Geschäftsbericht 2003 Zusammenfassung: Institut für Angewandte Krebsforschung (LBI-ACR VIEnna) Die Forschungsinhalte des Instituts lassen sich in solche der Grundlagenforschung, in präklinische, experimentell-diagnostische, klinisch-diagnostische, frühe klinische und „klassisch“ klinische, epidemiologische, (chemo-) prä-ventive sowie in solche der Entwicklungsperspektiven unterteilen. Die wissenschaftliche Hinwendung zum Trans-lationsbereich in der Onkologie, d.h. zu jenem Bereich der präklinischen Forschung, aus dem sich mittel- bis unmittelbar Umsetzung in Form von Anwendung in der klinischen Forschung erwarten läßt, wurde als langfristiger und seit der Gründung des Instituts als programmatischer Schwerpunkt desselben im Berichtszeitraum beibehal-ten bzw. weiter ausgebaut. Weiterführende Details sind den vorangegangenen Jahresberichten zu entnehmen. Dem Gebiet der Grundlagenforschung zuzurechnen ist eine Untersuchung zur Aufklärung des Mechanismus, über den der Tumornekrosefaktor α (TNFα) die Expression von Plasminogenaktivator-Inhibitor 1 (PAI-1) in Endo-thelzellen induziert, und in der Nur77 als der dafür verantwortliche Transkriptionsfaktor identifiziert wurde. Als präklinische Forschung ist im Berichtszeitraum die in vitro-Testung des peroral zu verabreichenden Gallium-komplexes Tris(8-quinolinolato)gallium (III) (KP46) mittels Human Tumor Cloning Assay (HTCA) anzusehen. Bei einer Konzentration von 5 μM, die im klinisch erreichbaren Bereich liegen müßte, konnte ausgeprägte antitumora-le Aktivität bei Nierenzell- sowie bei gastrointestinalen Karzinomen festgestellt werden. Eine experimentell-diagnostische, nämlich zytogenetisch-klinische Arbeit ergab, daß im Gegensatz zu Berichten bei Kindern Aberrationen in der subtelomeren Region des kurzen Armes von Chromosom 1 (del 1p36) bei Patien-ten mit Keimzelltumoren des Stadiums I im Erwachsenenalter keine prädiktive Aussagekraft hinsichtlich Rezidi-vierens aufwies. Eine weitere experimentelldiagnostische Untersuchung fand plasmablastisch/plasmazytoide Charakterisierung bei diffus großzelligem B-Zell Lymphom mit TP53 Deletionen, geringem Ansprechen auf Che-motherapie sowie ungünstiger Prognose verknüpft. Ein klinisch-diagnostisches Projekt war der kritischen Beurteilung der Bedeutung der 2-18fluorodeoxy-D-Glukose Positronen-Emissions-Tomographie (FDG PET) für den Nachweis von aktivem Tumorresidualgewebe bei Patien-ten mit metastasierten Seminomen nach Chemotherapie gewidmet. Dabei zeigte sich die FDG PET speziell bei Resttumoren, die in der Computertomographie (CT), der bisherigen Standardmethode, über 3 cm im Durchmes-ser hielten, hinsichtlich Vitalitäts- bzw. Aktivitätsdiagnostik signifikant überlegen. Während des Berichtszeitraumes wurde die Interaktion der wissenschaftlichen Tätigkeit des LBIACR VIEnna mit der transnationalen interdisziplinären Aktivität der CESAR Central European Society for Anticancer Drug Re-search-EWIV weiter ausgebaut. Insbesondere wurde dem translationalen Moment im LBI-ACR VIEnna ein eben-so großer Stellenwert eingeräumt wie im transnationalen Rahmen der CESAR und vice versa. Zahlreiche frühe klinische, im speziellen Phase I-Studien weisen einen Schwerpunkt des Instituts aus. Zu diesen Entwicklungen zählt die klinische Phase I-Prüfung eines Ruthenium-Komplexes sowie Vorbereitungen für eine klinische Testung eines Galliumkomplexes. Darüber hinaus wurden klassisch zytotoxische Substanzen (wie der Antimetabolit Pe-metrexed), solche mit Einfluß auf den Zellzyklus (E7070, eine Substanz mit inhibitorischem Potential gegenüber Cyclin-abhängigen Kinasen (cdk)) und auch ein die Erythropoese stimulierendes Molekül (Darbepoetin alfa) hin-sichtlich relevanter Phase I-Parameter wie Dosis-limitierender Toxizität (DLT), maximal tolerabler Dosis (MTD) und/oder hinsichtlich pharmakokinetischer Parameter untersucht. Der Bogen der Phase I-Testungen reichte dabei bis hin zum Topoisomerase II-Hemmer Etoposid, einem Prototypen der DNA-Synthese hemmenden antitumora-len Agentien. Breiter Raum war im Berichtszeitraum