Aktuelle Ergebnisse notfallmedizinischer Forschung

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Aktuelle Ergebnisse notfallmedizinischer Forschung
( aus „Notfallmedizin up2date“ 2007 )
Einige aktuelle klinische Studien mit praxisnahem Bezug werden vorgestellt.
1. Akutes Koronarsyndrom :
 Oberstes Therapieziel :
Frühe, vollständige und dauerhafte Reperfusion des vom Infarkt
bedrohten Myokards zu erzielen
Möglich durch eine primäre perkutane koronare Intervention
als auch durch eine fibrinolytische Therapie.
 Bisherige Datenlage :
Überlegenheit der PCI bzgl. Mortalität und Morbidität
Unabhängig vom Zeitintervall zwischen Symptombeginn und
Therapie hat sich die PCI in einigen Studien der Lyse als
überlegen erwiesen.
( Bestätigt durch schwedische Kohortenstudie, Stenestrand et al. in
JAMA 2006 )
 Neuere Hinweise :
Die Überlegenheit der PCI gegenüber der Lyse relativiert sich mit
zunehmender Dauer der PCI.
( Door-to-Balloon-Time abzüglich der Door-to-Needle-Time
größer 60 Minuten )
Aktuelle retrospektive Analyse von Daten von fast 200 000 Pat.
aus dem NRMI-Register ( National Registry of Myocardial
Infarction ), Pinto et al. in Circulation 2006
Allerdings scheint eine starke Abhängigkeit dieser Aussage vom
Alter, der Symptomdauer und der Lokalisation des Infarktes zu
bestehen.
Eine Überlegenheit der PCI beim jungen Patienten mit
Vorderwandinfarkt scheint nur vorzuliegen, wenn der
Symptombeginn nicht länger als zwei Stunden zurückliegt und
die PCI innerhalb weniger als 40 Minuten durchgeführt wird.
Demgegenüber kann eine PCI beim älteren Patienten mit nicht
anteriorem Infarkt und dessen Symptombeginn länger als zwei
Stunden zurückliegt, auch mit einer Zeitverzögerung von fast drei
Stunden der fibrinolytischen Therapie noch überlegen sein.
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Sicher scheint jedoch zu sein, dass eine zügig durchgeführte PCI
der Lyse meist überlegen ist, während eine lang dauernde PCI –
Prozedur der Lyse unterlegen ist.
Die sog. Facilitated PCI ( frühe fibrinolytische Therapie plus
verzögerte PCI ) kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen
werden.
Weitere Studien sind wünschenswert, z.B. was den Nutzen und die
Sicherheit spezifischer gerinnungshemmender Substanzen und
deren Kombination angeht ( Heparin, Clopidogrel, Glykoprotein
IIb/IIIa – Inhibitoren ).
2. Schädel-Hirn-Trauma
 Hirndruck :
Auch bei einem intrakraniellen Druck ( ICP ) unter 25mmHg
können schwere zerebrale Hypoxien auftreten.
 Intubation :
Hohe Inzidenz von Aspiration und Hypoxie bei Patienten mit
schwerem SHT wird allgemein als Begründung für eine frühzeitige
endotracheale Intubation und Beatmung angesehen.
Überraschenderweise wurde jedoch im amerikanischen, nicht
Notarzt-besetzten Rettungsdienstsystem wiederholt ein
Zusammenhang zwischen präklinischer Intubation und
verschlechtertem neurologischem Ergebnis bzw. erhöhter
Morbidität und Mortalität bei SHT-Patienten festgestellt
( Wang et al. in „Ann. Emerg. Med.“ 2004 und Bochicchio et al. in
“Trauma” 2003 ).
Daraufhin retrospektive Analyse ( Davis et al. in „Crit. Care Med
2006 ) :
- Untersuchung des Zusammenhangs zwischen dem pCO2 im
Blut von beatmeten und nicht beatmeten Patienten mit
schwerem SHT und dem Outcome der Patienten
- entscheidender Parameter bei Eintreffen der Patienten war die
pCO2-Messung als Surrogatparameter für die Qualität der
vorausgegangenen Beatmung bzw. Eigenatmung
- Insgesamt Auswertung von 890 intubierten und 2914 nicht
intubierten Patienten
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 Ergebnisse :
- Ein paCO2 zwischen 30 und 49 mmHg bei Ankunft in der
Klinik war mit einem verbessertem Überleben assoziiert.
- 52,5% der intubierten und beatmeten Patienten wies jedoch
paCO2-Werte außerhalb dieses Bereiches auf.
