Themenpredigt: „Christsein und Politik - (wie) passt das denn zusammen?“ -Es gilt das gesprochene WortTeil 1 Christsein und Politik. Passt das denn zusammen? und wenn ja, wie? Ich möchte zunächst in einem ersten Teil ein paar grundsätzliche Dinge zu diesem Thema sagen, zur gegenwärtigen Ausgangslage, zur Wirkungsgeschichte von Martin Luther der Reformation herkommend und mich dann auf die bereits gelesene Bibelstelle aus der Bergpredigt (Mt 5,1-16) beziehen, um daraus Erkenntnisse für unser Thema zu gewinnen. Nach einem musikalischen Beitrag, während dessen die Gelegenheit besteht, über das Gehörte nachzudenken, möchte ich dann mit unserem Gast Werner Breitwieser über seine Erfahrungen als Politiker und Christ ins Gespräch kommen! Wenn wir zwei zunächst zwei gegenwärtige Phänomene beachten, dann ist unser Thema mindestens genauso aktuell wie paradox. Denn einerseits werden gegenwärtig Stimmen laut, die die Kirchen und das Christentum aus der Mitte unserer Gesellschaft und damit auch aus dem Raum der Politik in den Bereich des Privaten drängen möchten. Diese fordern eine noch stärkere Trennung von Staat und Kirche. Es gibt atheistische Vereine, die zu Kirchenaustritten auffordern und Prämien dafür ausloben. Die Kirchensteuer und der Religionsunterricht an Schulen sind diesen Strömungen ein großer Dorn im Auge - christliche Feiertage werden folgerichtig säkulare Namen gegeben wie: Frühlingsfest statt Ostern oder Winterfest statt Weihnachten. Helloween statt Reformationstag. Andererseits finden wir in den Spitzen unserer Parteien und Ämter Menschen mit starker christlicher Prägung bzw. einen starken konfessionellen Bezug. Beispiele gefällig? Fangen wir mit dem höchsten Repräsentanten an: Mit Bundespräsident Joachim Gauck steht ein protestantischer Theologe und Pfarrer an der Spitze unseres Landes, mit Angela Merkel regiert eine Pfarrerstochter als Bundeskanzlerin. Die Grüne Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckart, Vorsitzende der Bundestagsfraktion ihrer Partei war bis 2013 Präses der EKD-Synode und ist trotz des Rücktrittes von diesem Amt immer noch aktive EKD-Synodale. Und Bundestagspräsident Norbert Lammert wiederum ist bekennender Katholik! Jeden Freitagmorgen treffen sich immer in wechselnder Besetzung etwa 20 Politiker parteiund konfessionsübergreifend zu einem Gebetskreis des Bundestages. Zu dem Teilnehmerkreis gehören über 200 Abgeordnete. Sie erleben, so lässt es sich auf der Homepage des Dt. Bundestages nachlesen, dass sie trotz Meinungsverschiedenheiten Grenzen überwinden können und dass dieser Kreis ihren politischen Umgang verbessert. Daraus ergibt sich also folgendes Bild: Christlicher Traditionsabbruch auf der einen Seite, christliche Spitzenpolitiker auf der anderen Seite! 1 Dass in der Politik gerade auch viele Protestanten zu finden sind, ist kein Zufall! Von Anfang an hat die Reformation schließlich auch politisch gewirkt und wäre ohne die Unterstützung vieler Fürsten niemals durchgesetzt worden. Martin Luther und die anderen Reformatoren bestimmten den Charakter und die Aufgaben von politischer Gewalt und Kirche neu und konnten auf diesem Weg ihr Verhältnis grundlegend erneuern. Doch hat die Verbindung von Politik und Kirche immer eine sehr problematische Seite. Die Geschichte hat deutlich gezeigt, dass damit wechselseitiger Missbrauch stattfand. Politische Macht und Kirche, das passt nicht zusammen! Kirche hat nicht die Aufgabe, selbst Politik zu betreiben, sondern die gute Nachricht weiterzutragen! Dieser Grundsatz gilt