Ausserkörperliches Heilen

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Ausserkörperliches Heilen:
ein Weg zu bewusstem Sein
15 Aktive Meditationen von Manuel Schoch
Inhaltsverzeichnis:
Zur Person
Zur Textentstehung
Einleitung
Körper und Mind, 17.4.94
Anhaften, 18.4.94
Seele, 19.4.94
Heilen, 20.4.94
Ausstrahlung und Anziehung, 9.10.94
Gesundheit, 10.10.94
Potential, Mitgefühl, Sein: Der Charakter der Qualitätsaura, 11.10.94
Klarheit, Reinheit, Aufrichtigkeit, 10.12.95
Veranlagung und Grundhaltung, 11.12.95
Demut, Geduld, Anpassungsfähigkeit, 12.12.95
Der Energiekörper, 13.12.95
Die Seele, 4./5.11.95
Stärken und Schwächen 16./17.12.95
Sterben, Meditation, Aufmerksamkeit, Stille, 24.5.95
Fragen und Antworten, 12.10.94
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Zur Textentstehung:
Gegenstand dieses Buches sind
Niederschriften von 15 Aktiven Meditationen von Manuel Schoch.
Zwölf dieser Aktiven Meditationen wurden anlässlich eines
Ausbildungskurses in Ausserkörperlichem Heilen gehalten und stehen in
einem abfolgenden, thematischen Zusammenhang. Die andern drei
beinhalten ergänzende und erläuternde Informationen.
Aktive Meditationen sind
spontan gehaltene, inspirierte, mündliche Vorträge. Die durchschnittliche
zeitliche Länge einer Meditation beträgt ungefähr eine Stunde.
Bei Aktiven Meditationen handelt es sich um sogenanntes Channeling, in
Trance aus einer anderen Dimension übermittelte Information. Dies
kann zur Folge haben, dass auf den ersten Blick gewisse Textteile
ungewohnt, der Inhalt neu oder die Sprache ursprünglich, eigenartig
erscheinen mögen.
Die jeweiligen Tonbandaufnahmen der Aktiven Meditationen wurden in
die vorliegenden schriftlichen Texte übertragen. Um die Dichte und den
Fluss des mündlichen Vortrages möglichst umfassend wiederzugeben,
wurde dabei versucht, die Originalität des sprachlichen Ausdrucks
weitgehend beizubehalten und möglichst direkt aus dem
Schweizerdeutschen zu übersetzen.
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Zur Person:
Manuel Schoch
geboren 1946, ist ein moderner Mystiker, Heiler, Therapeut und Lehrer.
Schon als Kind sah Manuel Schoch die Energiefelder (Aura) seiner
Mitmenschen, nahm hellsichtig und hellhörig Verstorbene und andere
Geistwesen wahr und sein ganzes Leben hindurch hatte er immer wieder
mystische Erlebnisse.
Nach der Schulzeit wurde Manuel Schoch zuerst Bauer. Darauf studierte
er Psychologie in der Schweiz und in England, wo er auch seine
medialen Fähigkeiten verfeinerte. Er war jüngster Redaktor beim
Schweizer Fernsehen und Personalchef eines grossen
Kommunikationsunternehmens.
Nach mehreren Lehrjahren mit dem dänischen Heiler Bob Moore,
begann Manuel Schoch 1971 selbstverantwortlich seine Arbeit als
energetischer Therapeut.
Daneben war er Mitbegründer des analytischen Zentrums in Zürich und
wirkte ab 1974 am gleichen Ort als Gründer und Leiter des HiHoKollektivs, einer staubaufwirbelnden antipsychiatrischen Institution.
In der Folge führt die Entfaltung von Manuels Heilkunst zur Geburt des
tune in, Center for Human Growth, und seit 1984 trägt Manuel seine
Qualitäten mit Vorträgen, Kursen, Workshops und Ausbildungen in die
Öffentlichkeit. Dabei wird er durch seinen Kontakt mit der andern
Dimension von Geistführern unterstützt.
Manuel Schoch ist der Begründer der Time Therapie und hat das
Ausserkörperliche Heilen© entwickelt.
Manuel arbeitet mit Klarheit, Mitgefühl, Humor und Bescheidenheit und
leitet heute das tune in Institut für psycho-spirituelles Wachstum in
Zürich, London und Athen.
Er lebt in Zürich, Athen, London, ist verheiratet und Vater von zwei
Söhnen.
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Bisherige Publikationen:
Awareness and Transformation, an Introduction to the Work of Manuel
Schoch (1990, Mezzaluna, Zürich);
(deutsche Übersetzung: Bewusstheit und Transformation, eine
Einführung in die Arbeitsweise von Manuel Schoch, erhältlich bei tune
in, Zürich);
Meditation - Transformation, Freiheit vom Ich (1994, tune in, Zürich);
in Vorbereitung: Time Therapie;
diverse Vorträge auf Tonbandkassetten erhältlich.
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Einleitung
Wahre Mystik!
Zeitlose Weisheit in einer neuen, modernen Sprache.
Strahlend, erhellend, wärmend für das Herz und die innere Intelligenz –
klärend und schmelzend für den Verstand.
Aussagen, die aus jener Dimension stammen, aus der wir geboren sind
und wohin wir zurückkehren, jenseits von Zeit, Raum, Schwerkraft,
Getrenntheit, Leiden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Absolutheit
und vielleicht gerade deshalb revolutionär.
Gegenstand dieses Buchs sind 15 Aktive Meditationen, spontane,
inspirierte Vorträge, die Manuel Schoch während eines
Ausbildungskurses in Ausserkörperlichem Heilen gehalten hat.
Manuel Schoch leitet das tune in Institut für psycho-spirituelles
Wachstum in Zürich, London, Athen. Er ist nebst anderem ein
begnadeter Therapeut/Heiler und Auraleser sowie der Begründer der
Time Therapie und des Ausserkörperlichen Heilens.
Sein Kontakt mit anderen Dimensionen fliesst als Information direkt in
seine Aktiven Meditationen ein. (Aktive Meditation heisst hören, alles
Wissen radikal in Frage stellen können. Das bedeutet als HörerIn, oder
in diesem Fall als LeserIn, das Gehörte/Gelesene nicht sofort zu
bewerten, zu interpretieren, sondern die Aufnahme und Integration der
Information der inneren Intelligenz zu überlassen.)
Was ist Ausserkörperliches Heilen?
Kurze Erläuterungen zu verwendeten Ausdrücken:
Ausserkörperliches Heilen nennt sich eine moderne, von Manuel Schoch
entwickelte, Form des Heilens, welches unter Begriffen wie geistiges,
spirituelles Heilen schon seit uralten Zeiten praktiziert, und heute als eine
komplementäre, medizinische Methode mehr oder weniger akzeptiert,
geachtet oder beargwöhnt wird.
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Ausserkörperliches Heilen beinhaltet eine spezielle Technik, versteht sich in
einem umfassenderen Sinn als Lebenshaltung und will auch den
Bedürfnissen des zeitgemässen, wissenschaftlich geprägten Denkens,
welches nach Erklärungen und Verstehen verlangt, entsprechen, wobei
aber die Tatsache bestehen bleibt, dass Erklärungen direktes Erleben
leider nicht ersetzen können.
Mit einem Körper und dem Verstand ausgestattet werden wir geboren,
leben unser leidendes oder glückliches irdisches Dasein und... sterben.
Das Ich, Körper, Gedanken, Gefühle sind vergänglich, bestimmt durch
die Grenzen der Gesetze von Zeit, Raum, Gravitation.
Gelingt es uns, das Ich-Bewusstsein und Dualität zu transzendieren,
werden Ebenen erfahrbar, die jenseits dieser Schranken, hinter Geburt
und Tod liegen und sich komplexer als lineare UrsacheWirkungszusammenhänge verhalten. Für das Leben von essenzieller
Bedeutung, sind wir mit diesen Dimensionen tief verbunden. Wenn wir
Fragen stellen, fragen wir nach ursprünglichen Antworten und falls wir
unter einer Erkrankung leiden, suchen wir nach wirklicher Heilung.
Ausserkörperliches Heilen geht davon aus, dass Heilungsversuche von
Krankheiten des Körpers und/oder des Mind mit Mitteln, die der Ebene
von Körper/Mind entstammen, unzureichend bleiben. (Wir bevorzugen
das englische Wort mind im Sinne von Gesamtprozess der
Wahrnehmung, der Gedanken, Emotionen, Gefühle.) Solange eine
Therapiemethode Symptome auf derselben Ebene verschiebt, kann sie
womöglich Linderung, nicht aber Heilung verschaffen.
Aus langjähriger, genauer Beobachtung des Menschen zeigt sich, dass wir
unser Dasein nicht nur in einer Körper/Mindstruktur fristen, sondern im
weiteren vor allem auch in einem feinstofflichen, sensitiv wahrnehmbaren
Energiefeld leben. (Dieses kann man spezifischer unterteilen in Ätherkörper
und Mentalaura inklusive Emotionalaura.)
Ausserkörperliches Heilen bezieht die Aura in den therapeutischen
Prozess mit ein: Der feinstoffliche Körper heilt den feinstofflichen Körper.
Erfolgt Therapie durch dieses elektromagnetische Informationsfeld,
werden auch die Schwingungen des energetischen Feldes des «Kranken»
aktiviert, bewusster, und da die feinstoffliche Ebene weniger in
ZeitRaumGravitationsstrukturen verhaftet ist, wirkt Heilung auf dieser
Ebene intensiver und andauernder.
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Als spezielle Technik besteht das Ausserkörperliche Heilen in der Kunst,
bei therapeutischen Handlungen oder bei Healing neben dem
Körper/Mind zusätzlich den feinstofflichen Körper einzusetzen, ihn zu
projizieren und eben auch ausserhalb des physiologischen Körpers
dirigieren zu können.
Teilweises oder ganzheitliches ausserkörperliches Erleben ist eine erste
Auflösung der Beschränkungen des Raum-Zeit-Gravitationsfeldes.
Dadurch können grobstoffliche Formen leichter, lichter, dehnbarer,
gelöster werden. Natürlicherweise ist dies zugleich subjektiv direkt
erfahrbar. Zum Beispiel sind gesteigerte Wahrnehmung und
Vitalitätszuwachs nebst tieferer Zuwendung mögliche Folgen eines
veränderten Zustandes.
Das feinstoffliche System wiederum kann gesehen werden als ein
Bestandteil und ein Ausdruck von unpersönlichen, tieferen
Dimensionen, in der Aura wahrnehmbar als sogenannte Qualitätsaura.
Die zeitlose Qualitätsaura und das Ungreifbare, repräsentiert durch die
subjektiv fühlbare Seele, bilden den Energiekörper.
Obwohl diese umfassenden Ebenen, ihrer Natur gemäss, jenseits unseres
Verstandes liegen und ihr Verstehen, ihre Beschreibung und vor allem
ihr Erleben deshalb Schwierigkeiten bereitet, hat es immer wieder
Annäherungen an diese essenziellen Bewusstseinsebenen gegeben.
Einige Kennzeichen der unendlichen, unvergänglichen Existenzebenen
jenseits des ZeitRaumGravitationsfeldes sind beispielsweise Liebe,
Intelligenz, Information, Leichtigkeit, Licht... und als solche sind sie ein
intuitiver, kreativer Bestandteil des menschlichen Bewusstseins.
Der Energiekörper, als ein Ausdruck des ursprünglichen Ganzen, wirkt
als Transformation.
Es stellt sich also die Frage, wie man diese multidimensionalen Ebenen
in Heilungsprozesse integrieren kann und Ausserkörperliches Heilen
versucht konsequent, die Beziehung zur Qualitätsaura, zur Seele, zum
Energiekörper zu verstärken.
Im weitesten Sinn kann es uns gelingen, den Energiekörper bewusst zu
dem werden zu lassen, was er eigentlich schon ist, zur führenden Instanz
im Dasein. Dabei werden feinstoffliche und grobstoffliche Ebene zu
einem Instrument des Energiekörpers.
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Da sich integrierend wirkende Prozesse nicht beschränken lassen,
können wir Ausserkörperliches Heilen nicht stur, einseitig auf spezielle
therapeutische Zusammenhänge reduzieren, sondern es wird als
Grundhaltung auch im alltäglichen Leben die Ebene des Energiekörpers
mit einzubeziehen beginnen.
Ausserkörperliches Heilen versucht ganz praktisch, die raumzeitlichen
Grenzen zu transzendieren, Bewusstsein zu erweitern, Transformation
zu ermöglichen und das menschliche Potential sich entfalten zu lassen.
In direkter Erfahrung fördert es Liebe und Mitgefühl, Humor und
Weisheit, Kreativität und ursprüngliche Einfachheit und versucht so, in
einem bescheidenen Beitrag die Lebensqualität individuell und allgemein
zu erhöhen.
Warum eigentlich sollten wir die konkrete Beziehung zur Seele nicht
schon jetzt realisieren? Ein bisschen mehr Freude würde diesem
Planeten sicher keinen Schaden zufügen.
Diese Aktiven Meditationen haben die Absicht, Türen und Fenster zu
den essenziellen Realitäten der Existenz aufzustossen und zu einem hell
leuchtenden, bewussten Sein beizutragen.
Was wir bei den Niederschriften leider nicht übersetzen konnten, ist die
energiegeladene Präsenz des gesprochenen Wortes. Dennoch hoffen wir,
dass wir unsere Aufgabe, die lebhaften Vorträge möglichst wortgetreu
aus dem Schweizerdeutschen in ein lesbares, geschriebenes Deutsch zu
übertragen, zu Ihrer Zufriedenheit lösen konnten.
Und jetzt wünschen wir Ihnen viel Licht, Erfüllung und einiges
ausserkörperliches Vergnügen.
Herbst 1997
tune in
Institut für psycho-spirituelles Wachstum
Seestrasse 561
CH-8038 Zürich
Telefon 01 481 71 81
Internet: http://www.tune-in.ch
Niederschriften: Fred Krähenbühl und Andreas Ruch
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Körper und Mind
17. April 1994
Wir haben Menschsein als Körper und Mind definiert. Der Körper zeigt
sich, wenn wir nicht nur die Zellen, die Organe und die Haut betrachten,
als elektrochemischer Prozess. Der Ätherkörper und die emotionale
Aura sind direkt mit dem Körper verbunden. Der Mind, der auch zum
Körper gehört, ist ebenso ein elektrochemischer Prozess. Neben der
Wahrnehmung und den Gefühle beinhaltet er verschiedene
Denkformen. Körper und Mind sind voneinander nicht trennbar.
Die Qualitätsaura gehört zu einer dritten Ebene, die über Körper/Mind
hinaus geht. Diese Ebene nennen wir Energiekörper. In vielen Texten
wird diese Ebene auch als Seele bezeichnet.
Wir haben weiter gesagt, dass Körper und Mind in Gravitationsraum
und Phasenzeit existieren. Sie sind damit vergänglich und ihre Struktur
wird sich im Gegensatz zum Energiekörper zu gegebener Zeit auflösen.
Der Energiekörper seinerseits existiert in Erlebniszeit und Raum-AnSich (Unendlichkeits-Raum) und bleibt daher immer erhalten. Beziehung
ist der Raum, die Substanz dieses Energiekörpers.
Gehen wir jetzt zuerst zurück zur Struktur von Körper/Mind. Selbst,
wenn wir die Einheit von Körper und Mind erst intellektuell verstanden
haben, ist der Bezug zum Energiekörper immer, vielleicht geschwächt,
nicht einmal bewusst, vorhanden. Es hängt von der Balance von Körper
und Mind ab, ob der Energiekörper – die Seele – sich manifestieren
kann.
Nun kommt die Frage auf, wie man zu dieser Balance kommen kann.
Um diesen Prozess zu verstehen, muss man die Dialogstruktur von
Körper und Mind untersuchen.
Stellt euch einmal eine Sprungfeder vor, wie sie in einer alten Matratze,
oder in einem Kugelschreiber zu finden ist. Am einen Ende dieser Feder
sei der Körper, am anderen Ende der Mind befestigt. Wenn sich jetzt ein
Teil, Mind oder Körper, bewegt, überträgt sich die Information über
diese Bewegung durch die Feder zum Partner. Damit ist eine
Schwingung in der Feder entstanden, auch wenn nur der eine Teil sich
bewegt hat und der Partner vorerst unbeteiligt ist. Der Mind zum
Beispiel ist also von einer Bewegung des Körpers betroffen, der Körper
von einem Vorgang im Mind. Diese beiden, Körper und Mind, sind
voneinander nicht zu trennen.
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In dem Sinn hat die moderne Wissenschaft recht, wenn sie sich gegen
das Dualitätsprinzip stellt. Sie hat aber auch unrecht, weil sie immer
vergisst, dass da auch noch die dritte Ebene ist, die Seele.
Je mehr Bewegung ein oder auch beide Partner zugleich erzeugen, desto
intensiver schwingt die Feder. In der Feder können dabei neue
Schwingungsmuster auftreten, welche nicht mehr durch Körper oder
Mind allein ausgelöst worden sind. Wir erleben dieses Phänomen dann
als Speed, als Stress. Ihr habt es alle schon gesehen: Ihr könnt in diesem
Zustand mit eurer ganzen Intensität versuchen, Mind oder Körper zu
beruhigen, es wird euch nicht gelingen, weil sich die Eigenschwingung
der Feder erst nach einer gewissen Zeit wieder beruhigt. Die
Schwingungen, welche Körper und Mind verbinden, sind als Muster im
Ätherkörper sichtbar. Daher kann man etwa siebzig Prozent aller
Krankheiten fünf bis sechs Monate vor ihrem Auftreten im Körper in
dieser Schwingungsstruktur erkennen. Das ist die eine Seite.
Ohne Schwingungsbezug zwischen Körper und Mind auf der anderen
Seite könnten beide nicht existieren.
Balance ist da, wenn die Feder eine gewisse Ruhe gefunden hat. Weder
darf die Schwingung völlig verschwinden, noch soll Eigenschwingung
auftreten. Die Feder soll einfach den Bezug zwischen Körper und Mind
herstellen und die Information über die Bewegungen des einen Teils als
Schwingung zum anderen übertragen. Damit erkennen wir, dass Balance
etwas mit Stille zu tun hat.
Wie kann man nun diese Schwingungen von Mind und Körper in eine
Balance bringen? Was und wie läuft das ab?
Nun stellt sich die Frage, ob man den Mind ruhigstellen kann. Wenn ihr
ganz genau beobachtet, werdet ihr feststellen, dass dies nicht möglich ist.
Wer will denn eigentlich den Mind ruhig stellen? Was heisst es im
Endeffekt, dass ich den Mind ruhig stellen möchte? Solange dieser Wille
erkennbar ist, ist doch der Mind immer noch aktiv. Stille oder, um es
nochmals in unserem Symbol zu sagen, eine ruhigere Bewegung in der
Feder, kann über den Mind als Auslösemedium nicht erreicht werden.
Was ist mit dem Körper? Ohne uns in medizinischen Details zu verlieren
sind im Körper ganz offensichtlich zwei grundlegende
Nervenfunktionsmuster erkennbar. Ob ich meine Hand bewege oder
nicht, hat etwas mit meinem Mind zu tun. Es ist mein Denken, der
assoziative und der motivative Denkprozess, welches meine Bewegungen
auslöst.
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Andererseits gibt es einen weiteren medizinisch erkennbaren Prozess. Es
gibt Organfunktionen, wie jene des Herzens, der Blase, des Darms, der
Lunge, welche losgelöst von meinem Willen und meinen Denkprozessen
ablaufen. Wäre das nicht so, könnten wir uns weder entspannen, noch
könnten wir schlafen, und wir hätten ein relativ grosses Chaos in
unserem Körper.
Es muss einen Sinn machen, dass der Körper offensichtlich zwei
unterschiedliche Fähigkeiten hat: Die eine erhält die wichtigen Prozesse
aufrecht, obwohl man mit dem Mind nichts tut. Man muss nicht
willentlich verdauen, oder das Herz schlagen lassen. Die andere Fähigkeit
erzeugt willentliche Bewegung.
Aus der Evolution heraus ist der Sinn klar: Es wäre gar nicht möglich, zu
überleben, müsste man auf alle Prozesse willentlichen Einfluss nehmen.
Das bedeutet auf der anderen Seite, dass zum Beispiel mein Herzschlag
auch keinen Einfluss auf meinen Mind ausübt. Wenn allerdings das Herz
einmal wegen eines Adrenalinschubs plötzlich massiv schlägt, hat das
sehr wohl Einfluss auf den Mind. Solange aber eine normale
Funktionstätigkeit vorliegt, wird dadurch der Mind nicht beeinflusst.
Jede willentliche Körperbewegung wird im Gegensatz dazu in der Feder
zwischen dem Körper und dem Mind eine Schwingung erzeugen, die
von beiden Partnern am Ende der Feder immer wieder zurückgespiegelt
wird. Die Konsequenz aus dieser Wechselwirkung ist, dass ich beim
Versuch, den Mind ruhiger werden zu lassen, nicht beim Mind beginnen
kann. Der Körper muss sich zuerst beruhigen. Je weniger der Körper
sich bewegt, desto ruhiger wird die Schwingung der Feder, desto weniger
ist der Mind mit Dingen beschäftigt, die er nicht benötigt. Das ist der
einfache Grund, warum die meisten Meditationstechniken im
Ruhigstellen des Körpers bestehen. Das ist ein ganz einfacher Prozess,
um den Dialog zwischen Körper und Mind ruhiger werden zu lassen.
Wo der Dialog zwischen Körper und Mind ruhiger wird, entsteht mehr
Raum.
Der Körper braucht eine ruhige Schwingung, sollen die feinstofflichen
Ebenen, die andere Dimension, der für den Healingprozess wichtige
Energiekörper, die Seele, mehr in den Vordergrund treten können. Diese
Schwingung soll frei sein von der Bereitschaft zu kämpfen (Leistung zu
erbringen, sich anzustrengen), zu fliehen (sich zu wehren, zu
rechtfertigen, zu verstecken) und paralysiert zu sein (Totstellung, Angst).
Dadurch löst sich die Verkrampfung des Körpers.
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Der Körper muss auf die psychischen Prozesse wohl Einfluss nehmen
können, soll sie aber selbst nicht induzieren. Der Körper muss dann
aufkommende Angst nicht mehr austragen (mit der Angst sein). Vitalität
soll auf einer psychischen Ebene erzeugt werden, nicht durch eine
Anstrengung des Körpers. Wenn man mit einer Situation Mühe hat, sich
verletzt fühlt, soll man mit dieser Verletzung bleiben können, statt
aggressiv zu reagieren.
Der Körper soll eine ruhende Haltung einnehmen können. Das Paradox:
Je tiefer in Ruhe der Körper ist, desto höher werden die
Schwingungsfrequenzen in den Zellen. In der energetischen Sprache ist
das Ausdehnung. Je weniger der Körper die Verantwortung für
psychische Prozesse übernehmen muss, desto mehr Klarheit bekommt
der Mind. Klarheit ist der erste Schritt zu Stille.
Viele Bewegungen laufen im Mind reflexartig, statt mit grosser
Aufmerksamkeit ab. Je weniger der Körper immer wieder eingreift und
den Mind dadurch zwingt, zu identifizieren und zu erklären, desto mehr
Freiheit gewinnt der Mind, sich auf anderen Ebenen zu bewegen.
Je weniger der Mind gezwungen wird, den Körper zu kontrollieren,
desto eher erkennt er sein eigenes Potential. Es ist, als erhielte der Mind
Flügel und der alte Traum vom Fliegen erhält einen neuen, den
eigentlichen Sinn. Der Mind erkennt sein Potential, wie das Symbol der
Raupe, die das Potential zum Schmetterling hat, es aufzeigt.
Mystiker haben gesagt, dass man auf seinen Körper aufmerksam sein
soll. Damit meinen sie nicht, der Körper sei die einzige, die
entscheidende Instanz. Der Körper kann sich durch Aufmerksamkeit in
eine Haltung von Ruhe hinein bewegen.
Je entspannter man ist, desto bewusster wird man seines Körpers;
gleichzeitig wird man seiner aber auch weniger bewusst. Das ist ein
Paradox, welches man im Zen immer wieder mit Koans aufzulösen
versucht. Ein einfaches Beispiel: Ihr geht ins Kino. Wenn man sagt, man
sei vom Film völlig absorbiert gewesen, drückt man überhaupt nicht aus,
dass man sich vergessen hätte. Man hat im Gegenteil erkannt, dass man
sich selbst noch viel bewusster geworden ist. Totales Absorbiertsein
impliziert einen Schub von erhöhtem Bewusstsein. Den Körper total zu
spüren, zu erleben, jede Zelle, jede Vibration wahrzunehmen, bewirkt
keine Fixierung auf den Körper, sondern gerade das Gegenteil. Je stärker
eine Beziehung ist, desto mehr Freiheit und Ruhe entstehen.
Normalerweise ist es allerdings nicht so. Man hat normalerweise einen
relativ losen Kontakt zu seinem Körper.
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Daher muss man laufend identifizieren. Was passiert jetzt, was ist los?
Ein Beispiel: Ihr geht nachts durch den Wald. Es kracht im Gebüsch,
immer wieder. Laufend wird Adrenalin ausgeschüttet. Darum seid ihr
ununterbrochen in einem verkrampften Zustand. Geht ihr bei Tag durch
den gleichen Wald, könnt ihr alles überschauen, habt zu allem eine
Beziehung. Jetzt geht ihr völlig entspannt.
Sobald der Körper in Ruhe ist, sobald er nicht mehr laufend
Verantwortung für irgendwelche psychische Prozesse übernehmen muss,
sobald er sich also selbst als Gefäss versteht, wird die Federschwingung
geringer und damit ein klarerer Dialog sichtbar.
Habt ihr euch schon überlegt, wie ein Dialog im eigenen Kopf oder mit
jemand anderem abläuft? Wenn ihr jetzt beobachtet, werdet ihr sicher
wahrnehmen, dass ein echter Dialog nur aus einem Ablauf entstehen
kann, der langsam fortschreitet, weil erst jetzt echtes Zuhören möglich
wird. Je mehr Pausen also eingelegt werden, desto tiefer, ganzheitlicher
läuft ein Dialog ab. Es stehen weniger ausschliessende Prinzipien eines
Entweder/Oder im Vordergrund. Wenn der Körper in Ruhe gelassen
wird, verringert sich die Intensität der Schwingung in der Feder, und
genau das erzeugt einen tiefen Dialog mit dem Mind. Der Mind kann
dann erkennen, dass sich der Körper selbst um seine Angelegenheiten
kümmert und kann sich anderen Ebenen zuwenden.
Psychosomatik bedeutet das Vorliegen einer Störung im Dialog zwischen
Körper und Mind. Darum sind alle die Techniken, wie Autogenes
Training, Meditation, Übungen der Entspannung entwickelt worden.
Man weiss, dass sie auch bei Krankheit eine wichtige Funktion
übernehmen können. Psychopharmaka, welche durch die Blockierung
von Funktionen im Gehirn eine Übererregung zum Beispiel durch Angst
abbauen, haben eine ähnliche Wirkung. Heilung kann geschehen, sobald
der Dialog zwischen Körper und Mind nicht mehr hektisch verläuft,
sobald Körper und Mind aufeinander hören. Bei diesen Überlegungen ist
Vorsicht geboten, weil Krankheiten nach wie vor auftreten können und
auftreten werden.
Der Dialog zwischen Körper und Mind und auch andere Bezüge, von
denen noch zu sprechen sein wird, bestehen aus einem Prozess des SichEinbringens und des gleichzeitigen Hörens.
Ist euch der Zusammenhang zwischen der Krankheit unserer
Gesellschaft und der Tatsache, dass Beziehung die Essenz des
Energiekörpers ist, schon aufgefallen?
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Weder bringen wir uns in einem Dialog wirklich ein – damit ist nicht nur
materielles Teilen gemeint –, noch hören wir wirklich hin. Wenn jemand
sich nicht einbringt, wird das als Zusein, als Egozentriertheit empfunden.
Der Ausdruck beschränkt sich dann meist auf die Darstellung von Ideen,
mit denen man sich identifiziert, auf Rechtfertigungen warum man so
und nicht anders ist, und auf Schlussfolgerungen, dass und warum die
Welt mit einem so schlimm umspringt. Wenn man nicht hören kann,
deutet das darauf hin, dass man noch irgendwie anders werden, besser
als andere sein möchte. Ausser sich selbst nimmt man nichts wirklich
wahr.
Man könnte ja der Meinung sein, es sei für eine zwischenmenschliche
Beziehung unerheblich, ob man sich in einer wirklichen Beziehung, in
einem wirklichen Dialog mit seiner Umwelt befinde, da Körper und
Mind schliesslich irgend einmal verfielen. Es sei eigentlich egal, ob man
in den achtzig Lebensjahren ein bisschen besser oder ein bisschen
weniger gut lebe. Man könne doch auch so leben, wie das siebzig
Prozent in unserer Gesellschaft tun man könne sich doch einfach ein
bisschen durchmischeln, vor sich hinwursteln, Lebensqualität sei nicht
gefragt.
Es ist nicht egal, wie man lebt! Genau derselbe Grundsatz über die
Qualität des Dialogs, darüber also, wie man sich einbringt und hört, gilt
als Grundgesetz auch in Bezug zum Energiekörper, zur Seele. Es ist
deshalb nicht egal, wie man lebt, weil die Seele unvergänglich ist. Der
Energiekörper ist keine persönliche Struktur, er ist immer
depersonalisiert und damit ein Teil des Ganzen. Wir sind alle bei
unserem Tode selbst zuständig für den Bewusstseinsgrad, mit dem wir
sterben und damit dafür, wie die zukünftigen Generationen hier leben,
weil Evolution nur mit der Weiterentwicklung des Bewusstseins, seiner
Bewegung, seiner Entfaltung, überhaupt einen Sinn macht. Entfaltung ist
nicht auf Grund des Glaubens an die Hypothese einer eigenen
Wiedergeburt wichtig, sondern deshalb, weil Evolution auf Vorzukunft
basiert und Vorzukunft die Essenz, die Struktur von Liebe ist.
Es ist, um es ein bisschen hart zu sagen, die Pflicht jedes einzelnen von
uns, so bewusst, wie möglich zu sterben. Das Eigene ist weniger wichtig,
als das Ganze. Die Art, wie sich das Ganze im Einzelnen entfalten kann,
ist wichtig und entscheidet sich in der Zukunft. Damit erschafft Zukunft
Vergangenheit.
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Abgesehen davon, ist es eines der grössten Wunder, überhaupt geboren
zu werden. Damit hat man siebzig oder achtzig Jahre geschenkt erhalten.
Was hindert einen denn eigentlich, diese Jahre optimal zu nutzen? Eine
hohe Lebensqualität macht ja doch auch viel mehr Spass.
Sobald der Körper zur Ruhe kommt, können dadurch der Mind
bewusster und der Dialog stärker werden. Es entsteht Partnerschaft.
Kein Parnter ist besser, als der andere. Beide können sich einbringen.
Beide können aufeinander hören.
Wenn Körper und Mind in einen Dialog treten, der die Aura mit
einschliesst, werden die elektrochemischen Prozesse im Körper
intensiviert und die Schwingungsebene, die Frequenz erhöht sich. Man
kann sagen, es entstehe mehr Licht. Wo mehr Licht ist, entstehen klarere
Gedanken, wie mit dem Leben umgegangen werden kann. Da Licht auch
Informationsträger ist, verstärkt sich auch die Informationsschwingung.
Im Altertum sprach man von diesen Phänomenen als von
Geführtwerden.
Sobald beide, Körper und Mind, sich einbringen und gegenseitig auf sich
hören können, wird der Energiekörper sukzessive bewusster. Die Seele,
die immer präsent ist, kann sich plötzlich manifestieren.
Stellt euch vor, Körper/Mind würde als Frosch in einem Brunnen leben.
Der Frosch hat mit der Zeit so viel Neugier entwickelt, dass er wissen
möchte, was sich ausserhalb des Brunnens befindet. Da er aber meint,
nicht aus dem Brunnen hinausspringen zu können, beginnt er einfach
einmal zu quaken. Er bringt sich ein, er drückt sich aus, er quakt.
Hundert Meter von diesem Brunnen entfernt ist der Strand des Meeres.
Dort lebt ein anderer Frosch, er repräsentiert die Seele. Der Frosch hört
das Quaken. Da die Seele immer – immer! – reagiert, wenn man sie
anspricht, hüpft der Frosch langsam zum Brunnen, obwohl es Zeit
braucht und mühsam ist, die hundert Meter zurückzulegen. Auf dem
Brunnenrand angelangt sieht er unseren Frosch, grüsst, und fordert ihn
auf, seine Fragen zu stellen.
Der Frosch im Brunnen fragt: „was siehst du?“
Und der Seelenfrosch erzählt vom Ozean. Der Brunnenfrosch meint:
„das ist unmöglich“. Der Seelenfrosch: «Natürlich kannst du sagen, ich
sei ein Bluffer, ich würde phantasieren, es gebe kein grosses Wasser. Das
ist auch verständlich. Wenn ich im Brunnen sässe, käme ich zur gleichen
Folgerung. Könntest du nun aber nicht einfach einen Sprung machen,
her zu mir? Nütze deine Sprungbeine. Spring, statt einer Mücke
nachzujagen, hierher, zu mir herauf!»
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Wie springt ein Frosch? Wenn er sich sehr anstrengt, viel Anlauf nimmt
und dabei seinen ganzen Körper zusammenzieht, wird er es nie schaffen.
Wenn er sich aber völlig entspannt, gleichzeitig Vitalität aufbaut und
mental die absolute Bereitschaft, die innere Disziplin hat anzukommen,
wird er es vielleicht nicht beim ersten, aber mit hundertprozentiger
Sicherheit beim dritten, vierten Mal schaffen. So wagt der Brunnenfrosch
irgendwann einmal – schwupp – den Sprung. In der Luft kriegt er noch
Angst. Und landet neben dem Seelenfrosch.
Zusammen hüpfen sie zum Meer. Als sie dort ankommen, nimmt der
Brunnenfrosch wahr, was es mit der grossen Wasserfläche wirklich auf
sich hat.
