Sonderdruckaus: SCHRIFTENREIHE DES ZENTRALINSTITUTS FÜR FRÄNKISCHE LANDESKUNDE UND ALLGEMEINE REGIONALFORSCHUNG AN DER UNIVERSITÄT ERLANGEN-NÜRNBERG Band 22 DAS HEILIGE LAND IM MITTELALTER 'BEGEGNUNGSRAUM ZWISCHEN ORIENT UND OKZIDENT . INHALT Vorwort Gerhard Wirth, Andreas Bauch, . Der Kreuzzug, Anfänge und Vorformen Pilgerreise Willibalds ins Heilige Land . .. Vom Felsendom zum Templum Domini . Werner Goez, Wandlungen des Kreuzzuggedankens in Hochund Spätmittelalter ........... Hannes Möhring, Byzanz zwischen Sarazenen und Kreuzfahrern Karl-Ernst Lupprian, Papst Innocenz IV.. und die Ayyubiden Heribert Busse, Diplomatische Beziehungen bis 1247 1244 von .... Taktiken muslimischer Heere vom ersten Kreuzzug Peter Herde, bis cAyn Djälüt (1260) und ihre Einwirkung auf die Schlacht bei Tagliacozzo (1268) ..... der deutschen Die Südosteuroparoute Hermann Ke 11 e'n benz, Kreuzfahrer ', ....... ....... E. Ashtor, Europäischer Handel im spätmittelalterlichen Palästina '............. Das Recht des Andern Karl Bertau ....... ,' Die Nachwirkung der Kreuzzüge in der WolfdietrichýF ischer, ' arabischen Volksliteratur .. Orts- und Personenregister .......... VII 1 13 19 33 45 77 83 95 107127 145 155 Wandlungen des Kreuzzugsgedankens in Hoch- und Spätmittelalter . Von Werner Goez der Kreuzzugsbewegung kamen zweierlei geistige Kräfte zur Wirkung: In der Gedanke der Wallfahrt zu den Stätten des ursprünglichen Christentums und die Idee des Heiligen Krieges, des Ritterkampfes im Dienst der Kirche. " So lauimmer forschungsgeschichtlich faszinierenden, der des Satz noch tet erste des KreuzzugsgeErdmann Carl Entstehung Buches von grundlegenden Die dankens", erschienen 1935.1 In der älteren Literatur war namentlich die erstder Spätantike in die herausgearbeitet Komponente anworden: seit genannte Grab, Heiligen Pilgerfahrten Zahl welche zum schwellender nachzuweisenden in kriedurch bestimmte Veränderungen der politischen Rahmenkonstellation der2 Doch Erdmann Eroberungszüge sich gegen umschlugen. wandte gerische Der Auffassungen Interpretationsversuche: zenschief.... sind artige »Diese des, Vorgang die historisch Entwicklung allgemeinen' war trale und wesentliche Kreuzzugsgedankens, der nicht an bestimmte Orte gebunden war, sondern nur daß die der Wurliegt Hand, die Es kirchliche Zielsetzung als solche. auf an ... zeln dieser Idee nicht in Palästina gesucht werden können. "3 Erdmann stützte sich bei seiner These auf ein reiches, teilweise unbeachtet geDennoch vermag die geistesgeschichtliche Ableibliebenes Quellenmaterial. tung und Ausformung des allgemeinen Kreuzzugsgedankens", wie er sich ausdrückt, nicht ganz zu befriedigen. ' Wenn sich christliche Ritter seit dem Ausließen den des Kreuzzug Jahrhunderts 11. entschlossen, auf so zu gehen, gang das Schwert, sondern zugleich Pilgerstab und der Kirche nur nicht sie sich von Pilgertasche segnen. Selbst in einem Raum, in welchem der Heidenkampf gleichsam vor der Haustür" geführt wurde, nämlich in Spanien, stellten sie sich des hl. Jakobus, des traditionellen Patrons der Schutz besonderen den unter Wallfahrer. Und wenn man nach den Vokabeln fragt, mit welchen die ZeitgebezeichneEroberung des Landes Heiligen das Kriegsunternehmen zur nossen Sancti Sepulchri, PassaVia Iter Hierosolymitanum, lautet die Antwort: ten, so letztgenannte Pilgerschafts Das Wort Peregrinatio gium, namentlich aber die für Interpretatio Unternehmungen, keine im Nachhinein pia erfundene war Vortrag, geringfügig erweitert und mit den notwendigen Belegen versehen.' ' 1 C. ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1935, ND 1955) S. VII. 2 R. RÖHRICHT, Die Pilgerfahrten nach dem Heiligen Lande vor den Kreuzzügen, Raumers hist. Taschenbuch F. 5 Bd. 5 (1875). 3 C. ERDMANN (Anm. 1) S. VII4 vgl. H. E. MAYER, Geschichte der Kreuzzüge (51980), bes. S. 17ff.; R. C. SCHWINGES, Kreuzzugsideologie und Toleranz, Studien zu Wilhelm von Tyrus (1971) S. 3 ff. der ist Kreuzzug" Mitte des 13. JahrDas Wort 5 ferner erst aus profectio". und . ýexpeditio« hunderts zu belegen. 33 die 6 lateinische, Seiten ihre aufwiesen, wie gerade sehr unfrommen oftmals auch mithin von Klerikern abgefaßte Kreuzzugshistoriographie mit erstaunlicher Offenheit eingestand - verwiesen sei nur auf Albert von Aachen oder Wilhelm durchaus der Brauch dies Nomenklatur Tyrus-; 7 und war sondern von ersten Stunde". der die des die Kreuzzugsgedankens daß Geschichte wie trifft es zu, ProBeiträge dem Land ins Heilige Feldzüge gewichtige zu großen einzelnen bilden. Die Frage Krieg" ist nur, ob es sich nicht blemkreis und Christentum der historischen handelt, bedenkliche Vereinseitigung Analyse wenn eine um Erdmann den Blick so vorrangig auf diese allgemeine Problematik richtet, daß der Kampf um das leere Grab des Heilands bei ihm vergleichsweise nachgeordKonkretisierung jenes generellen Phänomens net und