Rückbildung nach der Geburt

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Rückbildung nach der Geburt
Warum Beckenbodentraining so wichtig ist
Von Lisa Fehrenbach
Im Laufe der Schwangerschaft dehnt sich der Körper aus.
Die Schwangerschaftshormone machen es möglich, dass alle Gewebe im Körper
weicher werden und dem wachsenden Kindchen Raum geben. Manchmal führt dieser
Prozess zu beschwerlichen Erfahrungen in der Schwangerschaft. Die Dehnung der
Mutterbänder kann schmerzhaft sein, das Weicher werden der Knorpelverbindungen im
Becken kann zu Bewegungseinschränkungen führen und Wassereinlagerungen in den
Armen und in den Beinen machen Bewegungen gelegentlich schmerzhaft oder führen
zu größeren Beeinträchtigungen, wie Taubheitsgefühlen in den Händen oder
Schmerzen in den Unterarmen. Oft jedoch verläuft dieser Prozess der Ausdehnung so,
dass er kaum bleibende Spuren hinterlässt und dass sich nach der Geburt alles wieder
gut zurückbildet.
In den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt wundern sich Frauen oft, dass der
Bauch noch so gross aussieht. Sobald sie aufstehen, scheint es so, als wäre quasi noch
ein Kind im Bauch. Aber so schnell reagiert der Körper einfach nicht. Immerhin hat er
neun Monate gebraucht um seinen endgültigen Umfang zu erreichen und soviel Zeit
sollte man sich einräumen, damit er sich wieder regenerieren und zurückbilden kann.
In den Wochen und Monaten nach der Geburt bildet sich die Gebärmutter wieder
zurück, die Bauchmuskelfasern werden wieder kürzer und alle Gewebe im Körper
festigen sich. Das geschieht dadurch, dass im Körper nach der Geburt des Babys und
der Plazenta keine Schwangerschaftshormone mehr gebildet werden. Viele Frauen
merken, dass sie jetzt nicht mehr so fit sind wie früher. An diesem Punkt setzt
Rückbildungsgymnastik an. Gezielte Übungen trainieren alle die Muskelpartien, die in
der Schwangerschaft besonders nachgeben mussten, wie Beckenmuskeln,
Beckenboden und Bauch. Außerdem werden alle die Muskeln gestärkt, die im
Zusammenleben mit dem Baby besonders beansprucht werden, wie Schultern, Rücken
und Arme. Das Wichtigste ist aber das gezielte Training der Beckenbodenmuskulatur.
Das ist das zentrale Thema jeder Rückbildungsgymnastik und unterscheidet den
Rückbildungskurs von jedem anderen Fitnesstraining, denn ein kräftiger und
beweglicher Beckenboden unterstützt die gesamte Rückenmuskulatur, die Organe im
Bauch, die Schultern und Arme und: last but not least sind die Beckenbodenmuskeln
wichtig für ein aktives und lustvolles Liebesleben. Also: Beckenbodentraining ist für alle
Menschen wichtig!
Nach der Geburt gibt es die Möglichkeit, an einem Rückbildungsgymnastikkurs bei
einer Hebamme teilzunehmen. 10 Stunden Rückbildungsgymnastik werden von den
gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Wenn Sie privat versichert sind, lohnt sich eine
Rückfrage bei Ihrem Versicherungsträger, ob der Kurs bezahlt wird. Der Kurs sollte
innerhalb der ersten vier Monate nach der Geburt Ihres Kindes begonnen werden und
bis neun Monate nach der Geburt abgeschlossen sein. Das empfehlen die Richtlinien
der Krankenkassen, aber für ein gezieltes Beckenbodentraining ist es nie zu spät. Das
heisst, auch wenn die Geburt Ihres Kindes schon länger zurückliegt und Sie spüren,
dass Ihr Beckenboden nicht so kräftig ist, wie er sein sollte, ist Rückbildungsgymnastik
das Richtige für Sie. Denn Rückbildungsgymnastik ist der einzige Sport, bei der die
Stärkung der Beckenbodenmuskulatur im Mittelpunkt steht.
