Körper und Seele Körper und Seele (Variante 1) Baal Sulam Bevor ich an die Erläuterung dieses erhabenen Themas trete, ist es wichtig zu unterstreichen, dass obwohl es scheint, es sei unmöglich, dies einem menschlichen Verstand zu erklären, ohne jene abstrakten philosophischen Begriffe zu benutzen, die normalerweise bei Erklärungen dieser Art üblich sind - stoßt die Kabbalah jeden Studierenden von der abstrakten Philosophie und allem, was mit ihr in Verbindung steht, weg, und neigt ihn der reinen Wissenschaft zu, die über Präzision verfügt, gemäß der einfachen Erkenntnis praktischer Handlungen. Und wenn im Weiteren philosophische Begriffe benutzt werden, so nur, um den Unterschied aufzuzeigen zwischen dem, wie hoch sich der menschliche Verstand erheben kann, und den Erkenntnissen eines Kabbalisten, der über eine praktische Basis verfügt. Zur Erläuterung des wahren Sinnes der Begriffe „Körper“ und „Seele“ ist es notwendig, sich von allen benutzten Begriffen zu befreien, die in den Massen Wurzeln geschlagen haben und hauptsächlich den abstrakten Theorien entnommen sind, da in ihnen der Sinn der Kabbalah fern vom Ziel liegt. Drei Theorien von Körper und Seele Alle Theorien von Körper und Seele, die in der Welt verbreitet sind, kann man in drei Kategorien vereinigen: 1. Theorie des Glaubens besagt, dass es außer Seele oder Geist nichts anderes gibt. Nach ihrer Meinung existieren spirituelle Wesen, die voneinander nach ihrer Qualität getrennt sind, die als „menschliche Seelen“ bezeichnet werden, und die über eine selbstständig existierende Realität verfügen, bevor sie hinabsteigen und sich im menschlichen Körper verwirklichen. Demzufolge werden sie durch den Tod des physischen Körpers nicht betroffen, weil das Spirituelle eine einfache Substanz (Wesen) ist. Der Begriff des Todes ist ihrer Meinung nach nichts weiter als eine Trennung zwischen Fundamenten (Substraten), aus denen das Wesen besteht, und dass dies sich auf den materiellen Körper bezieht, welcher eine Konstruktion aus gewissen Fundamenten darstellt, die wieder durch den Tod getrennt werden. Die Seele aber, ein spirituelles Gebilde, stellt eine einfache Substanz dar, in dem es keine Komponenten gibt, und welches sich daher nicht so aufspalten kann, dass es ihren Bau beeinflussen würde. Dementsprechend ist die Seele unsterblich und existiert ewig. Der Körper stellt nach ihrem Verständnis eine gewisse Kleidung dieser spirituellen Substanz dar. Die Seele kleidet sich in den Körper ein und offenbart durch ihn ihre Kräfte, solche wie gute Eigenschaften und verschiedene Fertigkeiten. Auf diese Weise belebt die Seele selbst den Körper, versetzt ihn in Bewegung und bewahrt ihn vor jeglichen Verletzungen, sodass der Körper an sich weder ein eigenständiges Leben noch Bewegung hat, nichts außer toter Materie, wie wir sie sehen, nachdem die Seele ihn zur Sterbensstunde verlässt. Alle Lebensanzeichen, die im Körper des Menschen betrachtet werden können, sind lediglich Erscheinungen der seelischen Kräfte. 2. Theorie des Dualismus. Dies ist die Theorie der Verfechter der Dualität. Nach ihrer Meinung ist der Körper ein vollkommenes Wesen. Er lebt, ernährt sich, kümmert sich nach Notwendigkeit um den Fortlauf der eigenen Existenz, und bedarf keiner Hilfe eines jeglichen spirituellen Wesens. 1 Körper und Seele Dieser Körper wird aber keineswegs für das Wesen des Menschen gehalten. Die Grundlage des Wesens eines Menschen ist die vernünftige Seele, welche ein spirituelles Wesen ist, was an die Meinung der Verfechter der ersten Theorie anklingt. Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen zwei Theorien betreffen nur die Definition des Körpers. Die Entwicklung in der wissenschaftlichen Welt hat gezeigt, dass die Höchste Lenkung bereits alle lebensnotwendigen Bedürfnisse im Mechanismus des Körpers selbst veranlagt hat, und das lässt ihrer Meinung nach dem Wirken der Seele im Körper keinen Raum- außer den Fertigkeiten und guten Eigenschaften, ihren spirituelle Ausprägungen. Somit glauben sie an die Dualität, d.h. an beide Theorien gleichzeitig, behaupten aber dabei, dass die Seele der Urgrund für den Körper ist, das heißt, dass der Körper das Produkt und Verlängerung der Seele ist. 3.Theorie der Verneinung Dies ist die Theorie von denjenigen, welche die spirituelle Realität verneinen und nur die Materialität akzeptieren. Verfechter dieser Theorie verneinen vollkommen die Anwesenheit jeglicher abstrakten spirituellen Substanz im Körperbau des Menschen. Ein zweifelloser Beweis dafür ist, dass der Verstand des Menschen nichts anderes als ein Produkt des Körpers darstellt. Sie stellen den Körper ähnlich einer funktionstüchtigen elektrischen Maschine dar, mit Kabeln, die sich aus dem Körper zum Gehirn ziehen. Diese werden durch Kontakte des Organismus mit äußeren Reizerregern in Betrieb gesetzt, und dirigieren ihre Empfindungen: „Schmerz“ oder „Genuss“ ins Gehirn, wobei das Gehirn dann dem Organ eine Anweisung erteilt, was zu tun ist. Alles wird mithilfe dieser Nerven-Leitungsbahnen und der Sehnen gelenkt, die daran angebunden sind, sodass diese das Organ von der Schmerzquelle entfernen und zur Genussquelle nähern. Auf eben diese Weise geschieht im Menschen die Reflexion und werden die Schlussfolgerungen aus alle Lebenssituationen erarbeitet. Unsere Empfindung des Verstandes und der Logik im Inneren des Gehirns ist dabei nur eine Aufnahme dessen, was im Innern des Organismus auf materielle Weise geschieht. Der Vorteil des Menschen gegenüber jedem Vertreter der Tierwelt besteht dabei darin, dass sein Gehirn soweit entwickelt ist, dass sich alles, was im Organismus geschieht, in seinem Gehirn reflektiert, in Form einer Aufnahme (eines Abdrucks), die vom Menschen als Verstand und Logik wahrgenommen wird. Somit sind der Verstand und dessen Schlussfolgerungen nichts anderes als Ergebnis der im Körper stattfindenden Vorgänge. Auch unter den Vertretern der Theorie des Dualismus kann man einige finden, die mit dieser Theorie vollkommen einverstanden sind. Aber sie fügen dem dennoch eine gewisse ewige spirituelle Substanz hinzu, die als die „Seele“ bezeichnet wird, welche sich in den Mechanismus des Körpers einkleidet. Und diese Seele ist das Wesen des Menschen, wobei der Mechanismus des Körpers lediglich dessen Hülle ist. So habe ich in allgemeiner Form das beschrieben, was die Geisteswissenschaft bis zur heutigen Zeit als die Begriffe von Körper und Seele darstellte. Körper und Seele als wissenschaftliche Begriffe in der Kabbalah In dem, was die Kabbalisten sagten, gibt es kein einziges Wort, welches über eine theoretische Grundlage verfügen würde, und alles resultiert nur aus ihrer praktischen Erkenntnis. Offensichtlich ist die Tatsache, dass der Mensch seiner Natur nach Zweifeln unterlegen ist, und jede Schlussfolgerung, die der menschliche Verstand als offensichtlich bestimmt, nach Ablauf der Zeit dem Zweifel