Landgericht München I

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Landgericht München I
Az: 35 O 9639/09
Verkündet am 19.11.2009
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES!
URTEIL
In dem Rechtsstreit
...
- Verfügungsklägerin Prozeßbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte Prof. Dr. Robert Schweizer und Kollegen,
Arabellastraße 21, 81925 München Gz.: 995/09US17 boi/mg/uh
gegen
…
Prozeßbevollmächtigte/r: …
wegen Unterlassung
erläßt das Landgericht München I, 35. Zivilkammer, durch Vorsitzenden Richter am
Landgericht Dr. Hense, Richterin am Landgericht Dr. Seuß Pizzoni und Richter am Landgericht
Leister aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2009 folgendes
Schlußurteil:
I.
II.
III.
IV.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 26.05.2009 wird
aufrecht erhalten.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.
Die Parteien streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob die
Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin namentlich öffentlich nennen darf.
Die Verfügungsklägerin ist Bezirkssozialarbeiterin in Bamberg. Das Jugendamt der Stadt
Bamberg übernahm die Pflegschaft über den Sohn der Verfügungsbeklagten gegen deren
Willen. Seit über vier Jahren führt die Verfügungsbeklagte eine von ihr auch öffentlich
gemachte Auseinandersetzung gegen die Stadt Bamberg. Die Verfügungsbeklagte
verbreitete unter der Internetadresse … Texte, Meinungen und Presseartikel über die
Auseinandersetzung. Auf der Seite wird ein Artikel der "…" als herunterladbare pdf-Datei
bereitgehalten, in dem die Verfügungsklägerin unter der Zwischenüberschrift "Die
Menschen, die eine Familie zerstörten" namentlich genannt ist.
Mit Beschluß vom 26.5.2009 erließ das Landgericht München I antragsgemäß eine
einstweilige Verfügung, in der der Verfügungsbeklagten verboten wurde, den Namen der
Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit Berichten über den Sohn der
Verfügungsbeklagten öffentlich zu nennen, zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder bei
dessen Verbreitung mitzuwirken.
Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, daß an der Namensnennung kein öffentliches
Informationsinteresse bestehe, weil es nicht auf die individuellen Personen, die mit dem Fall
seitens der Stadt Bamberg betraut seien, ankomme. Die Verfügungsklägerin sei auch keine
in der Öffentlichkeit bekannte oder berühmte Person. Die Verfügungsklägerin habe keine
Entscheidung getroffen, die die "Zerstörung einer Familie" zur Folge gehabt hätte. Über den
Sorgerechtsentzug habe das Amtsgericht Bamberg entschieden.
Die Verfügungsklägerin beantragt
die einstweilige Verfügung vom 26.5.2009 aufrechtzuerhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt
die Aufhebung der einstweiligen Verfügung.
Sie ist der Auffassung, es überwiege das Interesse der Verfügungsbeklagten an der
Personifizierung der für die Entscheidungen des Stadtjugendamts verantwortlichen
Personen, weil auf ihrer Seite ihr Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I GG, das Grundrecht der
Meinungsfreiheit sowie die Grundrechte aus Art. 6 des Grundgesetzes stritten. Die
Verfügungsklägerin werde nur in ihrer Funktion für das Stadtjugendamt genannt. Die
Namensnennung der Verfügungsklägerin diene der persönlichen Verarbeitung der
Verfügungsbeklagten. Die Webseite werde von einer Gruppe von Menschenrechtlern
gestaltet, die Verfügungsbeklagte habe darauf keinen Einfluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie
das Sitzungsprotokoll vom 18.11.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die einstweilige Verfügung vom 26.5.2009 war aufrechtzuerhalten.