nur noch als spezielle Zumal der in Krieg" Kreuzzug mehrerscheint. erste war und Christentum facher Hinsicht ein Ereignis sui generis. Eines seiner wichtigsten Characteristica lag in der genuinen, nicht erst nachträglich entstandenen Zielrichtung der Teildiedas Palästina. Verlangen entzündeten wieder nach mich nehmer auf Immer in Gebet Jerusalem So der Wunsch, " Reise mein und zu verrichten. ser privat" beginnt Albert von Aachen seine Kreuzzugsgeschichte, in welcher er schildert, Namen Jesu die Verbannung auf sich nahRitter Fürsten pilgernd und wie in Jesus Eingang Heiligen Weg Herrn Grab zum und und men ... unseres Christus öffneten. "8 Natürlich Für Päpste und Könige mochten zeitweilig andere Ziele vorrangig sein: die Frage der kirchlichen Union mit den Griechen, die militärische Schwäche von Byzanz nach der schweren Niederlage von Mantzikert 1071, strategischeÜberlegungen, akute Notstände, unzureichende Mittel, die zur Beschränkung der Operationsziele nötigten. Carl Erdmann hat besonderesGewicht darauf gelegt, daß bei den Überlegungen und Verhandlungen an der Kurie anfänglich die Befreiung des Heiligen Grabes aus den Händen der Mohammedaner untergeordbesaß in der KreuzBedeutung Propaganda für den sogar und noch nete ersten zug nur wie eine nachträglich gefundene, zusätzliche, weil besonderswerbungskräftige Motivation anmutet. ' Durchaus richtig! In der berühmten Predigt Urbans II. zu Clermont-Ferrand fehlte das Argument offenbar völlig. 10Aber man' fügte esrasch genug hinzu, weil geradedie Parole mächtiger ein wie Jerusalem" Magnet auf diejenigen wirkte, welche bereit waren, ihr Leben im Heidenkampf jenseits des Meeres aufs Spiel zu setzen. Um dieses örtlichen Zieles willen war man sich im Ausgang des 11. Jahrhunderts in der abendländischen Öffentlichkeit - Klerus und Laienschaft, Adel und 6 vgl. AnnalesHerbipolenses,SS16S. 3. 7 Albert von Aachen, Historia Hierosolymitana, MPL 166; Wilhelm von Tyrus, Historia reMPL 201. in transmarinis gestarum, partibus rum 8 MPL 166 Sp. 389 9 C. ERDMANN (Anm. 1) S. 284 ff., bes. 308. Vgl. aber Gregor VII., Reg. II 31 anKg. Heinrich IV., die erste Äußerung eines Papstesüber ein Kreuzzugsprojekt: armata manu contra ... inimicos Dei volunt (milites christiani) insurgere et usque ad sepulchrum Domini, ipso ducente, pervenire. " Epp. sei. 2 S. 166. 10 D. C. MUNRO, The Speechof Pope Urban II at Clermont, AHR 11(1906) 34 einfachem Volk - darüber einig: Der Feldzug war eben nicht irgendein Krieg gegen Glaubensfeinde, vergleichbar den Slawenkämpfen des ottonischen Zeitalters. Es ging um das Land der Verheißung des Alten Bundes und der Stiftung des Neuen Testaments, um den Ursprungsraum der Kirche und um den - zumeist sehr konkret verstandenen - Ort des neuen Zion am Ende der Zeitlichkeit. Der Kreuzzugsgedanke besitzt alttestamentliche Wurzeln, nährt sich aus der Vergedes Jesus-Lebens, weist zurück auf die urchristliche Tradition genwärtigung und voraus in die Eschatologie, all dies geknüpft an das eine Wort Jerusalem". Deshalb erhoffte sich jeder Teilnehmer persönliche Heilsfolgen für die Gegendie für Zukunft nach dem leiblichen Tode. Kreuzzugsprowart und vor allem bezogen sich dabei auf Matthäus 19, paganda und Kreuzfahrerselbstverständnis domum fratres 29: qui reliquerit vel omnis, auf sorores auf patrem auf matEt filios auf auf agros propter nomen meum, centuplum accipiet et rem auf uxorem vitam aeternam possidebit. "11 Der Kreuzzug bildete eine besondere Form der pilgernden Nachfolge ChriSalvatoris", die bedeutete im Aufblick zum Kreuz von Er vitae sti. imitatio Golgatha Sterbebereitschaft und Auferstehungsgewißheit einschloß. In zahlreidas Jesus-Wort Kreuzzugspredigten, Matund wird chen -briefen -chroniken thäus 20,18 zitiert, mit dem den Aposteln die Passion angekündigt wurde: Ecce ascendimus Ierosolymam .... "12 Der Kreuzfahrer tritt in die Schar der jünger ein, die mit ihrem Meister zum Todes-Passah wandern. 13Es kann kein Zufall sein, daß der aggressiv betriebene Heidenkrieg der abendländischen Ritterdes Christus-Lebens dem dem die Stätten Islam entrissen werden schaft, mit Bevölkerungskreise, die das Ideal 14 Jesu" weiter sollten, und neue pauperis Vita der 15 buchstäblich gleichen Zeit angehören. nachzuahmen, möglichst Dabei wurden die Bibelworte, auf die man sich berief, in einer merkwürdigen, uns widersprüchlich anmutenden Weise ganz wörtlich und zugleich in übertragenem Sinn verstanden. Das Mittelalter rezipierte die spätantik-patristische Interpretationstechnikvom vierfachen Schriftsinn. 16So konnte man je nach 11 vgl. die sog. Enzyklika des PapstesSergius IV., eine um 1096 entstandene Fälschung, am bequemsten bei H. E. MAYER, Idee und Wirklichkeit der Kreuzzüge, Hist. Texte 2 (1965) Nr. 4 S. 12. Vollzitate des Bibelverses sitld in der Folge selten; man begnügt sich mit Anklängen bis zu Innocenz III.; dazu U. SCHWERIN, Die Aufrufe der Päpste zur Befreiung des Heiligen Landes von den Anfängen bis zum Ausgang Innocenz' IV. (1937) S. 62 f. Seit Innocenz III. steigt die Zahl der Belege erheblich an. 12 3. Leidensverkündigung. Zu Jerusalem vgl. S. MÄHL, Jerusalem in mittelalterlicher Sicht, Welt als Gesch. 