KRANKENBERICHT Über einen Patienten der Medizinischen und Gerichtlichen Veterinärklinik xxx. Die Untersuchung findet am xxx um 9 Uhr 15 in Box 1 statt. Anamnese Das Pferd hustet seit etwa einem halben Jahr und zeigt ein heiseres Wiehern. Der Husten ist trocken und tritt anfallsweise auf. Das Tier wird zur Zeit mit zwei weiteren Pferden auf der Koppel gehalten, die keine Symptome zeigen, und hatte keinen Kontakt zu Eseln. Es wird mit eingeweichtem Heu und ein wenig Kraftfutter zugefüttert. Der Haustierarzt hat das Pferd mit Spritzen und einem Pulver gegen Bronchitis behandelt. Das Tier ist in den letzten Jahren nicht mehr geimpft worden. Im Frühjahr wurde eine Wurmkur durchgeführt. Signalement Der Patient ist der 29jährige Rappwallach „xxx“. Er ist ein Kleinpferd mit einem Gewicht von 375 kg. Die Grundfarbe ist schwarz mit einem Wechsel zu braun am Rücken und an den Seiten. Vorne und hinten rechts sind die Fesseln ungleichmäßig weiß mit schwarzen Flecken auf dem Kronrand, hinten links ist der Fuß ungleichmäßig halbweiß. Er hat an der Kruppe, an den Flanken und am Kopf graue Stichelhaare. Er hat eine Flocke, eine unterbrochene schmale Blesse und eine breite Schnippe zwischen den Nüstern. Allgemeine klinische Untersuchung Das Pferd ist ruhig und aufmerksam und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Es fällt auf, daß es angestrengt unter Einsetzen der Bauchpresse atmet. Die Nüstern sind normal weit. Der Ernährungs- und der Pflegezustand sind gut. Die Pulsfrequenz beträgt 36 Schläge pro Minute, die Atemfrequenz liegt bei acht Atemzügen pro Minute und die Körperinnentemperatur beträgt 37,6 C. Zusätzliche allgemeine klinische Untersuchung Die Hautelastizität ist leicht herabgesetzt, eine Hautfalte verstreicht sofort, aber nicht vollständig. Die Oberflächentemperatur ist gleichmäßig verteilt. Die Schleimhäute erscheinen blaß gelblich, sind aber sonst feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Die kapilläre Rückfüllungszeit liegt unter zwei Sekunden. Bei Palpation der Lnn. mandibulares, retropharyngeales, cervicales superficiales und parotidei ist kein besonderer Befund erhebbar. Spezielle klinische Untersuchung Haut und Haar Das Haar ist dicht, geschlossen und glänzend, das Pferd befindet sich zur Zeit im Fellwechsel. Es hat auf der Stirn eine drei mal einen Zentimeter lange Narbe. In den Ohren findet sich ein geringgradiger Pilzbefall. Ektoparasiten fallen nicht auf. 1 Herz und Kreislauf Die Episkleren sind gelblich, die Gefäße fein gezeichnet. Die Pulsfrequenz liegt bei 36/ Min., der Puls ist gleichmäßig und regelmäßig, die Arterien sind gut gefüllt und gespannt. Beide Jugularvenen sind frei durchgängig und anstaubar. Das Blut fließt nach Lösen des Staus sofort ab. Die Herzperkussion führt zu keinem besonderen Befund, das Herz schlägt kräftig, gleichmäßig und regelmäßig. Die Herztöne sind abgesetzt und es sind keine Nebengeräusche zu hören. Es sind keine Ödeme sichtbar. Respirationstrakt Die Atmung ist stark abdominal betont und das Pferd spannt bei der Expiration die Bauchpresse stark an. Die Atemfrequenz beträgt 8 Atemzüge/ Min. Die Ausatemluft ist auf beiden Seiten gleich kräftig und ohne besonderen Geruch. Aus der rechten Nüster tritt eine kleine Menge seröser Flüssigkeit aus, links sind keine Anzeichen von Ausfluß erkennbar. Die Nasenschleimhaut ist rechts ein wenig gerötet, ansonsten ohne besonderen Befund. Der Larynx ist bei Palpation weder vermehrt warm noch umfangsvermehrt. Das Pferd zeigt keinen spontanen Husten, nach Drücken des Kehlkopfes kommt es zu drei angestrengten, aber trockenen