Alle lernen Deutsch:

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Alle lernen Deutsch:
Zuwanderer besser integrieren
Erprobungsphase
des Gesamtsprachkonzeptes des Bundes in Duisburg
Förderungsgeber: Sprachverband Deutsch e.V., Mainz
Endbericht
Träger-Netz „Deutsch lernen in Duisburg“
Evangelisches Familienbildungswerk, Familienbildungswerk AWO,
Katholische Familienbildungsstätte Hamborn,
Schulungsgesellschaft für Sprachförderung mbH, Volkshochschule
Stadt Duisburg
Volkshochschule sowie Koordinierungsgruppe
der Stabsstelle für Zuwanderung und Integration
in Verbindung mit „Deutsch lernen in Duisburg: Netz der Kurs-Träger“
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Seite
1. Projektgenese
3
2. Erprobung in Duisburg
4
3. Neuzuwanderer in Duisburg
a) Zahlen
5
b) Erstberatung
7
c) Konzept der Beratung
7
d) Ergebnisse der Erstberatung
8
e) Analyse der Neuzuwanderer
9
4. Organisation und Durchführung
a) Feststellen des Aufenthaltsstatus
11
b) Scheckheftverfahren
11
c) Versorgung mit Kursen
12
d) Schwierigkeiten im Detail
13
5. Aktivitäten des Träger-Netzes
a) Kurse
16
b) Lehrwerk
17
c) Kursleiterfortbildung
18
d) Tests
19
6. Teilnehmer in Kursen: Einsteigen, umsteigen, aussteigen
a) Aufenthaltsdauer, Status und Kursteilnahme
22
b) Kapazitätsberechnung für Neuzuwanderer und ‚nachholende Integration‘
c) Andere Zielgruppen
24
d) Ausstieg aus Kursen und Wechsel
25
7. Zukunftsaufgaben der kommunalen Ausländerbehörde
27
8. Sozialpädagogische Begleitung
a) Erfahrungen eines Trägers (SFS)
30
b) Verschiedene Konzeptionen
31
Impressum
33
2
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
1. Projektgenese
Im Hinblick auf das für Januar 2003 zu erwartende Zuwanderungsgesetz plante der
Bund in Verbindung mit den Ländern ein neues System der Förderung von
Deutschkursen. Erstmalig sind darin die bisher getrennt geförderten Zielgruppen in
einem Gesamtsprachkonzept für Zuwanderinnen und Zuwanderer zusammengeführt.
Die von der Zuwanderungskommission angeregte Neuregelung betrifft sowohl die
finanzielle als auch die inhaltliche Konzeption der Sprachförderung für Zuwanderer.
Zielgruppe des neuen Sprachförderkonzeptes sind gleichberechtigt alle Zuwanderer
(Aussiedler und Ausländer) mit auf Dauer angelegtem Aufenthaltsstatus. Die inhaltliche
Zielsetzung des vom Bund geförderten Deutschunterrichtes in der Erprobungsphase
des Gesamtsprachkonzepts sind die Prüfungen entsprechend der Niveaustufen nach
dem europäischen Referenzrahmen A1; A2, B1 (Zertifikat Deutsch).
Um die damit verbundene Neuregelung bzw. Umstrukturierung der Sprachförderung in
die Praxis umzusetzen und zu erproben, führte der Bund in Kooperation mit dem
Sprachverband Deutsch e.V. im Zeitraum von Februar 2002 bis Dezember 2002 in
8 Modellregionen Deutschlands, u.a. in Duisburg, die Erprobungsphase des
Gesamtsprachkonzeptes durch. Der Sprachverband gewährleistete durch seine
langjährige Erfahrung mit der Zielgruppe Ausländer aus den ehemaligen
Anwerbeländern sowohl organisatorisches als auch pädagogisches und
sprachbezogenes Wissen einbringen zu können.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
2. Erprobung in Duisburg
In Duisburg gab es zwei lokale Anküpfungspunkte für die Erprobung:
-
Das Träger-Netz „Deutsch lernen in Duisburg“, hervorgegangen aus der
„Sprachkonferenz Deutsch für Migranten“, in dem sich alle Duisburger Deutsch–
Kursträger, die mit öffentlichen Mitteln arbeiten, zusammengeschlossen haben
und
-
ein Projekt „Migration und Deutsch“, in dem erste Ansätze einer frühen Erfassung
und Beratung von Neuzuwanderern erarbeitet wurden (siehe Abschlussbericht unter
www.vhs-duisburg.de Stichwort „unsere Projekte“).
Träger des Erprobungsprojektes war die Stadt und zwar die Volkshochschule,
Fachbereiche Deutsch als Fremd- und Zweitsprache/Alphabetisierung und
interkulturelle Bildung/Internationales Zentrum. Der Leiter des letztgenannten
Fachbereichs sorgte mit seiner Funktion in der Koordinierungsgruppe der Stabstelle für
Zuwanderung und Integration im Dezernat für Migration, Sicherheit und Recht des
Stadtdirektors für die enge Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungsstellen und
moderierte das Netz der Deutschkursträger.
Für die Projektarbeiten im engeren Sinn wurden zwei wissenschaftliche
Mitarbeiterinnen und eine halben Verwaltungskraft beschäftigt.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
3. Neuzuwanderer in Duisburg
a) Zahlen
Duisburg hat bei einer Einwohnerzahl von 523.000 mit ca. 84.000 ausländischen
Staatsangehörigen einen Ausländeranteil von 16 %. Seit 1996 wurden insgesamt rund
17.000 Ausländer eingebürgert. Sie zählen nicht mehr als Ausländer.
Die größte Gruppe der Zuwanderer mit gesichertem Aufenthalt bilden die sogenannten
Heiratsmigranten. Ihre Zahl betrug in Duisburg in den Jahren von 1996 bis 2002 im
Durchschnitt etwa 730 jährlich. Demnach lag der Anteil der jährlichen Heiratsmigration
regelmäßig bei rund 0,9 % der Ausländer. Die Gruppe der deutschstämmigen
Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentzuwanderer umfasste im Jahr 2002
zusammen rund 220 Personen.
Im Einzelnen ergeben sich für die vergangenen Jahre nach Daten des Duisburger
Ordnungsamtes folgende Zahlen *1 für die Heiratsmigranten:
Heiratsmigranten ohne EU-Bürger
1996
828
1997
798
1998
652
1999
630
2000
1042
2001
592
2002
569
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Im Jahr 2002 betrug die Zahl der neu zugewanderten EU-Bürger 22 (4%).
Davon nutzten 14 Personen (63%) die Erstberatung in den Bezirksämtern und
entschieden sich für ein Sprachkursangebot des Trägernetzes.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Zahl der Zuwanderer Jahr für Jahr
deutlichen Schwankungen unterliegt. Eine feste Kapazitätsgröße für Neuzuwanderer ist
nicht verlässlich planbar. Nach den Werten des Jahres 2002 benötigte Duisburg in
diesem Jahr rund 600 Plätze für Neuzuwanderer (ohne deutschstämmige Aussiedler
und Kontingentzuwanderer). Der sprunghafte Anstieg von Heiratsmigranten im Jahre
2000 zeigt allerdings, dass diese Zahl nur eine mögliche Größe sein kann.
Insgesamt belegen die Zahlen im Folgenden, dass es der Erstberatung des Projekts in
Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde gelungen ist, die meisten der
Neuzugewanderten tatsächlich zu beraten. Auch die Vermittlungsquote in Kurse des
Trägernetzes liegt sehr hoch, wie die folgenden Ausführungen zeigen.
*1
Aus dem ‚Duisburger Ausländerverfahren‘, einem Großrechnerprogramm das ungefähr die Hälfte der
NRW-Städte und Kreise nutzt, wird die Zahl der Neuzuwanderer mit gesichertem Aufenthaltsstatus
ermittelt.
Die Auswertung wird zum Ende eines Quartals erstellt und berechnet die Zahl der erstmalig zugezogenen
verheirateten Ausländerinnen und Ausländer des vorletzten Quartals, die nun eine normale
Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Dies ist dann die angenommene Zahl der neuzuwandernden
Heiratsmigranten des vorletzten Quartals.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
b) Erstberatung
Neuzuwanderer aus dem Ausland müssen sich nach dem Zuzug bei der Meldebehörde
anmelden und bei der Ausländerbehörde vor dem Ablauf des Einreisevisums die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen. Diese beiden Vorgänge werden in
Duisburg in drei Bezirksämtern von Ausländerbehörden erledigt, die jeweils für einen
Teil des Stadtgebiets zuständig sind.
Neuzuwanderer bekommen dort einen Termin zur Bearbeitung ihrer Angelegenheiten.
Die Termine wurden im Rahmen des Projekts so gelegt, dass fast alle Neuen pro Bezirk
an einem halben Tag wöchentlich einen Termin erhielten. Zeitgleich war auch die
mehrsprachige Bildungsberaterin anwesend. In einem Büro direkt bei der
Ausländerbehörde
beriet sie vor oder nach der Erledigung der behördlichen Angelegenheiten. Die
Mitarbeiter der Behörde schickten die Ausländer dorthin und hielten in vielen Fällen
auch nach, ob sie tatsächlich die Beratung in Anspruch nahmen.
c) Konzept der Beratung
Ziel war es, neu zugereiste Migranten, insbesondere Heiratsmigranten, sofort nach der
Einreise unter Einbezug ihrer bisherigen schulischen und beruflichen Laufbahn und
somit entsprechend ihren individuellen Qualifikationen motivierend, wegweisend und
handlungsorientiert zu beraten.
Diese Beratung erfolgte in der Regel in der Herkunftssprache, um durch das direkte
Gespräch mit dem Neuzuwanderer die motivierende Wirkung zu erhöhen.
Die Beratung geschah in folgenden Schritten:
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg

Feststellen der persönlichen Bildungsvoraussetzungen.

Wecken der Motivation zum Erlernen der deutschen Sprache.

Feststellen der Deutschkenntnisse.

Zeitnah in einen Deutsch-Kurs des Trägernetzes vermitteln.
Die Beratung erfolgte trägerneutral. Die Kenntnisse über den Deutsch- und
Bildungsbedarf der Neuzuwanderer flossen in die aktuellen Planungen der Kursträger
ein. Hierfür seien zwei Beispiele genannt: Im Stadtteil Bruckhausen wurde kurzfristig
nach Auftreten des Bedarfs bei der Erstberatung ein Kurs zur Alphabetisierung
türkischer Frauen eingerichtet. Gleichermaßen reagierte ein anderer Kursträger auf den
Bedarf, in den Sommerwochen einen Intensivkurs für Null-Anfänger einzurichten. Er
begann Ende Mai.
d) Ergebnisse der Erstberatung
In dem Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 nahmen 449 Personen die
Erstberatung für Neuzuwanderer im Rahmen der Erprobungsphase in den
Bezirksämtern (Ausländerbehörden) der Stadt Duisburg wahr.
270 Personen (60%) davon waren türkischer Herkunft.
381 Neuzugewanderte (85%), die diese Deutsch- und Bildungsberatung nutzten, haben
sich für die Teilnahme an einem Sprachkurs bei der Volkshochschule, der
Familienbildungsstätte der AWO, der KFS, dem EBW oder der SfS (siehe
Trägernetzwerk) angemeldet.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
e) Analyse der Neuzuwanderer
449 Beratene im Zeitraum 01.01. – 31.12.2002 nach Nationalitäten
Nationalitäten
Personen
in Prozent
Türkisch
270
60%
Russisch
29
6,5%
Marokkanisch
18
4%
Mazedonisch
13
3%
Polnisch
10
2%
Thailändisch
8
1,8%
Albanisch
7
1,5%
Ukrainisch
3
0,7%
Andere
91
20,5%
Summe
449
100%
258 (58%) der Erstberatenen im o.g. Zeitraum waren Frauen und 191 (42%)
Männer.
Nach Altersgruppen differenziert ergibt sich folgendes Bild:
16 – 20 Jährige
21 - 30 Jährige
31 – 40 Jährige
älter als 40 Jahre
112
235
62
40
25 %
52 %
14 %
9%
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Die Bildungs- und Berufsabschlüsse der beratenen Neuzuwanderer, die als
Eingangsschlüssel in die hiesige Arbeitswelt bzw. als Voraussetzung für berufliche
Weiterbildung zu sehen sind, ergeben folgende Relationen bei der Bezugsgröße von
449:
Analphabeten*
Ohne Abschluss
Grundschule
Hauptschule
Gymnasium
Fachschule
13*
91
135
165
45
3%
20 %
30 %
37 %
10 %
* Über diese Zahl hinaus waren weitere 19 Neuzuwanderer (4 %) in speziellen Kursen in der lateinischen
Schrift zu alphabetisieren: sie stammen aus einer Kultur mit anderer Schrift, z.B. Thai, Tamilisch,
Arabisch und haben unsere Schrift nicht in der Schule gelernt.
141 Personen (31%) haben einen Handwerksberuf erlernt, 73 Personen (16%) verfügen
über einen qualifizierten Beruf im Büro-, Dienstleistungs- oder Verwaltungsbereich, 74
Personen (17%) sind Akademiker, 27 Personen (6%) sind angelernte Arbeiter und 134
Personen (30%) sind ohne berufliche Qualifikation oder Erfahrung.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
4. Organisation und Durchführung
a) Feststellen des Aufenthaltsstatus
Im Rahmen des Projektes wurden bei allen 5 Duisburger Sprachkursträgern im
Frühjahr 2002 bei allen dort angemeldeten Teilnehmern in Deutschkursen sogenannte
Statusprüfungen durchgeführt. Während der Erprobungsphase war der
Sprachkursträger, bei dem der Migrant sich entschieden hatte zu lernen, diejenige
Instanz, die berechtigt war, seinen Status und somit die Förderfähigkeit zu überprüfen.
So wurden im Frühjahr 2002 in über 60 Duisburger Kursen mit ca.1300 Teilnehmenden
Berechtigungsprüfungen durchgeführt. Es handelte sich um Kurse mit dem Ziel A1 bis
B1, sowie um Alphabetisierungskurse und um Frauenkurse in den Stadtteilen.
b) Scheckheftverfahren
In Duisburg wurden die notwendigen Arbeiten des neuen Verfahrens zunächst in
folgender Reihenfolge abgewickelt:
-
Einrichtungsinterne mündliche Einstufung / Kursbeginn.
-
Berechtigungsprüfung mit Test.
-
Zusendung der Papiere an den Sprachverband.
-
Scheckheft beim Sprachverband fertigen.
-
Heft im Paket mit anderen Heften an Träger.
-
Träger händigt das Heft an Berechtigten aus, entnimmt Scheck.
-
Träger reicht Scheck ein.
-
Scheckhefte von Kursabbrechern werden an Berechtigte gesandt.
-
Rücklaufende Hefte, die nicht zugeteilt werden konnten, zurück an SPV.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Dieses Verfahren war zwar praktikabel, verursachte jedoch einen enormen
Verwaltungsaufwand.
Mit der Aushändigung des Scheckheftes standen jedem Zuwanderer 600 Stunden
Deutschunterricht (jungen Menschen unter 27 Jahren 900 Stunden) zu, außerdem die
möglicherweise dafür notwendige Kinderbetreuung und ein kostenloser Test im Bereich
A1 bis B1. Die Schecks für den Unterricht sind aufgeteilt in Module zu je100
Unterrichtsstunden.
Insgesamt verliefen die Überprüfungen der einzelnen Teilnehmenden arbeitsintensiv
aber verhältnismäßig unproblematisch. Die Beschreibung der vielfältigen Dokumente
sowie die kooperative Zusammenarbeit mit dem hiesigen Ausländeramt bei
Unsicherheiten und Fragen erleichterten diese Arbeit sehr. Die vom Sprachverband
vorgegebenen Formulare zur Berechtigungsprüfung waren einfach zu handhaben.
c) Versorgung mit Kursen
Die Integrationsbemühungen der Neuzuwanderer aufzugreifen und ihr Interesse am
Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen, gelingt erfahrungsgemäß dann am
besten, wenn Ermutigung und Motivation einher gehen mit einem optimal auf den
Neuzuwanderer zugeschnittenen Lernangebot. Diese Erfahrung kann im Rahmen des
Modellprojektes nun mit Zahlen belegt werden: Konnten im Berichtszeitraum bis 31.7.02
noch über 90 % der Neuzuwanderer in Kurse des Duisburger Träger-Netzes vermittelt
werden, so waren es in den drei Monaten danach nur noch 73 %.
Der Grund für diesen Rückgang: Durch den Stopp bei der Ausgabe weiterer
Scheckhefte nach dem ersten Halbjahr 2002 konnten die Duisburger Träger deutlich
weniger Kurse für Neuzuwanderer einrichten, die nach den Sommerferien eingereist
waren. Eine wesentliche Zielgruppe innerhalb des Duisburger Projektes war damit
entfallen.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Die vom Sprachverband (SV) später bewilligten Kurse nach alter Förderart halfen kaum:
Die Zeit der Kurse nur für Teilnehmende aus den ehemaligen Anwerbeländern ist
vorbei. Alle Träger berichteten bei ihren Teilnehmenden von einer erfreulichen
Mischung der Herkunftssprachen und Nationalitäten. Hier das Rad zurückzudrehen
wäre kontraproduktiv.
d) Schwierigkeiten im Detail
Darüber hinaus traten andere Schwierigkeiten auf:

Die vom Sprachverband angekündigte Regelung, ungültige Scheckhefte oder
Scheckkontingente von Kursabbrechern für neue Teilnehmer zu verwenden,
wurde nicht realisiert. Dadurch kam es in der zweiten Jahreshälfte zu der
absurden Situation, dass in den Kursen zwar viele Teilnehmer waren, aber zu
wenig, um eine Kostendeckung für die Kurse zu erreichen.
Der Sprachverband hatte für alle Kurse und Teilnehmenden zunächst eine Laufzeit
berechnet, die von einer Teilnahme an Vollzeitkursen ohne Ferien ausging Diese
Berechnungen stimmten in der Vielzahl nicht mit den tatsächlichen Kursdaten überein,
da die weit überwiegende Zahl der Teilnehmenden an Teilzeitkursen mit
Unterbrechungen durch Ferienzeiten, Ramadan etc. teilnahm . Ohne vorherige
Rücksprache mit den Trägern wurden Scheckhefte gesperrt, obwohl die Teilnehmer
noch in laufenden Kursen saßen.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Es kommt in der Praxis vor, dass Teilnehmer ihren Kurs wechseln und somit, - je nach
gebuchtem Kurs – die Anzahl der Wochenstunden verändern. Sie tauschen unter
Umständen einen Intensivkurs mit einem Teilzeitkurs und umgekehrt. Auch Wechsel
von Vormittagskursen in Abendkurse bringen eine Veränderung der Stundenzahl mit
sich. Dies verursachte abrechnungstechnische Probleme, da die Trägerdaten und die
Daten des Sprachverbandes dann nicht mehr übereinstimmten.