natürlich für alle Religionsgemeinschaften. Deshalb befremdet es uns auch zu Recht, wenn islamistische Fanatiker einen islamischen Gottesstaat anstreben, in dem das Gesetz der Scharia gelten soll! Genauso wenig hat der Staat allerdings auch das Recht, den religiösen Raum zu besetzen. Der Staat hat keinen Anspruch auf den Menschen, sonst ist er ein totalitärer Staat. Weder darf die Kirche zu einem Organ des Staates werden, noch darf der Staat die einzige Ordnung menschlichen Lebens sein. Im Dritten Reich konnte man leider sehen, wohin dies führen kann, wenn Kirche und Staat nicht getrennt sind. Die Deutschen Christen sowie die Landeskirchen ließen sich von Hitler und seiner menschenverachtenden Ideologie instrumentalisieren, Gebete und Glaubensbekenntnisse wurden politisch. Der Nationalsozialismus selbst wurde so zu einem neuen Glaubensbekenntnis und zur Ersatzreligion. Hitler wurde eine religiöse Heilsgestalt, die Menschen verführte und wodurch schlimmster Schaden angerichtet werden konnte. Leider ist diese Ideologie in diesen Tagen noch immer nicht überwunden. Während wir diesen Gottesdienst feiern, tagt die NPD zu ihrem Bundesparteitag keine 3km von uns entfernt in der Stadthalle Weinheim. Doch wir haben nicht nur aus unserer Geschichte heraus eine große Verantwortung! Das Menschenbild dieser Partei hat dem christlichen Menschenbild überhaupt nichts gemeinsam! So bleibt nur inständig zu hoffen, dass der Protest dagegen an diesem Sonntag in Weinheim laut, aber friedlich ist. Leider haben Christen bei solchen politschen Fehlentwicklungen in der Vergangenheit meist eine sehr problematische Rolle gespielt. Denn immer wieder konnte Luthers Zwei-Reiche bzw. Zwei-Regimenten-Lehre durch eine einseitige Betrachtung sogar zur Legitimation politischer Fehlentwicklungen herhalten! Dabei hatte Luther in seiner Zwei-Regimenten-Lehre die Aufgaben klar umrissen. Denn er geht er davon aus, dass Gott auf zweifache Weise regiert: im geistlichen Bereich: durch sein überführendes und befreiendes Wort (Erneuerung der Welt). Und im weltlichen Bereich: indem er die weltliche Obrigkeit eingesetzt hat, um das Böse zu begrenzen und für Recht und Ordnung zu sorgen (Erhaltung der Welt). Beides ist voneinander in Ziel und Durchführung klar getrennt und doch als Regierwiesen Gottes miteinander verschränkt. Das Reich Gottes ist eine andere Sphäre als diese Welt und doch ist diese Welt Gott ihrem Schöpfer unterstellt. 2 Diese Unterscheidung ist wichtig! Denn wenn wir auf dieser Grundlage und dieser Fragestellung die Bergpredigt lesen, dann merken wir schnell: Diese Jesus Worte sind keine poltische Rede im engeren Sinne, sondern sie sind Teil einer geistlichen Rede, die Jesus in diese Welt hineinspricht und damit natürlich auch in den politischen Bereich! Es sind Worte, die zum Teil gerade deshalb in Spannung zu den Aufgaben des Staates stehen, der notfalls auch mit Gewalt für politische Ordnung und Frieden zu sorgen hat. Die Seligpreisungen sprechen eine Sprache, die unser logisches Handeln wie etwa ein „gibst du mir, so gebe ich dir!