Alle lernen Deutsch: Zuwanderer besser integrieren Erprobungsphase des Gesamtsprachkonzeptes des Bundes in Duisburg Förderungsgeber: Sprachverband Deutsch e.V., Mainz Endbericht Träger-Netz „Deutsch lernen in Duisburg“ Evangelisches Familienbildungswerk, Familienbildungswerk AWO, Katholische Familienbildungsstätte Hamborn, Schulungsgesellschaft für Sprachförderung mbH, Volkshochschule Stadt Duisburg Volkshochschule sowie Koordinierungsgruppe der Stabsstelle für Zuwanderung und Integration in Verbindung mit „Deutsch lernen in Duisburg: Netz der Kurs-Träger“ „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Seite 1. Projektgenese 3 2. Erprobung in Duisburg 4 3. Neuzuwanderer in Duisburg a) Zahlen 5 b) Erstberatung 7 c) Konzept der Beratung 7 d) Ergebnisse der Erstberatung 8 e) Analyse der Neuzuwanderer 9 4. Organisation und Durchführung a) Feststellen des Aufenthaltsstatus 11 b) Scheckheftverfahren 11 c) Versorgung mit Kursen 12 d) Schwierigkeiten im Detail 13 5. Aktivitäten des Träger-Netzes a) Kurse 16 b) Lehrwerk 17 c) Kursleiterfortbildung 18 d) Tests 19 6. Teilnehmer in Kursen: Einsteigen, umsteigen, aussteigen a) Aufenthaltsdauer, Status und Kursteilnahme 22 b) Kapazitätsberechnung für Neuzuwanderer und ‚nachholende Integration‘ c) Andere Zielgruppen 24 d) Ausstieg aus Kursen und Wechsel 25 7. Zukunftsaufgaben der kommunalen Ausländerbehörde 27 8. Sozialpädagogische Begleitung a) Erfahrungen eines Trägers (SFS) 30 b) Verschiedene Konzeptionen 31 Impressum 33 2 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 1. Projektgenese Im Hinblick auf das für Januar 2003 zu erwartende Zuwanderungsgesetz plante der Bund in Verbindung mit den Ländern ein neues System der Förderung von Deutschkursen. Erstmalig sind darin die bisher getrennt geförderten Zielgruppen in einem Gesamtsprachkonzept für Zuwanderinnen und Zuwanderer zusammengeführt. Die von der Zuwanderungskommission angeregte Neuregelung betrifft sowohl die finanzielle als auch die inhaltliche Konzeption der Sprachförderung für Zuwanderer. Zielgruppe des neuen Sprachförderkonzeptes sind gleichberechtigt alle Zuwanderer (Aussiedler und Ausländer) mit auf Dauer angelegtem Aufenthaltsstatus. Die inhaltliche Zielsetzung des vom Bund geförderten Deutschunterrichtes in der Erprobungsphase des Gesamtsprachkonzepts sind die Prüfungen entsprechend der Niveaustufen nach dem europäischen Referenzrahmen A1; A2, B1 (Zertifikat Deutsch). Um die damit verbundene Neuregelung bzw. Umstrukturierung der Sprachförderung in die Praxis umzusetzen und zu erproben, führte der Bund in Kooperation mit dem Sprachverband Deutsch e.V. im Zeitraum von Februar 2002 bis Dezember 2002 in 8 Modellregionen Deutschlands, u.a. in Duisburg, die Erprobungsphase des Gesamtsprachkonzeptes durch. Der Sprachverband gewährleistete durch seine langjährige Erfahrung mit der Zielgruppe Ausländer aus den ehemaligen Anwerbeländern sowohl organisatorisches als auch pädagogisches und sprachbezogenes Wissen einbringen zu können. 3 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 2. Erprobung in Duisburg In Duisburg gab es zwei lokale Anküpfungspunkte für die Erprobung: - Das Träger-Netz „Deutsch lernen in Duisburg“, hervorgegangen aus der „Sprachkonferenz Deutsch für Migranten“, in dem sich alle Duisburger Deutsch– Kursträger, die mit öffentlichen Mitteln arbeiten, zusammengeschlossen haben und - ein Projekt „Migration und Deutsch“, in dem erste Ansätze einer frühen Erfassung und Beratung von Neuzuwanderern erarbeitet wurden (siehe Abschlussbericht unter www.vhs-duisburg.de Stichwort „unsere Projekte“). Träger des Erprobungsprojektes war die Stadt und zwar die Volkshochschule, Fachbereiche Deutsch als Fremd- und Zweitsprache/Alphabetisierung und interkulturelle Bildung/Internationales Zentrum. Der Leiter des letztgenannten Fachbereichs sorgte mit seiner Funktion in der Koordinierungsgruppe der Stabstelle für Zuwanderung und Integration im Dezernat für Migration, Sicherheit und Recht des Stadtdirektors für die enge Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungsstellen und moderierte das Netz der Deutschkursträger. Für die Projektarbeiten im engeren Sinn wurden zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und eine halben Verwaltungskraft beschäftigt. 4 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 3. Neuzuwanderer in Duisburg a) Zahlen Duisburg hat bei einer Einwohnerzahl von 523.000 mit ca. 84.000 ausländischen Staatsangehörigen einen Ausländeranteil von 16 %. Seit 1996 wurden insgesamt rund 17.000 Ausländer eingebürgert. Sie zählen nicht mehr als Ausländer. Die größte Gruppe der Zuwanderer mit gesichertem Aufenthalt bilden die sogenannten Heiratsmigranten. Ihre Zahl betrug in Duisburg in den Jahren von 1996 bis 2002 im Durchschnitt etwa 730 jährlich. Demnach lag der Anteil der jährlichen Heiratsmigration regelmäßig bei rund 0,9 % der Ausländer. Die Gruppe der deutschstämmigen Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentzuwanderer umfasste im Jahr 2002 zusammen rund 220 Personen. Im Einzelnen ergeben sich für die vergangenen Jahre nach Daten des Duisburger Ordnungsamtes folgende Zahlen *1 für die Heiratsmigranten: Heiratsmigranten ohne EU-Bürger 1996 828 1997 798 1998 652 1999 630 2000 1042 2001 592 2002 569 5 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Im Jahr 2002 betrug die Zahl der neu zugewanderten EU-Bürger 22 (4%). Davon nutzten 14 Personen (63%) die Erstberatung in den Bezirksämtern und entschieden sich für ein Sprachkursangebot des Trägernetzes. