IP/03/49 Brüssel, den 15 Januar 2003 Mario Monti begrüßt Aufhebung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung „So wird die Staatshaftung für Landesbanken und Sparkassen in Deutschland nach Ablauf der Übergangsfrist endgültig aus der Welt geschafft", sagte Wettbewerbskommissar Monti. Die deutschen Behörden haben fristgerecht zum Ende des Jahres 2002 die rechtlichen Grundlagen für Landesbanken und Sparkassen an die Brüsseler Vereinbarungen vom Juli 2001 und Februar 2002 angepasst. Damit wird auch nach deutschem Recht die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung der öffentlichen Kreditinstitute beseitigt. Dies macht den Weg frei für fairen Wettbewerb im deutschen und europäischen Bankensektor. Der nunmehr erfolgten Verabschiedung sämtlicher Änderungsgesetze betreffend Landesbanken und Sparkassen waren intensive Diskussionen im Sommer und Herbst 2002 vorausgegangen. Kommissar Monti bedankte sich für die gute Kooperation des Bundes und der verschiedenen deutschen Bundesländer, die der Kommission bereits in einem frühen Stadium Entwürfe der neuen Rechtsvorschriften übermittelt hatten. Die enge Zusammenarbeit im Vorfeld hat die Verabschiedung der Gesetzestexte wesentlich beschleunigt. „Die neue Rechtslage schafft endlich fairen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen. Die Staatshaftung erlaubte Landesbanken und Sparkassen bislang, ihr Bankgeschäft zu Lasten von Wettbewerbern auszuweiten – denn Staatshaftung verringert die Refinanzierungskosten und verbessert die Geschäftsmöglichkeiten. Von der Abschaffung wird die Wettbewerbsfähigkeit sowohl der deutschen als auch der europäischen Wirtschaft profitieren“. Mario Monti unterstrich: „Es wird allerdings keinen abrupten Bruch geben, da wir Übergangsbestimmungen vereinbart haben. Die neue Rechtslage wird den deutschen Steuerzahlern, deutschen und ausländischen Banken, und letztlich auch den öffentlichen Banken in Deutschland selbst zugute kommen, denn langfristig kann es nicht in ihrem Interesse sein, sich gegen Wettbewerb abzuschotten.“ Der Fall der deutschen Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung ist aus vier Gründen bedeutsam: Er zeigt, dass die Kommission gegen alle Formen staatlicher Beihilfen - direkte wie indirekte (z. B. staatliche Garantien) - vorgeht, die mit EURecht unvereinbar sind; dass die Kommission Entwicklungen im europäischen Bankensektor aufmerksam verfolgt, dass die Kommission ihre Aufgabe als Hüterin der Verträge entschlossen gegenüber allen Mitgliedstaaten - großen wie kleinen – erfüllt; und dass es durchaus möglich ist, die Vereinbarkeit mit den beihilferechtlichen Vorschriften zu gewährleisten, ohne den öffentlich-rechtlichen Charakter der Unternehmen in Frage zu stellen." Mario Monti betonte, dass es von besonderer Wichtigkeit ist, dass die Kommission die Umsetzung von Kommissionsentscheidungen in nationales Recht genau verfolgt: „Die Kommission wird in Zukunft der Überwachung der Umsetzung von Entscheidungen in nationales Recht ein noch stärkeres Gewicht als bisher beimessen. Auch wenn in den Mitgliedsstaaten grundsätzlich bei den meisten Beteiligten ein guter Wille und die Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Umsetzung – so wie auch bei den Landesbanken und Sparkassen – besteht, unterlaufen manchmal technische Fehler bei der Umsetzung oder es bestehen Meinungsverschiedenheiten über gewisse Punkte. Es ist wichtig, solche Fehler bereits in einem frühen Stadium zu identifizieren und zu korrigieren.“ Vorgeschichte Nach Aufnahme der Verhandlungen im Februar 2000 schlug die Europäische Kommission der deutschen Regierung am 8. Mai 2001 so genannte zweckdienliche Maßnahmen vor, um das Haftungssystem der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung mit den Vorschriften des EG-Vertrags für staatliche Beihilfen in Einklang zu bringen. Im Juli 2001 nahmen die deutschen Behörden die vorgeschlagenen Maßnahmen vorbehaltlos an, nachdem sich Kommissar Monti und Staatssekretär Koch-Weser sowohl über die wesentlichen Lösungsansätze als auch über das weitere Vorgehen, den Zeitrahmen und eine Übergangsregelung verständigt hatten. Es bedurfte jedoch weiterer Gespräche, um wichtige Aspekte, insbesondere die Anwendung der Beihilfevorschriften auf die Förderbanken und das „Grandfathering“ der Gewährträgerhaftung, zu klären. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Gespräche änderte die Kommission am 27. März 2002 die von ihr vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen, um den von Deutschland in Absprache mit der Kommission ergriffenen Maßnahmen in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Deutschland hat seinerseits die neue Kommissionsentscheidung am 11. April 2002 förmlich angenommen. Sämtliche deutschen Gesetze zu Landesbanken und Sparkassen wurden bis Ende 2002 ordnungsgemäß angepasst. Die wichtigsten Änderungen des Haftungssystems Die Gewährträgerhaftung wird für Landesbanken und Sparkassen abgeschafft. Anstelle der Anstaltslast tritt ein normales Eigentumsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem betreffenden öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut. Verbindlichkeiten, die am 18.7.2001, dem Tag der Annahme der Kommissionsempfehlung vom 8.5.2001, bestanden, sind bis zum Ende ihrer Laufzeit von Gewährträgerhaftung gedeckt. Bis zum 18.7.2005 gilt eine Übergangsregelung, wonach Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bis zu diesem Stichtag in ihrer jetzigen Form beibehalten werden dürfen. Mit Ende dieser Übergangszeit wird jede bis dahin bestehende und nach dem 18.7.2001 begründete Verbindlichkeit weiterhin von Gewährträgerhaftung gedeckt sein unter der Bedingung, dass ihre Laufzeit nicht über den 31.12.2015 hinausgeht. 2 Anstaltslast und Gewährträgerhaftung Anstaltslast kann als Verpflichtung des Eigentümers umschrieben werden, die betreffende Anstalt zu erhalten. Dies bedeutet, dass der öffentlich-rechtliche Eigentümer (z. B. der Bund, die Länder oder Gemeinden) verpflichtet ist, die wirtschaftliche Basis der Anstalt zu sichern und sie für die gesamte Dauer ihres Bestehens funktionsfähig zu erhalten. Anstaltslast gibt Gläubigern keinerlei Rechte. Im Unterschied dazu begründet die Gewährträgerhaftung einen unmittelbaren Anspruch der Gläubiger gegenüber dem Gewährträger, es handelt sich somit um eine Haftungsverpflichtung. Der Gewährträger muss alle Verbindlichkeiten der Bank honorieren, die nicht durch das Bankvermögen befriedigt werden können. Beide Garantieformen sind weder zeitlich noch quantitativ beschränkt. Die Kreditinstitute brauchen hierfür keine Vergütung zu entrichten. 3