Sonderdruck aus: SCHRIFTENREIHE DES ZENTRALINSTITUTS

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Sonderdruckaus:
SCHRIFTENREIHE DES ZENTRALINSTITUTS
FÜR FRÄNKISCHE LANDESKUNDE UND
ALLGEMEINE REGIONALFORSCHUNG
AN DER UNIVERSITÄT ERLANGEN-NÜRNBERG
Band 22
DAS HEILIGE LAND
IM MITTELALTER
'BEGEGNUNGSRAUM ZWISCHEN
ORIENT UND OKZIDENT
.
INHALT
Vorwort
Gerhard Wirth,
Andreas Bauch,
.
Der Kreuzzug, Anfänge und Vorformen
Pilgerreise Willibalds ins Heilige Land
.
..
Vom Felsendom zum Templum Domini
.
Werner Goez,
Wandlungen des Kreuzzuggedankens in Hochund Spätmittelalter ...........
Hannes Möhring,
Byzanz zwischen Sarazenen und Kreuzfahrern
Karl-Ernst Lupprian,
Papst Innocenz IV.. und die Ayyubiden
Heribert Busse,
Diplomatische
Beziehungen
bis
1247
1244
von
....
Taktiken muslimischer Heere vom ersten Kreuzzug
Peter Herde,
bis cAyn Djälüt (1260) und ihre Einwirkung
auf die Schlacht bei
Tagliacozzo
(1268)
.....
der deutschen
Die Südosteuroparoute
Hermann Ke 11 e'n benz,
Kreuzfahrer
',
.......
.......
E. Ashtor,
Europäischer Handel im spätmittelalterlichen Palästina '.............
Das Recht des Andern
Karl Bertau
.......
,'
Die Nachwirkung der Kreuzzüge in der
WolfdietrichýF ischer,
' arabischen Volksliteratur
..
Orts- und Personenregister ..........
VII
1
13
19
33
45
77
83
95
107127
145
155
Wandlungen des Kreuzzugsgedankens
in Hoch- und Spätmittelalter
.
Von Werner Goez
der Kreuzzugsbewegung kamen zweierlei geistige Kräfte zur Wirkung:
In
der Gedanke der Wallfahrt zu den Stätten des ursprünglichen Christentums und
die Idee des Heiligen Krieges, des Ritterkampfes im Dienst der Kirche. " So lauimmer
forschungsgeschichtlich
faszinierenden,
der
des
Satz
noch
tet
erste
des
KreuzzugsgeErdmann
Carl
Entstehung
Buches
von
grundlegenden
Die
dankens", erschienen 1935.1 In der älteren Literatur war namentlich die erstder
Spätantike
in
die
herausgearbeitet
Komponente
anworden:
seit
genannte
Grab,
Heiligen
Pilgerfahrten
Zahl
welche
zum
schwellender
nachzuweisenden
in kriedurch bestimmte Veränderungen der politischen Rahmenkonstellation
der2
Doch
Erdmann
Eroberungszüge
sich
gegen
umschlugen.
wandte
gerische
Der
Auffassungen
Interpretationsversuche:
zenschief....
sind
artige
»Diese
des,
Vorgang
die
historisch
Entwicklung
allgemeinen'
war
trale und
wesentliche
Kreuzzugsgedankens, der nicht an bestimmte Orte gebunden war, sondern nur
daß
die
der
Wurliegt
Hand,
die
Es
kirchliche
Zielsetzung
als
solche.
auf
an
...
zeln dieser Idee nicht in Palästina gesucht werden können. "3
Erdmann stützte sich bei seiner These auf ein reiches, teilweise unbeachtet geDennoch vermag die geistesgeschichtliche Ableibliebenes Quellenmaterial.
tung und Ausformung des allgemeinen Kreuzzugsgedankens", wie er sich ausdrückt, nicht ganz zu befriedigen. ' Wenn sich christliche Ritter seit dem Ausließen
den
des
Kreuzzug
Jahrhunderts
11.
entschlossen,
auf
so
zu
gehen,
gang
das
Schwert, sondern zugleich Pilgerstab und
der
Kirche
nur
nicht
sie sich von
Pilgertasche segnen. Selbst in einem Raum, in welchem der Heidenkampf
gleichsam vor der Haustür" geführt wurde, nämlich in Spanien, stellten sie sich
des hl. Jakobus, des traditionellen Patrons der
Schutz
besonderen
den
unter
Wallfahrer. Und wenn man nach den Vokabeln fragt, mit welchen die ZeitgebezeichneEroberung
des
Landes
Heiligen
das
Kriegsunternehmen
zur
nossen
Sancti
Sepulchri,
PassaVia
Iter Hierosolymitanum,
lautet
die
Antwort:
ten, so
letztgenannte
Pilgerschafts
Das
Wort
Peregrinatio
gium, namentlich aber
die
für
Interpretatio
Unternehmungen,
keine
im
Nachhinein
pia
erfundene
war
Vortrag, geringfügig erweitert und mit den notwendigen Belegen versehen.' '
1 C. ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1935, ND 1955) S. VII.
2 R. RÖHRICHT, Die Pilgerfahrten nach dem Heiligen Lande vor den Kreuzzügen, Raumers
hist. Taschenbuch F. 5 Bd. 5 (1875).
3 C. ERDMANN (Anm. 1) S. VII4 vgl. H. E. MAYER, Geschichte der Kreuzzüge (51980), bes. S. 17ff.; R. C. SCHWINGES,
Kreuzzugsideologie und Toleranz, Studien zu Wilhelm von Tyrus (1971) S. 3 ff.
der
ist
Kreuzzug"
Mitte des 13. JahrDas
Wort
5 ferner
erst
aus
profectio".
und
.
ýexpeditio«
hunderts zu belegen.
33
die
6
lateinische,
Seiten
ihre
aufwiesen,
wie
gerade
sehr
unfrommen
oftmals auch
mithin von Klerikern abgefaßte Kreuzzugshistoriographie mit erstaunlicher
Offenheit eingestand - verwiesen sei nur auf Albert von Aachen oder Wilhelm
durchaus
der
Brauch
dies
Nomenklatur
Tyrus-;
7
und
war
sondern
von
ersten
Stunde".
der
die
des
die
Kreuzzugsgedankens
daß
Geschichte
wie
trifft es zu,
ProBeiträge
dem
Land
ins
Heilige
Feldzüge
gewichtige
zu
großen
einzelnen
bilden.