22 (1962). 13 vgl. u. a. Innocenz III., Reg. XI, 1 MPL 214 Sp. 1339. iustum" damit 14 Darüber daß der Kreuzzug stets als angesehen als bellum defensio« und wurde, s. u. Vgl. auch U. SCHWERIN (Anm. 11) S. 50ff. 15 vgl. H. GRUNDMANN, Religiöse Bewegungen im Mittelalter (2. um einen Anhang verm. Aufl. 1961); E. WERNER, Pauperes Christi, Studien zu sozial-religiösen Bewegungen in der Zeit des Reformpapsttums (1956); G. MICCOLI, Chiesa gregoriana (1966) bes. S. 225ff. (1921); A de LU16 vgl. E. von DOBSCHUTZ, Vom vierfachen Schriftsinn, Harnack-Ehrung Ein alter BAC, Der geistige Sinn der Schrift (1952); ders. Exegese medievale 1-4 (1959-1964). docet, quid credas allegoria; moralis quid agas, quid speres anagoMerkvers lautet: gesta Littera gia. ` 35 Metaphorisches konkret deuten, buchstäbSituation und Argumentationsziel lich Gemeintes aber ins Bildlich-Allgemeine wenden. Der Kreuzfahrer beruft Weise. Ein Beispiel: die Mittels eines Bibel, auf seine sie er versteht aber sich auf die sich noch nicht entschlossen Christiani", Rundschreibens an alle milites hatten, an dem inzwischen bis vor die Mauern von Antiochia gelangten ersten Kreuzzug teilzunehmen, wollte Patriarch Simeon von Jerusalem die Daheimhintanzustellen Bedenken ängstlichen alle und zum gebliebenen veranlassen, Heer der Christenheit zu stoßen. 17Er zitiert dazu aus dem 1. Petrus-Brief: Indem Christus für uns litt und euch damit ein Beispiel gab, seid auch ihr berufen, des Bibelverses ist zweifellos die Der Sinn "18 Fußspuren nachzufolgen. seinen dem geistlich-ethischen Vorbild Jesu nachzustreben. Der PaAufforderung, dem Schwert die in der daraus Anweisung, den Hand mit geogratriarch macht des Nazareners nach Jerusalem nachzugehen. Lebensweg phisch-historischen der Bedeuwird entgegen eius" vestigia neutestamentlichen ut sequamini ... das Christi" zugleich ins Militärikonkret-räumlich aufgefaßt, tung exemplum Simeon Patriarch Daß gerade auf ein Petrus-Wort zurücksche umgedeutet. die nicht alle frei von Zweifeln bezüglich der den Zeitgenossen, griff; mochte die bedenkliche 19 Uminterpretation Gottwohlgefälligkeit waren, schmackhaft doch in Gethsemane hatte dem Petrus den Heiland mit machen, und plausibel Schwert verteidigt. 20 Kreuzfahrt ist pilgernder Gehorsam. Kein Schriftwort begegnetin der zeitgehäufiger Thema Jesu Ausspruch: Literatur als zum nachnössischen Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir drei in findet Zitat Das " synoptischen Evangelien, jeweils mit allen sich nach. kleinen Abweichungen, 21die das Mittelalter wohl bemerkte und ausdeutete. Teilnahme am Feldzug man verpflichtete suam" sich tollat zur crucem ... Kreuz Stoff indem Jerusalem, ein aus man sichtbar auf der Kleidung nach befestigte.22Das Jesus-Wort ist - trotz des realen Anknüpfungspunktes - mekonkretisierte Und es. man weil es bei Lukas heißt: ... taphorisch gemeint; tollat crucem suam quotidie", verpflichtete man den Kreuzfahrer, zu jeder Zeit diesesPilgerzeichen anzulegen (denn funktional war das Stoffkreuzchen nichts Jahrhunderten Spezies üblichen Pilgerplaketten). 21 seit solcher anderes als eine Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088-1100 (1901) Nr. 9. 17 A. HAGENMEYER, Christuspassus estpro nobis, vobis relinquens exemplum 18 1. Petr. 2,21: et utsequamiQuia ni vestigia eius. " 19 vgl. u. a. C. ERDMANN (Anm. 1) S. 212ff. Gegen die terreni commodi cupiditas" mancher Kreuzfahrer wenden sich Urban II. Epistula ad Bononienses, bei A. HAGENMEYER (Anm. 17) Nr. 3, und die Teilnehmer des Konzils von Clermont, MANSI XX, S. 815. Ähnliche Bedenken werden immer wieder vorgebracht. 20 Matth 26,51f. = Mark. 14,47 = Luk. 22,50f.: unus quidam". Nur bei Joh. 18,10f. wird Petrus namentlich genannt. 21 Matth. 16,24: Si quis vult post me venire, abneget semetipsum et tollat crucem suam et deneget Si 8,34: " Mark. sequi, me quis vult semetipsum et tollat crucem suam et sequatur me. sequatur me. " Luk. 9,23: Si quis vult post me venire, abneget semetipsum et tollat crucem suam quotidie et sequatur me. " 22 vgl. u. a. C. ERDMANN (Anm. 1) S. 317ff. 23 Literaturhinweise gibt K. KÖSTER, Jb. d. hess. kirchengesch. Vereinigung 8 (1957). 36 Reise-Aufforderungen, dem Jesusund post me" wurden zu Sequi" venire Leben nachzuziehen; freilich bedeutet diese Feststellung nicht, daß damit der ethische Hauptsinn des Heilandswortes außer acht gelassenworden wäre. Indem der Kreuzzug zugleich als fromme Pilgerfahrt ins Heilige Land und als kämpferische Nachfolge Jesu mit der Bereitschaft zu Leid und Tod verstanden wurde, war er nach der Auffassung des Mittelalters ein gottwohlgefälliges Werk. Doch darüber hinaus glaubte man im Ausgang des 11. Jahrhunderts, in einer heilsgeschichtlich besonders ausgezeichneten Gnadenzeit zu stehen. 