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Zahl der Zuwanderer Jahr für Jahr deutlichen Schwankungen unterliegt. Eine feste Kapazitätsgröße für Neuzuwanderer ist nicht verlässlich planbar. Nach den Werten des Jahres 2002 benötigte Duisburg in diesem Jahr rund 600 Plätze für Neuzuwanderer (ohne deutschstämmige Aussiedler und Kontingentzuwanderer). Der sprunghafte Anstieg von Heiratsmigranten im Jahre 2000 zeigt allerdings, dass diese Zahl nur eine mögliche Größe sein kann. Insgesamt belegen die Zahlen im Folgenden, dass es der Erstberatung des Projekts in Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde gelungen ist, die meisten der Neuzugewanderten tatsächlich zu beraten. Auch die Vermittlungsquote in Kurse des Trägernetzes liegt sehr hoch, wie die folgenden Ausführungen zeigen. *1 Aus dem ‚Duisburger Ausländerverfahren‘, einem Großrechnerprogramm das ungefähr die Hälfte der NRW-Städte und Kreise nutzt, wird die Zahl der Neuzuwanderer mit gesichertem Aufenthaltsstatus ermittelt. Die Auswertung wird zum Ende eines Quartals erstellt und berechnet die Zahl der erstmalig zugezogenen verheirateten Ausländerinnen und Ausländer des vorletzten Quartals, die nun eine normale Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Dies ist dann die angenommene Zahl der neuzuwandernden Heiratsmigranten des vorletzten Quartals. 6 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg b) Erstberatung Neuzuwanderer aus dem Ausland müssen sich nach dem Zuzug bei der Meldebehörde anmelden und bei der Ausländerbehörde vor dem Ablauf des Einreisevisums die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen. Diese beiden Vorgänge werden in Duisburg in drei Bezirksämtern von Ausländerbehörden erledigt, die jeweils für einen Teil des Stadtgebiets zuständig sind. Neuzuwanderer bekommen dort einen Termin zur Bearbeitung ihrer Angelegenheiten. Die Termine wurden im Rahmen des Projekts so gelegt, dass fast alle Neuen pro Bezirk an einem halben Tag wöchentlich einen Termin erhielten. Zeitgleich war auch die mehrsprachige Bildungsberaterin anwesend. In einem Büro direkt bei der Ausländerbehörde beriet sie vor oder nach der Erledigung der behördlichen Angelegenheiten. Die Mitarbeiter der Behörde schickten die Ausländer dorthin und hielten in vielen Fällen auch nach, ob sie tatsächlich die Beratung in Anspruch nahmen. c) Konzept der Beratung Ziel war es, neu zugereiste Migranten, insbesondere Heiratsmigranten, sofort nach der Einreise unter Einbezug ihrer bisherigen schulischen und beruflichen Laufbahn und somit entsprechend ihren individuellen Qualifikationen motivierend, wegweisend und handlungsorientiert zu beraten. Diese Beratung erfolgte in der Regel in der Herkunftssprache, um durch das direkte Gespräch mit dem Neuzuwanderer die motivierende Wirkung zu erhöhen. Die Beratung geschah in folgenden Schritten: 7 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Feststellen der persönlichen Bildungsvoraussetzungen. Wecken der Motivation zum Erlernen der deutschen Sprache. Feststellen der Deutschkenntnisse. Zeitnah in einen Deutsch-Kurs des Trägernetzes vermitteln. Die Beratung erfolgte trägerneutral. Die Kenntnisse über den Deutsch- und Bildungsbedarf der Neuzuwanderer flossen in die aktuellen Planungen der Kursträger ein. Hierfür seien zwei Beispiele genannt: Im Stadtteil Bruckhausen wurde kurzfristig nach Auftreten des Bedarfs bei der Erstberatung ein Kurs zur Alphabetisierung türkischer Frauen eingerichtet. Gleichermaßen reagierte ein anderer Kursträger auf den Bedarf, in den Sommerwochen einen Intensivkurs für Null-Anfänger einzurichten. Er begann Ende Mai. d) Ergebnisse der Erstberatung In dem Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 nahmen 449 Personen die Erstberatung für Neuzuwanderer im Rahmen der Erprobungsphase in den Bezirksämtern (Ausländerbehörden) der Stadt Duisburg wahr. 270 Personen (60%) davon waren türkischer Herkunft. 381 Neuzugewanderte (85%), die diese Deutsch- und Bildungsberatung nutzten, haben sich für die Teilnahme an einem Sprachkurs bei der Volkshochschule, der Familienbildungsstätte der AWO, der KFS, dem EBW oder der SfS (siehe Trägernetzwerk) angemeldet. 8 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg e) Analyse der Neuzuwanderer 449 Beratene im Zeitraum 01.01. – 31.12.2002 nach Nationalitäten Nationalitäten Personen in Prozent Türkisch 270 60% Russisch 29 6,5% Marokkanisch 18 4% Mazedonisch 13 3% Polnisch 10 2% Thailändisch 8 1,8% Albanisch 7 1,5% Ukrainisch 3 0,7% Andere 91 20,5% Summe 449 100% 258 (58%) der Erstberatenen im o.g. Zeitraum waren Frauen und 191 (42%) Männer. Nach Altersgruppen differenziert ergibt sich folgendes Bild: 16 – 20 Jährige 21 - 30 Jährige 31 – 40 Jährige älter als 40 Jahre 112 235 62 40 25 % 52 % 14 % 9% 9 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Die Bildungs- und Berufsabschlüsse der beratenen Neuzuwanderer, die als Eingangsschlüssel in die hiesige Arbeitswelt bzw. als Voraussetzung für berufliche Weiterbildung zu sehen sind, ergeben folgende Relationen bei der Bezugsgröße von 449: Analphabeten* Ohne Abschluss Grundschule Hauptschule Gymnasium Fachschule 13* 91 135 165 45 3% 20 % 30 % 37 % 10 % * Über diese Zahl hinaus waren weitere 19 Neuzuwanderer (4 %) in speziellen Kursen in der lateinischen Schrift zu alphabetisieren: sie stammen aus einer Kultur mit anderer Schrift, z.B. Thai, Tamilisch, Arabisch und haben unsere Schrift nicht in der Schule gelernt. 