Auszug aus Diplomarbeit

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UNIVERSITÄT KOBLENZ-LANDAU
ABTEILUNG LANDAU
Diplom-Studiengang Erziehungswissenschaft
DIPLOMARBEIT
„Das Führungsinstrument „Delegation“ im Rahmen von
Menschenführung als pädagogische Aufgabe“
Vorgelegt von:
Burkhard Franz
Fach:
Erziehungswissenschaft
Studienrichtung:
Betriebspädagogik
Referent:
Prof. Dr. D. J. Löwisch
Koreferent:
Prof. Dr. J. Münch
Vorgelegt am:
03. Mai 1999
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.
Menschenführung im Unternehmen
1.1
Führungsaufgaben
1.2
Führung als pädagogische Aufgabe
1.3
Lernfelder für Führungskräfte
1.4
Lernfelder für das Unternehmen
2.
Das Managen von Arbeit
2.1
Tätigkeitsanalyse
3.
Das „Führungs-Dilemma“
3.1
Vom Spezialisten zum Generalisten
4.
Verantwortung als ethisches Prinzip
4.1
Ethische Grundlagen des Führens
4.2
Prinzipien der Ethik
4.3
Menschliches Handeln und Verantwortung
4.4
Arten und Stufen von Verantwortung
4.5
Verantwortungsdiskurse
4.6
Delegation von Verantwortung
4.7
Verantwortung und Schuld
4.8
Von der Theorie zur Praxis
5.
Delegation - Die reine Freude am Teilen?
5.1
Die Sachebene der Delegation
5.2
Die Beziehungsebene der Delegation
6.
Die zwei Seiten der Delegation
7.
Delegation: Arbeitsteilung auf höchstem Niveau
7.1
Der Sinn von Arbeitsteilung
7.2
Der heutige Anspruch an Arbeitsteilung
8.
Motivation von Mitarbeitern
8.1
Delegation als Motivationsinstrument
8.2
Das Retter-Syndrom
8.3
Motivation - was ist das ?
8.4
Leistungsmotivation
8.5
Ein neuer Ansatz?
8.6
Eigenmotivation
8.7
Aufgaben der Führungskräfte, um motivierte
Mitarbeiter zu bekommen
8.8
Der Verschleiß von Führungskraft
8.9
Delegieren macht beliebt
8.10
Politisch bedingte Motivationsgrenzen
9.
Delegation braucht Mit-Arbeiter
9.1
Der Mensch als soziales Wesen
9.2
Die sogenannte Freizeitgesellschaft
9.3
Die Wahl des Arbeitsplatzes
9.4
Streß als hemmender Faktor
9.5
Arbeitszufriedenheit
9.6
Zusammenfassung und Ausblick
10.
Unternehmenskultur als Basis für das Delegieren von
Aufgaben
10.1
Unternehmenskultur - Definition und Problematik des Begriffs
10.2
Auswirkungen der Unternehmenskultur auf den Führungsstil
10.3
Der Mitarbeiter als Subjekt und Objekt der Unternehmenskultur
10.4
Die Bedeutung des Menschenbildes in der Unternehmenskultur
10.4.1
Der Mensch als rational Entscheidender (homo oeconomicus)
10.5
Umgang mit Problemen
10.6
Kritische Bemerkungen zum Umgang mit Unternehmenskultur
10.7
Ausblick
11.
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Einleitung
Wie aus dem Titel der vorliegenden Arbeit bereits ersichtlich wird, vereinigt sie
zwei verschiedene Elemente: Zum einen das Führungsinstrument der Delegation
von Aufgaben und zum anderen die Menschenführung als pädagogische Aufgabe.
Obwohl es vielleicht im ersten Augenblick nicht gleich auffällt, gibt es einen starken
Zusammenhang zwischen diesen beiden Themenbereichen: Sowohl der Erfolg
des Delegierens als auch des Führens hängt von den Menschen ab, die
miteinander kooperieren. Es bedarf gewisser Voraussetzungen innerhalb der
Persönlichkeiten und der Art, miteinander umzugehen, damit dieser Weg der
Kooperation zwischen Mitarbeitern und Führungskräften in positiver Form gestaltet
werden kann.
Ziel dieser Arbeit ist es, über die Beschreibung von Führung und Delegation
hinaus, einen Weg aufzuzeigen, wie Führung angelegt sein muß, damit das
Delegieren von Aufgaben effektiv verläuft und auf zwischenmenschlicher Ebene
gelingt. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Bedeutung der Pädagogik
gelegt, deren Erkenntnisse einen großen Beitrag zum Erfolg leisten kann. Dies
wird in meinen Augen gerade in der Praxis noch sehr unterschätzt.
Ein besonderes Anliegen ist darüber hinaus sowohl theoretische Erkenntnisse, als
auch Erfahrungen aus der eigenen Berufspraxis miteinander zu kombinieren.
Oftmals beschreibt eine Situation aus der Berufspraxis sehr viel prägnanter, was
es zu verdeutlichen gilt, als es die Auswertung vieler theoretischer Schriften
vermag. Die wissenschaftliche Betrachtung wird deshalb hier mit der realen
Erfahrungswelt in einer Weise verkoppelt, die es aus meiner Sicht ermöglicht, die
hier vorgestellten Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren.
Zunächst ein paar Worte zur Delegation von Aufgaben. Das Delegieren von
Aufgaben gehört zu den klassischen Führungsinstrumenten. In dieser Arbeit gehe
ich von drei Grundannahmen aus:
1
Einleitung
1. Delegation ist eine zukunftsweisende Managementstrategie, die bislang nicht
mit all ihren Potentialen ausgenutzt worden ist.
2. Selbst wenn in Unternehmen häufig von Delegation gesprochen wird, bleibt in
der Umsetzung noch vieles im argen.
3. Um das Delegieren von Aufgaben optimal durchführen zu können, bedarf es
wichtiger pädagogischer Fähigkeiten, mit deren Hilfe man den Mitarbeitern die
Bearbeitung der neuen Aufgaben erleichtern kann.
Im Rahmen dieser Arbeit soll nun untersucht werden, was das Delegieren von
Aufgaben als Managementstrategie so wertvoll macht, worin die Probleme bei der
Delegation liegen und insbesondere, auf welche Weise die Pädagogik zur Lösung
dieser Schwierigkeiten beitragen kann.
Meine Grundthese für diese Arbeit lautet daher:
Unter Beachtung pädagogischer Grundlinien ist das effektive Delegieren von
Aufgaben nicht nur möglich, sondern sinnvoll, da zum einen Führungskräfte
wieder größeres Augenmerk auf ihre eigentlichen Führungsaufgaben legen
können und gleichzeitig die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter
gesteigert werden kann.
Delegation ist ein Geben und Nehmen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften,
das, verantwortlich eingesetzt, weit mehr Chancen enthält als heute in den
Unternehmen wahrgenommen werden.
Es gibt eine Tatsache, der sich die meisten Führungskräfte wohl bewußt sind:
Ganz alleine kann heute keiner mehr etwas bewegen.
Probleme und Aufgaben werden von Menschen gemeinsam gelöst, nur deshalb
sind Führungskräfte überhaupt nötig. Führung kann demnach als multipersonale
Problemlösung definiert werden.1
In irgendeiner Form sind wir immer auf Unterstützung und Zuarbeit angewiesen.
2
Einleitung
So kommen die aktuellen Rufe nach übergreifenden Kooperationen, globalem
Denken, Potentialbündelung, synergetischer Teamarbeit und effizienter Delegation
nicht von ungefähr.
Die Unmengen an Wissen und Fähigkeiten, die nötig sind, um Dinge
voranzutreiben, sind von einzelnen nicht mehr zu leisten.
Folglich benötigen wir Koordinatoren, welche
Einzelpotentiale
zu einem
größeren Ganzen vereinigen.
Diese „Koordinatoren“ sind zum einen die Führungskräfte, zum anderen die
ihnen zur Verfügung stehenden Führungsinstrumente (Koordinationsmethoden).
Diese Arbeit wird sich mit einem nicht mehr ganz neuen, aber zeitlos aktuellen
Führungsinstrument befassen, der Delegation.
Aber es beinhaltet auch grundsätzliche Aussagen zum Thema „Führung“, also
Aussagen über die Art und Weise, wie man miteinander umgehen und arbeiten
sollte, um Delegation (über das „Hin- und Herschieben von Arbeit“ hinaus) zu
einem Erfolg zu machen.
Die Art des zwischenmenschlichen Umgangs und der Kooperation ist insofern von
besonderer Bedeutung, als sich die Aufgaben und Zielsetzung von „Führung“ stark
wandeln.
Erfolgreiche Führung drückt sich heute weniger denn je ausschließlich in
Umsatzstatistiken und Profit aus, weil allein schon das Wort „Erfolg“ eine viel
umfassendere Bedeutung hat.
So kann es für ein zukunftsorientiertes Unternehmen beispielsweise ein größerer
Erfolg sein, aufgrund von innovativer Technologie oder schonendem Umgang mit
natürlichen Ressourcen einen Umweltpreis zu bekommen, als den Umsatz um X
Punkte zu steigern.
Ein anderes Unternehmen wird es als Riesenerfolg werten, wenn es aufgrund
moderner Organisationsformen und höchster Produktqualität seine Umsätze
steigern kann und so verhindert, daß Mitarbeiter entlassen werden müssen.
1
Vgl. Rühli, 1992, S.2
3
Einleitung
Neben den Erfolgskriterien werden bei der Beurteilung von Führung auch immer
häufiger Sinnkriterien eingefordert. Allgemein formuliert ist die Erfüllung einer
Aufgabe nur dann sinnvoll, wenn sie zur eigenen Sinnfindung führt und gleichzeitig
eine Sinnvermittlung an weitere Personen ermöglicht. Eine These, die in dieser
Arbeit untersucht werden soll, lautet dementsprechend: Delegation ist ein Mittel
zur Sinnerhöhung.2
Man kann davon ausgehen, daß jeder Mitarbeiter aufgrund seines „Inneren“ (d.h.
seiner Kenntnisse, Einstellungen, Erfahrungen usw.) dazu in der Lage ist, für seine
Aufgaben, Probleme und Fragestellungen selbst im Rahmen seiner Position und
Kompetenz die besten Lösungen zu finden.
Wer also seine Mitarbeiter dazu auffordert, nach ihren individuellen, eigenen
Lösungen zu suchen, motiviert sie aufs höchste und fördert die Identifikation mit
der gestellten Aufgabe.3
Es braucht sicher einiges an Mut, auf die angeborenen bzw. natürlichen
Fähigkeiten eines Menschen zu vertrauen, aber für Unternehmer, die ihren
Mitarbeitern Freiraum schaffen, um selbst aktiv zu werden, zahlt es sich häufig
aus, denn sie haben motivierte Mitarbeiter.4
Die neuen Definitionen von „Erfolg“ machen es zwangsläufig notwendig, daß auch
die Führungskräfte ihre Rolle und ihr Selbstverständnis neu definieren.
Steht die „Führung“ vor einem Paradigmenwechsel?
Wer diese Frage mit „Ja“ beantwortet, wird mit mir die Auffassung teilen, daß die
Kunst des Delegierens eine Schlüsselqualifikation für die Führungskraft von
morgen ist.
Diejenigen, welche das Delegieren nicht beherrschen, werden ihre Führungsrolle
und -aufgaben als zunehmend schwerer empfinden und vielleicht sogar daran
scheitern.