1. Ein Verfügungsgrund war gegeben. Der Artikel "Mama weine nicht um mich", in dem die
Verfügungsklägerin unter der Überschrift "Die Menschen, die eine Familie zerstörten"
namentlich genannt ist, erschien in der "…" am 25.4.2009. Von der Bereithaltung des Artikels
als pdf-Datei auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten erhielt die Verfügungsklägerin
erstmals am 4.5.2009 Kenntnis, suchte anwaltliche Hilfe und ließ die Verfügungsbeklagte mit
Schriftsatz vom 13.5.2009 unter Fristsetzung bis 19.5.2009 erfolglos abmahnen. Mit Schriftsatz
vom 25.5.2009, eingegangen bei Gericht am 27.5.2009, beantragte die Verfügungsk1ägerin
der Erlass der einstweiligen Anordnung, die am 26.5.2009 erging.
Nachdem Widerspruch eingelegt wurde, setzte das Gericht Termin zur mündlichen
Verhandlung auf den 16.9.2009 fest, der auf Antrag des Vertreters der Verfügungsklägerin -da
zwischenzeitlich kein anderer Kammertermin zur Verfügung stand- auf den 18.11.2009 verlegt
wurde. Entgegen dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten kann hieraus nicht die
Schlussfolgerung gezogen werden, es habe kein Verfügungsgrund bestanden, da die
einstweilige Verfügung antragsgemäß bereits ergangen war.
2. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 1004, 823 I (allgemeines Persönlichkeitsrecht)
BGB analog. Danach hat die Verfügungsklägerin Anspruch auf Unterlassung der tenorierten
Handlungen.
Da Verfahrensgegenstand alleine die Frage ist, ob die Verfügungsklägerin namentlich genannt
werden darf, kann sich die Verfügungsbeklagte nicht auf die Grundrechte des Art. 6 GG
berufen. Über die Hintergründe der angegriffenen familienrechtlichen Problematik und
Entscheidungen war im hiesigen Verfahren nicht zu befinden.
Soweit sich die Verfügungsbeklagte auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG beruft und in der
namentlichen Nennung der Verfügungsklägerin bereits eine Meinung erblickt, ist festzuhalten,
daß dieses Grundrecht nicht einschränkungslos gewährt wird, sondern gemäß Art. 5 II GG
seine Schranken findet in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen
Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Auch das in
Art. 2 I GG verankerte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit besteht nur insoweit, als
nicht die Rechte anderer verletzt werden oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder
das Sittengesetz verstoßen wird.
Bei der Entscheidung waren daher insbesondere der Persönlichkeitsschutz der
Verfügungsklägerin mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den in ihrem
Schutzbereich eröffneten Grundrechten der Verfügungsbeklagten gegeneinander abzuwägen.
Ein öffentliches Interesse an der Namensnennung der Verfügungsklägerin ist nicht ersichtlich.
Dies gesteht die Verfügungsbeklagte letztlich selbst teilweise zu, wenn sie darauf verweist, die
Verfügungsklägerin werde jeweils in ihrer Funktion für das Jugendamt genannt. Inwieweit die
namentliche Nennung der Aufarbeitung etwaiger persönlicher Probleme der
Verfügungsbeklagten dient, ist nicht deutlich erkennbar. Ein derartiges Interesse hat bei
Abwägung aller Umstände, insbesondere dem Interesse der Verfügungsklägerin ihre Aufgaben
ohne Beeinträchtigungen ordnungsgemäß wahrzunehmen, zurückzustehen. Letzteres wäre
nicht gewährleistet, wenn die Verfügungsklägerin sich auch im privaten Bereich einem
unangemessenen, Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen müsste, der durch Bereitstellung
emotionaler und möglicherweise nur unvollständig informierender Artikel im Internet
hervorgerufen wurde. Die Verfügungsbeklagte erreicht ihr Ziel, auf die Auseinandersetzung mit
dem Jugendamt und ihre Bewertung derselben öffentlich aufmerksam zu machen auch ohne
namentliche Nennung der Verfügungsklägerin
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Der Streitwert war gemäß §§ 3 ZPO ff, 53 I Zr. 1
GKG.
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