Interview Was ist der Darmkrebsmonat? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Im Darmkrebsmonat März soll die Bevölkerung in jedem Jahr über Darmkrebs und die Möglichkeit diesen häufigen Tumor zu vermeiden aufgeklärt werden. Durch ähnliche Kampagnen ist es in Amerika in den letzten Jahren gelungen, die Häufigkeit und auch die Sterblichkeit an Darmkrebs um über 30 % zu senken. In Deutschland ist vor einigen Jahren der Sohn des Verlegers Hubert Burda (Bunte, Fokus) im Alter von 22 Jahren an Darmkrebs gestorben. Noch zu seinen Lebzeiten hat er die nach ihm benannte Felix-Burda-Stiftung gegründet, deren Hauptziel die Förderung der Darmkrebsvorsorge ist. Die Stiftung, geleitet von der Mutter des Verstorbenen Felix Burda und viele deutsche Ärzte, Organisationen u. a. die hessischen Darmspezialisten, führen seitdem gemeinsam im Monat März eine Darmkrebsvorsorgekampagne durch. Unser Ziel ist es innerhalb einiger Jahre die Häufigkeit wie auch die Sterblichkeit an Darmkrebs in Deutschland um etwa 50 % zu senken. In Zahlen bedeutet dies, dass die Zahl der Neuerkrankung von über 60.000 gegenwärtig auf etwa 30.000 zurückginge und die Zahl der Todesfälle von gegenwärtig über 30.000 pro Jahr auf etwa 15.000 gesenkt werden könnte. Wie wollen Sie das im Darmkrebsmonat erreichen? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Dazu muss man wissen, dass Darmkrebs als einziger der häufigen bösartigen Tumore durch Vorsorgeuntersuchungen sicher vermeidbar ist. Während bei anderen bösartigen Tumoren wie z. B. dem Brustkrebs oder dem Prostatakrebs durch geeignete Vorsorgeuntersuchungen die Krebsentstehung selbst nicht verhindert werden kann, sondern der Krebs nur in einem Stadium gefunden wird, in dem er noch mit größerer Chance heilbar ist, können wir beim Darmkrebs die Krebsentstehung selbst verhindern! Darmkrebs entsteht nämlich fast immer aus gutartigen Vorstufen den sog. Darmpolypen. Ein Teil dieser Darmpolypen, etwa 15 %, wird im Laufe von Jahren bösartig. Wir wissen heute, dass zwischen dem Auftreten eines Darmpolypen und schließlich dessen bösartiger Entartung etwa 10 Jahre vergehen. Wir haben also viel Zeit um durch geeignete Untersuchungen die Darmpolypen aufzuspüren und zu entfernen. Wir wissen auch, dass Darmpolypen gehäuft ab dem 40. Lebensjahr vorkommen, Darmkrebs gehäuft ab dem 50. Lebensjahr auftritt. D. h. wenn es uns gelingt, möglichst viele Menschen ab einem bestimmten Alter zur Vorsorgeuntersuchung zu bewegen, so können wir bei all diesen Menschen die Darmpolypen, wenn welche vorhanden sind, finden und entfernen. Weiterhin wissen wir, dass etwa 20 – 30 % der Darmkrebsfälle erblich sind. Bei diesen Menschen tritt die Erkrankung oft schon im früheren Alter auf. Wenn jemand in der Familie Fälle von Darmkrebs oder Darmpolypen hat, so sollte er sich in jedem Fall an seinen Darmspezialisten wenden um ein individuelles Vorsorgeprogramm erstellen und durchführen zu lassen. In solchen Fällen kann es auch schon im jungen Erwachsenenalter sinnvoll sein, regelmäßig Darmspiegelungen durchzuführen. Sie reden von Darmspiegelung. Ist die Darmspiegelung denn die beste Untersuchung zur Vorbeugung von Darmkrebs? Oder gibt es noch andere vergleichbare oder bessere Untersuchungen? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Es gibt eine Reihe von verschiedenen Untersuchungstechniken um den Dickdarm zu untersuchen. Die Darmspiegelung ist jedoch unzweifelhaft die sicherste Methode um Darmpolypen und auch andere Veränderungen im Dickdarm aufzuspüren. Im Vergleich zu den Röntgenuntersuchungen oder den computertomographischen Untersuchungsverfahren findet man bei der Darmspiegelung wesentlich mehr Darmpolypen. Zudem ist die Darmspiegelung die einzige Untersuchungsmethode bei welcher in einem Arbeitsgang gleichzeitig Proben genommen werden können oder, für den Patienten schmerzlos und risikoarm, Darmpolypen gleich mit entfernt werden. Zeigen sich z. B. bei einer Röntgenuntersuchung des Darmes oder bei der Computertomographie des Darmes verdächtige Befunde, so muss in jedem Fall noch eine Darmspiegelung angeschlossen werden um diese Befunde zu klären. Es gibt mittlerweile von der Industrie angeboten auch Testverfahren um durch Stuhluntersuchung Hinweise auf das Vorliegen von Darmkrebs oder Darmpolypen zu finden. Bei diesen Testverfahren muss man sagen, dass sie zwar für den Patienten einfach durchführbar und in der Regel auch preisgünstig sind, jedoch sehr unzuverlässige Ergebnisse zeigen. So werden durch den Nachweis von Blut im Stuhl nur 3 von 10 Darmkrebsen entdeckt. 