141 Personen (31%) haben einen Handwerksberuf erlernt, 73 Personen (16%) verfügen über einen qualifizierten Beruf im Büro-, Dienstleistungs- oder Verwaltungsbereich, 74 Personen (17%) sind Akademiker, 27 Personen (6%) sind angelernte Arbeiter und 134 Personen (30%) sind ohne berufliche Qualifikation oder Erfahrung. 10 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 4. Organisation und Durchführung a) Feststellen des Aufenthaltsstatus Im Rahmen des Projektes wurden bei allen 5 Duisburger Sprachkursträgern im Frühjahr 2002 bei allen dort angemeldeten Teilnehmern in Deutschkursen sogenannte Statusprüfungen durchgeführt. Während der Erprobungsphase war der Sprachkursträger, bei dem der Migrant sich entschieden hatte zu lernen, diejenige Instanz, die berechtigt war, seinen Status und somit die Förderfähigkeit zu überprüfen. So wurden im Frühjahr 2002 in über 60 Duisburger Kursen mit ca.1300 Teilnehmenden Berechtigungsprüfungen durchgeführt. Es handelte sich um Kurse mit dem Ziel A1 bis B1, sowie um Alphabetisierungskurse und um Frauenkurse in den Stadtteilen. b) Scheckheftverfahren In Duisburg wurden die notwendigen Arbeiten des neuen Verfahrens zunächst in folgender Reihenfolge abgewickelt: - Einrichtungsinterne mündliche Einstufung / Kursbeginn. - Berechtigungsprüfung mit Test. - Zusendung der Papiere an den Sprachverband. - Scheckheft beim Sprachverband fertigen. - Heft im Paket mit anderen Heften an Träger. - Träger händigt das Heft an Berechtigten aus, entnimmt Scheck. - Träger reicht Scheck ein. - Scheckhefte von Kursabbrechern werden an Berechtigte gesandt. - Rücklaufende Hefte, die nicht zugeteilt werden konnten, zurück an SPV. 11 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Dieses Verfahren war zwar praktikabel, verursachte jedoch einen enormen Verwaltungsaufwand. Mit der Aushändigung des Scheckheftes standen jedem Zuwanderer 600 Stunden Deutschunterricht (jungen Menschen unter 27 Jahren 900 Stunden) zu, außerdem die möglicherweise dafür notwendige Kinderbetreuung und ein kostenloser Test im Bereich A1 bis B1. Die Schecks für den Unterricht sind aufgeteilt in Module zu je100 Unterrichtsstunden. Insgesamt verliefen die Überprüfungen der einzelnen Teilnehmenden arbeitsintensiv aber verhältnismäßig unproblematisch. Die Beschreibung der vielfältigen Dokumente sowie die kooperative Zusammenarbeit mit dem hiesigen Ausländeramt bei Unsicherheiten und Fragen erleichterten diese Arbeit sehr. Die vom Sprachverband vorgegebenen Formulare zur Berechtigungsprüfung waren einfach zu handhaben. c) Versorgung mit Kursen Die Integrationsbemühungen der Neuzuwanderer aufzugreifen und ihr Interesse am Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen, gelingt erfahrungsgemäß dann am besten, wenn Ermutigung und Motivation einher gehen mit einem optimal auf den Neuzuwanderer zugeschnittenen Lernangebot. Diese Erfahrung kann im Rahmen des Modellprojektes nun mit Zahlen belegt werden: Konnten im Berichtszeitraum bis 31.7.02 noch über 90 % der Neuzuwanderer in Kurse des Duisburger Träger-Netzes vermittelt werden, so waren es in den drei Monaten danach nur noch 73 %. Der Grund für diesen Rückgang: Durch den Stopp bei der Ausgabe weiterer Scheckhefte nach dem ersten Halbjahr 2002 konnten die Duisburger Träger deutlich weniger Kurse für Neuzuwanderer einrichten, die nach den Sommerferien eingereist waren. Eine wesentliche Zielgruppe innerhalb des Duisburger Projektes war damit entfallen. 12 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Die vom Sprachverband (SV) später bewilligten Kurse nach alter Förderart halfen kaum: Die Zeit der Kurse nur für Teilnehmende aus den ehemaligen Anwerbeländern ist vorbei. Alle Träger berichteten bei ihren Teilnehmenden von einer erfreulichen Mischung der Herkunftssprachen und Nationalitäten. Hier das Rad zurückzudrehen wäre kontraproduktiv. d) Schwierigkeiten im Detail Darüber hinaus traten andere Schwierigkeiten auf: Die vom Sprachverband angekündigte Regelung, ungültige Scheckhefte oder Scheckkontingente von Kursabbrechern für neue Teilnehmer zu verwenden, wurde nicht realisiert. Dadurch kam es in der zweiten Jahreshälfte zu der absurden Situation, dass in den Kursen zwar viele Teilnehmer waren, aber zu wenig, um eine Kostendeckung für die Kurse zu erreichen. Der Sprachverband hatte für alle Kurse und Teilnehmenden zunächst eine Laufzeit berechnet, die von einer Teilnahme an Vollzeitkursen ohne Ferien ausging Diese Berechnungen stimmten in der Vielzahl nicht mit den tatsächlichen Kursdaten überein, da die weit überwiegende Zahl der Teilnehmenden an Teilzeitkursen mit Unterbrechungen durch Ferienzeiten, Ramadan etc. teilnahm . Ohne vorherige Rücksprache mit den Trägern wurden Scheckhefte gesperrt, obwohl die Teilnehmer noch in laufenden Kursen saßen. 