Nichtkommerzielle klinische Forschung

Werbung
Nichtkommerzielle klinische Forschung
Mangelnde Qualität verhindert Förderung
Nichtkommerzielle („Wissenschafts-iniziierte“) und kommerzielle („Industrie-iniziierte“)
klinische Studien sind die Basis für Übertragung von Diagnose- und Behandlungsmethoden
aus der Grundlagenforschung in die ärztliche und klinische Praxis. Im internationalen
Vergleich ist die Anzahl klinischer Studien aus Deutschland jedoch gering. Vertreter aus
Forschung, Wirtschaft, Forschungsförderung und Politik diskutierten deshalb im Rahmen des
ersten Symposiums des Netzwerks der Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS)
im September 2006 in Leipzig, wie der Forschungsstandort Deutschland auf diesem Gebiet
künftig weiter gestärkt werden kann.
Das KKS-Netzwerk wurde 1998 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung (BMBF) ins Leben gerufen und hat zum Ziel, die strukturellen
Rahmenbedingungen für Wissenschafts-iniziierte und Industrie-iniziierte klinische Forschung
zu verbessern. Es besteht aus bundesweit verteilten Koordinierungszentren, die
Wissenschaftler und Ärzte bei der Planung, Durchführung und Auswertung klinischer Studien
unterstützen. Ärzte aus Universitätskliniken, Krankenhäusern, Praxen und Industrie können
auf die strukturelle Basis und das Fachwissen der Zentren zur Umsetzung ihrer
Forschungsvorhaben zurückgreifen. Die KKS unterstützen Teilbereiche der Durchführung
von Studien, wie z. B. Machbarkeit, Studienassistenz oder Monitoring, und planen die
Durchführung von Multicenter-Studien gemäß internationaler Standards. So wurden 2005
insgesamt 426 Studien gefördert, davon betrafen 80% Arzneimittel und 9%
nichtmedikamentöse Therapien oder Medizinprodukte.
Um die Anzahl qualifizierter Prüfärzte, Studienleiter und Studienassistenzpersonal zu
erhöhen, fördert das KKS-Netzwerk auch die Ausbildung von wissenschaftlichem Personal.
Denn: „In Deutschland sind nicht genügend klinische Forscher vorhanden“, so der Leiter der
Fachgruppe Aus-, Fort- und Weiterbildung des KKS-Netzwerks, Prof. Johannes Haerting.
Das Netzwerk bietet deshalb im Rahmen ihrer Studienakademie die Master-Studiengänge
„Clinical Research“ und „Medical Biometry“ an.
Mangelnde Qualität vieler Studien
Wie wichtig Maßnahmen zur qualitativen Verbesserung der klinischen Forschung in
Deutschland ist, zeigen die Erfahrungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bei
der Vergabe von Mitteln für angewandte klinische Forschung: 2003 legten die DFG
zusammen mit dem BMBF das Sonderprogramm „Klinische Studien“ auf, um die
Fördermöglichkeiten großer industrie-unabhängiger klinischer Studien zu verbessern.
Nachdem das Budget von 2005 bis 2006 auf 20 Mio. € verdoppelt wurde, werden die Mittel
in diesem Jahr voraussichtlich nicht ausgeschöpft. „Wir können das uns zur Verfügung
stehende Geld nicht ausgeben, weil wir nicht genügend förderungswürdige Projektanträge
erhalten“, sagte Dr. Annette Schmidtmann, Programmdirektorin der DFG in Bonn. „Häufig
weisen die Projekte klinische und biometrische Mängel auf, so dass sie unseren
Qualtitätsanforderungen nicht genügen“, so Schmidtmann weiter.
Am Geld alleine liegt es also nicht, dass in Deutschland nach wie vor weniger
Wissenschafts-iniziierte klinische Studien durchgeführt werden als in anderen europäischen
Ländern. „Wir müssen vielmehr die Qualität der klinischen Studien in Deutschland
verbessern“, forderte Schmidtmann.
Eine Untersuchung von Dr. Isabell Hahn, beim BMBF zuständig für das Sonderprogramm,
bestätigt diese Einschätzung. Die Auswertung von 400 wissenschaftlichen Gutachten zu 193
eingegangen Projektanträgen zeigte, dass 36% der eingereichten Anträge Mängel bei der
Fallzahlbestimmung aufwiesen. In der 32% der Fälle wurden Endpunkte mit geringer
klinischer Relevanz, Surrogatparameter oder zu viele und zu diffuse Endpunkte gewählt.
Unangemessene Auswahl der Kontrollgruppe (22%) und mangelhafte methodische
Durchführung (20%) waren weitere Ursachen für die hohe Ablehnungsquote durch die
Gutachter.