Hustenstößen. Die Lungenperkussion ist ohne besonderen Befund, bei der Auskultation ist rechts ein geringgradiges inspiratorisches Giemen zu hören. Links ist ein geringgradig verschärftes inspiratorisches Vesikuläratmengeräusch wahrnehmbar. Digestionstrakt Nach Aussage der Intensivkliniker sind Appetit, Durst, Futter- und Wasseraufnahme ohne besonderen Befund. Das Pferd hat hochgradigen massiven Zahnstein, der sich nicht mit dem Fingernagel entfernen läßt. Bei der Darmauskultation sind die Darmgeräusche leise, aber sonst ohne besonderen Befund, es gibt keine Anzeichen für Durchfall. Harn- und Geschlechtsapparat Der Urinabsatz ist ohne besonderen Befund, der Harn ist klar und fast farblos. An Penis und Präputium zeigt sich eine mittel- bis hochgradige Smegmolithenablagerung. Skrotum und äußeres Präputium sind bei Palpation ohne besonderen Befund. Zentrales Nervensystem Das Pferd zeigt keine zentralnervösen Störungen. Pupillar-, Lid-, Ohr-, und Analreflex sind auslösbar und normal ausgeprägt. Sinnesorgane Das Pferd zeigt keine Störungen des Sensoriums, der Drohreflex ist beidseitig auslösbar und normal ausgeprägt. Bewegungsapparat In der Ruhe und bei der Belastungsprobe an der Longe zeigt das Pferd keine Bewegungsstörungen. 2 Ergänzende Untersuchungen Labor Bei der Untersuchung der Blutgase wird ein Sauerstoff-Partialdruck von 66mm Hg gemessen (Normbereich: 95-105mm Hg), der Kohlendioxid-Partialdruck beträgt 52mm Hg ( Normbereich: 42-48mm Hg ). Bei der Blutuntersuchung waren keine besonderen Befunde aufgetreten. Belastungsprobe Das Pferd wird etwa fünf Minuten im Trab und Galopp longiert. Dabei zeigt es zwei Hustenstöße mit geringgradigem Sekretauswurf. Bei der anschließenden Auskultation ist die Atmung angestrengter, es ist beidseits ein mittelgradig verschärftes inspiratorisches vesikuläres Atemgeräusch wahrnehmbar. Unmittelbar nach der Anstrengung ist ein leises Giemen auf beiden Lungenhälften hörbar, das bald verschwindet. Das Pferd kommt in den nächsten fünf Minuten fast völlig wieder zur Ruhe. Bronchoskopie Bei der Bronchoskopie sind Kehlkopf und Stimmbänder ohne besonderen Befund. Ventral zeigt sich eine Sekretstraße mit mukösem Schleim, der Spangen bildet. Die Schleimhäute sind leicht geschwollen, die Trachealspangen sind verwaschen und undeutlich. Diagnose Das Pferd leidet an einer mittelgradigen chronisch-obstruktiven Bronchopneumonie (COB), und an einer geringgradigen Stoffwechselstörung. Differentialdiagnosen Als Differentialdiagnosen wären eine akute oder parasitäre Bronchitis möglich. Prognose Die Prognose ist bei Änderung des Haltungsmanagement und erfolgreicher Hydrotherapie gut, etwa 70 Prozent der Behandlungen sind erfolgreich. Davon sind 80 Prozent der Tiere anschließend voll belastbar, der Rest zeigt zumindest eine Verbesserung der Symptome. Wenn sich nach zwei Hydrotherapien die Auskultationsbefunde nicht ändern, läßt sich die COB nicht therapieren, da das Bronchialepithel zu stark geschädigt ist. Daraus ergibt sich, daß die Heilungschancen um so höher sind, je eher mit der Therapie begonnen wird. Bei den genannten Befunden nach der ersten Hydrotherapie ist die Prognose für dieses Pferd gut. Therapie Die Therapie ist besonders auf den Aspekt der Hyperreagibilität gerichtet. Der wichtigste Punkt ist die Optimierung des Haltungsmanagements, so daß die Tiere weniger Reizen ausgesetzt werden. Die Ventilation des Stalls muß verbessert werden, um Staub und Schadgase, wie Ammoniak, zu entfernen. Die Tiere müssen mehr Weidegang erhalten, das Futter eingeweicht werden, um den Staub zu binden. Eventuell muß die Ein3 