unterworfen wird. Dadurch nimmt die 2 Körper und Seele Theoretisierung an Kraft zu, und für diese Sache wird eine andere Schlussfolgerung gezogen, die dann wieder als offensichtlich gilt. Und wenn der Mensch tatsächlich über abstraktes Denken verfügt, läuft er sein Leben lang in diesem Kreis: die Selbstverständlichkeit von gestern wird zu einem Zweifel von heute, und die heutige Selbstverständlichkeit wird sich morgen in Zweifel verwandeln. So ist es sogar im Rahmen der „absoluten“ Selbstverständlichkeit unmöglich, zu einer sicheren Schlussfolgerung „für den heutigen Tag“ zu gelangen. Enthülltes und Verhülltes Die moderne Wissenschaft kam nach ihrer Entwicklung bereits zum Verständnis dieser Tatsache in wahrer Form, und es wurde beschlossen, dass in der uns umgebenden Wirklichkeit nichts absolut Offensichtliches existiert. Doch die Weisen verstanden das und kamen zum Verständnis davon Jahrtausende vor ihnen. Dementsprechend gaben sie hinsichtlich des Glaubens Anweisungen und verboten es uns nicht nur uns mit Theoretisierung zu beschäftigen, sondern auch, theoretische Schlussfolgerungen zu bedienen, die diesen gleichen, sogar bei Unterredungen. Die Weisen teilen die Wissenschaft in zwei Teile auf: den offenen (enthüllten) und den verhüllten. Der enthüllte Teil schließt in sich alles ein, was wir bei einfacher Reflexion verstehen, wenn sich das Studium auf praktischer Basis aufbaut, ohne jegliche Theoretisierung, wie die Weisen sagten: „Man urteilt nur nach dem, was die Augen sehen“. Der verhüllte Teil der Wissenschaft enthält all jene Kenntnisse, die von treuen Menschen vernommen wurden, oder das, was wir selbst im Allgemeinen verstanden und erkannt haben. Doch es ist uns unmöglich, ihm in einem Maße zu nähern, welches für Kritik aus den Positionen des gesunden Menschenverstandes ausreichen würde, wie der einfachen Erkenntnis. Das ist das, was verhüllt heißt, wovon man uns empfiehlt, es als „einfachen Glauben“ anzunehmen. Und man verbot uns in allem, was die Religion betrifft, durch ein strenges Verbot, das, was zu deren Erforschung anregen kann, sogar anzuschauen. Jedoch weisen die Bezeichnungen „enthüllt“ und „verhüllt“ nicht auf besondere Arten von Kenntnissen hin, wie die Massen glauben, sondern nur auf deren Erkenntnis durch den Menschen. D.h. diejenigen Kenntnisse, die der Mensch aus realer Praxis aufdecken und erfahren konnte, bezeichnete er als „enthüllt“, und all diejenigen Kenntnisse, die noch nicht solch eine Stufe von Erkenntnis erreicht haben, bezeichnet er als „verhüllt“. Den offenen Teil des Wissens darf er studieren und erforschen, weil es dafür eine reale Basis gab. Doch bezüglich des vom Menschen verhüllten Teiles des Wissens ist sogar jeglicher Versuch von Erforschung verboten, weil es dort keinerlei reale Basis gibt. Verbot und Erlaubnis der Nutzung gewöhnlicher Wissenschaften Dementsprechend, wenn wir den Weg der Weisen beschreiten, ist es uns verboten, Daten gewöhnlicher Wissenschaften zu nutzen. Wir nutzen nur diejenigen Kenntnisse, die praktisch bewiesen wurden, d.h. an deren Realität kein Zweifel aufkommen kann. Aus diesem Grunde können wir aus allen diesen drei Theorien kein religiöses Prinzip akzeptieren, und schon gar nicht die Begriffe von „Körper und Seele“, die „allgemeine Prinzipien und Themen der allgemeinen Religion“ darstellen. Wir können sie nur ausgehend von den Kenntnissen der Wissenschaft der Kabbalah annehmen, in welcher sie auf dem Versuchswege