Eine riesige Trauer überkommt ihn. Er trauert nicht darüber, dass er so
lange im Brunnen gesessen, nicht darüber, dass er so lange gezweifelt
hat. Er weiss, dass die anderen Frösche im Brunnen nicht verstehen und
ihn auslachen werden, wenn er ihnen vom Meer erzählt. Er hat den
Seelenfrosch ja vorhin auch ausgelacht. Das macht ihn so unendlich
traurig. Sein Mitgefühl für seine Freunde aber ist so gross, dass er
trotzdem beschliesst, zurückzugehen.
Die Seele, der Energiekörper, ist immer präsent. Die alten Religionen
haben von Vertrauen, von Glauben, gesprochen. Die Seele ist das, was
heilt. Sie kann sich selbst, oder jemanden anders heilen. Heilung ist
manchmal, auch das muss man sehen, der korporale Tod. Jedes von uns
wird irgend einmal die endgültige Heilung, den Tod, erleben. Jedes von
uns wird einmal nicht mehr zum Brunnen zurückgehen, wird
zurückfinden in den Energiekörper.
So lange man lebt, kann man sich immer wieder entscheiden, zum
Brunnen zurückzugehen, weil man vielleicht meint, dass alle Erzählung
vom Meer doch nur Lüge sei oder, weil man sich mit der Seele, dem
Meer, nicht auseinandersetzen mag.
Habe ich das Meer einmal wirklich erkannt, mag ich zum Brunnen
zurückkehren wollen, weil ich denen, die den Brunnenrand für die letzte
Grenze der ganzen Welt halten, meine Erkenntnis weitergeben möchte.
Das wird ganz automatisch geschehen, ohne missionarisch verkrampft
zu wirken, ohne ein Gefühl des Müssens, einfach so. Dabei wird man,
wie der Seelenfrosch, erst einmal zuhören, weil der Partner zu Anfang
negativ reagieren mag, wenn man sich einbringt. Auch dann wird man
weiter zuhören, weil man weiss, dass niemand gegen Erkenntnis an sich
ist. Jede Gegnerschaft erwächst aus einer Beschränkung des
Bewusstseins.
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Niemand, der Mühe hat, die Seele wahrzunehmen, ist dumm, daneben,
falsch, oder noch nicht weit genug entwickelt. Es gilt einzig, die Technik
zu erlernen, ohne Spannung aus dem Brunnen zu springen.
Der Körper ist die erste Instanz, der Mind die zweite, da der Körper mit
dem Mind verbunden ist. Der Mind hat ein bisschen mehr Gewicht, weil
der Körper sich nicht ohne die Aufforderung durch den Mind bewegen
wird. Sobald diese beiden, Körper und Mind, miteinander in einem
Dialog stehen, wenn beide sich einbringen und zuhören können, kann
sich die Seele zu manifestieren beginnen.
Es ist nicht nur für den eigenen Körper und den eigenen Mind wichtig,
sich einbringen und zuhören zu können. Diese Fähigkeiten sind auch in
Bezug zu allen anderen Menschen wichtig. Warum? Weil die Idee, dass
irgend jemand von irgend jemand anderem oder etwas getrennt sei, nur
eine Idee und keine Realität ist. Mein Körper und dein Körper sind das
Gleiche. Die Funktionen meines Mind und jene deines Mind sind gleich.
Sie variieren nur in ihrer Manifestation. Eine Manifestation ist immer
abhängig vom Raum, in dem sie stattfinden kann. Der Raum ist darum
immer wesentlicher als jede Manifestation, die vergänglich ist.
Die Konsequenz daraus ist, dass ein Dialog zustande kommt, sobald
man gelernt hat, sich gleichzeitig einzubringen und zu hören. Das ist
Stille.
Stille können wir als Prozess beschreiben. Stille heisst dann, allem zu
jeder Zeit Raum zu gewähren: dem Körper, den Gefühlen, den
Gedanken.
Achtet darauf, welch phänomenales Element in diesen Gedanken
enthalten ist. Jeder Körper wird verkrampft sein, solange er das Gefühl
hat, gegen die Wand zu stehen, keinen Raum zu haben. Ein Körper mit
dem Gefühl, genug Raum zu haben, kann sich in Ruhe lassen.
Ein Gedanke, mit dem irgend etwas erreicht werden soll, wird weitere
Gedanken erzeugen, vielleicht bis hin zu paranoiden Zwangsmustern.
Ein Gedanke, der keiner Zensur unterliegt, ob er gut oder ob er
fehlerhaft sei, wird ausgedrückt werden.
Ein Gefühl, das nicht daraufhin analysiert wird, ob es überhaupt legal
und korrekt sei, ist da und gleich wieder fort.
Das ist es, was Raum schaffen, den Dingen einen Sterbeinhalt zu geben
oder sie vergänglich werden zu lassen bedeutet.
18
Je besser Körper und Mind ihre Limitierung als positiven Prozess der
Vergänglichkeit erkennen, desto eher kann jene enorme Kraft entstehen,
die wir als Freiheit, als Frieden, oder wie die Zenliteratur sich ausdrückt,
als Gelassenheit wahrnehmen.
19
Anhaften
18. April 1994
Wir haben gestern gesehen, dass aus der Vorstellung, Körper und Mind
seien je an einem Ende einer Spiralfeder befestigt und damit immer
miteinander verbunden, abgeleitet werden kann, dass jede Bewegung von
Körper oder Mind die Spiralfeder in Bewegung bringt, dass
Wechselwirkung entsteht. Wenn Körper und Mind miteinander in einem
Dialog stehen, entsteht Balance. Wir haben erkannt, dass Dialog eine
Wechselwirkung zwischen Sich-Einbringen und Hören bedeutet.
Wenn Körper und Mind in einer Balance, einer ausgeglichenen
Wechselwirkung stehen, kann sich die Seele, der Energiekörper, über
Körper und Mind besser manifestieren. Dann ist Hören wichtiger, als
Sich-Einbringen. Sich einzubringen ist immer eine Funktion von
Körper/Mind. Manifestation, haben wir gesagt, ist Bewusstsein. Eine
Manifestation ist nicht mehr Raum, sondern bedeutet das Erschaffen
von Form.
Was aber heisst Hören im Bezug zur Seele, zum Energiekörper?
Diese Frage kann nicht direkt beantwortet werden. Man muss, um das
bildlich zu formulieren, einen Umweg machen. Man muss zur Frage
«Was_ist_Hören?» gleichzeitig – der Mind muss versuchen, beide Fragen
gleichzeitig zu bearbeiten – die Frage stellen: «Was hindert uns, die
Verbindung zur Seele stärker zu spüren, da es ja nur um diese
Verbindung geht? Warum scheint es so schwierig zu sein, Körper/Mind
als Gefäss zu benützen? Wie ist es möglich, der Illusion einer vom
Ganzen abgetrennten Ich-Struktur zu erliegen? Warum scheint es so
schwierig zu sein, den Energiekörper, der die Essenz darstellt, als das zu
erkennen, worum es wirklich geht? Warum identifiziert man sich immer
wieder mit Körper/Mind?» Dieser Fragenkomplex muss parallel zur
Frage «Was_ist_Hören?» da sein.
Es gibt eine Bewusstseinsebene, in der man Fragen nicht mehr logisch,
entlang von Ketten von Ursache und Wirkung verfolgen kann. Diese
Zusammenhänge dort erscheinen eher als in einer Spiralenform
angeordnet. Damit wird klar, dass mehrere voneinander abhängige
Fragen gleichzeitig im Raum stehen.
Der Energiekörper ist offensichtlich mit allem verbunden, von nichts
getrennt. Alles, was von nichts getrennt ist, kennt weder Ursache noch
Wirkung und beinhaltet darum das Prinzip der Unendlichkeit.
20
Unendlichkeit ist der Prozess des Nicht-Erinnerns. Unendlichkeit ist der
Prozess der Auflösung von Definitionen. Unendlichkeit ist der Prozess
der Ablösung von Interpretationen. Daraus kann man ableiten, dass
Hören und die Schwierigkeit, mit der Seele stärker in Verbindung zu
treten, etwas mit Tod zu tun hat, mit Sterben.
Die klassische Psychologie beruft sich immer wieder darauf, dass durch
die Analyse der Vergangenheit eine Veränderung, eine Umformung von
Persönlichkeitsstrukturen stattfinde. Die Time Therapie bestätigt dies,
solange diese Umformung, diese Veränderung, Körper/Mind betreffen
soll. Die Ansicht stimmt dann nicht mehr, wenn es um die Seele geht.
Die Time Therapie fragt nach dem Sinn, ein Kleid – als Symbol für
Köper/Mind – endlos zu analysieren, an ihm immer wieder einmal ein
bisschen herumzuflicken, statt auf die Essenz zu schauen.
Stellt euch einmal vor, ihr würdet in eurem Haus in den Estrich gehen.
Stellt euch einen riesengrossen Estrich vor, in dem es unendlich viel
Zeug gibt, das ihr im Verlauf eurer Geschichte angesammelt habt, im
Moment nicht oder nicht mehr brauchen könnt und einfach dort hinauf
gestellt habt. Es stehen dort Sachen aus der Kindheit, ein Stuhl oder ein
Bild aus eurer Beziehung vor der Scheidung, Bücher, die ihr gelesen
habt, alte Briefe, ein Teddybär, den ihr als Kleinkind gehabt hat. Vieles
mehr. Es sind alles Dinge, die ihr im Moment nicht braucht, welche aber
ganz offensichtlich irgend wann einmal eine Rolle gespielt haben und
deshalb dort oben gestapelt sind. Geschichte.
Binnen kurzem wird es keinen Platz mehr im Estrich haben. Weil ihr
annehmt, dass eure Geschichte noch nicht zu Ende ist, sich also auch
neue Sachen noch ansammeln werden, geht ihr in diesen Estrich hinauf
und stellt euch die Frage, wie ihr aufräumen solltet. Wie, nach welchen
Massstäben, nach welchen Kriterien, solltet ihr was fortwerfen? Sollt ihr
den Teddybären wegwerfen, zu dem ihr eine emotionale Geschichte
habt? Vielleicht werdet ihr auch selbst einmal ein Kind haben, und
darum möchtet ihr vielleicht den Teddy noch behalten, weil euer Kind
dann mit ihm spielen könnte. Sollt ihr die alten Liebesbriefe wegwerfen,
vielleicht den Stuhl aus der letzten Beziehung? Aber vielleicht könntet ihr
den wieder einmal brauchen, weil er doch noch schön und wertvoll ist.
Nach welchem Kriterium entscheidet ihr, was ihr behaltet und was ihr
wegwerft?
Wenn ihr euch nach dem Kriterium entscheidet, welche Sachen subjektiv
bei euch mit mehr Gefühlen verbunden sind, müsst ihr nach der
Bedeutung fragen und danach, warum sie solche Gefühle auslösen.
21
Entscheidet ihr eher nach dem Wert, müsst ihr fragen, wie ihr zu dieser
Meinung kommt und ob der Wert wohl in drei, vier Jahren auch noch so
hoch sei.
Eure Entscheidung wird immer auf Kriterien beruhen, die etwas mit der
Vergangenheit zu tun haben.
Nehmen wir an, ihre werft die Hälfte der Sachen weg. Trotzdem, eure
Auswahlkriterien erhalten die Geschichte weiterhin. Es gibt
beispielsweise nichts ähnlich Absurdes – absurd meine ich in einem
pervertierten, fast schon wieder humoristischen Sinn – wie eine
Situation, die zur Zeit in Griechenland aktuell ist. In Athen wird derzeit
eine Untergrundbahn gebaut. Dieses Projekt hätte innerhalb von drei
Jahren abgeschlossen sein sollen. Die Arbeiten werden aber mindestens
acht Jahre dauern, weil die Baustelle bei jedem Fund eines alten Steines
während ungefähr eines Monats stillgelegt wird, damit man des Steins
Geschichte ermitteln kann. In der gleichen Stadt sterben jeden Tag
ältere Leute aus Atemnot, weil die Luft so sehr verschmutzt ist.
Trotzdem sind die Steine, die Vergangenheit, viel, viel wichtiger.
Wenn ihr jetzt, ohne Psychologie zu betreiben, in eurem Estrich steht,
bleibt euch nur übrig, den ganzen Raum radikal zu leeren. Man kann
nicht ein bisschen mehr vom Körper oder vom Mind sein lassen. Da
Körper und Mind nicht trennbar sind, kann man nicht ein bisschen
weniger an den Körper anhaften, und dafür ein bisschen mehr
Spiritualität bekommen.
Ein verkrampfter Körper hält sich fest. Ein verkrampfter Mind hält sich
fest. Dieses Festhalten drückt sich in Rechthaberei und Rechtfertigungen
aus, durch Glaubenssysteme, Ideologien oder Sicherheitsdenken.
Ob ich am Mind, oder am Körper festhalte, spielt keine Rolle. Ich kann
nicht den Körper ein bisschen entspannen, die Erhaltung meiner
Glaubenssysteme fordern und trotzdem annehmen, durch meine
Entspannung würde irgend etwas passieren. Jede Ideologie, die man
vetritt, wird sich auch im Körper als Spannung manifestieren. Jede
intellektuelle Rechtfertigung, jede Verteidigung, wird sich auch im
Körper zeigen. Das gilt auch für den lieben Teddybär. Entweder ist der
Estrich leer und hat Raum, oder er hat keinen Raum.
Sterben bedeutet nichts anderes als – um den englischen Ausdruck zu
benützen – detachment, also Auflösung jeden Anhaftens. Verkrampfung
ist nichts anderes als Anhaften. Seele ist immer das Gegenteil. Ein
ständiges Nicht-Angehaftet-Sein, ein ständiges Seinlassen. Ganzheit
impliziert, dass nichts irgendwo anhaftet, nichts sich identifiziert.
22
Körper/Mind gehören Phasenzeit und Gravitationsraum an, leben also
aus der Vergangenheit heraus. Eine moderne Psychologie, die Healing
(Heilung) einschliesst, kommt daher nicht um die Erkenntnis herum,
dass eine Analyse von Körper/Mind die Lebensqualität nicht erhöhen
kann. Eine solche Analyse macht allenfalls das Leben erträglicher. Punkt.
Eine Analyse macht das Leben, wenn man Glück hat, normaler, aber
nicht gesund.
Eine moderne Psychologie, die die Seele einschliesst, muss zu den alten
mystischen Strukturen zurückfinden, die darin bestehen, sich mit der
Zukunft und so schliesslich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Keine
Seele wird sich manifestieren können, solange Angst vor dem Tod einen
Menschen beherrscht. Jede Auflösung von Anhaften reduziert die
Bedeutung von Körper/Mind. Dadurch entsteht mehr Bewusstsein der
Seele. Buddha hat darum immer darauf hingewiesen, dass detachment
das einzige sei, was es wirklich brauche. Sterben!
Versteht diese Auflösung des Anhaftens nicht in jenem furchtbar
pervertierten, naiven Sinn der modernen Kirchen. Man löse sich, sei
nicht angehaftet an sein Geld, sein Auto, seinen materiellen Besitz.
Jemand der nicht an Körper/Mind angehaftet ist, wird seinen Besitz
sowieso nicht übermässig vermehren. Was macht man denn mit fünfzig
Millionen Franken, wenn man das Geld nicht intelligent einsetzen kann?
Irgendwann stirbt man ja ohnehin. Detachment hat nur mit der
Körper/Mindstruktur zu tun. Spiritualität, wird sich erst dann zeigen,
wenn man sich mit dem Sterben von Körper und Mind
auseinandergesetzt hat. Die Seele wird durch die Auflösung der
Abhängigkeit von Körper/Mind spürbar.
Die Fähigkeit, andere, selbst Gegner, zu akzeptieren wie sie sind,
entsteht nicht durch einen moralischen oder energetischen
Gefühlsaufwand. Sie erblüht dadurch, dass Körper und Mind nicht mehr
die Hauptidentität sind.
Der direkteste, effizienteste, stärkste Sterbeprozess ist genau das, was ihr
jetzt eben tut. Ihr hört nicht auf mich, sondern auf euch. Es geht um
das Zuhören, darum, auf andere Dimensionen zu achten. Das hat auch
die moderne Wissenschaft schon erzählt, nur scheinen wir nicht darauf
zu hören. Das erste Sinnesorgan, das beim Werden des Fötus zu
funktionieren beginnt, ist das Gehör. Das letzte Sinnesorgan, das im
Sterbeprozess noch funktionieren wird, ist das Gehör. Wir sprechen hier
nicht nur vom medizinischen Ohr, als dem Organ mit Muschel,
Trommelfell und Schnecke.
23
Wir sprechen vom ganzen Körper als einem Hörorgan. Stellt
Taubstumme in einen Raum, und lasst rhythmische Musik ertönen. Ihr
werdet erleben, dass die Leute, obwohl sie real die Musik nicht hören,
sich nach sechs, sieben Minuten im Rhythmus der Musik zu bewegen
beginnen. Das ist einer der Gründe, warum eine Akupunkturrichtung das
ganze Ohr für die Diagnose einer Krankheit benützt und sagt, der ganze
Körper sei, wie an den Füssen, auch im Ohr sichtbar. Der ganze Körper
ist Ohr, ist aufnehmende Antenne.
Warum ist Zuhören der stärkste, intensivste, effizienteste Sterbeprozess?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Wenn ich sage, die Schweiz gehöre
zu Frankreich, rasselt es sofort durch den Mind der meisten Leute, dass
dies nicht stimme. Warum? Aus dem Fundus unserer Vergangenheit
stammt die Sicherheit, dass das nicht wahr ist. Dieser eigene
Gedankengang lenkt derart vom Zuhören ab, dass ein anschliessend an
diese Behauptung ausgesprochener Satz schon nicht mehr aufgenommen
werden kann. Das ganze System ist jetzt darauf eingestellt, dass die
Aussage unwahr ist. Die Schweiz gehört nicht zu Frankreich.
Hören besteht darin, alles Wissen radikal in Frage stellen zu können. Der
Zugang zur anderen Dimension ist uns nur deshalb verbaut, weil wir
immer mit dem, was wir schon wissen, zuhören, weil wir an schon
Bekanntes, an die Erfahrungen von Körper/Mind angehaftet sind. Wenn
Angehaftetsein der Hauptprozess im Leben ist, ist schlicht nichts von
aussen hörbar.
Ein Grieche sagt: «Alle_Griechen_lügen.» Wenn seine Aussage wahr ist,
lügt er selbst nicht. Wenn aber die Aussage falsch ist, also doch nicht alle
Griechen lügen, lügt mindestens er. Zen-Koans probieren verzweifelt,
Mind und Körper dazu zu bringen, das Angehaftetsein aufzugeben.
Zuhören ist der Sterbeprozess. Achtet einmal im täglichen Leben darauf,
wie wenig wirklich zugehört wird.
Auch wenn ihr lest, hört ihr. Ihr könnt keine Sekunde leben, ohne zu
hören, während es Momente gibt, während welchen ihr nicht seht. Das
Gehör ist sogar hellwach, während ihr schlaft. Jemand, der im Koma
liegt, hört alles, sieht aber nicht unbedingt, es sei denn, der oder die
Kranke sei aus dem Körper getreten.
Wie nehmt ihr während des Denkens eigentlich wahr, dass ihr überhaupt
denkt? Beobachtet: Ihr hört eigentlich das Gedachte. Immer, wenn ihr
mit eurer Erfahrung, mit der Vergangenheit also, zuhört, vernehmt ihr
im Prinzip nur Geräusch, Lärm.
24
Wenn euer Hören aber ein Sterbeprozess ist, fängt die Seele zu fliegen
an. Dann entsteht die grandiose Kraft, jene Bewegung, die sich über den
Körper als Vitalität, über den Mind als Klarheit ausdrückt: Bewusste
Absenz.
Welches ist die Beziehung zwischen diesem täglichen Sterben während
des Hörens und dem physischen Tod, der unweigerlich, real, auf uns
zukommt? Zuerst erkennen wir ganz offensichtlich Angst. Wir
beschäftigen uns viel lieber mit unserer Vergangenheit, als mit der
Zukunft, obwohl wir wissen, dass die Analyse der Vergangenheit nur
Körper/Mind ein bisschen umfunktioniert. Das kann zwar durchaus
sinnvoll sein, aber es reicht nicht.
Angst ist immer zukunftsorientiert. Trotzdem plazieren wir Angst lieber
in der Vergangenheit, wo sie nicht hingehört. Wenn ich in meiner
Kindheit einsam gewesen bin, so spüre ich heute keine Angst mehr vor
der damaligen Einsamkeit. Ich spüre hingegen Angst vor einer
Einsamkeit, die im Moment da ist, kommt oder kommen könnte. Das
heisst, mein Energiesystem ist nicht in erster Linie durch das, was
gewesen ist, durch meinen übervollen Estrich also, blockiert, sondern
aus Angst vor dem, was noch werden oder noch sein könnte.
In einer Beziehung zwischen zwei Menschen fangen üblicherweise dann
die Schwierigkeiten an, wenn Angst vor dem Sterben aufkommt. Angst
vor dem Sterben der Liebe, dem Sterben der bekannten persönlichen
Struktur, dem Sterben der Ansichten, dem Sterben der Gewohnheiten,
dem Sterben der Sicherheit, dass der Partner oder die Partnerin uns
wirklich nicht verlässt.
Man muss schauen, wie man kulturell und sozial zu dieser immer
grösseren Angst gekommen ist. Dabei wird man erkennen, dass sie
tatsächlich durch vergangene Erlebnisse geprägt ist. Natürlich gibt es
niemanden, der nicht durch seine Geschichte geprägt ist. Ein Versuch
aber, die Ängste auf der Ebene von Körper/Mind aufzulösen, wird
scheitern. Man wird nicht angstfrei durch ein besseres Verständnis von
Körper/Mind. Angstfrei wird man erst, wenn das Angehaftetsein sich
auflöst, wenn wir im Sterbeprozess sind. Das erste, was das tägliche
Sterben mit dem unweigerlichen, wirklichen Tod verbindet, ist Angst.
Diese Angst zeigt sich oft in einem starken und auch recht eigenartigen
Sicherheitsdenken. Stellt euch einmal vor, ihr seid dreissigjährig, habt
einen Job und alle Möglichkeiten sind offen, das Leben zu erforschen.
Und was tut ihr stattdessen?
25
Ihr sagt, ihr müsstet viel Geld für euer Alter sparen; ihr wüsstet ja nicht,
wie lange ihr leben würdet. Ihr wüsstet nicht, was dann mit euch
geschehen würde, hättet ihr nicht genug Geld angehäuft.
Rational ist das eine völlig richtige Überlegung. Ein Teil jedoch ist
irrational. Je höher jetzt die Qualität eures Lebens ist, desto sicherer
werdet ihr auch im Alter auf irgend eine Art mit der Situation umgehen
können. Wenn ihr jetzt euer Leben nicht voll lebt, werdet ihr im Alter
mit dem angehäuften Geld, selbst, wenn es 50 Millionen sind, nicht viel
anfangen können.
Das Anhaften an materielle Sachen ist nur ein – mildes – Symbol für das
Anhaften an Körper/Mind. Die Identität mit der Ich-Struktur verführt
uns dazu, die Trennung vom Ganzen nicht als Illusion, sondern als
Realität zu erleben. Es verführt uns, wie den Frosch im Brunnen dazu,
uns einzubunkern, uns zu isolieren, weil wir das Objekt unserer
Identifikation erhalten wollen. Symbolisch gesprochen sind wir daran,
Krebszellen zu schaffen.
Es ist besser, zwanzig Jahre wirklich intensiv zu leben und dann zu
sterben, als neunzig oder hundert Jahre zu leben und die Seele nicht
entdeckt zu haben. Vielleicht ist das einer der Inhalte der Symbole der
Bibel, dass Jesus schon mit dreiunddreissig Jahren gestorben ist.
Das zweite, was den kommenden korporalen Tod mit dem jetzigen
Sterben verbindet, ist, dass von Körper/Mind nichts, aber auch gar
nichts, übrig bleibt. Nehmen wir einmal an, ihr seid in der Wüste. Weite,
Hitze. Ihr habt einzig ein Glas und eine Literflasche gefüllt mit CocaCola. Zunächst wisst ihr, dass ihr sehr sparsam sein müsst. Ihr könnt
nicht ununterbrochen trinken, denn ihr könnt nicht wissen, wann ihr
wieder auf eine Oase trefft und damit Wasser findet. Damit ihr vom
lebenserhaltenden Trinken sicher nichts verschüttet, dürft ihr nicht
direkt aus der Flasche trinken; ihr müsst euer Coca-Cola zuerst aus der
Flasche in das Glas umfüllen. Da wandert ihr nun mit eurem Kamel in
der Wüste, ohne zu wissen, wann ihr wo ankommt, wo es wieder Wasser
gibt.
Da ihr wandert und nichts wisst, ist es verständlich, dass ihr so lange wie
möglich wartet, ehe ihr zum ersten Mal Coca-Cola aus der Flasche ins
Glas einschenkt. Wenn ihr dann wirklich durstig, innerlich fast verdorrt
seid und kaum mehr atmen könnt, giesst ihr zum ersten Mal euer Glas
halbvoll. Ihr trinkt die Flüssigkeit ganz langsam.
26
Und ihr spürt, wie unheimlich wohl euch wird, spürt die Entspannung,
da ihr endlich etwas trinken könnt.
Ist es nun das Verdienst des Glases, euren Durst gelöscht zu haben? Ihr
würdet doch sicher nicht auf die Idee kommen, die angebrauchte Flasche
wegzuwerfen und nur mit dem leeren Glas in der Hand weiterzugehen.
Auf diese dumme Idee kommt ihr natürlich nicht.
Genau auf diese Idee aber kommt ihr immer wieder in diesem Leben:
«Das_Glas_–_Körper/Mind_–_ist_unser_Leben» Ihr klammert euch
fest an das, was euch ein bisschen Vergnügen, ein bisschen Sicherheit
gebracht hat. Ihr seht nicht, dass ihr euch auf die Flasche ausrichten
solltet. Wenn ihr euch auf das Glas ausrichtet, werdet ihr in der Wüste
mit Sicherheit verdursten, es sei denn, es passiert ein Wunder, und ihr
erreicht eine Oase, bevor ihr verdurstet seid. Auch das passiert immer
wieder. In der christlichen Mythologie wird das mit Gnade umschrieben.
Nur kann man sich auf Gnade nicht einfach verlassen.
Jedermann wird eines Tages Gnade erleben. Der Zeitpunkt wird für viele
Leute der Moment ihres Todes sein. Gnade kann aber schon während
dieses Lebens erfahren werden. Man kennt aber diesen Zeitpunkt nicht.
Darum ist es viel intelligenter, sich selbst darum zu kümmern, indem
man sich nicht auf das Glas abstützt und sich mit ihm identifiziert.
Jedermann kennt ja den wirklichen Wert des Glases. Es schafft die
Sicherheit, dass man die Flüssigkeit ohne Verlust einschenken kann. Man
kann tatsächlich besser aus einem Glas trinken, als aus einer Literflasche.
Trotz dessen unbestreitbaren Wertes ist es nicht nötig, sich mit dem Glas
zu identifizieren.
Achtet darauf, was der Mind macht: Sobald nichts mehr da ist, mit dem
er sich identifizieren kann, negiert er jeden Wert. Eine
Körper/Mindstruktur zeigt dann ihren wirklichen Wert, wenn man sich
nicht darauf verkrampft. Identifikation ist nicht identisch mit
Wertschätzung. Identifikation heisst, nicht richtig durchzublicken und
hat mit Wertschätzung gar nichts zu tun. Das ist eine alte Verwechslung,
altes Entweder/Oder, duales Denken.
Jedermann wird spätestens bei seinem realen Tod Gnade erleben. Dann
wird jedes auch gefragt werden, warum es denn aus diesem Leben –
deswegen sei es doch gekommen – nichts gemacht habe.
27
Wenn man an Reinkarnation und Karma glaubt: Es gibt keinen einzigen
ernst zu nehmenden Heiligen oder Mystiker, der behauptet hat, man
käme hierher, um mit Körper/Mind zu lernen, sich in der Welt der
Formen durchzusetzen und erfolgreich zu sein. Man kommt hierher, um
mit Hilfe von Körper und Mind die Seele immer mehr einzubringen.
Nur das allein bringt die Evolution weiter. Man kommt nicht hierher, um
sich selbst in Körper/Mind zu verwirklichen, sondern, um zu lernen, wie
man der Seele immer mehr Raum geben kann, weil sie von allem anderen
nicht trennbar ist. Je mehr Körperzellen gemeinsam schwingen, desto
mehr entsteht das, was man als Liebe, Zuwendung oder Gott
umschreibt.
Das Wahrnehmen der Seele ist die Verschmelzung mit Allem. Das ist es,
was die alten Mystiker als Erleuchtung bezeichnet haben.
Spätestens dann, wenn man in Prozesse, an denen Healing beteiligt ist,
einsteigt, geht es nicht mehr darum, Blockierungen in Bezug zu seiner
Geschichte aufzulösen. Blockierungen entstehen immer aus Angst vor
dem, was kommt. Angst wird mit der Geschichte, der Interpretation der
Vergangenheit, verbunden. Auf der Ebene von Körper/Mind macht das
Sinn, ist es logisch. Es ist wichtig, dass man das erkennt. Dadurch aber,
dass man einen Inhalt einer Identifikation durch einen anderen ersetzt,
löst sich das Anhaften von Körper/Mind noch nicht auf.
Man mag eifersüchtig sein und dies auch als Grund dafür erkennen, dass
der Solarplexus, ja der ganze Körper emotional Amok laufen. Dadurch,
dass man diese Interpretation durch die Aussage
«ich_bin_halt_in_einem_Heim_aufgewachsen» ersetzt, erkennt man die
Seele noch nicht. Erst wenn man, als nächsten Schritt, die Vorgänge
depersonalisieren kann, erst wenn man wahrnimmt, dass auch Eifersucht
ein Teil vom Ganzen ist, wenn man also nicht mehr nach dem Grund,
der Ursache, sondern nach dem Prozess der Eifersucht fragt und damit
den Dialog zwischen Körper und Mind erkennt, merkt man plötzlich,
dass die Zukunft, die Perspektive blockiert ist. Diese Blockierung kann
aus Angst auftreten. Blockierung kann auch entstehen, wenn man sich
selbst oder jemand anderem die Schuld an seiner Eifersucht zuweist.
Unser Mind lässt sich betrügen, der feinstoffliche Körper nicht. Ihr mögt
jede Menge Fakten über eure Herkunft kennen. Dieses Wissen garantiert
keine Veränderung eurer Lebensqualität. Nur euer Potential kann die
Lebensqualität verändern. Der Energiekörper ist euer Potential.
28
Ich habe gestern gesagt, dass Körper/Mind die Raupe sei, und jede
Raupe hat das Potential zum Schmetterling. Die Seele ist der
Schmetterling.
Wie keiner einzigen Raupe die Metamorphose zum Schmetterling
verwehrt wird, gibt es keinen einzigen Körper/Mind, der sein Potential
durch seine Geschichte, durch seine Taten verwirkt hätte. Das ist ein
weiterer Grund für unseren Widerstand gegenüber dem Sterben.
Warum?
Wir können es nicht ertragen, dass es keine Gerechtigkeit gibt. Die Idee
von Gerechtigkeit wird seit eh und je durch viele so wunderbare Bilder
von bösen Geistern und Hölle symbolisiert.
Jesus hat einmal gesagt: !Syntaxfehler, NICHT. Was hat er damit
gemeint? Er wollte sagen, dass Prinzipien von Moral und Gerechtigkeit
wohl in der Materie funktionieren mögen, nicht aber im Himmelreich.
Um das anders zu formulieren: Eine vierzigjährige Klientin – ich nehme
einen meiner Fälle – hat immer noch grosse Schwierigkeiten in der
Beziehung zu ihrer Mutter, weil diese sie während Jahren verprügelt,
ausgestossen, abgelehnt hat und heute noch – die Mutter ist achtzig
Jahre alt – wie eine Aussätzige behandelt. Für diese Klientin wird es sich
schlimm anhören, wenn der Therapeut, in dem Fall ich, sagte:
!Syntaxfehler, « Hier spüren wir Widerstand.
Ist es denn wirklich gerecht, dass jemand, der sechs Millionen Juden hat
vergasen lassen, wieder wie ein Schmetterling mit seinem Bewusstsein
die Ganzheit erfährt? Körper/Mind wehrt sich dagegen und sagt, das sei
ungerecht. Aber die Liebe kümmert sich halt einen Dreck um unsere
Moral.
Wir spüren Widerstand gegen die Aufgabe des Anhaftens, denn
schliesslich geben wir uns ja redlich Mühe, gut zu sein. Wenn nun alle,
auch die, welche sich keine Mühe geben, spätestens bei ihrem Tod zur
Seele zurückfinden, wo ist hier denn die Gerechtigkeit? Wir erfinden
Horrorgeschichten und Märchen, die beschreiben, wie schlecht es
«denjenigen», wenn schon nicht «hier», dann sicher «dort» gehe. Wir
kennen die Aussagen, wie !Syntaxfehler, ,, oder
«die_werden_es_dann_schon_noch_erleben» aus unserer Zeit. Früher
sprach man vielleicht eher davon, dass
«die_Bösen_in_der_Hölle_schmoren» müssten.
Wir sind angehaftet an die Unterscheidung zwischen Gut und Böse.
29
Wir verhindern damit das Erwachen der Seele, weil die Seele nichts mit
Gut und Böse zu tun hat. Das ist es, was die Mystiker – das englische
Wort trifft den Sinn genau – compassion (Mitgefühl) genannt haben.
Das ist es, was Jesus mit dem Symbol jemand dich schlägt, halte auch die
andere Wange hin ausgedrückt hat. Das ist es, was die Taoisten gemeint
haben mit !Syntaxfehler, «. Denn nur Körper und Mind kommen um,
nicht die Seele. Wer möchte sich denn um Körper/Mind kümmern, wo
es doch um die Seele geht?