Bessere Rahmenbedingungen gefordert
Als vordringliche Maßnahmen empfahl Schmidtmann den medizinischen Fakultäten
Schwerpunkte zu setzen: „Die Fakultäten sollten Know-how sammeln und koordinieren und
eine permanente Infrastruktur für klinische Studien aufbauen“. Darüber hinaus sieht
Schmidtmann Defizite in der Ausbildung des klinisch-wissenschaftlichen Nachwuchses.
Bereits während des Studiums sollte das Grundwissen vermittelt werden und durch
systematische Weiterqualifizierung vertieft werden. Bestehende Angebote sollten deshalb in
Zukunft stärker genutzt werden. So biete beispielsweise die DFG Graduiertenkollegs,
Summer Schools und stipendienfinanzierte Stellen an.
DFG bietet verschiedene Förderprogramme
Ein Blick auf die Fördermöglichkeiten Wissenschafts-iniziierter klinischer Studien in
Deutschland zeigt, dass sich die Situation in den letzten Jahren deutlich verbessert hat.
Denn zusätzlich zu dem Sonderprogramm fördert die DFG klinische Studien auch im
Normalverfahren, im Rahmen von Klinischen Forschergruppen und
Sonderforschungsbereichen. Das Sonderprogramm fördert große, multizentrische PhaseII/III-Studien und vergibt die seine Mittel ohne Berücksichtigung eines Fachproporzes rein
nach Qualitätsgesichtspunkten. Demgegenüber konzentrieren sich die übrigen DFGVerfahren auf kleinere, monozentrische Projekte, wie z. B. Proof-of-Principle- oder
Pilotstudien. Die Anträge stehen dabei im Wettbewerb mit anderen Projekten des jeweiligen
Fachs.
Langfristig könnte das Sonderprogramm als Standardprogramm der DFG etabliert werden.
Auch über eine eigene Sektion „Klinische Studien“ wird Schmidtmann zufolge nachgedacht.
Außerdem hat die DFG den Kreis der Förderberechtigten in den letzten Jahren erweitert:
Seit 2005 gibt es keine Altersbeschränkung mehr. „So wollen wir die Erfahrung und das
Wissen von älteren Ärzten und Wissenschaftlern verstärkt nutzen“, betonte Schmidtmann.
„All diese Fördermöglichkeiten widerlegen die weitverbreitete Auffassung, die DFG
unterstütze ausschließlich Grundlagenforschung“, so Schmidtmann. „Wir haben vielfältige
Möglichkeiten zur Förderung klinischer Studien, jetzt muss nur noch die Qualität der Anträge
stimmen“.
Spannungsfeld Industriekooperation
Mehr Weiterbildung und eine bessere Infrastruktur an den Kliniken – davon könnte auch die
Industrie-iniziierte klinische Forschung in Deutschland profitieren, wie Referenten aus Klinik
und Industrie deutlich machten. Positive und negative Erfahrungen scheinen sich bei diesen
Kooperationen die Waage zu halten. Vage blieben die Referenten jedoch, wie sich die
Zusammenarbeit konkret verbessern ließe und worauf Ärzte in den verschiedenen Stadien
achten sollten. Keine Antwort gab das Symposium auch auf die ethischen Fragen, die
Industrie-iniziierte Studien aufwerfen. Eine Diskussion darüber wäre ein lohnenswertes
Thema für ein künftiges Symposium.
Dr. Harald Rösch, Stuttgart
Infokasten KKS-Netzwerk:
 Gegründet und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
 Liefert strukturelle Basis und Know-how für die Planung, Durchführung und
Auswertung klinischer Forschungsprojekte
 An 13 regionalen Standorten vertreten: Berlin, Düsseldorf, Freiburg, Halle,
Heidelberg, Köln, Leipzig, Mainz, Marburg, Münster, Tübingen/Ulm


Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie, Herstellern von
Medizinprodukten und Auftragsforschungsinstituten
Kontakt: Geschäftsstelle des KKS-Netzwerks, Tel.: 0221/47887094, Email:
[email protected]
Infokasten
Wichtige Bewertungskriterien der DFG bei der Auswahl förderungswürdiger Studien:
 Bedarf der Studie für die Patientengruppe
 Mögliche Bedeutung der Ergebnisse für die klinische Praxis
 Innovationsgehalt des Ansatzes
 Relevanz der Endpunkte
 Plausibilität präklinischer oder klinischer Evidenz
 Angemessenheit der zu untersuchenden Population, der Kontrollen und des
Interventionsschemas
 Machbarkeit innerhalb der geplanten Studienpopulation im geplanten Zeitraum
 Qualifikation des Wissenschaftlerteams
Herunterladen