streu gewechselt werden, da Stroh sehr viel Staub enthalten kann, die Tiere können auf Torf oder Gummimatten gestellt werden. Die Tiere sollten prophylaktisch gegen Pferdehusten geimpft werden. Bei der Impfung mit RESEQUIN kann allerdings für zwei bis drei Wochen Husten bei den Pferden auftreten, so daß man eher PREVACCINOL oder andere Impfstoffe verwenden sollte. Der zweite Aspekt der Therapie sollte sich auf die mukoziliäre Clearance richten. Die Pferde sollten viel bewegt, aber nicht zu stark belastet werden, um den Abtransport des Schleims in den Bronchien zu fördern. Bei zu starker Belastung verlieren die Tiere jedoch zu viel Flüssigkeit, etwa 20 bis 30 Liter, über die Atemwege, so daß es doch wieder zur Eindickung des Schleimes kommt. Zusätzlich können Sekretolytika, wie das SPUTOLYSIN in VENTIPULMIN plus, eingesetzt werden. Die Inhalation mit Emser Salz per Microvernebler führt zu einer Verflüssigung des Schleimes und wirkt beruhigend auf die Schleimhäute. Das Acetylcystein, welches sich ebenfalls zur Schleimlösung eignet, ist für Pferde nicht mehr zugelassen. Zusätzlich können Sekretomotorika gegeben werden. Eine weitere Verbesserung der mukoziliären Clearance kann mit der Hydrotherapie erreicht werden. Die ursprüngliche Methode nach DEEGEN besteht darin, den Pferden an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 7 Liter pro 100kg Körpergewicht sterile isotonische Kochsalzlösung in zwei bis drei Stunden intravenös zu infundieren, was sehr kostenintensiv ist. Bei der Gießener Methode bekommen die Tiere morgens auf nüchternem Magen etwa 6,8 Liter pro 100kg Körpergewicht selbstgemischte isotonische Kochsalzlösung per Nasenschlundsonde eingeflößt. Dies kann bei empfindlichen Pferden und bei nicht völlig leerem Magen zu Koliksymptomen führen, so daß die Menge in zwei Portionen gegeben wird, und das Pferd zwischendurch geführt wird. Bei beiden Methoden, besonders jedoch bei der ersten, kommt es durch die große Flüssigkeitsmenge zu einer starken Belastung des Kreislaufs, so daß dieser ständig kontrolliert werden muß. Gegebenenfalls ist die Infusion, bzw. die Eingabe der Kochsalzlösung zu unterbrechen. Das Ziel ist es in beiden Fällen, dem Tier so viel Flüssigkeit zu verabreichen, daß es den Nieren nicht mehr möglich ist, diese auszuscheiden und sie deshalb über die Lunge ausgeschieden wird. Das anschließende Führen soll den verdünnten Schleim abtransportieren helfen. Die Hydrotherapie kann nach etwa einer Woche wiederholt werden, sollte sich dann immer noch keine Verbesserung gezeigt haben, ist die COB nicht mehr zu therapieren. Der Bronchospasmus, der aufgrund der Hyperreagibilität auftritt, kann mit Bronchospasmolytika aufgehoben werden. Das CLENBUTEROL in VENTIPULMIN plus senkt den intrathorakalen Druck und wird in einer Dosis von 0,06 g /kg KG/ Tag gegeben. Bei einer möglichen Schleimhautschwellung können Corticosteroide gegeben werden, zum Beispiel das Dexamethason HEXATRISON. Es sollte auf jeden Fall ein kurzwirkendes Corticosteroid verwendet werden, da so eine beginnende Hufrehe eher abgewendet werden kann als mit einem Depotpräparat. Es sollte initial für drei Tage eine Dosis von 0,4 mg/kg KG/ Tag gegeben werden, die anschließend in 1 g / kg KG – Tagesschritten ausschleichen sollte. Aufgrund der Corticosteroidtherapie kann man begleitend Antibiotika einsetzen, zum Beispiel potenzierte Sulfonamide wie in ANTASTMON. Dieses wird in einer Dosis von 20mg/kg KG einmal täglich per os gegeben. Weiterer Verlauf 4 Das Pferd bekommt jetzt eine zweite Hydrotherapie, da sich das Krankheitsbild nach der ersten bereits