hr.K. sich interessieren würde: - Seite 18 - Arzthelfer Studium Rechtswissenschaften Ordinationsgehilfe Staatsanwalt Stationspfleger Zugführer Botschafter Chefkoch Diplomat Manager Jurist Personalchef Kanzleiassistent Heimleiter Rechtspfleger Unternehmensberater Aufgrund des Ausbildungsgrades und des Alters von Hrn. K. sind der Großteil der so ermittelten Berufe unrealistisch hinsichtlich ihrer Umsetzung. Als einzig in Frage kommende Möglichkeit wäre eine Ausbildung zum Ordinationsgehilfe, welche nicht so umfangreich und langwierig ist. Eine derartige Ausbildung und Berufsausübung würde auch der starken sozialen Orientierung von Hrn. K. entgegenkommen. Bei der Besprechung dieser vielfältigen teilweise unrealistischen Berufsinteressen meinte Herr K., dass der Fragebogen keine Fragen zu seinem bisherigen Tätigkeitsbereich enthalten habe (Helikopterwartung, Fotograf). An erster Stelle stehe bei ihm immer noch eine Tätigkeit als Fotograf (Sportevents für eine Zeitung oder Fotograf für den ORF) oder wieder im Bereich der Helikopterwartung. Auf meine Frage hin, weshalb er nicht versuche, wieder in einem Fotostudio unterzukommen, meinte er, dass sich seit seinem Ausscheiden aus diesem Gebiet die Technik sehr stark verändert habe und es sehr schwierig sei, in diesem Bereich wieder eine Anstellung zu erhalten. Der Bereich Helikopterwartung ist deshalb schwierig umzusetzen, weil er nicht mehr am Flughafen tätig sein möchte, wo das Betrugsdelikt, weswegen er in Haft war, (Kerosinabzapfung von Helikoptern und privater Weiterverkauf) damals gemeinsam mit zwei Kollegen durchgeführt wurde. Auf die Frage nach seiner sozialen Ader gibt Hr. K. spontan an, dass er sich auch eine Betreuungstätigkeit bei alten Menschen vorstellen könne. Bei der Auswertung der Checkliste zur Berufswahl-Situation fanden sich drei Hrn. K. betreffende Problembereiche: 1. Das Thema Identität (Klarheit und Stabilität des Selbstbildes) In dieser Hinsicht scheint Hr. K. derzeit Probleme mit der Selbstwahrnehmung seiner eigenen Stärken und Schwächen und seiner Vorlieben und Abneigungen zu haben. - Seite 19 - Da er jedoch unter einem großen inneren Druck leidet, trotz seiner derzeitig ungünstigen Ausgangsbedingungen (Haftstrafe, Alter) möglichst bald wieder eine Arbeitsstelle zu finden, kann es sein, dass aufgrund dessen eine verzerrte Selbstwahrnehmung hinsichtlich seiner Vorlieben und Abneigungen vorhanden ist. 2. Thema „Entscheiden – generelle Entscheidungsschwierigkeit“ Wie auch aus den anderen Verfahren ersichtlich, leidet Hr. K. derzeit unter erheblichen Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, was einerseits aus seinem derzeitigen labilen psychischen Zustand erklärbar ist und andererseits aus dem Druck der Stellensuche heraus. Dies wiederum wird erschwert durch die Haftstrafe und durch das Alter von Hrn. K. , woraus für ihn ein vermehrter Entscheidungsdruck resultiert, auch Tätigkeiten in Erwägung zu ziehen, die nicht vollständig seinen Erwartungen und Wünschen entsprechen. 