auch der klinischen Prüfung im Phase II-Segment gewidmet und entwickelte sich – wie bereits teilweise im Vorjahresbericht ausgeführt worden war - von der Testung neuer Substanzen in der Monotherapie (XR 5000 beim nicht-kleinzelligen Bronchuskarzinom und Ovarialkarzinom; Glufosfamid beim Glioblastoma multiforme; E7070 beim metastasierten Melanom) sowie von NX-211, der lipo-somalen Form von Lurtotecan, einem Hemmstoff der Topoisomerase I und II, welches bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Kopf- und Halsbereiches eingesetzt wurde, die entweder innerhalb oder außerhalb des Strahlenfeldes progredient wurden oder rezidivierten, bis hin zu einer prospektiv randomisierten Phase II-Testung eines Tumorangiogenese-Hemmers in Kombination mit Gemcitabine bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankre-askarzinom. Bei der getesteten Substanz Cilengitide (EMD 121974) handelt es sich um ein sogenanntes kleines Molekül, ein zyklisches Peptid, das die endothelialen Zelloberflächen-Rezeptoren, die Integrine αvß3 und αvß5, hemmt. Als interdisziplinäre Arbeit wurde der Einsatz von Chemoembolisation beim inoperablen hepatozellulären Karzinom publiziert. Das klinische Segment wird durch Phase III-Studien vervollständigt (adjuvante Gabe von Adriamycin, gefolgt von Cyclophosphamid, Methotrexat und Fluorouracil (A→CMF) und Erweiterung um Paclita-xel (AT→CMF) als adjuvante oder neo-adjuvante Chemotherapie beim Mammakarzinom; adjuvante Chemothe-rapie versus Beobachtung bei Frühstadien des Ovarialkarzinoms; Carboplatin/Cisplatin versus Cyclophospha-mid/Cisplatin beim Ovarialkarzinom FIGO-Stadium IC-IV). Die Bearbeitung epidemiologischer Themen fand eine Fortsetzung und Ausweitung in Form einer Untersuchung über den möglichen Zusammenhang von Cholezystektomie und dem Risiko der Entwicklung von Kolorektal-Karzinomen sowie Kolorektal-Adenomen sowie über jenen zwischen Nachtschichtarbeit und dem Risiko, ein Kolorektal-Karzinom zu entwickeln. Nachtschichtarbeit führt durch die damit verbundene Lichteinwirkung zu einer Verminderung der Serum-Melatonin-Spiegel, wodurch die bei verschiedenen Tumoren beobachtete Tumor-hemmende Wirkung von Melatonin entfällt. In einer weiteren Arbeit wurde der mögliche Zusammenhang zwi-schen Schichtarbeit, Melatonin-Konzentrationen im Harn sowie Steroidhormon-Spiegel im Plasma und dem Risi-ko, Krebs zu entwickeln, untersucht. Eine weitere epidemiologische Arbeit war dem möglichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Aspirin® oder nicht-steroidalen antiinflammatorischen Substanzen und der Entwick-lung von Pankreaskarzinomen gewidmet. Die Klärung eines vermeintlichen Einflusses des Polymorphismus am -202 Locus im Insulin-artigen Wachstumsfaktorbindungsprotein-3 Gen (IGFBP-3) auf die Serum-Spiegel des Insulin-artigen Wachstumsfaktors, auf Interaktionen mit Plasma-Retinol und Vitamin D und das Risiko, Brustkrebs zu entwickeln, war ebenfalls Gegenstand epidemiologischer Auseinandersetzung. Als auf diesem Gebiet weiter-führende Untersuchung ist jene des Zusammenhanges zwischen dem Polymorphismus im „GH1“-Gen und dem Risiko, Brustkrebs zu entwickeln, anzusehen. Der Themenkomplex der Chemoprävention befasste sich mit einer Arbeit über die Behandlung der Nikotin-Abhängigkeit als indirekte Chemoprävention von Lungenkrebs und wurde durch eine Analyse über die Bedeutung von Cyclooxygenase-2 (COX-2)-Inhibitoren in der Chemoprävention von malignen Tumoren bereichert. Schließ-lich wurde auch der Bereich „Supportive Care“ mit dem Segment der medikamentösen Schmerztherapie in der Onkologie abgehandelt. Besondere Bedeutung wurde der kritischen Beurteilung innovativer methodologischer Aspekte in der Entwicklung von neuen antitumoralen Agentien – speziell von sogenannten „targeted therapies“ bzw. Ziel-gerichteten Thera-pien – beigemessen. Die Befassung mit der Methodik der klinischen Prüfung in der Onkologie inklusive der not-wendigen Studienorganisation und -administration erfuhr im Berichtszeitraum kontinuierliche Fortsetzung bzw. thematische Ausweitung.