gewonnen wurden, sodass der Mensch nicht an ihrer Wahrhaftigkeit zweifeln kann. Und es ist klar, dass es unmöglich ist, dass solche Beweise auf irgendeine spirituelle Weise dargebracht würden, sie wurden nur mithilfe des Körpers erlangt, welcher zur 3 Körper und Seele sinnlichen Wahrnehmung fähig ist. Dementsprechend haben wir das Recht, nur die dritte Theorie in einem gewissen Grad zu nutzen, die sich ausschließlich mit den Fragen des Körpers befasst, und zwar in all jenen Schlussfolgerungen, die durch Erfahrung bestätigt wurden und bei welcher keine Meinungsverschiedenheiten bestehen. Die übrigen logischen Erklärungen, sowohl dieser als auch der anderen Theorien, werden von uns nicht angenommen und sind verboten, und jeder, der sie nutzt, handelt gegen das Gebot: „wende dich nicht an die Götter (Götzen)“ Doch diese dritte Theorie ist dem menschlichen Geist befremdend und sehr zuwider, und es gibt kaum einen wirklich gebildeten Menschen, der sie annehmen könnte. Denn nach ihrer Äußerung wurde die Art des Menschen vernichtet und aus ihm wurde eine Maschine kreiert, die mittels anderer Kräfte handelt und sich fortbewegt. Nach ihrer Meinung hat der Mensch keinerlei freie Wahl gemäß seinem Willen, sondern er wird von Naturkräften getrieben, und alle seinen Handlungen macht er aus Zwang. Der Mensch hat keinerlei „Belohnung und Strafe“, da die Wirkung des Gesetzes von Bestrafung und Belohnung sich nicht auf einen erstreckt, der über keine freie Willensäußerung verfügt. Dies ist fern dem Wissen um eine Bestimmung, nicht nur unter Religiösen, die an Belohnung und Strafe glauben (was aus dem Glauben an die Höchste Lenkung resultiert, gemäß welchem alle Naturkräfte vom Schöpfer gelenkt werden) und die davon überzeugt sind, dass es in jedem Brauch einen guten und erwünschten Zweck gibt. Noch merkwürdiger ist diese Theorie den Nichtreligiösen, nach deren Meinung jeder in die Hände der blinden Natur ohne Wissen und Ziel gelegt sei. Und sie, Menschen, die über einen Verstand verfügen, seien Spielzeuge in ihren Händen und würden auf Irrwege gebracht. Daher ist diese Theorie nicht annehmbar und nicht in der Welt angenommen. All diese temporären Theorien entstanden, um diese Verfälschungen zu korrigieren. Daher wurde beschlossen, dass der Körper, der gemäß der dritten Theorie als Maschine bezeichnet wird, gar nicht der wahre Mensch sei. Das Wesen des Menschen stelle etwas vollkommen anderes, Unsichtbares und nicht Wahrnehmbares dar, weil dies eine spirituelle Substanz sei, die in verhüllter Form innerhalb des Körpers verkörpert wäre. Und dies sei das „Ich“ des Menschen. Dieses „Ich“ des Menschen, welches einen Körper mit seiner ganzen Füllung darstellt, gilt als das Eigentum dieses „Ich“, des spirituellen und ewigen. Doch diese ganze Theorie hinkt, weil sie unfähig ist zu erklären, wie eine spirituelle Substanz, welche die Seele oder das „Ich“ darstellt, den Körper in Bewegung versetzen oder zu etwas zwingen kann. Gemäß der Behauptung der Philosophie selbst steht das Spirituelle in keinerlei Kontakt zum Materiellen und wirkt darauf nicht ein. Heute, wenn unsere Generation sich entwickelt und das Verständnis erreicht hat, dass es in der Philosophie und der Metaphysik keinen wahren Gehalt gibt, für den es sich lohnen würde, Zeit zu investieren, darf niemand sie in irgendeiner Weise benutzen. 