Vielleicht leiden Sie unter einem der folgenden Symptome:
 Sie müssen sehr häufig zur Toilette
 Sie verlieren beim Husten, Niesen, Heben oder Hüpfen Urin
 Sie haben Schmerzen im Unterbauch oder im unteren Rücken
 Sie haben Schmerzen in den Schultern und im Nacken
 Sie können beim Wasserlassen den Urinstrahl nicht unterbrechen
 Sie finden Sex langweilig
 Es fällt Ihnen schwer, den Beckenboden zu spüren und zu bewegen
 Sie fühlen sich schlapp und ohne Elan
Warum Beckenbodentraining
Eine repräsentative Umfrage in 347 Arztpraxen mit über 6600 Befragten erbrachte
erschreckende Ergebnisse. 27% der über 50jährigen und 73% der über 80jährigen
leiden an Harninkontinenz. Ein Trost: Auch Männer sind mit zunehmendem Alter
betroffen. Aber Frauen trifft es früher, einfach weil die weiblichen Beckenknochen
weiter auseinander liegen. Deshalb können Frauen Kinder gebären, aber der
Beckenboden muss auch mehr Gewicht und mehr Belastung aushalten. Selbst bei
Frauen, die nie schwanger waren lässt die Kraft des Beckenbodens im Laufe der Jahre
nach. Spätestens, wenn mit den Wechseljahren die Östrogenproduktion nachlässt,
werden Symptome eines untrainierten Beckenbodens spürbar. Durch den veränderten
Hormonhaushalt werden alle Gewebe im Körper ein wenig dünner und plötzlich drückt
die Blase nach unten oder die Gebärmutter gibt nach und belastet die
Beckenbodenmuskulatur. Glücklicherweise arbeiten die Beckenbodenmuskeln so wie
alle Muskeln im Körper: Übung kräftigt sie. In mehreren Studien wurde inzwischen
nachgewiesen: Mit gezielter Beckenbodengymnastik können Sie die
Beckenbodenmuskeln aktivieren und Symptomen wie Harn- oder Stuhlinkontinenz und
Senkungsbeschwerden entgegenwirken.
Aber bitte nicht in der Schwangerschaft!
Für die Geburt ist es wichtig, dass der Beckenboden sehr entspannt und möglichst
wenig muskulös ist. Selbst wenn Sie in der Schwangerschaft unter Harninkontinenz
leiden, nehmen Sie es als "Heimvorteil" wahr. Diese untrainierten Muskeln werden das
Baby ganz leicht hinausgleiten lassen. Versuchen Sie lediglich, den Beckenboden zu
entlasten. Dazu gehört, dass Sie möglichst nicht schwer heben, dass Sie konsequent in
die Hocke gehen, anstatt sich zu bücken und das Sie Ihre Verdauung in Schwung
bringen. Dafür ist es nützlich viel zu trinken, d.h. 3-4 Liter pro Tag, ballaststoffreiche
Nahrung zu essen, mit viel frischem Gemüse, Vollkornprodukten und Obst und sich viel
zu bewegen. Nach der Geburt, sobald alles verheilt ist, können Sie mit einem gezielten
Beckenbodentraining beginnen.
So sieht der Beckenboden aus
Der Beckenboden besteht hauptsächlich aus zwei Muskelschichten, die an den inneren
Beckenrändern ansetzen.
Eine Schicht verläuft quer durch das Becken, von Schambeinast zu Schambeinast, von
Sitzbeinknochen zu Sitzbeinknochen.
Die zweite, tiefer im Becken verankerte Schicht, setzt am Steissbein an und spannt
sich bis nach vorn zu den Schambeinästen in drei Muskelsträngen auf jeder Seite der
Schließmuskeln.
© Lisa Fehrenbach
Finden Sie die richtigen Muskeln
 Erpüren Sie selbst die Bewegung Ihres Beckenbodens, indem Sie einen Finger in
die Scheide stecken. Wenn Sie die Beckenbodenmuskeln bewegen, können Sie
spüren, wie der Finger umschlossen wird.
 Beim Sex: bitten Sie Ihren Partner Ihnen zu sagen, ob er die Bewegung Ihres
Beckenbodens spürt.
 Versuchen Sie, beim Wasserlassen den Urinstrahl zu stoppen. (Achtung, das ist
nur als Versuch geeignet und sollte nicht als Trainingsmethode eingesetzt
werden, es tut dem Beckenboden nicht gut, wenn man ihn in seinen natürlichen
Funktionen "stört". )
 Fragen Sie Ihre Gynäkologin, ob Sie die richtigen Muskeln betätigen.