Es wurden im Verlauf des zweiten Halbjahres allein der VHS, dem größten
Träger des Duisburger Verbundes 230 Scheckhefte gesperrt, ohne die Träger
vorab zu informieren. Teilweise betraf dies Teilnehmer, deren Folgekurse
aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen nicht zustande kamen und die auf einen
adäquaten Nachfolgekurs warten mussten. Nun sind diese Kontingente verloren.
Den Teilnehmern ist dies nur schwer zu vermitteln, da sie keine Chance auf eine
Fortsetzung hatten.

Familiensituationen verändern sich im Laufe eines Jahres. Der Bedarf an
Kinderbetreuung kann sich ändern, z.B. durch den Wegfall einer privat
organisierten Kinderbetreuung, Kinder werden geboren, die Kurszeiten ändern
sich. Um hier Probleme zu verhindern, wäre eine flexiblere Handhabung
wünschenswert.
Daraus leiten sich folgende Vorschläge ab:
-
Der Förderungsgeber finanziert künftig Teilnehmende in einem modularen System,
das Kurse mit unterschiedlichen Wochenstundenzahlen bereithält. Diese
berücksichtigen die Lebenslagen der Teilnahmeberechtigten. Längere
systembedingte Unterbrechungen, z.B. 3 Monate unterrichtsfreie Zeit zwischen dem
Ende des Frühjahrs- und dem Beginn des Herbstsemesters sollten vermieden
werden.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
-
Der Förderungsgeber pflegt mit den Trägern einen schnellen Datenaustausch über
den Kurswechsel bzw. Kursunterbrechungen von Teilnehmenden durch geänderte
Lebenslagen (Arbeitsaufnahme, Krankheit, Schwangerschaft, familiäre
Angelegenheiten.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Duisburg trotz der Schwierigkeiten im
Detail in jedem Fall der Einzelförderung den Vorzug gibt vor der traditionellen
kursbezogenen Förderung. Die teilnehmerbezogene Finanzierung ist besser
kombinierbar mit den Subventionen anderer Zielgruppen des Deutsch-Unterrichts
(Arbeitsamt, Weiterbildungsgesetz, Sozialamt). Dieses bringt eine vielfältigere
Zusammensetzung der Teilnehmerschaft nach Nationalitäten mit sich, die wiederum die
Kommunikation auf Deutsch zwischen den Teilnehmenden begünstigt. Außerdem sorgt
eine Mischfinanzierung für ein höheres Teilnehmeraufkommen. Damit kann prinzipiell
ein differenzierteres Kurssystem realisiert werden. Personenbezogene Förderung
schafft auch eher die Voraussetzung für ein Nachhalten der Lernerfolge,
Unterbrechungen und noch vorhandener individueller Ansprücheals dies bei einer
kursbezogenen Finanzierung möglich wäre.
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Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
6. Aktivitäten des Träger-Netzes „Deutsch lernen in Duisburg“
Die für Deutsch-Kurse zuständigen Mitarbeitenden der Bildungsträger trafen sich alle 4
bis 6 Wochen, um die laufenden Angelegenheiten des Träger-Netzes insbesondere des
laufenden Projektes zu besprechen und Verabredungen zu treffen. Obwohl alle Träger
auch Konkurrenten waren, gab es eine vertrauensvolle, zielorientierte Grundstimmung.
Die ermöglichte allgemein akzeptierte Absprachen. Kein Anbieter fühlte sich „über den
Tisch gezogen“. Für die Neuzuwanderer konnte jederzeit ein optimales Lernangebot zur
Verfügung gestellt werden.
a) Kurse
Durch das Projekt zeigten sich besondere ‚Spezialitäten‘ der einzelnen Träger:
-
AWO-Familienbildung: Stadtteilkurse für Frauen hauptsächlich in Kindergärten und
Grundschulen.
-
Ev. Familienbildung: Stadtteilbezug in Bruckhausen.
-
Kath. Familienbildung Hamborn: Stadtteilverankerung in Hamborn.
-
SFS-Schulungsgesellschaft für Sprachförderung: Intensivkurse mit
sozialpädagogischer Begleitung.
-
Volkshochschule: Differenziertes regional gegliedertes System mit Intensiv- und
Teilzeitkursen und allen Prüfungsangeboten.
Mögliche Konkurrenzen in Bezug auf die Verteilung der Neuzuwanderer konnten
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Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
durch unterschiedliche Anfangstermine und regionale Verteilung der erforderlichen
Kurse vermieden werden. Es zeigte sich, dass beispielsweise die SFS kein Problem
hatte, auch in den Sommermonaten Kurse durchzuführen, eine Zeit, in der Räume in
Schulen nicht durchgängig zur Verfügung stehen können.
In engem Kontakt zur Erstberatung des Projektes bei der Ausländerbehörde, konnten
im ersten Halbjahr je nach Bedarf auch über das vorhandene bzw. geplante Angebot
hinaus Kurse insbesondere für Neuzuwanderer eingerichtet werden, so dass eine
bedarfsgerechte Versorgung sichergestellt war.
b) Lehrwerk
Die Träger des Netzes haben sich abgesprochen, das Lehrwerk „Tangram“ des
Hueber-Verlages zu benutzen. Das Lehrwerk bietet den Kursleitenden und den
Lernenden ein breites Spektrum an kreativen Übungsmöglichkeiten und fördert von
Anfang an eine rege Kommunikation. Die Lektionen sind so angelegt, dass genügend
Übungen zur inneren Differenzierung vorliegen. Die Anleitungen für Lehrende sind in
der Regel gut beschrieben.
Das Lehrwerk ist für die Teilnehmenden finanziell erschwinglich und alle Ausgaben bis
zur B1 Prüfung, dem Zertifikat Deutsch, liegen vor.
Mit Bedauern stellten jedoch Lehrende und Lernende fest, dass auch dieses Lehrwerk,
so wie viele andere, den Bezug unserer in Deutschland lebenden Teilnehmer zu ihrem
Alltagsleben vermissen lässt. Weder wird die aktuelle oder zukünftige Arbeitswelt eines
Teilnehmers (oftmals im niedrigeren Lohnsegment) unterrichtsrelevant berücksichtigt
noch findet das soziale Leben der aufnehmenden Gesellschaft ausreichend
Widerspiegelung in den Themen der zu behandelnden Lektionen
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Schnell merkte ein aufmerksamer Leser, dass auch dieses Lehrwerk sowohl in Peking
und Stockholm als auch in Duisburg-Bruckhausen verkauft und verwendet werden soll.
Für lernungewohnte Teilnehmende mit „Anlaufschwierigkeiten“ wurde ab September
2002 ergänzend zu Tangram das neu erschienene Lehrbuch „Erste Schritte“ (HueberVerlag) eingesetzt. Auch stand den Kursleitenden zur leichten Einführung der
Grammatik „Grammatik sehen“ (Hueber-Verlag) zur Verfügung.
Für Frauenkurse wurde zusätzlich „Kinderleicht – für Eltern“ (Hueber-Verlag) und die
Materialien „Mama lernt Deutsch“ des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten
(AMKA) in Frankfurt benutzt. Gelegentlich wurde auch auf das Lehrwerk „Wir lernen
Deutsch“ (Druck Verlag Kettler) zurück gegriffen.
Für die Berufsbezogenheit lag den Lehrern in den Stufenkursen ein Kompendium mit
Arbeitsblättern zum Thema „Arbeit“ vor. Das Kompendium wurde von Kursleitenden
erarbeitet und orientierte sich thematisch (noch) an „Themen neu“, kann aber auch auf
die einzelnen Lektionen von „Tangram“ übertragen werden. Zusätzlich beziehen viele
Kursleitende die Materialien „Arbeitssprache Deutsch“ (Dürr und Kessler) ein.
Aus der Projekterfahrung im Umgang mit „Tangram“ lässt sich die Notwendigkeit für ein
Lehrwerk für ausländische Teilnehmende im Inland ableiten. Ein Lehrwerk, das sinnvoll
und nachvollziehbar aufgebaut ist, das vielfältige, gut strukturierte Übungsmöglichkeiten
bietet und das motivierend gestaltet ist. Hierzu legen die Verlage gerade erste Beispiele
vor.
c) Kursleiterfortbildung
Im Frühjahrs- und Herbstsemester wurden insgesamt fünf Kursleiterfortbildungen
angeboten: In der ersten Fortbildung zum Thema „Tangram“ wurden frische
Erfahrungen mit dem Einsatz des Buches ausgewertet und auch bewertet. In
ausführlicher Diskussion wurden Vor- und Nachteile des Lehrwerkes für die jeweiligen
Zielgruppen verglichen, die Präferenzen der einzelnen Lehrer fokussiert. Konsens
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
bestand in der These, ein neu eingeführtes Lehrwerk als große Herausforderung zu
begreifen.
Die zweite Fortbildung zum Thema „In Frauenkursen unterrichten“ befasste sich mit den
spezifischen Lernvoraussetzungen und Lernanforderungen von Teilnehmerinnen mit
geringen Bildungsvoraussetzungen.
Im Herbstsemester fanden drei Kursleiterfortbildungen im Rahmen des Projektes statt:

Eine Fortbildung für neue Kursleitende bezogen auf das Lehrwerk „Tangram“

Ein Seminar zur Präsentation der neuen Testformate nach dem Europäischen
Referenzrahmen (A1, A2, B1) und deren curriculare Entsprechung in den
Stufenkursen des Trägernetzes

Eine Prüferschulung des Goethe Instituts zu den Prüfungen Start Deutsch z
A1 und A2 im Rahmen der Erprobungsphase
Alle Kursleiterfortbildungen wurden von den Kursleitenden des Trägernetzes gut
angenommen und hatten eine durchschnittliche Teilnehmerzahl von 20.
d) Erprobung und Durchführung der Testformate A1, A2 und B1
Im Jahr 2001 gab der Bund beim Goethe-Institut Inter Nationes und der WBT
(Weiterbildungs-Testsysteme GmbH) neu zu entwickelnde Sprachprüfungen für
Neuzuwanderer in Auftrag. Im Detail handelt es sich um folgende Komponenten:

Der Einstufungstest ermöglicht es, die Bewerber für einen Deutschkurs in
ihren Vorkenntnissen entsprechende Module und Stufen zu beraten.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg

Die Prüfungen Start Deutsch 1z und 2z stellen die Deutschkenntnisse gemäß
den einheitlichen Standards des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens auf den beiden ersten Stufen A1 und A2 fest.