4 Körper und Seele Körper und Seele (Variante 2) Alle Theorien von Körper und Seele, die in der Welt verbreitet sind, kann man in drei Kategorien vereinigen: 1. Die Theorie des Glaubens besagt, dass es außer Seele oder Geist nichts anderes gibt. Nach Meinung der Befürworter dieser Theorie existieren spirituelle Wesen, die voneinander nach ihrer Qualität getrennt sind, die als „menschliche Seelen“ bezeichnet werden, und die über eine selbstständig existierende Realität verfügen, noch bevor sie hinabsteigen und sich im menschlichen Körper verwirklichen. Der Tod des physischen Körpers beeinflusst diese Wesen nicht, weil sie spirituell sind, das heißt, einfache Wesen. Nach Meinung derjenigen, die dieser Theorie zugeneigt sind, ist der Tod nichts weiter als eine Teilung der Grundlagen voneinander, aus denen das Wesen besteht, und er gehört daher zum Materiellen, aus diesen Grundlagen dargestelltem Körper, die jedes Mal durch den Tod voneinander getrennt werden. Die Seele ihrerseits, ein spirituelles Gebilde, stellt ein einfaches Wesen dar, in dem es keine Komponenten gibt, und sich daher nicht so aufspalten kann, dass es ihre Gestaltung beeinflussen würde. Dementsprechend ist die Seele unsterblich und existiert ewig. Der Körper stellt nach Meinung der Anhänger dieser Theorie eine gewisse Kleidung für die Seele, dieses spirituelle Wesen dar. Die Seele kleidet sich in den Körper ein und offenbart durch ihn ihre Kräfte, Eigenschaften und verschiedene Fertigkeiten. Auf diese Weise belebt die Seele selbst den Körper, versetzt ihn in Bewegung und bewahrt ihn vor jeglichen Verletzungen. Der Körper selbst hat kein eigenständiges Leben, in ihm gibt es nichts außer der toten Materie, in Form derer er sich auch offenbart, wenn die Seele ihn verlässt. Alle Lebensanzeichen, die im Körper des Menschen betrachtet werden können, sind lediglich Erscheinungen der seelischen Kräfte. 2. Theorie des Dualismus. Dies ist die Theorie der Verfechter der Dualität. Nach ihrer Meinung ist der Körper ein vollkommenes Wesen. Er lebt, ernährt sich, kümmert sich nach Notwendigkeit um den Fortlauf der eigenen Existenz, und bedarf keiner Hilfe eines jeglichen spirituellen Wesens. Dieser Körper wird aber keineswegs für das Wesen des Menschen gehalten. Die Grundlage des Wesens eines Menschen ist die vernünftige Seele, welche ein spirituelles Wesen ist, was an die Meinung der Verfechter der ersten Theorie anklingt. Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen zwei Theorien betreffen nur die Definition des Körpers. Die Entwicklung der Wissenschaft hat gezeigt, dass alle lebensnotwendigen Bedürfnisse von der Natur bereits im Körper selbst veranlagt wurden, und das lässt dem Wirken der Seele im Körper keinen Raum und beschränkt ihre Funktion lediglich auf Fertigkeiten und gute Eigenschaften, ihre spirituelle Ausprägungen. So glauben die Verfechter des Dualismus an beide Theorien gleichzeitig, behaupten aber dabei, dass die Seele der Urgrund für den Körper ist, das heißt, dass der Körper das Produkt und Verlängerung der Seele ist. 5 Körper und Seele 3. Theorie der Verneinung An diese Theorie halten sich diejenigen Forscher, welche die Anwesenheit einer gewissen spirituellen Realität im Körper verneinen, und nur dessen Materialität akzeptieren. Entsprechend ihren Behauptungen ist auch der Verstand des Menschen Derivat des Körpers. Sie stellen den Körper ähnlich einer funktionstüchtigen elektrischen Maschine dar, mit Kabeln, die sich aus dem Körper zum Gehirn ziehen. Der ganze Mechanismus wird durch Kontakte