Nur: Der Fatalismus des Islam, sich als Märtyrer aufzuspielen, ist genau
so übertrieben, wie die hinduistische Gleichgültigkeitsidee. Wir sind
geboren worden, wir haben Körper/Mind entwickelt. In der
Reinkarnations- und Karmastruktur gilt nur ein Gesetz: Auch wenn die
Seele sich nicht in dieser Zeitstruktur über Körper/Mind manifestieren
kann, wird sie wohl wieder fliegen, wenn man stirbt, aber sie wird nichts
dazu beigetragen haben, dass es hier anders wird. Die Seele wird das
beim Tod wahrnehmen und wieder zurückkehren wollen. Solange sich
die Seele, welche nicht nur meine, sondern unser aller Seele ist, nicht
auch manifestiert, habe ich meinen Teil zum Ganzen nicht beigetragen.
Das ist die einzige Reinkarnations- und Karmastruktur.
Jenseits des Todes wird es keine Strafenden geben, keine Befehle,
zurückzugehen, um weiter zu lernen. Es gibt auch nichts zu lernen. Die
Seele selbst möchte sich so lange wieder manifestieren, bis sie sich in
dieser Struktur von Phasenzeit und Gravitationsraum ihrer Natur
bewusst geworden ist.
Bewusstsein bedeutet Manifestation. Die Seele braucht dazu ein Vehikel.
Der Seele Vehikel sind Körper und Mind.
Wenn man beim Tod durch den Verlust von Körper und Mind
gezwungen wird, alles Anhaften aufzugeben, wird auch der, welcher
überhaupt nichts zu seinem Bewusstwerden beigetragen hat, wieder Seele
sein. Vergeben heisst, den Widerstand gegen diesen Gedanken
aufzugeben.
Bodhisattvas sind Frauen oder Männer, die sich überhaupt nicht darum
kümmern, wieviel ihre Seelen im Laufe des Lebens schon zur
Transformation beigetragen haben. Sie manifestieren sich aus Freude,
Lust oder Barmherzigkeit immer wieder. Vergebung bedeutet das völlige
Seinlassen jeder Art von Anhaften.
30
Die Hindus haben Anhaften Maya genannt. Es macht nichts, zu spielen.
Die Seele schlüpft bei der Geburt in ein Gewand, steigt damit auf die
Bühne Welt und manifestiert sich in verschiedenen Formen. Das einzige
Problem besteht darin, dass wir vergessen, dass wir ein Theaterstück
spielen. Wir identifizieren uns mit dem Trinkglas.
Die Identifikation mit der Rolle hat Ausdruck in den Sprachen vieler
Kulturen gefunden. Die Griechen sprechen von Persona. Die Hindus
reden davon, dass Freude und Beziehung durch Manifestation, durch
Sich-Einbringen entstehen. Man braucht dazu Formen, soll sich aber
doch um Himmels willen nicht mit den Formen identifizieren.
Buben, die zusammen Indianer spielen, sollen das tun. Das Spiel wird
desto schöner, je weniger sie sich mit der Rolle identifizieren. Wo sich
jemand mit seiner Rolle identifiziert, entstehen Macht und Arroganz, die
stärksten Formen des Angehaftetseins.
Die Menschheit macht immer dann einen Evolutionssprung, wenn eine
gewisse minimale Anzahl Schauspieler - wieviele das sind, weiss ich auch
nicht - auf der Bühne erkennt, dass alle zusammen nur ein Theaterstück
spielen. Grinsend krachen sie dann zusammen und interessieren sich
nicht einmal mehr dafür, ob und wieviele Zuschauer applaudieren.
Das ist es, was man unter Befreiung versteht.
Die Situation ist ähnlich der eines ABC-Schützen beim Lesenlernen in
die Schule. Damit man überhaupt lesen kann, muss man das Alphabet
kennen. Den Leserhythmus, den man sich aneignet, wird man selbst
bestimmen. Niemand kann Rhythmus, die subjektive Empfindung beim
Lesen, lehren.
Das gleiche gilt für das Erlernen der Technik der Projektion beim
Healing. Niemand kann sagen, wie man es anstellt, an Körper/Mind
nicht so sehr angehaftet zu sein. Niemand auch kann das Problem des
Anhaftens für einen lösen. Es ist eine Frage der Haltung, wie man mit
seiner Zukunft, seinem Tod umgeht. Je weniger Angst vor dem Tod da
ist, desto mehr kann man Körper/Mind als Vehikel erleben. Dadurch
wird genau das Gegenteil von dem, was immer wieder gesagt wird,
passieren. Je besser man wahrnimmt, dass Körper/Mind ein Vehikel ist,
desto mehr trägt man zu ihm Sorge, ohne sich mit ihm zu identifizieren.
Sorge zu tragen zu Körper/Mind heisst nicht, ihn als seine letzte,
endgültige, kreative Form von Ausdruck zu verstehen und damit das
Trinkglas mit Coca-Cola zu verwechseln.
31
Gerade, weil man sich darüber klar ist, wie unendlich wichtig Körper
und Mind sind – die Seele kann sich damit manifestieren –, wird
Körper/Mind nicht mehr als Hauptausdruck missdeutet. Das Gefäss
wird zum Instrument.
Wer verstanden hat, wie man Musik macht, trägt zu seinem Instrument
genau so Sorge, wie zur Haltung des Musikspielens an sich.
Es gibt Leute, die laufend Dinge kaufen, die sie nicht benötigen. Es geht
nur um das Angehaftetsein. Genau so haben wir die Tendenz, an Körper
und Mind angehaftet zu sein, und sie nicht wirklich je anzuwenden.
32
Seele
19. April 1994
Ich habe am ersten Tag gesagt, dass der Mind von ausschliesslichem
Denken in Zusammenhängen von Ursache/Wirkung, von
Entweder/Oder, von logischer Folgerung wegkommen sollte, sobald es
um die psycho-spirituelle Ebene geht. Gleichzeitig müsse er lernen,
verschiedene Zustände miteinander zu vernetzen, sie nicht
ausschliesslich hintereinander zu erleben.
Wir nennen das chaotische Hierarchie. Dieser Ausdruck meint, dass in
einer Wechselwirkung eine Situation einmal stärker im Vordergrund
steht, die Führung übernimmt, um dann später wieder in den
Hintergrund zu treten und einem anderen Teil die Führung zu
überlassen. Eine chaotisch-hierarchische Struktur lebt immer nur so
lange, als sie notwendig ist. Dann verändert sich die Situation wieder. Es
gibt keine statische hierarchische Struktur von A über B zu C.
Nur wenn der Mind diese drei Dinge neu sehen kann – er muss das
Kausal- und das Entweder/Oder-Prinzip vergessen, und gleichzeitig
jenes der chaotischen Hierarchie akzeptieren –, lässt sich die Seele
überhaupt und trotzdem nur beschränkt, begrifflich umschreiben. Nur
dann lässt sich die Seele, der Energiekörper, erfassen. Intellektuell ist sie
nicht erfassbar, mit Erfahrung allein ist sie nicht erfassbar, es braucht
immer in bisschen mehr dazu.
Man kann die Seele, wenn man sie so sieht, mit einem einzigen Satz
zusammenfassen. Dieser Satz ist, wenn man so will, ein Koan, den wir
heute morgen miteinander untersuchen wollen. Der Satz heisst:
!Syntaxfehler, ,.
Was heisst das? Was heisst Sein und Werden?
Ganz zuerst muss man eine Aussage über das Bewusstsein machen. Das
Wahrgenommene ist nicht das Bewusstsein. Die Tatsache der
Wahrnehmung ist Bewusstsein. Bewusstsein ist somit nicht selbst
Energie. Bewusstsein ist sich der Energie bewusst. Körper/Mind/Aura
sind nicht selbst der Energiekörper. Das Bewusstsein davon, ihre
Substanz, ihre Essenz ist der Energiekörper, die Seele.
Diese Aussagen sind nur mit vernetztem Denken, selbst dort nur
bedingt, verständlich. Für einen Versuch, zu verstehen, sind zwei
grundsätzliche Elemente, welche auch in der Natur ungeklärt sind, zu
untersuchen: Zeit und Gravitation.
33
Weder die Physik, noch sonst eine wissenschaftliche Disziplin haben bis
heute erklären können, was Gravitation eigentlich ist. Man kann zwar,
um Newtons Aussage zu zitieren, den Prozess beschreiben, wie ein Apfel
vom Baum fällt. Das hat natürlich etwas mit Schwerkraft zu tun. Warum
aber diese Schwerkraft existiert, ist immer noch ungeklärt und ist eines
der letzten Geheimnisse der Physik. Trotz Quantenmechanik, trotz
Entdeckung vieler neuer Teilchen, ist das Rätsel bis heute ungelöst
geblieben.
Das zweite hier dazugehörende Geheimnis ist die Zeit. Wir alle erleben
Zeit. Wir alle wissen – wir meinen wenigstens, wir wüssten es – , was
Zeit ist. Sobald man Zeit allerdings definieren und beschreiben soll,
sagen soll, warum sie existiert, was sie bedeutet, wird man meist
sprachlos. Man weiss nicht, was Zeit eigentlich ist.
Wenn man die Begriffe Zeit und Gravitation unabhängig von Konzepten
wie Materiestruktur, Mathematik und Physik anschaut, kann man mit
ihrer Hilfe recht viel über Mystik und über die Seele aussagen.
Bedeutet das Verwelken einer Blume, dass sie einfach stirbt, oder
bedeutet das auch, dass sie einen Teil ihrer Schwere verliert? Ist es etwa
umgekehrt? Gäbe es ohne Schwerkraft keinen Tod? Ist es Schwerkraft,
welche dem Bewusstsein zur Manifestation verhilft? Ist es auch
Schwerkraft, welche diese Manifestation wieder auflöst?
Diese Fragen lassen sich nicht klären, ohne Zeit in die Überlegungen
einzubeziehen, da Raum und alles Erschaffene immer mit Schwerkraft
verknüpft sind und Raum nie von Zeit getrennt beobachtbar ist.
Was passiert eigentlich, wenn man nachts in den klaren Sternenhimmel
hinaufschaut? Was sieht man? Der Sternenhimmel ist ein Teil des
Raumes, der gemäss Physik auch gekrümmt ist. Über diese letzte
Aussage wird allerdings gestritten. Die klassische Physik geht auf Grund
von verschiedenen Berechnungen davon aus, dass sich unser Universum
immer noch in Ausdehnung befinde. Ihr seht also Raum. Wenn man
Raum sehen kann, muss man auch Zeit sehen können.
Wenn man von den Sternen spricht, die am Himmel gesehen werden
können, meint man Lichtquellen, welche ganz offensichtlich innerhalb
einer Zeitstruktur in Bewegung sind. Das Licht kommt von dort oben
auf uns zu, man erkennt die Lichtquellen. Nach dem Gesetz von der
Fortbewegung des Lichtes kann man einen Stern nie beobachten, wie er
jetzt ist, man sieht ihn nur, wie er damals war, als das Licht den Stern, die
Lichtquelle, verliess. Immer, wenn man in den Raum schaut, sieht man
Vergangenheit.
34
Alles Hinaufschauen in die Sterne ist ein Schauen in die Vergangenheit.
Je weiter entfernt sich das betrachtete Objekt befindet, desto tiefer in die
Vergangenheit schaut man. Je kürzer die Distanz zum Objekt ist, desto
weniger tief schaut man in die Vergangenheit.
Je entfernter ein Objekt ist – man schaut dabei immer in die
Vergangenheit –, desto höher ist seine Geschwindigkeit. Je höher die
Geschwindigkeit eines Objektes ist, desto höher ist seine Gravitation. Je
näher man einem Objekt kommt, desto weniger Geschwindigkeit und
Gravitation entstehen.
Das bedeutet, dass sich die Vergangenheit aufhebt, sobald man mit etwas
Beobachtetem völlig verschmilzt. Verschmilzt man und wird dadurch die
Vergangenheit aufgehoben, ist Sein. Jedes Sein erzeugt immer wieder
eine neue Geburt, also ein Werden. Es gibt keine Vergangenheit mehr, es
gibt nur noch Sein und Werden, weil jedes Sein ohne Vergangenheit ein
Potential für etwas Neues beinhaltet.
Stellt euch einmal vor, ihr sitzt am Ufer eines Bergsees. Dessen Wasser
ist tief, blau und klar. Ganz wenige Wellen nur bewegen die
Wasseroberfläche. Das Gesicht spiegelt sich, wenn man hineinschaut.
Beobachtet nun ganz genau: Welcher Prozess läuft nun ab, wenn ihr im
Wasser des Bergsees euer Gesicht seht?
Wie ich vorher gesagt habe: Wo immer sich eine Distanz zwischen
Betrachter und Betrachtetem befindet, sieht man nur Vergangenheit.
Man schaut ins Wasser, man sieht sein Gesicht und damit
Vergangenheit. Warum sieht man im Wasser mit seinem Gesicht
Vergangenheit?
Vom Moment, da man ins Wasser schaut und sein Gesicht sieht, bis zum
Moment, da man subjektiv auf das Gesehene reagiert, vergeht ein
Bruchteil einer Sekunde. Daraus folgt, dass ihr nie, nicht nur beim
Beobachten von Sternen, etwas anderes, als Vergangenes sehen könnt,
wann immer ihr etwas aus einer Distanz anschaut. In Bezug zu den
Sternen ist das Phänomen nur offensichtlicher, weil Lichtjahre so
unendlich länger sind, als jener Sekundenbruchteil, von dem wir
gesprochen haben.
Wir haben die Tendenz, unser Spiegelbild mit der Realität zu
verwechseln. Daraus entsteht nicht Sein und Werden, sondern eine
dauernde Gefangenschaft in der Vergangenheit. Karma, in einer modern
interpretierten hinduistischen Philosophie, würde demnach das
Fixiertsein auf die Vergangenheit bedeuten.
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Ein Beispiel: Es gebe eine Person, die ihr ganzes Leben lang geraucht
habe. Sie habe sich auf dieses Rauchen als auf das, worum es wirklich
gehe, was sie wirklich brauche, eingestellt. Da jeder Zug, den diese
Person nimmt, Vergangenheit schafft, ist die Person, wenn sie stirbt und
sich loslöst – das ist nur ein Bild, das nicht den Tatsachen entspricht –
gefährdet, auch im feinstofflichen Körper laufend Zigaretten zu
benötigen. Die Seele, würde ein Medium vielleicht sagen, sei zu einem
mentalen Zigarettenbild geworden.
Es ist nicht zufällig, dass sich zwei Haupttechniken der Meditation
entwickelt haben. Die eine Technik möchte mit geschlossenen Augen
Distanz und damit Vergangenheit und Gravitation verringern. Die
andere, die klassische buddhistische Methode, bei der man mit offenen
Augen, mit dem Bewusstsein, dass alles vergänglich ist, einfach vor sich
hinschaut, will auf diese Weise Distanz, Vergangenheit und Schwere
auflösen.
Der Zen-Meister Heiku stellte einmal in Sichtweite eines berühmten
buddhistischen Tempels ein paar verwelkte Blumen auf einen alten Stein
am Wegrand und begann, davor zu meditieren. Es ging nicht lange, bis
Pilger, gläubige Mönche, die in den Tempel strömten, Heiku fragten, ob
er noch völlig normal sei. Im Tempel hätte es doch einen
wunderschönen Buddha, herrliche Zeichnungen, eine gute Atmosphäre
mit Kerzen und Düften und er sitze da am Wegrand mit einem alten,
dreckigen Stein und ein paar verwelkten Blumen.
Heikus Antwort: !Syntaxfehler, « sagte Heiku, «wenn er mit Dingen
umgeben ist, die Vergangenheit darstellen. Sein und Werden haben mit
Vergangenheit nichts zu tun. Die Natur ist nie Vergangenheit, sondern
immer ein Sein und ein Werden, eine vergängliche Struktur, die sich
immer wieder auflöst, aber nichts Vergangenes wirklich schafft. Es ist
viel besser, hier zu Buddha zu beten, als in einer Struktur, die nur
Vergangenheit darstellt.»
Die Struktur, die mit der Seele über Körper/Mind verbunden ist und
absolut keine Vergangenheit kennt, ist das Herzchakra. Wenn das
Herzchakra nicht fliesst – ich meine nicht, dass es gar nicht fliesst, denn
dann wäre man tot, ich meine, dass seine Schwingung langsam ist –, ist
der Seinszustand reduziert. Werden kann nicht stattfinden und eine
starke Schwingung von Gravitation und Schwere macht sich bemerkbar.
Aber Herz und Liebe kennen keine Vergangenheit.
36
Das bedeutet, dass Körper, Mind und Aura, welche vergänglich, ein
Gefäss sind, nur dann Raum für die Seele schaffen können, wenn sie sich
aus Gravitation und Zeit herauslösen. Es geht nicht um einen
Entweder/Oder-Prozess. Der Körper ist nur überlebensfähig innerhalb
des Gravitationsraums und ist in seiner Vergänglichkeit nur in Phasenzeit
manifest. Es geht nicht um Entweder/Oder, sondern um das, was die
Mystiker das Schaffen von Innerem Raum genannt haben. Dieser
entsteht, wenn sich Körper, Mind und Aura radikal von der
Vergangenheit, von der Geschichte lösen. Wir postulieren nicht, dass es
Geschichte gar nicht gebe oder, dass sie keine Rolle spielen würde. Die
Geschichte verhindert schlicht die Aufhebung von Schwerkraft und Zeit
und damit das Erstehen der Liebe.
Geht einmal in Gedanken vier, fünf Tage zurück und fragt euch, ob es in
diesen Tagen ein Ereignis gegeben hat, das euch verletzt hat, wo ihr euch
nicht verstanden gefühlt habt, wo ein Missverständnis passiert ist oder
ein Gefühl von Wut oder Trauer aufgekommen ist. Ihr werdet
feststellen, dass ihr nicht nur in der Kindheit, sondern auch vor vier oder
fünf Tagen Empfindungen und Gefühle von Ablehnung, von
Missverstandensein, von Freude gehabt habt. Wenn jedes Gefühl,
überhaupt alles was passiert, im Gehirn chemische Reaktionen auslöst,
sind Verletzungen und andere Inhalte, welche auf einen zukommen,
nicht auf die Kindheit beschränkt. Die Modulierung der Persönlichkeit,
des Charakters durch Verletzungen oder durch Glück, der chemische
Prozess, findet immer statt.
Das Gehirn assoziiert alle Begebenheiten mit alten Erfahrungen. Könnte
es sie einfach stehen lassen, entstünde Werden daraus.
Nehmen wir einmal an, ihr seid in eurer Kindheit oft zurückgestossen
worden. Dieses Zurückgestossenwerden läuft über die elektrochemische
Schwingung zwischen Körper und Gehirn als Mind/Körperdialog hin
und her und bewirkt eine Reduktion des Serotoninspiegels. Jedesmal,
wenn ihr zurückgestossen worden seid, ist der Serotoninspiegel
gesunken. Der Mind hat nun aber hauptsächlich bei Kindern die
phantastische Gabe einer Selbstregulierung, der Selbstheilung. Warum
passiert nun Selbstheilung bei Leuten, die ein bestimmtes Alter erreicht
haben, nicht mehr in dem Masse?
Nehmt einmal an, ihr hättet vor einem Jahr eine Beziehungspartnerin
gehabt, die euch zurückgestossen habe. Das hat eine chemische Reaktion
mit folgendem Serotoninmangel ausgelöst. Was macht jetzt der Mind?
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Es besteht die grosse Gefahr, dass er jetzt über den assoziativen
Denkprozess auf Erfahrung aufzubauen versucht.
Der Mind nimmt das, was eben passiert ist, nicht als eine neue
Erfahrung, auf welche reagiert werden könnte. Er setzt es sofort in
Bezug zu alten Erfahrungen und blockiert dadurch die
Heilungsmöglichkeit. Die Regenerationsfähigkeit wird vermindert.
Genau das gleiche macht der Körper innerhalb von Phasenzeit und
Gravitationsraum. Er unterliegt Verschleiss. Je älter man wird, desto
geringer ist die Fähigkeit der Regeneration. Bei Körper/Mind wird dies
zu einer Frage der Vergänglichkeit. Die Seele hat aber keinen Anfang,
kein Ende, nicht Ursache, nicht Wirkung und kennt keine Zeit. So
könnte doch die Seele dafür sorgen, dass Selbstheilung wenigstens auf
der Mindebene stattfinden könnte.
Anders gesagt: Die Schau in die Distanz, in die Vergangenheit, ist es, die
den Zustand einfachen Seins verhindert. Serotoninmangel entsteht bei
jeder Verletzung. Man mag eine herrliche Kindheit verlebt haben; wird
man im Alter von achtzig Jahren verletzt, entsteht Serotoninmangel.
Bringt man dann die Verletzung assoziativ mit der Vergangenheit in
Verbindung, wird das Herzchakra, die Verbindungsebene zur Liebe,
blockiert. Damit nimmt man sich jegliche Heilungsmöglichkeit.
Energieblockaden entstehen, weil der assoziative Denkprozess
Ereignisse ununterbrochen mit Gewesenem misst. Energieblockaden
werden sich nie durch eine Schau in die Distanz auflösen. Ihr werdet den
Stern nie einfangen, weil das, was ihr von ihm seht, wegen der
Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit immer Vergangenheit ist. Auch
werdet ihr euch selbst nie direkt wahrnehmen können, weil ihr euch
selbst immer auf Distanz anschaut. Immer wird euch ein Bruchteil einer
Sekunde von der direkten Wahrnehmung trennen. Darum wird Sein so
nicht entstehen. Wo aber Sein nicht ist, ist auch nicht Werden.
Wir haben gestern gesagt, dass sich das Phänomen auch darin zeigt, wie
die Seele mit Gerechtigkeit, Bestrafung, mit allen diesen menschlichen
Ideen umgeht, die wir schon im alten Testament finden. Wenn es dem
lieben Gott nicht passt, was die Menschen tun, ertränkt er einfach alle.
Das alles sind rein menschliche Phantasien. Die Seele kann nicht atmen,
wenn ihr angebotene Perspektiven aus der Vergangenheit stammen.
Die Kirchen und Religionen haben diese Zusammenhänge
unglücklicherweise – man muss aber auch sehen, in welchen Kulturen sie
geboren worden sind – auf eine Art ausgedrückt, die heute nicht mehr
ernst genommen werden kann.
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Sie nannten es Himmelreich, Paradies, Samadhi. Es gibt keine Religion,
die nicht darauf gedrängt hat, dass die menschliche Psyche das, was
kommt, verstehen muss, und dass es gar nichts nützt, Gewesenes zu
erfassen. Alle grossen Religionen sind von Mystikern gegründet worden,
die radikal alles in Frage gestellt haben, was als gesichert galt. Die
Kreuzigung Jesu ist Symbol für jemandes Gefahr, aufzustehen und zu
sagen, dass das, was geglaubt werde, nicht stimme.
Buddha ist angefeindet worden, weil er aufgestanden ist und gesagt hat,
dass die Art, wie die Welt angeschaut, wie mit ihr umgegangen, wie sie
interpretiert wird, was bekannt ist, immer Vergangenheit und somit
falsch ist.
Das heisst, wann immer ein Mystiker sich einbringt, spiegelt er nur die
Aufforderung «vergesst_die_Vergangenheit!». Seele hat mit
Vergangenheit wirklich nichts zu tun! Das zu merken ist Erleuchtung, ist
Sein und Werden!
Und dann meldet sich natürlich, wenn man nicht aufpasst und vernetzt
denkt, sofort der Kopf mit dem Argument, dass man aber doch
tatsächlich eine Geschichte habe. Niemand, wenn man richtig hinhört,
meint, man solle die Geschichte ignorieren, es gebe sie nicht, es gebe
keine Vergangenheit. Aber Geschichte hat nichts mit der Seele zu tun.
Wann immer man von Ganzheit spricht, von einem Gefühl der Einheit,
von Leere, von Verschmelzung, Nirvana, Gott, oder wie immer sich das
ausdrückt, bedeutet das nichts anderers als die Aufhebung von
Phasenzeit und Gravitationsraum. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es
nicht nur unser Universum, sondern viele andere Universen mit eigenen
Räumen und Zeiten, mit eigenen Lebensstrukturen. Es ist eine masslose
Einbildung zu meinen, Leben könne nur aus den Grundstoffen
entstehen, die wir, die wir die Sterne geschaut haben, kennen. Aus der
Beobachtung, es gebe dort draussen den einen oder den anderen
vermeintlich notwendigen Stoff nicht, zu folgern, Leben sei nur auf der
Erde möglich, ist ähnlich abwegig wie die vergleichbare frühere
Meinung, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums.
Wenn man akzeptiert, dass das Weltall, unser kleines Universum, in
vielen anderen enthalten, sich immer noch ausdehnt, dann sagt das ja
nichts anderes aus, als dass die Zukunft die Vergangenheit erschafft.
Die Seele, der Energiekörper, braucht ein Universum, um sich zu
manifestieren. Das Universum, in dem sich die Seele manifestieren kann,
ist Körper/Mind.
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Aber Körper/Mind wird, wie der Wachs einer Kerze, nur benötigt,
damit die Flamme brennen kann. Was nützt eine Kerze, die nicht
leuchtet?
Daraus, wir haben schon am ersten Tag kurz davon gesprochen, folgen
ein paar Dinge. Folgen sind, wenn man sich auf dieser Ebene bewegt, nie
in einer Hierarchie, nie im Sinn von Ursache und Wirkung, als Stufen
einer Treppe, sondern immer vernetzt zu betrachten. Die einzelnen
Tatsachen sind einfach verschiedene Punkte, die gleichzeitig
zusammenkommen müssen.
Wenn die Seele Sein und Werden, ein unendliches, nicht aufhörendes
Potential ist, dann bedeutet das (nicht hierarchisch, sondern chaotischhierarchisch strukturiert zu verstehen), dass für sie die Identifikation mit
Körper/Mind nicht existiert. Die zweite Folge: Gravitationsraum und
Phasenzeit sind ersetzt durch Raum-An-Sich und durch Erlebniszeit.
Das kann nur so sein, wenn Vergangenheit aufgehoben ist.
Vergangenheit ist aufgehoben, wenn keine Distanz zwischen Beobachter
und Beobachtetem da ist. Distanz ist aufgehoben, sobald Mind, Körper,
Aura und Seele im Dialog stehen. Distanz ist dann aufgehoben, wenn die
Seele nicht dominiert aber Körper und Mind als Haus, als Verankerung
benützen kann.
Diese Erkenntnisse verlangen ein radikal neues Denken, ein Denken in
Kategorien der Evolution. Evolution impliziert Sein und Werden und
das braucht ein verändertes Bewusstsein. Diese neue Art des Denkens –
das sieht man ja auch daran, wie wir mit unserer Welt umgehen –
impliziert Multibewusstsein.
In einer Spirale komme ich wieder zum Anfang von heute zurück:
Multibewusstsein verlangt nach einer absoluten Negierung von
Entweder/Oder-Prinzipien, einer völligen Loslösung von Begriffen wie
richtig oder falsch, einem totalen Seinlassen der Meinung, dass irgend
eine Ursache irgend eine Wirkung erzeuge, der klaren Erkenntnis, dass
Körper und Mind vergängliche Teilaspekte des Ganzen sind, einem
tiefen inneren Wissen und Vertrauen, dass Verteidigung die schlechteste
Form von Verstehen ist und nach einer Grundhaltung, dass jede
Motivation aus Stille, aus einem Dialog mit der Seele heraus, geboren
wird.
Die Motivation, andere zu mögen, mag so stark sein, wie sie will, wenn
Körper und Mind dafür zuständig sind und die Motivation nicht aus der
Seele gespiesen wird, wird es nie recht gelingen.
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Immer wird man frustriert sein, wenn man nicht das gleiche
zurückerhält. Immer wird man das Gefühl haben, nicht gut genug zu
sein, ein Gefühl, keinen Freiraum zu besitzen. Mit den Worten der
Mystiker gesagt heisst das, dass man nie das Gefühl haben wird,
tatsächlich mit bedingungsloser Liebe umgehen zu können.
Das Zentrum jeden Universums ist die eigene Seele. Was ich als mein
Eigenes sehe, ist immer auch das Eigene jedes anderen.
Je weniger Distanz da ist, je weniger man in die Vergangenheit schaut,
desto eher erkennt man, dass man mit allem verbunden ist.
Je weniger Distanz da ist, desto schöner keimt die Liebe.
41
Heilen
20. April 1994
Wir wollen uns heute morgen als erstes mit der Frage befassen, welche
Funktion die Seele, der Energiekörper beim Heilen hat.
Wir haben gestern gesagt, dass die Seele, der Energiekörper, gleichzeitig
sei und werde. Gleichzeitiges Sein und Werden impliziert das Fehlen von
Distanz, von Vergangenheit. Wir haben gesagt, dass man die Seele und
ihr Sein und Werden eigentlich nur dann verstehen kann, wenn man
Begriffe wie Zeit und Schwerkraft versteht. Mit Verstehen meinen wir
immer das gleichzeitige Erkennen der Fragen auf vielen Ebenen - wir
haben auch darüber gesprochen. Auch sind die Ausdrücke Zeit und
Schwerkraft nicht rein physikalisch aufzufassen, denn noch sind
Schwerkraft und Zeit durch die Physik nicht verstanden.
Gleichzeitiges Sein und Werden ist Ausdruck der Seele. Sein ist die
Absenz von Vergangenheit. Werden hat offensichtlich etwas mit
Zukunft zu tun.
Wir unterscheiden aber zwischen Vorzukunft – das ist der eigentliche
Werdeprozess – und Zukunft an sich. Um die Aufgabe der Seele beim
Healingprozess verstehen zu können, muss man zuerst die Zukunft
verstehen. Was ist Zukunft?
Der Satz, den ich jetzt dann sagen werde, wird intellektuell schlicht nicht
verständlich sein, weil Logik, Konzepte von Entweder/Oder auf der
psycho-spirituellen Ebene nicht funktionieren. Nur die Seele wird den
Satz verstehen können.
Zukunft ist das Vergängliche. Zukunft zeichnet sich dadurch aus, dass
sie das Bewusstsein dessen ist, was sicher vergeht. Im Gegensatz dazu
steht Vergangenheit. Hier sehen wir ein Geschehen, das man statisch in
Bildern und Erinnerungen festhalten kann. Ein Beispiel: Man kann noch
kein Erinnerungsbild seines Todes haben, weiss jedoch mit Sicherheit,
dass man vergänglich ist, dass der Tod kommt. Oder: Wenn ihr auf den
Baum da draussen in seiner momentanen Blütenpracht schaut, wisst ihr,
dass er Früchte tragen wird. Die Blüten müssen vergehen, damit Frucht
entstehen kann. Auch die Frucht ist wieder vergänglich. Damit ist alles
Vergängliche in Bewegung, in einem Zyklus.
Die Psyche hat versucht, diesem Bewusstsein von Vergänglichkeit des
Zukünftigen durch Wünschen auszuweichen. Wünschen ist der Versuch,
ein Bild von der Zukunft in der gleichen Art zu schaffen, wie man
Vergangenheit in Bildern festhält.
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Wünschen ist der Versuch, Zukunft durch Bilder vorwegzunehmen,
Zukünftiges der Vergänglichkeit zu entziehen.
Buddha hat zu Recht gesagt, dass Verschmelzung, Erleuchtung, jener
Prozess des gleichzeitigen Seins und Werdens geschehen könne, sobald
man aufhöre zu wünschen, an Bilder anzuhaften. Dieses Werden
versucht nicht, die Vergänglichkeit zu ignorieren. Dieses Werden baut
nicht auf Wünschen, auf einem Prozess von Klammern und Anhaften
auf. Werden ist auf absoluten Freiraum ausgerichtet. Vorzukunft nun
bedeutet Zukunft ohne Planung.
Vorzukunft ist der Prozess einer Mitteilung ohne Resultat. Vorzukunft
ist ein Werdeprozess in absoluter Absorbierung. Der Prozess des
Absorbiertseins ist tausendmal wichtiger, als ein Resultat mit Inhalten
aus Vergleichen, Beurteilungen, Wertungen und Erfolgsdenken.
Wann immer der Mind die festgehaltenen Bilder der Vergangenheit
einfach als Wünsche in die Zukunft hinein projiziert, kann die Seele
nicht atmen, kann sie sich nicht manifestieren.
Wann immer das Sein durch Vergangenheit torpediert wird, wo immer
Werden durch Wünschen ersetzt wird, ist keine Stille. Wann immer Stille
fehlt, kann die Seele keinen Healingprozess entstehen lassen, keinen Weg
finden, sich einzubringen.
Die meisten von uns suchen verzweifelt – das ist ein Teil der
Wunschfalle – nach ihren Qualitäten. Die Qualitätsaura ist, wenn ihr so
wollt, das Kleid der Seele, ist die Form, in die sich die Seele kleidet, ist
die Form die sich die Seele gibt.
Offensichtlich haben wir Mühe, die Qualitätsaura und unsere Qualitäten
so zu nehmen, wie sie sind. Wir projizieren sie, genauso wie die
Vergangenheit, in die Zukunft. Wir geben ihnen aus Wünschen
bestehende Interpretationen, die, wenn man tief in der Motivation gräbt,
Ausdruck des Wunsches sind, erfolgreich zu sein.
Wir haben nach der Funktion der Seele beim Heilen gefragt. Um sie zu
verstehen, muss man die Funktion der Qualitätsaura in Bezug zu
Vergangenheit und Zukunft verstehen.
Etwas, das nicht in Phasenzeit und Gravitationsraum vorhanden ist, hat
keinen Anfang und kein Ende, hat demzufolge auch keine Geschichte
und im Sinn von Wünschen keine Zukunft. Sein Zustand beruht
hingegen auf Sein und Werden, kann niemals verloren gehen aber
jederzeit an Qualität gewinnen. Qualitätsgewinn hat somit weder mit
Vergangenheit noch mit Zukunft etwas zu tun.
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Eine Eigenschaft des Bewusstseins ist die Tatsache, dass nichts je wieder
verloren gehen kann, was einmal bewusst geworden ist. Achtet darauf:
Bewusstes kann nicht verloren gehen. Es kann aber verschwinden –
Freud hat vom unbewussten Prozess gesprochen –, verdrängt werden, in
den Hintergrund treten, wenn es als limitierende Fixierung auf
Vergangenheit oder Zukunft materialisiert worden ist. Man hat sich ein
Bild geschaffen. Alle Formschaffung, alle Materialisierung führt zu
vergänglichen Manifestationen in Gravitationsraum und Phasenzeit.
