Erfahrungsbericht über ein Erasmus-Auslandsemester in Szeged, Ungarn Philine Riem ([email protected]) Allgemeines: Szeged ist nach Budapest, Debrecen und Miskolc die 4.größte Stadt Ungarns und wird von den Ungarn auch Sun City genannt weil es die Stadt mit den meisten Sonnenstunden in Ungarn ist. Es liegt im Süden Ungarns an der Grenze zu Serbien und ist eine Studentenstadtnicht übermäßig groß, sehr übersichtlich und beherbergt Studenten aus der ganzen Welt. Zum Medizinstudium kommen viele ausländische Studenten nach Ungarn, wenn sie in ihrem Land keinen Studienplatz bekommen haben oder sich von der Ausbildung dort mehr versprechen als in ihrem Heimatland. Bis zum Physikum kann man auf deutsch studieren, danach muss man entweder auf englisch wechseln oder wieder nach Deutschland gehen. Medizinstudium: Ich war die einzige Erasmusstudentin in meinem Jahr- das Studium ist nicht in Semester sondern in Jahre aufgeteilt. Dementsprechend war ich ziemlich auf mich alleine gestellt und musste mir meinen Stundenplan ohne jegliche Hilfe von anderen selbst zusammenstellen. Der Erasmus-Koordinator für Medizin in Szeged hat absolut keine Ahnung vom Studienaufbau und von den Problemen der Erasmusstudenten aus dem Ausland, er sieht es auch nicht als seine Aufgabe sondern unterschreibt nur, was man ihm unter die Nase hält. Zu Beginn des Erasmusaufenthalt muss man also ins Auslandsbüro für Mediziner gehen und dort deutlich machen, dass man Erasmus Student ist und nicht zu den ausländischen Studenten, die gegen Bezahlung studieren, gehört. Dann bekommt man ein Heft, in dem sämtliche Kurse stehen, die im Laufe des Studiums stattfinden, aufgeteilt in Jahre und Halbjahre und muss sich seine Kurse so raussuchen, dass sie sich nicht überschneiden. Klar sein sollte man sich dabei, dass der Stundenplan keine Allgemeingültigkeit hat, Professoren können auch nach Belieben Vorlesungen verschieben, in Absprache mit den regulären Studenten aber ohne Erasmusstudenten, von denen man im Zweifelsfall eh nichts weiss, vorher zu informieren. Also nicht verzweifeln, wenn man eine Stunden zu spät zur Vorlesung kommt weil sie verschoben wurde und von allen blöd angeguckt wird, dass man sich für eine halbe Stunde zur Vorlesung bequemt. Die Qualität der Veranstaltungen ist unterschiedlich, fachlich meistens recht gut aber oft dank mangelnder Englischsprachkenntnisse der Dozent nur bedingt zur Genießen. Gut waren insgesamt die Praktika, die so organisiert sind, dass man jeweils einmal in der Woche 2 Stunden in der jeweiligen Klinik Patienten vorgestellt bekommt. Problematisch ist natürlich die Anamnese auf ungarisch- die auch die seit 4 Jahren in Ungarn lebenden Studenten nur sehr begrenzt vornehmen können, man ist also immer darauf angewiesen, dass ein Arzt dabei ist, der übersetzen kann. Meistens lassen die Ärzte in den Krankenhäusern einen aber so einiges machen, von Babys abhören, abtasten und Reflexe testen über digital rektale Untersuchung und Katheterisieren – man muss allerdings Eigeninitiative zeigen, da die anderen ausländischen Studenten sehr ehrgeizig sind und die Möglichkeiten gerne an sich reissen. Was die Integration ins Semester betrifft, muss man ebenfalls geduldig sein. Viele ausländische Studenten sind hauptsächlich in Ungarn, um zu studieren, und verbringen die Zeit eher mehr mit Lernen und weniger mit Freizeit, so dass man sich, um das Leben in Ungarn, die Menschen, die Kultur und die Sprache kennen zu lernen, eher andere Kontakte suchen muss. Leben in Ungarn: Die Sprache stellt wohl das größte Hindernis dar weil sie ohne Vorkenntnisse innerhalb von kurzer Zeit unmöglich so zu lernen ist, dass man sich problemlos verständigen kann. Selbst mit einigen hart erarbeiteten Brocken ist es schwer, da die meisten Ungarn im Umgang mit Ausländern eine recht negative Einstellung an den Tag legen. Das darf man aber nicht persönlich nehmen sondern eher als Zeichen von Unsicherheit werten und sich nichts daraus machen. Bis zu den 90ern haben die Ungarn keine Fremdsprachen gelernt oder höchstens russisch, deswegen kommt man mit englisch selbst in der Hauptstadt oft nicht weiter. Von der älteren Generation sprechen noch einige deutsch, bei den Jugendlichen/ Studenten ist es meistens so, dass sie entweder deutsch oder englisch sprechen. Das Leben ist günstiger, vor allem Dienstleistungen. Im Geschäft bezahlt man in etwa gleichviel wie in Deutschland aber wenn man abends ausgeht, kostet der Eintritt mit Studentenausweis wenig und die Getränke auch relativ, was einen aber auch dazu verführen kann, im Endeffekt doch mehr auszugeben als man vorhatte. Wohnungen kann man über das Erasmusbüro vermittelt bekommen, wird aber manchmal von den ungarischen Studenten, die dort arbeiten und es einem vermittelt- abgezockt. Also am besten erst mal selbst versuchen bevor man auf diese Möglichkeit zurück greift. Für 300 Euro bekommt man eine große Wohnung mit perfekter Lage, für die Hälfte ein Zimmer in einer Wg in einem Plattenbau- ist in 5 Minuten mit dem Fahrrad im Zentrum und lernt wahrscheinlich wesentlich mehr über Land und Leute. Wenn man sich wirklich für Ungarn interessiert, muss man sich ein bisschen von den Erasmusleuten distanzieren und versuchen, mit Einheimischen in Kontakt zu kommenmanchmal nicht ganz so leicht aber es lohnt sich.