Allerdings besteht kein Grund zur Verzweiflung, denn Delegationstechnik
erlernbar.
2
Vgl. Tschirky, 1985, S.90-98
Vgl. Menz, 1993, S.10
4
Vgl. a.a.O. S.11
3
4
ist
Einleitung
Was Führungskräfte allerdings selber mitbringen müssen, sind pädagogische
und persönliche Kompetenz, die sie als Führungskraft legitimieren.
Wesentlich ist, daß eine Führungskraft weiß, was Mitarbeiter sich von ihrem
Arbeitsplatz wünschen.
Für diese Arbeit lege ich folgende Grundvoraussetzungen fest:
Im Jahr 1983 wurden in einer Studie der Public Agenda Foundation die zehn
Spitzenwünsche ermittelt, die Menschen bezüglich ihres Arbeitsplatzes haben.5
Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß Mitarbeiter
1. mit Menschen zusammenarbeiten wollen, die ihnen Respekt entgegenbringen,
2. sich eine interessante Arbeit wünschen,
3. für gute Arbeit Anerkennung erwarten,
4. die Chance haben möchten, sich weiterzubilden,
5. Aufmerksamkeit
wünschen,
wenn
sie
neue
Ideen
oder
Verbesserungswünsche vortragen,
6. sich wünschen, mehr Entscheidungen selbst treffen zu können, anstatt nur
„Befehlsempfänger“ zu sein,
7. gerne ihre Arbeitsleistung im Gesamtergebnis sehen möchten,
8. sich tüchtige Manager wünschen,
9. sich am wohlsten fühlen, wenn zu erfüllende Aufgaben nicht zu leicht sind,
10. das Gefühl haben wollen, informiert zu sein über alles Wichtige, was im
Unternehmen passiert.
Obwohl diese Studie bereits 15 Jahre alt ist, erscheint sie mir zeitlos aktuell. Dies
verwundert auch nicht, denn bei den hier formulierten Erwartungen handelt es sich
um zeitlose Wünsche, die jeder berufstätige Mensch einfach haben muß, sofern
er eine gesunde Einstellung zu sich selbst und zu seiner Arbeit hat. In der
modernen Welt ist Arbeit nun einmal kein reiner Selbstzweck, sondern eine von
5
Vgl. Naisbitt, 1986, S.130
5
Einleitung
mehreren
Möglichkeiten,
sich
als
Mensch
zu
verwirklichen,
d.h.
Selbstbestätigung, Anerkennung, Erfolg und Zufriedenheit zu erleben.
Setzt man also voraus, daß zufriedene Mitarbeiter motivierte Mitarbeiter sind, sollte
dem Management die Erfüllung dieser Wünsche aus reinem Eigeninteresse am
Herzen liegen. Auf das Thema Delegation bezogen, läßt sich leicht erkennen, wie
hilfreich dieses Instrument ist, um die genannten Wünsche zu erfüllen.
Eine weitere These dieser Arbeit ist also, daß Delegation Freude an der Arbeit und
somit Zufriedenheit von Mitarbeitern schaffen kann.
Betrachten wir die eben genannten Erwartungen von Mitarbeitern der Reihe nach,
lassen sich folgende Aussagen ableiten:
1. Mitarbeiter, denen Aufgaben delegiert werden, handeln eigenständig und
verdienen allein schon deshalb den Respekt ihrer Vorgesetzten und Kollegen.
2. Ihre Tätigkeit ist interessant, weil sie abwechslungsreich und vielschichtig ist.
3. Werden delegierte Aufgaben gut erfüllt, bieten sich der Führungsebene immer
zusätzliche Gelegenheiten, die erbrachten Leistungen des Mitarbeiters
anzuerkennen.
4. Wer hervorragende Leistungen erbringt, erhält die Chance, größere Aufgaben
zu übernehmen und hat somit Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln.
5. Hat man sich durch gute Arbeit hervorgetan, werden Vorgesetzte genauer
hinhören, wenn Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen vorgetragen
werden.
6. Mitarbeiter nehmen sich selbst wichtig, weil sie über Entscheidungsspielräume
verfügen, in denen sie ihr eigener Herr sind.
7. Delegierte Aufgaben reichen häufig „über den Tellerrand hinaus“ und bieten
deshalb Gelegenheit, Dinge in einem größeren Zusammenhang zu sehen und
der eigenen Leistung einen neuen Stellenwert beizumessen.
8. Manager, die gut delegieren können, haben schon ein wichtiges Merkmal
eines guten Managers gezeigt.
9. Stellen delegierte Aufgaben eine zusätzliche oder größere Herausforderung
dar, bieten sie Mitarbeitern die Chance zu beweisen, daß sie mehr können als
das, was sie täglich leisten.
6
Einleitung
10. Manager, die delegieren, stellen Zusammenhänge her, geben Wissen und
Erfahrung weiter und machen erforderliche Informationen zugänglich, denn
schließlich wollen sie, daß ihre Mitarbeiter die Aufgabe bestmöglich erfüllen
können.
Diese Auflistung zeigt deutlich, warum sich jede Führungskraft mit dem Thema
Delegation auseinandersetzen sollte, wenn sie ihren unternehmerischen Auftrag
erfolgreich erfüllen will. Das Delegieren von Aufgaben birgt zu viele positive
Chancen und Möglichkeiten, um es außer acht lassen zu können!
Warum diese Chancen dennoch so wenig genutzt werden oder das Delegieren
mißlingt, obwohl es gewollt wird, soll im folgenden untersucht werden.
7
Menschenführung im Unternehmen
1. Menschenführung im Unternehmen
Ohne lange darüber nachzudenken, wird jeder, der eine Führungsaufgabe innehat,
kurz charakterisieren können, was Führung ist oder zumindest erläutern können,
was er darunter versteht. Für ihn ist das Führen von Mitarbeitern etwas
Selbstverständliches.6
Doch gerade hier liegt meiner Meinung nach ein gewichtiger Grund dafür, daß sich
die Wirklichkeit bezüglich der Delegation von Aufgaben von der Theorie
unterscheidet. D. h. gerade weil alles so einfach erscheint, wird die Umsetzung der
Theorie in praktisches Handeln oft zum Problem. Das Schlimme hierbei ist jedoch,
daß ich in Gesprächen mit Führungskräften selten höre, daß sie das Nichtgelingen
von Delegation ihrem eigenen Verhalten zuschreiben, sondern meistens andere
Erklärungen (Ausflüchte?!) haben:
„Geschrieben ist so etwas leicht, aber in der Praxis sieht alles ganz anders aus.“
„Bei unseren Mitarbeitern ist es doch kein Wunder, daß das Delegieren von
Aufgaben nicht funktioniert.“
„Unser Unternehmen ist einfach noch nicht soweit. Die Voraussetzungen müssen
erst noch geschaffen werden.“
Mag sein, daß in jeder Aussage ein Fünkchen Wahrheit steckt, aber aus meinem
Blickwinkel erscheint es doch häufig so, daß Führungskräfte zum einen dazu
neigen, ihre Mitarbeiter zu unterschätzen, aber auch dazu, sich selbst zu
überschätzen, was die Fähigkeit betrifft, die Mitarbeiter in neue Methoden der
Aufgabenbewältigung einzuführen. Diese Einführung in neue Arbeitsweisen
verlangt von einer Führungskraft pädagogischen Background, d.h. sie benötigt
Fähigkeiten, die häufig nur von Betriebspädagogen oder Ausbildern erwartet
werden, die aber meines Erachtens für eine erfolgreiche Führungskraft mindestens
ebenso wichtig sind.
Hierbei gilt es nun zweierlei Aspekte bezüglich der Menschenführung im
Unternehmen zu betrachten:
8
Menschenführung im Unternehmen
Vgl. von Rosenstiel, 1995, S.4
1. Über welche pädagogischen Fähigkeiten muß die Führungskraft verfügen, um
erfolgreich führen zu können?
2. Welches Verhalten, welche Fähigkeiten und Einstellungen benötigen die
geführten Mitarbeiter und in welcher Form kann eine Führungskraft die
gewünschten Aspekte schulen?
Ganz deutlich wird bereits an dieser Stelle: Die Führungskraft muß neben der
fachlichen Dimension, die in Universitäten gelehrt wird, auch über eine didaktische
Dimension verfügen, die innerhalb des Studiums allerdings sträflich vernachlässigt
wird. Zwar ist es richtig, daß persönliche Kompetenzen einen Teil dieser fehlenden
didaktischen und methodischen Ausbildung auffangen können, doch wird
erfolgreiches Führen auf der Basis pädagogischer Kenntnisse sehr viel einfacher
umsetzbar.
Der Manager der Zukunft braucht eine neue Form von Flexibilität, die man auch
als andauernden Lernprozeß bezeichnen könnte.7 Dies bedeutet nichts anderes,
als daß Führungskräfte sich in immer neuen Situationen neue Erkenntnisse
aneignen müssen, aber auch neue methodische Kompetenzen zu deren
Umsetzung
erlernen
müssen.
Derartige
Ansprüche
wurden
jenseits
des
Taylorismus zwar schon häufig formuliert und sind demnach unumstritten. Jedoch
nimmt der Druck von innen (aus den Reihen der Mitarbeiter) wie auch von außen
(aus der Gesellschaft) merklich zu, so daß es langsam Zeit wird, mit der
Umsetzung zu beginnen. Ganz deutlich wird dies beispielsweise bei der
Einführung eines neuen Führungsstils: Der autoritäre Manager von gestern hat bei
Einführung des partizipativen Führungsstils in seinem Unternehmen zwei
Möglichkeiten: er geht oder er nimmt den neuen Stil für sich an, steht dahinter und
lernt, die Mitarbeiter mit neuen Methoden zu führen. Dies bedeutet für ihn
persönlich auch eine deutliche Änderung seiner Grundeinstellung.
6
7
Vgl. von Rosenstiel, 1995, S.4
Vgl. Pietschmann, 1993, S.36
9
Menschenführung im Unternehmen
Führung soll in dieser Arbeit definiert werden als ein Interaktionsverhälnis
zwischen Führungskraft und Mitarbeitern. Hierbei gilt es zu beachten, daß
innerhalb
dieser
Konfiguration
ein
Wechselverhältnis,
ja
sogar
ein
Aufeinanderangewiesensein besteht.8
Worin besteht nun aber die wechselseitige Abhängigkeit?
Diese wechselseitige Abhängigkeit besteht darin, daß der Führende von seinen
Mitarbeitern akzeptiert werden muß, während der Mitarbeiter die Bereitschaft
zeigen muß, sich führen zu lassen. Dieses funktioniert nur bei gegenseitiger
Achtung und beidseitigem Vertrauen zueinander. Demzufolge stehen Führer und
Geführte auf ein und derselben zwischenmenschlichen Ebene. Dies braucht vor
allen Dingen gegenseitige Wertschätzung, welche sich darin verdeutlicht, daß die
Führungskraft
• notwendige Informationen verständlich weitergibt,
• freundliche Kommunikation pflegt,
• den Mitarbeiter fordert und fördert,
• gerechte Maßstäbe bei der Mitarbeiterbeurteilung anlegt,
• u.v.m.9
Im Gegenzug wird der Mitarbeiter
• seinen Vorgesetzten ehrlich und ausführlich informieren,
• immer offen kommunizieren,
• zur Kooperation mit der Führungskraft bereit sein
• u.v.m. 10
Diese gegenseitige Abhängigkeit und die gleichzeitige Berücksichtigung der
Gleichwertigkeit auf menschlicher Ebene macht das Verhältnis zwischen Führung
und Mitarbeitern zu etwas besonderem. Dies spiegelt sich auch im Verständnis der
Führung als pädagogischer Aufgabe wider, denn es handelt sich in keiner Weise
um ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, wie es häufig im Zusammenhang mit dem
8
Vgl. Wunderer, 1980, S.86-90
Vgl. Baumgardt, J., 1991, S.5
10
Hierbei soll freundlich nicht verstanden werden als „nett“, sondern eher als eine Geisteshaltung. Selbst wenn
z.B. Kritik nötig ist, kann diese so vorgetragen werden, daß der Kritisierte nicht in seiner Person, sondern in
der Sache kritisiert wird. Nur dann, wenn sie also in unserem Sinne freundlich vorgetragen wird, ist sie
konstruktiv und hat somit Berechtigung.