Obschon einmal bewusst Gewordenes im Sein und Werden immer
erhalten bleibt, ist seine Benützung nach wie vor freiwillig. Auch wenn es
nicht benützt wird, verschwindet es niemals mehr, im Gegenteil wird
sich seine Qualität erhöhen, wenn es gebraucht wird.
Nehmen wir ein einfaches, pragmatisches Beispiel. Nehmen wir an, ihr
lebtet in einer bestimmten Stadt und hättet entdeckt, wie ihr durch
Malen kreativ sein könnt. Ihr benützt Farben, zeichnet Bilder, kurz, ihr
malt. Innerhalb dieses Prozesses, in dem ihr auch Technik und Wissen
entwickelt – ein guter Künstler ist nicht einfach nur kreativ; er hat auch
viel Wissen über Farbarten, darüber, wie man einen Pinsel braucht,
Farben mischt –, erschafft ihr im Lauf der Zeit, subjektiv für euch, für
eure Bekannten und Freunde ein wunderschönes Bild. Es hängt als
Ausdruck eurer Malfähigkeiten und eurer Kreativität in eurem Haus. Es
ist ein wunderschönes Bild in dunklem Blau mit Gold und Smaragdgrün
und stellt einen Tempel dar. Wer immer das Bild ansieht, entdeckt bei
sich zwei Dinge. Auf der einen Seite spürt der Betrachter seine
Begeisterung für das Werk, für seine Tiefe, seine Ruhe und auf der
anderen Seite steht die Bewunderung für den Maler.
Das Bild hängt während zehn Jahren in eurem Wohnzimmer. Dann geht
trotz eurer Qualitäten die Beziehung in die Brüche. Ihr scheidet und
beschliesst, in eine andere Stadt zu ziehen, allein zu leben. Ihr findet eine
Wohnung, in der es für das Bild schlicht keinen Platz hat. Ihr bringt es
darum hinauf in den Estrich. Im Lauf der Krise habt ihr zu malen
aufgehört, und wer immer zu Besuch kommt, wird weder eure Qualität
zu malen, noch das Bild sehen können. Sogar ihr selbst vergesst mit der
Zeit eure Kunst.
Der Wechsel von einer Stadt in die andere ist ein Symbol für den
Übertritt von einem Leben ins andere. Nur weil ihr in diesem Leben die
Qualität aus dem letzten Leben nicht erkennen könnt, oder auf die Seite
gestellt habt, ist sie nicht weg. Die Seele lässt einen nie im Stich.
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Die Qualität ist nicht verschwunden, weil ihr die Technik und das
Wissen um das Malen nicht mehr anwendet, denn die Technik, das
Malen ist nicht die einzige Art, die Qualität anzuwenden. Die
Qualitätsaura zeigt nicht eine spezifische, scharf definierte Fähigkeit auf
einem ganz bestimmten Gebiet. Ein Schriftsteller muss in gleicher Weise
innere Bilder erzeugen können wie ein Maler. Jemand, der mit Leuten
arbeitet, muss genau so kreativ sein wie ein Schriftsteller, ein Maler, ein
Tänzer. Es ist völlig nebensächlich, wie, in welcher spezifischen Struktur
sich die Qualitätsaura äussert. Die Frage ist nicht, wie sie sich äussert.
Die Frage ist einzig, ob sie sich äussert!
Es gibt keine einzige Qualität, die sich spezifisch äussert – es spielt keine
Rolle, ob es sich um Malerei, Politik, Geldhandel, Therapie, die Kunst
des Clowns handelt –, bei der das Prinzip von Stille und Zuhören nicht
benötigt würde. Weder eine Musikerin, noch ein Maler, weder eine
Schauspielerin, ein Schriftsteller, noch eine Heilerin wird je ein Gefühl
von Charisma, von Ausstrahlung vermitteln, wenn Hören und Stille
nicht zusammenfallen.
Es spielt also überhaupt keine Rolle, ob man in diesem Leben ein
berühmter Maler wird. Jede Fertigkeit ist vergänglich. Der Ausdruck
hingegen, die Tatsache, dass man überhaupt gemalt hat, erhöhen
Schwingung und Qualität in der Struktur der Qualitätsaura, die mit der
Seele verbunden ist.
Die Qualitätsaura hat nach der Fertigstellung des Bildes mehr
Schwingung als vorher, selbst wenn ihr das Bild während eurer ganzen
Zeit in der neuen Wohnung im Estrich behaltet.
Wenn ihr darum Wünsche habt, erkennt ihr nicht, dass es um den
globalen Prozess, sich einfach einzubringen geht, und nicht darum, etwas
Spezifisches zu können. Die Seele – und das zeichnet sie aus – ist ein
Medium, sich einzubringen und zu hören.
Irgendwann hat man das Sein verstanden und begreift, dass die Seele
über das Auflösen vergangener Strukturen nicht erreichbar ist. Wenn klar
ist, dass es reicht, wenn die Seele überhaupt erreichbar ist, wenn man
sieht, dass man sich gar nicht um die Vergangenheit kümmern muss,
wenn erkannt ist, dass sich Blockierungen, Schmerz und Verletzungen
über das Sein, nicht über Vergangenheit, über Distanz, auflösen, dann
erkennen Körper und Mind, dass sie sich nicht so sehr für die Zukunft
anstrengen und kämpfen müssen, weil Werden nicht in der Zukunft
abläuft. Der Werdeprozess geschieht dort, wo man immer gerade noch
ein bisschen nach vorn ausgerichtet, aber nie definiert ist.
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Wo die Vergangenheit nicht mehr dominiert, wo die Zukunft plötzlich
radikal anders, als Vorzukunft nämlich, wahrgenommen wird, entsteht
jene unglaubliche Kraft des Raumes. Raum, Seele, ist Stille, nicht
fabriziert, sondern natürlicherweise entstanden. Schöpfung beruht nie
auf etwas Gemachtem. Schöpfung beruht auf einem natürlichen Prozess,
der keine Anstrengung, kein Resultat, nichts Vergangenes beinhaltet.
Um die Frage, welches denn die Funktion der Seele beim Heilen sei,
beantworten zu können, muss man als nächstes die verschiedenen
Formen von Stille anschauen. Stille ist nicht einfach Stille. Stille ist der
Prozess nicht nur der Auflösung von Zeit, sondern auch jener von
Gelassenheit, innerem Frieden. Wenn viele Leute in innerem Frieden
leben, führt das zu äusserem Frieden. Stille ist auch der Prozess von
Freiheit, die Raum gibt. Auch hier ist es eine innere Freiheit. Wo sie ist,
entsteht äussere Freiheit.
Diejenige Stille, welche man mit etwas Glück kennt, ist die körperliche
Stille, welche zumindest zeitweise beim Schlafen eintritt. Ein Körper, der
zur Ruhe kommt – ein Paradox – ist einer, der sich bewusst und
gleichzeitig nicht bewusst ist. Ein Körper, der nicht dauernd kontrolliert
wird, hat seinen eigenen Freiraum. Wir haben gesagt, dass nur dies einen
Dialog mit dem Mind schaffe. Da Körper und Mind nicht trennbar sind,
schafft diese Stille auch eine Stille im Mind und umgekehrt.
Mit dieser Stille, dieser Ruhe, diesem Entspanntsein, bei dem der Körper
nicht die ganze Verantwortung zu tragen braucht – Psychosomatik im
weitesten Sinne –, kommen wir noch am einfachsten zurecht.
Leistungssportler suchen oft verzweifelt nach dieser Stille. Bei jedem
Leistungssport - wenn man zum Beispiel während neunzig Minuten auf
einem Rasen herumrennt - entsteht eine massive Überproduktion an
Endorphin und Dopamin, was ein Gefühl von Trance, ein High
vermittelt. Wenn man high ist, ist man weniger auf etwas Bestimmtes
fixiert. Man kann dadurch dem Körper mehr Raum, mehr Freiheit
geben. Wo mehr Freiheit ist, ist mehr Friede und wo mehr Friede ist, ist
man weniger auf Details bezogen, hat man mehr Gelassenheit.
Was denn ist die Stille des Mind?
Stille des Mind besteht nicht in dessen Abwesenheit. Man könnte sie
vielleicht am besten mit einer richtig gestimmten Guitarre vergleichen.
Wenn die Saiten zu wenig gespannt sind, tönt es genau so schlecht, wie
bei deren Überspannung.
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Stille im Mind bedeutet in keiner Weise, aufzuhören zu denken. Stille im
Mind bedeutet geordnetes Denken. Dieses Denken lässt sehr viel Raum,
ist nicht auf Glaubenssätze, Ideologien oder Vorstellungen blockiert, ist
jederzeit bereit, alles wieder neu zu sehen. Dieses Denken, haben wir
vorgestern gesagt, sei jederzeit zu sterben bereit. Es ist ein Denken,
welches Fehler nicht als Versagen, sondern als Lernprozess versteht. Es
ist ein Denken, das in keiner Weise auf Perfektionismus, sondern auf
Hingabe ausgerichtet ist.
Mind bedeutet auch Fühlen, ein so aufmerksames Fühlen, dass es
niemals auf Körperebene ausweichen und so zu einer Emotion werden
wird. Dieses Fühlen nimmt einfach wahr, ohne sofort zu verurteilen. Es
spaltet sich nicht vom Körper ab. Dieses Fühlen identifiziert sich nicht
mit der Vergangenheit und tut so, als wäre es getrennt.
Der Mind ist dann still, wenn Denken und Fühlen nicht zu wachsen
trachten, wenn das Gemeinwohl im Vordergrund steht, wenn das Ich
und das Wir miteinander verschmelzen.
Achtet darauf: Je tiefer die Stille wird, desto intensiver kann man hören.
Erst jetzt, durch die Stille, erhält die Seele eine Funktion, die mit Heilen
zu tun hat.
Welches ist diese Funktion?
Körper und Mind sind vergänglich. Wo immer in einer vergänglichen
Struktur ein Gefühl von Gelassenheit, Zeitlosigkeit, innerem Frieden,
innerer Freiheit entsteht, wird Raum geschaffen. Der Körper erlebt das
als Vitalität, der Mind als totale Klarheit. Dann kann sich die Seele in
ihrem Zustand von Sein und Werden in einer neuen Form von Stille zu
manifestieren beginnen. Diese Stille zeichnet sich durch eine enorme
Kraft, durch wunschloses Sein aus. Qualitäten werden plötzlich
transzendent und als Ganzes aktiviert. Die Seele kann plötzlich, als
würde Licht explodieren, alles durchdringen. Vorher abgeblockte
Sonnenstrahlen dringen durch.
Diese Stille ist gleichzeitig eine enorme Lärmquelle. Alles wird plötzlich,
im Bruchteil einer Sekunde, klar. Diese Stille hat eine Kraft, die aus
Millionen Antworten besteht.
Genau dann, wenn sich diese Qualität der Stille manifestiert, entsteht
Healing. Wenn die Seele an Healing beteiligt ist, braucht es keinen
Verständnisprozess mehr. Ganzheitliches Verstehen ist Stille. Stille ist
ganzheitliches Verstehen.
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Wo die Seele eine vergängliche Struktur überschwemmt, findet
Transformation statt. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob dieser
vergängliche Körper/Mind intelligent, kultiviert und gebildet ist, ob er
während fünfzig Millionen Jahren oder nie meditiert hat, ob er sich um
das Universum, um Gott, um innere Einsicht bemüht hat, ja, ob er
gemordet hat oder nicht. Die christliche Kirche hat aus dem jüdischen
Glauben heraus nichts anderes gemacht, als diesen Prozess in die
Zukunft zu verschieben. Doch das Jüngste Gericht ist kein Aufteilen
zwischen Gut und Böse. Das Jüngste Gericht bedeutet in der alten
Essener Urform vielmehr den Moment, in dem die Seele Körper/Mind
erkennt.
Es gibt ein phantastisches Beispiel. Ich frage mich immer wieder, warum
die Leute dieses Beispiel nicht erkennen. Vielleicht ist das einer der
wichtigsten Hinweise überhaupt, den die christliche Philosphie
vermittelt. Es ist eine ironische, völlig absurde Geschichte, ein Koan im
besten Sinne.
Der Bericht erzählt, dass ein Jude, Jesus von Nazareth, nach Jerusalem
gegangen sei, um dort den Tempel zu erneuern. Er sagt: !Syntaxfehler, ,
In Zusammenarbeit mit den Römern wird er aus Angst vor dem Sein
und Werden, aus Angst vor der Seele, von seinem eigenen Volk in
Jerusalem umgebracht.
Die Ironie der Geschichte ist die, dass die Römer, diejenigen also, die ihn
verfolgt und umgebracht haben, heute den Hauptsitz der christlichen
Kirche in Rom beherbergen und, dass diejenigen, welche ihren eigenen
Landsmann abgelehnt haben, sich selbst als Volk heute noch verzweifelt
suchen.
Man kann zwei Interpretationen in diese ironische Koangeschichte legen,
die darüber hinaus noch viele andere Ebenen anspricht. Man kann sich
erstens fragen, ob es Zufall oder Planung gewesen war, dass es so
herauskam. Der Bericht zeigt, wie Zukunft Vergangenheit schafft. Die
Geschichte, wie immer man sie ansieht, zeigt zweitens auch auf, dass die
Seele am Ende immer als Einziges überleben wird.
Wenn Stille eintritt, können die verrücktesten, von irgendwelchen
Bedingungen unabhängigen Dinge stattfinden. Das meinen die Mystiker,
wenn sie von bedingungsloser Liebe sprechen. Plötzlich sind diejenigen,
die verbissen gekämpft haben und harte Gegner gewesen sind, fanatische
Befürworter, oder umgekehrt. Die Seele lässt sich nicht programmieren,
denn sie ist unendlich.
48
Weil das so ist, könnte es auch sein, dass Körper/Mind nicht unbedingt
in unserem Sinne geheilt wird, sondern im Gegenteil vergeht. Healing
schliesst Sterben nicht aus, sondern erhöht oft das Potential des Todes.
Ist Healing mit der Seele verbunden, ist es weder unserer Planung, noch
unserem Heilungswunsch untergeordnet. Healing wirkt, wie es will.
Das eigene Bedürfnis, der Wunsch der Heilerin, des Heilers, gut zu sein,
der tiefe Wunsch auch und das Mitgefühl, dass die leidende Person
gesund wird, sind trotzdem wichtig. Fehlende Balance zwischen diesen
Motivationen und dem Willen, dem Wirken von Healing absoluten
Freiraum zu lassen, verhindert aber, dass die Seele die Transzendenz
tatsächlich hervorbringen, dass die Seele zeitlos eingreifen kann.
Liebe ist nicht für die Erfüllung unserer Wünsche für uns oder für
andere zuständig. Wenn dies auch für uns nicht immer nachvollziehbar
ist, die Qualität der Manifestation der Seele zeichnet die Liebe aus. Das
kann, als letzte Instanz, den Tod bedeuten.
Ich meine, dass man in diesem Zusammenhang ganz klar unterscheiden
muss zwischen Sterben und Tod, will man ohne Angst in dieser Balance
sein. Je tiefer der Kontakt mit unserer Seele ist, desto besser wissen wir
tief drin, dass der Tod eine Befreiung, ein Wegziehen in eine andere
Stadt ist. Was uns wirklich Angst macht, ist das Sterben, der
Scheidungsprozess, der Umzug und auf Körperebene der Schmerz.
Wenn jemand mit körperlichen oder psychischen Schmerzen zu euch
kommt, soll die erste Frage nicht nach dem Warum der Schmerzen sein,
sondern nach dem Weg, das Leiden der Person zu mildern.
Die Behauptungen, Schmerz sei wichtig, man müsse lernen, damit
umzugehen oder Leiden gehöre zum Lebensprozess, widersprechen dem
Gesetz des Mitfühlens, der Nächstenliebe, dem Sein und Werden
diametral. Diese Behauptungen sind lediglich Ausdruck eigener Hilf- und
Machtlosigkeit dem Schmerz gegenüber.
Ein Mystiker, ein Erleuchteter wie Buddha unterscheidet immer ganz
klar zwischen Heilen im Sinn von Leiden wegnehmen und Heilen im
Sinne von Transzendenz. Er beschreibt das im wunderschönen Beispiel:
Eine Frau kommt in tiefem seelischem Schmerz zu ihm, weil ihr Baby,
ihr einziges und alles, was sie gehabt hat, gestorben ist und meint, selbst
auch nicht mehr leben zu können. Sie hätte gehört, er sei fähig, Tote
wieder zum Leben zu erwecken. Er soll doch Mitleid mit ihr haben und
ihr Baby wieder lebendig werden lassen. Buddhas Zuwendung zu ihr ist
so tief, dass er ihr sagt, er sei bereit, das für sie zu tun.
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Allerdings verlange er von ihr sich in der Stadt umzusehen und sich zu
vergewissern, dass es keine Sterbenden gäbe.
Nach einem Tag kommt sie, vom Leiden befreit, zurück. Sie hat
verstanden, dass es Tod, Vergängliches geben muss, soll sich die Seele
immer wieder neu manifestieren können. Wir alle brauchen immer
wieder neue Chancen, wie dieses Leben eine ist. Manchmal auch in
grösseren Abschnitten.
Es geht nicht darum, etwas zu lernen. Wir müssen kein Karma abtragen.
Wir brauchen nicht zu leiden, Angst zu haben vor dem Sterben oder
davor, immer wieder geboren zu werden. Auch die Seele braucht
zwischenhinein immer wieder Möglichkeiten, sich auszuruhen, zu
schlafen.
Ein wichtiges Gesetz sagt aus, dass es nicht die Aufgabe der Seele beim
Heilen ist, jemandem eine Situation aufzuzeigen oder eine
Verantwortung zu überbinden. Die Aufgabe ist es, einen Weg zu finden,
wie sich die Seele in der eigenen Person manifestieren kann. Die Seele
heilt unabhängig von jedem Prozessverständnis, unabhängig von Karma,
unabhängig von irgendwelchen Vorstellungen. Das ist es, was die
Mystiker mit dem Begriff Erleuchtung meinen, der Ausstieg aus Karma,
das Erlöstsein von Geburt und Wiedergeburt. Erleuchtung ist dann
geschehen, wenn Sein und Werden, die Seele, immer wieder im Dialog
zu Körper/Mind steht. Wir haben gesagt, dass dann
Informationsschwingung entstehe, wenn Körper/Mind/Aura in einem
Dialog mit der Seele stünden. Das bedeutet, dass es um ständigen
Dialog, um die Wechselwirkung von Einbringen und Hören mit der
Seele geht. Wir erkennen eine Beziehungssitutation. Man geht
Beziehungen ein, weil der Umgang mit der Seele einfacher zusammen
mit einem Partner erlernt werden kann. Auch eine Partnerschaft kann
eine Wechselwirkung von Einbringen und Hören sein, kann Stille, die
Raum gibt, bedeuten. Dieser einfachste Lernschritt ist auf die Beziehung
zur Seele übertragbar.
Sobald die Seele in dieser Art heilen kann, ist ohne das Zutun des
Heilenden Liebe entstanden. Je besser sich die Seele manifestieren kann,
desto mehr Liebe entsteht auf unserer Körper/Mindebene. Man kann
das wieder an einem einfachen Beispiel zeigen. Da der Körper
vergänglich ist, wird es Krankheiten geben, die nicht heilbar sind. Er
könnte sonst nicht vergehen. Der Grund für unheilbare Krankheiten
liegt nicht in einer Unfähigkeit der Seele, sich zu manifestieren. Das wäre
ein Entweder/Oder, Ursache und Wirkung.
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Die Idee, den Leuten Schuld an eigener Krankheit zuzuweisen, ist ein
furchtbares Missverständnis einer falsch verstandenen Psychosomatik.
Heilung hängt nicht von der Grösse einer Seele ab. Die Seele kennt keine
Planung. Man kann sie weder beeinflussen, noch manipulieren. Heilung
kann als Folge der Seele passieren. Nur, wenn jemand an unheilbarem
Krebs leidet und gleichzeitig die Liebe fehlt, ist offensichtlich die Seele
nicht anwesend.
Die erste Aufgabe eines Heilers, einer Heilerin ist dann der Versuch, die
Seele zu aktivieren, in Dialog mit ihr zu treten, um zu erkennen, ob diese
den Körper/Mind heilen kann. Die zweite Aufgabe wird es sein, der
Seele einen Dialog zu vermitteln, damit das Gefühl von Liebe entstehen
kann.
Liebe ist der Prozess, sich ohne Verbitterung von allem verabschieden
zu können, zu sterben, sobald das nötig ist.
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Ausstrahlung und Anziehung
9. Oktober 1994
Der Ausdruck Ausdehnung beschreibt ein Phänomen, das im
Energiesystem nicht genau auf diese Weise stattfindet. Die Bezeichnung
Intensivierung ist eher richtig. Der Körper mit seinen Milliarden Zellen
erzeugt ein Lichtfeld, Strahlung, ist ein Lichtkörper. Diese Ausstrahlung
ist als Ätherkörper sichtbar. Je dichter zusammengezogen, je
verkrampfter die Zellstruktur des Körpers ist, desto «härter» zeigt sich
auch der Ätherkörper. Je entspannter die Zellen sind, je mehr Licht aus
einer Zelle strömen kann, desto «weicher» wirkt diese Ausstrahlung,
dieses rhythmisch pulsierende System.
Wie jede Zelle des Körpers eine Schwingung erzeugt, regen auch jeder
Gedanke und jedes Wort Schwingung, Ausstrahlung an. Diejenigen
Denkprozess, welche im Jetzt stattfinden, erzeugen die mentale Aura.
Die Mentalaura ist das Abbild, der Ausdruck der vor sich gehenden
bewussten Denkprozesse.
Die unterschwelligen Elemente des Denkens, die sich nicht mit
Phänomenen aus dem Jetzt befassen, sondern mit solchen aus
Vergangenheit (Erfahrungen) und Zukunft (Erwartungen), also über den
assoziativen Denkprozess mit Inhalten aus der Geschichte, mit
Erinnerungen verbunden sind, entwischen dem direkten Bewusstsein
und sind deshalb als unbewusst zu bezeichnen. Diese Anteile des
Denkens erzeugen eine Ausstrahlung der mentalen Aura, die man als
emotionale Aura bezeichnet.
Diese Unbewusstheit ist weder vermeidbar noch gefährlich. Man kann
das Denken deshalb nicht ununterbrochen ganz direkt wahrnehmen, weil
Denken viel rascher arbeitet, als unsere relativ träge Wahrnehmung. Das
emotionale System wird nur dann einen gefährlicheren Einfluss auf den
Körper haben, wenn die Ausstrahlung des Körpers, der Ätherkörper
«hart» ist. Der Einfluss der Emotionalaura auf den Körper wird durch
einen «weichen» Ätherkörper vermindert.
Unter Körper/Mind verstehen wir die Gesamtheit von Körper, Denken
und Fühlen. Körper/Mind wird damit durch den Körper selbst, den
Ätherkörper, die mentale und die emotionale Aura repräsentiert. Die
Ausstrahlungen ihrerseits, also Ätherkörper, Emotional- und Mentalaura
wollen wir als feinstofflichen Körper bezeichnen. Der Körper und alle
Ausstrahlungen sind ununterbrochen in einem Dialog zueinander und
daher nicht voneinander zu trennen.
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Die ganze Struktur ist den Gesetzen der Masse unterworfen und
beschränkt, weil sie gänzlich in Gravitationsraum und Phasenzeit
existiert. Körper/Mind wird geboren und wird sterben. Körper/Mind ist
vergänglich, ist ein Instrument in Zeit und Raum.
Über der mentalen Aura kann man die alles andere überstrahlende
Qualitätsaura erkennen. Die Qualitätsaura existiert nicht in Raum und
Zeit und ist daher nicht vergänglich. Weder wird sie geboren, noch stirbt
sie. Während Körper/Mind, wie auch alles andere in Gravitationsraum
und Phasenzeit, persönlich ist und darum nicht nur einen subjektiven,
sondern auch einen objektiven Anteil hat, ist die Qualitätsaura nicht
persönlich. Die Qualitätsaura ist der Ausdruck der Seele und diese
wiederum ist das übergeordnete Prinzip des Universums, des Ganzen.
Das Ganze, das Tao, kann sich nur manifestieren, wenn es auf
irgendeine Weise eine Form annimmt, die sowohl einen objektiven, als
auch einen subjektiven Anteil hat.
Weil wir alle zum Ganzen gehören, manifestieren wir uns aber auch auf
einer bestimmten Ebene ausserhalb von Raum und Zeit als Seele. Die
Seele hat nichts Persönliches an sich, obwohl sie als etwas Persönliches
erlebt wird. Ein Bild zur Erklärung: Die Sonne stellt das Ganze dar, ihre
Strahlen sind die Seele, und deren Wirkung, die Wärme, könnte man als
Qualitätsaura bezeichnen.
Qualitätsaura und Seele sind genausowenig vom Ganzen zu trennen, wie
in unserem Bild Wärme und Strahlen von der Sonne. «Unseren» Anteil
an Strahlen und Wärme umschreiben wir als Energiekörper. Im
Gegensatz zu Körper/Mind, dem Körper und seinem feinstofflichen
Anteil, ist der Energiekörper nicht in Zeit und Raum begrenzt. Er ist
auch nicht so sehr persönlich, wie das vielleicht manchmal dargestellt
wird.
Stirbt man, zerfallen sowohl die Moleküle des Körpers, als auch der
feinstoffliche Körper; man kann sich auch diesen als aus Molekülen in
Zeit und Raum bestehend denken. Sogar den Energiekörper, Seele und
Qualitätsaura, kann man sich aus einer Art Materie bestehend vorstellen,
nur ist diese vielleicht feiner, aus Schwingungen höherer Frequenz
zusammengesetzt. Wenn Moleküle zerfallen, lösen sie sich nicht einfach
in Nichts auf; sie verlassen vielmehr die Struktur, in der sie vorher
eingebunden gewesen sind.
Wiedergeburt ist vielleicht weniger ein persönliches Geschehen, als eine
neuartige Zusammensetzung verschiedener Moleküle.
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Die Qualitäten wirken durch einen, sind aber so wenig persönliches
Eigentum, dass ihre Wirkung oft an verschiedenen Orten gleichzeitig
auftritt. Deshalb gibt es nicht nur einen einzigen guten Musiker. Darum
wird eine Erfindung oft an verschiedenen Orten gleichzeitig gemacht.
Wenn Körper/Mind vergänglich, der Energiekörper verbunden mit dem
Ganzen aber nicht vergänglich und nicht persönlich ist, stellt sich die
Frage nach dem Sinn der Therapiearbeit mit Körper/Mind statt mit den
Qualitäten. Je mehr die Qualitäten zum Vorschein kommen, gelebt
werden, je stärker diese Lampe leuchtet, desto intensiver kann das
Leuchten von Körper/Mind werden. Das nun ist der richtige
Zusammenhang des Begriffs Ausdehnung. Körper/Mind wird dann ein
Informationsträger des Universums, wenn dort Licht wird. Licht entsteht
nicht durch Veränderung von Körper/Mind, sondern dadurch, dass er
zu einem Instrument von Qualitätsaura und Seele, des Energiekörpers
wird.
Ausdehnung ist also Intensivierung des Energiekörpers. Es ist der
Energiekörper, welcher sowohl Körper als auch feinstofflichen Körper
beeinflusst. Anders gesagt: Wenn der Energiekörper Licht- und
Informationsquelle ist, während Körper/Mind das Dunkle darstellt,
geschieht die spirituelle Geburt dann, wenn Licht das Dunkel
durchdringt. Jeder Körper/Mind ist daher ein Instrument für das Licht.
Die meisten von uns fokussieren auf das Dunkle und befassen sich
primär mit dem leichter erkennbaren Körper/Mind, ohne dessen
Charakter als Instrument des Lichts zu erkennen.
Je mehr der Energiekörper Einfluss auf Körper/Mind gewinnt, desto
mehr wandelt sich Gravitation in Anziehung. Wo das geschieht, entsteht
Ausstrahlung ganz von selbst. Umgekehrt gilt die Beziehung auch. Je
mehr Ausstrahlung da ist, desto intensiver wird Anziehung spürbar.
Gravitation, Anziehung und Ausstrahlung implizieren etwas, was wir hier
einmal als «Space» bezeichnen wollen. Wir benutzen diesen englischen
Ausdruck, weil das Wort Raum zusammen mit Zeit eine bekannte
physikalische Grösse darstellt. Space umfasst mehr als Zeit/Raum.
Raum/Zeit ist objekt-bezogen, während Space subjekt-bezogen ist.
Wo Gravitation, Anziehung und Ausstrahlung keinen Space vorfinden,
sterben alle drei. Es entsteht ein schwarzes Loch, wie es die moderne
Physik umschreibt. Durch den fehlenden Space entsteht so viel
Gravitation, dass alles verschwindet. Alles im Bereich des schwarzen
Loches stirbt.
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Würde man nur einatmen wollen, wäre das damit vergleichbar, dass kein
Space zugelassen würde. Einatmen allein bedeutet ebenso Tod wie
Ausatmen allein, obwohl man nicht ohne deren Kombination leben
kann. Es fehlt Space, es entsteht ein schwarzes Loch. Wo das
Bewusstsein nur auf Körper/Mind ausgerichtet ist, fehlt Space ebenso,
ist ebenso Tod.
Gefühlslosigkeit ist mit einem psychischen, ununterbrochenen Einatmen
zu vergleichen. Ausstrahlung und Anziehung können nicht stattfinden.
Ein durch den starken Willen, gut zu sein, viel Leistung zu erbringen,
durch Stress geprägtes tägliches Leben ist vergleichbar mit dem Versuch,
nur auszuatmen. Auch hier wird weder Anziehung noch Ausstrahlung
erzeugt.
Ausserkörperliches Heilen kann seinem Wesen nach als Space-Healing
bezeichnet werden. Der Energiekörper wird dabei angeregt, eine
Schwingung zu erzeugen, die für Space in Körper/Mind sorgt. Die
Schwingung von Körper/Mind verändert sich darauf derart, wird so
flexibel, dass sie nicht mehr als Dunkel, sondern als Licht erlebt wird.
Space-Healing verstärkt den Einfluss des Energiekörpers, bis
Körper/Mind wieder als Resonanzkörper mitschwingt. Sobald ein
Resonanzkörper Schwingungen übernehmen und verstärken kann,
entsteht ein voller Ton, eine Melodie.
Eine Guitarre mit falsch gestimmten Saiten kann immer noch als
Intrument bezeichnet werden. In diesem Zustand ist sie aber schlicht
nicht brauchbar dafür, Musik hervorzubringen. Die richtige Stimmung
der Saiten macht eine Guitarre zu einem brauchbaren Instrument.
Harmonie zwischen Körper und Mind entsteht dann, wenn der
Energiekörper für Space sorgt. Dadurch wird aus Körper/Mind ein
spielbares Instrument.
Mit einem nicht gestimmten Instrument kann man zwei Dinge tun. Die
eine Möglichkeit ist die Analyse der Vergangenheit. Man versucht dabei
herauszufinden, warum die Guitarre nicht mehr gestimmt ist: Vielleicht
lag sie zu lange im Estrich, vielleicht hat jemand darauf zu spielen
versucht und sie dabei ruiniert. Man kann eine Verbesserung der
Situation auch mit der Zukunft versuchen. Man stimme die Guitarre,
damit sie wieder spielbar wird.
Ist ein Instrument richtig gestimmt und damit spielbar, besteht eine ganz
spezielle Situation. Ein gestimmtes Instrument muss sich weder um die
Vergangenheit, noch um die Zukunft kümmern. Instrument sein heisst,
dass es im Moment einen Ton, eine Melodie erzeugen kann.
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Eine Melodie ist eine Schwingungsfolge, die Einfluss ausübt. Sie hat
Ausstrahlung und erzeugt dadurch Anziehung. Ausserkörperliches
Heilen, Space-Healing sorgt mit dem Energiekörper dafür, dass
Körper/Mind ein Instrument ist, das ausstrahlt und anzieht.
Je höher eine Schwingung wird, desto mehr Licht und Space entstehen.
Wir sprechen natürlich weder vom Sonnenlicht, noch von jenem einer
Lampe. Das ist nur Symbol. Licht ist Space. Ein schwarzes Loch hat kein
Licht. Je kompakter etwas ist, desto weniger Space ist da. Space erzeugt
Anziehung und Ausstrahlung. Das ist der Grund, warum seit
Jahrtausenden in allen mystischen Schulen Licht, Erleuchtete, ein
Lichtkörper, der anzieht und ausstrahlt eine so grosse Rolle spielen.
Gott ist Beziehung und Beziehung ist ein Rhythmus zwischen
Anziehung und Ausstrahlung. Das ganze Universum ist ein pulsierendes
Ein- und Ausatmen, Anziehen und Ausstrahlen. Sind Anziehung und
Ausstrahlung fühlbar, sind auch Wohlergehen und Gesundheit da.
Heilung passiert, wenn aus etwas Kompaktem Space, Licht entsteht.
Wie kommt man zu Space? Welche Konsquenzen hat es, wenn man
knallhart durch die Unterscheidung zwischen Körper/Mind einerseits
und Energiekörper andererseits eine Dualität schafft, was doch seit
Jahrhunderten bekämpft wird?
Körper/Mind ist keine Dualität, sondern eine Einheit. In diesem Sinne
hat die moderne Medizin recht, wenn sie Déscartes und die Auftrennung
von Körper/Mind in eine Dualität korrigiert. Ebenso falsch ist es aber,
alles zu einer Einheit zu mischen, denn eine Vernetzung allein, eine
Verbindung von Teilen, erzeugt noch keine Einheit. Zwischen dem
vergänglichen Körper/Mind und dem Energiekörper allerdings besteht
ein entscheidender Unterschied.
Dualität muss nicht unbedingt als Gegensatz zwischen Dingen aufgefasst
werden, wie dies in den alten Philosophien oft dargelegt wird. Vielmehr
hat eine echte Dualität, wie im Beispiel von Ying/Yang, den Charakter
einer Ergänzung. Nicht gleiche, nur unterschiedliche Dinge werden sich
ergänzen. Das Beispiel eines Fussballklubs zeigt das schön auf. Wenn
sich die Leute nicht ergänzen, als Mannschaft spielen, haben sie wenig
Chancen auf einen Sieg.