des Organismus mit äußeren Reizerregern in Betrieb gesetzt, und durch Empfindungen „Schmerz“ und „Genuss“ gelenkt, wobei diese an das Gehirn gesendet werden, und das Letztere je nach Notwendigkeit bestimmten Organe Anweisungen erteilt, die eine oder andere Handlung auszuführen. Alles wird mithilfe der Nerven-Leitungsbahnen und Sehnen gelenkt, welche durch ein einziges Programm an sie gebunden sind: das Organ von der Schmerzquelle weg und zur Genussquelle hin zu führen. Auf eben diese Weise, behaupten die Verfechter der Verneinungstheorie, geschieht im Menschen die Reflexion und wird eine Reaktion auf alle Lebenssituationen erarbeitet. Unsere Empfindung des Verstandes und der Logik im Inneren des Gehirns ähnelt dabei einer Aufnahme oder einem Abdruck dessen, was im Innern des Organismus geschieht. Diese Empfindung ist ein unbestrittener Vorteil des Menschen, und wird durch seine Entwicklung gegenüber den Vertretern der Tierwelt möglich. Somit sind nach der Meinung der Verfechter dieser Theorie der Verstand und dessen Tätigkeit nichts anderes als Ergebnis der im Körper stattfindenden Vorgänge. Auch unter den Vertretern der Theorie des Dualismus kann man einige finden, die mit dieser Theorie einverstanden sind. Aber sie fügen dem dennoch ein gewisses ewiges spirituelles Wesen hinzu, das als die „Seele“ bezeichnet wird. Ihren Behauptungen nach ist diese Seele das Wesen des Menschen, und sie kleidet sich in einen Körper - die Hülle. So sehen im Allgemeinen die Theorien aus, die in den Geisteswissenschaften Begriffe wie Körper und Seele beschreiben. Körper und Seele als wissenschaftliche Begriffe in der Kabbalah Die Wissenschaft der Kabbalah ist dazu aufgerufen, den Studierenden die höchste Welt zu enthüllen, und zwar in demselben Maße der Offensichtlichkeit und Wahrhaftigkeit, wie die irdischen Naturwissenschaften dem Menschen unsere Welt offenbaren. Alles Wissen über die höchste Welt wurde von Kabbalisten auf dem Wege unmittelbarer Versuche und Erforschungen an sich als Material gesammelt. Daher gibt es in der Wissenschaft der Kabbalah kein einziges Wort, das eine theoretische Basis hat - alles wird nur als Ergebnis praktischer Erkenntnis dargelegt. Selbstverständlich für alle ist die Tatsache, dass der Mensch seiner Natur nach Zweifeln unterlegen ist, und jede Schlussfolgerung, die der menschliche Verstand als offensichtlich bestimmt, nach Ablauf der Zeit dem Zweifel unterworfen wird. Das führt zur Theoretisierung, und im Bezug auf Geschehnisse in der Vergangenheit wird eine andere Schlussfolgerung gezogen, die dann für eine Weile als offensichtlich gilt. Und wenn der Mensch tatsächlich über abstraktes Denken verfügt, läuft er sein Leben lang in diesem Kreis: die Selbstverständlichkeit von gestern wird zu einem Zweifel von heute, und die heutige Selbstverständlichkeit wird sich morgen in Zweifel verwandeln. So ist es sogar im 6 Körper und Seele Rahmen der „absoluten“ Selbstverständlichkeit Schlussfolgerung „für den heutigen Tag“ zu gelangen. unmöglich, zu einer sicheren Enthülltes und Verhülltes Die moderne Wissenschaft kam bereits zum Verständnis der Tatsache, dass in der uns umgebenden Wirklichkeit nichts absolut Offensichtliches existiert. Kabbalah hat ihrerseits immer Theoretisierung und Benutzung theoretischer Schlussfolgerungen verboten, besonders auf der Stufe der Vermutungen. Kabbalisten teilen die Wissenschaft in zwei Teile auf: den enthüllten und den verhüllten. Der