9
10
Menschenführung im Unternehmen
Begriff der Pädagogik gesehen wird, sondern es geht darum zu verdeutlichen, daß
„alle in einem Boot sitzen“ und es keine unterschiedlichen Wertigkeiten zwischen
Führung und Mitarbeitern gibt. Im Verlauf der Arbeit wird dies noch an mehreren
Stellen zum Ausdruck kommen.
1.1. Führungsaufgaben
Ich möchte die Beschreibung der Führungsaufgaben mit den Ergebnissen einer
Autorenbefragung beginnen, die ein interessantes Bild auf heutige Führungskräfte
wirft:
White
hat
anhand
von
Autoreninterviews
festgestellt,
daß
bei
vielen
Unternehmensleitern das Führen von Mitarbeitern die größte Quelle für
Frustrationen und auch das weiteste Feld ihrer Ignoranz darstellen. Auf Whites
Bitte, einen persönlichen Fehlschlag zu benennen, erzählen sie meistens über
eine Begebenheit, in der es um Menschen geht. Hier als Beispiel für eine Antwort:
„Ich hatte drei oder vier Untergebene, die ich viel früher hätte feuern können, als
ich es tatsächlich getan habe, ... Ich versuchte immer, alles zu reparieren und fair
zu sein. Manchmal feuerte ich tatsächlich jemanden, aber in anderen Fällen
zögerte ich, und ich wurde die Betreffenden nie mehr los. Wahrscheinlich war ich
zu human und konzentrierte mich zu sehr auf die Bedürfnisse des einzelnen allerdings zum Nachteil des Unternehmens. Einen einzigen Mitarbeiter feuerte ich
zu schnell. Das war höchstwahrscheinlich unfair. Einmal deckte ich auch einen
Trinker.“11
Dieses Beispiel ist zwar nicht repräsentativ, aber in der Tendenz vielen anderen
sehr ähnlich.
Schaut man sich die Aussage dieser Führungskraft an, so kann man feststellen,
daß für sie die Menschen, die sie in ihrem Unternehmen umgeben, ein Problem
darstellen, mit dem sie nicht gut umgehen kann. Grundlagenwissen der Pädagogik
hätten ihr hier vermutlich weitergeholfen.
11
White, 1997, S.156
11
Menschenführung im Unternehmen
Aus meinen bisherigen Ausführungen läßt sich ableiten, daß Führung sowohl
technische / methodische als auch soziale / persönliche Fähigkeiten umfaßt.
Die technisch / methodischen Kompetenzen unterstützen Aufgaben wie:
Zielsetzungen
bestimmen,
Planung,
Entscheidungen
treffen,
Organisation,
Realisation von Zielen, Kontrolle u.v.m.
Soziale / persönliche Kompetenzen ermöglichen Ziele wie:
Motivation der Mitarbeiter, Schaffen von Vertrauen, Eingehen auf die Bedürfnisse
der Mitarbeiter, aktives Zuhören usw.12
Im Rahmen dieser Arbeit bleiben einige der technischen Fähigkeiten wie z.B. das
Bestimmen
von
Zielsetzungen
im
Unternehmen
außen
vor,
denn
das
Hauptaugenmerk soll sich auf diejenigen technischen Fähigkeiten beschränken,
welche sich auf Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
beziehen. So spielt z.B. gerade die Kontrolle in Bezug auf das in dieser Arbeit
betrachtete Führungsinstrument Delegation eine große Rolle.13
Aber insbesondere die sozialen Fähigkeiten sind es, und hierin teile ich die
Grundauffassung der meisten in dieser Arbeit genannten Autoren, die für die
pädagogischen Elemente der Führungsarbeit relevant sind.
Glaubt man dem im folgenden aufgezeigten Bild eines Managers von morgen,
kann man die sogenannten „weichen Faktoren“ gar nicht hoch genug einschätzen:
„Der Manager von morgen sollte Visionär, Pionier, Koordinator, Moderator,
Impulsgeber, Integrator, Dirigent, Betreuer und Kommunikator in einem sein.
Personalkompetenz muß zu seinem inneren Besitz werden, denn er wird in
Zukunft immer mehr an seinen Führungsqualitäten als an der Bewältigung von
fachlichen Aufgaben gemessen.“14 Hinzu kommt:
„Führungsfähigkeit ist eine Frage des Bewußtseins. Die neue Führungskraft
schafft den Raum für die Entwicklung der Potentiale ihrer Mitarbeiter.“ 15 Wie sollte
sie dies aber ohne pädagogische Grundkenntnisse können?
12
Vgl. Kälin, K., 1993, S.20
Hierauf wird in den folgenden Kapiteln noch näher eingegangen
14
Lukas, A., 1993, S.17
15
Mann, R. 1993, S.187
13
12
Menschenführung im Unternehmen
Es ist sicherlich eindeutig, daß all diese gewünschten Fähigkeiten nicht bereits in
einem Menschen schlummern können, sondern daß es Möglichkeiten gibt, sich
Führungsqualitäten zu erarbeiten, also zu lernen. Dies gilt in meinen Augen für
alle Faktoren. Hierbei gibt es allerdings gravierende Unterschiede in der Art und
Weise des Erlernens und auch im Schwierigkeitsgrad. Es ist relativ einfach, sich
Fachwissen anzueignen z.B. darüber, wie man Menschen motivieren kann.
Schwierig wird die Umsetzung, also die Methodik, angelerntes Wissen in die
Praxis umzusetzen. Gerade hier setzt jedoch die Pädagogik an, die didaktische
Möglichkeiten aufzeigt, als Pädagoge im Unternehmen tätig zu werden. Das
einzige, was sich nicht wirklich lernen läßt, ist die innere Einstellung: Es ist nicht
möglich, eine Führungskraft, die nicht viel von ihren Mitarbeitern hält, dazu zu
bringen, Vertrauen in das Leistungsvermögen ihrer Mitarbeiter zu haben. Hier hilft
auch die Pädagogik nicht weiter.
Zu diesem Phänomen möchte ich kurz ein Beispiel aus meiner Beratungspraxis
geben: Bei der Zertifizierung eines Dienstleistungsunternehmens war es meine
Aufgabe, den Mitarbeitern den partnerschaftlichen und freundlichen Umgang mit
Kunden nahezubringen. Die Führungskraft erzählte mir aber schon vorher, daß sie
bereits alles versucht habe, aber sie habe nur gelernt, daß diese Mitarbeiter nicht
dazu in der Lage seien, neue Ansprüche zu erfüllen. „Das bekommen auch Sie
nicht in die Köpfe hinein.“ Während der Arbeit mit den Verkäuferinnen wurde sehr
schnell deutlich, warum die bisherigen Bemühungen der Mitarbeiterschulungen
vergebens waren. Die Mitarbeiterinnen gaben mir nämlich deutlich zu verstehen,
daß sich meine Arbeit in der Methodik nicht wesentlich von der bisherigen
Arbeitsweise
unterschied,
aber
sie
bemerkten
bei
mir
eine
andere
Grundeinstellung: Ich hatte Vertrauen in das Leistungsvermögen und konnte
dadurch eine Leistungssteigerung bewirken / auslösen.
Ein Persönlichkeitsmerkmal, das Führungskräfte benötigen und das man
wahrscheinlich nicht erlernen kann, ist, ein positives Menschenbild in sich zu
tragen.
Krüger stellt deshalb folgende Anforderungen an eine Führungskraft: „Eine
Person, die humane Haltungen vermitteln will, muß sich vor allem auf die
13
Menschenführung im Unternehmen
Internalisierung von humanen Haltungen bemüht haben, so daß diese in ihrem
Handeln erlebbar werden. Sie muß sich im Sinne von Fach-, Methoden- und
Kommunikationskompetenz als fähig erweisen, humane Haltungen vermitteln zu
können, sie muß es verstehen, in der anderen Person etwas zum Schwingen zu
bringen, was diese dazu motiviert, sich mit dieser Thematik beschäftigen zu
wollen. Die vermittelnde Person berücksichtigt in ihrem Tun den anderen
Menschen, sie mißt Verantwortlichkeit ihres Handelns auch an den Folgen für
andere, für deren Erleben sie sich interessiert und soziale Reaktionen in ihr
Handeln wiederum einbezieht.“16
Dies bedeutet meiner Meinung nach nichts anderes, als daß die Einstellung einer
Führungskraft deckungsgleich sein muß mit ihren Handlungen. Sie muß
authentisch sein. Nur auf diese Weise kann man erfolgreich führen und Mitarbeiter
immer wieder motivieren und ihnen somit Spaß an der zu lösenden Aufgabe
bieten. Hierzu möchte ich erneut auf den Ort zu sprechen kommen, mit dem wir
alle die Pädagogik verbinden, nämlich der Schule. Jeder von uns hat es doch
sicherlich erlebt, daß die Bewertung eines Faches mit der Persönlichkeit des
Lehrers steht oder fällt. Vermittelt ein Lehrer unbewußt oder bewußt die Freude,
die er an seinem Fach oder seiner Arbeit allgemein hat, überträgt sich dies häufig
auf die Lerngruppe. Unmotivierte Lehrer dagegen dürfen sich nicht über
unmotivierte Schüler beklagen.
Das Führen von Mitarbeitern beruht in erster Linie auf Kommunikation. Es müssen
Problemlösungen
formuliert
werden,
Entscheidungen
getroffen
werden,
Anerkennung, aber auch Kritik formuliert werden u.v.m.17
Wie häufig sprechen Mitarbeiter jedoch mit ihren Führungskräften? Aus einer 1989
durchgeführten Studie von Gerhardus18 geht hervor, daß Außendienstmitarbeiter
noch relativ häufig mit Vorgesetzten sprechen (38% diskutieren nach eigenen
Angaben wöchentlich einmal die Arbeitsergebnisse, dagegen führen nur 16%
16
Krüger, E., 1993, S.197
Vgl. Regnet, 1995, S.206
13
Vgl. Gerhardus, 1989, S.6-8
17
14
Menschenführung im Unternehmen
keine Gespräche), während Innendienstmitarbeiter nur relativ selten Gespräche
mit Vorgesetzten führen (35% betonten, es gäbe keine Gespräche über
Arbeitsergebnisse; 52% gaben an, daß es keine Gespräche über Arbeitsmethoden
gäbe; 50% wiesen darauf hin, daß es keine Gespräche über Verhaltensweisen am
Arbeitsplatz gäbe).