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Wie kommt man zu Space?
Will man diese Frage nicht nur intellektuell verstehen, muss man sich
völlig neu mit dem Begriff Stille auseinandersetzen. Wie der Begriff
Ausdehnung auf einer bestimmten Ebene Sinn macht und ein hilfreiches
Konzept ist, um dem Gehirn etwas ohne Symbol Unverständliches
darzulegen, ist auch Stille nur auf einer bestimmten Ebene als Absenz
von Reaktion oder Denken zu erklären. Auf einer anderen Ebene, dort,
wo die Brücke zwischen Körper/Mind und Energiekörper geschlagen
werden soll, kann Stille nicht mehr das gleiche sein.
Achtet darauf, dass es immer wieder um dasselbe geht. Das Gesetz
Newtons ist durch die Quantenphysik nicht aufgehoben worden. Das
Einstein'sche Gesetz, dass sich nichts schneller, als Licht fortbewegen
kann, hebt jenes andere Gesetz, dass es doch Schnelleres, als Licht gibt,
nicht auf. Jedes Gesetz gilt für eine ganz bestimmte Ebene. Darum
unterscheiden wir die biologische, psychosoziale, und psycho-spirituelle
Ebene. Auf den verschiedenen Ebenen sind die Gesetze verwandt,
ergänzen sich, sind aber nicht wirklich gleich. Mit den Begriffen
Ausdehnung und Stille verhält es sich gleich. Was ist Stille, für eine neue
Ebene neu formuliert? Ist Stille dort immer noch Absenz von etwas
anderem?
Wenn man sich in einem Raum befindet, in dem zwei
Lautsprecherboxen zu laute Musik produzieren, hat man zwei
Möglichkeiten der Reaktion. Man kann die Verstärkung begrenzen oder
sich von den Lautsprechern wegbewegen. Je näher bei den Boxen man
steht, je lauter die Musik erscheint, desto weniger kann man anderes
wahrnehmen. Die Lautsprecher des Universums kann man nicht einfach
zurückstellen. Darum entfernt man sich ein bisschen von ihnen damit
man wahrnehmen kann, was sonst noch läuft. Stille ist nicht in jedem
Fall die Absenz von Lärm. Raum erzeugt Stille. Stille hebt
Wahrnehmung nicht auf, sondern verbessert sie.
Wir unterscheiden zwischen direkter und wunschloser Wahrnehmung.
Direkte Wahrnehmung ist ausgerichtet. Dadurch wird Nähe geschaffen.
Man fokussiert auf seinen Körper, auf einen Schmerz, auf Musik. Nähe
hat damit etwas mit Lautstärke, mit Intensität zu tun, um beim Symbol
der Lautsprecher zu bleiben.
Je weniger die Wahrnehmung auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtet ist,
je losgelöster von Einzelnem, je wunschloser sie ist, desto intensiver
nimmt man das Ganze wahr. Das ist Stille.
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Stille ist nicht die Absenz von Lärm. Man ist nicht dann wirklich still,
wenn man nicht mehr denkt, fühlt, wenn keine Empfindung mehr da ist,
wenn man sich nicht mehr bewegt. Stille ist Raum.
Unter Stress versteht man die Situation, dass man im Lärm steht, keinen
Raum hat. Man sucht Ferien, man möchte zur Ruhe kommen, man hat
sich zu viel zugemutet, man ist überfordert. Vielleicht zieht man sich
sogar in sein Zimmer zurück, um Stille zu finden. Die Stille, die man in
einem abgeschotteten Zimmer empfinden mag, ist nicht unbedingt die
Stille, die wir meinen, sondern vielleicht einfach Lärmfreiheit. Sich total
auf etwas auszurichten, vielleicht ganz konzentriert Musik zu hören,
heisst, sich abzuschotten. Das ist Absenz von den anderen Geräuschen.
Das ist nicht die Stille über die wir sprechen.
Wo Space ist, hat Stress keinen Platz. Stille als Brücke zwischen
Energiekörper und Körper/Mind ist Space, nicht die Absenz von Lärm.
Sich nicht auf ein Objekt zu konzentrieren, sondern alles zu absorbieren,
ist Stille im Sinne von Space. Stille kann mitten im Warenhaus
stattfinden.
Das Konzept einer Stille als Absenz von Lärm würde in jedem, der sich
bemerkbar macht, einen Feind sehen. Spätestens bei der Ankunft eines
Kindes würde man wahnsinnig, weil man im Baby einen Gegner
erblicken müsste. Alle Leute, die einen ansprechen möchten, wären
Störer der Stille. Ein Konzept von Stille als Absenz von Lärm würde
zudem bedingen, dass nie jemand etwas gegen einen hat, dass man sich
nie mit Verletzungen auseinandersetzen müsste. Verletzung erzeugt ja
nicht Stille.
Auf der psychosozialen und der biologischen Bewusstseinsbene kann das
Fehlen von Lärm durchaus Stille bedeuten. Man kann schwerlich
schlafen, wenn Autolärm während der ganzen Nacht das Schlafzimmer
füllt. Auf der psycho-spirituellen Bewusstseinsebene ist das völlig anders.
Dort bedeutet Stille höhere Intensität, ähnlich wie Dunkelheit auf der
biologischen Ebene zum Schlafen von Vorteil ist oder, wie Dunkelheit
auf der psychosozialen Ebene zu besserer Konzentration verhilft.
Darum schliesst man ja oft die Augen, wenn man sich ganz stark
konzentrieren möchte.
Auf der psycho-spirituellen Ebene ist nicht Dunkelheit, sondern Licht,
Space, die Voraussetzung zu Transformation. Healing schafft Space. Wo
Space ist, ist Stille. Wie schafft man Space?
Man kann nicht versuchen, still zu werden, weil Stille eine Folge von
Space ist. Space und Stille sind voneinander nicht trennbar.
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Wenn man sich Mühe gibt, still zu sein, entsteht Space nicht. Wenn man
versucht, den Körper während einer Stunde nicht mehr zu bewegen,
erzeugt man eine gewisse Spannung. Das zwingt viele Leute, entweder
ihren Körper nach einer gewissen Zeit doch zu bewegen oder wenigstens
eine Instanz aktiv zu halten, die befiehlt, den Körper nicht zu bewegen.
Wenn man aber Raum schafft, entsteht durch diese Stille
Bewegungslosigkeit ganz von selbst.
Wirkliche Stille, welche Brücke sein kann zwischen Körper/Mind
einerseits und Energiekörper andererseits, kann erst dann entstehen,
wenn alle Versuche, sie herzustellen, aufgehört haben. Plötzlich ist sie
dann einfach da. Aus diesem Grund haben Mystiker, die Meditation
wirklich verstanden haben, immer darauf hingewiesen, dass geplantes,
stundenlanges Sitzen in einem Stuhl nicht zu Meditation führen muss.
Das ist gemachte Stille. Diese Art der Stille ist auf der biologischen und
psychosozialen Ebene erholsam, gut und richtig, nicht aber auf der
psycho-spirituellen Ebene. Dort ist diese Art der Stille nichts wert.
Ebenso gibt es auf der spirituellen Ebene keine Gravitation, sondern
Anziehung und auf der biologischen Ebene keine Anziehung, sondern
Gravitation. Alles ergänzt sich, ist aber nicht das Gleiche. Licht,
Erleuchtung findet nicht statt, weil irgend etwas nicht mehr da ist,
sondern dadurch, dass man Space schafft. Sobald der Energiekörper die
führende Kraft ist, entstehen Stille und Space. Das ist Healing. Wie
bringt man es fertig, dass der Energiekörper die Führung über
Körper/Mind übernimmt?
Selbst, wenn eine Frage an sich einleuchtet, widersteht sie ihrer
Beantwortung oft so lange, als man sie nicht neu formuliert und damit in
einen praktischen Bezug gebracht hat. Auf die Frage, wie man zu Stille
komme, kann man höchstens theoretische Antworten geben. Wird die
Frage aus Bequemlichkeit nicht in einen praktischen Zusammenhang
gebracht, wird man nicht zu einer zufriedenstellenden, sinnreichen
Antwort finden.
Wie im Zen-Beispiel !Syntaxfehler, « lässt sich oft eine Kette von
Teilfragen ohne Zwischenantworten formulieren. Bei unserer Frage geht
es ja darum, den Einfluss des Energiekörpers zu intensivieren. Diese
Veränderung verursacht Licht, Space und Stille in Körper/Mind.
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Zur Beantwortung der Frage nach einem Vorgehen kann man nun den
Komplex umkehren und zuerst die Voraussetzung für das Entstehen
eines Gefühls von Stille und Space auf der psychologischen Ebene
suchen. Ganz praktisch wird sofort einleuchten: Eine wichtige
Voraussetzung ist es, dass man sich nicht mit einem Problem
herumschlagen muss.
Jetzt kann man die Frage richtig formulieren: Was muss geschehen,
damit das anstehende Problem gelöst wird? Welches ist der Prozess der
Problemlösung? Denn offensichtlich entsteht Space, sobald ein Problem
gelöst ist. Ersetzt man ein Problem, vielleicht eine störende Schwäche als
Beispiel, symbolisch durch einen grossen, alten Schrank in einem kleinen
Raum, ist sofort ersichtlich, dass sofort mehr Platz im Raum sein wird,
sobald der Schrank daraus entfernt worden ist.
Freuds Psychologie hat im Gegensatz zu den Lehren der Religionen
darauf bestanden, dass man den grossen Schrank aus dem Raum werfen
könne, sobald man erkannt habe, warum er überhaupt da steht und dass
er unbrauchbar ist. Diese Auseinandersetzungen mit der Schwäche
werde Erkenntnis und Verständnis bringen und werde Space erzeugen.
Die Religionen, nicht Religiosität, sind einen anderen Weg gegangen.
Durch Glauben an Jesus, an Krishna, durch Vertrauen, heisst es dort,
durch Gebet, durch Hingabe an jemanden, werde Space geschaffen.
Beide scheinen aus einer richtigen Beobachtung falsche Schlüsse gezogen
zu haben. Die Beobachtung, dass der Energiekörper sich erst einbringen
kann, wenn Körper/Mind keinen Ballast mehr mit sich herumträgt, ist
richtig. Da wir uns heute nicht mehr mit den Religionen und mit
Konzepten der Hingabe an irgend jemanden oder eines blinden
Vertrauens befassen wollen, schauen wir uns an, wie die Psychologie mit
den Fragen umgeht.
Psychologie basiert auf der einfachen Überlegung, dass Freiraum überall
dort entsteht, wo man sich nicht mit etwas Belastendem befassen muss.
Ein Beispiel: Gemäss Psychoanalyse erinnert sich ein Kind in seinen
Körperzellen an einen früheren Missbrauch. Die Bioenergetiker würden
von der Erinnerung sprechen, die der Körper aufgenommen hat. Diese
Erinnerung ruft Blockierungen bis in die emotionale und mentale Aura,
also praktisch des ganzen Systems hervor.
Blockierungen sind Verkrampfungen, bedeuten weniger gut fliessende
Energie und verhindern Freiraum. Ohne Freiraum sind Wahrnehmungsund Ausdrucksmöglichkeit eingeschränkt.
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Kompaktheit erhöht Gravitation und vermindert Anziehung. Ein
Missbrauch ist laut Psychoanalyse sowohl im Körper als auch im
Energiesystem als Erinnerung gespeichert und verhindert Anziehung
und Ausstrahlung, weil die Erinnerung im System als kompakte
Blockierung wirkt. Das sind die schwarzen Löcher im
Körper/Mindsystem. Je mehr es davon in einem System gibt, je weniger
Licht auftritt, desto weniger können Anziehung und Ausstrahlung
entstehen, desto unglücklicher fühlt man sich.
Glück entsteht durch die Sozialisierung, durch ein konfliktfreies Leben
mit sich selbst und anderen. Die Psychologie hat daraus geschlossen,
dass durch die Abgabe der Erinnerungen, durch die Entfernung der
schweren Steine aus dem Rucksack die Blockierungen aufgelöst werden
könnten. Die schwarzen Löcher lösten sich dann auf, das ganze System
werde weniger kompakt und habe daher weniger Gravitation. Dadurch
entstünden mehr Ausstrahlung und Anziehung. Der Mensch werde
wieder sozial funktionsfähig, er werde gesund. Das ist doch logisch und
einleuchtend.
Dennoch bleiben ein paar Fragen offen. Welche Ereignisse haben
tatsächlich schwarze Löcher hervorgerufen? Welche schwarzen Löcher,
wenn sie wirklich existieren, sind über die Auflösung einer Erinnerung
ihrerseits auflösbar? Vermutlich gibt es ja viele schwarze Löcher, welche
in einem Leben gar nie erinnert, verstanden, interpretatorisch aufgelöst
werden können.
Wenn man, wie die moderne New Age Psychologie, auch noch
vergangene Leben in die Überlegungen einbezieht, scheint eine
Auflösung dieser schwarzen Löcher schier unmöglich.
Offensichtlich ist, dass der Versuch, die schwarzen Löcher durch
Erinnerung und Verstehen aufzulösen, eine Auseinandersetzung mit
Körper/Mind braucht. Durch diesen Prozess wird Licht in vielen Fällen
eher vermindert, denn intensiviert. Moderne Psychologen werfen denn
auch der klassischen Psychologie immer wieder vor, dass deren Patienten
in den meisten Fällen höchstens in einer selbst kranken Gesellschaft
wieder funktionsfähig würden. Wenn in einem Volk aus an Grippe
erkrankten Leuten ein Mensch Lungenentzündung hat und zum Arzt
geht wird das Therapieziel als erreicht angesehen, sobald der Patient
wieder auf dem Stand der Grippekranken ist.
Die Psychologie sagt, dass die schwarzen Löcher durch die Umwelt, die
Erziehung, die Gesellschaft erzeugt worden seien.
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Wie kann etwas, das durch die Gesellschaft erzeugt worden ist, geheilt
werden? Die Veränderung kann sich doch nur wieder auf die Norm der
Gesellschaft hin bewegen. Was als in der gesellschaftlichen Norm
befindlich angesehen wird, ist als gesund bezeichnet. Jemand der so
gesund wird, dass er auf der anderen Seite aus der Norm fällt, ist für den
Psychiater auch ein «Fall». Jemand mit ekstatischen Zuständen wird
durch die Psychiatrie als nicht ausgeglichen definiert.
Wenn die Auflösung der schwarzen Löcher durch Erinnern und
Verstehen wirklich funktionieren würde, stellt sich die Frage, warum es
immer wieder Spontanheilungen gibt, die sich dann ergeben können,
wenn keine Energie auf die Reflexion über einen Fall verschwendet
worden ist.
Kinder haben eine grosse Kraft für Spontanheilung. Kinder sind immer
wieder in der Gefahr, missverstanden zu werden und fühlen sich dann in
jenem Moment von den Eltern getrennt. Die enorme
Spontanheilungskraft äussert sich dadurch, dass Kinder nicht
nachtragend sind. Die Verletzung regeneriert sich durch die kindliche
Neugierde. Neugierde ist ein Prozess in dem man sich weder um
Erfahrung noch um Erwartung kümmert. Kann ein Kind diese
Neugierde in das Erwachsenenleben hinüberretten, gilt es als Genie.
Gewöhnung ist der Tod der Neugierde. Gewöhnung verhindert den
Bezug zum Energiekörper.
Spontanheilung geschieht, wenn man sich weder um die Vergangenheit
noch um die Zunkunft kümmert. Jede Heilung funktioniert auf diesem
Prinzip. Das bedeutet in der Konsequenz, dass sich ein Problem viel
schneller löst, wenn man es weder analysiert, noch interpretiert, sondern
einfach sein lässt. Eine Schwäche löst sich nicht durch deren Kenntnis
auf; eine Schwäche wird absorbiert, indem man ihr Raum gewährt.
Moderne Ausdrücke dafür sind sich selbst lieben oder sich selbst
akzeptieren. Beides sind zwar falsche Begriffe, sie führen aber immerhin
in die Nähe des eigentlichen Prozesses.
Jeder Schwäche kann man auch einen Qualitätsinhalt geben. Dadurch
zieht man sie an sich und versucht krampfhaft, sie und damit sich zu
verändern. Das führt zu psycho-spirituellem Autismus. Heilung
geschieht, wenn einer Schwäche Raum gewährt wird, indem man sie
nicht zu seinem persönlichen Problem und damit zum alleinigen Inhalt
von sich selbst macht. Es gibt keine Schwäche, die nicht auch allen
anderen bekannt wäre.
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Es bleibt eine einzige Situation übrig, die man als Schwäche bezeichnen
könnte, sofern man nicht jedes Problem mit irgendwelchen persönlichen
Inhalten füllt. Es ist dies die Idee, irgendwo könnte irgend etwas gegen
einen sein. Diese Schwäche wird weder durch das Verständnis der
Vergangenheit, noch durch irgendwelche Interpretation aufgelöst. Die
Auflösung geschieht dadurch, dass man ihr Raum gewährt. Space wird
durch die Wahrnehmung der Idee gewährt.
Je weniger an einem Problem, an einer Schwäche herumanalysiert und interpretiert wird, desto intensiver werden Aufmerksamkeit und
Wahrnehmung. Das ist der Weg zu Space und höherer Intensität des
Energiekörpers. Plötzlich spielt die Definition der Schwäche keine Rolle
mehr. Durch Space wird der Bezug zur Idee, dass irgendwo irgend
jemand gegen einen sei, depersonalisiert. Jetzt ist die Idee fassbar.
Solange sie in tausend Inhaltsfacetten aufgeteilt bleibt, ist sie weder
fassbar noch verständlich.
Sind wir tatsächlich ein Teil des Ganzen, lösen wir die Probleme durch
das Ganze und nicht durch eine Aufteilung in Problemkreise gemäss
unseren persönlichen Strukturen. Sobald alle sogenannten Probleme, die
einen bedrücken, zu der einzigen Problematik der Idee, irgendwo sei
irgendwer gegen einen, zusammenfliessen, entsteht enorm viel Raum.
Dieser Raum ist es, der Healing wirksam macht, ohne dass der Heiler
den Inhalt der Problematik eines Klienten verstehen muss. Healing lebt,
sobald keine Inhalte mehr einbezogen werden.
Die klassische Psychologie und Teile der Medizin äussern Healing
gegenüber starke Reserven. Sie werden dort zu Recht geäussert, wo
Healing missbraucht wird. Ein anderer Teil dieser Reserve besteht
allerdings zu Unrecht. Man kann aber nicht anders reagieren, denn es
wäre doch unlogisch, Healing einerseits zu fördern und gleichzeitig zu
behaupten, die Lösung von Problemen würde über die Definition von
Inhalten von Körper/Mind erreicht.
Diese völlige Änderung im Denken kann eine psychologische Revolution
auslösen. Es gilt, von der Idee wegzukommen, man finde
Problemlösungen durch Aufspaltung in Teile, durch Definitionen, durch
Interpretation von Phänomenen von Körper/Mind. Ist man von der
Idee weggekommen, entsteht Licht.
Die Antwort zu geben auf die grosse Frage, wie man zu Space und zu
Stille komme, ist jetzt einfacher geworden.
63
Sie besteht darin, dass man aufhört, sich auf Körper/Mind mit allen
Inhalten zu beziehen, dass man aufhört, sich auf die Vergangenheit zu
beziehen. Vergangenheit ist nur über verstückelte Inhalte wahrnehmbar.
Vergangenheit ergibt nie ein ganzes Stück; sie ist wie ein ablaufender
Film. Plötzlich erkennt man, dass die Handlung eigentlich gar kein
kontinuierlicher Ablauf, sondern in Tausende von Einzelbilder aufgeteilt
ist.
Diese Erkenntnis haben die Mystiker mit Ganzwerden beschrieben. Man
nimmt sich plötzlich nicht mehr als getrennt wahr. Wenn man ganz
geworden ist, erlebt man sich nicht mehr als Persönlichkeitsstruktur, die
sich in verschiedene Inhalte aufteilt.
Heilung ist Space. Heilung ist Stille. Heilung geschieht durch die Absage
an unnötige Inhaltsbezüge.
64
Gesundheit
10. Oktober 1994
Die meisten Leute kommen zu einem Healing, weil sie sich krank fühlen.
Wenn wir von der gestern erarbeiteten Sicht von Körper/Mind als einer
Einheit ausgehen, und davon, dass der Energiekörper, also die
Qualitätsaura und die Seele, etwas anderes, nicht Vergängliches ist, muss
der Begriff Krankheit neu definert werden.
Unter Krankheit auf der Ebene von Körper/Mind verstehen wir die
Behinderung des Ablaufes irgendwelcher Funktionen. Eine kranke Niere
funktioniert nicht mehr richtig. Es ist nicht wichtig, auf welche Ursache
diese Krankheit zurückzuführen ist. Ist die Niere krank, ist ihre Funktion
behindert. Als Heilerin oder Arzt wird man versuchen, die
Funktionsfähigkeit der Niere wieder herzustellen. Bis heute ist mir
niemand, nicht Mediziner, nicht Heiler, bekannt, der einen Körper/Mind
hätte gesund machen können. Die Behandlung macht den kranken Teil
eines Körper/Mind allenfalls wieder funktionstüchtig, und damit
verlängert sich dessen Lebensdauer.
Ein Extremfall: Eine Chemotherapie heilt Krebs nicht, sondern
verlängert das Leben. Die wenigsten Formen von Krebs sind echt
heilbar. Das Krebswachstum wird soweit unter Kontrolle gebracht, dass
das Leben um eine bestimmte Zeit länger wird. Bei einem Brustkrebs mit
Metastasen spricht man von einem durchschnittlichen Erfolg der
Krebsbekämpfung von fünf Jahren. Natürlich wird nie eine Zeitspanne
genannt. Man deklariert einfach einen möglichen Erfolg bei Brustkrebs
durch Bestrahlung und Chemotherapie. Ehrlicher wäre es allerdings, zu
sagen, dass man eine durchschnittliche Lebensverlängerung von fünf
Jahren erreichen kann.
Jeder Körper/Mind stirbt einmal. Ob die unmittelbare Todesursache
eine Form von Funktionsschwäche, vielleicht ein Herzinfarkt oder eine
andere Behinderung ist oder ob eine virulente Form einer Akutkrankheit
eintritt, spielt keine Rolle. Die Funktionen von Körper/Mind hören auf.
Es gibt keinen Körper/Mind, der nicht irgendwann einmal
funktionsunfähig würde. Tod ist Funktionsunfähigkeit.
Ein Leben von achtzig Jahren mag einem lang vorkommen. Anderen
Wesen erscheint diese Zeitspanne vielleicht als äusserst kurz. Vielleicht
sind all diese Jahre für ein Geistwesen in seinem Zeitempfinden ein oder
zwei Tage.
65
Da es kein begrenztes Wesen gibt, das sich nicht irgendwann einmal
auflöst, bedeutet Auflösung von Krankheit auf der Ebene von
Körper/Mind Lebensverlängerung, nicht Gesundheit.
Gesundheit ist etwas völlig anderes. Gesundheit hängt mit dem
Energiekörper zusammen.
Wer immer zu einer Healingsitzung geht, hofft auf eine
Lebensverlängerung. Die Motivation ist also die gleiche, wie diejenige
beim Gang zum Mediziner. Nach der Behandlung soll einem wohl sein,
es soll einem wieder gut gehen. Schmerzen sollten nicht mehr stören.
Man möchte wieder genügend Energie, um das Leben zu meistern.
Wer Energien auf diese Art zu betrachten beginnt, wird mit dem ganzen
Körper/Mind ähnlich umgehen, wie sich das bei den Zähnen
eingebürgert hat. Prophylaxe wird wichtiger, als die Behandlung von
Symptomen. Weil Körper/Mind dauernd dem Risiko einer
Funktionsbehinderung ausgesetzt ist, versucht man natürlich, den
Zeitpunkt seiner unausweichlichen Funktionsaufgabe hinauszuschieben.
Das ist Prophylaxe.
Wenn Karies der Zähne Schmerzen bereitet, ist es zu spät, mit
Zähneputzen zu beginnen. Ist der Körper bereits behindert oder sogar
schon funktionsunfähig, ist es eigentlich zu spät, mit Healing zu
beginnen. Healing sollte, wie Zähneputzen, regelmässig stattfinden.
Medizin und Healing haben zwei verschiedene Ansätze. Darum kann die
Medizin mit ihren Methoden in vielen Fällen rascher heilend auf eine
bestehende Funktionsbehinderung einwirken als Healing.
Ein schnell wachsender Tumor ist durch einen operativen Eingriff
einfacher und effizienter zu entfernen, als über den feinstofflichen Bezug
von Healing. Moderne Mittel der Medizin führen bei vielen Krankheiten
mit Schmerzsymptomen weit rascher zum Ziel als Healing.
Die Medizin befasst sich wenig mit Prophylaxe. Würde man mit
Körper/Mind ähnlich umgehen wollen, wie mit den Zähnen, könnte
Healing eine wichtige Rolle spielen. Die Wirkung eines wirklichen
Healings ist vom Ansatz her eher prophylaktisch, als auf die Behandlung
einer Funktionsbehinderung ausgerichtet.
Leute, deren Augen die Aura wahrnehmen können, bestätigen, dass ein
Krankheitsbild bis zu sechs Monate vor dessen Spürbarkeit im Körper
bereits im Ätherkörper erkennbar wird. Damit ist die Grundlage für eine
effiziente Vorsorge gegeben.
66
Vielleicht wird in hundert Jahren jedermann ein- oder zweimal pro Jahr
zu einem Auraheiler gehen, die Aura ansehen und die Punkte, die
vielleicht als Schatten sichtbar sind, behandeln lassen. Dieses Vorgehen
ist viel effizienter, als ein notwendiger Eingriff, der mit riesigem
Aufwand erst dann durchgeführt wird, wenn eine Krankheit im Körper
schon ausgebrochen ist.
Und trotzdem: Körper/Mind kann nie wirklich gesund werden. Eine
Behandlung kann das Leben nur für eine gewisse Zeitspanne erhalten.
Gesundwerden heisst ganzheitlich werden. Körper/Mind hat keine
Möglichkeit, ganzheitlich zu werden. Hingegen kann er zu einem
Instrument der Ganzheitlichkeit werden. Ein Körper/Mind, der sich
nicht als Instrument für die Ganzheitlichkeit zur Verfügung stellen
möchte, wird dadurch nicht funktionsunfähig. Er ist aber doch auf seine
Art krank, denn niemand ist auf die Welt gekommen, um sechzig Jahre
lang von morgens sieben bis abends sechs zu arbeiten und mit viel oder
ein bisschen weniger angesammeltem Geld mit siebzig oder vielleicht
neunzig Jahren abzutreten. Körper/Mind ist auf der Welt, um für den
Energiekörper als Instrument zu wirken.
Für die Angehörigen mag es traurig sein, wenn jemand mit vierzig,
fünfzig oder sechzig Jahren stirbt, für den betroffenen Körper/Mind ist
es völlig unwesentlich. Wichtig ist einzig die Intensität, mit welcher
Körper/Mind sich als Instrument des Energiekörpers erlebt hat.
Wesentlich ist es, wie weit sich der Energiekörper – Qualitätsaura und
Seele – während dieser Zeit hat manifestieren können. Je besser sich der
Energiekörper durch Körper/Mind manifestieren kann, desto mehr
«Licht» entsteht, desto «höher» wird die Schwingung. Jede Erhöhung der
Schwingung bedeutet Evolution. Evolution ist nicht ein Frage von
Reinkarnation als Körper/Mind, keine Frage von Karma.
Ein Bild dazu: Irgendwo in einem finsteren Raum sei ein Dimmer
angebracht, mit dem die Lichtintensität geregelt werden kann. Betritt
man den Raum allein mit dem Bewusstsein seines Körper/Mind, kann
man nichts sehen und kommt darum auch nicht an den Dimmer heran.
Wer sich hingegen als Instrument des Energiekörpers erlebt, hat mehr
Möglichkeiten zur Verfügung, kann den Dimmer finden, ihn höher
stellen und damit mehr Licht entstehen lassen. Evolution ist keine Frage
der Verfeinerung von Körper/Mind. Evolution ist eine Frage des
Gebrauchs des Instruments «Bewusstsein».
67
Symbolisch bedeutet Bewusstseinserweiterung Erhöhung von
Schwingung, Intensivierung der Lichtquelle. Von einem nur dreissig
Jahre währenden Leben deren zehn als Instrument des Energiekörpers
erlebt zu haben, ist erfüllender, als achtzig Jahre auf der Erde zu
verbringen und nicht zu wissen, was es heissen kann, Instrument zu sein.
Es macht keinen Sinn, sich neunzig Jahre lang mit Körper/Mind, mit
dessen Problemen und Funktionshemmungen herumzuschlagen, wenn
man in dieser Zeit nicht zu einem Instrument wird.
Vielleich müsste man Selbstmördern mehr Respekt entgegen bringen.
Vielleicht sind sie viel ehrlicher als die meisten von uns, die sich einfach
so lange durchwursteln, bis die Funktionsunfähigkeit des Körpers von
selbst eintritt. Vielleicht ist es nicht der Selbstmörder, auf den im Jenseits
gezeigt wird. Vielleicht wird auf uns gezeigt werden, die wir uns aus
Bequemlichkeit und Angst nicht als Instrument erleben wollten und
während neunzig Jahren anderen den Platz weggenommen haben.
Funktionsfähigkeit von Körper/Mind ist nicht gleichbedeutend mit
Gesundheit. Gesundheit ist die Möglichkeit für den Energiekörper, sich
zu manifestieren. Natürlich kann sich der Energiekörper weniger gut
manifestieren, wenn Körper/Mind nicht vital, nicht gut funktionsfähig
ist. Je besser funktionsfähig Körper/Mind ist, desto besser kann er auch
als Instrument durch den Energiekörper gebraucht werden. Einen
funktionsfähigen Körper/Mind zu besitzen und ihn nicht als Instrument
zu brauchen, ist vielleicht die einzige Sünde, die es gibt.
Das Ziel eines jeden Menschenlebens ist es, dem Ganzen innerhalb der
Evolution etwas zu geben. Unsere Aufgabe ist es nicht, unsere
Körper/Mindbedürfnisse zu befriedigen und unsere Wünsche zu
erfüllen.
Je mehr Kerzen brennen, desto mehr Licht strahlen sie gemeinsam aus.
Brennt eine Kerze nicht, behält sie zwar ihre Form und schmilzt nicht.
Eine Kerze, die nicht brennt, macht aber kaum Sinn. Ein Körper/Mind,
der sich nur zum Zwecke einer langen Lebenserhaltung trainiert und
funktionsfähig erhält, geht mit dem Bewusstsein falsch um. Geht es ihm
nur um möglichst lange Erhaltung der Funktionsfähigkeit, wird er auch
vor Kriegen nicht zurückschrecken, wird er egoistisch sein, nicht teilen,
wird alles für sich allein haben wollen. Er wird wie in der Mode
selektionieren und diskriminieren. Eine Frau, die nicht den
Vorstellungen der Modeschöpfer entspricht, wird nicht beachtet.
Heilen ist nicht nur eine Frage des Eingehens auf Krankheit. Heilen ist
auch eine sozial-politische Tätigkeit.
68
Prozac, eine Substanz, der man unrichtigerweise antidepressive Wirkung
zuschreibt, aktiviert ganz gezielt Serotonin im Gehirn. Im Moment läuft
speziell in Amerika eine grosse Diskussion, ob Prozac weiterhin
flächendeckend eingesetzt werden soll. Wenn man diese Diskussion
verfolgt, die ganz ähnlich verläuft, wie jene in den sechziger Jahren um
LSD, das auch Serotonin aktiviert, fällt die Angst der Psychologen und
Psychiater vor dem Mittel auf. Der Grund: Es erzeugt auf einfachste Art
und Weise Vitalität, Freude und Wohlbefinden, also eine
Perspektivenveränderung des Bewusstseins ohne, dass man während
unzähliger Sitzungen grübeln, die Vergangenheit analysieren oder durch
einen Leidensprozess laufen müsste. Prozac wird in bestimmten Fällen
Nebenwirkungen erzeugen. Die gleichen Leute, welche Prozac deswegen
vehement bekämpfen, haben nichts dagegen, dass Millionen von Leuten
Alkohol mit weit schlimmeren Nebenwirkungen, als Prozac sie je haben
wird, trinken, damit sie sich ein bisschen sicherer oder entspannter
fühlen. Sofern man nicht gleich im Rausch landet, entspannt Alkohol
tatsächlich ein bisschen, erzeugt aber mit Sicherheit keine
Bewusstseinsveränderung. Ein Serotoninschub hingegen bringt eine
Bewusststeinserweiterung mit Sicherheit hervor. Es gibt für diese
Gesellschaft offenbar nichts Gefährlicheres, als eine auf einfache Art
erreichbare Bewusstseinsveränderung.
Aus ähnlichem Grunde ist Healing immer noch in der Schusslinie der
Oeffentlichkeit. Wie bei der Anwendung von Prozac auch, versprechen
Leute Heilung und raten von der Anwendung der klassichen Medizin ab,
weil die Zuständigkeit jetzt bei ihnen liege. Hier kann die Nebenwirkung,
dass sich Klienten möglicherweise zu spät in eine der Situation
angepasste medizinische Behandlung begeben, verheerend sein.
Das Verhältnis von zu erwartender Lebensverlängerung zu
Nebenwirkungen ist bei Chemotherapie vieler Krebsarten recht
ungünstig. Diskriminiert man diese Therapieart deswegen? Warum wird
dann Prozac seiner Nebenwirkungen wegen diskriminiert? Das
Verhältnis der Nebenwirkungen zu der möglichen
Bewusstseinserweiterung bei Anwendung dieses Mittels ist hier weit
besser.
Erst wenn die Gesellschaft begreift, dass Healing weder eine unfehlbare
Methode, noch eine Konkurrenz zu irgend welchen etablierten Vorgehen
ist, wird sie auch die Möglichkeiten sehen, die sich aus der Ergänzung
der Methoden ergibt.
