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Schmerztherapie bei suchtmittelabhängigen
Patienten
SANSOME C.1, GÖBEL H. 2, GRALOW I.3, GRÜSSER S.M.4, SCHENK M.1, JELLINEK
C.5, ERNST G.6, HERMANNS K.7 GÖLZ J.8, POSER W. 9,STRUMPF M. 10 , KOX W.1,
SPIES C.1
1
Kliniken für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Charite, HumboldtUniversität zu Berlin, 2Neurologischverhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel,
3Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin,
Universitätsklinikum Münster, 4Institut für Psychologie, Humboldt-Universität zu
Berlin, 5Ambulanz für integrierte Drogenhilfe a-i-d, Berlin, 6Kongsberg
Sykehuset, Anesthesie, Kongsberg, Norwegen, 7Praxis für Schmerztherapie,
Berlin, 8Praxiszentrum, Berlin, 9Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie,
Universität Göttingen, 10 Klinik für Anästhesiologie Intensiv- und
Schmerztherapie, Rotes Kreuz Krankenhaus, Bochum
Prof. Dr. med. Claudia Spies
Charité, Universitätsklinikum der Humboldt-Universität zu Berlin
Campus Charité Mitte
Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
Schumannstr. 20/21
D-10117 Berlin
E-Mail: [email protected]
Telefon: 030 450-531052
Telefax: 030 450-531911
1
Zusammenfassung:
Hintergrund: Der ethische und juristische Konsens gebietet das Recht eines jeden Menschen auf
eine adäquate und effektive Schmerztherapie. Jedoch untersuchen nur wenige Studien die
Besonderheiten der Schmerztherapie bei suchtmittelabhängigen beziehungsweise ehemals
abhängigen Patienten.
Zusammenfassung: Eine der Pathophysiologie adäquate Schmerztherapie macht nicht abhängig.
Eine Suchterkrankung darf eine suffiziente Schmerztherapie nicht behindern.
Suchtmittelabhängigkeit ist ungünstig für eine erfolgreiche Schmerztherapie, da unter Umständen
Medikamente verordnet werden, die eine gleichartige Abhängigkeit erzeugen können. Zusätzlich
besteht die Gefahr einer iatrogenen Schmerzchronifizierung durch Ignoranz bekannter
Risikofaktoren und Komorbiditäten.
Schlussfolgerung: Patienten mit einer Suchterkrankung können eine adäquate Schmerztherapie
erhalten. Größte Erfolgsaussichten werden bei Beachtung der physiologischen und psychischen
Besonderheiten von Suchterkrankten mit einer Ausschöpfung verschiedenster multimodaler
Therapieansätze sowie einer interdisziplinären Herangehensweise erzielt.
Schlüsselwörter: Suchtmittelabhängigkeit, Schmerztherapie, interdisziplinärer
Therapieansatz
2
Pain Therapy in Addicted Patients
Background: Each individual is entitled to an adequate and sufficient pain therapy. However, only
few studies examine the peculiarities of pain management in addicted or formerly addicted
patients.
Summary: There is no risk for addiction when the employed pain therapy is adequate to
pathophysiology. An addiction should not obstruct a sufficient pain therapy. However, an
addiction is disadvantageous for a successful pain therapy, since some of the prescribed drugs may
cause addiction themselves. Additionally, there is a risk of iatrogenic pain chronification due to
disregard of already known risk factors and co-morbidities.
Conclusion: There is adequate pain therapy for addicted patients. Best results are achieved by
taking into account the physiological and psychological peculiarities of addicted patients.
Importantly, this should be combined with a variety of different optimized multimodal therapeutic
regimes as well as with an interdisciplinary approach.
Key words: addiction, pain therapy, interdisciplinary approach
3
Eine Metaanalyse über 24 Studien zu chronischen Schmerzpatienten und
Abhängigkeitserkrankungen ergab eine Prävalenz für eine
Suchtmittelabhängigkeit unter den Schmerzpatienten zwischen 3% bis 19%. Nur 7
Studien erfolgten mit standardisierter Erfassung im Sinne von akzeptablen
diagnostischen Kriterien und/oder Definitionen für Drogenabusus (2 mit
Drogenscreening) [12].
Die Diagnostik der Abhängigkeitsform sollte nach ICD-10 [15] oder DSM-IV
(Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - Fourth Edition) [10, 11]
Kriterien erfolgen. Neben der Differenzierung der zugrunde liegenden
Schmerzsymptomatik – Akutschmerz (posttraumatisch, postoperativ),
Tumorschmerz oder chronische Schmerzsyndrome – ist eine fachkompetente
Diagnostik der zumeist vorhandenen psychischen Komorbiditäten entscheidend
für die weitere Therapieplanung. Je komplexer die Ätiologie der vorliegenden
Erkrankung ist, desto mehr ist eine interdisziplinäre Behandlung, einschließlich
nicht-pharmakologischer und psychotherapeutischer Verfahren notwendig.
Praktische Empfehlungen bei der Therapie suchtmittelabhängiger Patienten
Die Schmerztherapie suchtmittelabhängiger Patienten stellt ein schwieriges
klinisches Problem dar. So kann eine insuffizient durchgeführte Schmerztherapie
(neben der ethischen Fragwürdigkeit) zur Schmerzchronifizierung führen und
zusätzlich den Umgang des Patienten mit seiner Suchtproblematik erschweren.
