Dipl.-HLFL-Ing. Manfred Weinhappel Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), Wien Vortrag beim Ackerbautag II der Wintertagung 2006 des Ökosozialen Forums Österreich, Stadtsaal Hollabrunn Hollabrunn, 14. 02. 2006 GETREIDEKRANKHEITEN WIE STEIN- UND FLUGBRAND IM VORMARSCH Minderwertiges Saatgut beeinflusst eine Ernte nicht nur in ihrer Menge und Qualität, sondern stellt sie unter Umständen gänzlich in Frage. Häufige Ursache für derartige Erlöseinbußen ist der Befall mit samenbürtigen Krankheiten wie Gewöhnlicher Steinbrand bei Weizen, die Streifenkrankheit der Gerste oder Flugbrand bei Weizen und Gerste. Das Schädigungsausmaß dieser Krankheitserreger nahm in den letzten Jahren deutlich, in einzelnen Gebieten dramatisch zu. Ursachen der steigenden Verbreitung Samenbürtige Krankheiten werden nahezu ausschließlich durch infiziertes Saatgut übertragen. Zum Anbau sollte daher nur Saatgut gelangen, welches frei oder nur marginal mit samenbürtigen Krankheitserregern befallen ist, insbesondere bei Aussaat im ungebeizten Zustand oder es wird eine Saatgutbehandlung mit einem sachgerecht aufgebrachten, registrierten Beizmittel vorgesehen. Bereits infizierte Feldbestände können durch keine Pflanzenschutzmaßnahme (Spritzung etc.) mehr saniert werden. Die Ursache für die deutliche Befallsausbreitung liegt vor allem im mangelnden Saatgutbewusstsein und in der scheinbaren „Kosteneinsparung“ beim Saatgut. Der Saatgutwechsel (der Anteil von Z-Saatgut am Gesamtsaatgutverbrauch) ist in Österreich seit Jahren rückläufig und liegt bei den GetreideHauptkulturarten im Jahr 2004 deutlich unter 50 % (Roggen: 39 %, Weizen: 42 %, Gerste 48 %). Da das anstatt des Z-Saatgutes verwendete Nachbausaatgut tendenziell stärker und häufig auch massiv mit samenbürtigen Krankheiten infiziert ist, ist auch die fortschreitende Ausbreitung samenbürtiger Krankheiten eine logische Konsequenz. Zudem wird Nachbausaatgut häufig entweder gar nicht oder absolut mangelhaft gebeizt. Die wichtigsten samenbürtigen Krankheitserreger bei Getreide Gewöhnlicher Steinbrand (Tilletia caries/T. foetida) tritt bei Weizen und Dinkel in nahezu allen Anbauregionen auf. Anstelle von Körnern sind Brandbutten mit ca. 5-6 Millionen Einzelsporen ausgebildet, die vor allem nach dem Aufbrechen einen massiven Fischgeruch aufweisen. Beim Drusch wird eine Vielzahl dieser Brandbutten aufgeschlagen, so dass bei stärkerem Befall mit Steinbrand die gesamte Ernteware diesen markanten Fischgeruch annimmt. Eine Vermarktung ist in diesem Fall de facto nicht mehr möglich. Die Infektion des Feldbestandes erfolgt bereits während des Keimprozesses, in dem am Saatgut anhaftende Sporen den Keimling infizieren. Der Flugbrand bei Gerste und Weizen (Ustilago nuda) zerstört ebenfalls die gesamte Ähre, weist allerdings keinen Fischgeruch auf. Eine erkrankte Pflanze liefert somit keinen Ertrag. Diese Brandähren sind wenig kompakt, sodass die Brandsporen durch Witterungseinflüsse ausgestäubt werden, und letztendlich nur die blanke Ährenspindel übrig bleibt. Durch diese ausstäubenden Flugbrandsporen werden die heranreifenden Körner (=die Ernteware) im eigenen als auch in umliegenden Beständen infiziert. Der Befall mit Streifenkrankheit der Gerste (Drechslera graminea) hat sich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet, wobei in Österreich sie an Sommergerste wesentlich häufiger und stärker auftritt als an Wintergerste. Mit Streifenkrankheit infizierte Gersten weisen an allen Blättern durchgehende braune Streifen auf, verkümmern zunehmend und sterben letztendlich vorzeitig ab. Eine infizierte Pflanze bildet keine oder nur taube Ähren aus und liefert somit keinen Ertrag. Die Infektion erfolgt ebenfalls ausschließlich durch infiziertes Saatgut und zum Zeitpunkt der Keimung. Steinbrand bei Weizen Flugbrand bei Weizen Streifenkrankheit de Gerste Auswirkungen/Konsequenzen des Befalls mit samenbürtigen Krankheitserregern Für den betroffenen Landwirt selbst Krankheitsbefall verursacht wie schon erwähnt oftmals hohe Ertrags- bzw. Erlösausfälle. Beispielsweise bewirkt steinbrandkontaminierte, sensorisch mangelhafte Ware einen nahezu kompletten Erlösausfall, da sie für Mahl- und auch für Futterzwecke unbrauchbar ist. Aber auch direkte Ertragsausfälle können empfindlich sein. Etwa verursachte Streifenkrankheit der Gerste in den letzten Jahren Ertragsausfälle bis zu 40-50 %. Für Landwirte umliegender Felder z. B. Saatgutvermehrer Von erkrankten Beständen geht auch eminentes Infektionsrisiko zu umliegenden, gesunden Beständen und Böden anderer Landwirte aus. Bei Steinbrand, der unter sehr eingeschränkten Bedingungen auch vom Boden aus infizierten kann, werden Nachbarschläge kontaminiert. Auch über die Maschinenkette (z.B. Lohndrusch) kommt es zu maßgeblicher Verschleppung des Steinbranderregers. Es müssen auch zunehmend an sich hochqualitative Saatgutvermehrungsbestände aberkannt werden, da umliegende Bestände massiv Flugbrand oder Streifenkrankheit der Gerste aufweisen und Fremdinfektionen bei gesunden Vermehrungsbeständen hervorrufen. Für Saatgutvermehrer stellt dies einen beträchtlichen Erlösausfall dar. Für die Saatgutwirtschaft Die weite Verbreitung von samenbürtigen Krankheitserregern stellt insofern einen wirtschaftlichen Nachteil dar, da die Saatgutrohware oftmals nicht mehr in biologisch hoher Qualität vorliegt. Teure Folgemaßnahmen wie Anwendung von Spezialbeizen, Einkalkulieren von erhöhten Ausfallsraten etc. um rechtlich geltende Saatgutnormen zu erfüllen, belasten die Kostensituation in der Produktion. Dies würde einen Produktions- bzw. Wettbewerbsnachteil der österreichischen Saatgutwirtschaft darstellen. Für die Landwirtschaft Umso schwieriger die Rahmenbedingungen zur Produktion von biologisch hochwertigem Saatgut werden, umso schwieriger wird es kostengünstiges, in Österreich produziertes Saatgut von in Österreich gezüchteten oder zumindest geprüften Sorten für die Landwirtschaft bereitzustellen.