Hier wird ganz deutlich, daß die Führungskraft ihrer Aufgabe als „Kommunikationsmanager“ nicht gerecht wird, denn wenn Mitarbeiter so wenig mit dem
Vorgesetzten reden, kann das nur zu Defiziten und somit zu Problemen führen.
Gerade in Bezug auf das Delegieren von Aufgaben muß an dieser Stelle nochmals
betont werden, wie wichtig der Informationsaustausch für das Gelingen der
delegierten Aufgaben ist.
Es ist jedoch nicht nur die Quantität der Gespräche zwischen Führungskraft und
Mitarbeitern, sondern auch die Qualität, die es zu berücksichtigen gilt: „Neben der
notwendigen Berücksichtigung der Eigenarten der Personen, die sich mit Themen
auseinandersetzen
sollen,
neben
der
notwendigen
Berücksichtigung
der
atmosphärischen Gestaltung einer Vermittlungssituation, die für Vermittlung
förderlich sein soll, kommt zudem der vermittelnden Person selbst ein erheblicher
Stellenwert für das Gelingen von Vermittlung zu. Die vermittelnde Person darf sich
in ihrer Vermittlung nicht auf das kognitive Moment zurückziehen, sondern bedarf
der Fähigkeit, ihre erworbene und durch ihre Person repräsentierte Kompetenz im
konkreten Handeln während des Vorganges der Vermittlung erlebbar zu
machen.“19 Gefordert wird hier eine Art der Kommunikation, die für den
Gesprächspartner verständlich ist. Dies ist häufig nur dann möglich, wenn das zu
transportierende Wissen veranschaulicht wird. Dies kann z.B. durch technische
Hilfsmittel wie den OHP oder aber durch Vormachen geschehen. Derjenige, der
etwas über den Weg der Kommunikation veranschaulichen will, muß also die
beste Möglichkeit suchen, damit das, was er sagen möchte auch bei der anderen
Person ankommt. In der Pädagogik heißt diese Forderung: Man muß den
Menschen dort abholen, wo er gerade steht. So wird das Gespräch zwischen „zwei
19
Krüger, E., 1993, S.211/212
15
Menschenführung im Unternehmen
alten Hasen“ im Unternehmen ganz anders verlaufen als das Gespräch zwischen
einer Führungskraft und einem neuen Mitarbeiter.
Dies leitet zur nächsten Herausforderung über, die eine Führungskraft (ein
zeitgemäßes Führungsverständnis vorausgesetzt) erfüllen muß.
Meiner Auffassung nach gehört es zu den wesentlichen Aufgaben einer
Führungskraft, die Entwicklung von Mitarbeitern zu fördern. Hierzu ist das
Delegieren von Aufgaben ein wesentliches Instrument. Um aber nun Mitarbeiter zu
fördern und nicht etwa zu überfordern, sollte folgendes beachtet werden:
Mitarbeiter müssen wissen, daß sie anhand delegierter Aufgaben gefördert werden
sollen und ihren Fähigkeiten entsprechend weiterentwickelt werden sollen.
Darüber hinaus sollten auch die Gründe für die Auswahl genannt werden, um dem
Mitarbeiter Sicherheit zu vermitteln, der Aufgabe gewachsen zu sein. Wesentlich
erscheint auch, daß die Führungskraft dem Mitarbeiter die Angst vor einem
Versagen nimmt und seine Unterstützung anbietet, falls es zu Schwierigkeiten
kommt.
„Führung hieße vor allem das Schaffen von Rahmenbedingungen, innerhalb derer
sich das Potential der Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensziele entfalten kann.
Die Führungskraft sei also aufgefordert, Selbstorganisationsprozesse anzuregen,
zu ermöglichen und zu unterstützen.“20 Solche Rahmenbedingungen schließen
auch das „Versagen dürfen“ mit ein, denn gerade das Wissen darum, nicht perfekt
sein zu müssen, bietet dem Mitarbeiter das Gefühl der Sicherheit, so daß er sich
auch traut, Entscheidungen zu treffen.
Als weitere zentrale Aufgabe der Führungsarbeit kann man das Vermitteln von
Sinn (bezogen auf das Tun am Arbeitsplatz) ansehen. Um diese Aufgabe zu
erfüllen, ist es besonders wichtig, folgende Impulse zu berücksichtigen:
• Es gilt Orientierung zu vermitteln. Dies kann z.B. durch die Schaffung von
Visionen geschehen.
• Der Mitarbeiter braucht Handlungsspielräume, in denen er gefordert wird.
20
Götz, K., 1997, S.20
16
Menschenführung im Unternehmen
• Der Mitarbeiter muß die Wertschätzung der Führungskraft spüren. 21
Diese Sinnvermittlung bedarf meiner Meinung nach besonderen pädagogischen
Geschicks, denn sie soll ja schließlich für alle Ebenen im Unternehmen möglich
sein.22
1.2. Führung als pädagogische Aufgabe
Wie wird der Begriff des Führens in der Pädagogik ausgelegt? „Der Mensch, der
sich doch selber führen soll, soll geführt werden?’23 Es gehört zur Aufgabe der
Bildung und Erziehung, positiven, fördernden Einfluß auf andere Menschen
auszuüben. Hierbei bleibt der Mensch eigenverantwortlich (führt sich selbst), oder
aber es wird versucht, ihn zu verändern (wird geführt). Dies kann sich auf
Verhaltensänderungen aber auch auf das Annehmen neuer Sichtweisen beziehen.
Wichtig ist jedoch, daß derjenige, der Einfluß ausübt, also z.B. der Lehrer, sich
legitimieren muß. Seine Einflußnahme ist durch bestimmte Rahmenbedingungen
wie z.B. durch Curricula festgelegt. Im pädagogischen Sinne heißt das: „Führen als
zielorientierte Verhaltensbeeinflussung ist methodisch bedachte, geplante und
geprüfte Einflußnahme auf andere und auf deren künftige Kompetenzgestaltung
unter gleichzeitiger Legitimierung der leitenden Interessen.“24
Desweiteren ist Führen von Mitarbeitern insofern eine pädagogische Aufgabe, als
daß zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter eine Interaktion in Gang
gesetzt wird. Es treffen zwei Individuen aufeinander, die eine Beziehung
miteinander eingehen, um einen bestimmten Zweck zu verfolgen:
„Ziel der Führung ist die aktive Mithilfe zur Entwicklung einer Fertigkeit oder
Fähigkeit beim Geführten, welche gleichzeitig das Ziel der Mündigkeit mit
einschließt. Ein solcher pädagogischer Führungsvorgang muß sachlich, d.h.
21
17
23
24
Vgl. Götz, K., 1997, S.21
Vgl. S. 105 ff dieser Arbeit
Löwisch, D.-J.: 1991, S.3 hier 1996 abgleichen
a.a.O. S.4
17
Menschenführung im Unternehmen
mittels vernünftiger Argumente begründet und gestaltet werden, damit dieser
jederzeit transparent, plausibel und nachvollziehbar ist.
Nur unter dieser Prämisse kann Führen im pädagogischen Sinne verstanden und
vertreten werden.“25 Es gilt also folgende Formel:
Führung = Hilfe zur Selbsthilfe26
Führung kann verstanden werden als Umsetzung der pädagogischen Aufgabe
„einer förderlichen, zielgerichteten Begleitung“.27
Bevor ich mich mit dem Führen von Mitarbeitern als pädagogischer Aufgabe
auseinandersetze,
möchte
ich
darauf
hinweisen,
daß
es
die
„optimale
Führungspersönlichkeit“ bzw. das „optimale Führungsverhalten“28 nicht geben
kann.
„Daß sich Menschen gegenseitig als Menschen respektieren, daß sich Menschen
als Individuen und damit anders als andere begreifen und daß sie erkennen, daß
sie als soziale Wesen auf ein Miteinander verwiesen sind, ist die Aufgabe von
Pädagogik. Die Pädagogik hat Wege aufzuweisen und ein Zeugnis davon zu
geben, wie die Menschen gewaltfreie und effektive Wege finden können,
miteinander so um ihre Positionen zu streiten, daß die Positionen des Einzelnen
und der Gesamtheit gleichermaßen berücksichtigt werden.“29
Im Blickwinkel der Pädagogik steht der gesamte Mensch, d.h. sowohl der Teil, der
durch Vernunft und Verstand geleitet wird, als auch der Teil, der durch Emotionen
und Affekte gesteuert wird.30 Das ist für erfolgreiches Führungsverhalten eine
wesentliche Voraussetzung.
„Ich meine, wir Erzieher, wir Lehrer müssen in jedem Kinde die Möglichkeit der
höchsten geistigen Entwicklung als vorhanden anerkennen. Wir müssen uns so
25
Krüger, E., 1993, S.17/18
Vgl. Baumgardt, J., 1991, S.5
27
Vgl. Krüger, E., 1993, S.19
28
Die Begriffe werden so verwendet bei von Rosenstiel, 1995, S.23
29
Krüger, E., 1993, S.36
30
Vgl. Krüger, E., 1993, S.36
26
Otto, B., 1994, S.77
26
18
Menschenführung im Unternehmen
benehmen, als ob wir mit jedem ungeschickten Eingriff die Menschheit eines
großen Geistes berauben könnten; denn wir können in keinem einzelnen Falle
wissen, ob das nicht wirklich so ist.“31 Hier wird ganz deutlich, wie die Einstellung
eines Lehrers - und dasselbe gilt auch für eine Führungskraft - aussehen muß:
Eine gute Führungskraft wird immer davon ausgehen, gute Mitarbeiter zu haben,
deren Förderung und Forderung sich lohnt. Nur, wenn man Menschen etwas
zutraut, wird man erfahren, was sie zu leisten imstande sind. Wer seinen
Mitarbeitern keine Möglichkeiten eröffnet, wird nie erfahren, welche Fähigkeiten
ungenutzt in den Menschen schlummern.
Neben dieser Einstellung den Menschen gegenüber kommt noch eine zweite
Komponente hinzu, die für den Erfolg ausschlaggebend sein kann:
Otto weist darauf hin, daß man Kindern als Freund und Leiter entgegengehen
soll,32 damit man sie fördern kann. Es kommt besonders auf die Lernathmosphäre
an, wenn es darum geht, wie erfolgreich das Lernen sein soll. Wenn ein Kind (und
das gilt uneingeschränkt auch für Erwachsene) Angst empfindet, wird es sehr viel
weniger Lernen als ein Kind, das Spaß am Lernen hat. Unter Umständen entsteht
sogar eine Lernblockade.
Auch das Betriebsklima spielt also eine große Rolle. In der Auseinandersetzung
mit der Unternehmenskultur werde ich hierauf noch genauer eingehen. 33
1.3. Lernfelder für Führungskräfte
„Viele obere Führungskräfte glauben nicht, daß Führen erlernbar ist
ja, noch nicht einmal verbesserbar ist, weil angeblich nur ein bestimmter
Prozentsatz der Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet sei - die
alte Null-Summen-Mentalität schimmert da durch.“34
Hierin
liegt meiner Ansicht nach das größte Problem, wenn es um die
Veränderung / Optimierung von Führungsmöglichkeiten geht. Wer so denkt,
31
Otto, B., 1994, S.77
Vgl. Otto, B., 1994, S.80
33
Vgl. S.155 ff dieser Arbeit
34
Jeserich, W., 1990, S.120
32
19
Menschenführung im Unternehmen
legitimiert ja geradezu das Nichtumsetzen neuer Führungstechniken. Bezüglich
der Delegation von Aufgaben ist ein solches Denken gleichzusetzen mit dem
Anfang vom Ende. Ich halte es für das oberste Gebot, daß Führungskräfte hier
eine neue Sichtweise annehmen. Unternehmen, deren Erfolg von derartig
denkenden Führungskräften abhängig ist, werden in der Zukunft wohl nur noch
geringe Erfolgsaussichten haben.