7 von 10 Darmkrebsfällen entgehen jedoch dieser Nachweismethode. Auf diese Weise wiegen die Menschen sich häufig in einer gefährlichen falschen Sicherheit. Es muss immer wieder gesagt werden, dass alleine die Darmspiegelung geeignet ist Darmkrebsvorstufen sicher zu finden und zu beseitigen. Mit modernen Untersuchungstechniken und bei entsprechend erfahrenen Untersuchern ist die Darmspiegelung zudem eine sehr Risikoarme und für den Patienten auch schonende Untersuchung. Durch geeignete Medikamente können mögliche Schmerzen bei der Untersuchung sicher ausgeschaltet werden. 2 Aber wie steht es mit der Sicherheit vor ansteckenden Krankheiten bei der Untersuchung? Immer wieder wird von Fällen berichtet, bei denen durch die Untersuchung ansteckende Krankheiten wie z. B. Aids übertragen wurden? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Die in der Praxis tätigen deutschen Darmspezialisten müssen sich seit einigen Jahren sehr strengen Qualitätsrichtlinien unterwerfen. Diese schreiben u. a. genau vor, wie die eingesetzten Geräte und Instrumente zu warten und zu reinigen sind. So wird kontrolliert und sichergestellt, dass alle beteiligten Darmspezialisten einen hohen Sicherheitsstandard einhalten. In regelmäßigen Abständen müssen die Geräte in den Arztpraxen von unabhängigen Hygienefachleuten auf Infektionskeime untersucht werden. Legt man diese strengen Richtlinien zugrunde, so kann man davon ausgehen, dass nur eine ernsthafte Infektion, in der Regel als HIV- oder Hepatitisinfektion, pro 2 Mil. Untersuchungen eintreten. Aber können durch die Untersuchungen nicht andere Nachteile oder Komplikationen für den Patienten entstehen? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Kein medizinisches Untersuchungs- oder Behandlungsverfahren ist gänzlich risikolos. Bei der Darmspiegelung sind die Risiken jedoch nur sehr gering. Es kann in sehr seltenen Fällen z. B. zu Verletzungen des Darmes kommen, welche eine Notoperation erforderlich machen. Auch kann es immer wieder bei der Entfernung von Darmpolypen während der Untersuchung zu Blutungen kommen. Die meisten dieser Blutungen können jedoch noch während der Untersuchung sicher beherrscht werden. Nur in seltenen Fällen ist hier als Folge der Blutung eine Operation erforderlich. Die Häufigkeit von Darmverletzungen bei der Vorsorgedarmspiegelung wird heute mit einer Darmwanddurchstoßung pro 8.000 Untersuchungen angegeben. Man muss sich jedoch im Vergleich dazu vor Augen halten, dass etwa 1 von 20 Bundesbürgern, nach gegenwärtigem Kenntnisstand, an Darmkrebs erkranken wird. Das Risiko an Darmkrebs zu erkranken oder zu Sterben ist also weitaus größer als das Verletzungsrisiko während einer Darmspiegelung. Die Darmspiegelung hat aber auch einen schlechten Ruf. Sie steht in dem Ruf, sehr schmerzhaft und für die Patienten sehr unangenehm zu sein? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Diesen schlechten Ruf hat die Darmspiegelung zu Unrecht. Durch die große Erfahrung der Untersucher und deren besonderen Qualifikationen, aber auch durch neue Geräte und den Einsatz schmerzstillender Medikamente, kann man es heute gewährleisten, dass die Darmspiegelung zwar belästigend ist, jedoch Schmerzen in der Regel vermieden werden können. Die Darmspiegelung geht immer mit Blähungen und einem gewissen Zwicken und Zwacken im Bauch einher. Während der Untersuchung muss nämlich Luft in den Darm gepumpt werden, damit sich diese entfalten kann und man die Darmwand besser betrachten kann. Dies verursacht Blähungen. Zudem merken es