Diesen neu entwickelten Testformaten folgt auf der nächsten Stufe die Prüfung
B1, das ‚Zertifikat Deutsch‘.
Modelltests
Die Volkshochschule hat im Auftrag der WBT und des Goethe-Instituts Inter Nationes
die erste Fassung der neuen Tests „Start Deutsch z A1“ und Start Deutsch z A2“
erprobt. 121 Teilnehmende in laufenden Kursen mit unterschiedlichen Sprachniveaus
und in Frauenkursen haben daran teilgenommen. Mit der Erprobung konnte die VHS
feststellen, ob die Teilnehmenden in einem Kurs saßen, der ihrem Deutschniveau
entsprach. Dies war weitgehend der Fall. Für die Testinstitute war der erste große
Einsatz eine gute Gelegenheit, Unstimmigkeiten und Unzulänglichkeiten benannt zu
bekommen.
Prüfungen
Am Ende der Erprobungsphase nahmen insgesamt 84 Teilnehmende des
Trägernetzes, die Scheckheftinhaber waren und mindestens 600 Stunden
Deutschkursförderung abgelegt hatten, an den Prüfungen Start A1z und A2z
(Prüfungssatz der Erprobungsfassung) sowie an der B1 Prüfung teil. Teilnehmende mit
höherer Sprachkompetenz lagen außerhalb der Förderung. Die Teilnehmenden der A1
und A2 Prüfungen hatten Intenvsivkurse besucht, der größte Teil der B1-Prüflinge
waren Teilnehmende an Teilzeitkursen.
Im Einzelnen liegen folgende Ergebnisse vor:
Prüfung
TN-Zahl
Bestanden
20
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Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
A1z
11
10
A2z
31
28
B1
42
34
Gesamt
84
72
Abschließend kann festgestellt werden, dass die Erfolgsquote, bzw. das erreichte
Prüfungsniveau der Teilnehmenden nach 600 Stunden Basisförderung mit den
Bildungsvoraussetzungen der Teilnehmenden, die im Herkunftsland erworben wurden,
korreliert.
So bestanden nach 600 Unterrichtsstunden in Vollzeitkursen 80 % (34 von 42) der
Teilnehmenden an der B1 Prüfung diese, die über eine Hochschulzulassung, ein
angefangenes Studium oder einen Studienabschluss in ihrem Herkunftsland verfügten.*
Daraus kann abgeleitet werden, dass nach 600 Stunden Basisförderung in Teilzeitoder Vollzeitkursen bei einem modularen Sprachkursangebot mit relativ gleicher
Kursqualität n i c h t die Mehrheit der Teilnehmenden in der Lage wäre, die
Sprachkompetenz der Stufe B1 zu erreichen.
Dieses sollte in einem zukünftigen Zuwanderungsgesetz bezüglich der Ziele zur
sprachlichen Integration berücksichtigt werden.
*Die Duisburger Kursträger hatten sich darauf verständigt, in Intensivkurse (20 bzw. 25 Ustd. pro Woche)
nur solche Zuwandernde aufzunehmen, die über eine Schulbildung von mindestens acht Jahren
verfügen. Bei Teilnehmenden mit geringeren Bildungsvoraussetzungen geht eine so hohe zeitliche
Beanspruchung und die damit verbundene Lernprogression mit Phänomenen der Überforderung und des
Motivationsverlustes einher.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
6. Teilnahme an Kursen: Einsteigen, umsteigen, aussteigen
a) Aufenthaltsdauer, Status und Kursteilnahme
Kapazitäten für Neuzuwanderer
Integrationskurse in Duisburg
Schätzung der jährlich erforderlichen Kapazitäten für 2003
650
Verpflichtete/Berechtigte, Heiratsmigranten/Aussiedler/Humanitäre
(die ab dem 1.1.03 einreisen)
590
Tatsächlich Teilnehmende (das sind ca. 90 % von 650)
350
weiblich (60 %)
240 männlich (40 %)
310
Vollzeit , davon
140
weiblich (40 % von 350)
170
männlich (70 % von 240)
22
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
= 12 Vollzeitkurse mit je 25 Teilnehmenden
280
Teilzeit, davon
210
weiblich (60 % von 350)
70
männlich (30 % von 240)
= 11 Teilzeitkurse mit je 25 Teilnehmenden
Kapazitäten für die ‚nachholende Integration‘
Nach dem bisherigen Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz soll der Neuzuwandernde
innerhalb eines halben Jahres nach der Einreise einen Integrationskurs begonnen
haben. Bei der Berechtigungsprüfung der Erprobungsphase des
Gesamtsprachkonzeptes wurde nach dem Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland
gefragt. Die Aufenthaltsdauer war aber kein Ausschließungsgrund für die Teilnahme an
einem Kurs.
Die Duisburger Träger haben die Angaben zur Aufenthaltsdauer ausgewertet und sind
zu folgendem Ergebnis gekommen:
Für die Bundesförderung (Erprobungsphase) Berechtigte in Kursen
1.500
Januar bis Juni 2002
davon
500
1.000
in den letzten 2 Jahren eingereist
länger als 2 Jahre in Deutschland
davon
23
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
210
vor 2 bis 4 Jahren eingereist
160
vor 4 bis 6 Jahren eingereist
360
zwischen 1995 und 1990 eingereist
270
vor 1990 eingereist
Diese rd. 1.500 Männer und Frauen erfüllen die Voraussetzungen des § 44 (2) des
Zuwanderungsgesetzes (Entwurfsfassung) - bis auf die Aufenthaltsdauer. Nur rund 1/3
von ihnen sind in den letzten zwei Jahren eingereist. Das bedeutet, dass in Zukunft
mehr als 2/3 der Migrantinnen und Migranten aus der Sprachförderung des Bundes
herausfallen würden.