69
Dann kann verstanden werden, dass Healing nicht irgendeine
Scharlatanerie, sondern dass die Fähigkeit, aus dem Körper zu treten,
jedem menschlichen Wesen eigen ist. Jeder Körper/Mind wird einmal
sterben. Jedes Sterben ist ein Austreten aus dem Körper. Es ist weder
nötig noch wünschenswert, mit der Ausübung dieser Fähigkeit bis zur
Funktionsunfähigkeit des Körpers, bis zu seinem Tode zu warten.
Es gibt keine medizinisch tätige Institution, weder eine etablierte, noch
eine alternative, noch eine aus allen jenen, die sich in irgend einer
weiteren Form mit Gesundheit beschäftigen, welche immer und überall
erfolgreich ist. Man kann durchaus annehmen, dass sich Erfolge und
Misserfolge überall etwa die Waage halten.
Eine Grippe dauert unabhängig von der Einnahme von Medikamenten
etwa fünf Tage. Hat man Medizin geschluckt, wird man sicher die rasche
Genesung auf deren Wirkung zurückführen. Hat man jemandem wegen
seiner Kopfschmerzen eine Healingsitzung gegeben, kann man das
Verschwinden der Schmerzen dem Healing zuschreiben. Vielleicht wären
die Schmerzen aber auch ohne Healing verschwunden? Die Chancen zur
Verbesserung der Funktionsfähigkeit liegen bei allen Methoden ähnlich.
Kein Vertreter einer Methode sollte den Leuten, die eine andere
favorisieren, in dieser Hinsicht Vorwürfe machen. Optimal wären
Ergänzung und Zusammenarbeit.
Wir können zu diesem Verständnis beitragen, wenn wir als Heiler
aufhören, uns und unsere Tätigkeit einzig über Körper/Mind zu
definieren. Körper/Mind hat keinen Sinn ohne seine Qualität, ein
Instrument des Energiekörpers zu sein.
Obwohl man Fundamentalisten jeder Provenienz und Farbe sicher
manches vorwerfen kann, muss man ihnen zugestehen, dass sie wirklich
versuchen, ein Instrument zu sein.
Viele Leute behaupten immer wieder, dass wir in einer tiefen
Sinnlosigkeit leben würden. Diese Behauptung stimmt, solange man den
Sinn des Lebens als die Idee definiert, wir hätten uns von der Geburt bis
zum Tode so gut als möglich durchzuschlagen. Die Verrohung der
Gesellschaft hängt mit diesem Gefühl von Sinnlosigkeit zusammen, mit
dem Unverständnis dessen, worum es eigentlich geht. Will jemand etwas
anderes verlangen, solange der Energiekörper ignoriert wird? Wie soll
man verstehen, dass Körper/Mind nur ein Instrument ist?
70
Nietzsche hat mit seinem berühmten Ausspruch, Gott sei tot, die
Tatsache ausgedrückt, dass wir keinen Bezug zum Energiekörper mehr
hätten. Wo der Bezug zur Seele fehlt, ist Gott tatsächlich tot!
Das Fehlen einer körperlichen Funktionsbehinderung definiert nicht
Gesundheit. Gesund ist, wer sich trotz einer möglichen
Funktionsbehinderung auf der Ebene von Körper/Mind darüber
bewusst ist, dass es um die Manifestation des Energiekörpers geht.
Wieso denn warten, bis diese Sicht einem aufgedrängt wird? In Spitälern
trifft man viele Leute, die von einer völligen Veränderung ihres Lebens
dank der Krankheit berichten. Sie sehen plötzlich, worum es wirklich
geht, sind sich bewusst geworden, was leben heisst.
Ist es nicht erstaunlich, dass der Körper zuerst einmal in eine tragische
Situation geraten muss, bevor man erkennt, wozu er eigentlich
vorhanden ist? Es müsste doch möglich sein, früher zu dieser Einsicht
zu gelangen. Daher ist es für Heilende wichtig, nicht nur zur Linderung
von Funktionsbehinderungen, sondern auch präventiv zu arbeiten.
Oft wird Healing nicht gemäss unseren Wünschen wirken, wird eine
Fehlfunktion nicht wieder instand gesetzt. Warum? Healing arbeitet für
die Gesundheit. Gesundheit entsteht nicht durch das Wegtherapieren
von Funktionsbehinderung von Körper/Mind. Vielleicht ist jemand, der
mit fünfzig Jahren sterben kann, gesegneter, als jemand der warten muss,
bis sein Körper völlig auseinanderbricht, ohne je Instrument gewesen zu
sein. Man kann Krankheit und Tod nicht auf dieser einfachen
Dualitätsbasis mit gut oder schlecht bewerten!
Man kann trotz der Behinderung einer Funktion in Körper/Mind
durchaus gesund sein.
Soll sich der Energiekörper wieder neu manifestieren können, muss
Körper/Mind ja vergehen. Das einzig Wichtige zum Zeitpunkt des
Todes ist, dass Körper/Mind während des Sterbeprozesses keinen
Schmerz leidet. Ethik – die einzige Ethik beim Sterben – ist
Schmerzlosigkeit. Ein Körper/Mind mag völlig funktionsunfähig sein; ist
er schmerzfrei, kann der Energiekörper bewusst wahrgenommen
werden.
Es geht um den Energiekörper, um Qualitätsaura und Seele, nicht um
das Überleben von Körper/Mind.
Der Energiekörper ist nicht persönlich, gehört einem nicht, kann sich
aber durch Körper/Mind manifestieren. Healing kann und darf darum
nie mit dem Wunsch stattfinden, irgendetwas müsse gemäss unserem
Wunsch passieren.
71
Trotzdem sollte nie Gleichgültigkeit den Funktionsstörungen gegenüber
aufkommen. Anteilnahme, Mitgefühl sind ganz wesentlich.
Wenn im Laufe einer Healing-Sitzung oder später tatsächlich eine
Verbesserung im Zustand des Klienten stattfindet, braucht jede und
jeder Heilende das Bewusstsein, dass der Erfolg nicht das Geringste mit
ihr oder ihm zu tun hat. Weder Erfolg noch Misserfolg haben
irgendetwas mit der Tätigkeit der heilenden Person zu tun.
Die Mystiker haben diese Situation mit Vertrauen umschrieben. Evelyn
Underhill nannte sie Holy Indifference, heilige Teilnahmslosigkeit, die
sich von Gleichgültigkeit durch absolute Zuwendung unterscheidet.
Was ist denn Vertrauen? Wer vertraut, übergibt sich einer Führung. Wer
vertraut, hat selbst kein Ziel und bewertet seine Tätigkeit nicht, findet sie
weder gut noch schlecht. Der Prozess des Vertrauens beginnt, sobald
man sich nicht mehr auf seine Erfahrung beruft und daher weder mit
Erinnerungen von Vergangenem noch mit Zukunftsfantasien, mit
Wünschen, arbeitet.
Im Zusammenhang mit Healing beschäftigt nicht die Frage, ob
Körper/Mind durch ein Healing wieder bessere Funktionsfähigkeit
erlangt habe. Es interessiert viel mehr, wie weit ein Körper/Mind trotz
seiner Funktionsbehinderungen zu einem Instrument des Energiekörpers
geworden ist. Der Bewusstseinsstand des Sterbenden wird nicht durch
die Anzahl der Tätigkeiten, die Verdienste im Laufe des Lebens
angezeigt. Er ist auch nicht dadurch ersichtlich, wie bewusst jemand
stirbt. Es kommt nur auf die Intensität an, mit der Körper/Mind ein
Instrument des Energiekörpers gewesen ist, selbst wenn er das während
des ganzen Lebens nur während einer Minute gewesen ist.
Die Liebe wird jenem, der während zwanzig Jahren ein Instrument für
den Energiekörper gewesen ist, keine bessere oder höhere Position
einräumen, als jenem anderen, der es bis zum Tode nie gewesen ist. Die
Einladung heisst, ein Instrument zu werden. Man kann den Lichtregler,
den Dimmer im Zeitraum einer einzigen Sekunde oder innerhalb von
zwanzig Jahren aufdrehen. Auch eine einzige Sekunde vor dem Tode
reicht. Erleuchtung ist keine Zeitfrage. Erleuchtung ist eine Frage des
sofortigen Seins!
Vertrauen ist etwas sehr mystisches; es geht nicht um Vertrauen in ein
Objekt, in das Bild irgend eines Gottes, nicht um eine konfuse,
romantische Idee. Vertrauen heisst einfach, jede Erfahrung wegzulassen.
72
Lässt man auf der psycho-spirituellen Ebene die Erfahrung weg, entsteht
Wachstum, Entfaltung.
Es entsteht Entfaltung, nicht Entwicklung. Während der Metamorphose
wird eine Raupe zum Schmetterling. Sie macht dabei keine Entwicklung
durch. Die Raupe ist ein Wesen mit dem Potental eines Schmetterlings,
von allem Anfang mit beiden Erbanlagen ausgestattet. Die Raupe
verpuppt sich und nach einiger Zeit schlüpft der Schmetterling einfach
aus der Puppe aus. Das ist nicht Entwicklung, das sind keine Stufen, das
ist Entfaltung. Körper/Mind ist wie eine Raupe. Der Schmetterling ist
der Energiekörper.
Vom Standpunkt von Körper/Mind aus gesehen, mag es als ungerecht
erscheinen, dass es unerheblich ist, ob jemand schon zu Beginn des
Lebens oder erst in letzter Sekunde zum Schmetterling wird. Die psychospirituelle Ebene befasst sich aber nicht mit der Gerechtigkeit von
Körper/Mind. Auf dieser Ebene ist nur wichtig, ob die Entfaltung
geschieht oder nicht.
Ist jemand zu einem Instrument für Körper/Mind geworden, steht er
vielen Fallen gegenüber. Die Fallen sind Ideen von Macht, von
Überbewusstsein. Man mag meinen, man sei jetzt mehr wert als andere.
Für viele Leute ist es darum vielleicht sogar gefährlich, schon früh in
ihrem Leben zu einem Instrument, bewusst zu werden. Die Gefahren
sind naturgemäss geringer, wenn diese Metamorphose erst zum Ende
des Lebens geschieht. Man kann auch das nicht zeitlich werten.
Vertrauen hat mit Zeit nichts zu tun.
Wie nun kommt man ohne intellektuelles Konzept zu Vertrauen? Wie
kann man sich ohne die Einmischung des Mind führen lassen? Am
Beispiel von Healing ist die Antwort, dass der Heilende sich total
hineingibt, ohne irgendein Resultat in irgendeiner Richtung zu erwarten.
Jede Resultaterwartung ist Bezogenheit auf das Ego: !Syntaxfehler, «
Erwartungslosigkeit schliesst Freude über eine tatsächliche Heilung in
keiner Weise aus.
Wie nun kommt man im täglichen Leben dazu, dass man sich führen
lassen, jede Erfahrung und damit jede Form von Zeit schlicht weglassen
kann? Wie kommt man zu Vertrauen?
Stellt euch einmal vor, ihr seid in irgend einer grossen Stadt, vielleicht in
London, New York, Bombay oder Athen, wo wirklich viel Betrieb ist.
Hier ist immer irgendwo ein Stau. Immer ist Lärm. Immer sind zu viele
Leute da.
73
Ihr sollt in dieser Stadt irgendwo hingehen und dort eine Aufgabe
erfüllen. Ihr sollt diese Aufgabe auch innerhalb einer bestimmten Zeit
erledigen. Was passiert nun? Welche sensorischen Mittel müsst ihr nun
voll aktivieren? Das sind sicher die Auge. Ihr wollt vermeiden, dass ihr
laufend andere Leute stösst. Je rascher ihr geht, je kürzer die zur
Verfügung stehende Zeitspanne wird, desto besser müsst ihr schauen.
Euer gesamtes Nervensystem muss hellwach sein, damit ihr eure
Bewegungen richtig steuert während ihr durch die Strassen geht, euch
durchschlängelt durch die vielen Leute hindurch. Eine andere Fähigkeit
wird weit weniger gebraucht: Das Hören.
Umgekehrt: Setzt euch in der Vorstellung in absoluter Stille auf einen
Berghügel. Ihr müsst nirgends hin. Ihr habt weder eine objektive, noch
eine zeitliche Zielsetzung. Welches sensorische Instrument wird seine
Funktion verstärken?
Nach einiger Zeit des Sitzens habt ihr das Panorama in euch
aufgenommen, habt ein inneres Bild davon gewonnen. Es gibt nichts
mehr Neues zu schauen. Die Augen werden weniger gebraucht. Das
Gehör wird dafür immer intensiver.
Haben Leute, die zielorientiert sind, wohl ein weniger gutes Gehör, als
Leute, die das nicht sind? Das ist zwar eine im Moment nicht
überprüfbare Hypothese, aber vielleicht ist der Grund für die weniger
gute Hörfähigkeit bei den Menschen des Westens weniger auf den
Stadtlärm, die vielen Autos, die laute Musik zurückzuführen, als auf das
ununterbrochene Ausgerichtetsein auf Zeit- und Zielvorgaben.
Wer auf Ziel- und Zeitvorgaben ausgerichtet ist, kann nicht wirklich
hören. Der Grund ist einfach und jederzeit überprüfbar: Hört man ganz
intensiv, entsteht sukzessive mehr Stille und Aufmerksamkeit. Schaut
man dagegen mit ähnlicher Kraft, entsteht dadurch eine erhöhte
sensorische Aktivität. Hören erzeugt im Gerhirn immer Alphawellen,
während Schauen Wachheit fördert. Das Gehirn wird also durch Hören
entspannt und durch Schauen aktiviert. Man kann sogar sagen, dass
Schauen die Ich-Empfindung fördert, während Hören einer
Depersonalisierung Vorschub leistet.
Ein Beispiel: Ich behaupte, dass der erste Eindruck von einem
Menschen, den man antrifft darüber entscheidet, ob man ihn
sympathisch findet oder als ungenügenden Partner für einen taxiert.
Wenn man nur die Stimme eines Partners hört, seine Energie spürt, wird
man zu einem ganz anderen Schluss kommen.
74
Das schliesst nicht aus, dass es auch Leute gibt, deren Stimme allein bei
uns schon Abwehr auslöst. Aber ich behaupte, dass dies viel weniger oft
passiert, als bei visuellem Kontakt. Der über die Augen aufgenommene
Eindruck ermöglicht ein klares Urteil.
Schauen begünstigt Konzentration und Intellektualisierung. Schauen
fördert die Empfindung des Ich. Wir brauchen diese Fähigkeiten zum
Überleben auf der biologischen Ebene und trotzdem ist es eine Tatsache,
dass durch Schauen nicht Stille und Aufmerksamkeit hervorgerufen
werden.
Im Hinblick auf eine Inselreise vor die Wahl gestellt, einen Videofilm
oder eine Musik-CD mitzunehmen, würde wenigstens ich mit Sicherheit
Musik wählen. Irgend einmal hat das Gehirn die Bilder so sehr in sich
aufgenommen, dass neue Aspekte, neue Anregungen nötig sind. Die
Empfindung der Musik kann auf Grund der Situation, in der man gerade
steht, wie man sich fühlt, so stark variieren, dass man Musik immer
wieder neu hören kann.
Vertrauen, durch die Absenz von Erfahrung zustande gekommen,
basiert auf Hören. Hören kann man nicht, solange man sich mit
Erinnerung beschäftigt, während Schauen unter Verwendung von
Erinnerungen durchaus möglich ist, Vergleiche und Bewertungen
überhaupt erst erlaubt.
Hören ist die direktest mögliche Art von Präsenz. Buddha hat gelehrt,
dass die Schulung des Ohrs entscheidend sei. Das ist der Grund, warum
in einem Zweig des Buddhismus die Kunst des Hörens speziell geübt
worden ist.
Interessanterweise haben Musiker, unter ihnen vor allem Dirigenten, die
höchste Lebenserwartung unter allen Berufen. Das Gehör ist ein
Energieempfänger. Hören schafft Energie. Anders gesagt: Die Chance,
dass Körper/Mind optimal funktioniert, ist mit Vertrauen, aus dem
Hören, höher, als dort wo man sich hauptsächlich mit Vergangenheit
und Zukunft befasst.
Was soll ein Wissen nützen, dass ein Teil meiner Schwächen auf die
Schwächen meiner Mutter zurückzuführen seien, die sie ihrerseits
angeblich als Karma aus ihrem letzten Leben mitgebracht hat? Ich kann
auch hören ohne derartiges Wissen. Um hören zu können, brauche ich
keinerlei vorgängiges Verständnis! Die erste sensorische Funktion bei
einem Fötus ist das Gehör. Die letzte noch funktionierende sensorische
Funktion bei einem Sterbenden ist das Gehör.
75
Hören ist das Tor zur anderen Dimension. Heilen heisst hören,
vertrauen. Heilung geschieht wenn Zeit absent ist und das wieder
bedeutet die Absenz von Körper/Mind.
Der Begriff Verstehen umfasst nicht intellektuelles Begreifen,
verstandesmässiges Wissen. Verstehen umfasst Weisheit. Man hat
jemanden ein Stück weit in sich aufgenommen und man versteht ihn
plötzlich. Englisch lässt sich das leichter ausdrücken: Es geht nicht um
knowing (Wissen), sondern um understanding (Verstehen). Der deutsche
Sprachgebrauch kennt diese Differenzierung nicht und daher besteht
immer die Gefahr der Vermischung von zwei Dingen. To understand
bedeutet, jemanden anders anzunehmen, aufzunehmen, ihn zu erkennen.
To know heisst einfach, einen dargelegten Ablauf nachvollziehen zu
können. Das ist nicht verstehen. Ein Buch kann man nicht verstehen.
Man kann ein Buch lesen, daraus lernen und die Aussage wissen.
Healing ist die Kunst echten Verstehens. Verstehen ist unabhängig
davon, ob man die Aussage eines Partners auch weiss und begreift.
Jemand kann eine der eigenen völlig entgegen gesetzte Meinung
vertreten. Trotzdem kann man ihn verstehen. Beziehung beruht nie
darauf, dass zwei Leute die gleiche Idee vertreten, die gleiche Meinung
äussern, das gleiche Wissen haben. Beziehung beruht auf gegenseitigem
Verstehen. To understand each other!
Hören erzeugt Verstehen. Wirkliches Hören ist das einzige Mittel, um
jemandes wirkliche Meinung zu erfassen. Erklärt ein Politiker in einer
Rede ein bestimmtes Konzept, kann man es anschliessend wohl kennen,
darüber intellektuell reflektieren und eine Meinung dafür oder dagegen
entwickeln. Möchte ich den Sprecher aber wirklich verstehen, benötige
ich auch sein Stimmvolumen, seinen Sprechrhythmus. Vielleicht spricht
er nur aus dem Kopf heraus, formuliert er in Angst, ohne dahinter zu
stehen. Vielleicht hat seine Aussage mit seinem wirklichen Wesen gar
nichts zu tun.
Ähnliches lässt sich bei Healing über ein Energiesystem und einen
Körper/Mind aussagen. Man muss die gesamte zur Verfügung stehende
Energie hören und verstehen. Es reicht nicht, von einer zu behebenden
Funktionsbehinderung auszugehen.
Wenn Hören Vertrauen schafft und Vertrauen ein Weisheits- und
Verständnisprozess ist, wird die höhere Wichtigkeit des Energiekörpers
gegenüber Körper/Mind offensichtlich.
76
Trifft während des Healings der Energiekörper des Heilenden auf jenen
des Klienten, werden beide aktiviert. Dadurch wird die
Funktionsfähigkeit von Körper/Mind nicht notwendigerweise
verbessert. Trifft aber Energiekörper auf Energiekörper, wird Mitgefühl
aktiviert.
Mitgefühl wird nie unabhängig von einer anderen Energiekörperstruktur
entstehen. Es entsteht kein Mitgefühl, wenn man isoliert zu Hause in
seinem Kämmerchen sitzt. Mitgefühl ist eine aktive Übertragung von
Energiekörper zu Energiekörper.
Das wichtigste während einer Healingsitzung ist die Aktivierung des
Mitgefühls. Dann kann Gesundheit entstehen, selbst wenn der
Körper/Mind durch das Healing nicht funktionsfähiger wird.
Gesundheit bedeutet das Bewusstsein, ein Instrument des
Energiekörpers zu sein. Und es spielt keine Rolle, ob dieses Bewusstsein
erst im Moment des Todes aufscheint. Schauen wir einmal genau und
untersuchen wir, was über diesen Zusammenhang in der Bibel steht.
Erlösung von Sünde in der christlichen Mythologie ist nichts anderes als
die Erlösung von Körper/Mind. Körper/Mind ist nicht erlöst, solange er
nicht zu einem Instrument des Energiekörpers geworden ist.
Das ist der Symbolinhalt von Reinkarnation, von Karma, vom Rad von
Geburt und Wiedergeburt. Solange Körper/Mind nicht zu einem
Instrument wird, sich nicht zum Schmetterling entfaltet, wird er,
symbolisch, immer wieder neu geboren.
Heilung im Sinne einer Übertragung von Energiekörper zu
Energiekörper, die Aktivierung von Mitgefühl ist der Weg, wie der zu
Heilende zu einem neuen Bezug zu sich selbst kommen kann. Die
Beziehung zu Qualität und Seele entscheidet über den
Gesundheitszustand. Gesundheit mag sich durch ein vorbehaltloses Ja zu
seinem eigenen Tod äussern; man weigert sich nicht, wehrt sich nicht,
hat keine Angst davor. Gesundheit ist von der Funktionsfähigkeit von
Körper/Mind durchaus unabhängig.
Mitgefühl ist nicht eine Funktion von Körper/Mind. Mitgefühl ist eine
Explosion von Licht. Am Anfang war Licht, obwohl einige
Bibelübersetzungen das Wort an den Anfang stellen. Kein Wort kann
ohne Hören vernommen werden und Hören basiert auf Schwingung, auf
Licht.
Mitgefühl ist der Anfang und das Ende von Licht.
77
Potential, Mitgefühl, Sein:
Der Charakter der Qualitätsaura
11. Oktober 1994
Gestern haben wir festgestellt, dass immer dann Mitgefühl entsteht,
wenn ein Energiekörper auf einen anderen Energiekörper trifft. Dies
bleibt eine schöne Aussage, wenn man sie nicht noch genauer erklärt und
belegt.
Für eine genauere Erklärung muss man nach einem Weg suchen, die
Qualitätsaura zu beschreiben. Der Energiekörper besteht ja aus dieser
Qualitätsaura und dem was man Seele nennen kann. Für den
Healingprozess ist im Moment nur die Qualitätsaura wichtig. Was aber
ist das?
Die Qualitätsaura ist eine Schwingung, die man bei allen Menschen sieht.
Sie kann bei einer Geburt als erstes beobachtet werden. Sie verschwindet
als letztes, wenn jemand gestorben ist. Diese Schwingung, ausserhalb
dem feinstofflichen Körper, hat eine ganz bestimmte Intensität, welche
während der Dauer eines Lebens auf der einen Seite weiter erhöht
werden kann. Man kann auf der anderen Seite beobachten, dass diese
Schwingung nie, auch nicht durch sogenannte negative Taten, von ihrer
Intensität verliert. Sie behält ihre Intensität mindestens bei. Diese
Beobachtung sagt aus, dass nichts mehr verloren gehen kann, was dort je
bewusst geworden ist.
Was ist denn diese so wichtige, offensichtlich am Anfang und am Ende
bewussteste Schwingung, die mit der Seele verknüpft, nicht vergänglich
und nicht mit Zeit und Raum verbunden ist?
Die meisten Leute definieren Qualität als eine spezielle Begabung oder
Fähigkeit. Das sind persönliche Dinge, die bis zu einem gewissen Grad
durch Leistung, durch Entwicklung erreicht werden.
Stellen wir uns jemanden mit starker Begabung für das Spiel der Violine
vor. Damit diese Fähigkeit zum Tragen kommt, braucht die Person
neben einem gut entwickelten Musikgehör auch eine technische
Begabung und Vorliebe für dieses spezielle Instrument. Wären diese
Begabungen nun direkter Ausdruck der Qualitätsaura, könnte vermutlich
die Mehrzahl der Menschen auf der Erde nie das tun, wozu sie
Begabungen haben. Was würde man mit einem Menschen in Somalia mit
der gleichen Begabung machen, wo es weder Violinen und
Musikschulen, noch andere Möglichkeiten gibt, mit dieser Qualität einen
tieferen Bezug aufzunehmen?
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Auf Grund der Umweltsitutation dieser Person würde sich diese Qualität
nie manifestieren können. Pseudoesoteriker würden sich vielleicht mit
der Erklärung behelfen, dass die Qualität wegen eines Missbrauchs im
letzten Leben nicht gebraucht werden dürfe und die Person darum in
Somalia geboren worden sei. Ihre Bestimmung, Körper/Mind als
Instrument zur Verwirklichung des Energiekörpers zu brauchen, wäre
ihnen in diesem Leben als Strafe verwehrt.
Das ist grausame Pseudoesoterik ohne Barmherzigkeit und Liebe. Diese
Interpretation soll die Aussagen mit dem eigenen Weltbild in Einklang
bringen. Taucht irgendwo ein Widerspruch in der eigenen Philosopie
auf, müssen die Aussagen angepasst und zurechtgebogen werden.
Nehmen wir nun aber an, der oder die Musikbegabte sei im Westen in
eine Familie mit der nötigen finanziellen Grundlage hineingeboren
worden, bekomme den richtigen Unterricht und werde eine gute
Musikerin oder ein guter Musiker. Wie lang wird jemand einen vielleicht
über Wettbewerbe erworbenen Ruf als hervorragender Musiker auf
Grund von Begabung allein erhalten können? Diese Frage lässt sich
anhand von Musikerbeispielen aus der Popwelt noch besser betrachten
als bei Künstlern aus der trägen Welt der Klassik. Wir behaupten, dass
jemand seinen Ruf, selbst mit optimal geförderter Begabung, nur dann
auf Dauer erhalten kann, wenn auch die Wesenszüge der Qualitätsaura
mitschwingen können. Die Qualitätsaura kann nicht mit Begabung
gleichgesetzt werden.
Die Fähigkeit, die Aura sehen zu können, hat nichts mit der
Qualitätsaura zu tun. Ein guter Heiler, eine gute Therapeutin zu sein, hat
nichts mit der Qualitätsaura zu tun. Diese Fähigkeiten können durchaus
über die Förderung der entsprechenden Begabung entwickelt worden
sein. Wenn die drei Wesenszüge der Qualitätsaura nicht spürbar sind,
behaupten wir, wird trotz grosser Begabung niemand eine Praxis über
längere Zeit führen können. Jede Tätigkeit, die nur auf Begabung, auf
guter Technik, zum Beispiel auf gutem Musikgehör beruht, wird rasch
verflachen, unterliegt einer Gewöhnung, wirkt kalt.
Das folgende Beispiel aus der modernen Technik zeigt einen ähnlichen
Mechanismus auf: Die digitale Tonaufnahme und die CD ermöglichen
eine perfekte Wiedergabe von Tonelementen.
79
Schon früh nach der Erfindung der Technik, begann man, in die
Aufnahmen Fehler einzubauen, weil man bemerkt hatte, dass eine CD
ohne Unregelmässigkeiten oft als kalt eingestuft wird; es fehlt ein
Gefühlsinhalt. Speziell bei Aufnahmen aus der klassischen Musik hat
man versucht, diese Kälte durch minimale Frequenzunregelmässigkeiten
zu eliminieren.
Grosse Untersuchungen haben ergeben, dass Leute, die zwischen einer
perfekten Aufnahme mit kalter, glasklarer Musik und einer Wiedergabe
mit den kleinen Veränderungen wählen können, der CD mit den
Frequenzvariationen den Vorzug geben und sagen, die Musik wirke
wärmer. Mozart in der einen Aufnahme wird als wärmer empfunden, als
Mozart auf einer anderen CD. An diesen Unterschieden sind nur die
eingebauten Unregelmässigkeiten schuld.
Jede Begabung verliert ihr Feuer, wenn die Qualitätsaura nicht
mitarbeitet. Es ist daher sinnlos, aus der Qualitätsaura eine spezifische
Begabung herauslesen zu wollen. Begabungen werden durch das Wesen
der Qualitätsaura intensiviert, ausgedrückt, überhaupt manifest. Aber die
Qualitätsaura ist nicht mit Begabungen identisch.
Welches sind die Wesenszüge der Qualitätsaura, zuständig für die
Manifestation von Begabungen? Wir nennen sie Potential, Mitgefühl und
Sein. Daher haben wir auch sagen können, dass Mitgefühl schöner
blühen wird, wenn Ernergiekörper auf Energiekörper trifft.
Potential, Mitgefühl, Sein.
Was bedeutet Potential, was ist das? Die Bedeutung des Wortes im
normalen Sprachgebrauch ist Leistungs- und Wirkungsfähigkeit, etwas
noch nicht manifest Vorhandenes.
In der psycho-spirituellen Definition ist Potential etwas nie Endendes,
endlose Wachstumsmöglichkeit. Potential kann kein Ziel enthalten, weil
dadurch ein Endresultat vorgegeben wäre. Evolution ist Potenital ohne
Ende. Die Qualitätsaura, die unsterblich ist, enthält ein unendliches
Potential zur Intensivierung. Der Begiff Erleuchtung wird oft völlig
falsch interpretiert. Die meisten Leute übersetzen Erleuchtung mit
Angekommen sein. Erleuchtung ist jedoch vielmehr die Wahrnehmung,
dass nichts je zu Ende gehen wird.
Hat man dies in seiner Tiefe ein bisschen erspürt, könnte man Potential
auch mit Vergebung oder mit Barmherzigkeit übersetzen, denn wie
immer das Verhalten sein wird, man wird nie aufgeben.
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Bräuchte man symbolisch auch fünfzig, hundert, tausend oder
dreihunterttausend Leben, um die Qualitätsaura zu erkennen, würde es
eigentlich niemandem etwas ausmachen. Potential ist endlos. Trotz aller
Fehler und Schwächen, trotz falscher Erziehung, trotz Schmerz und
Elend enthalten alle sämtliche Möglichkeiten des Universums.
Vielleicht meint die christliche Religion mit dem Symbol des Opfertodes
von Jesus, dass in jedem Fall, auch im schlimmsten Fall mit dem Tod,
mit der Aufgabe von Körper/Mind, die Erlösung stattfindet. Potential,
nie endende Möglichkeit, ist die eigentliche Erlösung. Hat man einmal
wahrgenommen, dass nicht der Körper oder ideologische Denksysteme
wichtig sind, dass im Gegenteil Potential, diese endlosen Möglichkeiten
die Gegebenheiten des Lebens sind, sieht man sich selbst und alle
anderen in völlig neuem Licht. Durch diese Wahrnehmung entsteht eine
Revolution im Inneren des Gehirns, nicht aussen, in der Umwelt. Eine
äussere Revolution hat noch nie etwas verändert. Das über das Denken
veränderte Bewusstsein verursacht die Revolution. Diese Revolution
bringt die Auseinandersetzung mit den neuen Möglichkeiten des
Endlosen und deren Integration und mit ihr verändert sich die
Denkstruktur. Nun kann durch die Wahrnehmung der neuen
Möglichkeiten ein echter Paradigmawechsel geschehen.
Wenn man sich bewusst geworden ist, dass trotz aller Widerwärtigkeit,
die einem entgegenstehen mag, immer das Potential, die endlose
Möglichkeit, für einen da ist, erlebt man sich nicht mehr als
Körper/Mind, auf eine Zeit von sechzig, siebzig Jahren begrenzt. Selbst
im Alltag ist jede Begrenzung verschwunden, und die kleinen
Alltagssorgen haben einen völlig anderen Stellenwert erhalten.
Die Taoisten haben schon gesagt, dass man sich jederzeit, in jeder
Sekunde, in jeder Situation entscheiden kann. Diese Entscheidungen sind
aber tatsächlich nur dann immer möglich, wenn man sich auf das
Potential besinnt. Die Idee, man könne keine Entscheidung treffen, man
sei einfach ein Spielball, von der Umwelt oder von irgendwelchen
Geistern abhängig, ist Lüge und bequemer Grund, um sich vor der
Auseinandersetzung mit sich selbst und der Qualitätsaura zu drücken.
Entscheiden zu können heisst, für neue Möglichkeiten offen zu sein,
anzuerkennen, dass es neue Möglichkeiten überhaupt gibt. Sitzt man im
Gefängnis, kann man sich so oft man möchte, vorsagen, heute würde
man in die Freiheit marschieren; man kann nicht.
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Die Türe ist verschlossen. Sitzt man aber nicht mehr im Gefängnis, ist
die Identifikation mit Körper/Mind ausgestanden, dann hat man immer
und ununterbrochen jede Wahlmöglichkeit. Erkennt man die
Wahlmöglichkeit, ist man sich seines Potentials, der endlosen
Möglichkeit bewusst, ist Vitalität und Perspektive entstanden.
Eine der schönsten Figuren der Weltliteratur, welche Potential
symbolisieren, ist Zorbas. Jedesmal, wenn etwas schief gelaufen ist,
ergeben sich neue Möglichkeiten. Darum hat Zorbas seine Niederlagen
nie so ernst genommen. Unsere Gesellschaft hat eine andere Tendenz.
Wenn immer etwas schief läuft, analysiert man die Gründe, verteilt
Schuld und versinkt in Selbstmitleid statt sich auf das Potential
auszurichten.
Das Potential, die endlose Möglichkeit, ist Freiheit. Man kann nicht
existieren ohne Potential, diesem ersten Wesenszug der Qualitätsaura.
Man hat uns gesagt, man erschaffe sich sein Leben selbst; das stimmt für
alle diejenigen, die sich der Qualitätsaura, der endlosen Möglichkeit
bewusst sind. Dann bezieht man sich nicht auf Gestriges, auf die
Vergangenheit, sondern darauf, was als weiteres möglich ist. Damit
haben Fehler nicht mehr den riesigen Stellenwert wie bei jemandem, der
die Qualitätsaura ignoriert.