Die
Frage
Krieg"
ist nur, ob es sich nicht
blemkreis
und
Christentum
der
historischen
handelt,
bedenkliche
Vereinseitigung
Analyse
wenn
eine
um
Erdmann den Blick so vorrangig auf diese allgemeine Problematik richtet, daß
der Kampf um das leere Grab des Heilands bei ihm vergleichsweise nachgeordKonkretisierung
jenes
generellen Phänomens
net und nur noch als spezielle
Zumal
der
in
Krieg"
Kreuzzug
mehrerscheint.
erste
war
und
Christentum
facher Hinsicht ein Ereignis sui generis. Eines seiner wichtigsten Characteristica
lag in der genuinen, nicht erst nachträglich entstandenen Zielrichtung der Teildiedas
Palästina.
Verlangen
entzündeten
wieder
nach
mich
nehmer auf
Immer
in
Gebet
Jerusalem
So
der
Wunsch,
"
Reise
mein
und
zu verrichten.
ser
privat"
beginnt Albert von Aachen seine Kreuzzugsgeschichte, in welcher er schildert,
Namen
Jesu
die Verbannung auf sich nahRitter
Fürsten
pilgernd
und
wie
in
Jesus
Eingang
Heiligen
Weg
Herrn
Grab
zum
und
und
men ...
unseres
Christus öffneten. "8
Natürlich
Für Päpste und Könige mochten zeitweilig andere Ziele vorrangig sein: die
Frage der kirchlichen Union mit den Griechen, die militärische Schwäche von
Byzanz nach der schweren Niederlage von Mantzikert 1071, strategischeÜberlegungen, akute Notstände, unzureichende Mittel, die zur Beschränkung der
Operationsziele nötigten. Carl Erdmann hat besonderesGewicht darauf gelegt,
daß bei den Überlegungen und Verhandlungen an der Kurie anfänglich die Befreiung des Heiligen Grabes aus den Händen der Mohammedaner untergeordbesaß
in
der
KreuzBedeutung
Propaganda
für
den
sogar
und
noch
nete
ersten
zug nur wie eine nachträglich gefundene, zusätzliche, weil besonderswerbungskräftige Motivation anmutet. ' Durchaus richtig! In der berühmten Predigt Urbans II. zu Clermont-Ferrand fehlte das Argument offenbar völlig. 10Aber man'
fügte esrasch genug hinzu, weil geradedie Parole
mächtiger
ein
wie
Jerusalem"
Magnet auf diejenigen wirkte, welche bereit waren, ihr Leben im Heidenkampf
jenseits des Meeres aufs Spiel zu setzen.
Um dieses örtlichen Zieles willen war man sich im Ausgang des 11. Jahrhunderts in der abendländischen Öffentlichkeit - Klerus und Laienschaft, Adel und
6 vgl. AnnalesHerbipolenses,SS16S. 3.
7 Albert von Aachen, Historia Hierosolymitana, MPL 166; Wilhelm von Tyrus, Historia reMPL
201.
in
transmarinis
gestarum,
partibus
rum
8 MPL 166 Sp. 389
9 C. ERDMANN (Anm. 1) S. 284 ff., bes. 308. Vgl. aber Gregor VII., Reg. II 31 anKg. Heinrich IV., die erste Äußerung eines Papstesüber ein Kreuzzugsprojekt:
armata manu contra
...
inimicos Dei volunt (milites christiani) insurgere et usque ad sepulchrum Domini, ipso ducente,
pervenire. " Epp. sei. 2 S. 166.
10 D. C. MUNRO, The Speechof Pope Urban II at Clermont, AHR 11(1906)
34
einfachem Volk - darüber einig: Der Feldzug war eben nicht irgendein Krieg
gegen Glaubensfeinde, vergleichbar den Slawenkämpfen des ottonischen Zeitalters. Es ging um das Land der Verheißung des Alten Bundes und der Stiftung des
Neuen Testaments, um den Ursprungsraum der Kirche und um den - zumeist
sehr konkret verstandenen - Ort des neuen Zion am Ende der Zeitlichkeit. Der
Kreuzzugsgedanke besitzt alttestamentliche Wurzeln, nährt sich aus der Vergedes
Jesus-Lebens, weist zurück auf die urchristliche Tradition
genwärtigung
und voraus in die Eschatologie, all dies geknüpft an das eine Wort Jerusalem".
Deshalb erhoffte sich jeder Teilnehmer persönliche Heilsfolgen für die Gegendie
für
Zukunft nach dem leiblichen Tode. Kreuzzugsprowart und vor allem
bezogen sich dabei auf Matthäus 19,
paganda und Kreuzfahrerselbstverständnis
domum
fratres
29:
qui
reliquerit
vel
omnis,
auf
sorores
auf
patrem
auf
matEt
filios
auf
auf agros propter nomen meum, centuplum accipiet et
rem auf uxorem
vitam aeternam possidebit. "11
Der Kreuzzug bildete eine besondere Form der pilgernden Nachfolge ChriSalvatoris",
die
bedeutete
im Aufblick zum Kreuz von
Er
vitae
sti.
imitatio
Golgatha Sterbebereitschaft und Auferstehungsgewißheit
einschloß. In zahlreidas
Jesus-Wort
Kreuzzugspredigten,
Matund
wird
chen
-briefen
-chroniken
thäus 20,18 zitiert, mit dem den Aposteln die Passion angekündigt wurde:
Ecce ascendimus Ierosolymam .... "12 Der Kreuzfahrer tritt in die Schar der jünger ein, die mit ihrem Meister zum Todes-Passah wandern. 13Es kann kein Zufall
sein, daß der aggressiv betriebene Heidenkrieg der abendländischen Ritterdes
Christus-Lebens
dem
dem
die
Stätten
Islam entrissen werden
schaft, mit
Bevölkerungskreise,
die
das
Ideal
14
Jesu"
weiter
sollten, und
neue
pauperis
Vita
der
15
buchstäblich
gleichen Zeit angehören.
nachzuahmen,
möglichst
Dabei wurden die Bibelworte, auf die man sich berief, in einer merkwürdigen, uns widersprüchlich anmutenden Weise ganz wörtlich und zugleich in
übertragenem Sinn verstanden. Das Mittelalter rezipierte die spätantik-patristische Interpretationstechnikvom vierfachen Schriftsinn. 16So konnte man je nach
11 vgl. die sog. Enzyklika des PapstesSergius IV., eine um 1096 entstandene Fälschung, am bequemsten bei H. E. MAYER, Idee und Wirklichkeit der Kreuzzüge, Hist. Texte 2 (1965) Nr. 4 S.