Somit liegt die Zahl der sogenannten Altfälle, also der Ausländerinnen und Ausländer,
die durch die Integrationskursregelungen des Gesetzesentwurfs nicht erfasst werden,
nach der Duisburger Erhebung deutlich über den genannten 20.000 Plätzen
bundesweit.
Für Duisburg dürfte eine jährliche Zahl von 1.000 Plätzen für die ‚nachholende
Integration‘ realistisch sein und zwar für Ausländer mit einem gesicherten
Aufenthaltsstatus.
b) Andere Zielgruppen
In diesem Zusammenhang sei erneut darauf hingewiesen, dass mit dem
„Gesamt“sprachkonzept des Bundes bzw. mit der Entwurfsfassung für ein
Zuwanderungsgesetz folgende Gruppen für eine Deutschförderung nicht berücksichtigt
werden:
-
Nach altem Recht ohne Deutschprüfung Eingebürgerte
24
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
(im ersten Halbjahr 2002 wollten rd. 100 von ihnen bei den Duisburger Kursträgern
Deutsch lernen).
-
Abgelehnte aber geduldete Asylbewerberinnen und -bewerber,
die zum Teil schon seit vielen Jahren hier leben
(in Duisburg zur Zeit rd. 3.400).
-
Asybewerberinnen und –bewerber
(in Duisburg zur Zeit rd. 2.800).
-
Ausländerinnen und Ausländer mit befristetem Aufenthalt (Studierende, Au-pairs).
Auch aus diesen Zielgruppen gibt es starke Nachfrage bei den Sprachkursträgern.
c) Ausstieg aus Kursen und Wechsel
Nachdem für die Erstberatung und Vermittlung von Neuzuwanderern ein erfolgreiches
Verfahren entwickelt worden war, kam ein anderes Problem in den Blick der
Projektmitarbeitenden: der Ausstieg von Teilnehmenden aus dem Kurssystem.
Hier einige Zahlen der beiden größten Duisburger Träger:
Teilzeitkurse
(2 – 3 x wöchentlich, 100 Ustd. pro Semester, rd. 15 U - Wochen je Semester)
VHS
Semester
Teilnehmende
Aussteiger
I / 02
612 TN mit 1. Scheck
II / 02
485 TN mit 2. Scheck
Aussteiger in %
(100 %)
127 TN
21 %
von 612 TN
25
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
I / 03
285 TN mit 3. Scheck
200 TN
53 %
von 612 TN
AWO-Familienbildung
Semester
Teilnehmende
Aussteiger
I / 02
569 TN mit 1. Scheck
II / 02
421 TN mit 2. Scheck
Aussteiger in %
(100 %)
148 TN
26 %
von 569 TN
I / 03
330 TN mit 3. Scheck
91 TN
42 %
von 569 TN
Die Zahlen zeigen die Realität von freiwillig Teilnehmenden an einem in Niveaustufen
bzw. nach Wohnort strukturierten Programm mit längeren Ferienzeiten.
Die Teilnehmenden der Teilzeitkurse haben oft Familien mit Kleinkindern oder sind
schon berufstätig. Für sie scheinen längere Semesterferienzeiten subjektiv oftmals
attraktiv, für den Spracherwerb sind sie jedoch sehr kritisch. Bei einer Umstellung auf
ein Kurssystem nach dem Zuwanderungsgesetz sollten die Schulferien das Maximum
an Ferien darstellen.
Die Möglichkeit, einzelne Module (Stufen) wiederholen zu können, wird besonders gerne von Teilzeitlernern genutzt.
Intensivkurse
Bei der VHS meldeten sich im ersten Durchgang 75 % der Intensivkurs-Teilnehmenden
auch zum Folgekurs im zweiten Semester an, im zweiten Durchgang jedoch nur
26
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
50 %. Die meisten Ausstiege erfolgten wegen Aufnahme oftmals ungeschützter
Arbeitsverhältnisse. Die Intensivkurse bei der VHS wurden nach 300 Stunden durch die
Semesterferien unterbrochen. Ein Grund der das Aussteigen förderte. Die Intensivkurse
der SFS fanden ohne Unterbrechung an einem Stück statt. Die Aussteigerquote lag
deutlich niedriger.
Wechsel
Attraktiv ist für Teilnehmende die Möglichkeit, von einem Teilzeit- in einen Intensivkurs
bzw. nach einem Intensivmodul in einen Teilzeitkurs zu wechseln. Gleiches gilt für den
Wechsel von einem Tageskurs in einen Abendkurs. Nach den Erfahrungen der
Duisburger Träger liegt die Zahl der Wechsel während eines Semesters bzw. bei der
Anmeldung für einen Nachfolgekurs bei rd. 5 %.
Wechsel ist am besten möglich in einem breit differenzierten trägerübergreifenden Kurssystem.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass im Rahmen des Projektes Aus- und
Umstiege nur festgestellt werden konnten. Mit Blick auf das Zuwanderungsgesetz ist
anzumerken, dass es einer beratenden Intervention bedarf und zwar möglichst zeitnah
zum Kurs-Ausstieg, um die Gründe zu dokumentieren, mögliche Kursalternativen zu
empfehlen und nach einer bestimmten Zeit erneut motivierend nachzuhalten. Die bloße
Verpflichtung wird nicht ausreichen, alle Zuwandernden tatsächlich zum kontinuierlichen
Lernen zu bewegen.
7. Zukunftsaufgaben der kommunalen Ausländerbehörde
27
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Die kommunale Ausländerbehörde (ABH) soll in Zukunft nach dem Gesetz der
Integrationsbegleiter sein, der bei jedem einzelnen Ausländer Meilensteine setzt auf
dem Weg der Integration und deren Erreichen individuell im Blick behält. Wird dieser
vorgezeichnete Weg verlassen, tritt die Behörde in Aktion und übt positiven Druck aus.
Die integrationsrelevanten Aufgaben der Ausländerbehörde nach dem Gesetzesentwurf
sind im Einzelnen:

Bei den neuen Ausländern Feststellen der Berechtigung zur Teilnahme bzw. der
Teilnahmepflicht an Integrationskursen durch eine Art Sprachtest (§ 45 Abs. 1
AufenthG).

Ausländer über Kursträger und ihr Angebot informieren bzw. einem Kurs
zuweisen (§ 5 AuslIntV)

Überprüfen der Kursaufnahme und regelmäßigen Kursteilnahme (§ 11 Abs. 2
und 4 AuslIntV)

Beratende Gespräche bei unterbliebener Kursaufnahme und bei nicht
regelmäßiger Teilnahme (§ 45 Abs. 4 AufenthG)

Verlängerung der Frist von 2 Jahren, in denen der Integrationskurs absolviert
werden muss. (§ 11 Abs. 3 AusllIntV)

Befreien von der Teilnahmepflicht (§ 45 Abs. 3 AufenthG)
Bei Nicht-Teilnahme bleiben die rechtlichen Konsequenzen allerdings gering.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beispielsweise sind nicht möglich, sogar dann
nicht, wenn die Teilnahme am Integrationskurs ausdrücklich verweigert wird. Auch die
Verpflichtung des Ausländers, bei Abbruch eines Kurses den Kostenanteil des Bundes
28
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
bzw. des Landes (1,06 € pro UStd) bis zum Ende des Kursabschnitts an den Träger zu
zahlen, dürfte in der Praxis allenfalls symbolische Bedeutung haben. (§ 7 Abs. 4
AusllIntV). Der Träger muss das Geld beitreiben.
Deshalb ist nach Auffassung des Duisburger Trägernetzes neben der rechtlichen
Dimension immer großer Wert auf eine motivierende Bestärkung zu legen, die
unbedingt zeitnah zur Einreise erfolgen muss. Auch dem Nachhalten des regelmäßigen
Kursbesuchs kommt große Bedeutung zu. Bei Kursabbruch ist schnell positiv zu
reagieren, beispielsweise durch das Angebot einer Lernalternative.
Damit die Ausländerbehörde das tun kann, muss sie die notwendige Fachkompetenz
durch qualifiziertes Personal erhalten und eng mit den lokalen Trägern der
Integrationskurse zusammenarbeiten.
Optimal ist nach den Erfahrungen des Projektes eine Analyse des Sprach- und
Bildungsstandes und eine erste Deutsch- und Perspektivberatung in der
Herkunftssprache durch die aufnehmende Ausländerbehörde. Die Neuzuwanderer
erhalten dann aus einer Hand das ausländerrechtlich und für die sprachliche Integration
Notwendige. Ob die Fachkompetenz dafür vorhanden ist, hängt ab von der Fähigkeit
der ABH, ihre positiven Leistungen im Integrationsservice darzustellen und auszubauen
sowie nützliche Kooperationen zu pflegen. Eventuell kommt eine Eingangsberatung
durch einen anderen Träger bei der Ausländerbehörde in Frage, so wie im Projekt
praktiziert.
Falls das nicht möglich ist, käme eine fachlich kompetente zentrale Anlaufstelle für die
Analyse, Beratung und Vermittlung von Neuzuwanderern in Deutsch- und
Integrationskurse und zwar außerhalb der Ausländerbehörde in Betracht. Das wäre eine
bessere Lösung als ein bloßes Aushändigen einer Liste aller Kurs-Anbieter, die der
Betroffene dann selbst abzuarbeiten hat.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Ein bloßes Verweisen und Verwalten wird trotz Verpflichtung nicht zu den gewünschten
Ergebnissen führen.
8. Sozialpädagogische Begleitung
Die Träger des Duisburger Netzwerkes konnten keine durchgängige
sozialpädagogische Begleitung ausprobieren. Wegen der Fülle der zu bearbeitenden
Themen und der praktischen Handlungsnotwendigkeiten aus der Erprobung des
Gesamtsprachkonzepts war nicht genug Zeit vorhanden, um diese Aufgabe anzugehen.
Zunächst ist an die finanziellen Rahmenbedingungen zu erinnern: Pro Teilnehmer gab
es 3 x 25 Unterrichtsstunden mit einer Förderung von rd. 1 € je UStd. Das addiert sich
auf 75 € pro Teilnehmer über einen Zeitraum von mindestens 300 UStd Deutschkurs.
a) Erfahrungen eines Trägers (SFS)
30
„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Ein sehr begrenztes Budget, mit dem eine hauptberufliche Stelle nur bei einem Träger,
der mehrere Intensivkurse aus verschiedenen Finanzierungen parallel laufen hat,
finanziert werden kann. In Duisburg war dies bei der SFS der Fall. Hier ein
stichwortartiger Erfahrungsbericht dieses Trägers:
Organisation
Aufgaben: Beratung in Kurs- und privaten Angelegenheiten, Konflikte zwischen
Teilnehmern, Hilfe bei Behördenangelegenheiten, Anrufe erledigen in allen Belangen,
allgemeine Anlaufstelle.
