Rauchgasinhalations – Intoxikation

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Rauchgasinhalations – Intoxikation
Ursachen, Primärversorgung und Handlungsempfehlung
( Aus „Der Notarzt“ 3, 2010 S.95ff, T.Zilker et al. )
Zusammensetzung der Brandgase :
1. Erstickungsgase :
CO2
2. Reizgase :
- anorganische: HCl, NH3, SO2, Nitrosegase,
- organische:
Formaldehyd, Acrolein, Benzol, Phenol
3. Giftgase :
CO, HCN
Beim Wohnungsbrand findet man folgende Materialien vor :
- Polyvinylchlorid (PVC)
- Polymere wie Polyacrylate und Pölyurethane
- Kleidung und Teppiche
- Holz
Bei Wohnungsbrandversuchen waren alle oben erwähnten Gase in verschiedenen
Konzentrationen enthalten sowohl am Brandherd selbst als auch außerhalb (entsprechend dem
Fluchtweg oder einer darüberliegenden Wohnung).
Außerhalb konnte in den Versuchen länger gemessen werden, da am Brandherd die
Hitzeentwicklung eine Messung länger als 11 Minuten unmöglich machte.
Außerhalb wurden z.B. für CO 5100 ppm und für HCN 55 ppm gemessen..
Eine CO-Belastung von 1600 ppm in der Umgebungsluft führen bei einer 3-stündigen
Expostion (bei isolierter CO-Belastung) zu einem CO-Hb von 30%.
Beschleunigt wird die CO-Aufsättigung des Blutes allerdings durch
 O2-Mangel in der Umgebung (CO in großen Höhen giftiger !)
 Beschleunigte Atmung, die durch hohen CO2- und niedrigen O2Gehalt getriggert wird
Die genannte HCN-Belastung von 55 ppm wird bei einer 20-minütigen Exposition ohne
wesentliche Symptome überstanden.
Wirkmechanismus von Kohlenmonoxid :
CO ist ein farbloses, geruchloses und geschmackloses Gas und ist gasförmig bis –190°C.
Es besitzt eine sehr hohe Toxizität, weil
1. die räumliche Struktur dem O2-Molekül gleicht und
2. gleichzeitig die Affinität zum Hb um ca. 250-fach größer ist als die des O2
 0,08 Vol % ( 800 ppm ) CO in der Raumluft reichen aus, um SpO2 auf 50 % absinken zu
lassen.
 Aber : Steady-state-Konzentration zwischen CO im Alveolarraum und CO-Hb erst nach
12 Stunden erreicht ( bei alleiniger CO-Exposition). Verkürzt wird diese Zeit durch
forcierte Atmung auf Grund von O2-Mangel und erhöhtem CO2-Gehalt in der Umgebungsluft und der körperlichen Anstrengung beim Fluchtversuch
1
 Es gibt keine strenge Korrelation zwischen CO-Hb im Blut und dem klinischen Bild;
therapeutische Entscheidungen sind eher anhand des klinischen Bildes zu treffen.
 Zusätzlich spielt auch die Anlagerung des CO an Myoglobin, an die Enzyme der
Atmungskette und an die Enzyme der P450-Monooxydase eine Rolle;
frühzeitige auch tödliche HRST sind möglich; ggf. CK- und Troponinanstieg
 Der anaerobe Stoffwechsel führt zur Laktaterhöhung und zur metabolischen Azidose
Die Elimination des CO erfolgt nach Beendigung der Exposition relativ schnell :
HWZ bei Raumluft : 4 – 5 Stunden
HWZ bei FiO2 0,1 : 30 – 40 Minuten
HWZ unter HBO : ca. 20 Minuten
Der Unterschied bei der Elimination zwischen reiner O2-Behandlung und HBO-Behandlung
ist eher gering. Ziel der HBO-Behandlung kann daher nicht allein die raschen Elimination des
Kohlenmonoxid sein.
Wirkmechanismus der Blausäure ( HCN ) :
HCN wird sehr rasch über den Respirationstrakt resorbiert.
Tod tritt ein innerhalb 30 Minuten bei HCN > 130 ppm ( 0,13 Vol % )
Tod tritt ein innerhalb 10 Minuten bei HCN > 150 ppm ( 1,5 Vol % )
Tod tritt ein innerhalb 1 Minute bei HCN > 270 ppm ( 0,27 Vol % )
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

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
Die Verteilung im Körper ist bereits nach 5 Minuten abgeschlossen
HCN hat eine Proteinbindung von 60 %
Verhältnis von erythrzytär gebunden zum Vorliegen im Plasma ist 100 : 1
HCN kann sowohl aus dem Hb als auch aus Plasma an das Gewebe abgegeben werden
HCN hat eine hohe Affinität zu Metallen; im mitochondrialen Cytochrom wird es an das
3-wertige Eisen gebunden
 Die ATP-Entsehung wird blockiert, dadurch bricht der wichtigste Prozess der Energiegewinnung ( biolog. Atmung ) und führt zur inneren Erstickung
 Der anaerobe Stoffwechsel führt zum steilen Laktatanstieg und zur metabolischen
Azidose
Bei Überschreitung von Grenzdosen ( > 50 ppm ) bei entsprechender Expositionsdauer tritt
schlagartig Bewusstlosigkeit ein.