13 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Es kommt in der Praxis vor, dass Teilnehmer ihren Kurs wechseln und somit, - je nach gebuchtem Kurs – die Anzahl der Wochenstunden verändern. Sie tauschen unter Umständen einen Intensivkurs mit einem Teilzeitkurs und umgekehrt. Auch Wechsel von Vormittagskursen in Abendkurse bringen eine Veränderung der Stundenzahl mit sich. Dies verursachte abrechnungstechnische Probleme, da die Trägerdaten und die Daten des Sprachverbandes dann nicht mehr übereinstimmten. Es wurden im Verlauf des zweiten Halbjahres allein der VHS, dem größten Träger des Duisburger Verbundes 230 Scheckhefte gesperrt, ohne die Träger vorab zu informieren. Teilweise betraf dies Teilnehmer, deren Folgekurse aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen nicht zustande kamen und die auf einen adäquaten Nachfolgekurs warten mussten. Nun sind diese Kontingente verloren. Den Teilnehmern ist dies nur schwer zu vermitteln, da sie keine Chance auf eine Fortsetzung hatten. Familiensituationen verändern sich im Laufe eines Jahres. Der Bedarf an Kinderbetreuung kann sich ändern, z.B. durch den Wegfall einer privat organisierten Kinderbetreuung, Kinder werden geboren, die Kurszeiten ändern sich. Um hier Probleme zu verhindern, wäre eine flexiblere Handhabung wünschenswert. Daraus leiten sich folgende Vorschläge ab: - Der Förderungsgeber finanziert künftig Teilnehmende in einem modularen System, das Kurse mit unterschiedlichen Wochenstundenzahlen bereithält. Diese berücksichtigen die Lebenslagen der Teilnahmeberechtigten. Längere systembedingte Unterbrechungen, z.B. 3 Monate unterrichtsfreie Zeit zwischen dem Ende des Frühjahrs- und dem Beginn des Herbstsemesters sollten vermieden werden. 14 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg - Der Förderungsgeber pflegt mit den Trägern einen schnellen Datenaustausch über den Kurswechsel bzw. Kursunterbrechungen von Teilnehmenden durch geänderte Lebenslagen (Arbeitsaufnahme, Krankheit, Schwangerschaft, familiäre Angelegenheiten. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Duisburg trotz der Schwierigkeiten im Detail in jedem Fall der Einzelförderung den Vorzug gibt vor der traditionellen kursbezogenen Förderung. Die teilnehmerbezogene Finanzierung ist besser kombinierbar mit den Subventionen anderer Zielgruppen des Deutsch-Unterrichts (Arbeitsamt, Weiterbildungsgesetz, Sozialamt). Dieses bringt eine vielfältigere Zusammensetzung der Teilnehmerschaft nach Nationalitäten mit sich, die wiederum die Kommunikation auf Deutsch zwischen den Teilnehmenden begünstigt. Außerdem sorgt eine Mischfinanzierung für ein höheres Teilnehmeraufkommen. Damit kann prinzipiell ein differenzierteres Kurssystem realisiert werden. Personenbezogene Förderung schafft auch eher die Voraussetzung für ein Nachhalten der Lernerfolge, Unterbrechungen und noch vorhandener individueller Ansprücheals dies bei einer kursbezogenen Finanzierung möglich wäre. 15 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 6. Aktivitäten des Träger-Netzes „Deutsch lernen in Duisburg“ Die für Deutsch-Kurse zuständigen Mitarbeitenden der Bildungsträger trafen sich alle 4 bis 6 Wochen, um die laufenden Angelegenheiten des Träger-Netzes insbesondere des laufenden Projektes zu besprechen und Verabredungen zu treffen. Obwohl alle Träger auch Konkurrenten waren, gab es eine vertrauensvolle, zielorientierte Grundstimmung. Die ermöglichte allgemein akzeptierte Absprachen. Kein Anbieter fühlte sich „über den Tisch gezogen“. Für die Neuzuwanderer konnte jederzeit ein optimales Lernangebot zur Verfügung gestellt werden. a) Kurse Durch das Projekt zeigten sich besondere ‚Spezialitäten‘ der einzelnen Träger: - AWO-Familienbildung: Stadtteilkurse für Frauen hauptsächlich in Kindergärten und Grundschulen. - Ev. Familienbildung: Stadtteilbezug in Bruckhausen. - Kath. Familienbildung Hamborn: Stadtteilverankerung in Hamborn. - SFS-Schulungsgesellschaft für Sprachförderung: Intensivkurse mit sozialpädagogischer Begleitung. - Volkshochschule: Differenziertes regional gegliedertes System mit Intensiv- und Teilzeitkursen und allen Prüfungsangeboten. Mögliche Konkurrenzen in Bezug auf die Verteilung der Neuzuwanderer konnten 16 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg durch unterschiedliche Anfangstermine und regionale Verteilung der erforderlichen Kurse vermieden werden. Es zeigte sich, dass beispielsweise die SFS kein Problem hatte, auch in den Sommermonaten Kurse durchzuführen, eine Zeit, in der Räume in Schulen nicht durchgängig zur Verfügung stehen können. In engem Kontakt zur Erstberatung des Projektes bei der Ausländerbehörde, konnten im ersten Halbjahr je nach Bedarf auch über das vorhandene bzw. geplante Angebot hinaus Kurse insbesondere für Neuzuwanderer eingerichtet werden, so dass eine bedarfsgerechte Versorgung sichergestellt war. b) Lehrwerk Die Träger des Netzes haben sich abgesprochen, das Lehrwerk „Tangram“ des Hueber-Verlages zu benutzen. Das Lehrwerk bietet den Kursleitenden und den Lernenden ein breites Spektrum an kreativen Übungsmöglichkeiten und fördert von Anfang an eine rege Kommunikation. Die Lektionen sind so angelegt, dass genügend Übungen zur inneren Differenzierung vorliegen. Die Anleitungen für Lehrende sind in der Regel gut beschrieben. Das Lehrwerk ist für die Teilnehmenden finanziell erschwinglich und alle Ausgaben bis zur B1 Prüfung, dem Zertifikat Deutsch, liegen vor. Mit Bedauern stellten jedoch Lehrende und Lernende fest, dass auch dieses Lehrwerk, so wie viele andere, den Bezug unserer in Deutschland lebenden Teilnehmer zu ihrem Alltagsleben vermissen lässt. Weder wird die aktuelle oder zukünftige Arbeitswelt eines Teilnehmers (oftmals im niedrigeren Lohnsegment) unterrichtsrelevant berücksichtigt noch findet das soziale Leben der aufnehmenden Gesellschaft ausreichend Widerspiegelung in den