Beratungsform: Einzelgespräche, bei Kursangelegenheiten mit dem Kursleiter.
Ziele und Problemlagen der Teilnehmenden
Ziele: Deutsch lernen, um nicht vom Partner abhängig zu sein, um besser/überhaupt
Arbeit zu finden, um sich selbst zurechtzufinden.
Motivation und Interesse der Teilnehmenden: anfangs sehr hoch, lässt nach, wenn sich
nicht rasch Erfolge einstellen.
Problemlagen: 1 Kurs mit Neuzuwanderern (vorw. junge Männer): Teilnehmer sind nicht
an deutsches Denken und Handeln und „schulisches“ Arbeiten gewöhnt: Zwischenrufe,
Pünktlichkeit.
Stellenwert
Schlüsselfunktion im Nullanfänger-Neuzuwanderer-Kurs, auch Kursleitung braucht
Hilfestellung bei psychosozialen Teilnehmer-Problemen. A1/A2-Kurse: mehr amtliche
Angelegenheiten.
Alle Probleme wurden bisher bewältigt bzw. den Teilnehmenden Anlaufstellen genannt,
in denen ihnen geholfen werden konnte.
Veränderung im Kursverlauf: Probleme werden persönlicher, wenn Vertrauensbasis
hergestellt ist.
Anregungen zur Optimierung: Abend mit Familien organisieren, wöchentliche
Gruppendiskussion, spezielle Einführungswoche.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
b) Verschiedene Konzeptionen
Bei den Diskussionen im Duisburger Trägernetz kamen unterschiedliche Konzeptionen
zur sozialpädagogischen Begleitung in Sicht.
-
Als themenbezogene Leistung im Deutschkurs, zu Themen des Zusammenlebens
(z.B. Bildungswesen, soziale Dienste, Verbraucherschutz, Umwelt, Gesundheit,
Einbürgerung), eventuell auch dem Deutschkurs vorgeschaltet in der
Herkunftssprache (Orientierungskurs).
-
Als (Teil)-Finanzierung eines mobilen oder zentralen Beratungs- und Lotsenservices zur Integration. Die Schecks aller Teilnehmer aller Träger in Duisburg
werden entnommen zur Finanzierung des Service-Angebots, unabhängig von der
tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Einzelnen.
-
Als Finanzierungsbeitrag bei persönlicher Inanspruchnahme einer Sozialberatungsstelle der Wohlfahrtsverbände. Der Ratsuchende finanziert durch Herausgabe
eines Schecks an den Berater die Einrichtung mit. Der Scheck ist dann eher der
Gegenwert für eine Fall-Beratung und nicht mehr für 25 UStd. „Begleitung“.
-
Als zusätzlichen Einsatz der Kursleitungen. In einem gewissen Umfang nehmen sie
diese Aufgabe schon im Rahmen des Kurses wahr: Vor und nach dem Kurs und in
den Pausen. Sie sind die ersten und direkten Ansprechpartner der Deutschlerner,
mitunter auch für ihre Ehepartner. Anderes Personal muss erst eingeführt werden.
Eine Aufstockung der Kursstunden um Zeiten für sozialpädagogische Begleitung
durch die Kursleitung könnte gute Dienste leisten, eventuell mit Unterstützung eines
Dolmetschers.
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
Von besonderer Bedeutung ist die Frage nach der Sprache, in der die
sozialpädagogische Begleitung erfolgen soll. Die Fremdsprachenkompetenzen der
Sozialberatung der Wohlfahrtsverbände ist nicht unbedingt identisch mit der
Zusammensetzung der Kurse. Beispielsweise sind zur Zeit Italienisch und Griechisch in
Duisburg sehr selten als Ausgangssprache in den Kursen vertreten, wohingegen
Polnisch eine nennenswerte Bedeutung hat aber leider nicht als Beratungsservice
angeboten wird.
Die Schnittstelle zwischen Sprach- und Integrationskonzept ist sichtbar, die Methoden
des Transfers konnten aber in Duisburg noch nicht bis zur Praxisreife entwickelt
werden.
Impressum
Beiträge von:
Barbara Aldag, Gisela Böllert, Robert Egg, Wolfgang Esch, Marion Overhoff-Sovuksu
Redaktion:
Wolfgang Esch, Telefon (02 03) 2 83-36 98, E-Mail [email protected]
Internationales Zentrum der VHS, Flachsmarkt (am Innenhafen), 47051 Duisburg
Stadt Duisburg,
Volkshochschule (Fachbereiche Deutsch und interkulturelle Bildung)
sowie Koordinierungsgruppe der Stabsstelle für Zuwanderung und Integration
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„Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“
Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg
in Zusammenarbeit mit:
Marieluise Höltge (SFS GmbH), Marlies Kurfeß-Thiesbonenkamp (ev. FBW), Elke
Marnette (AWO-FBW), Ansgar Stötzel (kath. FBS Hamborn)
aus dem
Träger-Netz „Deutsch lernen in Duisburg“
Duisburg, Mai 2003
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