Führungskräfte müssen heutzutage auch lernen zu lernen. Denn nur auf diese
Weise können sie wachsen und sich verändern, um somit für das Unternehmen
und die Mitarbeiter zukunftsweisend zu sein.35
Insbesondere Führungskräfte, die gerade erst in den Arbeitsalltag eintreten,
müssen lernen, richtig mit der „Vergangenheit des Unternehmens“ umzugehen.
Das bedeutet, daß sie sich die Erfahrungen und die gewachsenen Strukturen des
Unternehmens
zunutze
zukunftsorientierte
machen
Entwicklung
zu
sollen,
nutzen.
um
In
sie
als
keiner
Basis
Weise
für
eine
aber
sollte
althergebrachtes einfach kopiert und fortgesetzt werden.36 Hierfür gibt es zwei
Gründe: Zum einen kann dieses „Verhaftetsein in der Geschichte“ eine für die
Zukunft notwendige Entwicklung verhindern und zum anderen paßt weder zu
jedem Unternehmen noch zu jeder Führungskraft derselbe Stil. Was also gestern
mit Herrn X gut war, kann heute schon mit Herrn Y in die Katastrophe führen. Hier
gilt auch ein Grundsatz der Pädagogik, daß der Mensch und sein Handeln
deckungsgleich sein müssen, um erfolgreich zu sein. Stülpt man sich selbst ein
Image über, hinter dem man nicht steht, kann das nur schiefgehen.
Echte Führungspersönlichkeiten hören gut zu, denn sie wissen, wie wichtig
Informationen von Mitarbeitern sind. Dies gilt insbesondere für Informationen, die
von der Basis kommen, denn nur wenn die Führungskraft weiß, was los ist, kann
sie wirklich gut führen.37 Dieses gute Zuhören wird häufig unterschätzt. Es bildet
aber die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und
35
36
Vgl. White, 1997, S.151
Vgl. White R.P., 1997, S.65
20
Menschenführung im Unternehmen
Mitarbeitern. Nur auf diese Weise kommen wichtige Informationen von der Basis in
die Führungsetage. Außerdem habe ich im Vorfeld schon darauf hingewiesen, daß
Führer und Geführter gleichberechtigte Partner sind und dies sollte man auch zum
Ausdruck bringen. Richtiges Zuhören signalisiert Achtung und fördert das
Vertrauen.
Daneben gilt, daß gute Führungskräfte ständig bemüht sind, sich dem
Gesprächspartner verständlich zu machen. Sie haben nämlich eindeutig erkannt,
daß das, was für sie selbst klar erscheint, für andere noch lange nicht verständlich
sein muß.
„Im Bemühen, sich verständlich zu machen, vereinfachen sie und befleißigen sich
der
Sprache
des
anderen
oder
der
bildhaften
Analogie.
Gelegentlich
übersimplifizieren sie bewußt oder unbewußt, weil sie genau wissen, daß
komplizierte Dinge nicht verstanden werden und daher auch nicht wirksam werden
können.“38
Auch hier ist es wiederum einfach zu sagen: „Anders kann ich mich nicht
ausdrücken!“ Aber gerade in solchen Augenblicken sollte man sich das
„Mausprinzip“ zu eigen machen: „Die Sendung mit der Maus“ hat nicht umsonst
den Ehrendoktor der Essener Universität verliehen bekommen, sondern aus dem
einfachen Grund, daß sie selbst die schwierigsten Sachverhalte einfach erklären
kann, so daß selbst kleine Kinder z.B. chemische Zusammenhänge verstehen
können.
1.4. Lernfelder für das Unternehmen
Das Unternehmen schafft die Voraussetzungen dafür, wie gelernt, gearbeitet und
geführt werden kann. Auch das Selbstverständnis eines Unternehmens trägt dazu
bei, inwiefern Veränderungen gewollt sind oder abgelehnt werden, ob man zu den
37
38
Vgl. Malik, 1993, S.161/162
Malik, 1993, S.162
21
Menschenführung im Unternehmen
Marktführern zählen möchte oder nur im Fahrwasser anderer Unternehmen
schwimmt.
In dieser Arbeit gehe ich jedoch von einem Unternehmensmodell aus, das
innovativ sein möchte, um am Markt erfolgreich zu sein. Was aber muß ein
Unternehmen, das heute erfolgreich ist, dafür tun, um morgen noch erfolgreich zu
sein?
„‘Einen Wettbewerbsvorteil erreicht man nicht, indem man etwas tut, was schon
andere gut können’, bemerkte John Kay von der London Business School. ‘Wir
wissen, daß das für uns als Einzelpersonen gilt. Mit etwas Mühe erkennen wir
auch, daß es für Unternehmen ebenso gilt - nämlich daß der echte Erfolg eines
Unternehmens darauf beruht, daß es andere Fähigkeiten hat als seine
Konkurrenten, und nicht darauf, daß es die Erfolgreichen seiner Branche
imitiert.’“39
Wie bekommt man als Unternehmen aber solch andere Fähigkeiten?
Im Zusammenhang mit dem Begriff Pädagogik fällt jedem natürlich sofort wieder
die eigene Schulzeit ein. Nun ist der Betrieb keine Schule im institutionellen Sinn,
die Führungskraft ist kein Lehrer und der Mitarbeiter lange kein Schüler. Dennoch
gehe ich soweit, den Betrieb als „Schule des Lebens“ zu bezeichnen. Die
Menschen bringen bereits Qualifikationen, Fachwissen und natürlich eine
Persönlichkeit mit, aber diese werden im Betrieb weiterentwickelt und beeinflußt.
Deutlich wird dies an immer neuen Anforderungen bezüglich des Fachwissens und
auch z.B. an den Einflüssen auf das Individuum durch die Unternehmenskultur.
Die Unternehmung könnte also durchaus als ein „Erziehungsfaktor“ verstanden
werden.40
Dies bedeutet nichts anderes, als daß ein Unternehmen sich der Aufgabe der
Weiterentwicklung
39
40
seiner
Mitarbeiter
widmen
zitiert nach White, 1997, S.70
Vgl. Abraham, K., 1957
22
muß,
um
die
notwendigen
Menschenführung im Unternehmen
Fähigkeiten
zu
fördern,
also
durchaus
auch
seinen
Erziehungsauftrag
wahrzunehmen.
Erziehung wird häufig nur sehr eng gesehen, was sicherlich darauf zurückzuführen
ist, daß die meisten Menschen hier an die Kindererziehung im Elternhaus oder
aber an die Erziehung innerhalb der Institution Schule denken. Dies wird aber dem
eigentlichen pädagogischen Handeln nicht gerecht.
Innerhalb
einer
anthroposophischen-philosophischen
Betrachtung
umfaßt
Erziehung drei wesentliche Komponenten:
• die Person oder Persönlichkeit, die erzieht (also die Führungskraft),
• die Kultur, die Einfluß ausübt,
• die Situation, in der erzogen wird.41
„Wirtschaftserziehung,
d.h.
Erziehung
zum
Handeln
im
ökonomischen
Lebensbereich, ist in jeder Form und auf jeder Entwicklungsstufe menschlichen
Zusammenlebens notwendig.“42
Und eben diese Wirtschaftserziehung ist Aufgabe des Unternehmens und somit
seiner Führungskräfte.
Wesentlicher Bestandteil dieser Erziehung ist das Lernen. „Wir möchten wetten,
daß sich das, was die im Abwärtstrend gefangenen Unternehmen miteinander
verbindet, auf einen Mangel an Lernfähigkeit reduzieren läßt. Entweder waren sie
zu beschäftigt damit, die Lektionen des Gestern zu lernen, so daß sie keine Zeit
hatten sich auf das Morgen einzustellen, oder sie betrachteten das Lernen als
etwas, was in die Schule und nicht in ein modernes Unternehmen gehört.“ 43
Lernen von Delegieren gehört dazu!
Mit
Lernen
kommt
der
Erfolg,
mit
kontinuierlichem
Lernen
bleibt
er.
Kontinuierliches Lernen ist allerdings oft ein komplizierter Prozeß. Wie Paul
41
Vgl. Baumgardt, J., 1991, S.22
Wurdack, E., 1982, S.156
43
White, R. P. u.a., 1997, S.145
42
23
Menschenführung im Unternehmen
Turner, Personalchef von TSB (eine britische Bank, die vor kurzem mit Lloyds
fusionierte), sagt:
„Modelle von lernenden Organisationen sind wertlos, wenn man nicht versteht, wie
verzweigt und komplex diese Organisationen sind. Die Veränderung unserer
Unternehmenskultur weg von der traditionellen Bank bedeutete zu akzeptieren,
daß wir alle uns verändern können. Es ist eine Herausforderung für uns, Prozesse
zu vereinfachen und auch zu erkennen, daß die Umsetzung mehr Erfahrenheit
erfordert, als dies in der Vergangenheit der Fall war.“44
Zwei Faktoren sind Voraussetzung dafür, daß Unternehmen Lernen lernen:
• Ermutigung aller Mitarbeiter anhand und von den Aufgaben zu lernen;
• Karrierewege, die auf das Lernen hin konzipiert sind.45
Dies ist auch gültig bezüglich Delegation: „Der strategische Einsatz von
Aufgabenzuteilungen mit dem Zweck, die Entwicklungsbedürfnisse des einzelnen
und des Unternehmens miteinander in Einklang zu bringen, hat positive
Auswirkungen auf die Organisation.“46
Was sich jedoch so einfach anhört, ist durchaus ein komplexer Vorgang, der das
gesamte Unternehmen betrifft: „Die lernende Organisation braucht Führende, die
gleichzeitig Lehrer, Planer und Verwalter sind. Es müssen aber auch noch andere
Fähigkeiten entwickelt werden. Es müssen Modelle geschaffen, gemeinsame
Visionen entwickelt und mehr Menschen dazu ermutigt werden, über das ganze
System und nicht nur über einen kleinen Teil davon nachzudenken.“ 47
Wie kann man in einem Unternehmen eine lernfreudige Umgebung schaffen?
Bickenbach führt dazu aus:
„Das Lernen muß sooft wie möglich am Arbeitsplatz stattfinden und soweit wie
möglich in den Arbeitsprozeß integriert sein. Dies gilt um so mehr, als die
44
White, R. P. u.a., 1997, S.149
Vgl. White, R. P. u.a., 1997, S.150
46
White, R. P. u.a., 1997, S.151
47
White, R. P. u.a., 1997, S.159
45
24
Menschenführung im Unternehmen
notwendigen sozialen Fähigkeiten, die sich ja wesentlich auf den Umgang der
Mitarbeiter untereinander beziehen, am besten in realen Situationen, aber wohl
kaum in theoretischen Seminaren erlernt werden können. Insbesondere die
soziale Kompetenz der zukünftigen Gruppen- oder Projektmitglieder sollte deshalb
in Gruppenbesprechungen und Kurzworkshops anhand konkreter Fragestellungen
geschult werden, bevor Gruppen- oder Projektarbeit eingeführt wird.“48
Ich möchte es bei diesen kurzen Anmerkungen bewenden lassen, denn diesen
Themenkomplex in aller Ausführlichkeit zu behandeln, würde den Rahmen dieser
Arbeit sprengen.