3. „Hindernisse – spezifische Einschränkungen“ Hier finden sich gehäuft noch zusätzlich einschränkende Umstände, wie mangelnde finanzielle Ressourcen zur Finanzierung einer neuen Ausbildung, mangelnde bis gar keine Angebote im Wunschberuf (Fotograf) sowie teilweise die psychischen und körperlichen Belastungen, die auf eine unzureichende Verarbeitung der Zeit in Haft hindeuten. Insgesamt war die Anwendung dieses Verfahrens nicht wirklich hilfreich und unter Umständen sogar entmutigend für Hrn. K., weil er sich im Grunde für viele Berufsarten interessieren würde, die sich aber allesamt aufgrund seines Alters und seines Bildungsstandes schwer bis gar nicht realisieren lassen. Seine bevorzugten Berufswünsche (Fotograf oder Helikopterwartung) lassen sich derzeit ebenfalls nicht in die Realität umsetzen. Hilfreich für Hrn. K. war, zu sehen, dass er anscheinend eine „Ader“ für soziale Berufe hat und sich vielleicht in diesem Bereich einmal etwas umsetzen lassen kann. Auch die Ergebnisse dieses Verfahrens geben Hinweise darauf, dass eine professionelle Beratung indiziert wäre. - Seite 20 - 7. Abschlussgespräch mit dem Probanden – Erläuterung der Ergebnisse Die Besprechung der Ergebnisse der einzelnen Verfahren und endgültige Fertigstellung des Explorix (Auswahl der interessierenden Berufe aus der Berufsliste) fand am Sonntag, dem 27.5.2007 von 19:30 Uhr bis 20:30 Uhr in der Wohnung des Probanden statt. In der Zwischenzeit – im Laufe der letzten Woche hat sich für Hrn. K. die Möglichkeit ergeben, in einem Telekommunikations-Marketing-Unternehmen eine Stelle zu bekommen. Er hatte dort am Freitag bereits einen Schnuppertag und hätte eine fixe Stellenzusage ab kommenden Dienstag erhalten. Diese Stellung ist bei Hrn. K. mit gemischten Gefühlen verbunden. Er berichtet, dass ihm der Schnuppertag sehr wohl Spaß gemacht hätte und er dort sehr gut bezahlt werden würde, dass es ihn aber andererseits doch mehr in die Helikopterwartung ziehe. Im Umgang mit den anderen Mitarbeitern fühle er sich ziemlich unsicher, weil die zukünftigen Kollegen und Kunden alle über ein „höheres Niveau“ als er verfügen würden. Auch hat er vor zwei Wochen eine sehr sympathische Frau in seinem Alter kennen gelernt, mit der er momentan sehr viel Zeit verbringt und sich da „vielleicht eine Beziehung entwickeln könnte“. Allerdings hegt Hr. K. auch in dieser Beziehung Zweifel darüber, ob er dem „höheren Niveau“ dieser Frau entsprechen kann. Gemeinsam gingen wir die Durchschnittswerte und im speziellen die Extremwerte durch und Herr K. bestätigte lachend, dass er sich in diesen Werten sehr wohl wiederfinden würde. („Das ist der echte H.“ – wortwörtlich) Bezüglich der sehr hohen Ausprägungen der psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen in allen Verfahren, sprach ich Hrn. K. vorsichtig darauf an, ob er sich eventuell vorstellen könnte, sich professionelle Unterstützung bei der Verarbeitung der Geschehnisse der letzten Monate zu suchen. Dies lehnt er jedoch rigoros ab. Er erzählte, dass er sogar von der Justizanstalt nach seiner Haftentlassung eine kostenlose Psychotherapie angeboten bekommen hätte, diese jedoch abgelehnt hätte, da er glaubt, selbst mit allem zurechtzukommen. („Um mich zu brechen, braucht es mehr“ – wörtliche Aussage). Außerdem meinte er, dass vielleicht jetzt, wo er endlich eine Arbeitsstelle hat, alles besser wird, sobald er sich dort eingelebt hat und wenn sich die Beziehung zu der oben genannten Frau intensivieren sollte. - Seite 21 - Auf meine Frage hin, was er sich denn genau unter einer Psychotherapie vorstelle, konnte er jedoch ziemlich genau einschätzen, was das Ziel und der Zweck einer Therapie sein könnte, nämlich eine Hilfestellung bei der Verarbeitung der für ihn sehr schlimmen Zeit im Gefängnis. Dennoch steht er einer derartigen Intervention sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber. Auf mein Nachfragen hin, gibt Herr K. zu, dass er gerne