Grundsätzlich gelten zunächst die gleichen Leitlinien wie bei Patienten, bei denen
keine Suchterkrankung vorliegt. Aufgrund der Suchtmittelabhängigkeit ergeben
sich allerdings einige Besonderheiten deren Beachtung eine wichtige Rolle bei der
Schmerztherapie zukommt.
Beim Einsatz von Arzneimitteln in der Schmerztherapie sollten folgende
Voraussetzungen berücksichtigt werden [1]:
Untersuchung und Diagnostik:
Eine umfangreiche Anamnese und körperliche Untersuchung muss durchgeführt
und dokumentiert werden. Dabei ist insbesondere auf die Erfordernisse der
speziellen Schmerztherapie Rücksicht zu nehmen. Die Untersuchung schließt
unter anderem die Erfassung der Schmerzintensität, des Schmerzcharakters, des
zeitlichen Auftretens der Schmerzen, der bisherigen Behandlungsmaßnahmen, der
verantwortlichen biologischen Faktoren, sowie der psychischen, sozialen und
arbeitsplatzmäßigen Bedingungen der Schmerzen ein [1].
Behandlungsplan:
Die Behandlungsziele müssen klar definiert werden. Ziele können die
Schmerzreduktion, die Wiederherstellung der psychischen und sozialen
Funktionen, die Arbeitsfähigkeit etc. sein. Die geplante Therapie muss durch
laufende Verlaufs- und Erfolgskontrollen angepasst werden. Zusätzliche
interdisziplinäre schmerztherapeutische Maßnahmen müssen ebenfalls in das
Therapieprogramm eingebaut werden. Dazu zählen insbesondere
verhaltensmedizinische Therapieoptionen, physiotherapeutische und
psychiatrische Therapiemaßnahmen [1].
Information und Aufklärung des Patienten:
4
Bei der Entscheidung zur Verwendung von Opioidanalgetika oder Ko-Analgetika
mit einem möglichen Missbrauchspotential muss der Patient genau aufgeklärt
werden. Die Verordnung solcher Arzneimittel darf nur durch einen Arzt erfolgen.
Die verordneten Medikamente sollten nach Möglichkeit auch nur in einer
speziellen Apotheke abgegeben werden. Der Patient sollte einen Opioidausweis
mit sich führen. Besteht bei einem individuellen Patienten die Annahme, dass das
Risiko für einen Missbrauch der Arzneimittel gegeben ist, sollte eine spezielle
Vereinbarung zwischen dem verordnenden Arzt und dem Patienten zum Einsatz
dieser Arzneimittel abgeschlossen werden. Diese soll den Konsens bestätigen,
dass gegebenenfalls regelmäßige Urin- und Serumspiegel erfolgen können, eine
exakte Angabe der Verschreibungsmengen festgelegt wird sowie die Gründe
vereinbart werden, die eine mögliche Beendigung der Arzneimitteltherapie
zwingend erforderlich machen[1].
Verlaufs- und Erfolgskontrollen:
Der Behandlungsverlauf muss regelmäßig, den individuellen Erfordernissen
angepasst, kontrolliert werden. Gegebenenfalls müssen Therapieanpassungen
erfolgen. Dabei sind folgende Parameter des Therapieverlaufs insbesondere zu
berücksichtigen: Schmerzsituation, physische und psychische
Funktionsfähigkeiten, Arbeitsfähigkeit, Alltagsaktivitäten, Lebensqualität sowie
soziale Aspekte. Sollte eine ausreichende Besserung der erforderlichen Parameter
nicht mit dem eingesetzten Therapieschema möglich sein, muss dieses angepasst
werden, und gegebenenfalls nach adäquater Ausdosierung wieder reduziert oder
umgesetzt werden. Dabei muss eine Institution involviert sein, die die
zeitgemäßen Möglichkeiten der speziellen Schmerztherapie den Patienten zur
Verfügung stellen kann [1].
Dokumentation:
Während des gesamten Behandlungsverlaufs muss eine zuverlässige
Dokumentation gewährleistet sein. Diese muss unter anderem die Vorgeschichte,
die Untersuchungsergebnisse, die diagnostischen und therapeutischen
Untersuchungsergebnisse, die Therapieverlaufskontrollen, die Therapieziele, die
Diskussion der Risiken und Vorteile der Therapie, der eingesetzten Medikamente
und sonstigen Therapiemaßnahmen, die individuell getroffenen Vereinbarungen
und Verabredungen sowie die Ergebnisse der kontinuierlichen Erfolgs- und
Verlaufskontrollen beinhalten. Die Dokumentation sollte so gestaltet sein, dass sie
jederzeit von Dritten nachvollzogen werden kann und verfügbar ist [1].
Patienten, die im Anschluss an eine Suchtbehandlung akute oder chronische
Schmerzen haben, sollten wie alle anderen Schmerzpatienten eine adäquate
Schmerztherapie erhalten. Auch für diese gelten die allgemeinen Regeln.