Tachypnoe  Bradypnoe  Apnoe  nach ca. 5min Kammerflimmern  Asystolie
Häufige Auffindungssituation :
Patient wird auf der Flucht aus dem brennenden Bereich von Brandgasen „überrascht“
und bricht plötzlich bewusstlos zusammen (V.a. Cyanidvergiftung).
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Wirkmechanismus der Reizgase
Unterscheidung der Reizgase
Soforttyp : Acrolein, Ammoniak, HCl, Formaldehyd, Isozyanate, SO2
- lösen Bronchopasmus aus durch Reaktion mit der
Bronchialschleimhaut ( cholinerge Reaktion )
- im schlimmsten Fall sind Verätzungen zu erwarten
- HCl führt zu brennenden Schmerzen und starkem Reizhusten
- Ammoniak und SO2 zusätzlich zu tränenden Augen
Latenztyp : Nitrosegase, Phosgen
- dringen auf Grund der geringen Wasserlöslichkeit bis in die
terminalen Broncioli und in die Alveolen ein
- durch die entstehende Salpetersäure kommt es zu Alveolarschäden mit Lungenödem
- Nitrosegase scheinen keine große Rolle zu spielen
Wirkmechanismus der Rußinhalation
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

Ruß besteht aus kleinsten Partikeln ( 1-3 µm )
Erreichung des Alveolarraumes möglich
Ruß ist Transportvehikel für Reizstoffe
Irritationen der Atemwege über einen längeren Zeitraum möglich
Anhaltende Bronchospastik und Hustenattacken
Therapie der Intoxikation durch Rauchgasinhalation
Für eine sinnvolle Therapie sollten die Patienten in Gruppen eingeteilt werden.
1. Patient hat sich selbst aus dem Rauch befreit, weist Reizerscheinungen der Augen und
der oberen Atemwege auf ( z.B. Brennen beim Einatmen ); es besteht Husten ohne
Bronchospastik, SpO2 normal
2. Patient klagt zusätzlich über Atemnot; es besteht Bronchospastik; SpO2 vermindert
3. Patient ist mit oder ohne pulmonale Symptomatik bewusstseinsgetrübt ( GCS 10-13 )
4. Patient wird bewusstlos mit noch intakter Herz-Kreislauf-Funktion aufgefunden
( GCS 3-9 )
5. Patient wird mit Atem- und Kreislaufstillstand aufgefunden
Therapie Gruppe 1 :
-
frische Luft
Abwaschen der Verrußung sinnvoll
Auswaschen der Augen mit wassergetränkten Tupfern
Untersuchung in der Klinik
-
O2 über Maske/Sonde
β2 Adrenorezeptor-Agonist ( Salbutamol / Fenoterol )
Therapie Gruppe 2 :
3
-
-
( in Studien allerdings keine Objektivierung der Wirksamkeit bei
einer rauchgasinduzierten Bronchospastik )
lückenlose Überwachung ist obligat
falls keine Besserung unter obiger Therapie :
 thermisches Trauma überdenken ( Stridor ? )
 Indikation zur Intubation großzügig und früh stellen
keine Gabe von inhalativen und system. Glukokortikoiden
Therapie Gruppe 3 :
-
Basismaßnahmen
O2-Zufuhr
i.v.-Zugang
EKG, SpO2
Hydroxocobalamingabe erwägen
( Bewusstseinstrübung kann sowohl von CO als auch von HCNBelastung herrühren )
-
Basismaßnahmen
Gabe von Hydroxocobalamin ( 70 mg/kg/KG; i.d.R. 5g i.v. )
Intubation und Beatmung mit FiO2 von 1,0
Bei Krampfanfällen : Benzodiazepine
-
sofortiger Beginn mit CPR, IT, FiO2 1,0
i.v. oder i.o. Zugang
Reanimationsmedikamente
Hydroxocobalamin 70 mg/kg/KG i.v., ggf. wiederholen
Sedierung nach erfolgreicher Reanimation
-
Hydroxocobalamin ist Vorläufer des Vit.B12
( hat statt CN-Gruppe eine OH-Gruppe )
Bei Kontakt mit HCN wird OH-Gruppe durch CN ersetzt und es
entsteht das nicht toxische VitB12 ( Cyanocobalamin )
zusätzliche Gabe von Natriumthiosulfat entfällt
( Ausnahme : reine Zyanidvergiftung )
kaum Nebenwirkungen ( Purpurfärbung des Urins )
Therapie Gruppe 4 :
Therapie Gruppe 5 :
Exkurs Zyanokit :
-
Ersatztherapie, wenn kein Zyanokit vorhanden :