48
Bickenbach, F., 1996, S.52/53
25
Menschenführung im Unternehmen
2. Das Managen von Arbeit
Zum Eingang dieses Kapitels eine Anmerkung des Autors: Das folgende, wie auch
weitere Kapitel dieser Arbeit „leben“ zum überwiegenden Teil von eigenen
Meinungen und Erkenntnissen, welche aus Erfahrungen aus meiner beruflichen
Praxis herrühren. Mir ist bewußt, daß ich mich hiermit der Kritik einer nicht
wissenschaftlichen Vorgehensweise aussetzen muß. Ich stelle mich dieser Kritik,
da ich ansonsten meinen eigenen Ansprüchen an dieses Thema nicht gerecht
werden kann. Außerdem möchte ich noch argumentieren (und hiermit gleichzeitig
um Akzeptanz werben), daß jede wissenschaftliche Erkenntnis irgendwann einmal
als eigene Meinung geboren ist.
So lange ich mich auf eine einzige oder einige wenige Aufgaben konzentriere,
kann ich meine Energie gebündelt und gezielt einsetzen:
Die Arbeit geht gut von der Hand und ich erziele schnell meßbare Ergebnisse.
Wenn ich meinen Arbeitseinsatz steigere, schaffe ich auch mehr oder verbessere
meine Ergebnisse.
Dies wirkt sich positiv auf meine Arbeitszufriedenheit, dies wiederum positiv auf
meine Lebenszufriedenheit aus.
Dieser positive Effekt setzt bei vielen Managern, trotz hoher Stundenleistungen
und großem Einsatz an Kraft und Nerven, häufig jedoch nicht ein.
Sie arbeiten zwar hart (Quantität), aber sie schaffen im Verhältnis zum Einsatz zu
wenig (Effektivität). 49
Sie haben eben nicht den Vorteil, daß sie sich auf eine einzige Aufgabe
konzentrieren dürfen, sondern von ihnen wird verlangt, daß sie an mehreren
"Fronten" gleichzeitig kämpfen, immer und überall präsent sind, auf alles eine
Antwort und für jedes Problem eine Lösung haben.
Ist das die ausgleichende Strafe dafür, daß man sich Führungskraft nennen darf
und ein gehobenes Einkommen bezieht?
Vgl. Blanchard, Oncken, Burrows, 1990, S.18
49
Vgl. Blanchard, Oncken, Burrows, 1990, S.18
8
Menschenführung im Unternehmen
Dem einen oder anderen mag dies so vorkommen, aber das ist nicht die Antwort.
Wer als Führungskraft das Gefühl hat, daß er viel arbeitet, aber so recht nichts
schafft, managt sich selbst und seine Arbeit falsch.
Kenneth Blanchard beschreibt diesen Konflikt sehr anschaulich an der Situation
eines jungen Managers:50
„Zuerst sah alles sehr gut aus. Ich war begeistert von meiner neuen
Arbeit, und mein Schwung hatte anscheinend auch auf meine
Mitarbeiter ausgestrahlt. Produktivität und Arbeitsmoral verbesserten
sich spürbar; bevor ich die Leitung der Abteilung übernahm, war
beides, wie man mir berichtete, auf einem Tiefstand gewesen. Nach
dem anfänglichen Anstieg begannen die Leistungen meiner Abteilung
wieder abzusinken, erst langsam, dann immer schneller. Nach dem
Leistungseinbruch fiel auch die Arbeitsmoral ab. Trotz Überstunden
und angestrengter Arbeit konnte ich den Niedergang nicht aufhalten.
Ich war ratlos und sehr enttäuscht. Wie es schien, fiel ich, je härter ich
mich ins Zeug legte, nur um so weiter zurück, und die Ergebnisse in
meiner Abteilung wurden immer schlechter.
Ich arbeitete täglich länger und fuhr manchmal sogar samstags und
sonntags ins Büro. Und trotzdem schaffte ich längst nicht alles. Ich
stand ständig unter Druck und litt sehr unter der Situation. Ich dachte
schon, ich bekomme ein Magengeschwür und ein nervöses Zucken im
Gesicht.
Mir wurde bewußt, daß dadurch auch meine Familie zunehmend
belastet war. Ich war so selten zu Hause, daß meine Frau Sarah mit
allen familiären Problemen allein fertig werden mußte. Und wenn ich
mal zu Hause war, war ich praktisch ständig müde und mit den
Gedanken bei der Arbeit, und das bis weit in die Nacht. Auch unsere
beiden Kinder waren sauer, weil ich einfach nie die Zeit fand, um mit
ihnen zu spielen. Aber ich sah keine andere Möglichkeit - schließlich
mußte die Arbeit doch getan werden.“
50
a.a.O., S.14
9
Menschenführung im Unternehmen
Nach dieser Situationsbeschreibung liegt es nahe, diese Führungskraft für ein
bedauernswertes Wesen zu halten. Dennoch ist jede Form von Mitleid
unangebracht, denn der Betroffene ist für sein Dilemma ausschließlich selbst
verantwortlich.
Das Managen von Arbeit
wird mit dem zunehmenden Umfang (Anzahl und
Menge) von Aufgaben zunächst schwieriger. Aber genau darin besteht eine
zentrale
Managementaufgabe
und
persönliche
Herausforderung
für
die
Führungskraft.
In diesem Zusammenhang fällt mir die Geschichte von „dem Wanderer und dem
Holzfäller“ ein:
Ein Wanderer trifft im Wald einen Holzfäller, welcher unter größter Anstrengung
dabei ist, einen Baum zu fällen.
Der Wanderer sieht, wie der Holzfäller sich müht und stellt fest, daß dessen Säge
vollkommen stumpf ist.
Auf den gutgemeinten Rat des Wanderers, er solle doch seine Säge schärfen,
antwortet der Holzfäller: „Ich habe keine Zeit, ich muß sägen!“
Genauso wie der eben beschriebene Manager hat der Holzfäller vor lauter Arbeit
und Anstrengung den Blick für das Wesentliche und Sinnvolle verloren. Und es ist
sicher keine besonders vage Aussage zu behaupten, daß dies wohl vielen
Managern
so
geht.
Vor
lauter
„Tagesgeschäft“
werden
wesentliche
Führungsaufgaben nicht nur vernachlässigt, sondern schlichtweg vergessen.
Es ist an dieser Stelle deshalb angebracht, genauer danach zu fragen:
Was sind eigentlich die wesentlichen Fürungsaufgaben und woran läßt sich
messen, ob die hierin investierte Zeit sinnvoll angelegt ist?
Wer die eben gestellten Fragen für sich beantworten möchte, wird nicht darum
herumkommen, sein eigenes Tun gründlich zu analysieren.
Dies ist deshalb so wichtig, weil es meiner Meinung nach nicht darauf ankommt,
was „man“ für die wesentlichen Führungsaufgaben hält und als sinnvoll erachtet,
10
Menschenführung im Unternehmen
sondern welches für jeden einzelnen und dessen individuellen Auftrag die
ausschlaggebenden Kriterien für erfolgreiche Führung sind.
Damit sei nicht gesagt, daß es keine allgemeingültigen Erfolgsfaktoren gäbe, denn
diese gibt es beispielsweise im Bereich der kommunikativen Kompetenz mit
Sicherheit.
Was jedoch im Einzelfall wesentlich und sinnvoll ist, kann erst nach einer ziel-,
situations-, und personenbezogenen
Betrachtungsweise und nicht nach
allgemeinen Maßstäben beurteilt werden.
Auf den folgenden Seiten stelle ich ein Analyseinstrument vor, welches aufdecken
soll, ob eine bzw. welche Diskrepanz zwischen dem IST und dem SOLL einer im
o.g. Sinne handelnden Führungskraft besteht.
2.1 Tätigkeitsanalyse
Im folgenden (auf den Seiten 28-33) wird „Sie“, die Führungskraft, direkt
angesprochen, da ich dieses Analyseinstrument, exakt in der hier vorliegenden
Form, bereits während der Entstehungsphase dieser Arbeit in Seminaren und
Workshops
mit
Rückmeldungen
Führungskräften
der
Teilnehmer
eingesetzt
habe.
bestätigen
meine
Die
Ergebnisse
Aussagen
auf
und
den
darauffolgenden Seiten.
In der folgenden Abbildung habe ich 14 Tätigkeitskategorien/ -bereiche gebildet,
welche die Aktivitäten von Führungskräften weitgehend abdecken, so daß jeder
Manager sich in diesen Aufgaben und Tätigkeiten wiederfinden kann.
Die Frage ist nun: In welcher Aufgabe bzw. Tätigkeit finde ich mich wie stark (in
Bezug auf den Einsatz an Zeit und Energie) wieder?
Die Abbildung 1a möchte Ihnen anbieten, dies herauszufinden.
11
Menschenführung im Unternehmen
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12
Menschenführung im Unternehmen
Nachdem Sie dies getan haben, können Sie mit Hilfe von Abbildung 1b den
nächsten Schritt wagen, nämlich festzustellen, inwieweit Ihr derzeitiges Tun mit
den Erwartungen Ihres Unternehmens übereinstimmt.
Wenn es Ihnen nicht gelingt, weitgehend objektiv zu beurteilen, welches Ihre
wesentlichen Aufgaben sind, also wofür Sie bezahlt werden, bitten Sie Ihren
Chef um Unterstützung.
Falls es keinen nächsten Vorgesetzten gibt oder derjenige Ihnen auch nicht helfen
kann, dann fragen Sie Ihre Mitarbeiter. Die wissen es bestimmt.
13
Menschenführung im Unternehmen
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14
Menschenführung im Unternehmen
3. Das „Führungs-Dilemma“
Natürlich ist „Führen“ auch Arbeit. Aber hier geht es um die Ebene, auf welcher
Führungsarbeit angesiedelt ist, das heißt, wie sie definiert wird und welche Priorität
sie genießt.
Wenn Sie noch einmal auf Ihre Tätigkeitsanalyse zurückblättern und die linke mit
der rechten Spalte vergleichen, werden Sie feststellen, daß es sich bei der linken
Spalte um Aufgaben im Sinne von „Arbeit“ handelt. Dies sind operative
Tätigkeiten, welche in erster Linie Fach- und Methodenkompetenz voraussetzen
und somit grundsätzlich delegierbar sind.
Bei der rechten Spalte handelt es sich um Aufgaben im Sinne von „Führung". Die
Erfüllung dieser Tätigkeiten setzt vorrangig persönliche- und soziale Kompetenz
voraus und ist daher nicht ohne weiteres delegierbar.
Bevor Sie nun weiterlesen, saldieren Sie doch bitte die Prozentzahlen der jeweils
linken und rechten Spalten Ihrer Analysebogen.
Die beiden hier entstehenden Prozentsummen lassen zwei grundlegende Thesen
über Ihre Führungsrolle und Ihr daraus resultierendes Handeln zu:
Wenn die Summe der linken Spalte deutlich größer ist als die der rechten (L= >60
%), dann mögen Sie kraft Ihres Titels zwar Führungskraft sein, in der
praktischen Umsetzung erfüllen Sie jedoch eher die Funktion eines
Vorarbeiters,
Zuarbeiters,
Nacharbeiters,
eines
Meisters,
eines
Administrators, eines Kontrolleurs, eines Reparateurs, oder, um es in der
Sprache des Sports auszudrücken: eines „spielenden Trainers“.