Hervorzuheben ist ein besonders strukturiertes Management bei ambulanter
Behandlung mit Opioiden. Hierzu zählen insbesondere [2, 21]:






Sichere Diagnostik der Plausibilität eines opioidpflichtigen Schmerzes
Durch Urinkontrollen Benzodiazepin- und Barbituratkonsum ausschließen
Zweitabhängigkeit von Alkohol ausschließen
Keine partiellen Antagonisten bei Substitution
Das Substitut zählt nicht als schmerzdämpfendes Medikament
Substitut und Schmerzopioid erhöhen nicht die Nebenwirkungen
5










Bei Gabe retardierter Morphine Kenntnis der Interaktionen mit
Medikamenten, die häufig bei drogenassoziierten Erkrankungen eingesetzt
werden
Opioiddosen zur Schmerztherapie sind bei Substituierten oft höher
anzusetzen als bei Nicht-Opioidabhängigen
Opioiddosen bei Abstinenten Opiatabhängigen entsprechen denen bei
Nicht-Opioidabhängigen
Die Halbwertszeit des Opioids für die Schmerztherapie sollte höchstens
die Hälfte der Halbwertszeit des Opioids zur Substitution besitzen
Schriftlicher Kontakt
Regelmäßige Termine
Begrenzte Mengen rezeptieren
Verbrauch kontrollieren
Regelmäßiges Drogenscreening
Bezugspersonen einbinden
Schmerzpatienten mit einem hohen Risiko für die Entwicklung einer
Arzneimittelsucht zeigen folgende Besonderheiten {26, 27}:






In der Vorgeschichte Hinweise für einen Substanzmissbrauch
Abnorme Präsentation von Krankheitssymptomen und ein abnormes
Krankheitsverhalten.
Eine Familienanamnese für Substanzmissbrauch
Missbrauch in der Kindheit
Information über euphorische Effekte nach Einsatz von Opioidanalgetik
Niedrige Frustrationstoleranz, Persönlichkeitsstörungen, mangelnde
Bewältigungsstrategien und psychosoziale Stressfaktoren
Es gibt einige Lösungsansätze, suchtkranke Patienten mit Schmerzen zufrieden
stellend analgetisch zu therapieren. Zunächst kann auch bei suchtkranken
Patienten das bekannte WHO-Stufenschema als Orientierungshilfe dienen, wobei
der opioidgewohnte Patient einen höheren Bedarf als der opioidnaive Patient hat.
Hierbei wird nur die Schmerzstärke, nicht die Ätiologie des Schmerzes betrachtet.
Zu einer zeitgemäßen Schmerztherapie gehört auch der Einsatz von KoAnalgetika neben der Verwendung von Non-Opioid- und Opioidanalgetika.
Medikamentenmissbrauch ist dabei ein ernsthaftes Problem. Dies gilt
insbesondere für eine Reihe von Arzneimitteln bei denen mehrere Arzneistoffe, in
der Regel verschiedene analgetische Wirkstoffe in Verbindung mit Ko-Analgetika
in fester Kombination beinhaltet sind. Einige solcher Arzneimittel werden im
Rahmen der Selbstmedikation rezeptfrei in Apotheken abgegeben.
Medikamentenfehlgebrauch und –missbrauch ist dabei ein weit verbreitetes
Gesundheitsproblem. Insgesamt gab es im Jahr 2001 ca. 1,4 Mio.
Medikamentenabhängige in Deutschland, davon ca. 1,1 Mio. Abhängige von
Benzodiazepinderivaten und 0,3 Mio. von anderen Arzneimitteln [13]. Im Jahr
2001 hatten rezeptfreie Arzneimittel aus Apotheken (auch im Rahmen der
Selbstmedikation) und Verbrauchermärkten ein Umsatzvolumen von ca. 7,3 Mrd.
Euro, entsprechend 961 Mio. verkauften Packungsmengen [13]
Invasive Methoden:
6
Speziell bei suchtkranken Patienten eignen sich invasive Verfahren zur
Schmerztherapie bei richtiger Durchführung und Indikation. Die Durchführung
invasiver Verfahren setzt das Wissen um die richtige differenzierte
Indikationsstellung voraus, bedarf eines großen Maßes an Erfahrung und Übung
in der Durchführung praktischer Verfahren. Bei entsprechend häufigem Umgang
mit dieser Therapieform sind sie sehr sichere Verfahren mit geringer
Komplikationsrate.
Zu den invasiven Methoden zählen die Nervenleitungsanästhesie und der
Neurostimulation.
Bei der Neurostimulation existieren zwei gut etablierte Verfahren: Dies ist zum
einen die Transcutane Elektrische Nervenstimulation (TENS), zum anderen das
Verfahren der Spinal Cord Stimulation (SCS) [27]. Bei beiden Verfahren werden
über einen Gleichstromgenerator elektrische Impulse definierter Stromstärke,
Frequenz und Impulsbreite induziert. Dies geschieht entweder transcutan (TENS)
oder im Bereich der Hinterstränge des Rückenmarkes (SCS). Die Stromstärke
wird so gewählt, dass der Patient nur Kribbelparästhesien, aber keine
schmerzhaften Sensationen wahrnimmt. Die stromleitenden Elektroden werden
bei der am häufigsten verwendeten Methode des Hi-TENS über die den Schmerz
leitenden Nerven, bzw. nahe den Hintersträngen des Rückenmarkes angelegt.
