CHANCEN ZUM GLÜCK Wie Beziehungen gelingen können In den letzten 30 Jahren ist in Deutschland die Zahl der Eheschließungen um 50% zurückgegangen. Eine erschreckende Zahl, aber es kommt noch schlimmer: Von diesen wenigen Ehen werden 46% geschieden, das sind noch einmal die Hälfte. Es gehört ein dickes Ausrufezeichen hinter diese Zahlen – sie sind ein Hilferuf. Denn schließlich: jeder Mensch sehnt sich nach einer guten Beziehung, nach Erfüllung und Glück zu zweit. Was aber tun? Wie können wir helfen? Wir können es tun, indem wir nach vorne blicken. Und indem wir alle zunächst in den Spiegel schauen und uns fragen: Was wollen wir eigentlich? Wir suchen Zugehörigkeit Das Bedürfnis der Zugehörigkeit ist dem Menschen angeboren. Schon das Baby sucht sie. Zur Mutter, zum Vater – zu einer Familie, zu der es gehört. Mit dem Älterwerden verändern sich die Sehnsüchte nach Zugehörigkeit. Der eine will einer bestimmten Gruppe zugehören, oftmals einer, „die es geschafft hat“, die finanziell unabhängig ist und sich einen luxuriösen Lebensstil leisten kann. Der andere ist glücklich, wenn er einer Gemeinde zugehört und wieder ein anderer fühlt sich einem Verein oder seiner Firma besonders zugehörig. Es gibt aber auch Menschen, die ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit ausschließlich auf den Partner fixieren – und diesen dabei mit ihren Erwartungen überfordern. Fachleute sprechen von einer Co-Abhängigkeit – eine unbefriedigende, belastende Beziehung, die nicht selten zur Trennung führt. Wir suchen Nähe Körperliche Nähe ist für Freundschaften und Beziehungen unabdingbar. Interessant übrigens, dass es hier Unterschiede von Kultur zu Kultur, von Land zu Land gibt. In Frankreich beispielsweise ist zu beobachten, dass sich Freunde öfter berühren. Deutsche sind in dieser „Beziehung“ per se etwas zurückhaltender. Familiäre und persönliche Hintergründe spielen hier natürlich eine große Rolle. Es ist zu beobachten, dass viele Menschen zudem ein gestörtes Verhältnis zu Nähe und Distanz haben. Andere hingegen suchen körperliche Nähe – sind sich aber nicht wirklich nah. Darum sollten wir uns auch fragen: Nähe – was ist das eigentlich? Wahre Nähe geht tiefer. Sie entsteht durch Wahrnehmung von Ängsten, Gefühlen und Sorgen des Anderen, sie entsteht durch das Gespräch über die Sehnsüchte des Lebens. Hierzu ist erforderlich, Zeit miteinander zu verbringen und die gemeinsame Sehnsucht in Gottes Gegenwart zu leben – und zu erleben. Vor allem sind sich Menschen nah, wenn sie ehrlich zueinander sind. Es ist die Grundvoraussetzung für eine erfüllte körperliche Nähe. Wir suchen Wertschätzung Jeder Mensch braucht für sein Selbstwertgefühl eine solide Dosis Wertschätzung. Ein unfreundlicher Mitmensch, jemand, der zum Beispiel über den soeben frisch geputzten Boden mit dreckigen Schuhen läuft, tut das Gegenteil. Aber Menschen, die einen achten, loben und auch mit Komplimenten nicht geizen, können Großes damit bewirken: Aus Wertschätzung erwächst die Kraft, Grenzen zu bejahen – und letztlich auch anderen vertrauen zu können. Wertschätzung drückt sich übrigens oft in vermeintlichen Kleinigkeiten, sogar in Selbstverständlichkeiten aus: in einer freundlichen Begrüßung, einer gebührenden Verabschiedung, aber auch in einer Ermutigung, einer gut gemeinten Ermahnung und erst recht darin, wenn man sich um den Anderen sorgt und auf ihn aufpasst. Menschen, die solche Mechanismen nicht von klein auf erlebt haben und mit diesen aufgewachsen sind, verlangen auch in der Beziehung stärker nach Wertschätzung. In Beziehungen resultieren hieraus oft Abhängigkeiten und aufopfernde Haltungen. Wir suchen Bewunderung Bewundern und bewundert werden ist ein ganz natürliches Bedürfnis. Ob wir nun die Schöpfung als solche, Gott, eine besonders gelungene Arbeit oder was auch immer bewundern – wir tun uns Gutes damit. Das Bewunderte müssen wir übrigens gar nicht besitzen. Auch so kann es positive Kraft auf uns ausstrahlen. Ein Indianer sagte einmal: „Ich sah einen Stein am Wegesrand. Er war so schön. Ich ließ ihn liegen…“ Auf eine Beziehung übertragen heißt das: „Bewundere deinen Partner, mache ihn aber nicht anders und sieh die Seiten, die einmalig sind. Akzeptiere ihn in seinen Gedanken, Erkenntnissen, Begabungen, Besonderheiten.