Ihr Motto könnte lauten:
„Ich bin immer für alles und für jeden da!“
Diese eben genannten Aufgaben sollen hier in keiner Weise einer negativen
Bewertung ausgesetzt werden, denn jede dieser Funktion ist sehr wichtig. Aber die
15
Menschenführung im Unternehmen
Frage ist doch, ob dieses Verständnis von Führung ausreicht, um sich wirklich als
Führungskraft oder sogar als Führungspersönlichkeit auszuzeichnen.
Die Antwort könnte in der zweiten These liegen:
Wenn die Summe der rechten Spalte deutlich größer ist als die der linken (R= >60
%), dann ist „Führen“ Ihr wichtigstes Tun und Ihr vorrangiges Sein. Sie
machen sich im operativen Geschäft weitgehend entbehrlich und gewinnen
so die Zeit, welche Sie brauchen, um über Ihr Führungsverhalten
Unternehmensziele zu realisieren.
Sie sehen sich in der Rolle eines Koordinators, eines Gesprächspartners,
eines Moderators, eines Prozeßbegleiters, eines Wegbereiters oder, wieder
in der Sprache des Sports: eines „Coaches“.
Ihr Motto könnte lauten:
„Ich bin nur dann da, wenn es unbedingt nötig ist, ansonsten gehe ich dorthin,
wo ich den größten Nutzen bringe !“
Aber auch dieses, aus meiner Sicht einzig richtige Führungsverständnis muß
hinterfragt werden:
Ist diese Führungsrolle überhaupt gewünscht ?
Oder anders gefragt: Bieten Unternehmen überhaupt die Rahmenbedingungen,
welche ein derartiges Handeln zulassen oder ermöglichen?
Die Fragen: „Was tue ich?“ und „Wofür werde ich bezahlt?“ habe ich ganz bewußt
gegenübergestellt, denn ich sehe hierin einen Kontrast, der ein Grundübel und
eines der größten Hindernisse erfolgreichen Managements darstellt:
Es beginnt bereits bei der Auswahl von Führungskräften und mit deren „Vertrag“.
Man stellt sie zwar als Führungskräfte im Sinne von „Führen" ein, aber die
Stellenbeschreibung und vor allem die Erwartungshaltung des Unternehmens ist
überlagert von Aufgaben im Sinne von „Arbeit“.
Das ist das gleiche, als würde man einem Poeten sagen, er möge seine Gedichte
aus Holzklötzen bauen.
Dies kann nicht funktionieren.
16
Menschenführung im Unternehmen
In das Management werden aber leider immer noch die besten „Spezialisten“
und nicht die besten Führungspersönlichkeiten berufen.
Der Grund hierfür besteht darin wie wir „Arbeit“ definieren bzw. welches
Selbstverständnis wir hiermit verbinden, was wiederum auch ein Stück mit unserer
Mentalität zu tun hat:
„Arbeit“ ist meßbar also gut oder schlecht, viel oder wenig.
Alles was meßbar, daß heißt vergleichbar und konkret nachvollziehbar ist, mögen
wir.
Dann wissen wir, woran wir sind !
„Führung“ hingegen ist etwas abstraktes; nicht greifbar, schwer definierbar und
vor allem: Sie hat etwas mit Gefühl zu tun.
Das mögen wir nicht, denn Gefühl hat etwas mit Ungewißheit zu tun und
Ungewißheit wiederum mit Risiko.
Und das mögen wir schon gar nicht.
Hinzu kommt, daß eine Führungskraft, die ihren Erfolg darin sucht, die Potentiale
ihrer Mitarbeiter durch die Art und Weise wie sie mit ihnen umgeht zu mobilisieren,
Zeit braucht. Zeit, um sich selbst und die Mitarbeiter im Sinne der gemeinsamen
Zielsetzung zu entwickeln.
Sich für Dinge jedoch Zeit zu lassen oder sich Zeit zu nehmen, das liegt uns erst
recht nicht.
Der Grund, warum wir in Führungsfragen so häufig versagen, liegt also
offensichtlich in uns selbst.
Der japanische Konzernchef Konsuke Matsushita bringt unser Problem auf den
Punkt, als er vor einer Gruppe westlicher Industrieller spricht:51
„Wir werden gewinnen, und der industrielle Westen wird verlieren. Da
könnt ihr nicht viel dagegen tun, weil der Grund des Versagens in euch
selber liegt.
Nicht bloß eure Firmen sind nach dem Taylorschen Modell gebaut,
sondern - viel schlimmer - auch eure Köpfe. Die Bosse besorgen das
51
zitiert nach: Runge, 1994, S.15 f
17
Menschenführung im Unternehmen
Denken, und ihre Mitarbeiter schwingen die Werkzeuge. Im tiefsten
Innern seid ihr noch überzeugt, dies sei der einzig richtige Weg, ein
Unternehmen zu betreiben. Für euch besteht Management darin, die
Ideen aus den Köpfen der Manager in die Köpfe der Mitarbeiter zu
bringen.
Wir Japaner hingegen sind jenseits des Taylorismus. Wir wissen um
das
komplexe,
unvorhersehbare
und
gefährliche
Umfeld
der
Unternehmen heute. Es wird immer schwieriger, die wirtschaftliche
Situation vorauszusehen. Nur mit den kombinierten Denkleistungen
aller Mitarbeiter kann sich ein Betrieb den Turbulenzen und Zwängen erfolgreich
stellen. Tatsächlich hängt das Überleben vom Aktivieren des letzten
Gramms von Intelligenz ab. Für uns besteht Management exakt in der
Kunst, das intellektuelle Potential aller Mitarbeiter des Unternehmens
zu mobilisieren und zusammenzubringen.“ 52
Mit diesem Zitat ist auch ein Stück weit beantwortet, warum sich Delegation als ein
Instrument, das genau diese Philosophie braucht, bei uns so schwer tut:
Unsere Vorstellungen über das Managen von Arbeit
und das Umgehen mit
Mitarbeitern sind einfach nicht mehr aktuell und im betriebspädagogischen Sinn
auch nicht immer verantwortbar.
Aber nicht nur in Japan oder Amerika, sondern auch bei uns gibt es positive
Beispiele. Ein besonders erfolgreiches möchte ich hier darstellen:
Johann Tikart53, Geschäftsführer des Waagenherstellers Mettler-Toledo in Albstadt
hat eine Erfolgsstory geschrieben, die beweist, daß Kundenorientierung sich
auszahlt.
Diese Orientierung richtet sich grundsätzlich an zwei Arten von Kunden:
52
Taylor, Frederick, (1856 - 1915) amerik. Ingenieur, entwickelte die als Taylorismus
((Taylorsystem)bekannte Lehre von der wissenschaftlichen Betriebsführung (scientific
management).
Sie beruht auf genauen Zeit - und Arbeitsstudien, aus denen für jede menschliche Tätigkeit die
„allein richtige“ Bewegungsfolge ermittelt werden sollte.
53
in G. Ederer, 1996
18
Menschenführung im Unternehmen
Es sind dies der interne Kunde54 (die Mitarbeiter des Unternehmens) und der
externe Kunde (die Käufer der Produkte).
Obwohl es mittlerweile fast 13.000 Variationen von Waagen (aus 800
Grundmodellen) gibt, konnte Tikart sein Ziel umsetzen, die Regellieferzeit von 8
Wochen auf nur noch 5 Tage zu reduzieren.
Geschafft hat er dies, weil er seinen Mitarbeitern vertraut und denen wiederum die
Verantwortung für sich selbst übertragen hat. Er hat seinen Mitarbeitern
sozusagen die Möglichkeit geboten, durch Handeln zu lernen (lerning by doing)
und sich somit in der neuen Situation bestens zurechtzufinden.
So verfügen die Monteure beispielsweise über „Zeitkonten“, über die sie selbst
bestimmen können. Sie müssen sich lediglich nach dem Arbeitsvolumen richten,
welches, gewährleistet durch ein ausgefeiltes Organisationssystem, für die
Mitarbeiter transparent ist. So weiß jeder im voraus, welche Aufträge anstehen und
kann sich darauf einstellen.
Diese „Delegation der Arbeitszeitverwaltung nach unten“ hat die Personalabteilung
auf zwei Mitarbeiter reduziert. Auf kostenintensive Kontrollsysteme kann man also
durchaus verzichten.
Auch wissen die Mitarbeiter, was die Qualität ihrer Arbeit ausmacht und daß sie
hierfür selbst verantwortlich sind. Diese Eigenverantwortlichkeit umfaßt zum
Beispiel auch den Materialnachschub. Seit die Mitarbeiter ihr System optimiert
haben, ist der Wert des Lagerbestandes von zwanzig auf vier Millionen DM
gesunken.
Statt dessen investiert Mettler-Toledo in seine Kundschaft: Rund 40 % der
Mitarbeiter sind ständig vor Ort bei den Kunden und suchen gemeinsam mit ihnen
nach Problemlösungen.
Ergebnis dieser neuen Unternehmenskultur: Verdoppelung des Umsatzes!
Den Erfolg dieses Unternehmens macht offensichtlich aus, daß wirklich „geführt"
und die Mitarbeiter hervorragend „gecoacht“ werden. Und das wichtigste
Führungsinstrument hierbei ist die Delegation. Und zwar nicht nur die Delegation
54
Der „interne Kunde“ soll hier verstanden werden als Individuum im Unternehmen, welches nur
dann eine gute Arbeitsleistung erbringen kann, wenn es von seinen Kollegen (internen Partnern) als
Empfänger von innerbetrieblichen Dienstleistungen verstanden und in diesem Sinne optimal
versorgt / bedient wird.
19
Menschenführung im Unternehmen
von operativer Spezialistentätigkeit, sondern vor allem die Delegation von
Entscheidungen und Verantwortung.
Die Abbildungen auf den folgenden beiden Seiten verdeutlichen in Form einer
Gegenüberstellung, welche Entwicklung die Rolle und das Selbstverständnis von
Führungskräften und Mitarbeitern nehmen muß, um einen Weg wie Mettler-Toledo
gehen zu können.
Ich möchte jedoch annehmen, daß man die beiden Extreme nicht isoliert oder
idealtypisch betrachten sollte, denn wie so häufig liegt „die Wahrheit“ oder „der
richtige Weg“ in der Mitte.