Viele Esoteriker rümpfen die Nase, wenn von Sport die Rede ist. Gerade
vom Sport kann man aber sehr viel lernen. Wäre nämlich ein
Fussbalteam aus durchschnittlichen, normalen Klienten
zusammengesetzt, die in die Therapie kommen, weil sie sich immer
wieder selbst bemitleiden und die Qualitätsaura ignorieren, müsste das
Spiel folgendermassen laufen: Trifft ein Spieler den Ball nicht optimal
oder gibt einer nicht gut ab, würden sich alle auf den Boden legen,
stampfen und schreien. Dann würden sie zusammen stehen und lautstark
untersuchen, ob wohl die Vergangenheit, die Umwelt oder die
Unfähigkeit der Mutter oder des Vaters schuld sei am Verfehlen des
Tors. Die gegnerische Mannschaft hätte wirklich leichtes Spiel. Ein Team
kann nur dann gut sein, wenn die Leute zusammenspielen, und dabei
werden immer wieder Fehler entstehen. Nicht die Fehler sind
entscheidend, sondern die sofortige Suche nach neuen Möglichkeiten,
um das Tor doch noch zu treffen. Sportler haben oft einen guten
Zugang zur Qualitätsaura, obwohl sie sich vielleicht dessen gar nicht so
sehr bewusst sind.
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Der erste Wesenszug der Qualitätsaura, das Potential, ist gewissermassen
ein Geschenk des Universums, das man nur aufzugreifen braucht:
!Syntaxfehler, « Nichts kann ein Gefühl vollkommenerer Gelassenheit
und Ruhe vermitteln, als eben diese Tatsache.
Der zweite Wesenszug der Qualitätsaura ist Mitgefühl. Was genau
bedeutet Mitfühlen, dieses Teilen, dieser Dialog? Was ist Mitgefühl?
Vielleicht ist es für das Verständnis der Bedeutung von Mitgefühl
wichtig, kurz den normalen Ablauf unseres Liebeslebens zu untersuchen.
Wir können sicher von zwei, drei einfachen gemeinsamen
Beobachtungen ausgehen. Die erste: Es ist vergleichsweise einfach,
jemanden zu lieben, so lange von der Seite des Partners die Bestätigung
zurückkommt, dass man auch geliebt wird.
Zweitens: Es ist ein bisschen schwieriger, jemanden zu lieben, wenn die
Liebe nicht erwidert wird. Die eigene sogenannte Liebe schrumpft bald,
wenn nichts zurückkommt.
Und die dritte: Die ich-bezogene Liebe – dieser Ausdruck ist weder
abwertend, noch bezeichnet er irgend etwas Schlechtes – wandelt sich
dann in Angst und Aggression, sobald Widerstand auftaucht. Das
Vorhandensein von Angst und Aggression zeigt, dass man seine
Situation mit Vorstellungen aus Vergangenheit oder Zukunft vergleicht.
Ich-bezogene Liebe nährt sich immer aus dem Verhalten. Wir alle haben
unsere Eltern während mindestens der ersten drei Lebensjahre
bedingungslos, vorbehaltlos geliebt. Mit der Zeit haben wir damit
aufgehört. Je länger uns eingeredet worden ist, dass die Eltern für
unseren Zustand verantwortlich seien, desto grössere Distanz haben wir
zwischen uns und ihnen aufgebaut. Wir haben sie nicht deshalb weniger
gemocht, weil wir keinen Bezug mehr zu ihnen gehabt hätten, sondern
deshalb, weil wir begonnen haben, unsere Liebe von ihrem Verhalten
abhängig zu machen.
Diese Situation hat mit Mitgefühl nichts zu tun. Mitgefühl ist unabhängig
von Verhalten. Mitfühlen, mit jemand anderem empfinden, geschieht
nur ausserhalb einer Umgebung von Identifikation, von Erinnerung und
abseits von jeder Vorstellung zukünftiger Gegebenheiten. Mitfühlen
findet statt, sobald keine Bedingungen mehr gestellt werden. Man kann
nicht mit jemandem mitfühlen, solange man nur ein Bild aus der
Erinnerung hat statt einer direkten, neuen Erfahrung. Mitfühlen ist
unabhängig von Verhalten, von Vergangenheit und Zukunft. Mitgefühl
ist daher völlig unabhängig von Urteilen und Werten. Wo beurteilt wird,
kann kein Mitgefühl sein.
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Die christliche und die buddhistische Religion benützen in diesem
Zusammenhang ein Wort, das dem Ausdruck Mitgefühl verwandt ist.
Manchmal drückt es sogar das gleiche aus, wird allerdings oft
missverstanden: Mitleid.
Mitgefühl ist beides, Mitleiden und Mitfreuen. Man fühlt nicht einmal
notwendigerweise mit einer Person. Mitgefühl kann sich auf ein Tier, die
Erde, den Zustand einer Gruppe beziehen. Mitgefühl enthält ein Stück
weit sowohl Trauer als auch Zuwendung. Mitfühlen bedeutet, dass eine
Situation einen nicht gleichgültig lässt. Man steht einer Situation dann
nicht gleichgültig gegenüber, wenn man ihr keinen Widerstand
entgegensetzt und sie völlig an sich herankommen lässt.
Mitgefühl ist ein vorbehalts- und bedingungsloses Verstehenwollen eines
anderen und erwartet vom anderen keine Gegenleistung.
Jede Erwartung und jede Bedingung ist zeitgebunden, unterliegt daher
Geburt und Tod. Jede ich-bezogene Liebe birgt das Risiko, eine gewisse
Zeit nach ihrer Geburt wieder zu sterben. Mitgefühl ist mehr als ichbezogene Liebe. Mitgefühl ist von der eigenen Situation, dem eigenen
Bedürfnis, der eigenen Verhaltensweise losgelöst. Mitgefühl ist
Umsetzung von Zeitlosigkeit.
Eine Begabung wird erst dann richtig zum Ausdruck kommen können,
wenn Mitgefühl mitschwingt. Der Unterschied zwischen dem Maler X
und Chagall besteht nicht notwendigerweise nur in der Qualität der
Maltechnik. Chagall lässt die Information der Qualitätsaura
mitschwingen, das macht den Unterschied. Mitgefühl beim Schreiben
eines Buches macht aus einem guten Job ein lebendiges Werk. Keine
Begabung kann sich wirklich durchsetzen, wenn im Tun nicht Mitgefühl
mitschwingt. Begabung wird sich durchsetzen, wenn sie Instrument
dieses Wesenszuges der Qualitätsaura ist.
Hat man diese Zusammenhänge erkannt, spürt man auch plötzlich den
Unsinn in den Behauptungen, man müsse zuerst selbst Liebe erfahren,
bevor man Liebe zu geben fähig sei, und man müsse alle seine
Schwächen erst aufgearbeitet und akzeptiert haben, bevor mitschwingen
möglich sei. Mitgefühl verlangt absolut kein Verständnis, kein
Akzeptieren seiner selbst! Alle haben wir die Fähigkeit auf den Weg
mitbekommen, mitzufühlen. Die Qualitätsaura und ihr Wesenszug des
Mitgefühls sind weder an irgendwelche Geschichte noch an Inhalte
gebunden.
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Diese Tatsache ist es, die einen zur Ausführung ganz bestimmter Jobs in
diesem Leben befähigt. Wenn ein Notfallchirurg im Laufe eines
aufreibenden Zwölfstundentages vor einem lebenserhaltenden Eingriff
zuerst den Zusammenhang seiner momentanen Laune mit seiner
Vergangenheit, die Art der Projektionen gegenüber seiner Frau und den
Grund, warum seine Beziehung nicht mehr wie früher läuft,
herausfinden müsste, wäre an eine gute Leistung schlicht nicht zu
denken. Es ist Mitgefühl, welches seine Vitalität, seine Energie beflügelt.
Mitgefühl löst seine Leistung los von einem Streit, den er vielleicht eben
durchgerungen hat.
Wer Mitgefühl erst nach der Erfüllung von Bedingungen für möglich
hält, betrügt sich selbst und ignoriert die Qualitätsaura. Richtig, es mag
für die Pflege einer personenbezogenen Liebe wichtig sein,
Verhaltensweisen, die der Partner nicht mag, anzupassen und Dinge zu
verändern. Dazu braucht es einige Überlegung und Absprachen.
Übereinkunft und Mitgefühl haben aber nichts gemeinsam. Ist diese
Erkenntnis tief ins Gefühl hineingesunken, ist man vom eigenen
Körper/Mindschema frei geworden und ist darum auch frei von der
Idee, man müsse sich erst entwickeln.
Der dritte Wesenszug der Qualitätsaura ist Sein. Welches ist der Prozess,
den dieses Wort zu umschreiben versucht? Wir gehen hier einmal mehr
nicht der Bedeutung des Wortes nach, sondern dem dynamischen
Prozess hinter diesem Teil der Qualitätsaura. Sein bedeutet, nirgendwo
anzuhaften. Sein bedeutet, sich nicht mit Interpretationen aus seiner
Geschichte zu identifizieren, heisst von der Sucht frei zu sein, Inhalte zu
schaffen und keinen Versuch einer Definition seiner selbst zu
unternehmen. Jede Definition wird zu einem psycho-spirituellen
Gefängnis.
Das merken oft auch diejenigen nicht, welche an Reinkarnation glauben.
Nehmen wir an, Reinkarnation sei eine Realität. Benutzt man nun als
seine Definitionsmittel den Körper, seinen Beruf, den gesellschaftlichen
Stand und die vertretenen Ansichten, also alles, was man im jetzigen
Leben darstellt, müsste man doch eigentlich auch Körper, Beruf, Stand
und Ansichten aus dem letzten und vorletzten und vorvorletzten Leben,
die in mir doch auch jetzt noch in irgendeiner Form enthalten sind,
berücksichtigen. Alles dies bedeutet Anhaften an Bilder, an Ideologien,
Vorschriften und Hoffnungen.
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An Begabung anzuhaften, ohne die Qualitätsaura einzubeziehen,
verhindert Sein. Jedes Anhaften an Gefühle, Ideen, Meinungen,
Schlussfolgerungen verhindert Sein. Noch einmal ziehen wir das Beispiel
Fussball zur Verdeutlichung heran: Eine Mannschaft, so sie nach dem
Muster vieler Sekten mit ihrer esoterischen und psychologischen
Denkart funktioniert, würde spätestens nach dem ersten Tor das Spiel
abbrechen wollen und lautstark dessen Ende fordern, denn sie hätte
gesiegt. Anhaften verhindert Wachstum.
Anhaften widerspricht nicht nur dem Sein, sondern auch den anderen
beiden Wesenszügen der Qualitätsaura, dem Potential und dem
Mitgefühl.
Buddha verurteilte seine Eltern ihres Königreiches wegen nicht. Er
wusste, dass Anhaften nichts mit der materiellen Welt zu tun hat. Man
braucht sicher nicht unbedingt tausend Rolls-Royces zu besitzen. Es
macht aber auch nichts aus, wenn man tatsächlich so ein Auto hat. Den
Exponenten der Kirche aber ist es bestens gelungen, ihre Macht durch
diese Verbindung zu festigen. Wer an seiner Körper/Mindstruktur
anhaftet, kann die Qualitätsaura wirklich nicht erleben. Körper/Mind ist
kein Element des Seins, sondern ist begrenzt in Raum und Zeit. Sein ist
immer mehr als Raum und Zeit. Anhaften ist immer nur in Bezug zu
Körper/Mind möglich.
Auch die schönste esoterische oder religiöse Idee bleibt eine Idee und ist
daher vom Mind abhängig. Man kann den schönsten Gedanken nicht
ohne Interpretation durch den Mind denken. Gibt man auswendig
gelernte Sätze sehr gut wider, kann man Zuhörern durchaus die Idee
vermitteln, es handle sich beim Gesagten um Wahrheit. Haftet man
nirgendwo an, wird man sich in einem fortlaufenden Prozess
ausdrücken, frei sprechen. Auswendiglernen und Erinnern schaffen die
Illusion von Wahrheit.
Healing kann nicht funktionieren, solange der Heilende irgendwo
anhaftet, solange er meint, er besässe die Wahrheit. Sein hat nichts mit
Wissen zu tun. Wenn das Wesen der Qualitätsaura, Potential, Mitgefühl
und Sein in einem Prozess zusammenkommen, beginnt Liebe zu fliessen.
Diese Liebe ist nicht ich-bezogen, sondern umfassender. Sie ist nicht
objekt-, sie ist subjekt-bezogen. Nicht einmal der Begriff bezogen ist
mehr richtig, denn diese Liebe ist auf nichts mehr bezogen, sondern
strahlt einfach, wie eine Sonne. Die Frage ist nicht mehr, ob man für
jemanden genug leuchte. Man leuchtet einfach und jedermann darf sich
in diesem Licht bewegen. Das ist bedingungslose Liebe.
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Potential, Mitgefühl und Sein werden in dem Masse intensiviert werden,
als ich die Anhaftung an meine Persönlichkeit aufgebe. Das ist eine
Form täglichen Sterbens. Erlösung meint, dass jedermann irgendwann
einmal die Persönlichkeit aufgeben wird. Da die Qualitätsaura keine
Bedingungen stellt, muss das nicht unbedingt bereits im Lauf dieses
Lebens, wird aber spätestens beim Zerfall von Körper/Mind, beim
Verlust der Funktionsfähigkeit geschehen.
Daraus ist ersichtlich, dass die Qualitätsaura als einziges reinkarniert.
Kein Wesen wird sich in Körper/Mind manifestieren, das nicht
Potential, Mitgefühl und Sein hätte, da dies Menschsein an sich bedeutet.
Nur die Qualitätsaura reinkarniert. Kein persönliches Muster, weder
Körper, noch Mind werden wiederkommen, aber die Qualitätsaura, die
Essenz des Universums reinkarniert mit Sicherheit. Darum kann man
sagen, dass Heilen durch das Aufgeben der Persönlichkeit zustande
kommt. Wenn jemand stirbt, wird er von der Körper/Mindproblematik
geheilt. Kann jemand täglich sterben, täglich die Persönlichkeit aufgeben,
entsteht vorher schon Heilung. Nur Klienten und Heiler, die gemeinsam
einen Weg zur Aufgabe ihrer Persönlichkeit finden, haben eine
Heilungschance.
Das ist die Beziehung zwischen Krankheit und Qualitätsaura. Als
Krankheit bezeichnet man die Behinderung oder Unfähigkeit der
Funktion von Körper/Mind. Beginnt sich die Qualitätsaura – Potential,
Mitgefühl und Sein – zu manifestieren, transformiert sich
Funktionsunfähigkeit. Heilung ist eine Leistung der Qualitätsaura. Wenn
ein Körper nach Healingsitzungen wieder funktionsfähig geworden ist
und man sich an den Heilungserfolg nicht anhaftet, nimmt man plötzlich
die Wirkung von Healing auf die Psyche wahr.
Die meisten Healingbehandlungen werden zuerst gezielt auf eine
körperliche Funktionsbehinderung angesetzt. Eine Niere funktioniert
nicht, Krebs ist manifest. Soweit ist Healing körperorientiert.
Healing verlangt die Mitwirkung der Qualitätsaura, sonst hat es keine
Chance auf Wirkung. Da die Qualitätsaura nicht an Körper/Mind
gebunden ist, wird bei einem Healing natürlich auch die psychische
Ebene aktiviert. Diese Aktivierung der psychischen Ebene nun bedeutet
das Bewusstwerden der Qualitätsaura und der Seele.
Die folgenden Sätze mögen für viele brutal tönen. Diese Möglichkeit
ändert aber nichts an der Wahrnehmung, dass die Verbesserung der
Funktionsfähigkeit eines Körpers wenig nützt, wenn die Wahrnehmung
des Energiekörpers, der Seele ausbleibt.
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Ein Krebspatient im Endstadium ist nicht dadurch gerettet, dass seine
Krankheit noch für ein paar Monate oder Jahre stabilisiert werden kann.
Ein Patient ist dann wirklich geheilt, wenn sich die Seele wieder ins
Bewusstsein gebracht hat, selbst wenn es der Körper auch nur noch ein
statt zwei weitere Jahre schafft.
Psychosomatik beschreibt die Beziehung, den Dialog, zwischen Körper
und Mind. Der Körper hat grossen Einfluss auf den Mind und
umgekehrt. Psychosomatik hört auf, sobald sich der Energiekörper zu
manifestieren beginnt. Wenn jemand erkennt, dass nicht diese
Beziehung, sondern jener andere Dialog zwischen Körper/Mind
einerseits und dem Energiekörper andererseits entscheidend ist, entsteht
wirkliche Heilung.
Damit erhält jedes Healing, das durch die Qualitätsaura gegeben wird,
seine eigene Dynamik, die nicht unbedingt zur Rehabilitation des
Körpers führt. Wenn das Ziel die Verbesserung der Funktionsfähigkeit
des Körpers ist, kann man sich oft nur auf Wunder verlassen. Da
Wunder relativ selten sind, müssten sich alle Healer in der Mehrzahl der
Fälle als Versager erleben. Die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit
von Körper/Mind ist keine Frage der Begabung oder der Intensität des
Kontaktes mit der Qualitätsaura.
Die erste Frage ist, ob die Aktivierung des Energiekörpers der anderen
Person möglich ist. Selbst wenn dies gelingt, bleibt offen, ob der Klient
tatsächlich möchte, dass sein Körper wieder besser funktionsfähig wird.
Wenn jemand achtzig Jahre alt und krank ist, aber die Qualitätsaura und
die Seele erkannt hat, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr
weitere hundert Jahre leben wollen.
Wir sind lebensversessen und haben den Körper zu einem
Kultgegenstand erhoben. Wir sind völlig auf Lebenserhaltung
ausgerichtet. Wir erfinden die komplexesten Apparaturen, damit ein
Körper auch noch im Koma am Funktionieren erhalten werden kann.
Unser ganzes Tun ist auf Körper/Mind fixiert. Mehr Leute gehen ins
Bodybuilding, zum Aerobic und in andere körperorientierte
Trainingsstunden, als sich mit ihren Möglichkeiten, ihrem Potential,
Mitgefühl und dem Sein auseinandersetzen. Es ist nichts falsch mit
Körpertraining. Es ist auch nicht an diesen Leuten, zu merken, worum es
geht. Diejenigen Leute aber, die immer behaupten, sie hätten eine höhere
Stufe erreicht, sie würden verstehen, dass es um mehr, als um den
Körper gehe, an diesen Leuten liegt es, die Botschaft hinauszutragen.
88
Hinaustragen heisst nicht predigen. Hinaustragen heisst, seine Qualitäten
zu leben.
Anziehung entsteht, wenn die Qualitätsaura bewusst wird. Wenn man
dies so untersucht, kommt man zu einem einfachen Schluss: Zwischen
Healing und Meditation besteht kein Unterschied. Healing ist Meditation
und Meditation ist Healing!
Jede Begabung beginnt nur dann zu leben, wenn das Leben aus
Meditation, aus der Stille des Seins heraus, aus dem Mitgefühl und aus
dem Potential erblüht. Die Art der Begabung spielt überhaupt keine
Rolle. Es mag sich um eine Begabung für Healing, für den Handel, für
Hilfe durch ärztliche Kunst, für ein Handwerk, für Kunst handeln. Es
braucht so wenig dazu, seine Begabungen zu leben. Es braucht lediglich
die Absenz der eigenen Geschichte und ihren Inhalten.
89
Klarheit, Reinheit, Aufrichtigkeit
10. Dezember 1995
Ausserkörperliches Heilen ist nicht nur die Verwandlung einer Raupe in
einen Schmetterling, gleichzeitig ist es ein Versuch, sich dem Tao
anzunähern.
Der feinstoffliche Körper besteht aus dem Ätherkörper, der emotionalen
und mentalen Aura und der Qualitätsaura. Je mehr Ausdehnung, höhere
Schwingung entsteht, desto mehr wird der feinstoffliche Teil, Äther bis
mentale Aura, absorbiert von der Qualitätsaura und wird dadurch zum
Energiekörper, Qualitätsaura plus Seele, dem formlosen, taoistischen
Prinzip.
Je mehr sich Heilung dem Tao annähert, desto wahrscheinlicher ist eine
Wirkung der Heilung. Allerdings handelt es sich nicht immer um eine
Wirkung, die auf Dualität bezogen ist. Auch jemand, der zwanzig,
dreissig Jahre meditiert hat und versucht hat, dem Energiekörper so nahe
wie möglich zu kommen, eine intensive Beziehung dazu aufzubauen,
kann unter Umständen noch durch eine Form einer Hölle gehen.
Gestern nacht, ungefähr um zehn Uhr, rief mich ein Freund heulend an.
Seine Frau – sie ist 45jährig, ich kenne sie seit zwanzig Jahren und sie hat
zwanzig, dreissig Jahre mit Meditation und mit Healing gearbeitet – liegt
bewusstlos wahrscheinlich in den letzten zwei, drei Tagen ihrer
Krebskrankheit. Und er schilderte mir die letzten vier Tage... wie die
Frau, die vorher bewusst mit ihrer Krebserkrankung und ihrem
bevorstehenden Tod umging – als ich sie das letzte Mal vor ungefähr
zwei Wochen traf, sprachen wir darüber und sie wusste, dass sie
wahrscheinlich noch vor Weihnachten sterben wird – plötzlich, aus
heiterem Himmel, ohne sich dagegen wehren zu können, wie in ein tiefes
Loch fiel.
Man kann das zum Teil zurückführen auf die Zerstörung des Cortex,
also des neuesten Gehirnteils, durch den Tumor. Auf jeden Fall fing sie
plötzlich an, sich zu verhalten wie eine Wilde. Sie schrie in ihrem Bett
um sich, mit einer tiefen Stimme, derart, dass ihre zwei Kinder sich so
ängstigten, dass sie es nicht mehr im Zimmer aushielten. Sie stiess Flüche
und Verwünschungen aus, und immer wenn sie wieder ein wenig mehr
bei Bewusstsein war, äusserte sie: dass stimmt ja alles nicht, es gibt ja gar
kein Leben nach dem Tod, es gibt gar keinen Bezug zu Qualität, es gibt
gar keinen Gott, das ist alles nichts anderes als eine sinnlose Zerstörung.
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Sie geriet in einen furchtbaren Verzweiflungskampf. Es erinnerte mich
an Jesu Worte, Herr, warum hast du mich verlassen.
Und vorgestern, als ihre vierzehnjährige Tochter nach Hause kam, rief
die Mutter sie ans Bett und bat die Tochter, eine Zeichnung für sie
anzufertigen: du musst einen Tunnel zeichnen. Ihr müsst euch immer
vorstellen, die Frau, halb bewusst, halb unbewusst, im nachhinein wusste
sie nicht mehr, was sie zuvor gesagt hatte. Die Tochter zeichnete ihr den
Tunnel und zeigte ihn ihr, worauf sie antwortete: dieser Tunnel stimmt
nicht, da muss am Ende Licht sein, geh zurück und mach Licht. Und die
Tochter verzweifelt, nicht verstehend, was das ganze solle, ging wieder,
den Tunnel neu zu zeichnen, diesmal mit Licht am Ende, kam zurück
zur Mutter und fragte, ob es so richtig sei. Und die Mutter sagte: ja, so ist
es, schloss die Augen und fiel in eine tiefe Ruhe, ohne die Augen je
wieder zu öffnen. Nur gestern morgen sprach sie noch einmal mit
geschlossenen Augen zu ihrem Mann: jetzt habe ich das Licht wieder.
Und sie wird mit Sicherheit im Verlauf der nächsten zwei Tage
abhängen, sterben.
Der Weg zum Energiekörper, zum Tao, zum Formlosen, auch wenn er
theoretisch noch so bekannt ist, schliesst den Gang durch die Hölle nicht
aus. Das Bewusstsein, der Mind, kann nur versuchen, sich so intensiv
wie möglich darauf vorzubereiten, einen Bezug herzustellen. Nur, wie
wir alle wissen, kann auch in der besten Beziehung zwischendurch die
Beziehung unterbrochen werden, der Bezug verloren gehen.
Heilung kann nie eine Garantie für Gesundheit sein. In vielen Fällen ist
sie es, aber ganz zuerst einmal ist Heilung eine Vorbereitung für den
Heiler, für die Heilerin und vielleicht auch für den Kranken, den Weg
nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn die Hölle erscheint, nicht
zu vergessen, dass irgendwo Licht ist.
An sich ist die Hölle das Geformte, Dualität, Ambivalenz, die Reibung
zwischen zwei Polen. Und das erste, was eine Heilerin aufgeben muss,
um überhaupt heilend eingreifen zu können, ist die Unterscheidung
zwischen gut und schlecht, zwischen krank und gesund, den Bezug zur
Dualität.
Der Energiekörper kennt keine Dualität, keine Wertung, keine
Unterscheidung. Der Mind kann sich ohne Wertung, ohne
Unterscheidung nicht orientieren.
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Die Hölle, durch die diese Frau in den letzten vier Tagen gegangen ist,
besteht im Zerfall der Orientierungsmöglichkeit auf der
Körper/Mindebene und dem gleichzeitigen krampfhaften Versuch sich
beispielsweise am Spirituellen zu orientieren. Der Energiekörper ist aber
wertfrei, formlos und darum kann man sich an ihm nicht orientieren.
Jedes Healing ist ein kleiner Sterbeprozess. Und je mehr man mit
ausserkörperlichem Heilen arbeitet, umso grösser wird der Sterbeprozess
für den Heiler, viel grösser als für den Kranken, der geheilt werden
möchte. Wer mit Healing arbeiten kann, ist unheimlich privilegiert. Viel
privilegierter als der Kranke. Und wer mit Healing arbeiten kann und
dazu noch gesund ist, ist sehr privilegiert. Eigentlich sollte sich ein Heiler
vor jedem Kranken tief verbeugen, nicht der Kranke vor dem Heiler.
Keine Dualität heisst, dass der Energiekörper nie in seiner Ganzheit
erfasst werden kann, solange Körper/Mind bewusst ist. Genau darin
besteht die Schwierigkeit beim Übergang, bei der Transzendenz von
Leben zu anderem Leben. Und auch Heilung funktioniert mit diesem
Prinzip.
Es ist wie mit einem Samenkorn, das alles an Potential enthält. Damit
sich dieses Potential entfalten kann, muss aber das Samenkorn zuerst
sterben. Es muss seine Form zuerst auflösen und während der
Auflösung seiner Form, in diesem Übergang, entsteht zumindest für die
Identifikation des Samenkorns Orientierungslosigkeit, ein Stadium der
Formlosigkeit, eine Phase von nicht mehr werten und unterscheiden
können.
Dabei nützt es nichts, dem Samenkorn zu erklären, wenn du warten
kannst, wenn du Geduld hast, wenn du diesen Schritt wagst, wirst du
dich später als Früchte tragenden Baum wieder finden. Es nützt auch
nichts, wenn man diesem Samenkorn Fotos seiner Vorgänger zeigen
würde, welche zu Bäumen und Äpfeln wurden. Genauso findet der Mind
offensichtlich keine Hilfe darin, immer wieder die Erfahrungen anderer
zu hören, zu vernehmen, dass sein Auflösen zum Potential, zu einer
Frucht führt, welche er sich im jetzigen Zustand gar nicht vorstellen
kann.
Buddhabewusstsein oder Christusbewusstsein oder Krishnabewusstsein,
als Beispiele von Früchten, entstanden aus einem Samen, hat noch
keinen Mind dazu verführt, sich einfach so aufzugeben, zu sterben.
Deshalb hat die christliche Mystik das Symbol der Kreuzigung, des
Sterbens des Leidens eingeführt.
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Offensichtlich ist es für den Mind nicht möglich, einfach so, friedlich
diese Transformation zum Baum zu vollziehen. Solange wie nur möglich,
bleibt immer ein Teil bestehen, der sich wehrt, der sich in Kontrolle,
Angst, Zweifel ausdrückt. Doch auch wenn letzlich immer ein wenig
dieses Teils übrigbleibt, kann trotzdem immer mehr davon abgetragen
werden, bis plötzlich, auf einen Schlag, dieser Wechsel stattfindet.
Entweder, wie bei dieser Frau, durch den völligen Zerfall von Körper
und Mind, oder ohne dass dies geschehen muss, umschrieben mit dem
Begriff der Erleuchtung. Eine Transformation, die man nicht machen
kann. Man kann nur den Widerstand, die Ängste, die Zweifel abbauen
und irgendeinmal passiert es von selber. Der Mind kann es nicht
machen. Transzendenz findet statt, wenn der Mind nichts mehr macht.
Eine Heilerin hat also nichts anderes als dieses fantastische Privileg,
durch die Übung des Heilens immer ein Stück mehr dieses natürlichen
Prozesses des Minds, sich als Samenkorn zu identifizieren und erhalten
zu wollen, abbauen zu können. Und immer wenn ein Stückchen
abgebaut wird, entsteht ein Prozess von Heilung. Heilen kann allerdings
auch in einer Routine erstarren und nicht jedes Healing baut ein Stück
dieses Widerstands ab. Ist es zu einem Ritual und zu einer Routine
geworden, wird nichts abgebaut.
Das Abbauen des Minds nennen die Taoisten geistlos werden. Und nur
dies aktiviert den Prozess der Heilung. Wird es nicht nur als sinnlose
Routine betrieben, ist demzufolge jedes Healing eine
Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper/Mind. Und jedes Healing
wird dadurch zu einer Herausforderung für das eigene Bewusstsein, von
vielfach grösserer Bedeutung als das Resultat des Healings.
Der Energiekörper kennt keine Unterscheidung. Er unterscheidet daher
auch nicht zwischen krank und gesund. Wer sich bei einem Healing, und
vor allem gerade bei ausserkörperlichem Heilen, in die Rolle begibt, der
Gesunde zu sein, welcher den Kranken behandelt, kann offenbar nicht
sehen, dass beispielsweise diese Frau in ihren letzten Atemzügen viel
gesünder ist als der gesunde Heiler, weil trotz des Verfalls von
Körper/Mind ihr Bezug zum Licht schon viel stärker ist.
Körper/Mind und seine Gesundheit ist keine Identifikation für
Spiritualität. Dies ist ein verhängnisvolles Missverständnis oder vielleicht
sogar eine böswillige Unterstellung, welcher einige Schulen und
esoterische Leute anhängen.
93
Wäre Gesundheit des Körpers, Gesundheit des Minds gleichbedeutend
mit dem Bezug zum Energiekörper, also je gesünder desto höher
entwickelt, wäre beispielsweise der Dalai Lama nicht sehr entwickelt, da
er eine Brille trägt. Zu behaupten, in einem gesunden Körper/Mind lebe
eine gesunde Seele, ist eine Unterscheidungsarroganz des Minds. Jeder,
der schon einen Sterbeprozess verfolgt und miterlebt hat, kann
bestätigen, dass das schlicht nicht stimmen kann.
Sehr oft ist es sogar so, dass Leute, die dem Licht nahe sind, deren Bezug
zum Energiekörper stark ist, eher kränkelnd sind. Der Körper vermag
diese enorme Kraft, diesen Power der formlosen Energie fast nicht zu
tragen. Die Psyche, der Mind kann diese Ambivalenz zwischen dem
Wahrnehmen des Bewusstseins, welches manche Leute das göttliche
Bewusstsein nennen, und dem alltäglichen, gesellschaftlichen
Bewusstsein fast nicht erdulden.
Soll Heilung überhaupt sinnvoll sein, muss sich ein Heiler zuerst einmal
radikal von der Vorstellung trennen, dass ein Kranker anders, schlechter,
weniger entwickelt oder was auch immer, als ein sogenannt Gesunder
sei. Nie ist der Zustand von Körper/Mind eine Wertung oder ein
Hinweis, ein Kriterium für Spiritualität. Falls ihr diese
Pseudopsychsomatik betreibt, was macht ihr dann zum Beispiel mit
einem Baby, das zur Welt kommt und die ersten drei, vier Jahre aus ganz
bestimmten, erklärbaren Gründen extreme Verdauungsschwierigkeiten
hat, nicht essen, nicht ausscheiden kann? Ist dieses Baby zum Beispiel
esoterisch-psychosomatisch begründet, einfach weniger entwickelt? Und
was macht ihr mit jemandem, der während Jahren verzweifelt
Beziehungen sucht, keine Beziehungen hat auf psychischer Ebene?
Begründet ihr dies damit, dass diese Person es eben noch nicht ganz
begriffen hat, nicht durchblickt? Was, wenn es sich vielleicht um eine
ganz einfache, hirnfunktionelle Störung handelt, welche zum Beispiel
Beziehungen verhindert?
Es gibt niemanden, der nicht einen feinstofflichen Körper und einen
Energiekörper hat. Aber es gibt Millionen verschiedener Körper mit
unterschiedlicher Vererbung, mit verschiedenenen Zuständen von
Vitalität, chemisch-elektronischen Prozessen, etc., etc. Ein Buddha wäre
nie auf den Gedanken gekommen zu behaupten, dass ein gesunder
Körper der Ausdruck einer gesunden Spiritualität sei.
94
Und weil der Energiekörper eben keine Unterscheidung kennt, gehört in
diese Unterscheidungsproblematik auch die psychische
Auseinandersetzung mit sich selber. Mit grosser Wahrscheinlichkeit
verhindert man die Möglichkeit des Bezugs zum Energiekörper nicht
dadurch, dass man Fehler und Schwächen hat, sondern vielmehr
dadurch, dass man diese Schwächen und Fehler als Indizien nimmt, wie
gut man sei, als Schulnoten für das eigene Gutsein oder den eigenen
Bezug zum Energiekörper.
Verurteilung basiert immer auf Wertung. Wertung ist immer der Prozess
der Unterscheidung. Das Vorhandenseins eines Problemes ist nicht das
Problem, sondern die fortwährende Unterscheidung, die man trifft. Das
Samenkorn, das dauernd bewertet, dass es noch kein Baum geworden ist.
Denn es ist genau diese Bewertung, diese Unterscheidung, welche die
Identifikation schafft. Und es ist genau diese Identifikation, welche
Transzendenz, Transformation verhindert.
Und dazu gehört auch, was die Taoisten von den Begabungen sagen;
Aurasehen, Hellsehen, clearvoyance, Telepathie, die sie gänzlich als
Abfallprodukte bezeichnen. Auf dem Weg über den feinstofflichen
Körper zum Energiekörper entsteht natürlicherweise eine höhere
Sensibilität, ein verstärktes Wahrnehmen. Der feinstoffliche Körper
filtert weniger als das Hirn. Dann aber so zu tun, als wäre das etwas
besonderes, ist wiederum eine Form von Unterscheidung, ein Festhalten,
ein Anhaften, was verhindert, dass der Filter ganz formlos wird, also
überhaupt nicht mehr existiert, sich in einer totalen
Energiekörperfrequenzprozessbewegung auflöst.