12. Vollzitate des Bibelverses sitld in der Folge selten; man begnügt sich mit Anklängen bis zu Innocenz III.; dazu U. SCHWERIN, Die Aufrufe der Päpste zur Befreiung des Heiligen Landes von
den Anfängen bis zum Ausgang Innocenz' IV. (1937) S. 62 f. Seit Innocenz III. steigt die Zahl der
Belege erheblich an.
12 3. Leidensverkündigung. Zu Jerusalem vgl. S. MÄHL, Jerusalem in mittelalterlicher Sicht,
Welt als Gesch. 22 (1962).
13 vgl. u. a. Innocenz III., Reg. XI, 1 MPL 214 Sp. 1339.
iustum"
damit
14 Darüber daß der Kreuzzug stets als
angesehen
als
bellum
defensio« und
wurde, s. u. Vgl. auch U. SCHWERIN (Anm. 11) S. 50ff.
15 vgl. H. GRUNDMANN,
Religiöse Bewegungen im Mittelalter (2. um einen Anhang verm.
Aufl. 1961); E. WERNER, Pauperes Christi, Studien zu sozial-religiösen Bewegungen in der Zeit
des Reformpapsttums (1956); G. MICCOLI, Chiesa gregoriana (1966) bes. S. 225ff.
(1921); A de LU16 vgl. E. von DOBSCHUTZ,
Vom vierfachen Schriftsinn, Harnack-Ehrung
Ein alter
BAC, Der geistige Sinn der Schrift (1952); ders. Exegese medievale 1-4 (1959-1964).
docet, quid credas allegoria; moralis quid agas, quid speres anagoMerkvers lautet:
gesta
Littera
gia. `
35
Metaphorisches konkret deuten, buchstäbSituation und Argumentationsziel
lich Gemeintes aber ins Bildlich-Allgemeine
wenden. Der Kreuzfahrer beruft
Weise.
Ein
Beispiel:
die
Mittels eines
Bibel,
auf
seine
sie
er
versteht
aber
sich auf
die sich noch nicht entschlossen
Christiani",
Rundschreibens an alle
milites
hatten, an dem inzwischen bis vor die Mauern von Antiochia gelangten ersten
Kreuzzug teilzunehmen, wollte Patriarch Simeon von Jerusalem die Daheimhintanzustellen
Bedenken
ängstlichen
alle
und zum
gebliebenen veranlassen,
Heer der Christenheit zu stoßen. 17Er zitiert dazu aus dem 1. Petrus-Brief:
Indem Christus für uns litt und euch damit ein Beispiel gab, seid auch ihr berufen,
des Bibelverses ist zweifellos die
Der
Sinn
"18
Fußspuren
nachzufolgen.
seinen
dem geistlich-ethischen Vorbild Jesu nachzustreben. Der PaAufforderung,
dem
Schwert
die
in
der
daraus
Anweisung,
den
Hand
mit
geogratriarch macht
des Nazareners nach Jerusalem nachzugehen.
Lebensweg
phisch-historischen
der
Bedeuwird
entgegen
eius"
vestigia
neutestamentlichen
ut
sequamini
...
das
Christi" zugleich ins Militärikonkret-räumlich
aufgefaßt,
tung
exemplum
Simeon
Patriarch
Daß
gerade auf ein Petrus-Wort zurücksche umgedeutet.
die nicht alle frei von Zweifeln bezüglich der
den
Zeitgenossen,
griff; mochte
die
bedenkliche
19
Uminterpretation
Gottwohlgefälligkeit
waren,
schmackhaft
doch
in
Gethsemane
hatte
dem
Petrus
den
Heiland
mit
machen,
und plausibel
Schwert verteidigt. 20
Kreuzfahrt ist pilgernder Gehorsam. Kein Schriftwort begegnetin der zeitgehäufiger
Thema
Jesu
Ausspruch:
Literatur
als
zum
nachnössischen
Wer mir
folgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir
drei
in
findet
Zitat
Das
"
synoptischen Evangelien, jeweils mit
allen
sich
nach.
kleinen Abweichungen, 21die das Mittelalter wohl bemerkte und ausdeutete.
Teilnahme am Feldzug
man
verpflichtete
suam"
sich
tollat
zur
crucem
...
Kreuz
Stoff
indem
Jerusalem,
ein
aus
man
sichtbar auf der Kleidung
nach
befestigte.22Das Jesus-Wort ist - trotz des realen Anknüpfungspunktes - mekonkretisierte
Und
es.
man
weil es bei Lukas heißt: ...
taphorisch gemeint;
tollat crucem suam quotidie", verpflichtete man den Kreuzfahrer, zu jeder Zeit
diesesPilgerzeichen anzulegen (denn funktional war das Stoffkreuzchen nichts
Jahrhunderten
Spezies
üblichen Pilgerplaketten). 21
seit
solcher
anderes als eine
Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088-1100 (1901) Nr. 9.
17 A. HAGENMEYER,
Christuspassus estpro nobis, vobis relinquens exemplum
18 1. Petr. 2,21:
et
utsequamiQuia
ni vestigia eius. "
19 vgl. u. a. C. ERDMANN (Anm. 1) S. 212ff. Gegen die terreni commodi cupiditas" mancher Kreuzfahrer wenden sich Urban II. Epistula ad Bononienses, bei A. HAGENMEYER
(Anm. 17) Nr. 3, und die Teilnehmer des Konzils von Clermont, MANSI XX, S. 815. Ähnliche
Bedenken werden immer wieder vorgebracht.
20 Matth 26,51f. = Mark. 14,47 = Luk. 22,50f.: unus quidam". Nur bei Joh. 18,10f. wird
Petrus namentlich genannt.
21 Matth. 16,24: Si quis vult post me venire, abneget semetipsum et tollat crucem suam et
deneget
Si
8,34:
"
Mark.
sequi,
me
quis vult
semetipsum et tollat crucem suam et
sequatur me.
sequatur me. " Luk. 9,23: Si quis vult post me venire, abneget semetipsum et tollat crucem suam
quotidie et sequatur me. "
22 vgl. u. a. C. ERDMANN (Anm. 1) S. 317ff.