Rolle und Selbstverständnis der Führungskraft: Altes Bild und neues Bild
20
Menschenführung im Unternehmen
Altes Bild
Neues Bild
Vorgesetzter, Autokrat
>
Coach, Partner
Macht durch Status
>
Akzeptanz durch Vorbildfunktion
Fach- und Methodenkompetenz
>
Persönliche und soziale Kompetenz
Verteidiger des Alten
>
Förderer des Neuen
Anweisungen und Kontrolle
>
Dialog und Kooperation
Orientierung an Aufgaben und
>
Orientierung an Zielen und
Systemen
Eingeschränkte und kurzfristige
Potentialen
>
Betrachtung
Ganzheitliche und weitsichtige
Ausrichtung
Dinge richtig tun
>
Die richtigen Dinge tun
„Haben“
>
„Sein“
Abb. 2a: Rolle der Führungskraft im Wandel
Rolle und Selbstverständnis des Mitarbeiters: Altes und neues Bild
21
Menschenführung im Unternehmen
Altes Bild
Neues Bild
Untergebener, Befehlsempfänger
>
Mitarbeiter, Partner
Hört zu, agiert
>
Spricht mit, agiert
Arbeitet nach Plan
>
Plant seine Arbeit
(Fremdsteuerung)
Denkt aufgaben- und
(Selbstmanagement)
>
abteilungsorientiert
Denkt unternehmerisch und
übergreifend
Verdient seinen Stundenlohn
>
Erwirtschaftet sein Einkommen
Einzelkämpfer
>
Teamplayer
Sieht sein Produkt
>
Möchte zufriedene Kunden
Geht zur Arbeit
>
Kommt gerne in seine Firma
„Haben“
>
„Sein“
Abb. 2b: Rolle des Mitarbeiters im Wandel
3.1 Vom Spezialisten zum Generalisten
Was Führungskräfte heute erfolgreich macht, ist also zunächst die banale
Erkenntnis, daß sie weder alles tun müssen, noch alles wissen und können
22
Menschenführung im Unternehmen
müssen. Eine Entwicklung vom (weniger) Spezialisten zum (mehr) Generalisten,
also zu einer Führungsrolle, welche vorrangig auf sozialer und persönlicher
Kompetenz und der damit verbundenen Verantwortung aufbaut, scheint also
wirklich zeitgemäß, bzw. überfällig zu sein.55
So einfach diese Erkenntnis ist, so schwer ist sie jedoch für viele Manager zu
verinnerlichen.
Dies liegt daran, daß wir im Management (und dies ist in Deutschland
überdurchschnittlich stark der Fall) viel zu stark dem „Spezialistentum" huldigen
und Generalisten, was das Zuschreiben von Führungsqualifikationen betrifft, eher
unterbewerten.
Im Top-Management ist der Wandel des Selbstverständnisses vom „Spezialisten“
zum „Generalisten"
zumindest halbwegs vollzogen. Es ist immerhin schon
möglich, daß jemand, der den Öl-Peilstab unter seiner Motorhaube nicht findet,
Vorstand in einem Automobilkonzern werden kann.
Und warum auch nicht?
Was sagt denn die Kompetenz, sein Auto reparieren zu können, über die
Managementfähigkeiten einer Person aus?
Und inwieweit wird diese Fachkompetenz ab einer gewissen Führungsebene
überhaupt noch benötigt?
In Amerika, wo die Verhältnisse bekanntlich etwas anders sind als bei uns, ist ein
zweitklassiger Schauspieler immerhin Präsident geworden. Und das ist auch in
Ordnung so. Denn es ist doch wirklich nicht entscheidend, was jemand in der
Vergangenheit getan oder geleistet hat, sondern daß er seine jetzige Funktion
erfolgreich ausfüllt.
Im operativen Management der mittleren und unteren Ebene, wo es meiner
Meinung nach elementar darauf ankommt, mehr als nur das „Fach“ zu
beherrschen, hat sich diese Erkenntnis allenfalls in Ansätzen oder nur in
Ausnahmeunternehmen eingestellt.
55
Vgl. Löwisch, 1994, S.4 ff
23
Menschenführung im Unternehmen
Hier wird Kompetenz immer noch schwerpunktmäßig an fachlichem Know-how
und akademischen Graden gemessen.
Warum die „Nur-Spezialisten“ (und zu denen zählen auch jene, die ihre
Managementfähigkeiten lediglich an der Universität erlernt haben) nach wie vor auf
dem Vormarsch sind, erklärt F. Malik im Verlauf eines Interviews im Manager
Magazin 56 wie folgt:
„Wir brauchen heute sehr viele Leute, die managen können.
... Aber der Beruf wird nirgendwo gelehrt. Auch nicht an der Business School. Dort wird
mit Fallstudien gearbeitet. Das ist nicht schlecht, aber das macht noch keinen Manager.
... Wir haben einfach versäumt, aus Management einen ordentlichen Beruf zu machen.
An den Hochschulen bilden wir nur Spezialisten aus. Und weil wir keine professionellen
Standards und keine Maßstäbe entwickelt haben, erleben wir heute eine Total-Konfusion:
Der wichtigste Beruf unserer Zeit wird beherrscht von Modewellen, Scharlatanerie und
schlichtem Unfug.
... Aus der Berufung muß ein Beruf werden.“
Und dann beschreibt Malik noch, was er unter einem guten Manager, einem
„Leader“ versteht, und dies erinnert wieder sehr an die eben dargestellte Situation
bei Mettler-Toledo:
„Leader sind keine schillernden Persönlichkeiten und selten Genies. Es sind Leute, die in
eine bestimmte Situation hineingeworfen werden, die erkennen, was zu tun ist und alle
Kraft darauf konzentrieren.
... Ein Leader hat Menschen, die ihm folgen, weil sie ihm vertrauen - nicht weil er ihnen
Beförderung verspricht oder sie mit seinem Charisma blendet.
Leader sind harte Arbeiter, die sich nicht auf die Reports ihrer Stäbe verlassen. Leader
hören zu, sie geben sich unendliche Mühe sich verständlich zu machen, sie verzichten auf
Ausreden und Alibis ... und vor allem: Sie akzeptieren die eigene Bedeutungslosigkeit nicht in Relation zu anderen Personen, aber in Relation zur Aufgabe.“
Natürlich ist es kein Fehler, wenn eine Führungskraft über Spezialwissen verfügt,
aber diese Qualifikation ist lange nicht so zwingend erforderlich, wie dies unterstellt
wird.
56
Malik, 1996, S.247 ff
24
Menschenführung im Unternehmen
Warum muß ich ein Fach perfekt beherrschen, wenn ich von Spezialisten
umgeben bin, mit denen ich hervorragend kooperieren könnte?
Vor allem: Was nützt mir mein eigenes Wissen und Können, wenn ich nicht in der
Lage bin, dies mit dem Wissen und Können anderer zu verbinden und auf ein Ziel
hinzuführen?
„Wie man jedoch mit anderen Menschen umgeht, wie man fachübergreifend denkt,
koordiniert, strategisch Entwürfe hin auf die Zukunft entwickelt, all dies kam in der
Regel zu kurz. Es war nicht Gegenstand der Ausbildung, muß also zum Zentrum
der Fort- und Weiterbildung werden.“57
Wir werden im Management den Blick zukünftig also deutlich mehr auf personale
als auf funktionale Qualifikationen richten müssen.
Eine andere Beschreibung von Führungskompetenzen gibt Dr. H. von Pierer,
Vorstandsvorsitzender der Siemens AG.
Ausgehend davon, daß Voraussetzungen für eine gute Führungskraft zum einen in
der Persönlichkeit und zum anderen in der Führung durch Vorbild liegen, nennt er
neben Fachkompetenz (Wissen) folgende Komponenten:
• Methodenkompetenz (Umsetzung des Wissens)
• Kommunikationskompetenz (Einflußnahme auf Interaktionen)
• Sozialkompetenz (Berücksichtigung der Folgen, die aus meinen Handlungen hervorgehen)
• Persönlichkeitskompetenz (verantwortliches Handeln)58
Auch hiermit wird wieder deutlich, wie wichtig pädagogische Kenntnisse für eine
Führungskraft sind.
Abbildung 359 zeigt auf, wie sich die Art / Form von Führung, nicht zuletzt auch
oder gerade durch den Moment des rankings,60 den an sie gerichteten
Erwartungen anpassen sollte.
Spätestens ab der mittleren Führungsebene, wo die funktionale Autorität des
Spezialisten (Wissenstiefe) immer mehr zugunsten der personalen Autorität des
57
von Rosenstiel, 1995, S.57
Vgl. Krüger, E., 1993, S.181
59
Vgl. auch R. Maddux, 1994, S.28 / Stroebe, R. W., 1995, S.90
60
Löwisch: „Die Positionsanordnung und die Statusrangfolge innerhalb von Hierarchien und
aufeinander bezogenen Leitungsebenen."
58
25
Menschenführung im Unternehmen
Generalisten (Machtbreite) in den Hintergrund rückt, wird diese Anpassung
zwingend.
Kurz gesagt: Die Führungsrolle muß dem Führungsauftrag entsprechen.
Und dies bedeutet konkret: Mit jedem Grad der Zunahme von Machtbreite müssen
wir ein Stück weg von der unmittelbaren Führung des Spezialisten hin zur
mittelbaren Führung des Generalisten. Die Akzeptanz als Vorgesetzter findet also
weniger
über
Expertenwissen,
als
viel
mehr
über
die
persönlichen
Führungsqualitäten und die koordinativen Fähigkeiten statt.
Und um so mehr man von Mitarbeitern als Generalist gebraucht wird, desto mehr
Mut benötigt man, andere Aufgaben abzugeben und loszulassen.
Oder, wie Robert B. Maddux es ausdrückt:
Jedesmal,
wenn Sie eine Aufgabe ausführen,
die jemand anderes erledigen könnte,
halten Sie sich selber davon ab,
eine Aufgabe zu erledigen,
die nur Sie ausführen können.
Trotzdem steht fest (und deshalb möchte ich dieses Kapitel auch keineswegs als
„Plädoyer gegen die Spezialisten“ verstanden wissen):
Wir brauchen nach wie vor, und dies gilt insbesondere für die untere
Managementebene, Spezialisten in Führungsverantwortung. Denn schließlich sind
sie es, die durch die Erweiterung und Vermittlung von fachlichen Fähigkeiten und
Fertigkeiten und theoretischen Kenntnissen maßgeblich dazu beitragen, die
Zukunft zu sichern.
Aber besonders durch die Vereinigung von Spezialisten- und Führungsrolle stellt
sich die Frage nach dem „Wie", also der Art und Weise, wie diese Kompetenzen
vermittelt werden und wodurch sich ein Spezialist als Führungskraft qualifiziert.
Löwisch unterscheidet in diesem Zusammenhang den Spezialisten von dem
„gebildeten Spezialisten“.61
61
Löwisch, 1994, S.5
26
Menschenführung im Unternehmen
Dieser
wird
hier
als
Person
beschrieben,
die
„gemeinwohlorientierte
Unternehmensverantwortung trägt und diese als spezialisierte Führungskraft
vorlebt ... Der gebildete Spezialist bedarf eines umfassenden ethischen und
geistigen Rahmens, das heißt, einer offenen und flexiblen Geisteshaltung und
einer ethischen Grundbildung. Erst eine solche Geisteshaltung qualifiziert den
Spezialisten zum Führen ...“
Gemeint ist hiermit der verantwortungsvolle und der vernünftige Umgang mit
dem Wissen und mit denen, welchen dieses Wissen vermittelt werden soll.
Hiermit ist die Brücke zur ethischen Dimension von Führung geschlagen.
Da Delegation sehr viel mit Verantwortung und Vernunft zu tun hat, kommt dem
folgenden Kapitel eine besondere Bedeutung zu.
Vorausgeschickt werden soll aber schon an dieser Stelle folgendes Zitat:
„Verantwortung hingegen kann nicht gelehrt und nicht im üblichen Sinne gelernt
werden. Man kann appellieren und man kann die Übernahme von Verantwortung
fordern. Man kann sie gelegentlich auch erzwingen, wobei wirksames Erzwingen
immer eine Sache der Systemstrukturen ist. Ansonsten aber kann man nur hoffen,
daß die Führer sich auch der Verantwortung stellen werden, aber fast jedes
System bietet unzählige Fluchtwege aus der Verantwortung.“62
62
Malik, 1993, S.166
27
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