“ oder „wenn du mich schlägst, schlage ich mit gleichen Mitteln zurück“ durchbrechen und hinterfragen: Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Oder in einer anderen Übersetzung: Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Diese Seligpreisungen Jesu haben eine besonders große Relevanz in einer Gesellschaft, in der es in vielen Bereichen nur um Leistung und Nutzen geht, in einer Welt, die oft so unbarmherzig und kalt ist! Diese Worte zeigen uns ein ganz anderes Menschenbild, weil unser menschlicher Wert nicht durch uns selbst definiert wird sondern weil ein liebender Gott und Schöpfer uns vor Augen gestellt wird, der uns gleich ob wir an ihn glauben oder nicht, einen ganz besonderen Wert und eine tiefe Würde verleiht, die uns niemand nehmen kann! Insofern ist das Evangelium selbst kein politisches Werk, aber voller politischer Sprengkraft, weil es eine Gegenfolie zu den Maßstäben unserer Welt ist und weil sich unser Handeln, das gesellschaftliche wie auch das politische sich an diesem Maßstab messen und überprüfen lassen muss. In diesem Sinne fordert Jesus uns in seiner Bergpredigt dazu auf, Salz und Licht zu sein. Auf unser Thema bezogen heißt das. Die politische Mitverantwortung und das gesellschaftliche Engagement zum Wohle aller, das ist uns Christen in besonderer Weise aufgetragen! Unsere Demokratie braucht Menschen, die sich für unsere Gesellschaft mitverantwortlich wissen unsere freiheitliche Demokratie stärken. Und Christen können und sollten dies deshalb gut einbringen, weil unser christliches Menschenbild ein freiheitliches Menschenbild ist. Mit Freiheit ist dabei weder Beliebigkeit noch Autonomie gemeint, sondern eine Freiheit, die sich selbst und andere als Geschöpfe unseres Schöpfers weiß und sich deshalb, gerade auch in der Verschiedenheit und Andersartigkeit respektieren, tolerieren und achten kann. Was heißt es also nun konkret, als Christen in der Gesellschaft und Politik „Salz und Licht“ zu sein? Für mich sind in dieser Aufforderung 3 Aspekte enthalten: 1.) In diesen Worten steckt für mich zunächst etwas zutiefst diakonisches. Sich für seine Mitmenschen einzusetzen und ihnen beizustehen, wenn sie in Not sind und Hilfe brauchen. Das zu geben, was man leisten kann, ohne sich und andere zu überfordern. 3 2.) Ein atl. Bibelwort gibt uns einen zweiten Hinweis:„Suchet der Stadt bestes und betet für sie“. Als Christen sollen wir für die Politiker und Verantwortlichen und deren Entscheidungen beten, auch hier in unserer Gemeinde Birkenau! 3.) Und drittens kann sowohl jeder einzelne, aber auch die Kirche als Organisation, ihre Stimme immer wieder erheben, wo dies erforderlich scheint: Unsere Dekanatssynode, der auch Werner Breitwieser als berufenes Mitglied angehört, hat in den vergangenen Monaten immer wieder Resolutionen verabschiedet: zum Schutz des Arbeitsfreien Sonntags, gegen Armut und zuletzt für einen guten Umgang mit Flüchtlingen. Doch Worte und Resolutionen können erst dann richtig zu ihrer Entfaltung kommen, wenn sie auch wirklich umgesetzt und gelebt werden. Als Christ politisch zu sein, heißt im besten Sinne für ein „produktives Unruheverhältnis“ in unserem Land einzutreten, das schließt gerade auch Widerspruch nicht aus. „Ihr seid das Salz und Licht dieser Erde“ – Das ist ein hoher Anspruch und eine Verheißung zugleich! Wir können das nicht aus uns selbst heraus. Aber wir dürfen uns in dem allem Gott, unseren Schöpfer und Retter dieser Welt anvertrauen. Ich wünsche uns dafür den Mut und dass Gott jedem die Weisheit und Weitsicht dafür schenkt, wie wir als Christen ganz bewusst Salz und Licht in dieser Welt, d.h. für unsere Gesellschaft wie auch für unsere Politik sein können! Musikalischer Vortrag: Joh Sebastian Bach: Sonate in C-Moll Teil 2: Gespräch mit Werner Breitwieser, ehem. Hess. Landtagsabgeordneter, Kreistagsvorsitzender d. Kreises Bergstrasse und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande 2. Nov. 2014, Pfr. Markus Eichler, Ev. Kirche Birkenau i.O. 4