die Patienten natürlich wenn man mit dem Gerät Kurven im Darm überwindet. Dies zwickt und zwackt. Wenn bei einem Patienten nun der Darm besonders lang ist oder in vielen Kurven liegt oder durch vorangegangene Operationen Verwachsungen vorhanden sind, so können auch starke Schmerzen entstehen. Diese starken Schmerzen kann man jedoch durch geeignete Medikamente sicher unterdrücken. Alternativ zu entsprechenden Schmerzmedikamenten kann man auch durch eine während der Untersuchung durchgeführte spezielle Schmerz-Akupunktur die Schmerzen beseitigen. In meiner eigenen Praxis entscheiden sich heute über 50 % der Patienten für die sog. „Schmerzspritze“. Es handelt sich hierbei um eine Kombination aus einem kurzwirksamen Schmerzmittel sowie einem kurzwirksamen Medikament welches den Darm entspannt. Nach Gabe dieses Medikamentes sind die Patienten angenehm entspannt oder schlafen eine kurze Zeit. Viele Patienten verschlafen z. B. auf diese Weise ihre Untersuchung und wundern sich, dass die Untersuchung wenn sie aufwachen, schon zu ende ist. Sie sehen also, wir können diese sicherlich belästigende Untersuchung für den Patienten erträglich gestalten. Für viele Patienten ist das Entleeren des Darmes vor der Untersuchung sehr unangenehm. Hier muss man jedoch sagen, dass durch eine Anzahl von verschiedenen Darmreinigungsmedikamente es in der Regel möglich ist, dass für den Patienten am besten verträgliche und am wenigsten unangenehmste Medikament herauszufinden um auch bei der Vorbereitung die Belästigung für den Patienten so gering wie möglich zu halten. Wer führt in Hessen Vorsorgedarmspiegelungen durch? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: In Hessen sind durch die Kassenärztliche Vereinigung etwa 180 Ärztinnen zur Durchführung von Vorsorgedarmspiegelungen berechtigt. Diese werden alle regelmäßig darauf hin überprüft, dass Sie die strengen Qualitätsrichtlinien einhalten. Dazu gehören nicht nur die strengen Hygienevorschriften, sondern jeder Arzt muss auch nachweisen, dass er eine 2 3 gewisse Mindestzahl pro Jahr sowie eine gewisse Mindestzahl von Darmpolypenentfernungen durchführt. Es gilt auch hier, wie bei vielen anderen Untersuchungs- oder Behandlungsverfahren in der Medizin, dass die Zahl der pro Jahr durchgeführten Untersuchungen oder Behandlungen in der Regel in einem direktem Zusammenhang steht zur Erfahrung und Qualifikation und Qualität des Arztes, d. h. je mehr Darmspiegelungen jemand durchführt, um so erfahrener und qualifizierter ist er für die Untersuchung. Neben den Mindestzahlen der Untersuchungen und den hohen Hygienestandards muss zusätzlich jeder Arzt, der die Untersuchung durchführt, für die Behandlung von Notfällen, welche bei der Darmspiegelung eintreten können, ausgerüstet sein. Nur wer all diese Anforderungen erfüllt und sich immer wieder Überprüfungen durch die kassenärztliche Vereinigung unterzieht, erhält die Erlaubnis zur Durchführung der Untersuchungen. Zusätzlich erfüllen die Mitglieder des Qualitätsnetzes Gastroenterologie Hessen, sowie die Mitglieder des Qualitätsnetzes Kloloproktologie Hessen weitere strenge Richtlinien wie z. B. regelmäßige und intensive Fortbildungen, zusätzliche freiwillige Hygieneuntersuchungen sowie höhere Mindestzahlen von Untersuchungen. Aber wie finde ich jetzt einen Darmspezialisten in meiner Nähe? Antwort Privatdozent Dr. med. R. J. Weinel: Durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen können Sie eine Liste der zur Vorsorgedarmspiegelung zugelassenen Ärztinnen und Ärzte erhalten und auf diese Weise einen Arzt in ihrer Nähe finden. Sie können sich aber auch direkt an das Qualitätsnetz Gastroenterologie Hessen und an das Qualitätsnetz Koloproktologie Hessen wenden um einen Darmspezialisten in ihrer Nähe zu finden. Unter der Adresse www.hessen-gegen-darmkrebs.de finden sie die hessischen Darmspezialisten und weitere Informationen zusätzlich im Internet. Während des Darmkrebsmonates stehen meine Kollegen und ich ihnen gerne telefonisch jederzeit zur Verfügung um ihre Fragen zu beantworten. 3