- ca. 80% : paCO2 < 30 mmHg, ca. 20% : paCO2 > 49 mmHg
- Sowohl die Hyper- als auch die Hypoventilation im
beschriebenen Bereich waren mit einem schlechteren Outcome
verbunden.
- Zu niedere und zu hohe pCO2-Werte spielten erstaunlicherweise bei den nicht intubierten Patienten keine wesentliche
Rolle.
 Interpretation :
Das schlechtere Outcome in diesen Fällen ist vermutlich Folge
einer inadäquaten Überdruckbeatmung, die zu erhöhtem
intrathorakalem und intrakraniellem Druck sowie einer zerebralen
Vasokonstriktion führt.
 Konsequenz :
Beatmung nur mit Kapnographie bzw. Kapnometriekontrolle
3. Schlaganfall :
Eine gefürchtete Komplikation des ischämischen Infarkts der A.cerebri media
stellt das Hirnödem dar, das bei 1% bis 10% aller Patienten mit supratentoriellem Hirninfarkt auftritt und eine Mortalitätsrate von nahezu 80% mit sich
bringt.
 Chirurgische Dekompressionstherapie :
Vahedi et al. in Lancet Neurol. 2007
- Analyse aus 3 randomisierten Untersuchungen
- Patientenkollektiv von 93 Pat. ( 18 bis 60 Jahre )
- Dramatische Verbesserung des neurologischen Ergebnisses und
der Überlebensrate bei einer chir. Dekompression innerhalb von
48 Stunden
- Mortalitätsrisiko von 78% auf 24% reduziert
 Konsequenz :
Angefahrene „stroke-unit“ muss auch über die Möglichkeit einer
chirurgischen Dekompressionstherapie verfügen.
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Wesentliche Intensivmedizinische Maßnahmen bei Patienten mit zerebralem
Insult sind derzeit neben der Aufrechterhaltung und Kontrolle der Atmung, des
Kreislaufes und der Körpertemperatur auch die Einstellung der Plasmaglukosewerte.
 Untersuchung über den Sinn der BZ-Einstellung :
- Randomisierte, plazebokontrollierte Studie von 933 Patienten
- Fragestellung : Hat eine intensivierte Einstellung des BZSpiegels mittels Glukose-Kalium-Insulin Infusionen Einfluss
auf das Überleben der Patienten nach 90 Tagen oder das
Ausmaß des neurologischen Defizits nach 90 Tagen ?
 Ergebnis :
Die Einstellung der Blutzuckerwerte bei (oft hyperglykämischen)
Patienten nach ischämischem zerebralem Insult ist wahrscheinlich
von untergeordneter Bedeutung.
4. Akute Blutung
 Kernpunkte der evidenzbasierten Leitlinie zur Therapie akuter
Blutungen ( Spahn et al. in „Critical Care“ 2007 )
- Zeit zwischen Verletzung und chirurgischer Versorgung einer
chirurgischen Blutung sollte möglichst kurz sein.
- Bei identifizierter Blutungsquelle  unverzügl. chir. Therapie
- Bei unklarer Blutungsquelle  fokussierte Sono, CT
- Laktat- und Basenabweichungsmessung sind sensitive Marker
zur Beurteilung des Ausmaßes einer Blutung
- Dreistufige „Damage Control“ : initiale chirurgische
Versorgung – Intensivtherapie – definitive chirurgische
Versorgung
- Beckenringfrakturen sofort chirurgisch stabilisieren, ggf.
angiografisch embolisieren
- Physiologische Zielwerte : RRsyst 80 – 100 mmHg,
Normothermie, Hämoglobinwert 7 – 9 g/dl
- Volumentherapie mit Kristalloid und Kolloid
- FFP-Gabe bei Koagulopathie ( PTT > 1,5fach )
- Thrombozytengabe bei < 50 000/l
- Fibrinogenkonzentrat bei Fibrinogenwerten < 1g/l
- Evtl. Gabe von Antifibrinolytika oder rekombinantem
aktivierten Faktor VIIa.
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5. Endotracheale Intubation
Die endotracheale Intubation stellt noch immer den Goldstandard der
Atemwegssicherung dar. Intubationen in der Präklinik stellen besondere
Anforderungen, da die Patienten grundsätzlich aspirationsgefährdet und oft
schwer zugänglich oder nicht optimal zu lagern sind.