Bei der Nervenleitungsanästhesie geht es um die Blockade sensibler, von mit dem
Schmerzreiz kommunizierender Nervenfasern. Die Besonderheit dieser Verfahren
besteht in der rezeptornahen Medikamentenapplikation, die über entsprechende
Punktions- und Kathetertechniken erreicht wird. Im Vergleich zu einer
systemischen Applikation hat die rezeptornahe Medikamentengabe den Vorteil
einer deutlich reduzierten Dosis bei verbesserter Wirksamkeit. Entsprechend dem
Schmerzareal werden die Verfahren entweder als sogenannte zentrale
(rückenmarksnahe) oder als periphere Nervenleitungsanästhesie durchgeführt. Bei
beiden Verfahren besteht die Möglichkeit, eine einmalige Gabe („Single-Shot“)
oder ein kontinuierliches Katheterverfahren durchzuführen. Die kontinuierlichen
Verfahren, die in erster Linie im Bereich der postoperativen Schmerztherapie zum
Einsatz kommen, werden nur temporär eingesetzt. Hierbei besteht bei längerer
Liegedauer eine erhöhte Infektionsgefahr. Soll ein rückenmarksnahes
Analgesieverfahren über einen längeren Zeitraum zum Einsatz kommen, müssen
sogenannte „halbgeschlossene“ oder „geschlossene“ Systeme implantiert werden.
Halbgeschlossene Systeme verwenden Spinal- oder Epiduralkatheter mit Port. Die
Medikamentenzufuhr erfolgt hierbei kontinuierlich über den Port, das
Infektionsrisiko ist gegenüber dem geschlossenen System erhöht. Geschlossene
Systeme dagegen verwenden implantierte Pumpen, die Befüllung geschieht im
Durchschnitt alle vier Wochen. Katheter- und Portpumpen-Implantationen werden
vor allem bei Patienten mit chronischen Schmerzen maligner (Tumorschmerzen)
und nicht-maligner Genese durchgeführt.
Zu den üblicherweise verwendeten Medikamenten zählen Lokalanästhetika und
Opioide. Seltener zur Verwendung kommen α2-Adrenozeptor-Agonisten,
NMDA-Rezeptor-Antagonisten, GABA-Agonisten und andere.
Lokalanästhetika wirken über vorübergehende Blockade der
spannungsabhängigen Na+-Kanäle im Bereich der Axone im Sinne eines NichtDepolarisationsblocks und verhindern so die Reizweiterleitung. Ziel bei
7
schmerztherapeutischer Indikation ist der sogenannte Differentialblock, das heißt,
die Blockade nur der schmerzleitenden Fasern unter Aussparung der afferenten
sensiblen Aβ- und motorischen Aα- und Aγ-Fasern. Dies wird durch die Auswahl
der für diesen Zweck geeigneten Lokalanästhetika sowie einer möglichst
niedrigen Dosis (Konzentration) der verwendeten Lokalanästhetika und durch
Kombination mit anderen analgetisch wirksamen Substanzen erreicht.
Von den Lokalanästhetika, die eine besondere Affinität zu den schmerzleitenden
afferenten Aδ- und C-Fasern haben, scheint Ropivacain, das zu der Gruppe der
Amino-Amide gehört, wegen seiner geringen Kardiotoxizität als langwirkendes
Lokalanästhetikum am besten für den Bereich der postoperativen Schmerztherapie
geeignet zu sein. Es wird eine Konzentration von 0,2 % als Monosubstanz oder
von 0,1% als Kombination mit einem Opioid, meist mit Sufentanil, zur
kontinuierlichen periduralen Gabe verwendet.
Opioide sind die Referenzsubstanzen zur Therapie starker und stärkster
Schmerzen (WHO Stufe II und III). Ihre analgetische Wirkung wird von
unerwünschten Wirkungen wie Sedierung, Obstipation und Übelkeit begleitet. Die
Auslösung einer Sucht wird bei der therapeutischen Gabe von Opioiden zur
Analgesie als eines der Hauptprobleme angesehen. Deshalb wird die Gabe von
Opioiden bei suchtkranken Patienten als kritisch angesehen. Dies ist bedeutsam
bei der Gabe nicht-retardierter Präparate. Werden retardierte Präparate verwendet,
ist dieses Risiko sicherlich sehr gering und bei korrekter Indikationsstellung von
keiner großen klinischen Relevanz (Frankfurter Konsensus [17, 18]). Dies ist vor
allem darin begründet, dass retardierte, langwirksame Opioide kaum positive
psychische oder seelische Effekte, d.h. angenehme Gefühle, erzeugen.
