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PM-Nr. 002-2010
Datum: 25.06.2010
PRESSEMITTEILUNG
Kann das Gehirn bald mit Prothesen reden?
Die Universität Bremen fördert verstärkt den Forschungsschwerpunkt „Neurotechnologie“
und macht sich auf den Weg zur Neuroprothese.
Wer nicht mehr sieht oder hört, wer nicht mehr gehen oder greifen kann, der wird in
seiner Lebensqualität massiv eingeschränkt. In der Science Fiction Literatur gibt es jede
Menge Lösungen dafür, zum Beispiel durch den Einsatz von voll funktionstüchtigen
Ersatzkörperteilen. Doch was früher reine Fiktion war, wird durch den rasanten
technischen Fortschritt immer mehr zur greifbaren Realität. Auch die Universität Bremen
wird sich verstärkt an der Entwicklung von Neuroprothesen beteiligen und hat jetzt den
Forschungsschwerpunkt „Neurotechnologie“ eingerichtet.
Tatsächlich könnten heute bereits Hand- und Armprothesen gefertigt werden, die von
ihrer mechanischen Präzision und Differenziertheit in die Nähe des menschlichen
Originals kommen. Die zentrale Herausforderung besteht jedoch darin, der Aktivität des
zentralen Nervensystems Signale und Information zu entnehmen, mit denen diese
Prothesen sinnvoll gesteuert werden können. Umgekehrt bereitet es für den heutigen
Stand der Technologie kein Problem, Bilder oder Töne für Seh- oder Hörprothese
aufzunehmen. Das Problem besteht darin, sie dem hoch komplexen Gehirn zugänglich
zu machen.
Um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen, bedarf es zum einen einer Technologie,
welche die Signale des Gehirns sehr genau und in möglichst großer Vielfalt sicher und
über lange Anwendungszeiträume erfassen kann bzw. Signale an das Gehirn übergeben
kann. Hierfür ist zum anderen erheblich mehr Wissen über die Sprache des Gehirns
notwendig. Nur unter diesen beiden Voraussetzungen kann zwischen der Sprache des
technischen Prothesensystems und der des zentralen Nervensystems übersetzt und die
notwendige beiderseitige Kommunikation ermöglicht werden.
Uni fördert den neuen Forschungsschwerpunkt „Neurotechnologie“
Nach einer intensiven Begutachtung hat sich die Universität Bremen entschieden, diesen
Forschungsbereich langfristig zu fördern und dafür den interdisziplinären
Forschungsschwerpunkt „Neurotechnologie“ einzurichten. Im Rahmen einer drei Jahre
laufenden Förderung werden über 470.000 Euro für den Ausbau dieser
Forschungsrichtung zur Verfügung gestellt. Innerhalb des Forschungsschwerpunktes
werden Erfahrungen und Erkenntnisse aus den Bereichen der theoretischen
Elektrotechnik
&
Mikroelektronik,
Hochfrequenztechnik,
Mikrosystemtechnik,
Automatisierungstechnik, Psychologie & Kognitionsforschung, Neurophysik und der
Neurobiologie gebündelt. So soll eine dauerhafte interdisziplinäre Vernetzung zum
Erforschen von Neurotechnologien geschaffen werden.
PM-Nr. 002-2010
Datum: 25.06.2010
Mit dem zentralen Nervensystem kommunizieren
Mit dem Forschungsschwerpunkt Neurotechnolgie sollen neue medizinische
Anwendungsgebiete erschlossen werden. Viele Ärzte möchten neue Methoden für
Behandlung und Rehabilitation von Patienten zur Verfügung haben. Bislang fehlen hierfür
jedoch sichere, langzeitstabile „bi-direktionale Neurointerfaces“, also Schnittstellen für die
Übertragung von Information von Außen in das zentrale Nervensystem sowie die
Übertragung von Information aus dem zentralen Nervensystem in die externe Welt.