 Untersuchung über Fehlintubationen :
- prospektive Studie aus Deutschland, Zeitraum von 5 Jahren
- Bei von bodengebundenem Notarzt intubierte Patienten wurde
von übernehmendem RTH-Notarzt ( nur Anästhesisten ) die
Tubuslage mittels Auskultation, Laryngoskopie, Kapnometrie
und Tube-Check überprüft.
 Ergebnis :
- Fehlintubation bei etwa jedem sechsten Patienten
- in 10,7% einseitige Intubation im rechten Hauptbronchus
- in 6,7% ösophageale Intubation
- 70% der primär ösophageal intubierten Patienten verstarben in
den ersten 24 Stunden
- 10,1% korrekt intubierte Patienten verstarben nach 24 Stunden
 Beitrag zur Qualitätssicherung :
Kontinuierliches innerklinisches Training !
6. Notfallversorgung Neugeborener
 Bei der Notfallversorgung sehr kleiner Frühgeborener sollten
Perinatalzentren bevorzugt werden
 Risikoschwangere sollten, soweit möglich, rechtzeitig in eine
Klinik mit Perinatalzentrum verlegt werden
( „intrauterine Verlegung“ )
 Die Verwendung von Raumluft statt Sauerstoff bei der Reanimation Neugeborener ( wie sie in der aktualisierten internationalen Leitlinie empfohlen wird ), kann die Mortalität in den
ersten Lebenswochen senken.
 Die therapeutische Hypothermie wird im neonatalen Bereich
Derzeit noch als experimenteller Ansatz angesehen. Neue Studien
lassen aber einen positiven Effekt nach der Reanimation
Neugeborener wahrscheinlich erscheinen.
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7. Reanimation
 Multizentrische Studie aus Japan mit 4068 Patienten mit Kreislaufstillstand
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2917 ohne Laienreanimation,
712 Laien-CPR mit Beatmung
439 Laien-CPR ohne Beatmung
Beurteilung der neurologischen Funktion und das Überleben
nach 30 Tagen
 Ergebnisse :
- Jede Art der frühen Reanimation durch Laien verbessert die
neurologische Prognose des Patienten
- Die Laienreanimation mit Beatmung war der Laienreanimation
ohne Beatmung insgesamt nicht überlegen
- Patienten bestimmter Subgruppen (defibrillierbarer EKGRhythmus, früher Beginn der Reanimation), die ausschließlich
Thoraxkompressionen erhielten, wiesen bessere neurologische
Ergebnisse auf, als Patienten mit zusätzlicher Beatmung
 Forderung der Japaner :
Änderung der internationalen Richtlinien !
 Kritische Betrachtung der Studie :
- retrospektiver Charakter der Studie mit schlechter Kontrolle
über evtl. Störgrößen
- fehlender totale Unterschied zwischen den Gruppen
- Reanimation nach den alten Richtlinien mit ungünstigeren
Verhältnis zwischen Thoraxkompressionen und Beatmung
- Bedeutung der Studie wird dadurch stark eingeschränkt
 Aktuelle Stellungnahme der ERC hält eine Änderung der
Leitlinien daher für unangemessen.
 2 aktuelle Studien zu „Reanimationsgeräten“ (AutoPulse, Fa. Zoll)
1.Studie ( Hallstrom et al. in JAMA 2006 ) :
- nach Einschluss von etwa 1000 Patienten wurde kein Unter6
schied hinsichtlich des Überlebens nach 4 Stunden
nachgewiesen ( 29,5% vs. 28,5% )
- manuell Reanimierte mit einem neurolologisch günstigen
Ergebnis waren deutlich in der Überzahl ( 7,5% vs. 3,1% )
2. Studie ( Ong et al. in JAMA 2006 ) :
- retrospektive Studie mit knapp 800 Patienten
- Vorteile der automatisierten Herzdruckmassage hinsichtlich des
primären Reanimationserfolgs (  Wiederherstellung eines
eigenständigen Kreislaufes 35% vs. 20% )
- Vorteile beim günstigeren neurologischen Ergebnis ( 6% vs.
2% )
- Allerdings gravierende methodische Einschränkungen :
 Verwendung einer historischen Kontrollgruppe
 Verteilung der bezeugten Kreislaufstillstände bis zum
Reanimationsbeginn war in beiden Gruppen
unterschiedlich
 Therapeutische Hypothermie wurde ausschließlich in der
AutopPulse-Gruppe durchgeführt
 Ob der Einsatz spezieller Geräte zur automatisierten Thoraxkompression Vorteile gegenüber der manuellen Herzdruckmassage hat, kann derzeit nicht abschließend beantwortet
werden.
gez. Niederberger 01 / 2008
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