23 Literaturhinweise gibt K. KÖSTER, Jb. d. hess. kirchengesch. Vereinigung 8 (1957).
36
Reise-Aufforderungen,
dem
Jesusund
post
me"
wurden
zu
Sequi"
venire
Leben nachzuziehen; freilich bedeutet diese Feststellung nicht, daß damit der
ethische Hauptsinn des Heilandswortes außer acht gelassenworden wäre. Indem der Kreuzzug zugleich als fromme Pilgerfahrt ins Heilige Land
und als
kämpferische Nachfolge Jesu mit der Bereitschaft zu Leid
und Tod verstanden
wurde, war er nach der Auffassung des Mittelalters ein gottwohlgefälliges
Werk.
Doch darüber hinaus glaubte man im Ausgang des 11. Jahrhunderts, in
einer
heilsgeschichtlich besonders ausgezeichneten Gnadenzeit zu
stehen. 24Die psychische Situation der Teilnehmer war stark eschatologisch bestimmt. Gerade
dies erklärt die begeisterte Reaktion auf die Kriegspredigt Urbans II., das
tausendstimmige Deus lo vult". 25Nur als pfingstliche Erweckung durch den Heiligen Geist konnten die Zeitgenossen den Vorgang begreifen. Guibert
von Nogent nannte seine Chronik des ersten Kreuzzuges und der frühen Jahre des Königsreichs Jerusalem (bis 1110) geradezu Gesta Dei per Francos", 26denn nach
seiner Meinung hatten hier keinesfalls allein Menschen gehandelt. Die älteste,
deren Titel in der Handschrift bezieanonym überlieferte Kreuzzugschronik,
hungsvoll
der Franken (Franzosen) und der anderen Jerusalempilger"
Taten
lautet, 27hebt nicht zufällig in verbalem Anklang an das Kairos-Wort Jesu
Die
Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes nahe herbeigekommen"28 folgendermaßen
an: Als endlich der Zeitpunkt gekommen war, den der Herr. Jesus seinen Gläubigen täglich vor Augen führt, vor allem indem er im Evangelium
sagt:, Wer mir
nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und gehe mir
nach', 29 da kam es zu einer ganz ungeheuren Erregung in allen Landschaften
Frankreichs; wer dem Herrn eifrig, mit reinem Herzen und Gemüt nachzufolgen bereit war und nach seinem Vorbild getreulich das Kreuz schleppen
der,
30.
wollte,
zögerte nicht, sich umgehend auf den Weg zum Heiligen Grab zu
machen. "31.
Aus den Endzeit-Reden Jesu kannte man den Satz:
den
wird
von
,
Jerusalem
Heiden zertreten werden, bis der Heiden Zeit erfüllt ist. "32Damit wurde die Eroberung Palästinas durch die christliche Ritterschaft nach Meinung vieler Zeitgenossenzum eschatologischbestimmten Geschehen. Guibert von Nogent wies
eigensdarauf hin; 31noch der Ludus de Antichristo", das berühmte Tegernseer
Mysterienspiel aus der zä-eiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, wurde im Aktionsdie
24 Es gibt dafür
des
Vita
Verwiesen
Robert von Arbrissel, AASS Febr.
Belege.
sei
auf
viele
23.
25
26
27
neue
28
29
3D
31
32
33
Überliefertnur bei Robert von Reims, Historia Hierosolymitana, MPL 155.
Guibert von Nogent, Gesta Dei per Francos, MPL 156.
H. HAGENMEYER,
Anonymi gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum
Edition durch R. HILL (1962).
Mark. 1,15.
Textgestalt Luk. 9,23.
wörtlicher Anklang an Luk. 14,27.
vgl. Anm. 27; der Text auch bei H. E. MAYER (Anm. 11) Nr. 1.
Luk. 21,24.
(1890);
MPL 156,bes.Sp. 700ff., 807ff.
37
bestimmt?
Doch
dieser
Vorstellung
als es niedergeschrieben wurde,
gang von
Überzeugung bereits wieder verflogen, in heilsdiese
der
in
Allgemeinheit
war
Nicht
Bernhard
hervorgehobener
Stunde
stehen.
nur
zu
von
geschichtlich
Clairvaux hatte durch den unglücklichen Ausgang des von ihm propagierten
bezüglich
des
Nimbus
Kreuzzuges
auch
verloren;
zweiten
viel von seinem
Kreuzzugsgedankens begann eine Verkürzung einzusetzen. Das Unerhörte der
ersten Stunde besaßen alle späteren Unternehmungen ohnehin nicht mehr. Nafromme
Handlung;
das
Hierosolymitanum"
als
weiterhin
auch
türlich galt
Iter
jeder Teilnehmer hoffte auf Gotteslohn, wie ihn die Kreuzzugspropaganda
75
Aber
in
in
Aussicht
der
Ritterschaft
stellen.
zunehmenzu
nicht müde wurde,
dem Maße wurden auch Gegenstimmen laut. 36Vor allem redete man kaum noch
in
Deuil
Odo
Zwar
der
Zeit".
seinem Bericht
von
zitierte
von einer Erfüllung
über die Kreuzfahrt König Ludwigs VII. von Frankreich 1147/1148 die meisten
der Bibelzitate, die sich schon bei seinen historiographischen Vorgängern fanden, aber gerade Lukas 21,24 und ähnliche Bibelverse werden nicht mehr
der
identisch
Kreuzden
Blick
37
Alles
zu
sein,
aber
ersten
erwähnt.
scheint auf
Die
Dimension
bereits
in
ist
verkürzt:
eschatoeiner wesentlichen
zugsgedanke
logische Bewertung fehlt. Nach Odo ist der Kreuzzug des Königs, ungeachtet
des Ausgangs, ein frommes, verdienstvolles Werk, - aber er fällt nicht in einen
Kairos besonderer Gottesnähe und endzeitlicher Erwartung. Und als infolge
in
Jerusalem
Hittin"
1187
der Schlacht bei den
wieder
mohamvon
Hörnern
für die Erfüllung-der
Zeichen
das
ist
Hände
apokalyptische
medanische
gerät,
Zeit und den bevorstehenden Anbruch des ewigen Gottesfriedens, von dem
Lukas 21,24 handelt, wieder zerbrochen.