enthüllte Teil der Wissenschaft schließt in sich alles ein, was wir bei einfacher Reflexion verstehen, wenn sich das Studium auf praktischer Basis aufbaut, ohne jegliche Theoretisierung, nur von praktischen, auf dem Wege der Untersuchungen erlangten Daten und daraus folgenden Schlussfolgerungen ausgehend. Der verhüllte Teil der Wissenschaft enthält von uns selbst erfahrene, oder aus vertrauenswürdigen Quellen erlangte Kenntnisse, welche zur Analyse aus der Sichtweise des gesunden Menschenverstandes und der einfachen Reflexion unzureichend ist. Dieser Teil der Kenntnisse wird zeitweilig als „einfacher Glaube“ angenommen und in keinem Fall erforscht, weil sich in diesem Fall die Erforschung nicht auf praktischer Basis, sondern auf theoretischen Überlegungen gründen würde. Jedoch weisen auch die Termini „enthüllter“ und „verhüllter“ Teil der Wissenschaft nicht auf besondere Arten der Kenntnisse hin, sondern auf deren Erkenntnis durch den Menschen. Diejenigen Kenntnisse, die der Mensch in realer Praxis aufgedeckt hat, werden als „enthüllt“ bezeichnet, und diejenigen, welche noch nicht eine solche Stufe der Erkenntnis erfahren haben, werden als die „verhüllten“ bestimmt. Aus dem oben Gesagten folgt, dass es niemals, in keiner einzigen Generation, einen Menschen gab, der nicht diese zwei Teile des Wissens hätte - einen offenen und einen verhüllten. Den offenen Teil des Wissens durfte man studieren und erforschen, weil es dafür eine reale Basis gab. Bezüglich des vom Menschen verhüllten Teiles des Wissens jedoch wurden immer sogar die Versuche der Erforschung verboten, weil der Mensch darin keinerlei reale Basis für eine wahre Erforschung hat. Verbot der Nutzung gewöhnlicher Wissenschaften. Dementsprechend hält es die Kabbalah für unzulässig, Daten gewöhnlicher Wissenschaften zu nutzen, sondern nur diejenigen Kenntnisse, die praktisch bewiesen wurden, d.h. an deren Realität und Wahrhaftigkeit kein Zweifel aufkommen kann. Aus diesem Grunde sind Schlussfolgerungen, welche die Begriffe „Seele und Körper“ betreffen, und auf Basis der drei oben genannten Theorien gezogen sind, nicht akzeptabel, weil sie religiösen Diskursen entsprechen. Tatsächlich können wissenschaftliche Kenntnisse vom Körper und der Seele nur mithilfe der Methodik gewonnen werden, die von der Wissenschaft der Kabbalah geboten wird, weil sie auf einem Versuchswege gewonnen, und von der Praxis bestätigt werden, und ihre Zuverlässigkeit daher keinem Zweifel unterliegt. 7 Körper und Seele Wenn man das oben Dargelegte beachtet, kann man in gewisser Weise nur die dritte Theorie nutzen, die sich ausschließlich den Fragen des Körpers widmet, und zwar nur diejenigen Daten daraus, die durch Erfahrung bestätigt wurden, und bezüglich welcher keine Meinungsverschiedenheiten bestehen. Allgemeine logische Erklärungen jeglicher Theorien sind jedoch in der Kabbalah verboten. Kritik der dritten Theorie Die dritte Theorie ist dem Geist eines gebildeten Menschen fremd, weil sie Persönlichkeit vernichtet und ihn selbst als eine Art Maschine darstellt, die durch Einwirkung äußerer Kräfte in Bewegung versetzt wird. Aus ihr folgt, dass der Mensch keine freie Wahl in seinen Wünschen hat, dass er sich unter vollkommener Kontrolle der Naturkräfte befindet, alle seine Handlungen aus Zwang vollzieht, weder Lohn noch Bestrafung erhält, weil sich das Gesetz der Bestrafung und Belohnung nur auf jemanden ausstreckt, der über eine Freiheit der Willensäußerung