Im Bereich peripherer Nerven sind Opioide spezifisch unwirksam, ihr Effekt ist
hier fast ausschließlich systemisch. Im Bereich des Rückenmarks bei intrathekaler
oder periduraler Gabe sind sie allerdings hochwirksam und entfalten ihre Wirkung
primär über lokale μ -Rezeptoren im Bereich der Substantia gelatinosa. Bei dieser
Methode können rezeptornahe (im Liquor) extrem hohe Konzentrationen bei
äußerst niedrigen systemischen Plasmaspiegeln erreicht werden. Dieses impliziert
dann eine besonders gute klinische Wirksamkeit bei geringem oder nicht
vorhandenem systemischen Nebenwirkungsprofil [20]
Verwendete Substanzen sind Morphin, Fentanyl und Sufentanil. Im
rückenmarksnahen Bereich ist Morphin für die intrathekale und peridurale
Applikation, Sufentanil für die peridurale Gabe und Fentanyl überhaupt nicht
zugelassen. Alle drei Substanzen sind aber für beide Applikationswege sehr gut
evaluiert, wobei es die meiste Erfahrung mit der Referenzsubstanz Morphin gibt.
Im Bereich der postoperativen Schmerztherapie werden Opioide entweder als
Monosubstanz intrathekal oder peridural appliziert, oder, häufiger, peridural mit
Lokalanästhetika kombiniert. Die Kombination von Lokalanästhetika mit
Opioiden ermöglicht über den auftretenden additiven Effekt eine Dosisreduktion
der Lokalanästhetika und so die Durchführung eines Differentialblockes. Bei
chronisch schmerzkranken Patienten werden rückenmarksnahe Opioidtherapien
nur über sogenannte halbgeschlossene Systeme durchgeführt. Hier kommen
Lokalanästhetika wegen zu hoher Pumpflussraten nicht zum Einsatz, sondern
Opioide (meist Morphin), teilweise in Kombination mit α2-AdrenozeptorAgonisten (meist Clonidin). Die ausgezeichnete Wirkung neuraxial applizierter
Opioide zur Therapie starker und stärkster Schmerzen ist nachgewiesen.
8
α2-Adrenozeptor-Agonisten, wirken an α2-Rezeptoren, die im gesamten ZNS
ubiquitär vorkommen. Diese Rezeptoren sind auch im Bereich des Rückenmarks
vorhanden. Neuraxiale Gabe eines α2-Rezeptor-Agonisten bewirkt klinisch einen
analgetischen Effekt. Meist reicht dieser Effekt bei Monotherapie nicht zur
Behandlung starker oder stärkster Schmerzen aus, bewirkt aber als so genanntes
Ko-Analgetikum mit anderen Substanzen eine deutliche Verbesserung der
Qualität der Analgesie [14]. Clonidin ist hier die Referenzsubstanz. Clonidin ist
für peridurale und intrathekale Gabe nicht zugelassen. Die Anwendung von
Clonidin ist allerdings Standard in unterschiedlichsten klinischen Situationen. Die
zentral dämpfenden, sedierenden Effekte werden seit langem bei der Behandlung
des Alkoholentzugdelirs mit Erfolg genutzt. Clonidin spielt als Ko-Analgetikum
bei der Schmerztherapie von Suchtpatienten insofern eine besondere Rolle, als
seine dämpfenden Wirkungen, die bei anderen Patientengruppen eher
unerwünscht sein können, hier von Bedeutung sein können. Die unerwünschte
Wirkungen von Clonidin bei systemischer und neuraxialer Gabe sind qualitativ
die gleichen: Sedierung, Bradykardie, Hypotension.
Für die Schmerztherapie suchtkranker Patienten lässt sich nun folgende
Empfehlung aussprechen: Bei Karzinompatienten ist eine Opioidtherapie stets
indiziert. Bei Schmerzen nicht-maligner Genese hat die rückenmarknahe Gabe
von Opioiden im Vergleich zu einer systemischen den Vorteil extrem niedriger
Plasmaspiegel mit kaum systemischer Wirkung. Die Gabe von Opioiden bei
alkoholkranken oder benzodiazepinabhängigen Patienten gilt im Bereich der
postoperativen Schmerztherapie als unbedenklich. Bei opioidabhängigen
Patienten, die aktuell noch keinen Entzug durchmachen, ist in einer
postoperativen klinischen Situation eine Opioidtherapie in der Regel kaum
vermeidbar. Entzugssymptome sind möglichst zu vermeiden, da die
Entzugssymptomatik selbst zusätzlich Schmerzen mit sich bringen kann. Diese
Patienten sollten mit Methadon perioperativ substituiert und mit einer „Patient
Controlled Analgesia“ (PCA) versorgt werden [26]. Zur Übersicht siehe Tabelle
1.
Wichtige Begriffsdefinitionen:
Die nachfolgenden Begriffsdefinitionen präzisieren die Kommunikation im
Rahmen der speziellen Schmerztherapie in Bezug auf Termini in der
Suchtmedizin:
Analgetikatoleranz:
Die Analgetikatoleranz wird definiert durch die Notwendigkeit zur Dosiserhöhung
eines Analgetikums um das gleiche Ausmaß der Schmerzreduktion beizubehalten.