24Die psychische Situation der Teilnehmer war stark eschatologisch bestimmt. Gerade dies erklärt die begeisterte Reaktion auf die Kriegspredigt Urbans II., das tausendstimmige Deus lo vult". 25Nur als pfingstliche Erweckung durch den Heiligen Geist konnten die Zeitgenossen den Vorgang begreifen. Guibert von Nogent nannte seine Chronik des ersten Kreuzzuges und der frühen Jahre des Königsreichs Jerusalem (bis 1110) geradezu Gesta Dei per Francos", 26denn nach seiner Meinung hatten hier keinesfalls allein Menschen gehandelt. Die älteste, deren Titel in der Handschrift bezieanonym überlieferte Kreuzzugschronik, hungsvoll der Franken (Franzosen) und der anderen Jerusalempilger" Taten lautet, 27hebt nicht zufällig in verbalem Anklang an das Kairos-Wort Jesu Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes nahe herbeigekommen"28 folgendermaßen an: Als endlich der Zeitpunkt gekommen war, den der Herr. Jesus seinen Gläubigen täglich vor Augen führt, vor allem indem er im Evangelium sagt:, Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und gehe mir nach', 29 da kam es zu einer ganz ungeheuren Erregung in allen Landschaften Frankreichs; wer dem Herrn eifrig, mit reinem Herzen und Gemüt nachzufolgen bereit war und nach seinem Vorbild getreulich das Kreuz schleppen der, 30. wollte, zögerte nicht, sich umgehend auf den Weg zum Heiligen Grab zu machen. "31. Aus den Endzeit-Reden Jesu kannte man den Satz: den wird von , Jerusalem Heiden zertreten werden, bis der Heiden Zeit erfüllt ist. "32Damit wurde die Eroberung Palästinas durch die christliche Ritterschaft nach Meinung vieler Zeitgenossenzum eschatologischbestimmten Geschehen. Guibert von Nogent wies eigensdarauf hin; 31noch der Ludus de Antichristo", das berühmte Tegernseer Mysterienspiel aus der zä-eiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, wurde im Aktionsdie 24 Es gibt dafür des Vita Verwiesen Robert von Arbrissel, AASS Febr. Belege. sei auf viele 23. 25 26 27 neue 28 29 3D 31 32 33 Überliefertnur bei Robert von Reims, Historia Hierosolymitana, MPL 155. Guibert von Nogent, Gesta Dei per Francos, MPL 156. H. HAGENMEYER, Anonymi gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum Edition durch R. HILL (1962). Mark. 1,15. Textgestalt Luk. 9,23. wörtlicher Anklang an Luk. 14,27. vgl. Anm. 27; der Text auch bei H. E. MAYER (Anm. 11) Nr. 1. Luk. 21,24. (1890); MPL 156,bes.Sp. 700ff., 807ff. 37 bestimmt? Doch dieser Vorstellung als es niedergeschrieben wurde, gang von Überzeugung bereits wieder verflogen, in heilsdiese der in Allgemeinheit war Nicht Bernhard hervorgehobener Stunde stehen. nur zu von geschichtlich Clairvaux hatte durch den unglücklichen Ausgang des von ihm propagierten bezüglich des Nimbus Kreuzzuges auch verloren; zweiten viel von seinem Kreuzzugsgedankens begann eine Verkürzung einzusetzen. Das Unerhörte der ersten Stunde besaßen alle späteren Unternehmungen ohnehin nicht mehr. Nafromme Handlung; das Hierosolymitanum" als weiterhin auch türlich galt Iter jeder Teilnehmer hoffte auf Gotteslohn, wie ihn die Kreuzzugspropaganda 75 Aber in in Aussicht der Ritterschaft stellen. zunehmenzu nicht müde wurde, dem Maße wurden auch Gegenstimmen laut. 36Vor allem redete man kaum noch in Deuil Odo Zwar der Zeit". seinem Bericht von zitierte von einer Erfüllung über die Kreuzfahrt König Ludwigs VII. von Frankreich 1147/1148 die meisten der Bibelzitate, die sich schon bei seinen historiographischen Vorgängern fanden, aber gerade Lukas 21,24 und ähnliche Bibelverse werden nicht mehr der identisch Kreuzden Blick 37 Alles zu sein, aber ersten erwähnt. scheint auf Die Dimension bereits in ist verkürzt: eschatoeiner wesentlichen zugsgedanke logische Bewertung fehlt. Nach Odo ist der Kreuzzug des Königs, ungeachtet des Ausgangs, ein frommes, verdienstvolles Werk, - aber er fällt nicht in einen Kairos besonderer Gottesnähe und endzeitlicher Erwartung. Und als infolge in Jerusalem Hittin" 1187 der Schlacht bei den wieder mohamvon Hörnern für die Erfüllung-der Zeichen das ist Hände apokalyptische medanische gerät, Zeit und den bevorstehenden Anbruch des ewigen Gottesfriedens, von dem Lukas 21,24 handelt, wieder zerbrochen. Seit 1100 wird die Geschichte des Kreuzzugsgedankens - sie ist weithin noch Jerusalem der Verknüpfung schrittweise gelöst; eine mit ungeschrieben38- von begriffliche Erweiterung und ein gleichzeitiger allmählicher Abbau setzen ein. das Gedankengut Allerdings ältere nicht plötzlich und niemals erstirbt immer Neigung, 39 Die wieder zitierend auf typisch mittelalterliche vollständig. ältere und oftmals sogar staretardierend wirkt zurückzugreifen, auctoritates" bilisierend. Trotzdem kann man sagen, daß vom Augenblick des größten Erfolder Gründung des Königder Konkretisierung an ges und weitestgehenden Gottfried dem Jerusalem sepulchri" und sancti seinem reiches unter advocatus Bruder, dem ersten König Balduin - der Kreuzzugsgedanke zu altern beginnt. Neben dem Verlust der eschatologischen Dimension lockert sich die ausschließliche geographische Fixierung auf das Heilige Land. Beides hängt miteinander zusammen. 