versucht, sich und anderen einzureden, dass im Grunde alles in Ordnung wäre und es ihm gut gehe. Im Laufe dieses Gespräches schien Hr. K. zunehmend nervöser und aggressiver zu werden und begann, alle Fliegen in seiner Küche zu erschlagen. Nach einer Weile, in der ich nichts mehr gesagt hatte, fragte er plötzlich, ob er nicht mit mir Gespräche führen könne, da ich doch auch angehende Psychologin sei und ich nicht „so wie die anderen Psychologen“ sei, die er bisher getroffen hätte. Außerdem hätte er zu mir Vertrauen, wir kennen uns schon seit einiger Zeit und er könne mit sehr gut reden. Ich versprach ihm, dass wir das gerne machen können, aber dass Gespräche mit mir nicht dasselbe wie eine psychotherapeutische Behandlung wären. Hr. K. meinte, das sei ihm schon klar, aber zu mir hätte er eben mehr Vertrauen. Da ich doch ziemlich besorgt war hinsichtlich der Testergebnisse und aufgrund bereits früher geführter Gespräche , fragte ich Hrn. K., ob er sich vorstellen könne, in einem halben Jahr den FPI oder einen ähnlichen Test zu wiederholen und falls die Ergebnisse dann immer noch auf eine starke psychische und körperliche Beeinträchtigung hinweisen sollten, sich dann zu überlegen, ob er sich nicht doch psychotherapeutische Unterstützung suchen wolle. Diesem Vorschlag stimmte Hr. K. zu, zumindest nur dem Teil, was das Ausfüllen eines weiteren Fragebogens betrifft. Bezüglich Psychotherapie meinte er, das könne er mir nicht versprechen. Gegen Ende des Gespräches versprach ich ihm, ihn vorerst nicht mehr auf dieses Thema anzusprechen, um sicher zu gehen, dass er weiterhin genug Vertrauen zu mir hat, um zumindest mit mir über seine schwere Zeit zu sprechen, was wir teilweise auch in den letzten Wochen seit seiner Entlassung bereits getan hatten. 8. Zusammenfassung der Ergebnisse und Stellungnahme Die Ergebnisse aller vier Verfahren weisen auf eine insgesamt sehr instabile, depressive, ängstliche Persönlichkeit hin, einhergehend mit einer stark erhöhten Lebensunzufriedenheit. - Seite 22 - Sowohl beim FPI als auch beim KÖPS finden sich Hinweise auf eine starke Beeinträchtigung des körperlichen und psychischen Zustandes des Probanden. Da diese beiden Bereiche überdurchschnittlich hoch ausgeprägt waren, könnte dies einen Hinweis auf ein Psychosomatisierungsgeschehen hinweisen. Eine ärztliche Gesundenuntersuchung ist laut Hrn. K. derzeit am Laufen, wobei die bisherigen Ergebnisse auf körperlicher Seite zufriedenstellend waren. Bedenklich ist der lediglich mittelmäßig ausgeprägte Wert hinsichtlich der Sorgen um die Gesundheit (FPI). Obwohl Hr. K. ausgeprägte und vielfältige körperliche Symptome aufweist, macht er sich um seine Gesundheit nicht mehr Sorgen als die Durchschnittsbevölkerung ohne derartige Symptome. Dies ist einerseits positiv, da somit keine hypochondrischen Erscheinungen auftreten können, andererseits kann dadurch aber auch keine oder nur geringe Einsicht und Compliance für eventuell notwendige psychologische Interventionen erzielt werden. In allen Verfahren zeigte sich weiters eine übermäßig stark ausgeprägte soziale Verantwortung, was sich in übermäßiger Hilfsbereitschaft und dem Wunsch zu trösten und zu pflegen niederschlägt. Dies kann einen Kompensationsversuch darstellen, um die psychischen Beeinträchtigungen zu überdecken und das geringe Selbstwertgefühl aufzubessern. In Kombination mit der gleichzeitig erhöhten empfundenen Beanspruchung (FPI) und Erregbarkeit (FPI, KÖPS) besteht die Gefahr einer