Die Analgetikatoleranz kann während einer Opioidanalgetikatherapie auftreten, in
der Regel besteht sie jedoch nicht. Vielmehr ist die erforderliche Dosissteigerung
durch die Zunahme der Schmerzursache zu erklären. Analgetikatoleranz ist nicht
mit Analgetikasucht gleichzusetzen. Toleranz ist eine physiologische Situation
aufgrund der regelmäßigen Langzeiteinnahme eines Arzneimittels mit einer
kontinuierlichen Dosissteigerung um den gleichen schmerzlindernden Effekt zu
erzielen wie mit den vorher gewählten Dosierungen. Analgetikatoleranz entsteht
sehr häufig in der Behandlung von Kopfschmerzen. Bei einer Einnahme von
Akutmedikamenten zur Kopfschmerztherapie an mehr als 10 Tagen pro Monat ist
mit einer Attackenfrequenzsteigerung und der Notwendigkeit zur
9
Medikamenteneinnahme zu rechnen (sog. Medikamenten-induzierter
Dauerkopfschmerz).
Schmerzmittelsucht:
Die Schmerzmittelsucht ist ein neurologisches und verhaltenbezogenes Syndrom,
verursacht durch genetische und umweltbedingte Einflüsse. Die
Schmerzmittelsucht führt zur psychischen Abhängigkeit von einer Substanz, um
die wirkstoffbedingten psychischen Effekte zu erhalten. Schmerzmittelsucht ist
durch kontinuierlichen Gebrauch der Substanzen trotz der durch sie bedingten
Schädigungen charakterisiert. Physische Abhängigkeit und Toleranz sind
physiologische Folgen einer langdauernden Opioidtherapie und sollten nicht mit
Opioidsucht verwechselt werden.
Physische Schmerzmittel-Abhängigkeit:
Die Physische Schmerzmittel-Abhängigkeit ist ein physiologischer Zustand der
Neuroadaptation. Der Zustand ist dadurch charakterisiert, dass ein
Entzugssyndrom entsteht, wenn die Zufuhr des Wirkstoffs abrupt gestoppt wird
oder ein Antagonist eingesetzt wird. Physische Abhängigkeit entsteht bei
Langzeiteinsatz eines Opioidanalgetikums. Physische Abhängigkeit ist nicht
gleichzusetzen mit Sucht. Die Entzugsreaktion kann vermieden werden, in dem
eine graduelle Dosisreduktion von rund fünf Prozent pro Tag erfolgt.
Analgetikamissbrauch:
Analgetikamissbrauch ist der Einsatz von Analgetika außerhalb therapeutischer
Anwendungszwecke.
Pseudosucht:
Pseudosucht ist ein Verhaltensmuster von Patienten mit akuten oder chronischen
Schmerzen auf der Suche nach einem adäquaten Schmerzmittel. Diese Situation
darf nicht mit Sucht verwechselt werden. Der Schmerztherapeut kann
Pseudosucht von tatsächlichem Suchtverhalten durch eine Reihe von Merkmalen
abgrenzen. Bei der Pseudosucht besteht eine mangelnde und unzureichende
Schmerztherapie. Aufgrund dieser Not zeigt der Patient ein adäquates
Gesundheitsverhalten um eine effektive Arzneimitteltherapie zu bekommen, zum
Beispiel eine Dosiserhöhung oder eine frühere Einnahme aufgrund eines zu lange
gewählten Dosisintervalls. Hinweise, dass der Patient ein Suchtverhalten aufrecht
erhält und nicht primär eine Schmerzlinderung sucht ergeben sich aus folgendem
Verhalten:
 Der Verordnungsplan wird nicht eingehalten
 Termine zur Erfolgs- und Verlaufskontrolle werden nicht eingehalten
 Es besteht ein Kontrollverlust hinsichtlich der Medikamenteneinnahme
und die Medikamente reichen nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt aus
 Das Medikamentensuchverhalten äußert sich durch angeblich verlorenen
Arzneimittel, Wunsch nach Verordnungen von Arzneimitteln mit hohem
Straßenverkaufswert, Angabe von multiplen Arzneimittelallergien mit
Ausnahme für das Arzneimittel das verschrieben werden soll oder Angabe,
dass nur ein bestimmtes Medikament eine Schmerzlinderung erzielt, alle
anderen nicht, häufiger Besuch der Notfallambulanz mit der Bitte um neue
Medikamentenverordnungen
 Zusätzliche unkontrollierte Einnahme von verordneten Arzneimitteln im
Rahmen der Selbstmedikation
10


Kontakt zu Bezugspersonen die Medikamentenmissbrauch ausüben
Probleme einen Arbeitsplatz zu erhalten und Gesetzeskonflikte
Sucht – Diagnosen nach ICD-10 (F10-F19) [15]:
F1x.2 Abhängigkeitssyndrom
F10.0 Alkohol
F11.0 Opioide
F12.0 Cannabinoide
F13.0 Sedativa oder Hypnotika
F14.0 Kokain
F15.0 Stimulantien einschließlich Koffein
F16.0 Halluzinogene
F17.0 Nikotin
F18.0 flüchtige Lösungsmittel (Schnüffelstoffe)
F19.2 Polytoxikomanie
Diagnostische Kriterien:
Missbrauch von psychoaktiven Substanzen (DSM IV) [10]:
Eine oder mehr der hier genannten Kriterien müssen während einer
zwölfmonatigen Periode vorliegen (Kurzfassung)
1. Beeinträchtigung in Beruf und Freizeit durch Substanzmissbrauch.
2. Fortgesetzter Gebrauch in Situationen die Gefährdung bedeuten (z.B. im
Automobil, am Arbeitsplatz etc.).