Richtig trainieren
 Suchen Sie sich einen ruhigen Platz zum Üben, so dass Sie sich gut konzentrieren
können. Erst wenn Sie fit sind, können Sie tun, was in vielen Büchern
empfohlen wird: Den Beckenboden beim Warten im Supermarkt, an der roten
Ampel oder in der Post trainieren.
 Lassen Sie alle anderen Muskeln entspannt. Wenn Sie den Beckenboden
trainieren, achten Sie darauf, dass Bauch, Po und Oberschenkel ganz weich und
entspannt bleiben.
 Atmen Sie weiter, wenn Ihnen das schwer fällt, summen Sie.
 Üben Sie drei Mal täglich in verschiedenen Positionen. Beginnen Sie im Liegen,
wenn das gut geht, versuchen Sie den Beckenboden zu bewegen, wenn Sie auf
einem Stuhl sitzen und wenn Ihnen das mühelos gelingt veruchen Sie zu stehen
und schließlich, für Fortgeschrittene, gehen Sie ein oder zwei Schritte mit
angespanntem Beckenboden.
 Bleiben Sie geduldig, geben Sie nicht auf. Es dauert eine Weile, bis Sie einen
deutlichen Erfolg wahrnehmen.
 Suchen Sie sich fachliche Anleitung und die Unterstützung einer Gruppe.
Wenn Sie das Gefühl haben, das das nicht ausreicht, kann Ihnen Ihre Gynäkologin
zusätzlich Krankengymnastik für den Beckenboden verschreiben. Aber nichts ersetzt
Ihren persönlichen Einsatz: Nehmen Sie sich drei Mal täglich fünf Minuten Zeit zum
Üben.
Übungen
 Den Beckenboden so oft und so fest wie möglich zusammenziehen und wieder
loslassen. Zählen Sie mit. Wenn die Muskeln müde werden, machen Sie eine
Pause. Steigern Sie die Anzahl der Bewegungen täglich. Ziel: Den Beckenboden
300 Mal hintereinander zusammenziehen und wieder lockerlassen.
 Die Muskeln langsam zusammenziehen, festhalten, langsam bis fünf zählen,
langsam wieder loslassen, entspannen.
Die Muskeln langsam und kontrolliert zu entspannen ist anfangs oft schwer. Beginnen
Sie im Liegen, so dass der Bauch sehr entspannt ist. Hilfreich ist eine entspannende
Bauchmassage mit einem wohlriechenden Öl.
Wenn Sie den Beckenboden auf diese Weise trainieren, fühlen Sie sich vielleicht sexuell
stimuliert. Das ist ganz normal und Sie können diese Gefühle zu Ihrem eigenen und
zum Vergnügen Ihres Partners nutzen.
Wann ist der Beckenboden wieder fit?
Wenn Sie nicht unwillkürlich Urin oder Stuhl verlieren, wenn Sie auch mit voller Blase
hüpfen können, dann können Sie Ihren gewohnten Sport wieder aufnehmen. Jetzt
können Sie Joggen, Reiten, Tennis spielen, mit Gewichten trainieren und Step Aerobic
treiben, ihr Beckenboden kann jetzt alle Belastungen abfedern. Wenn Ihr Beckenboden
noch nicht so kräftig ist, beschränken Sie sich auf Sportarten, die den Beckenboden
schonen, wie Schwimmen und Radfahren.
Beckenbodentraining ist nicht schwer.
Im Gegenteil, es hilft Ihnen, Ihren Körper besser kennenzulernen und fit und aktiv zu
bleiben.
Mein Beckenboden -Trainings - Protokoll
Wie oft habe ich meinen Beckenboden bewegt:
Datum
Morgens
Tagsüber
Abends
Summe
Liegend Sitzend Stehend Liegend Sitzend Stehend Liegend Sitzend Stehend
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
© Lisa Fehrenbach 2003
Die Autorin:
Lisa Fehrenbach ist Hebamme in Berlin.
Bekannt ist sie u.a. auch als Autorin des Ratgebers "Die Geburt",
erschienen bei Ravensburger, ISBN 3-332-01129-4 sowie des
Videos "LocEmotion - Rückbildungsgymnastik für Frauen nach der Geburt und später",
Selbstverlag, ISBN 3-00-006694-2
Webseiten: www.nachdergeburt.de und www.locemotion.de
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