Derartige bi-direktionale Schnittstellen würden es ermöglichen, mit Hilfe der gemessenen
Hirnaktivität Prothesen und zahllose andere Hilfseinrichtungen für zum Teil schwerst
beeinträchtigte Patienten zu steuern. Eine weitere, noch weit weniger erforschte, aber
extrem wertvolle Anwendung ist zum Beispiel, visuelle Informationen aus der Umgebung
und Tastempfindung von Prothesen direkt in das zentrale Nervensystem eines Patienten
einzuspeisen.
Sprache des Gehirns verstehen
Ein weiterer Aspekt des Forschungsschwerpunktes ist es, die Sprache des Gehirns zu
verstehen, um so mit dem zentralen Nervensystem kommunizieren zu können. Schon
heute ist es möglich, Steuersignale für Prothesen und Geräte per EEG
(Elektroenzephalografie) aus den komplexen Gemischen der Hirnaktivitäten zu
extrahieren und damit Funktionen eines Computers oder Handlungen eines Roboters
auszuwählen. Leider versagt die heutige Technik bei einem Drittel der Menschen, und die
Informations-Übertragungsraten aus dem Gehirn sind gering. So ist man zurzeit noch
weit davon entfernt, die einzelnen Finger einer Handprothese in Echtzeit ansteuern zu
können – für einen gesunden Menschen eine Selbstverständlichkeit.
Die Einkopplung von Daten in das Gehirn ist noch einmal deutlich komplizierter. Dies
scheitert heute noch vor allem an dem mangelnden Verständnis der Sprache des Gehirns
und der bisherigen zur Verfügung stehenden Technologie. Einen zentralen Teil der
medizintechnischen Grundlagenforschung stellen die Untersuchungen am zentralen
Nervensystem von Ratten und Makaken dar. Sie erlauben die Erforschung der
neurowissenschaftlichen Grundlagen für eine zielgerichtete Entwicklung der
Neuroprothetik und die Erprobung vor dem ersten Einsatz am Menschen.
Wettbewerbsfähigkeit der Uni Bremen stärken
Gleichzeitig soll der Forschungsschwerpunkt die Wettbewerbsfähigkeit der Universität
Bremen in der neurotechnologischen Grundlagenforschung erhöhen. Diese Maßnahme
ist komplementär zu drei weiteren Forschungs- und Entwicklungsprojekten: dem aus dem
„Innovationswettbewerb Medizintechnik des BMBF hervorgegangenen Projekt:
KALOMED - Kabellose Erfassung lokaler Feldpotentiale und elektrische Stimulation der
Großhirnrinde für medizinische Diagnostik und Neuroprothetik“ (http://www.kalomed.info);
dem
EU-Projekt
„BRAIN“
(http://www.brain-project.org)
und
dem
stärker
anwendungsorientierten Projekt „Schnelle Brain Computer Interface (BCI)-Systeme für
Alltagsanwendungen“ (http://www.fwbi-bremen.de/), in enger Zusammenarbeit mit dem
PM-Nr. 002-2010
Datum: 25.06.2010
Friedrich-Wilhelm-Bessel-Institut. KALOMED wird seit Mitte 2009 an der Universität
Bremen zusammen mit der Abteilung für Epileptologie der Universitätsklinik Bonn und der
Firma Brain Products GmbH erfolgreich durchgeführt. Das Ziel des Projektes ist es, ein
System zu entwickeln, welches es ermöglicht, bei Menschen drahtlos medizinische
Diagnostik am zentralen Nervensystem vorzunehmen und eine zukunftsweisende
Schnittstelle für neuro-prothetische Anwendungen zu schaffen. Ein wichtiger Aspekt
dieser Entwicklung ist, die Langzeitstabilität und Sicherheit des Systems. Die beiden
Projekte BRAIN und sBCI untersuchen die Verbesserung von nicht invasiven Brain
Computer Interfaces (BCI) und deren Einsatz in Alltagsanwendungen.
Pressekontakte:
Universität Bremen
Projekt „kalomed“
Fachbereich Physik / Elektrotechnik
Brain Products GmbH
Institut für Automatisierungstechnik
Stefanie Rudrich
Prof. Dr.-Ing. Axel Gräser
Events & PR
Tel.: +49 (0) 421 218 62444
Tel.: +49 (0) 8105 733 84 29
E-Mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
http://iat.uni-bremen.de
www.kalomed.info
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