stark gebessert hat. Epikrise Die chronisch- obstruktive Bronchitis ist eine Erkrankung, von der in Deutschland etwa 40 Prozent der Pferde betroffen sind. Ätiologisch sind eine gestörte mukcoziliäre Clearance und die Hyperreagibilität der Bronchialschleimhaut auf verschiedenste Reize zu nennen. Diese können thermischer Natur sein, wie zum Beispiel kalte Luft, es können jedoch auch mechanische Reize, wie zum Beispiel Staub und chemische Reize sein. Dabei ist besonders das Ammoniak zu nennen. Die Überempfindlichkeit kann aber auch gegen Allergene wie Staub, Futterpartikel, Pollen und Heu gerichtet sein. Vorberichtlich kann eine akute Bronchitis genannt werden, die Ausdruck einer viralen oder bakteriellen Infektion ist. Besonders die Influenza- und Parainfluenzainfektion spielen dabei eine Rolle. Die Hyperreagibilität kann angeboren oder durch häufige Aussetzung reizender Substanzen, wie das Ammoniak, vorkommen. Man kann die Tiere zum Beispiel einem Provokationstest mit Histamin aussetzen, bei dem hyperreaktive Tiere sehr viel schneller mit einem Bronchospasmus reagieren. Die Störung der mukoziliären Clearance ist häufig die Folge der Zerstörung der Bronchialschleimhaut. Der Bronchialschleim besteht aus der lumenwärts gerichteten mukösen Phase und der zilienbedeckenden serösen Phase. Die Zilien schieben die muköse Phase, in welcher Staub, infektiöse Agenzien und sonstige Fremdstoffe gebunden werden durch gleichmäßige Schläge nasalwärts. Bei einer unvollständig ausgeheilten Infektion mit Viren oder Bakterien oder bei Einatmen von Schadgasen wie dem Ammoniak können einige Zellen zugrunde gehen. Als erstes sind meistens die Clarazellen betroffen, welche für die Produktion der serösen Phase des Bronchialschleims verantwortlich sind. Diese werden angegriffen und durch mukosabildende Zellen ausgetauscht. Dadurch wird die seröse Phase dünner und die muköse Phase dicker. Die Zilien haben in der Folge Mühe, den Schleim vorwärts zu transportieren und es kommt zu einer vermehrten Ansammlung von Schleim in den Atemwegen. Die gebundenen Schadsubstanzen werden nicht mehr ausgeschieden und nähern sich der Schleimhaut. Dort können sie zur Schädigung und vollständigen Zerstörung des Flimmerepithels führen, wodurch sich ein Circulus vitiosus ergibt. Zusätzlich können die Substanzen, auf die das Pferd empfindlich reagiert, länger in den Bronchien verweilen und zu einem starken Bronchospasmus führen, die Hyperreagibilität kann aber auch durch die erhöhte Konzentration dieser Stoffe im Bereich der Schleimhaut entstehen. In der Folge zeigen die Pferde häufigen Husten in der Ruhe und sind kaum belastbar, und die Krankheitssymptome ziehen sich meist über mehrere Monate oder Jahre hinweg. Differentialdiagnostisch könnte es sich um eine akute Bronchitis handeln, aufgrund der Anamnese ist dies unwahrscheinlich. Die parasitäre Bronchitis könnte durch den Befall mit Lungenwürmern hervorgerufen werden. Die Dictyocaulose tritt besonders auf, wenn die Pferde in Kontakt mit Eseln gekommen sind, die häufig Lungenwürmer haben. Die Parasiten wären allerdings bei der Dauer der Erkrankung bei der Bronchoskopie sichtbar gewesen. Die Stoffwechselerkrankung kann im Zuge der Therapie in der Klinik entstanden sein. Das Pferd war bei Einlieferung sehr fett und bekommt nun weniger zu fressen. Dabei 5 kann die Gelbfärbung der Schleimhäute infolge der Lipämie aufgetreten sein. Auch der massive Zahnstein ist ein Hinweis auf eine mögliche Stoffwechselstörung, wobei die Nierenwerte normal waren. Die Farblosigkeit des Urins läßt sich auf die Hyperinfusion zurückführen. 6