“ Nur durch unsere Bewunderung wird die Schönheit des anderen entfaltet – nicht durch Nörgeln. Vier Tipps für eine gelingende Beziehung Erstens: Lernen Sie Ihre Beziehung kennen! Ihre Partnerin/ Ihren Partner kennen Sie. Aber kennen Sie auch Ihre Beziehung? Lernen Sie sich und Ihre Beziehung darum zunächst einmal richtig kennen. Schauen Sie ungeschönt und ehrlich auf das, was Sie verbindet – oder eben nicht. Hier ein kleiner Fragenkatalog, der Ihnen weiterhelfen kann: • Reden Sie die Wahrheit miteinander? • Geben Sie Ihre Bedürfnisse zu? • Was ist wichtig in Ihrer und der Familie Ihrer Partnerin/ Ihres Partners? • Welche Einstellungen haben Sie zu Kindern? • Wie sind Ihre Lebensgewohnheiten? • Welche Werte vertreten Sie, welche der Andere? • Reden Sie wirklich miteinander? • Reden Sie auch über alltägliche Unwegsamkeiten und Probleme? • Können Sie sich gegenseitig zuhören? • Können Sie sich frei geben und positive wie auch negative Gefühle zulassen? Diese Fragen tragen zu guten und intensiven Gesprächen bei. Sie sind unverzichtbar für eine gelingende Beziehung. Leider gehen aber viele Partner Konfrontationen aus dem Weg, vor allem Männer. Immer wieder haben wir den Eindruck, als trüge „das starke Geschlecht“ einen Schutzschild mit sich herum. „Versuche nicht, mir nahe zu kommen!“ So ist nach einer Trennung immer wieder zu beobachten, dass Menschen das Gefühl haben, sich gar nicht richtig kennengelernt zu haben. Viele Menschen leben zusammen – und sind sich dennoch fremd. Zweitens: Nehmen Sie Ihre Übertragungen wahr! Viele Menschen neigen zu einem ganz besonderen Automatismus: Sie übertragen ihre eigenen Erfahrungen auf andere Menschen. Sie tun dies nicht absichtlich, legen sich und ihrer Beziehung damit aber Steine in den Weg. Ein Beispiel: Eine Frau wird eifersüchtig, weil ihr Mann sich so gut mit der Tochter versteht. Was war geschehen? Der Grund liegt in ihrer ganz persönlichen Vorgeschichte: Ihr eigener Vater hatte sie als Kind vernachlässigt. So gibt es viele Beispiele, die uns die Augen öffnen können: Eine Frau hat Probleme mit der Unzuverlässigkeit anderer Menschen, weil sie ihre Mutter als unzuverlässig erlebt hatte. Ein Mann kommt mit autoritären Menschen nicht klar, weil der Großvater sehr autoritär war. Ein anderer sieht sich stets als Beschützer seiner Freundin, die sich dadurch immer wieder eingeschränkt fühlt – als Kind musste er seine Mutter vor dem Vater schützen… Was also tun? Man muss sich seiner eigenen Geschichte stellen. Man muss auch den emotionalen Geistern der Vergangenheit ins Gesicht sehen. Nur so kann das Unterbewusste nicht mehr weiterwirken. Nur so erarbeitet man sich die Chance, seinen Partner nicht unnötig zu belasten. Andererseits können auch all die positiven Erfahrungen und Erlebnisse unterbewusst weiterverarbeitet werden. Was uns positiv geprägt hat, kann uns auch beziehungsfähig machen. Viele Menschen haben eine gesunde Wahrnehmung für diese Abläufe. Stößt eine Beziehung hier aber an ihre Grenzen, ist es ratsam, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies kann ein Buch sein, aber auch ein Seminar. Oft hilft es auch, mit anderen Menschen einfach darüber zu sprechen. Es kann richtig gut tun – auch der Beziehung. Drittens: Pflegen Sie den Kontakt zum Freundeskreis! Immer wieder beobachten wir: Partner, die sich zuviel miteinander beschäftigen, laufen Gefahr, dass ihre Beziehung langweilig wird. Manchmal überfordert man die Beziehung sogar, weil man schlicht davon ausgeht, dass Sehnsüchte vom Anderen permanent erfüllt werden. Das ist natürlich nicht möglich – Frust ist vorprogrammiert. „Zum Glück“ gibt es aber auch Freunde. Und sie sollten es auch bleiben. Freundschaften sollten darum gepflegt werden. Der rege Austausch entspannt nicht nur die eigene Beziehung, sondern öffnet auch den eigenen Horizont. Denn: Menschen wachsen in ihrer Persönlichkeit und im Glauben nur über das Leben mit vielen Kontakten. Wer ausschließlich innerhalb seiner Familie lebt, kann sich schlichtweg nicht weiter entwickeln. Viertens: Üben Sie Zärtlichsein! In unserer sexualisierten Zeit ist die Zärtlichkeit leider zum Auslaufmodell geworden. Und es ist nicht wirklich leicht, die Zärtlichkeit neu zu entdecken. Dabei ist sie etwas Wunderschönes – sie kann so etwas wie ein Jungbrunnen für die Beziehung sein. Zärtlichkeit meint nämlich nicht unbedingt Körperlichkeit. Auch das Herz kann zärtlich sein. Zärtlichkeit hat viele Facetten, einige gehen Hand in Hand mit Wertschätzung. Schon eine aufgehaltene Türe oder die Hilfestellung beim Anziehen der Jacke können dem Anderen gut tun. Auch ein nettes Augenzwinkern, ein herzlicher Händedruck oder ein überraschender Blumenstrauß können Zärtlichkeit ausstrahlen. Viele Menschen sind mit derlei Zärtlichkeiten nicht aufgewachsen, oft haben die Eltern Zärtlichkeiten nicht vorgelebt. Darum müssen viele Zärtlichkeit erst erlernen. Die emotionale Resonanz muss regelrecht geschult werden: die Fähigkeit, auf die Stimmung des anderen einzugehen, will gelernt sein.