34 Der Staufische Ludus de Antichristo, kommentiert von G. GÜNTHER (1970). 35 aus der reichen Lit. dazu: V. CRAMER, Die Kreuzzugspredigt zur Befreiung des Heiligen Landes 1095-1270. Studien zur Geschichte und Charakteristik der Kreuzzugspropaganda (1939). 36 P. A. THROOP, Criticism of the Crusades. A Study of Public Opinion and Crusade Propaganda (1940). 37 Eudes de Deuil, La croisade de Louis VII roi de France, hrg. von H. WAQUET (1949). 38 vgl. R. C. SCHWINGES (Anm. 4) S. 3 mit Anm. 4. 39 Dies ist auch bezüglich der folgenden Ausführungen relativierend zu beachten. 38 hinauf nach Jerusalem". Im Litteralsinn ist das wir ziehen zusammen Sehet, die Stadt in Palästina, eschatologisch gefaßt der Ort, wo der letzte Sieg über den Satan errungen wird. So kann Jerusalem zur Metapher werden: Es ist überall, wo man im Namen Gottes gegen die Heiden streitet. Damit wird eine Bresche in die Einzigartigkeit des Kreuzzugsgedankens gelegt. Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten mehrfach herausgearbeitet, daß sich die spanischen Glaubenskämpfer anfänglich keineswegs mit den Kreuzrittern völlig gleichgesetzt haben. "' Nun aber wird das anders. Kurz vor der Mitte des 12. Jahrhunderts die die kirchlichen Krieg Aufrufe zum gegen stellen noch heidnischen Westslawen das geplante militärische Unternehmen der peregrinatio ad Ierusalem" ausdrücklich im Heilswert gleich. 41Somit wird es nun bei jedem Kampf gegen Glaubensfeinde möglich, sich mit den Zeichen eines Wallfahrers zu schmücken, die Vermögenssicherungen in Anspruch zu nehmen, welche die Kirche den Kreuzfahrern garantiert, und den Kreuzzugsablaß zu gewinnen. 42 Kreuzzug wird zur Chiffre für die militärische Auseinandersetzung zwischen Christentum und Nichtchristentum, 43 bald auch zur Chiffre für die gewaltsame AusOrthodoxie römischer einandersetzung zwischen und schismatischer , Heterodoxie4i und schließlich sogar während des Endkampfes zwischen Papsttum und staufischem Kaisertum zur Chiffre der politischen Auseinandersetzung der Kurie mitFriedrich II. und seinen Erben. 45Gemessen an der ursprünglichen Idee, wird der Kreuzzugsgedanke partiell seinem Wesen entfremdet und formulieren kann kaum man anders - oftmals geradezu pervertiert. Gewiß: von Anfang an hatten mancherlei profan-egoistische Motivationen am großen Zeitanliegen der Anteil gesucht und gefunden; nicht sepulchri" einen sancti via haben diese kritische Feststellung Gelehrte nachdrücklich erst moderne bricht die Zeit an, in welcher unter der Jahrhundert im 46 Aber 13. getroffen. Krieges" manche christlichen Könige machtpolitiÜberschrift des Heiligen 40 vgl. u. a. H. E. MAYER (Anm. 4) S. 35 ff. 41 Eugen III. J. -L. 9017, MPL 180 Sp. 1203; Bernhard von Clairvaux MPL 182 Nr. 457. Vgl. u. a. Otto v. Freising, Gesta Frid. I, 42. Vgl. F. LOITER, Die Konzeption desWendenkreuzzugs (1977). 42 Daß beim Wendenkreuzzug 1147 das aufgenähte Kreuzeszeichen abweichend gestaltet war, Zur Vermögenssicherung: I, Frid. 42. Otto Gesta Freising, MANSI, Concilia XXII S. erwähnt v. 1063 und XXIII S. 630; besonders nachdrücklich die Anweisungen Innocenz' III. MPL 216, Sp. 819ff. Vgl. ferner A. GOTTLOB, Kreuzablaß und Almosenablaß (1906). herze und min lip diu wellent 43 vgl. das bekannte Kreuzzugslied desFriedrich von Husen Min scheiden`. Jerusalem als Ziel wird hier nicht erwähnt; es heißt lediglich: der lip wil gerne vehten an die beiden"; dö ich daz krit"ze in gotes ere nam ... ". 44 Es genügt, auf die Albigenser-Kreuzzüge hinzuweisen. Allerdings ist dabei stets zu beachten, daß das Wort Kreuzzug" selbst erst im hohen 13. Jahrhundert begegnet, unsere Nomenklatur also eine Zusammenfassung vornimmt, deren Richtigkeit zu überprüfen wäre. Doch gab es auch Gegenstimmen. Vgl. Reg. Imp. 5,4287a. 45 Außer derallgemeinen Lit. zur späten Stauferzeitvgl. M. PURCELL, Papal Crusading Policy 1244-1291 (1975). 46 vgl. die kritischen Stimmen bei H. ROSCHER, Papst Innocenz III. und die Kreuzzüge (1969), wobei methodisch einzuwenden wäre, daß manche Zitate bei R. aus der Zeit nach Innocenz stammen. 