Seit 1100 wird die Geschichte des Kreuzzugsgedankens - sie ist weithin noch
Jerusalem
der
Verknüpfung
schrittweise gelöst; eine
mit
ungeschrieben38- von
begriffliche Erweiterung und ein gleichzeitiger allmählicher Abbau setzen ein.
das
Gedankengut
Allerdings
ältere
nicht plötzlich
und niemals
erstirbt
immer
Neigung,
39
Die
wieder zitierend auf
typisch mittelalterliche
vollständig.
ältere
und oftmals sogar staretardierend
wirkt
zurückzugreifen,
auctoritates"
bilisierend. Trotzdem kann man sagen, daß vom Augenblick des größten Erfolder
Gründung
des
Königder
Konkretisierung
an
ges und
weitestgehenden
Gottfried
dem
Jerusalem
sepulchri"
und
sancti
seinem
reiches
unter
advocatus
Bruder, dem ersten König Balduin - der Kreuzzugsgedanke zu altern beginnt.
Neben dem Verlust der eschatologischen Dimension lockert sich die ausschließliche geographische Fixierung auf das Heilige Land. Beides hängt miteinander
zusammen.
34 Der Staufische Ludus de Antichristo, kommentiert von G. GÜNTHER (1970).
35 aus der reichen Lit. dazu: V. CRAMER, Die Kreuzzugspredigt zur Befreiung des Heiligen
Landes 1095-1270. Studien zur Geschichte und Charakteristik der Kreuzzugspropaganda (1939).
36 P. A. THROOP, Criticism of the Crusades. A Study of Public Opinion and Crusade Propaganda (1940).
37 Eudes de Deuil, La croisade de Louis VII roi de France, hrg. von H. WAQUET (1949).
38 vgl. R. C. SCHWINGES (Anm. 4) S. 3 mit Anm. 4.
39 Dies ist auch bezüglich der folgenden Ausführungen relativierend zu beachten.
38
hinauf nach Jerusalem". Im Litteralsinn ist das
wir
ziehen
zusammen
Sehet,
die Stadt in Palästina, eschatologisch gefaßt der Ort, wo der letzte Sieg über den
Satan errungen wird. So kann Jerusalem zur Metapher werden: Es ist überall,
wo man im Namen Gottes gegen die Heiden streitet. Damit wird eine Bresche in
die Einzigartigkeit
des Kreuzzugsgedankens gelegt. Die Forschung hat in den
letzten Jahrzehnten mehrfach herausgearbeitet, daß sich die spanischen Glaubenskämpfer anfänglich keineswegs mit den Kreuzrittern völlig gleichgesetzt
haben. "' Nun aber wird das anders. Kurz vor der Mitte des 12. Jahrhunderts
die
die
kirchlichen
Krieg
Aufrufe
zum
gegen
stellen
noch heidnischen Westslawen das geplante militärische Unternehmen der peregrinatio
ad Ierusalem"
ausdrücklich im Heilswert gleich. 41Somit wird es nun bei jedem Kampf gegen
Glaubensfeinde möglich, sich mit den Zeichen eines Wallfahrers zu schmücken,
die Vermögenssicherungen in Anspruch zu nehmen, welche die Kirche den
Kreuzfahrern garantiert, und den Kreuzzugsablaß zu gewinnen. 42 Kreuzzug
wird zur Chiffre für die militärische Auseinandersetzung zwischen Christentum und Nichtchristentum, 43 bald auch zur Chiffre für die gewaltsame AusOrthodoxie
römischer
einandersetzung
zwischen
und
schismatischer
,
Heterodoxie4i und schließlich sogar während des Endkampfes zwischen
Papsttum und staufischem Kaisertum zur Chiffre der politischen Auseinandersetzung der Kurie mitFriedrich II. und seinen Erben. 45Gemessen an der ursprünglichen Idee, wird der Kreuzzugsgedanke partiell seinem Wesen entfremdet und
formulieren
kann
kaum
man
anders
- oftmals geradezu pervertiert. Gewiß:
von Anfang an hatten mancherlei profan-egoistische Motivationen am großen
Zeitanliegen der
Anteil gesucht und gefunden; nicht
sepulchri"
einen
sancti
via
haben
diese
kritische Feststellung
Gelehrte
nachdrücklich
erst moderne
bricht
die
Zeit an, in welcher unter der
Jahrhundert
im
46
Aber
13.
getroffen.
Krieges" manche christlichen Könige machtpolitiÜberschrift des
Heiligen
40 vgl. u. a. H. E. MAYER (Anm. 4) S. 35 ff.
41 Eugen III. J. -L. 9017, MPL 180 Sp. 1203; Bernhard von Clairvaux MPL 182 Nr. 457. Vgl.
u. a. Otto v. Freising, Gesta Frid. I, 42. Vgl. F. LOITER, Die Konzeption desWendenkreuzzugs
(1977).
42 Daß beim Wendenkreuzzug 1147 das aufgenähte Kreuzeszeichen abweichend gestaltet war,
Zur
Vermögenssicherung:
I,
Frid.
42.
Otto
Gesta
Freising,
MANSI, Concilia XXII S.
erwähnt
v.
1063 und XXIII S. 630; besonders nachdrücklich die Anweisungen Innocenz' III. MPL 216, Sp.
819ff. Vgl. ferner A. GOTTLOB, Kreuzablaß und Almosenablaß (1906).
herze und min lip diu wellent
43 vgl. das bekannte Kreuzzugslied desFriedrich von Husen
Min
scheiden`. Jerusalem als Ziel wird hier nicht erwähnt; es heißt lediglich: der lip wil gerne vehten
an die beiden"; dö ich daz krit"ze in gotes ere nam ... ".
44 Es genügt, auf die Albigenser-Kreuzzüge hinzuweisen. Allerdings ist dabei stets zu beachten, daß das Wort Kreuzzug" selbst erst im hohen 13. Jahrhundert begegnet, unsere Nomenklatur also eine Zusammenfassung vornimmt, deren Richtigkeit zu überprüfen wäre. Doch gab es
auch Gegenstimmen. Vgl. Reg. Imp. 5,4287a.
45 Außer derallgemeinen Lit. zur späten Stauferzeitvgl. M. PURCELL, Papal Crusading Policy 1244-1291 (1975).
46 vgl. die kritischen Stimmen bei H. ROSCHER, Papst Innocenz III. und die Kreuzzüge
(1969), wobei methodisch einzuwenden wäre, daß manche Zitate bei R. aus der Zeit nach Innocenz stammen.