3. Wiederholte Probleme mit der Strafjustiz aufgrund des Gebrauchs von
Substanzen.
4. Fortgesetzter Gebrauch trotz negativer sozialer und Partner-Probleme
Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen (DSM IV) [10]:
Drei oder mehr der hier genannten Kriterien müssen während einer
zwölfmonatigen Periode vorliegen (Kurzfassung)
1. Toleranz - Dosis höher aber immer geringere Effekte.
2. Entzugserscheinungen.
3. Mehrverbrauch als ursprünglich beabsichtigt.
4. Ständiges Verlangen, Unfähigkeit Gebrauch zu reduzieren.
5. Hoher Zeitaufwand für Beschaffung
6. Wesentliche Beeinträchtigung im sozialen u. beruflichen Bereich durch
Substanzgebrauch.
7. Gebrauch trotz zunehmender physischer und psychologischer Probleme
Psychotherapeutische Erhebungen und therapeutische Implikationen
In den letzten Jahren wird die Rolle von Lernmechanismen bei der Entstehung
und Aufrechterhaltung von süchtigem Verhalten wieder verstärkt diskutiert. So
können ursprünglich neutrale Reize (z.B. die Umgebung bei der
Drogeneinnahme) sowie Situationen oder Gefühlszustände, die mit der
Drogeneinnahme assoziiert werden (externale und internale Hinweisreize),
11
Drogenverlangen auslösen und zur erneuten Drogeneinnahme motivieren [23].
Die Droge kann entweder verlangt werden, weil sie Entzugssymptome lindert
oder weil sie angenehme Wirkungen hervorruft (operante Verstärkung) [3].
O’Brien und Kollegen [19] unterscheiden auch bei der gelernten (konditionierten)
Drogenreaktion zwei Kategorien: die drogengegensätzliche (konditionierte
Toleranz und konditionierte Entzugserscheinungen) und drogengleichsinnige,
positiv emotional gefärbte (Euphorie).
Neuere Befunde zur Rolle neuroadaptiver Mechanismen weisen darauf hin, dass
durch die Sensitivierung der mesolimbischen dopaminergen Neurotransmission
drogenassoziierte Reize als „gewünscht/gewollt“ hervorgehoben werden
(Anreizhervorhebung) und einen spezifischen konditionierten motivationalen
Zustand hervorrufen [5]. Dieser Attributionsvorgang zeigt sich dann in einer
erhöhten Aufmerksamkeit für und im bevorzugten Aufsuchen von
drogenrelevanten Stimuli und der Droge selbst und stellt eine eigenständige
Komponente der Motivation und Verstärkung dar [24]. Es wird unabhängig vom
emotionalen (Entzugserscheinungen oder euphorisches Gefühl) ein so genanntes
individualspezifisches Drogengedächtnis [6] aktiviert, das Drogenverlangen
auslöst und zur wiederholten Drogeneinnahme führt.
Die beschriebenen Konzepte zur Interaktion von Lernprozessen und
neurobiologischer Adaptation können als Grundlage für die Aufrechterhaltung
von abhängigen Verhaltensschemata gesehen werden, aus denen Erkenntnisse für
effektive verhaltenstherapeutische Interventionsmaßnahmen abgeleitet werden
können.
Im Hinblick auf die Schmerztherapie suchtabhängiger Patienten ergibt sich, dass
diese im besonderen Maße ein interdisziplinäres Problem darstellt.
Adjuvante Therapieansätze:
Zur Behandlung der verschiedenen Entzugssymptomen wird mittlerweile weltweit
das „National Acupuncture Detoxification Association-Protokoll“, auch „NADAProtokoll“ genannt, eingesetzt. Es handelt sich hierbei um ein OhrakupunturProgramm, das initial von der „Black Panther Party“ Anfang der 70ger Jahre in
New York entwickelt wurde und schließlich in einer Klinik in der Bronx in New
York City weiter entwickelt, etabliert und patentiert wurde [25]. Es werden bei
jeder Behandlung in der Regel fünf Punkte in der Ohrmuschel, die zumeist alle an
beiden Ohren mit speziell dafür entwickelten kurzen Ohrakupunkturnadeln
gestochen. Genutzt werden folgende Punkte: Vegetativum (Punkt 51), Shen Men
(Punkt 55), Niere (Punkt 95), Leber (Punkt 97), und Lunge (Punkt 101). Die
Nadeln werden in der Regel für 30 Minuten bis zu 45 Minuten belassen (Smith &
Khan s.o.). In chinesisch-medizinischer Terminologie „klären“ Shen Men und
Vegetativum „den Kopf“ und es wird ihnen eine beruhigende Wirkung
zugeschrieben. Niere, Lunge und Leber gelten als Entgiftungsorgane [4]. Das
NADA-Protokoll wird für die Behandlung von körperlichen (z.B. Schlaflosigkeit,
Übelkeit, Tränenfluss) und psychischen (z.B. Angst, Depression)
Entzugssymptomen, der Suchtdruckverminderung bzw. der Verminderung des
Drogenverlangens und des Beikonsums sowie eine verbesserte Compliance bei
opiat-, kokain- und alkoholabhängigen Patienten verwendet [25, 29].
