Die Kreuzzüge Im Jahre 1095 kamen Abgesandte des Kaisers von Byzanz zum Papst und ersuchten ihn um Unterstützung bei der Anwerbung von Söldnern: Die Byzantiner sahen sich in zunehmendem Ausmaß von den türkischen Sedschuken, die den Islam angenommen hatten, bedroht. Jerusalem gilt Juden, Christen und Moslems in gleicher Weise als „Heilige Stadt“. Die Araber hatten sie zwar schon 637 erobert, aber ihre religiöse Toleranz ließ die heiligen Stätten allen Gläubigern offen. Mit der Besetzung Palästinas durch die Sedschuken drohte das nun anders zu werden. Der Aufruf des Papstes Auf einem Konzil in der französischen Stadt Clermont wandte sich der Papst Urban II. mit einem dramatischen Appell an die Christenheit: „Das gottlose Volk der Sarazenen hat das Heilige Land besetzt und hält die Gläubigen dort in Knechtschaft und Unterwerfung. Wem will nicht das Herz darüber brechen? Die ehrwürdigen Orte sind in Schafkrippen und Viehställe verwandelt. Welche Schmach für den Ort, wo Christus gelebt hat. Jerusalem ist Erbgut Christi, es gehört ihm zu eigen. Bewaffnet euch, liebe Brüder, seid Gefolgsleute des Herrn! Ich rufe Euch zum Kriegsdienst Gottes. Erobert die Stammburg Christi zurück!“ Die Zuhörer unterstreichen die Rede des Papstes immer wieder mit begeisterten Rufen: „Gott will es“! (= „Deus vult“) Die Kirchenversammlung beschloss jedem, der das rote Kreuz für die Kriegsfahrt ins Heilige Land an die Schulter heftete, nicht nur Straferlass für begangene Verbrechen und Schutz seines Besitzes während seiner Abwesenheit, sondern auch den vollkommenen Ablass (Nachlass zeitlicher Sündenstrafen nach dem Tod) zu gewähren. Die Geschichtsschreibung zählte zwischen 1096 und 1270 sieben Kreuzzüge, daneben gab es etliche andere Kreuzfahrten. Der Aufruf des Papstes fand bei vielen Menschen Gehör. Toleranz war den Christen fremd, alle Nichtchristen galten als „Heiden“, deren Bekehrung heilige Pflicht war. Außerdem erwarteten sich die Kreuzfahrer reiche Beute im Orient. Jerusalem erobert – und wieder verloren Der erste Kreuzzug, zu dem ein Ritterheer zu Weihnachten 1096 aufbrach, wurde trotz furchtbarer Anstrengungen und Verluste militärisch ein Erfolg. Von den über 300000 Kreuzfahrern erreichten nur 40.000 nach drei Jahren Jerusalem und begannen sofort mit dem Angriff. Nach langen und schweren Kämpfen gelang es den Kreuzfahrern, am 15. Juli 1099 in Jerusalem einzuziehen. Die Eroberer richteten ein entsetzliches Blutbad unter den Bewohnern, Moslems und Juden, an. Der Anführer der Kreuzfahrer, Gottfried von Bouillon, errichtete das Königreich Jerusalem und machte sich zu seinem Herrscher. Auch andere Adelige gründeten Kreuzfahrerstaaten. Sie lagen in ständigem Kampf mit Türken und Arabern. Der darauf folgende Kreuzzug, an dem auch der Kaiser Friedrich Barbarossa und der englische König Richard Löwenherz beteiligt waren, konnte die Stadt nicht zurückgewinnen. Das gelang erst Kaiser Friedrich II. im Jahre 1229 – nicht durch Krieg, sondern durch Diplomatie. Er krönte sich selbst zum König von Jerusalem (noch Kaiser Franz Joseph trug diesen Titel); die „heilige Stadt“ ging aber 1244 an die Türken verloren. Ein anderer Kreuzzug wurde von Christen gegen Christen geführt. Auf Betreiben der aufstrebenden Republik Venedig, die den gesamten Orienthandel in die Hände bekommen wollte, landete ein Kreuzfahrerheer 1204 plündernd vor Konstantinopel und eroberte die Stadt. Byzanz wurde zum „Lateinischen Kaisertum“ umgewandelt, die griechische Kirche dem Papst unterstellt. Die Glaubenskriege erforderten unendlich viele Menschenleben, ganz zu schweigen von den sinnlosen Opfern des sogenannten „Kinderkreuzzuges“ im Jahr 1213. Aus den ursprünglich religiösen Motiven der Kreuzfahrer wurden machtpolitische Interessen. Die Ergebnisse der sieben Kreuzzüge von 1096 bis 1291 waren: Schaffung einer christlich-abendländischen Ritterschaft, Ausweitung des Handels, Veränderung der Motive (wurden moralisch immer bedenklicher), militärische Niederlage der Kreuzfahrerheere, Rückzug aus dem heiligen Land.