39
seheZiele verfolgen und finanzielle Vorteile zu erlangen suchen." Notfalls sorgt
die Propaganda - in steigendem Maße bezüglich der Einsatzfähigkeit für staatliche Ziele ins Kalkül einbezogen - für das Notwendige: Man muß den Gegner
nur gründlich verteufeln", bis ein Kreuzzug gegenihn als die ultima ratio" erscheint! Durch die Lockerung, ja Lösung von der ursprünglichen räumlichen
Bindung wird der Kreuzzugsgedanke disponibel und umformbar für ganz andere Einsatzfelder. Freilich: ganz gerät der alte Bezug nicht in Vergessenheit.
Aber ist überhaupt noch realisierbar, was 1098 gelang?
lange
die
daß
Sprache,
noch dessen bewußt
man sich
genau zeigt
war, worauf sich der Kreuzzugsgedanke seinem Ursprung nach richtete. Seit ca.
berichten, zwischen
1200 wird in den Quellen, die von Kreuzzugsvorhaben
48Das Ziel eines
unterschieden.
generalia"
und
particularia"
passagia
passagia
die
ist
Palästina.
Unternehmungen,
aus
strategischen
und
generale"
passagium
finanziellen Gründen oder aus Kleinmut nur nach Ägypten, Tunis oder anderswohin ausgriffen, galten dagegen als passagia particularia", mochten auch noch
dem
daran
beteiligt
Kreuzfahrer
Vor
zweiten Konzil von
auf
sein.
allem
so viele
Lyon (1274) und dem Konzil von Vienne (1310-1312) wurde darüber diskuClemens' V. zahlreiche
tiert. Wir besitzen namentlich aus dem Pontifikat
die darauf zu sprechen kommen. 49 Man war sich einig:
Kreuzzugsgutachten,
Nach dem Fall von Akkon konnte nur noch ein gesamteuropäisches passagium
derartiges
das
Geschehen
Aber
ein
christliches
generale"
ungeschehen machen.
hielt man nicht für realisierbar. So begnügte man
Gemeinschaftsunternehmen
Zielsetzung
zu
eingeschränkter
sich, einige passagia particularia" von stark
diskutieren. 50Doch selbst von diesen reduzierten Plänen wurde das wenigste
in
Und
Vienne
dauerhaftem
Erfolg
verwirklicht.
was
und so gut wie nichts mit
scheiterte, ließ sich auch in den späteren Jahrhunderten nicht leisten. 51 Alle
dem
Kreuzzugspläne
Kreuzzugsunternehmungen
standen unter
späteren
und
Vorzeichen der Verteidigung, 52vor allem gegenüber der wachsenden Türkengefahr. Der Ausgriff bis nach Palästina war nur noch ein Traum und besaß keinerlei Chancen einer Verwirklichung
Jerusalem
militärisch
weder
noch
politisch.
war abgeschrieben.
Erstaunlich
Um Jerusalem gruppierten die hochmittelalterlichen Weltkarten den Orbis
heilige
Die
53
Stadt desTempels Gottes, des Leidens Christi und seiner
terrarum.
eschatologischen Verherrlichung am Ende der Zeiten bildete genau so den Mitdes
Erdkreises, wie Jesu Erdendasein zur Zeit der Kaiser Augustus und
telpunkt
47 beispielsweise Philipp IV. von Frankreich. Zum Problem u. a. PURCELL (Anm. 45) S. 94 ff.
48 Diese Terminologie ist derälteren Forschung nicht aufgefallen; vgl. dazu L. THIER, KreuzPapst
Clemens
V.
(1973).
unter
zugsbemühungen
49 vgl. A. ATIYA, The Crusade in the Later Middle Ages (21938) bes. S. 29 ff.
50 dazu L. THIER (Anm. 48).
Studien zur Geschichte der Kreuzzugsideen nach den
51 vgl. A. von HIRSCHBEREUTH,
Kreuzzügen (1896).
52 vgl. u. a. H. E. MAYER (Arim. 4) S. 263 ff. Vgl. auch Anm. 69.
53 A. D. von den BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographic, DA 24 (1968); dies., Ut
describeretur universus orbis - zur Universalkarthographie desMittelalters, Misc. Med. 7 (1970).
40
Tiberius die Mitte der Geschichte bildete. Erinnert sei an die Weltkarten von
Ebstorf (um 1240) und Hereford (um 1290). 54Als der Hereforder Plan entstand,
endete das Königreich Jerusalem mit dem Fall von Akkon. Auf den Portolanen
und anderen Seekarten ist nicht mehr Palästina die Mitte; das entspricht ihrem
Zweck, ist aber zugleich Ausdruck einer sich wandelnden Weltsicht. 55Wenn
Ranulf Higden bei der Weltkarte in seinem
1342 daran
von
Polychronicon"
festhält, 56so stellt dies eindeutig einen Anachronismus dar. Henricus Martellus
Germanicus (1489) und Gerhard Mercator (1569) brechen dem modernen
geographischen Weltbild die Bahn 57 Jede Stelle auf dem Erdkreis kann zur Mitte einer Landkarte gemacht werden. Vollends auf dem Globus ist Jerusalem nur
ein winziger Punkt unter vielen anderen. Der Verlust der Mittelpunktslage bedeutet mehr als nur einen fachwissenschaftlichen
Fortschritt:
Die Zeit der
Kreuzzüge im eigentlichen Sinn ist damit vorbei.
in
Zahl. Zu ihnen geNoch gab es
sogar
geringer
nicht
particularia",
passagia
fromme oder auch weniger fromme ritterliche
hörten die
Preußenfahrten",
des gesamten mittel-, und westeuropäischen
Gemeinschaftsunternehmungen
Adels während des Spätmittelalters. 58Palästina blieb zwar Pilgerziel, aber unter
Über
der
Schwankungen
Wallfahrerzahlen
Vorzeichen.
fehlen bisverändertem
lang Untersuchungen; man gewinnt den Eindruck, daß mindestens zeitweilig
die anschwellende eucharistische Devotion mit ihren neuen Wallfahrtszielen
Orvieto, Wilsnack, Gottsbüren59 u. a. m. - eine gewisse Konkurrenz für die
Pilgerschaft ins Heilige Land bedeutete. Und in gleicher Richtung wirkte seit
Jahres" mit ho1300 die periodisch wiederkehrende Ausrufung eines
Heiligen
hen Ablässen für den Besuch der Hauptkirchen Roms. 60Je mehr man die gefährliche und teure Reise übers Meer scheute, desto populärer wurde beispielsweise
Erst
in
Loreto.