weiteren Erhöhung der wahrgenommenen Beanspruchung (FPI) mit Intensivierung der körperlichen Symptome und Erhöhung des Levels der Erregbarkeit. Auf beruflicher Ebene wird Hr.K. kommenden Dienstag eine neue Stelle in einem Telekommunikations-Marketing-Unternehmen antreten, wo er hauptsächlich Kundenkontakte pflegen wird, um Geschäftsabschlüsse zu erzielen (Umstieg auf ein anderes Telekommunikationsprodukt). Ungünstig für diese Tätigkeit könnten sich seine extrem schwach ausgeprägte Erfolgszuversicht (LMI), die sehr große Angst vor Misserfolg (LMI) und vor neuen Situationen auswirken, sowie die schwach ausgeprägte Beharrlichkeit, sich längere Zeit ausdauernd einer bestimmten Aufgabe zu widmen und zu schnell zu resignieren (LMI). Erforderlich für eine Stelle wie diese wäre auch eine erhöhte Leistungsorientierung, welche sich bei Hrn. K. im unteren Durchschnitt befindet (LMI). Diese kann jedoch möglicherweise durch die zugesicherten Provisionen gesteigert werden. Problematisch bei dieser Art von Tätigkeit könnte sich auch die mangelnde Selbstständigkeit (LMI) und mangelnde Selbstkontrolle (LMI) auswirken. Herr K. wird viel Kraft darauf - Seite 23 - aufwenden müssen, unangenehme Pflichten nicht mehr aufzuschieben und seinen Arbeitsalltag zu strukturieren und zu organisieren. Inwieweit die körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen den Arbeitsablauf stören, wird sich noch weisen. Allerdings neigt Hr. K. dazu, alle Symptome nach außen hin entweder abzuwerten oder zu negieren bzw. durch Humor und ein betont locker-lässiges Auftreten zu überdecken, so auch seine Tendenz zu Unsicherheit und Hemmungen (FPI) im Kontakt mit anderen. Mit seiner sehr stark ausgeprägten sozialen Orientierung könnte Hr. K. gerade in diesem verkaufsorientierten Bereich Gefahr laufen, ausgenützt zu werden, um für Kollegen einzuspringen oder Überstunden auf sich zu nehmen und er sich dann nicht genügend abgrenzen kann bzw. seine eigenen Bedürfnisse zurückstellt und nicht durchsetzt. Die Tendenz, Misserfolge (in diesem Fall dann Verkaufsmisserfolge) internal zu attribuieren (LMI) könnte einerseits eine positive Auswirkung auf die Leistungsorientierung haben. Da Hr. K. aber auch zur raschen Resignation (LMI) neigt, könnte es sein, dass er bei häufigeren Misserfolgen diese Tätigkeit wieder beendet um sich erneut auf die Suche nach einer ihm entsprechenden Arbeitsstelle zu machen, die mit geringeren Misserfolgserlebnissen verbunden ist. Abschließende Stellungnahme: Aufgrund der zahlreichen körperlichen und psychischen Symptome sowie zahlreicher nur sehr schwach oder übermäßig ausgeprägter relevanter Persönlichkeitsmerkmale wäre eine psychologische oder psychotherapeutische Intervention zu empfehlen. Da Hr. K. dies jedoch ablehnt, bleibt im Moment abzuwarten, wie sich seine Symptome weiterhin entwickeln. Da er eine sehr schwierige Zeit hinter sich hat, können diese Symptome auch einen momentan ablaufenden Verarbeitungsprozess signalisieren und bei gelungener Verarbeitung wieder zurückgehen. Bei einer nicht gelingenden eigenständigen Verarbeitung der Geschehnisse besteht jedoch die Gefahr einer massiven Verstärkung der Symptome bis im schlimmsten Fall hin zu totaler Berufsunfähigkeit und Bewältigungsproblemen im Alltag. Von daher wäre es notwendig, die Symptome weiter zu beobachten und bei Anzeichen einer Verschlechterung nochmals in Richtung Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe zu intervenieren. - Seite 24 -