Bei Placebo und pharmakotherapeutischen Interventionen (Desipramin und
Amantidin) zeigte sich eine höhere Abstinenzrate durch Ohrakupuntur [7, 16].
Weitere Untersuchungen bestätigen den Einfluss von Ohrakupunktur auf einen
12
steigenden Met-Enkephalin-Wert im Liquor [8]. Die 5 Ohrpunkte sind zu einem
etablierten Behandlungsansatz und intensiv genutzten Behandlungsangebot der
Drogenhilfe geworden. Auch in Deutschland wird die standardisierte
Ohrakupunktur in immer mehr Einrichtungen genutzt. [22].
Cannabis wird von vielen Heroinabhängigen benutzt um die
Entzugserscheinungen einer erzwungenen oder freiwilligen Heroinpause zu
lindern. Weiterhin ist bekannt, dass eine hohe Komorbidität zwischen CannabisEinnahme und Heroin-Einnahme besteht. Das Rauchen von Cannabis und Nikotin
spielt bei psychiatrisch Erkrankten eine überdurchschnittliche Rolle [9].
Inzwischen setzt sich die Meinung durch, dass sowohl Cannabis als auch Nikotin
als Coping-Methode benutzt werden und stabilisierend wirken könnten. Cannabis
kann Psychosen auslösen, dies aber nach aller Wahrscheinlichkeit bei
prämorbiden Persönlichkeitsstrukturen im Sinne eines Triggers. Die Einnahme
von Cannabis bei Heroinabhängigen, die ebenfalls eine hohe Prävalenz von
psychiatrisch relevanten Erkrankungen haben, kann auch in diesem Sinn
verstanden werden. Letztlich liegen viele, oft unveröffentlichte Erfahrungen von
Suchttherapeuten vor, die von einer stabilisierenden Wirkung von Cannabis im
Entzug und in der späteren Phase sprechen. Kontrollierte Studien fehlen, auch
wegen der bis vor kurzem schwierigen Gesetzeslage.
Literatur:
1. The Federation of State Medical Boards of the United States (1998) Model guidelines for the use of
controlled substances for the treatment of pain, USA
2. Deutsche Krebsgesellschaft (2001) Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien (AWMF-Leitlinien-Register
Nr. 032/039. URL: http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/index.html
3. Baker TB, Morse E, Sherman JE (1987) The motivation to use drugs: A psychological analysis of urges.
In: Rivers PC (Hrsg) The Nebraska Symposium of Motivation: Alcohol use and abuse. University of
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14
Akutschmerz
(prä-, intra-, postoperativ, posttraumatisch)
Suchtpatient
Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit:
Opioide i.d.R.
unbedenklich,
Metamizol.
COX-2-Inhibitoren
Cave: Paracetamol [28]
Opioidabhängigkeit:
Kontrollierte Opioidgabe
(erhöhter Bedarf als bei
einem Opioid-naiven
Patienten),
Gabe von NMDARezeptor-Antagonisten
(Methadon,
Dextrometorphan u.a.)
ehemals Suchtpatient
Therapie nach
allgemeinen Regeln,
Aufklärung über erhöhte
Rückfallgefahr.
Bei hoher Compliance
von ehemals Suchtpatienten und Möglichkeit zu realen Alternativ-Verfahren: 1. Regionalanästhesie oder
Cox II Hemmer präund postoperativ (z.B.
bei Arthroskopien) 2.
Narkotikumgabe vor
Opioidgabe bei
Narkoseeinleitung
Chronischer Schmerz
Tumorschmerz
Suchtpatient = ehemals Suchtpatient
Peripher wirkende Analgetika
Paracetamol (Cave: Alkoholabhängigkeit [28])
COX-2-Inhibitoren
Metamizol
Antiphlogistika
Zusätzlich physikalische Therapie
Schwache Opioide + peripher wirkende Analgetika
Tramadol
Codein
Dihydrocodein
Tilidin
Cave: - Aufklärung über erhöhte Rückfallgefahr
- Vermeidung von Opioidpeaks
- Mitbehandlung der opioidbedingten Nebenwirkungen
Oder:
Buprenorphin-Substitution (8 – 12 mg ggf
höher dosieren, 2 x tgl.
Ceiling 16mg –
alternativ: 3 x/Woche 3fach Dosis) Cave: nie
zusammen mit
Methadon (antagonisiert),
Keine PCA,
Metamizol,
COX-2-Inhibitoren
Paracetamol,
Lokal- bzw. Regionalanästhetika.
Starke Opioide + peripher wirkende Analgetika
Morphin
Hydromorphin
Oxycodon
Methadon und Levomethadon
Buprenorphin
Fentanyl
Cave: - Aufklärung über erhöhte Rückfallgefahr
- Vermeidung von Opioidpeaks,
- Rückenmarknahe Gabe bei chronischem Schmerz
bevorzugt
- Langsam freisetzende Opioidanalgetika bei
chronischem Schmerz bevorzugt
- Mitbehandlung der opioidbedingten
Nebenwirkungen
Für alle Stufen gilt: zusätzliche Gabe von
Ko-Analgetika und Ko-Therapeutika
Interdisziplinäre Behandlung
Tabelle 1: Tabellarische Leitlinie zur Schmerztherapie bei Suchtpatienten im Vergleich zu ehemals
Suchtpatienten
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