Ausgang
des
der Besuch der
15. Jahrhunderts
gegen
santa"
casa
der
Wallfahrer
die
Zahl
nach Jerusalem und Bethlehem
erhöhte sich noch einmal
in erheblichem Maße, wenn man aus der nunmehr enorm zunehmenden Zahl
diesen
Rückschluß ziehen darf. Doch nur eine GePilgerberichte61
europäischer
die
durch
Eroberung
Palästinas und die
änderte
türkische
neration später
sich
deutsche Reformation die Situation grundlegend.
54 M. DESTOMBES, Monuments cartographica vetustioris aevi 1 (1964). Die Ebstorfer Karte
ist dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen. Zu Hereford: G. R. CRONE, The Hereford World Map
(1948); ders., New Light on the Hereford Map, Geogr. Journal 131 (1965).
55 K. KRETSCHMER, Die italienische Portolane des Mittelalters (1909), R. ALMAGIA,
Monumenta Italiae Cartographica (1929).
56 J. TAYLOR, The Univi rsal Chronicle of Ranulf Higden (1966).
57 L. BAGROW und R. A. SKELTON, Meisterder Kartographie(1963).
58 vgl. u. a. H. PROTZ, Rechnungen über Heinrich von Derby's Preussenfahrten 1390-1391
und 1392 (1893).
59 K. KÖSTER, Gottsbüren, das hessischeWilsnack`, Festgabe P. Kirn (1961).
63 R. FOREVILLE, L'idee de jubile chez les theologiens et les canonistes avant l'institution du
jubile romain, RHE 56 (1961).
61 R. RÖHRICHT
und H. MEISSNER, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande
(21900); C. ZRENNER, Die Berichte der europäischen Jerusalempilger 1475-1500, Ein literarischerVergleich im historischen Kontext (1981).
41
Im Grunde gab es schon seit dem dritten Kreuzzug 1189/1192 - oder, wenn
man sowill, seit Friedrichs II. Kreuzzug"
von 1228/122962 - kein passagium
generale" mehr. Das Wort meint noch ein Zweites. Mochten aus bestimmten sozialgeschichtlichen und politischen Gründen die Franzosen die Masse der Teilhaben,
handelte
Kreuzzug
ersten
gestellt
nehmer am
prinzipiell
es sich um ein
übernationales Unternehmen. Der Kreuzzugsgedanke kennt nur Christen und
Nichtchristen, vielleicht auch - freilich nurvom Adel aus gesehen - den UnterEr kennt jedoch keine unterschiedlichen Naschied von Ritter und Nichtritter.
tionen: Alle sind aufgerufen. Nicht ein einzelnes Volk, sondern der gesamte
ist Träger der ursprünglichen Kreuzzugsbewegung. Jesu
christianus"
populus
Kreuz-Träger-Wort
wird bei Lukas eingeleitet: Dicebat autem ad omnes ... "
Das wird aufgenommen: Jede christliche Völkerschaft ist in gleicher Weise gemeint, niemand ausgeschlossen. Die Kreuzzugspläne Gregors VII. von 1074
richteten sich auf Italici et ultramontani". 63Sein Aufruf ging an alle Getreuen
des hl. Petrus". 64Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten wiederholt den
eigentümlichen, unscharfen und doch faßbaren Verbandscharakter der christianitas" in der Zeitspanne zwischen Gregor VII. und Innocenz IV. genauer
herausgearbeitet. 65 Vor allem für die Epoche Innocenz' III. erwies sich diese
Idee geradezu als grundlegend. 66 Daran ist auch der Kreuzzugsgedanke urdie
Heere landsmannschaftlich
geknüpft,
gegliedert marsprünglich
obwohl
der
kämpften
der
Streit
Rittern
verschiedenen
schierten wie
und sich
zwischen
Nationen immer wieder als Störfaktor erwies. Vom Gedanken der
christianitas" aus konnten englische Chronisten den Kreuzfahrer Friedrich Barbarossa als
bezeichnen. 67Aber im Laufe des 13. Jahrhunderts ging das
noster"
imperator
Bewußtsein für jene abendländische Gemeinschaft eines allgemeinen
populus
Fürstentümer
EuroDie
Völker,
Reiche
und
christianus" empfindlich zurück.
die
lernten
begreifen,
Größen
einen superior in
sich
zusehends
pas
zu
als eigene
terris"68 nicht anerkannten und die gemeinsame Zugehörigkeit zur christianitas" immer weniger realisierten. So wurde der Begriff eines passagium generale" auch von innen her allmählich aufgelöst.
Ein Letztes: Anfänglich war für den Kreuzzugsgedanken kennzeichnend,
daß man das aggressivbetriebene kriegerische Unternehmen rein defensiv interpretierte. Nach dem Selbstverständnisder Teilnehmer am ersten Kreuzzug handelte es sich um einen Verteidigungskrieg, und schon aus diesem Grund um ein
gottwohlgefälliges bellum iustum". 69Sowohl die Kirche wie insbesondere die
J Pf
62 vgl. R. RÖHRICHT, Beiträge zur Geschichte der Kreuzzüge 1 (1874) u. a. m.
63 Gregor VII., Reg. II, 31.
64 Gregor VII.; Reg. II, 37.
65 J. RUPP, L'idee de Chretiente dans la pensee pontificale des origines ä Innocent III (1939);
Sacerdozio e regno da Gregorio VII a Bonifacio VIII (1954).
66 F. KEMPF, Papsttum und Kaisertum bei Innocenz III. Die geistigen und rechtlichen Grundlagen seiner Thronstreitpolitik (1954), bes. S. 280ff.
' 67 Wilhelm von Newburgh, SS27, S. 237 und 238.
68 vgl. F. KEMJ' (Anm. 66) passim u. a. m.