verfügt. Diese Theorie ist sowohl den Religiösen fremd, die an Belohnung und Bestrafung durch den Schöpfer glauben, und sich ihres guten Ziels sicher sind, als auch den Nichtreligiösen. Denn entsprechend dieser Theorie sind wir, über Vernunft Verfügende, Spielzeug in Händen blinder Natur, die uns in eine ungewisse Richtung führt. Aus diesem Grund wurde diese Theorie in der Welt kaum angenommen. Es wurde entschieden, dass der Körper, der nach der dritten Theorie als eine Maschine bezeichnet wird, nicht der wahre Mensch ist, sondern dass das Wesen des Menschen, sein „Ich“, ein unsichtbares und unspürbares ewiges spirituelles Wesen ist, das sich in verhüllter Form im Inneren des Körpers befindet. Wie aber kann dieses spirituelle Wesen den Körper in Bewegung versetzen, wenn doch entsprechend der Behauptung der Philosophie das Spirituelle in keiner Verbindung zum Materiellen steht, und dieses letztere keineswegs beeinflusst? So können weder Philosophie noch Metaphysik eine Lösung der Frage nach der Seele bieten. Schluss 1. Alles, was der Mensch empfindet, empfindet er in seinen fünf Sinnesorganen. Das summierte Bild des in den fünf Sinnesorganen Wahrgenommenen wird im Gehirn analysiert, mit dem bereits bekannten verglichen und dem Bewusstsein als das Bild von sich selbst und der umgebenden Welt präsentiert. Somit nimmt der Mensch sowohl den eigenen Körper, als auch die ihn umgebende Realität, als das Ergebnis der Empfindungen der fünf Sinnesorgane auf. Es gibt weder den Körper, noch die umgebende Welt als solche - sie sind lediglich Folge unserer Empfindungen. Wie Baal Sulam schreibt: „Ich nehme mich als fest und über einen Umfang verfügend wahr, weil mich meine Empfindungen so darstellen“ 2. Wenn der Mensch überhaupt keine Empfindungsorgane hätte, würde er sich selbst nicht wahrnehmen. Wenn die Organe der Empfindungen in Quantität oder Qualität anders gestaltet wären, würde sich der Mensch den eigenen Körper und die ihn umgebende Welt anders wahrnehmen: entsprechend den Empfindungen, die ihm seine Sinnesorgane liefern würden. 3. Alles, was im Menschen durch die fünf Sinnesorgane verspürt wird, wird als das „Enthüllte“ bezeichnet. Natürlich verfügt dabei jedes Individuum über ein eigenes Maß des 8 Körper und Seele Verhüllten, das von seiner emotionalen und intellektuellen Entwicklung abhängt. Das Enthüllte kann sein: privat, individuell allgemein - der ganzen Menschheit auf jeder konkreten Etappe ihrer Entwicklung enthüllt. 4. Das noch nicht Enthüllte, aber potentiell der Enthüllung in der Zukunft Unterliegende, wird als das „Verhüllte“ bezeichnet. Dieses wird auch in zwei Arten unterteilt: Verhülltes, das wir irgendwann in der Zukunft mit unseren fünf Sinnesorganen offenbaren können; Verhülltes, das wir niemals mit unseren fünf Sinnesorganen enthüllen können. 5. Das nicht in den fünf Sinnesorganen Enthüllbare kann in einem sechsten Sinnesorgan enthüllt werden. Jeder Mensch trägt den Embryo eines sechsten Sinnesorgans in sich, das er entwickeln kann. Die Methodik der Entwicklung eines sechsten Sinnesorgans heißt „Kabbalah“. In Analogie mit den Empfindungen des Körpers und der Umgebung in den fünf Sinnesorganen besteht auch die Wahrnehmung im sechsten Sinnesorgan aus zwei Komponenten: Körper - bezeichnet als die „Seele“ Umgebung - bezeichnet als die „höchste Welt“. Die Wahrnehmung der höchsten Welt wird als ein Gefühl der Ewigkeit, Perfektion und des Allwissens empfunden. 9