- Natriumthiosulfat 50 – 100 mg/kg/KG ( ggf. bis 500 mg/kg/KG
bei alleiniger Gabe )
- Natriumthiosulfat ist akut weniger wirksam
- Dosierungsprobleme können in dramatischen Einsatzsituationen zu
zusätzlichen Problemen führen
- Nebenwirkungen : v.a. bei Asthmatikern akuter Asthmaanfall
möglich, Diarrhoe, selten Bewusstseinsstörungen, Schock
 4-DMAP ist bei Rauchgasinhalationen kontraindiziert
( zur bestehenden CO-Belastung kommt noch Methämoglobinbildung )
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Wahl der Zielklinik :
-
-
Trotz der raschen Reduzierung des COHb unter 100% O2 wird ,
wenn möglich, eine direkte Verbringung von Patienten der
Gruppen 3 und 4 in eine Klinik mit HBO-Behandlungsmöglichkeit empfohlen
Mangelnde Verfügbarkeit, Situation an Schadensstelle, Begleitverletzungen des Patienten führen zu einer 6 – Stundenregelung
Entscheidend für eine HBO-Behandlung ist der positive Effekt der
HBO-Behandlung hinsichtlich der neurologischen Folgeschäden
( 3 von 5 Studien ).
Indikationen für die HBO :
- Synkope
- Koma ( GCS ≤ 9 )
- Krampfanfall
- Zerebelläre Symptome
- COHb > 25%
Bei COHb < 10% liegt die Ursachen einer neurologischen Störung nicht in einer
Rauchgasinhalation, sondern hat andere Ursachen ( Trauma, Ethanol, Medikamente ).
Diskussion
Selbst beim Modellwohnungsbrand ist es schwierig vorherzusagen, welches Gas in welcher
Konzentration entsteht. Die Gasentwicklung ist nicht nur abhängig von den vorliegenden
Materialien sondern auch von den sich entwickelnden Temperaturen und der Dauer bis zur
Brandlöschung.
Sicher ist eine Beteiligung von CO und HCN neben CO2, SO2, Nox, HCl und Aldehyden.
Die Kombination von CO und HCN erhöht die Toxizität. Daher können bei schweren
klinischen Vergiftungszeichen eine möglicherweise geringe Konzentration der Einzelgase im
Blut vorliegen.
Eine CO-Beteiligung am Vergiftungsgeschehen ist unzweifelhaft, die Beurteilung des HCNAnteils an der Gesamttoxizität jedoch oft schwierig. Selten werden in der Klinik relevante
Zyanidspiegel im Blut gemessen. Daher wäre eine präklinische Asservierung von Blut vor
einer Behandlung sinnvoll.
 Bei Rauchgasexposition muss immer eine CO-Vergiftung angenommen
werden
 Eine relevante HCN-Vergiftung ist deutlich seltener
 Es gibt keinerlei Möglichkeit eine relevante HCN-Beteiligung an der
Vergiftung zu erkennen
 Bei entsprechender Klinik soll unter der Annahme einer HCN-Begleitintoxikation neben der O2-Therapie eine Hydroxocobalamingabe
erfolgen
 HBO-Empfehlung s.o.; trotz positiver Studien ist bei Zusammenfassen
aller Studien kein eindeutiger Unterschied im Outcome im Vergleich zur
reinen O2-Therapie zu erkennen
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Zusammenfassung
-
-
-
Behandlung der Rauchgasintoxikation besteht aus den üblichen
Basismaßnahmen
FiO2 1,0
gezielte Antidottherapie bei Patienten mit GCS ≤ 9
innerhalb von 6 Stunden HBO-Therapie
Patienten mit GCS 10-13 oder nach Synkope sollten ebenfalls eine
HBO-Therapie erhalten, wenn sie eine Kleinhirnsymptomatik oder
ein COHb > 25% aufweisen
Patienten mit Bronchospasmus müssen einer Krankenhausbehandlung zugeführt werden; dort Weiterbehandlung, bis Spastik
beseitigt ist.
β2-Rezeptor-Agonisten als Therapie gegen Bronchospastik, jedoch
keine Glukocorticoide
Bewusstseinsklare Patienten ohne pulmonale Symptome benötigen
keine stationäre Behandlung.
Niederberger 07/2010
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