Themen der zu behandelnden Lektionen 17 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Schnell merkte ein aufmerksamer Leser, dass auch dieses Lehrwerk sowohl in Peking und Stockholm als auch in Duisburg-Bruckhausen verkauft und verwendet werden soll. Für lernungewohnte Teilnehmende mit „Anlaufschwierigkeiten“ wurde ab September 2002 ergänzend zu Tangram das neu erschienene Lehrbuch „Erste Schritte“ (HueberVerlag) eingesetzt. Auch stand den Kursleitenden zur leichten Einführung der Grammatik „Grammatik sehen“ (Hueber-Verlag) zur Verfügung. Für Frauenkurse wurde zusätzlich „Kinderleicht – für Eltern“ (Hueber-Verlag) und die Materialien „Mama lernt Deutsch“ des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten (AMKA) in Frankfurt benutzt. Gelegentlich wurde auch auf das Lehrwerk „Wir lernen Deutsch“ (Druck Verlag Kettler) zurück gegriffen. Für die Berufsbezogenheit lag den Lehrern in den Stufenkursen ein Kompendium mit Arbeitsblättern zum Thema „Arbeit“ vor. Das Kompendium wurde von Kursleitenden erarbeitet und orientierte sich thematisch (noch) an „Themen neu“, kann aber auch auf die einzelnen Lektionen von „Tangram“ übertragen werden. Zusätzlich beziehen viele Kursleitende die Materialien „Arbeitssprache Deutsch“ (Dürr und Kessler) ein. Aus der Projekterfahrung im Umgang mit „Tangram“ lässt sich die Notwendigkeit für ein Lehrwerk für ausländische Teilnehmende im Inland ableiten. Ein Lehrwerk, das sinnvoll und nachvollziehbar aufgebaut ist, das vielfältige, gut strukturierte Übungsmöglichkeiten bietet und das motivierend gestaltet ist. Hierzu legen die Verlage gerade erste Beispiele vor. c) Kursleiterfortbildung Im Frühjahrs- und Herbstsemester wurden insgesamt fünf Kursleiterfortbildungen angeboten: In der ersten Fortbildung zum Thema „Tangram“ wurden frische Erfahrungen mit dem Einsatz des Buches ausgewertet und auch bewertet. In ausführlicher Diskussion wurden Vor- und Nachteile des Lehrwerkes für die jeweiligen Zielgruppen verglichen, die Präferenzen der einzelnen Lehrer fokussiert. Konsens 18 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg bestand in der These, ein neu eingeführtes Lehrwerk als große Herausforderung zu begreifen. Die zweite Fortbildung zum Thema „In Frauenkursen unterrichten“ befasste sich mit den spezifischen Lernvoraussetzungen und Lernanforderungen von Teilnehmerinnen mit geringen Bildungsvoraussetzungen. Im Herbstsemester fanden drei Kursleiterfortbildungen im Rahmen des Projektes statt: Eine Fortbildung für neue Kursleitende bezogen auf das Lehrwerk „Tangram“ Ein Seminar zur Präsentation der neuen Testformate nach dem Europäischen Referenzrahmen (A1, A2, B1) und deren curriculare Entsprechung in den Stufenkursen des Trägernetzes Eine Prüferschulung des Goethe Instituts zu den Prüfungen Start Deutsch z A1 und A2 im Rahmen der Erprobungsphase Alle Kursleiterfortbildungen wurden von den Kursleitenden des Trägernetzes gut angenommen und hatten eine durchschnittliche Teilnehmerzahl von 20. d) Erprobung und Durchführung der Testformate A1, A2 und B1 Im Jahr 2001 gab der Bund beim Goethe-Institut Inter Nationes und der WBT (Weiterbildungs-Testsysteme GmbH) neu zu entwickelnde Sprachprüfungen für Neuzuwanderer in Auftrag. Im Detail handelt es sich um folgende Komponenten: Der Einstufungstest ermöglicht es, die Bewerber für einen Deutschkurs in ihren Vorkenntnissen entsprechende Module und Stufen zu beraten. 19 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Die Prüfungen Start Deutsch 1z und 2z stellen die Deutschkenntnisse gemäß den einheitlichen Standards des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens auf den beiden ersten Stufen A1 und A2 fest. Diesen neu entwickelten Testformaten folgt auf der nächsten Stufe die Prüfung B1, das ‚Zertifikat Deutsch‘. Modelltests Die Volkshochschule hat im Auftrag der WBT und des Goethe-Instituts Inter Nationes die erste Fassung der neuen Tests „Start Deutsch z A1“ und Start Deutsch z A2“ erprobt. 121 Teilnehmende in laufenden Kursen mit unterschiedlichen Sprachniveaus und in Frauenkursen haben daran teilgenommen. Mit der Erprobung konnte die VHS feststellen, ob die Teilnehmenden in einem Kurs saßen, der ihrem Deutschniveau entsprach. Dies war weitgehend der Fall. Für die Testinstitute war der erste große Einsatz eine gute Gelegenheit, Unstimmigkeiten und Unzulänglichkeiten benannt zu bekommen. Prüfungen Am Ende der Erprobungsphase nahmen insgesamt 84 Teilnehmende des Trägernetzes, die Scheckheftinhaber waren und mindestens 600 Stunden Deutschkursförderung abgelegt hatten, an den Prüfungen Start A1z und A2z (Prüfungssatz der Erprobungsfassung) sowie an der B1 Prüfung teil. Teilnehmende mit höherer Sprachkompetenz lagen außerhalb der Förderung. Die Teilnehmenden der A1 und A2 Prüfungen hatten Intenvsivkurse besucht, der größte Teil der B1-Prüflinge waren Teilnehmende an Teilzeitkursen. Im Einzelnen liegen folgende Ergebnisse vor: Prüfung TN-Zahl Bestanden 20 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg A1z 11 10 A2z 31 28 B1 42 34 Gesamt 84 72 Abschließend kann festgestellt werden, dass die Erfolgsquote, bzw. das erreichte Prüfungsniveau der Teilnehmenden nach 600 Stunden Basisförderung mit den Bildungsvoraussetzungen der Teilnehmenden, die im Herkunftsland erworben wurden, korreliert. So bestanden nach 600 Unterrichtsstunden in Vollzeitkursen 80 % (34 von 42) der Teilnehmenden an der B1 Prüfung diese, die über eine Hochschulzulassung, ein angefangenes Studium oder einen Studienabschluss in ihrem Herkunftsland verfügten.