39 seheZiele verfolgen und finanzielle Vorteile zu erlangen suchen." Notfalls sorgt die Propaganda - in steigendem Maße bezüglich der Einsatzfähigkeit für staatliche Ziele ins Kalkül einbezogen - für das Notwendige: Man muß den Gegner nur gründlich verteufeln", bis ein Kreuzzug gegenihn als die ultima ratio" erscheint! Durch die Lockerung, ja Lösung von der ursprünglichen räumlichen Bindung wird der Kreuzzugsgedanke disponibel und umformbar für ganz andere Einsatzfelder. Freilich: ganz gerät der alte Bezug nicht in Vergessenheit. Aber ist überhaupt noch realisierbar, was 1098 gelang? lange die daß Sprache, noch dessen bewußt man sich genau zeigt war, worauf sich der Kreuzzugsgedanke seinem Ursprung nach richtete. Seit ca. berichten, zwischen 1200 wird in den Quellen, die von Kreuzzugsvorhaben 48Das Ziel eines unterschieden. generalia" und particularia" passagia passagia die ist Palästina. Unternehmungen, aus strategischen und generale" passagium finanziellen Gründen oder aus Kleinmut nur nach Ägypten, Tunis oder anderswohin ausgriffen, galten dagegen als passagia particularia", mochten auch noch dem daran beteiligt Kreuzfahrer Vor zweiten Konzil von auf sein. allem so viele Lyon (1274) und dem Konzil von Vienne (1310-1312) wurde darüber diskuClemens' V. zahlreiche tiert. Wir besitzen namentlich aus dem Pontifikat die darauf zu sprechen kommen. 49 Man war sich einig: Kreuzzugsgutachten, Nach dem Fall von Akkon konnte nur noch ein gesamteuropäisches passagium derartiges das Geschehen Aber ein christliches generale" ungeschehen machen. hielt man nicht für realisierbar. So begnügte man Gemeinschaftsunternehmen Zielsetzung zu eingeschränkter sich, einige passagia particularia" von stark diskutieren. 50Doch selbst von diesen reduzierten Plänen wurde das wenigste in Und Vienne dauerhaftem Erfolg verwirklicht. was und so gut wie nichts mit scheiterte, ließ sich auch in den späteren Jahrhunderten nicht leisten. 51 Alle dem Kreuzzugspläne Kreuzzugsunternehmungen standen unter späteren und Vorzeichen der Verteidigung, 52vor allem gegenüber der wachsenden Türkengefahr. Der Ausgriff bis nach Palästina war nur noch ein Traum und besaß keinerlei Chancen einer Verwirklichung Jerusalem militärisch weder noch politisch. war abgeschrieben. Erstaunlich Um Jerusalem gruppierten die hochmittelalterlichen Weltkarten den Orbis heilige Die 53 Stadt desTempels Gottes, des Leidens Christi und seiner terrarum. eschatologischen Verherrlichung am Ende der Zeiten bildete genau so den Mitdes Erdkreises, wie Jesu Erdendasein zur Zeit der Kaiser Augustus und telpunkt 47 beispielsweise Philipp IV. von Frankreich. Zum Problem u. a. PURCELL (Anm. 45) S. 94 ff. 48 Diese Terminologie ist derälteren Forschung nicht aufgefallen; vgl. dazu L. THIER, KreuzPapst Clemens V. (1973). unter zugsbemühungen 49 vgl. A. ATIYA, The Crusade in the Later Middle Ages (21938) bes. S. 29 ff. 50 dazu L. THIER (Anm. 48). Studien zur Geschichte der Kreuzzugsideen nach den 51 vgl. A. von HIRSCHBEREUTH, Kreuzzügen (1896). 52 vgl. u. a. H. E. MAYER (Arim. 4) S. 263 ff. Vgl. auch Anm. 69. 53 A. D. von den BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographic, DA 24 (1968); dies., Ut describeretur universus orbis - zur Universalkarthographie desMittelalters, Misc. Med. 7 (1970). 40 Tiberius die Mitte der Geschichte bildete. Erinnert sei an die Weltkarten von Ebstorf (um 1240) und Hereford (um 1290). 54Als der Hereforder Plan entstand, endete das Königreich Jerusalem mit dem Fall von Akkon. Auf den Portolanen und anderen Seekarten ist nicht mehr Palästina die Mitte; das entspricht ihrem Zweck, ist aber zugleich Ausdruck einer sich wandelnden Weltsicht. 55Wenn Ranulf Higden bei der Weltkarte in seinem 1342 daran von Polychronicon" festhält, 56so stellt dies eindeutig einen Anachronismus dar. Henricus Martellus Germanicus (1489) und Gerhard Mercator (1569) brechen dem modernen geographischen Weltbild die Bahn 57 Jede Stelle auf dem Erdkreis kann zur Mitte einer Landkarte gemacht werden. Vollends auf dem Globus ist Jerusalem nur ein winziger Punkt unter vielen anderen. Der Verlust der Mittelpunktslage bedeutet mehr als nur einen fachwissenschaftlichen Fortschritt: Die Zeit der Kreuzzüge im eigentlichen Sinn ist damit vorbei. in Zahl. Zu ihnen geNoch gab es sogar geringer nicht particularia", passagia fromme oder auch weniger fromme ritterliche hörten die Preußenfahrten", des gesamten mittel-, und westeuropäischen Gemeinschaftsunternehmungen Adels während des Spätmittelalters. 58Palästina blieb zwar Pilgerziel, aber unter Über der Schwankungen Wallfahrerzahlen Vorzeichen. fehlen bisverändertem lang Untersuchungen; man gewinnt den Eindruck, daß mindestens zeitweilig die anschwellende eucharistische Devotion mit ihren neuen Wallfahrtszielen Orvieto, Wilsnack, Gottsbüren59 u. a. m. - eine gewisse Konkurrenz für die Pilgerschaft ins Heilige Land bedeutete. Und in gleicher Richtung wirkte seit Jahres" mit ho1300 die periodisch wiederkehrende Ausrufung eines Heiligen hen Ablässen für den Besuch der Hauptkirchen Roms. 60Je mehr man die gefährliche und teure Reise übers Meer scheute, desto populärer wurde beispielsweise Erst in Loreto. Ausgang des der Besuch der 15. Jahrhunderts gegen santa" casa der Wallfahrer die Zahl nach Jerusalem und Bethlehem erhöhte sich noch einmal in erheblichem Maße, wenn man aus der nunmehr enorm zunehmenden Zahl diesen Rückschluß ziehen darf. Doch nur eine GePilgerberichte61 europäischer die durch Eroberung Palästinas und die änderte türkische neration später sich deutsche Reformation die Situation grundlegend. 