69 R. H. W. REGOUT, La doctrine de Is guerre juste de St. Augustin ä nos jours (1934); H.
42
orientalischen Glaubensgenossensah man in einer existenzbedrohenden Gefidem vulfahr. Verteidigung war Solidaritätspflicht.
qui
christianam
Veniant,
tis defendere!" Mit diesem Satz rief Gregor VII. 1074/1075 die abendländische
Ritterschaft erstmals (und damals noch erfolglos) zum Kreuzzug auf. 70Es ging
ihm aber nicht nur um die Verteidigung der christlichen Religion, sondern zudie
den
ihm
die
Berichnach
vorliegenden
christianorum",
gleich um
defensio
hingemordet"
Zwangsmission
das
der
71
Schlachtbank
Vieh
wurden.
ten wie
auf
dagegen
Heiden
Mohammedanern
oder
war
nicht vorgesevon unterworfenen
hen; sie ist dem Kreuzzugsgedanken ursprünglich ebensofremd wie dem islamidie
die
72
Gegen
Judenpogrome,
hades
Dschihad.
Gegenstück
einsetzten,
schen
ben sich die Kreuzzugsprediger stets mit Entschiedenheit erklärt. 73Dennoch
kam eszu bedauerlichen Exzessen,die je später, desto mehr eskalierten. Auch in
dieser Hinsicht erleidet der ursprünglich davon freie Kreuzzugsgedanke eine
Veränderung. Es war vor allem das Augustinus-Wort compellere intrare", 74
hat
in
Die
Forschung
herausAnalyse
bezogen.
die
Eiferer
genauer
worauf sich
diesem
Zusammenhang
dem
in
Wendenkreuzzug
Bedeutung
gearbeitet, welche
Zwangsmission
Jetzt
Heiden
ist
75
beizumessen
1147
wurde
gegenüber
und
von
Häretikern geradezu als eine der Hauptaufgaben der Kreuzfahrt angesehen.An
die Stelle der anfänglich (bis auf die Eroberungspogrome) weithin beachteten
Gesinnungstoleranz76trat vor allem bei den uneigentlichen" Kreuzzügen in
Glaubensterror.
der
Ausmaß
steigendem
So wurde der Kreuzzugsgedanke im Laufe des späteren Mittelalters immer
der
doch
Aber
Grundkomdemontiert
umgebildet.
zumindest
eine
oder
weiter
ist
jene,
die
Carl
Erdmann
Veränderungen;
kaum
es
auf
abponenten unterlag
daß
der
daran,
für
die
Krieg
Sache
Kirche
Man
von
und
stellte:
zweifelte nicht
Glauben legitim und gottgewollt sei. Heute wird geradedieser Grundkonsens in
Frage gestellt: Wie konnte man im Namen Christi überhaupt derartige Unterdurchführen?
nehmungen planen und
Es ist hier nicht zu untersuchen, ob bei solcher gegenwärtigen Fragestellung
das Neue Testament überhaupt unverkürzt gelesen wird. Mittelalterliches ChriAussagen zu Krieg, Politik und Staatbezüglich
jedenfalls
seiner
stentum ging
lichkeit in allerstärkstem Maße von der Botschaft des Alten Bundes aus. Dafür
FINKE,
Das Problem des gerechten Krieges in der mittelalterlichen
theologischen Literatur,
M. GRABMANN
1935); K. -H. ZIEGLER,
der Geisteswelt des Mittelalters (=Festschrift
rechter Krieg, HRG 1 Sp. 1532ff. (1969).
Aus
Ge-
70 Gregor VII., Reg. II, 37.
71 Gregor VII., Reg. II, 31,;vgl. ders., Epp. coll. ed. P. JAFFE, Bibl. rer. Germ. 2 Nr. 11.
72 vgl. u. a. A. NOTH, Heiliger Krieg und heiliger Kampf im Islam und Christentum (1966).
73 vgl. Bernhard von Clairvaux, MPL 182 Nr. 363 und 365; Otto von Freising, Gesta Frid. I, c.
38. Daß dabei dem Rachegedanken wegen des Kreuzestodes Christi besondere Relevanz zukam,
wire weitläufig darzulegen.
74 H. -1). KAHL, Compellere intrare, jetzt in: H. BEUMANN (Hrg. ), Heidenmission und
Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des Mittelalters (1963).
75 namentlich im soeben angef. Sammelband.
76 dazu bes. R. C. SCHWINGES (Anm. 4) an vielen Stellen. Besonders hingewiesen sei auf die
Begriffsdiskussion S. 64 ff.
43
den
Belege.
Auf
Emails der Kaiserkrone sind'David und Salozahllose
gibt es
mon abgebildet, die ersten Könige von Jerusalem. In Gottes Auftrag hatte Israels zweiter König die Heilige Stadt erobert und auf dem Zionsberg Burgund
Tempel erbaut. Bedeutete der Kreuzzug nicht eine Erneuerung der Davids-Tat
für das neue Volk Gottes, die Christenheit? Immer wieder nahmen Kreuzzugsprediger und -chronisten auf ihn, den Ahnherrn Christi, auf Josua, Moses, die
Machabäer Bezug. Es stand für sie fest:
Menschen, sondern Gott hatte
Nicht
die Heerfahrt angeordnet". 77Der-unglückliche
Ausgang *der meisten Kreuzzugsunternehmungen führte weniger zu generellen Überlegungen über dasVerhältnis von- Christentum und Krieg als zum Eingeständnis siegunwürdiger
Sündhaftigkeit. 78
hat sein Antlitz für eine Weile verborgen". 79
bald
Gott
Aber
wird er wieder gnädig auf Zion niederblicken, daß er sich zur Wohnung
erkor". 80Solange sich der Kreuzzugsgedanke unbeirrt an Jerusalem knüpfte,
verkraftete die militia christiana" auch Niederlagen und Rückschläge. Mit der
Aufgabe dieser Bindung aber wurde der Kreuzzugsgedanke im engeren, hochmittelalterlichen Sinn einer Ausweitung, Wesensveränderungund schrittweisen
Schwächung unterworfen, die später folgenreich werden mußte.
77 Ekkehard von Aura, Hierosolimita, in: F: J. SCHMALEund I. SCHMALE-OTT, Frutolfs
und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik (1972), S. 326 (vgl. S. 130).
78 so an vielen Stellen. Vgl. Otto`von Freising, Gesta Frid. I, 47:. Verum quia peccatis nostris
".
exigentibus, quem finem predicta expeditio sortita fuerit, omnibus notum est
...
79 Ekkehard von Aura, Hierosolimita (Anm. 77) S. 329 nach Jes. 54,8.
80 Ekkehard von Aura, Hierosolimita (Anm. 77) S. 329
nach Ps. 131,13.
44
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