* Daraus kann abgeleitet werden, dass nach 600 Stunden Basisförderung in Teilzeitoder Vollzeitkursen bei einem modularen Sprachkursangebot mit relativ gleicher Kursqualität n i c h t die Mehrheit der Teilnehmenden in der Lage wäre, die Sprachkompetenz der Stufe B1 zu erreichen. Dieses sollte in einem zukünftigen Zuwanderungsgesetz bezüglich der Ziele zur sprachlichen Integration berücksichtigt werden. *Die Duisburger Kursträger hatten sich darauf verständigt, in Intensivkurse (20 bzw. 25 Ustd. pro Woche) nur solche Zuwandernde aufzunehmen, die über eine Schulbildung von mindestens acht Jahren verfügen. Bei Teilnehmenden mit geringeren Bildungsvoraussetzungen geht eine so hohe zeitliche Beanspruchung und die damit verbundene Lernprogression mit Phänomenen der Überforderung und des Motivationsverlustes einher. 21 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 6. Teilnahme an Kursen: Einsteigen, umsteigen, aussteigen a) Aufenthaltsdauer, Status und Kursteilnahme Kapazitäten für Neuzuwanderer Integrationskurse in Duisburg Schätzung der jährlich erforderlichen Kapazitäten für 2003 650 Verpflichtete/Berechtigte, Heiratsmigranten/Aussiedler/Humanitäre (die ab dem 1.1.03 einreisen) 590 Tatsächlich Teilnehmende (das sind ca. 90 % von 650) 350 weiblich (60 %) 240 männlich (40 %) 310 Vollzeit , davon 140 weiblich (40 % von 350) 170 männlich (70 % von 240) 22 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg = 12 Vollzeitkurse mit je 25 Teilnehmenden 280 Teilzeit, davon 210 weiblich (60 % von 350) 70 männlich (30 % von 240) = 11 Teilzeitkurse mit je 25 Teilnehmenden Kapazitäten für die ‚nachholende Integration‘ Nach dem bisherigen Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz soll der Neuzuwandernde innerhalb eines halben Jahres nach der Einreise einen Integrationskurs begonnen haben. Bei der Berechtigungsprüfung der Erprobungsphase des Gesamtsprachkonzeptes wurde nach dem Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland gefragt. Die Aufenthaltsdauer war aber kein Ausschließungsgrund für die Teilnahme an einem Kurs. Die Duisburger Träger haben die Angaben zur Aufenthaltsdauer ausgewertet und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Für die Bundesförderung (Erprobungsphase) Berechtigte in Kursen 1.500 Januar bis Juni 2002 davon 500 1.000 in den letzten 2 Jahren eingereist länger als 2 Jahre in Deutschland davon 23 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 210 vor 2 bis 4 Jahren eingereist 160 vor 4 bis 6 Jahren eingereist 360 zwischen 1995 und 1990 eingereist 270 vor 1990 eingereist Diese rd. 1.500 Männer und Frauen erfüllen die Voraussetzungen des § 44 (2) des Zuwanderungsgesetzes (Entwurfsfassung) - bis auf die Aufenthaltsdauer. Nur rund 1/3 von ihnen sind in den letzten zwei Jahren eingereist. Das bedeutet, dass in Zukunft mehr als 2/3 der Migrantinnen und Migranten aus der Sprachförderung des Bundes herausfallen würden. Somit liegt die Zahl der sogenannten Altfälle, also der Ausländerinnen und Ausländer, die durch die Integrationskursregelungen des Gesetzesentwurfs nicht erfasst werden, nach der Duisburger Erhebung deutlich über den genannten 20.000 Plätzen bundesweit. Für Duisburg dürfte eine jährliche Zahl von 1.000 Plätzen für die ‚nachholende Integration‘ realistisch sein und zwar für Ausländer mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus. b) Andere Zielgruppen In diesem Zusammenhang sei erneut darauf hingewiesen, dass mit dem „Gesamt“sprachkonzept des Bundes bzw. mit der Entwurfsfassung für ein Zuwanderungsgesetz folgende Gruppen für eine Deutschförderung nicht berücksichtigt werden: - Nach altem Recht ohne Deutschprüfung Eingebürgerte 24 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg (im ersten Halbjahr 2002 wollten rd. 100 von ihnen bei den Duisburger Kursträgern Deutsch lernen). - Abgelehnte aber geduldete Asylbewerberinnen und -bewerber, die zum Teil schon seit vielen Jahren hier leben (in Duisburg zur Zeit rd. 3.400). - Asybewerberinnen und –bewerber (in Duisburg zur Zeit rd. 2.800). - Ausländerinnen und Ausländer mit befristetem Aufenthalt (Studierende, Au-pairs). Auch aus diesen Zielgruppen gibt es starke Nachfrage bei den Sprachkursträgern. c) Ausstieg aus Kursen und Wechsel Nachdem für die Erstberatung und Vermittlung von Neuzuwanderern ein erfolgreiches Verfahren entwickelt worden war, kam ein anderes Problem in den Blick der Projektmitarbeitenden: der Ausstieg von Teilnehmenden aus dem Kurssystem. Hier einige Zahlen der beiden größten Duisburger Träger: Teilzeitkurse (2 – 3 x wöchentlich, 100 Ustd. pro Semester, rd. 15 U - Wochen je Semester) VHS Semester Teilnehmende Aussteiger I / 02 612 TN mit 1. Scheck II / 02 485 TN mit 2. Scheck Aussteiger in % (100 %) 127 TN 21 % von 612 TN 25 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg I / 03 285 TN mit 3. Scheck 200 TN 53 % von 612 TN AWO-Familienbildung Semester Teilnehmende Aussteiger I / 02 569 TN mit 1. Scheck II / 02 421 TN mit 2. Scheck Aussteiger in % (100 %) 148 TN 26 % von 569 TN I / 03 330 TN mit 3. Scheck 91 TN 42 % von 569 TN Die Zahlen zeigen die Realität von freiwillig Teilnehmenden an einem in Niveaustufen bzw. nach Wohnort strukturierten Programm mit längeren Ferienzeiten. Die Teilnehmenden der Teilzeitkurse haben oft Familien mit