54 M. DESTOMBES, Monuments cartographica vetustioris aevi 1 (1964). Die Ebstorfer Karte ist dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen. Zu Hereford: G. R. CRONE, The Hereford World Map (1948); ders., New Light on the Hereford Map, Geogr. Journal 131 (1965). 55 K. KRETSCHMER, Die italienische Portolane des Mittelalters (1909), R. ALMAGIA, Monumenta Italiae Cartographica (1929). 56 J. TAYLOR, The Univi rsal Chronicle of Ranulf Higden (1966). 57 L. BAGROW und R. A. SKELTON, Meisterder Kartographie(1963). 58 vgl. u. a. H. PROTZ, Rechnungen über Heinrich von Derby's Preussenfahrten 1390-1391 und 1392 (1893). 59 K. KÖSTER, Gottsbüren, das hessischeWilsnack`, Festgabe P. Kirn (1961). 63 R. FOREVILLE, L'idee de jubile chez les theologiens et les canonistes avant l'institution du jubile romain, RHE 56 (1961). 61 R. RÖHRICHT und H. MEISSNER, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande (21900); C. ZRENNER, Die Berichte der europäischen Jerusalempilger 1475-1500, Ein literarischerVergleich im historischen Kontext (1981). 41 Im Grunde gab es schon seit dem dritten Kreuzzug 1189/1192 - oder, wenn man sowill, seit Friedrichs II. Kreuzzug" von 1228/122962 - kein passagium generale" mehr. Das Wort meint noch ein Zweites. Mochten aus bestimmten sozialgeschichtlichen und politischen Gründen die Franzosen die Masse der Teilhaben, handelte Kreuzzug ersten gestellt nehmer am prinzipiell es sich um ein übernationales Unternehmen. Der Kreuzzugsgedanke kennt nur Christen und Nichtchristen, vielleicht auch - freilich nurvom Adel aus gesehen - den UnterEr kennt jedoch keine unterschiedlichen Naschied von Ritter und Nichtritter. tionen: Alle sind aufgerufen. Nicht ein einzelnes Volk, sondern der gesamte ist Träger der ursprünglichen Kreuzzugsbewegung. Jesu christianus" populus Kreuz-Träger-Wort wird bei Lukas eingeleitet: Dicebat autem ad omnes ... " Das wird aufgenommen: Jede christliche Völkerschaft ist in gleicher Weise gemeint, niemand ausgeschlossen. Die Kreuzzugspläne Gregors VII. von 1074 richteten sich auf Italici et ultramontani". 63Sein Aufruf ging an alle Getreuen des hl. Petrus". 64Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten wiederholt den eigentümlichen, unscharfen und doch faßbaren Verbandscharakter der christianitas" in der Zeitspanne zwischen Gregor VII. und Innocenz IV. genauer herausgearbeitet. 65 Vor allem für die Epoche Innocenz' III. erwies sich diese Idee geradezu als grundlegend. 66 Daran ist auch der Kreuzzugsgedanke urdie Heere landsmannschaftlich geknüpft, gegliedert marsprünglich obwohl der kämpften der Streit Rittern verschiedenen schierten wie und sich zwischen Nationen immer wieder als Störfaktor erwies. Vom Gedanken der christianitas" aus konnten englische Chronisten den Kreuzfahrer Friedrich Barbarossa als bezeichnen. 67Aber im Laufe des 13. Jahrhunderts ging das noster" imperator Bewußtsein für jene abendländische Gemeinschaft eines allgemeinen populus Fürstentümer EuroDie Völker, Reiche und christianus" empfindlich zurück. die lernten begreifen, Größen einen superior in sich zusehends pas zu als eigene terris"68 nicht anerkannten und die gemeinsame Zugehörigkeit zur christianitas" immer weniger realisierten. So wurde der Begriff eines passagium generale" auch von innen her allmählich aufgelöst. Ein Letztes: Anfänglich war für den Kreuzzugsgedanken kennzeichnend, daß man das aggressivbetriebene kriegerische Unternehmen rein defensiv interpretierte. Nach dem Selbstverständnisder Teilnehmer am ersten Kreuzzug handelte es sich um einen Verteidigungskrieg, und schon aus diesem Grund um ein gottwohlgefälliges bellum iustum". 69Sowohl die Kirche wie insbesondere die J Pf 62 vgl. R. RÖHRICHT, Beiträge zur Geschichte der Kreuzzüge 1 (1874) u. a. m. 63 Gregor VII., Reg. II, 31. 64 Gregor VII.; Reg. II, 37. 65 J. RUPP, L'idee de Chretiente dans la pensee pontificale des origines ä Innocent III (1939); Sacerdozio e regno da Gregorio VII a Bonifacio VIII (1954). 66 F. KEMPF, Papsttum und Kaisertum bei Innocenz III. Die geistigen und rechtlichen Grundlagen seiner Thronstreitpolitik (1954), bes. S. 280ff. ' 67 Wilhelm von Newburgh, SS27, S. 237 und 238. 