Kleinkindern oder sind schon berufstätig. Für sie scheinen längere Semesterferienzeiten subjektiv oftmals attraktiv, für den Spracherwerb sind sie jedoch sehr kritisch. Bei einer Umstellung auf ein Kurssystem nach dem Zuwanderungsgesetz sollten die Schulferien das Maximum an Ferien darstellen. Die Möglichkeit, einzelne Module (Stufen) wiederholen zu können, wird besonders gerne von Teilzeitlernern genutzt. Intensivkurse Bei der VHS meldeten sich im ersten Durchgang 75 % der Intensivkurs-Teilnehmenden auch zum Folgekurs im zweiten Semester an, im zweiten Durchgang jedoch nur 26 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg 50 %. Die meisten Ausstiege erfolgten wegen Aufnahme oftmals ungeschützter Arbeitsverhältnisse. Die Intensivkurse bei der VHS wurden nach 300 Stunden durch die Semesterferien unterbrochen. Ein Grund der das Aussteigen förderte. Die Intensivkurse der SFS fanden ohne Unterbrechung an einem Stück statt. Die Aussteigerquote lag deutlich niedriger. Wechsel Attraktiv ist für Teilnehmende die Möglichkeit, von einem Teilzeit- in einen Intensivkurs bzw. nach einem Intensivmodul in einen Teilzeitkurs zu wechseln. Gleiches gilt für den Wechsel von einem Tageskurs in einen Abendkurs. Nach den Erfahrungen der Duisburger Träger liegt die Zahl der Wechsel während eines Semesters bzw. bei der Anmeldung für einen Nachfolgekurs bei rd. 5 %. Wechsel ist am besten möglich in einem breit differenzierten trägerübergreifenden Kurssystem. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass im Rahmen des Projektes Aus- und Umstiege nur festgestellt werden konnten. Mit Blick auf das Zuwanderungsgesetz ist anzumerken, dass es einer beratenden Intervention bedarf und zwar möglichst zeitnah zum Kurs-Ausstieg, um die Gründe zu dokumentieren, mögliche Kursalternativen zu empfehlen und nach einer bestimmten Zeit erneut motivierend nachzuhalten. Die bloße Verpflichtung wird nicht ausreichen, alle Zuwandernden tatsächlich zum kontinuierlichen Lernen zu bewegen. 7. Zukunftsaufgaben der kommunalen Ausländerbehörde 27 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Die kommunale Ausländerbehörde (ABH) soll in Zukunft nach dem Gesetz der Integrationsbegleiter sein, der bei jedem einzelnen Ausländer Meilensteine setzt auf dem Weg der Integration und deren Erreichen individuell im Blick behält. Wird dieser vorgezeichnete Weg verlassen, tritt die Behörde in Aktion und übt positiven Druck aus. Die integrationsrelevanten Aufgaben der Ausländerbehörde nach dem Gesetzesentwurf sind im Einzelnen: Bei den neuen Ausländern Feststellen der Berechtigung zur Teilnahme bzw. der Teilnahmepflicht an Integrationskursen durch eine Art Sprachtest (§ 45 Abs. 1 AufenthG). Ausländer über Kursträger und ihr Angebot informieren bzw. einem Kurs zuweisen (§ 5 AuslIntV) Überprüfen der Kursaufnahme und regelmäßigen Kursteilnahme (§ 11 Abs. 2 und 4 AuslIntV) Beratende Gespräche bei unterbliebener Kursaufnahme und bei nicht regelmäßiger Teilnahme (§ 45 Abs. 4 AufenthG) Verlängerung der Frist von 2 Jahren, in denen der Integrationskurs absolviert werden muss. (§ 11 Abs. 3 AusllIntV) Befreien von der Teilnahmepflicht (§ 45 Abs. 3 AufenthG) Bei Nicht-Teilnahme bleiben die rechtlichen Konsequenzen allerdings gering. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beispielsweise sind nicht möglich, sogar dann nicht, wenn die Teilnahme am Integrationskurs ausdrücklich verweigert wird. Auch die Verpflichtung des Ausländers, bei Abbruch eines Kurses den Kostenanteil des Bundes 28 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg bzw. des Landes (1,06 € pro UStd) bis zum Ende des Kursabschnitts an den Träger zu zahlen, dürfte in der Praxis allenfalls symbolische Bedeutung haben. (§ 7 Abs. 4 AusllIntV). Der Träger muss das Geld beitreiben. Deshalb ist nach Auffassung des Duisburger Trägernetzes neben der rechtlichen Dimension immer großer Wert auf eine motivierende Bestärkung zu legen, die unbedingt zeitnah zur Einreise erfolgen muss. Auch dem Nachhalten des regelmäßigen Kursbesuchs kommt große Bedeutung zu. Bei Kursabbruch ist schnell positiv zu reagieren, beispielsweise durch das Angebot einer Lernalternative. Damit die Ausländerbehörde das tun kann, muss sie die notwendige Fachkompetenz durch qualifiziertes Personal erhalten und eng mit den lokalen Trägern der Integrationskurse zusammenarbeiten. Optimal ist nach den Erfahrungen des Projektes eine Analyse des Sprach- und Bildungsstandes und eine erste Deutsch- und Perspektivberatung in der Herkunftssprache durch die aufnehmende Ausländerbehörde. Die Neuzuwanderer erhalten dann aus einer Hand das ausländerrechtlich und für die sprachliche Integration Notwendige. Ob die Fachkompetenz dafür vorhanden ist, hängt ab von der Fähigkeit der ABH, ihre positiven Leistungen im Integrationsservice darzustellen und auszubauen sowie nützliche Kooperationen zu pflegen. Eventuell kommt eine Eingangsberatung durch einen anderen Träger bei der Ausländerbehörde in Frage, so wie im Projekt praktiziert. Falls das nicht möglich ist, käme eine fachlich kompetente zentrale Anlaufstelle für die Analyse, Beratung und Vermittlung von Neuzuwanderern in Deutsch- und Integrationskurse und zwar außerhalb der Ausländerbehörde in Betracht. Das wäre eine bessere Lösung als ein bloßes Aushändigen einer Liste aller Kurs-Anbieter, die der Betroffene dann selbst abzuarbeiten hat. 29 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Ein bloßes Verweisen und Verwalten wird trotz Verpflichtung nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. 8. Sozialpädagogische Begleitung Die Träger des Duisburger Netzwerkes konnten keine durchgängige sozialpädagogische Begleitung ausprobieren. Wegen der Fülle der zu bearbeitenden Themen und der praktischen Handlungsnotwendigkeiten aus der Erprobung des Gesamtsprachkonzepts war nicht genug Zeit vorhanden, um diese Aufgabe anzugehen. Zunächst ist an die finanziellen Rahmenbedingungen zu erinnern: Pro Teilnehmer gab es 3 x 25 Unterrichtsstunden mit einer Förderung von rd. 1 € je UStd. Das addiert sich auf 75 € pro Teilnehmer über einen Zeitraum von mindestens 300 UStd Deutschkurs. a) Erfahrungen eines Trägers (SFS) 30 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Ein sehr begrenztes Budget, mit dem eine hauptberufliche Stelle nur bei einem Träger, der mehrere Intensivkurse aus verschiedenen Finanzierungen parallel laufen hat, finanziert werden kann. In Duisburg war dies bei der SFS der Fall. Hier ein stichwortartiger Erfahrungsbericht dieses Trägers: Organisation Aufgaben: Beratung in Kurs- und privaten Angelegenheiten, Konflikte zwischen Teilnehmern, Hilfe bei Behördenangelegenheiten, Anrufe erledigen in allen Belangen, allgemeine Anlaufstelle. Beratungsform: Einzelgespräche, bei Kursangelegenheiten mit dem Kursleiter. Ziele und Problemlagen der Teilnehmenden Ziele: Deutsch lernen, um nicht vom Partner abhängig zu sein, um besser/überhaupt Arbeit zu finden, um sich selbst zurechtzufinden. Motivation und Interesse der Teilnehmenden: anfangs sehr hoch, lässt nach, wenn sich nicht rasch Erfolge einstellen. Problemlagen: 1 Kurs mit Neuzuwanderern (vorw. junge Männer): Teilnehmer sind nicht an deutsches Denken und Handeln und „schulisches“ Arbeiten gewöhnt: Zwischenrufe, Pünktlichkeit. Stellenwert Schlüsselfunktion im Nullanfänger-Neuzuwanderer-Kurs, auch Kursleitung braucht Hilfestellung bei psychosozialen Teilnehmer-Problemen. A1/A2-Kurse: mehr amtliche Angelegenheiten. Alle Probleme wurden bisher bewältigt bzw. den Teilnehmenden Anlaufstellen genannt, in denen ihnen geholfen werden konnte. Veränderung im Kursverlauf: Probleme werden persönlicher, wenn Vertrauensbasis hergestellt ist. Anregungen zur Optimierung: Abend mit Familien organisieren, wöchentliche Gruppendiskussion, spezielle Einführungswoche. 31 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg b) Verschiedene Konzeptionen Bei den Diskussionen im Duisburger Trägernetz kamen unterschiedliche Konzeptionen zur sozialpädagogischen Begleitung in Sicht. - Als themenbezogene Leistung im Deutschkurs, zu Themen des Zusammenlebens (z.B. Bildungswesen, soziale Dienste, Verbraucherschutz, Umwelt, Gesundheit, Einbürgerung), eventuell auch dem Deutschkurs vorgeschaltet in der Herkunftssprache (Orientierungskurs). - Als (Teil)-Finanzierung eines mobilen oder zentralen Beratungs- und Lotsenservices zur Integration. Die Schecks aller Teilnehmer aller Träger in Duisburg werden entnommen zur Finanzierung des Service-Angebots, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Einzelnen. - Als Finanzierungsbeitrag bei persönlicher Inanspruchnahme einer Sozialberatungsstelle der Wohlfahrtsverbände. Der Ratsuchende finanziert durch Herausgabe eines Schecks an den Berater die Einrichtung mit. Der Scheck ist dann eher der Gegenwert für eine Fall-Beratung und nicht mehr für 25 UStd. „Begleitung“. - Als zusätzlichen Einsatz der Kursleitungen. In einem gewissen Umfang nehmen sie diese Aufgabe schon im Rahmen des Kurses wahr: Vor und nach dem Kurs und in den Pausen. Sie sind die ersten und direkten Ansprechpartner der Deutschlerner, mitunter auch für ihre Ehepartner. Anderes Personal muss erst eingeführt werden. Eine Aufstockung der Kursstunden um Zeiten für sozialpädagogische Begleitung durch die Kursleitung könnte gute Dienste leisten, eventuell mit Unterstützung eines Dolmetschers. 32 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg Von besonderer Bedeutung ist die Frage nach der Sprache, in der die sozialpädagogische Begleitung erfolgen soll. Die Fremdsprachenkompetenzen der Sozialberatung der Wohlfahrtsverbände ist nicht unbedingt identisch mit der Zusammensetzung der Kurse. Beispielsweise sind zur Zeit Italienisch und Griechisch in Duisburg sehr selten als Ausgangssprache in den Kursen vertreten, wohingegen Polnisch eine nennenswerte Bedeutung hat aber leider nicht als Beratungsservice angeboten wird. Die Schnittstelle zwischen Sprach- und Integrationskonzept ist sichtbar, die Methoden des Transfers konnten aber in Duisburg noch nicht bis zur Praxisreife entwickelt werden. Impressum Beiträge von: Barbara Aldag, Gisela Böllert, Robert Egg, Wolfgang Esch, Marion Overhoff-Sovuksu Redaktion: Wolfgang Esch, Telefon (02 03) 2 83-36 98, E-Mail [email protected] Internationales Zentrum der VHS, Flachsmarkt (am Innenhafen), 47051 Duisburg Stadt Duisburg, Volkshochschule (Fachbereiche Deutsch und interkulturelle Bildung) sowie Koordinierungsgruppe der Stabsstelle für Zuwanderung und Integration 33 „Alle lernen Deutsch – Zuwanderer besser integrieren“ Gesamtsprachkonzept des Bundes / Erprobung in Duisburg in Zusammenarbeit mit: Marieluise Höltge (SFS GmbH), Marlies Kurfeß-Thiesbonenkamp (ev. FBW), Elke Marnette (AWO-FBW), Ansgar Stötzel (kath. FBS Hamborn) aus dem Träger-Netz „Deutsch lernen in Duisburg“ Duisburg, Mai 2003 34