68 vgl. F. KEMJ' (Anm. 66) passim u. a. m. 69 R. H. W. REGOUT, La doctrine de Is guerre juste de St. Augustin ä nos jours (1934); H. 42 orientalischen Glaubensgenossensah man in einer existenzbedrohenden Gefidem vulfahr. Verteidigung war Solidaritätspflicht. qui christianam Veniant, tis defendere!" Mit diesem Satz rief Gregor VII. 1074/1075 die abendländische Ritterschaft erstmals (und damals noch erfolglos) zum Kreuzzug auf. 70Es ging ihm aber nicht nur um die Verteidigung der christlichen Religion, sondern zudie den ihm die Berichnach vorliegenden christianorum", gleich um defensio hingemordet" Zwangsmission das der 71 Schlachtbank Vieh wurden. ten wie auf dagegen Heiden Mohammedanern oder war nicht vorgesevon unterworfenen hen; sie ist dem Kreuzzugsgedanken ursprünglich ebensofremd wie dem islamidie die 72 Gegen Judenpogrome, hades Dschihad. Gegenstück einsetzten, schen ben sich die Kreuzzugsprediger stets mit Entschiedenheit erklärt. 73Dennoch kam eszu bedauerlichen Exzessen,die je später, desto mehr eskalierten. Auch in dieser Hinsicht erleidet der ursprünglich davon freie Kreuzzugsgedanke eine Veränderung. Es war vor allem das Augustinus-Wort compellere intrare", 74 hat in Die Forschung herausAnalyse bezogen. die Eiferer genauer worauf sich diesem Zusammenhang dem in Wendenkreuzzug Bedeutung gearbeitet, welche Zwangsmission Jetzt Heiden ist 75 beizumessen 1147 wurde gegenüber und von Häretikern geradezu als eine der Hauptaufgaben der Kreuzfahrt angesehen.An die Stelle der anfänglich (bis auf die Eroberungspogrome) weithin beachteten Gesinnungstoleranz76trat vor allem bei den uneigentlichen" Kreuzzügen in Glaubensterror. der Ausmaß steigendem So wurde der Kreuzzugsgedanke im Laufe des späteren Mittelalters immer der doch Aber Grundkomdemontiert umgebildet. zumindest eine oder weiter ist jene, die Carl Erdmann Veränderungen; kaum es auf abponenten unterlag daß der daran, für die Krieg Sache Kirche Man von und stellte: zweifelte nicht Glauben legitim und gottgewollt sei. Heute wird geradedieser Grundkonsens in Frage gestellt: Wie konnte man im Namen Christi überhaupt derartige Unterdurchführen? nehmungen planen und Es ist hier nicht zu untersuchen, ob bei solcher gegenwärtigen Fragestellung das Neue Testament überhaupt unverkürzt gelesen wird. Mittelalterliches ChriAussagen zu Krieg, Politik und Staatbezüglich jedenfalls seiner stentum ging lichkeit in allerstärkstem Maße von der Botschaft des Alten Bundes aus. Dafür FINKE, Das Problem des gerechten Krieges in der mittelalterlichen theologischen Literatur, M. GRABMANN 1935); K. -H. ZIEGLER, der Geisteswelt des Mittelalters (=Festschrift rechter Krieg, HRG 1 Sp. 1532ff. (1969). Aus Ge- 70 Gregor VII., Reg. II, 37. 71 Gregor VII., Reg. II, 31,;vgl. ders., Epp. coll. ed. P. JAFFE, Bibl. rer. Germ. 2 Nr. 11. 72 vgl. u. a. A. NOTH, Heiliger Krieg und heiliger Kampf im Islam und Christentum (1966). 73 vgl. Bernhard von Clairvaux, MPL 182 Nr. 363 und 365; Otto von Freising, Gesta Frid. I, c. 38. Daß dabei dem Rachegedanken wegen des Kreuzestodes Christi besondere Relevanz zukam, wire weitläufig darzulegen. 74 H. -1). KAHL, Compellere intrare, jetzt in: H. BEUMANN (Hrg. ), Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des Mittelalters (1963). 75 namentlich im soeben angef. Sammelband. 76 dazu bes. R. C. SCHWINGES (Anm. 4) an vielen Stellen. Besonders hingewiesen sei auf die Begriffsdiskussion S. 64 ff. 43 den Belege. Auf Emails der Kaiserkrone sind'David und Salozahllose gibt es mon abgebildet, die ersten Könige von Jerusalem. In Gottes Auftrag hatte Israels zweiter König die Heilige Stadt erobert und auf dem Zionsberg Burgund Tempel erbaut. Bedeutete der Kreuzzug nicht eine Erneuerung der Davids-Tat für das neue Volk Gottes, die Christenheit? Immer wieder nahmen Kreuzzugsprediger und -chronisten auf ihn, den Ahnherrn Christi, auf Josua, Moses, die Machabäer Bezug. Es stand für sie fest: Menschen, sondern Gott hatte Nicht die Heerfahrt angeordnet". 77Der-unglückliche Ausgang *der meisten Kreuzzugsunternehmungen führte weniger zu generellen Überlegungen über dasVerhältnis von- Christentum und Krieg als zum Eingeständnis siegunwürdiger Sündhaftigkeit. 78 hat sein Antlitz für eine Weile verborgen". 79 bald Gott Aber wird er wieder gnädig auf Zion niederblicken, daß er sich zur Wohnung erkor". 80Solange sich der Kreuzzugsgedanke unbeirrt an Jerusalem knüpfte, verkraftete die militia christiana" auch Niederlagen und Rückschläge. Mit der Aufgabe dieser Bindung aber wurde der Kreuzzugsgedanke im engeren, hochmittelalterlichen Sinn einer Ausweitung, Wesensveränderungund schrittweisen Schwächung unterworfen, die später folgenreich werden mußte. 77 Ekkehard von Aura, Hierosolimita, in: F: J. SCHMALEund I. SCHMALE-OTT, Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik (1972), S. 326 (vgl. S. 130). 78 so an vielen Stellen. Vgl. Otto`von Freising, Gesta Frid. I, 47:. Verum quia peccatis nostris ". exigentibus, quem finem predicta expeditio sortita fuerit, omnibus notum est ... 79 Ekkehard von Aura, Hierosolimita (Anm. 77) S. 329 nach Jes. 54,8. 80 Ekkehard von Aura, Hierosolimita (Anm. 77) S. 329 nach Ps. 131,13. 44