Wann immer eine Aura vor dem Gesichtsfeld des Heilers auftaucht oder
eine telepathische Einsicht oder eine Intuition... je weniger er daraus
macht, je mehr er sieht, dass dies natürlich ist, ein simples Abfallprodukt,
entstanden durch die Milderung des kleineren Filters, umso weniger
stolpert er über all diese Hindernisse des Ich. Ich bin, ich habe, etc. Da
der Energiekörper keine Dualität kennt, kennt er auch kein Ich.
Kein Mystiker hat je behauptet, das Ich sei schlecht. Es ist der Träger des
Feinstofflichen und des Energiekörpers. Die Mystiker haben nur davon
gesprochen, das Ich nicht zum Zentrum zu machen. Das Ich ist der
Filter, der hilft, sich in der Materie zu bewegen. Es ist aber nutzlos, den
Filter wie eine Brille zu tragen, wenn man sich nicht in der Materie
bewegen muss. Man trägt auch nicht das Flugzeug auf den Schultern,
wenn man gelandet ist.
95
Der Mind meint immer, solche Abfallprodukte seien ein Indiz seiner
Entwicklung. Aber Abfallprodukte sind Abfallprodukte. Fertig. Sie sind
so wenig ein Indiz für irgendeine Entwicklung wie es die Gesundheit ist.
Höchstens sind sie als Indiz dafür zu verstehen, wie man mit
Besonderheit umgeht, wie stark man noch in der Unterscheidung
verhaftet ist, im nicht wirklichen Verstehen des Energiekörpers.
Um diesen Gefahren zu begenen, haben die Taoisten drei Worte geprägt.
Sie sprachen vom Weg der Klarheit, vom Weg der Reinheit, vom Weg
der Aufrichtigkeit.
Allerdings sind diese drei Worte nicht im Sinne des Minds zu verstehen,
sondern im Sinn des Feinstofflichen.
Der Weg der Klarheit ist der Weg des richtigen Denkens. Was versteht
man unter richtigem Denken?
Wir unterscheiden zwischen zwei Denkprozessen, dem assoziativen
Denkprozess und dem motivativen Denkprozess. Wie es der Begriff
schon ausdrückt, ist der assoziative Denkprozess ununterbrochen auf
Assoziationen ausgerichtet, also ich-orientiert, vergangenheitsorientiert,
wissensorientiert. Das ganze Gedächtnis ist ein Assoziationsprozess.
Wenn ich jemandem begegne, muss das Gehirn assoziativ, blitzschnell,
sofern es das kann, Inhalte, Erfahrungen, Informationen zu diesem
Gesicht erfassen, so dass es dieses Gesicht benennen kann und weiss,
um wen es sich handelt.
Überleben wird durch den assoziativen Denkprozess gesichert. Ein
Samenkorn erhält seine Vitalität durch den assoziativen Prozess. In der
darwinistischen Sprache durch sein evolutionäres, mutationsbedingtes
Überleben. Auf der biologischen Ebene ist Assoziation Vererbung.
Informationen werden immer wieder neu gemischt. Es entsteht aus
einem Apfelbaum nicht plötzlich ein Birnbaum, ausser man pfropft ihn,
aber es gibt beispielsweise entweder immer bessere, resistentere
Apfelbäume oder eine Auflösung der Arten, die sich nicht bewährt
haben. Sie hören auf zu existieren.
Auf der psychologischen Ebene, auf der Ebene des Minds, gibt es die
psychische Vererbung. Ein kollektives Bewusstsein von Zuständen wie
Gefühlen, Sinnesinhalten, Erfahrungen, die von grösseren
Zeitzusammenhängen zu alltäglichen Erlebnissen führen. Man könnte
von einer ununterbrochenen Vernetzung sprechen. Wenn jemand
ausdrückt, ich fühle mich traurig, kann ich beispielsweise nicht verstehen,
was diese Person meint, ohne zu wissen, was Trauer ist.
96
Interessanterweise muss ich dazu Trauer selber noch gar nicht erlebt
haben. Es ist in meinem Wesen enthalten, die Trauer eines anderen zu
erkennen, ohne selber Trauer erfahren zu haben. Das ist assoziative oder
psychische Vererbung.
Der assoziative Denkprozess basiert auf Unterscheidung, Erfahrung,
Wertung. Richtiges Denken ist folglich die Absenz des assoziativen
Denkprozesses. Richtiges Denken funktioniert über den motivativen
Denkprozess.
Der motivative Denkprozess ist der Bezug zur Zukunft. Motivation ist
der Prozess, auf etwas ausgerichtet zu sein. Biologisch besteht
Motivation im Überleben. Diese Motivation zum Überleben wird
unterstützt durch den assoziativen Denkprozess.
Auf der psychischen Ebene besteht der motivative Denkprozess im
Bezug zu den Perspektiven, zu den Möglichkeiten, welche das Ich hat.
Schon dies zeigt, dass mit dem Ich an sich nichts falsch ist.
Auf der psycho-spirituellen Ebene, wo der assoziative Denkprozess gar
nicht mehr existiert, ist der motivative Denkprozess der Bezug zum Du,
zum Anderen. Mitgefühl ist die Folge des motivativen Denkprozesses.
Ständig gerade ein wenig nach vorne gerichtet sein. Wir nennen das
Vorzukunft. Ein dauerndes Ausgerichtetsein in die Vorzukunft. Oder
um das mystisch auszudrücken, ein ständiges Verlangen nach dem
Energiekörper, nach Ganzheit. In der Sufisprache, das Wiederfinden von
Gott. In hinduistischen Worten, die Rückkehr zum atma. In der
buddhistischen Sprache, das ständige Wiedererinnern der Buddhanatur.
Der assoziative Denkprozess ist immer rückwärtsgerichtet. Klarheit
entsteht nie über das Rückwärtsgerichtetsein, sondern es besteht immer
im Wissen, dass Körper/Mind irgendeinmal wieder in den Zustand der
Ganzheit zurückkehrt.
Stellt euch einmal vor, euer Bewusstsein wäre ständig, nicht nur hie und
da in Meditation, sondern dauernd in dieser Vorzukunftbewegung, in
diesem motivativen Prozess, in diesem Bewusstsein, dass die Rückkehr
zum Ganzen unvermeidlich ist, was man ja vor allem dann wieder
intensiv erfährt, wenn man eine Sterbende begleitet. Wäre man sich
dessen immer klar bewusst, wieviele Dinge würde man gar nicht tun?
Wieviele Behauptungen, Rechtfertigungen, Ideologien würde man
durchschauen als das, was sie sind?
Und Heilen impliziert eben gerade dieses ununterbrochene Bewusstsein
der formlosen Rückkehr ins Ganze, zumindest wenn möglich während
eines Healings. Erst das schafft die taoistische Klarheit.
97
Klarheit wird nicht erschaffen durch das Philosophieren über die
Vergangenheit und nicht durch das Spekulieren, welche von der
Vergangenheit übertragene und in die Zukunft projizierte Theorie die
richtige sei. Diskutieren über Gott und die Liebe ist eine absolut müssige
Angelegenheit, eine reine Energieverschwendung. Sie befriedigt den
Intellekt. Aber jede Diskussion ist nur auf der Basis des assoziativen
Denkprozesses möglich.
Der motivative Denkprozess ist ein direkter Energiestrahl, gerichtet auf
das, was nach der Absenz des Ich noch vorhanden ist. Beten ist ein
Versuch, den motivativen Denkprozess zu aktivieren. Meditation ist ein
Versuch, den assoziativen Denkprozess zu mildern. Das eine ist eine
aktive, das andere eine passive Form. Beides führt zum Gleichen. Beten
ist das Herz einsetzen in Bezug zu etwas. Meditation ist das Herz
einsetzen im Neutralisieren und im Auflösen von Unterscheidung.
Klarheit, über den motivativen Denkprozess, über das richtige Denken,
ist eine der einfachsten Arten, den Bezug zum Energiekörper, die
Transzendenz vom Samenkorn zum Fruchtbaum wahrzunehmen,
widerstandslos anzugehen.
Der zweite taoistische Begriff ist der Weg der Reinheit.
Wiederum nicht auf Körper/Mind bezogen, was nur zu Beurteilungen
führt wie ein reiner Körper ist ein Körper ohne Sexualität oder ein
Körper, der kein Fleisch isst, und ein reiner Mind lebt tugendhaft, in
irgendwelchen Moralvorstellungen. So naiv waren die Taoisten nicht.
Die Frau, von der ich zuvor erzählt habe, die plötzlich in den letzten vier
Tagen ausfallend wurde, ist dadurch nicht unrein geworden. Jemand, der
einen anderen am liebsten umbringen möchte, ist, wenn er erkennt, dass
sein Bedürfnis jemanden umzubringen, einem Teil des Menschseins
entspricht, dass man nämlich wie Liebe auch Hass in sich hat, reiner als
jemand, der immer so tut, wie wenn er diesen negativen Teil der
Menschheit nicht in sich trägt. Das ist eine Abspaltung, eine
Unterscheidung, die nur Moral darstellt und daher mit Sicherheit nicht
zum Bezug zum Energiekörper führt.
Die Taoisten meinen mit dem reinen Weg das richtige Fühlen. Was
heisst richtiges Fühlen? Obwohl, vergesst es nicht, auch richtig und
falsch eine Unterscheidung ist, und richtiges Denken wie richtiges
Fühlen nur ein Modell für den Mind darstellen.
98
Der Energiekörper manifestiert sich, wenn weder richtiges noch falsches
Denken, weder richtiges noch falsches Fühlen bewusst ist.
Richtiges Fühlen bedeutet nichts anderes, als dass man kein einziges
Gefühl auf keine einzige Art erklärt und bewertet. Wer Gefühle zu
erklären und zu bewerten beginnt, wird erstens manipulativ und trennt
sich zweitens, noch viel verheerender, von all seinen Mitmenschen. Wer
zum Beispiel sagt, ich lasse nur Gefühle von Freude, von Zufriedenheit,
von Zuwendung zu, stösst alle die Leute von sich, die im Moment nicht
diese Gefühle haben. Liebe ist kein Gefühl, sondern ein Zustand, der alle
Gefühle in sich aufnimmt, absorbiert. Wer auf der anderen Seite sagt, ich
bin jetzt halt aggressiv und ich lebe diese Aggresssion, macht aus der
Aggression ein Ich, eine individuelle Geschichte, agiert diese Aggression
aus und trennt sich dadurch wiederum von den anderen.
Richtiges Fühlen heisst, einfach zu sehen, dass alles, was ich denke, alles
was ich fühle, alles was ich empfinde, unabhängig von mir gleichzeitig
milliardenfach über den ganzen Planeten verteilt stattfindet.
Richtiges Fühlen heisst, dass ich realisiere, dass meine Aggression sich
nur dann einen Ausdruck suchen will, wenn ich ihr eine individuelle
Geschichte gebe... dass meine Liebe nur dann zu einem Zustand führt
verbunden mit einem Gefühl, ich sei jetzt besser oder besonders, wenn
ich ihr eine individuelle Geschichte gebe... dass meine Empfindung, in
welchem Teil des Körpers auch immer, dann zu einer Identifikation
führt, wenn ich meine, diese Empfindungen seien speziell auf mich
bezogen – wie wenn beispielsweise Schmerz, ein Zittern, ein Kräuseln,
ein wohliges Gefühl im Körper nicht milliardenfach vorkommen und
mit einer individuellen Geschichte gar nichts zu tun haben... Nur dass es
zu diesem Gefühl kommt, hat eine individuelle Geschichte.
Das Gefühl, die Empfindung, das Denken an sich ist nichts
Individuelles. Wenn ich heute etwa über das Jenseits nachdenke, hat dies
zwar eine Geschichte, wie ich zu diesem Nachdenken komme. Was ich
aber über das Jenseits nachdenke, denken im gleichen Moment Hunderte
der Milliarden anderer, ich weiss es höchstens nicht.
Damit der Mind begreifen kann, dass er sich wohl als Individualität
erlebt, dies aber auf einer Illusion beruht, kreiert vielleicht die Revolution
des Computers und des Internets eine viel geeignetere Möglichkeit, als
jede Religion, die bis jetzt existiert hat.
99
Vielleicht ist es dieses globale Gehirn, das über das Internet vom
Computer gespeichert, gespiegelt wird, welches uns viel tiefer das
Bewusstsein geben wird, dass auf der ganzen Welt überall, sich die
genaugleichen Probleme, die gleichen Lösungen, die gleichen
Denkansätze abwickeln, wie im eigenen Kopf, im eigenen Körper.
Richtiges Fühlen ist Depersonalisierung von Empfinden, Denken und
Fühlen. Da der Energiekörper keine Persönlichkeit hat, ist es logisch,
dass jede Personifizierung eine Reduktion der Beziehung zum
Energiekörper bedeutet. Wo ich die Persönlichkeit einfliessen lasse, vor
allem während eines Healings, ist notgedrungen ein Teil des Formlosen,
der Instanz, die am stärksten heilt, reduziert.
Der dritte Weg ist der Weg der Aufrichtigkeit. Was heisst Aufrichtigkeit?
Die meisten Leute würden auf der Ebene des Minds spekulieren, dass
dies etwas mit Ehrlichkeit zu tun hat, mit Treue, Wahrhaftigkeit, eben
aufrichtig sein. Von dort gelangt man sehr schnell zur Verurteilung von
jemandem, der eben nicht wahrhaftig ist, sich versteckt oder ein wenig
schummelt, und das führt zu allen Moralansprüchen, du sollst nicht
lügen etc. etc. Die Taoisten meinen auch hier etwas Feinstoffliches.
Jemand kommt auf mich zu und sagt irgendetwas, das ich als
vernichtendes Urteil erlebe. Zum Beispiel sagt er, welchen Mist du da
erzählst oder so ähnlich, und ich fühle mich dadurch verletzt. Mit dem
Weg der Aufrichtigkeit meinen die Taoisten das Wahrnehmen, dass diese
Verletzung immer nur ein Signal ist, dass ich ganz offensichtlich
Körper/Mind wichtiger nehme als die feinstofflichen Aspekte.
Jede Verletzung basiert auf einem inneren Bild, welches ich von mir
habe. Wird dieses innere Bild in Frage gestellt, fühle ich mich verletzt.
Das innere Bild hat aber nichts mit Wahrhaftigkeit zu tun, mit
Aufrichtigkeit, sondern einfach mit der Illusion, dass das, was ich jetzt
bin, wichtig ist. Verletzt zu werden ist der Prozess, dass jemand meine
Ich-Wichtigkeit in Frage stellt. Und Lao-Tse und die Taoisten meinen
mit Wahrhaftigkeit, mit Aufrichtigkeit, dass man immer, auch in der
tiefsten Verletzung, dahinter schauen soll.
Und dazu wiederum das wunderschöne Beispiel, an welches ich mich
auch gestern abend erinnerte, als mein Freund von seiner Frau und
ihrem Todeskampf berichtete: Jesus, der zuerst sagt, warum hast du mich
verlassen, also das Ich losdonnert, und darauf sagt, dein Wille geschehe.
100
Kann ich, kann mein Mind, immer wieder die Aufrichtigkeit haben,
durch diese Verletzungen hindurchzuschauen? Kann ich aufrichtig
sehen, dass auch wenn es noch so schmerzhaft ist, der Schmerz nicht
wegen des Gegenübers entsteht, sondern wegen meinem eigenen Bild?
Kann mein Mind – statt sofort den Kampf zu beginnen und damit ein
anderes Bild zu bekämpfen, denn der andere, der mein Bild in Frage
stellt, möchte ja genauso, dass sein Bild nicht in Frage gestellt wird –
sehen, dass auch die heftigste Ablehnung, die ich erlebe, nicht
zurückgespiegelt werden kann auf jene, die mich ablehnen, sondern nur
mit mir, mit meiner eigenen Stellung, der Wichtigkeit, die ich mir gebe,
zu tun hat? Und genau dies meinen die Taoisten mit Aufrichtigkeit.
Kann ich diese Aufrichtigkeit haben? Denn ihr könnt nicht durch dieses
Leben wandern, ohne auf Leute zu treffen, die euch verletzen, Leute, die
euch ablehnen, Leute, die etwas gegen euch haben, aber Achtung, auch
Leute, die euch bewundern, Leute, die euch besonders finden. Und auch
dort muss die Aufrichtigkeit so weit gehen, zu sehen, dass damit nur das
Ich bewundert wird. Niemand, der euch bewundert, kann euren
Energiekörper bewundern, weil der formlos ist und gleich dem des
andern. Könnt ihr sehen, dass dies alles, ob Verletzung oder
Bewunderung, Ablehnung oder Angenommensein, gerade dadurch, dass
ich es erlebe und wie ich es erlebe, mit mir und nie mit dem anderen zu
tun hat?
Erst wo ich aufhöre, auf dieser Ebene die Verantwortung
zurückzuspiegeln für meine Verletzung, für mein Wohlsein, erst dort
hört Dualität auf. Erst dort wird Distanz aufgehoben. Erst dort entsteht
Formlosigkeit, das Tao.
101
Veranlagung und Grundhaltung
11. Dezember1995
Heilen ist nicht eine Frage des Wissens, der Entwicklung oder des
Charakters, sondern es ist eine simple Haltungsfrage. Heilen ist wie
gehen. Und gehen ist eine Veranlagung.
Als Baby benötigt man weder Wissen, noch irgendwelche seelische
Entwicklung, sondern man braucht allein dem Drang nachzugeben, sich
auszudrücken im Krabbeln, darin ein Gleichgewicht zu finden, und dann
im Gehen. Als Erwachsener ist gehen, und wie man geht, ob gut oder
schlecht, nicht eine Frage irgendwelcher aufgearbeiteter
Vergangenheitsgeschichten, noch irgendwelcher spezieller
Wissenskomplexe, sondern beruht simpel auf der Frage, ob man diese
Veranlagung mit Aufmerksamkeit koppelt. Ich kann aufmerksam gehen
oder ich kann unaufmerksam gehen und falle hin, breche mir etwas.
Oder ich kann zuviel trinken und dann unter Umständen nicht mehr gut
gehen.
Es ist rein eine Frage, ob ich in diesem aufrechten Gang ein inneres
Gleichgewicht habe, was meiner Veranlagung entspricht. Geht im
Gehirn etwas schief und ist dieses innere Gleichgewicht nicht mehr
vorhanden, kann ich auch nicht mehr gehen. Und gleichzeitig brauche
ich ein anderes Gleichgewicht, welches etwas mit meiner
Aufmerksamkeit zu tun hat. Dieses Gleichgewicht wird aber nicht
erreicht durch noch mehr Wissen, noch durch mehr Verstehen, weder
durch Unterscheidungen von schon ein wenig weiter oder weniger weit,
noch durch verzweifeltes Eliminieren irgendwelcher Schwächen, sondern
einfach dadurch, dass ich versuche in Balance zu sein, auf einfache Art
diesem Gehen einen Ausdruck zu geben. Manchmal ein bisschen
schneller, manchmal ein bisschen langsamer, aber nie so, dass die
Koordination verloren geht.
Heilen ist nichts anderes. Es ist wie gehen. Vielleicht ein Grund, warum
man in wenigen alten Meditationsschulen nach dem Sitzen ein Stück im
Kreis gegangen ist und sich dann wieder niedergesetzt hat. Vielleicht ist
der aufrechte Gang, die Möglichkeit des aufrechten Gehens ein
Ausdruck davon, etwas mit Aufrichtigkeit tun zu können.
Gehen wird dann schwierig, wenn ich ihm eine grössere Bedeutung gebe,
als es hat. Und Heilen wird dann schwierig, wenn ich es zu etwas
Besonderem mache. Im Moment, in dem ich etwas als etwas Besonderes
erlebe oder zu etwas Besonderem mache, schaffe ich Dualität.
102
Es ist sinnlos, eine Veranlagung zu etwas Besonderem zu machen, ihr
eine Eigenschaft zu geben, welche sie gar nicht braucht, um sich zu
bewegen, sich auszudrücken.
Der Verstand, womit die Taoisten den Mind meinen, ist von Natur aus
dualistisch. Der Mind ist von Natur aus immer in der Suchttendenz sich
zu erhöhen. Erhöhung ist der Prozess von Abgrenzung. Das ist
machbar, indem man sich schlechter macht als man ist, oder besser als
man ist. Dabei handelt es sich immer um einen verzweifelten Versuch,
sich von anderen abzugrenzen. Jedes Mal wenn man sagt, ich bin halt
immer noch nicht gut genug, oder das kann ich halt doch nicht, beruht
dies tief innen auf dem Versuch, dadurch einen Eigenwert zu erhalten.
Kritik an sich selber ist genauso gefährlich wie die Überschätzung seiner
selbst. Nicht weil es zeitlich, langfristig wirklich viel ausmachen würde,
aber weil der Verstand, der Mind über das Erschaffen von Dualität den
Bezug zum Ganzen, zum Energiekörper, zu Qualitätsaura/Seele verliert.
Sogar dem Mind leuchtet es ein, dass es absurd ist, eine Veranlagung
verbinden zu wollen mit Entwicklung, mit Wissen, mit so tun, als ob
man etwas Besonderes wäre, wenn man diese Veranlagung braucht.
Besonderheit blockiert die Möglichkeit der Veranlagung.
Abgrenzung ist dasjenige, was der Veranlagung erst den Konflikt schafft.
Will ich mich im Gehen abgrenzen, funktioniert das ja nur, wenn ich auf
eine speziellere Art gehe als andere, und da die meisten Leute gleich
gehen, müsste ich dann zum Beispiel eine besondere Technik entwickeln,
den rechten Fuss irgendwie speziell immer zuerst vor den Linken setze
und dann den Linken nach vorne nehme und vor den Rechten
setze...ungefähr so verhalten wir uns, wenn wir meinen, wir seien
besonders mit dem was wir machen, mit einer Technik, mit der wir uns
einen Wert geben. Für jemanden, der das von aussen betrachtet, sieht
dies allerdings wenn nicht lächerlich, so doch eher anstrengend aus, so
zu gehen. Und man fragt sich, was um Himmelswillen führt diesen
Menschen dazu, so kompliziert zu gehen, wenn es doch auch einfach
ginge. Verknüpft dieser Mensch dieses Gehen jetzt aber mit einer Idee,
hat man einen Weisen, einen Guru, einen Erleuchteten, einen der draus
kommt. Der Weise, der Erleuchtete zeigt sich aber nicht durch solche
Gehmanöver, sondern dadurch, dass er noch normaler geht als die
andern.
103
Der Mind muss aufhören, Veranlagungen – und Heilung ist eine simple
Veranlagung, die jeder in sich trägt wie gehen – zu verwenden, um sich
selber abzugrenzen. Der Mind muss aufhören, zu meinen, Heilung
komme zustande durch etwas, das man macht. Der Körper wird
ununterbrochen bombardiert von Bakterien, Viren, Krebszellen und in
neunzig Prozent aller Fälle heilt er, ohne dass man sich einmischt und
meistens sogar ohne dass man davon weiss.
Wir vergessen immer wieder, dass bei einer planetarischen Bevölkerung
von sechs Milliarden oder wieviel es jetzt sind, Gesundheit immer noch
neunzig Prozent, Krankheit vielleicht zehn Prozent ausmacht. Wir
vergessen immer wieder, dass trotz allem Horror, trotz aller erdenklicher
Misere, trotz aller Kriminalität und Gewalt innerhalb der Evolution das
Gute immer noch statistisch umgerechnet auf die ganze planetarische
Bevölkerung siebzig bis achtzig Prozent ausmacht und das Schlechte
sagen wir mal zwanzig Prozent. Wir haben die Tendenz, die Perspektive
zu verlieren, auf all das zu fokussieren, was nicht gut ist, was nicht
funktioniert, und vergessen, dass all das, was nicht gut ist, was nicht
funktioniert, nur existieren kann, präsent sein kann, weil die Mehrheit
des Ganzen eben funktioniert. Wenn ich auf das Meer schaue und mich
ununterbrochen um die Wellen kümmere, vergesse ich, dass die Wellen
nur dasein können, weil der Grossteil des Wassers im Ozean eben nicht
in Wellenform gebunden ist.
Das gleiche gilt übersetzt für einen selber. Solange der Körper noch
nicht verfällt, und das wird er irgendeinmal, solange er also nicht stirbt,
ist der Grossteil des Körpers immer gesund und nicht krank. Solange ein
Mind darüber reflektieren kann, was er an sich nicht gut findet, was er
verändern möchte, muss der Grossteil des Minds gesund sein. Sonst
könnte er nicht darüber reflektieren. Spiritualität heisst nicht, Gewalt,
Krankheit, Misere, Armut, etc. zu ignorieren, aber es bedeutet,
aufzuhören, sich primär auf die Symptome, statt auf das Ganze zu
konzentrieren.
Die Taoisten reden in diesem Sinne von Annahme. Annehmen ist
absolut etwas anderes als akzeptieren. Schon der Begriff An-Nahme
drückt es aus. Es ist ein Prozess von etwas an-nehmen, an sich
heranlassen.
104
Wenn ich jemanden, der mir Mühe macht, an mich heranlasse, heisst das
überhaupt nicht, dass ich das akzeptiere, was mir Mühe macht in dieser
Person, was ja immer auch nur etwas von mir spiegelt. So würde ich
nämlich einfach tabuisieren, was mir Mühe macht, und was ja nur ein
Spiegel von etwas in mir ist.
Annehmen bedeutet, dass ich die Bereitschaft habe, etwas an mich
herankommen zu lassen und genau so zu sehen, zu beobachten, wie es
ist. Akzeptieren ist eine reine Tabuisierung. Entwickle ich aber die
Haltung, Dinge anzunehmen, an mich herankommen zu lassen,
betroffen zu sein, es zu beobachten, dann merke ich plötzlich, dass es
keine einzige Ebene von Negativität gibt, die nicht in einem Bezug zu
Positvität steht.
Dualität findet nur statt, und das müsst ihr euch tief einprägen, Dualität
findet nur statt, wenn es einen negativen und einen positiven Pol gibt.
Das heisst, Dualität kann nicht stattfinden, wenn es entweder nur
Schlechtes oder nur Gutes gibt. Es ist immer im Gesetz ausbalanciert.
Und in dieser Balance ist das Gute immer mehr vorhanden als das
Schlechte. Verzweifelt versuchen dies alle Religionen immer wieder mit
verschiedenen Bildern darzustellen, im christlichen Beispiel mit Gott und
dem Teufel. Der Teufel repräsentiert immer nur, sagen wir einmal
zwanzig Prozent, aber ohne Teufel gibt es keine Manifestation. Der
Teufel ist nicht gleichwertig, gleichprozentual wie Gott.
In der buddhistischen Sprache: der Tod ist immer präsent, aber nie so
präsent wie das Leben, obwohl er immer existiert. Es gibt keine Geburt
ohne einen Tod. Und trotzdem ist Geburt und das, was folgt, das Leben
immer stärker, länger als der Tod. Ihr könnt nicht über eure Schwächen
reflektieren, wenn nicht der Grossteil von euch gut ist. Es ist schlicht
nicht möglich.
Bei einem Healing könnt ihr nicht die Möglichkeit einer Heilung haben,
wenn nicht der Grossteil des Heilenden und des zu Heilenden gesund
ist.
Als Konsequenz ist es eine Verweigerung, das Gute anzunehmen, wenn
man sich immer um das Schlechte kümmert. Die Welt wird nicht besser,
indem man sich auf die Misere konzentriert. Hass wird nicht aufgelöst,
indem man den Hass analysiert oder indem man den Hass versteht und
schon gar nicht indem man den Hass bekämpft. Achtet auf die
Absurdität: Hass bekämpfen. Hass ist der Prozess, etwas zu bekämpfen
und jetzt bekämpft man den Hass.
105
Hass, als Gegenpol von Liebe gesehen, nur modellweise, weil es so nicht
stimmt, löst sich dann auf, wenn man sich um die Liebe kümmert. Es
spielt überhaupt keine Rolle, wieviel Hass man in sich hat, wieviel
Eifersucht man in sich hat, wieviel Aggression man in sich hat. Es nützt
nichts Eifersucht zu bekämpfen. Eifersucht ist eine Form von
Aggression, und Aggression mit Aggression zu bekämpfen kann mit
Sicherheit Aggression nicht auflösen. Und Aggression und Hass können
nur funktionieren, können sich nur manifestieren, weil die Ganzheit, weil
der Grossteil der Ganzheit eben nicht eine derartige Manifestation ist.
Materie heisst, dass etwas aus dem Tao, aus dem Ursprung sich sichtbar
macht. Etwas das sichtbar wird, ist immer nur ein Teilaspekt von dem,
was das Sichtbarwerden möglich macht.
Ein gesunder Körper, ein gesunder Mind kann sichtbar eine Krankheit
haben. Wenn es keinen gesunden Mind, keinen gesunden Körper gäbe,
würde er nicht existieren. Krankheit als Ganzes löst das Prinzip der
Sichtbarkeit auf. Materie verschwindet in dem Moment. Sobald das
Ganze Materie wäre, könnte man es nicht mehr als Materie
wahrnehmen. Dies ist das Koan, wie man mit nur einer Hand einen
Sound kreiert.
Und wenn die Gesundheit von Körper/Mind die Veranlagung des
Ganzen ist, welch ein Unsinn, zu behaupten, ich sei etwas Besonderes,
wenn ich gesund bin. Welch tragische Umkehrung des Karmaprinzips,
jemanden, der krank ist, zu jemandem zu machen, der eine Schuld
abtragen muss, bestraft wird oder etwas nicht richtig gemacht hat oder
sonst irgendetwas nicht stimmt.
Welche Eigenartigkeit, das Menschsein vor allem über die Misere zu
definieren. Und wenn ihr genau beobachtet, so ist es genau dieses ewige
Definieren über die Misere, welches verhindert, dass wir wirklich etwas
gegen die Misere tun. Wir schreien wohl alle und sind empört, wenn wir
zwischendurch wieder mal kurz daran denken, dass pro Tag allein 40'000
Kinder an Hunger sterben, was ein höfliches Wort dafür
ist...verrecken...aber damit hat es sich dann gleich. Wenn wir dann ins
Einkaufszentrum gehen und nicht gerade das Frischprodukt finden, das
wir suchen, sind wir empört und diese Empörung ist uns viel näher und
viel tiefer als die Empörung darüber, dass gleichzeitig soundsoviele
Menschen an Hunger sterben. Der Mind hat einen ganz klugen Weg
gefunden, über die Empörung, über die andauernde Ausrichtung auf das
Negative, sich gar nicht mehr damit direkt beschäftigen zu müssen.
106
Denn, schlau wie der Mind ist, sagt er sich ja, wenn ein Körper nur aus
Krankheit besteht, so ist das wohl dumm und schade, aber dann kann
man halt nichts mehr machen. Wenn ich ja sowieso mehrheitlich nur aus
Negativität bestehe, muss ich mich gar nicht mehr darum kümmern, dass
es vielleicht noch etwas anders gibt. Wenn die ganze Welt ja sowieso aus
Krieg, aus Brutalität und Gewalt besteht, empöre ich mich, aber ich
muss mich zumindest nicht darum kümmern, weil ich nämlich so nicht
hinstehen muss, aufstampfen und schreien muss, heeh! halt! schau mal!
die Veranlagung ist etwas anderes und also liegt es offensichtlich an uns
und damit, wie wir mit dem Zeug umgehen, dass soviel an Destruktivität
sichtbar wird...
Und die Taoisten sagen, diese schlaue, clevere, intelligente Art des Minds
lässt sich nur überwinden durch ungeteiltes Denken, wie sie es nennen.
Man könnte auch sagen, keine Ideen haben, sondern sich auf das
ausrichten, annehmen, zu sich nehmen, was wirklich ist. Das ungeteilte
Denken verhindert, dass man die Dinge so aufteilen kann, dass man am
Schluss eine wunderbare Erklärung hat, weshalb man eigentlich nichts
machen kann.
Teilung ist immer paralysierend. Teilung, Abgrenzung schafft immer
Distanz.
Während tausender von Jahren haben alle Religionen sich immer als das
herausgestellt, was sie sind, nämlich als Ansammlung von Macht, als
Organisationen, die ein ganz bestimmtes Ziel durchsetzen wollen. Wenn
einer ihrer Leute plötzlich aufgetreten ist und gesagt hat, ich habe es
gesehen, es gibt gar keine Teilung, ich und Gott sind das gleiche... Jesus
haben sie gekreuzigt. Buddha haben sie ignoriert. Buber haben sie
auszuschalten versucht. Andere, christliche Mystiker haben sie verbrannt.
Und wenn heute einer aufsteht in einer modernen Form und sagt, ich als
Mann und du als Frau sind das gleiche, dann sagt die katholische Kirche
nein, eine Frau, nur schon weil sie Blutungen hat, kann keinen
kirchlichen Dienst verrichten. Wann immer jemand aufsteht und sagt,
ich und du sind das gleiche, wird sofort eine riesige Kraft in Bewegung
gesetzt, um dies zu unterbinden, zu bekämpfen oder zumindest zu
ignorieren.
Wenn Jesus sagt, ich und Gott sind eins, so wird das als Blasphemie
definiert. Welch Horror, wo kämen wir hin, wenn wir sehen würden,
dass Gott, das Tao, die Schöpfung und ich das gleiche sind.
107
Das würde ja heissen, dass ich die gleiche Veranlagung habe, dann
müsste ich mich plötzlich tatsächlich um das kümmern, worum es geht,
dass nämlich das Gute, das Schöpferische, das Kreative immer stärker
sind als das Negative. Ich könnte mich plötzlich nicht mehr aus der
Verantwortung stehlen. Wir haben es lieber getrennt. Ich möchte so gut
werden wie Gott. Ich möchte doch so perfekt sein wie Jesus. Wenn ich
doch nur so weise würde wie Buddha. Trennen, trennen, trennen. Die
beste Art, sich nicht wirklich ernsthaft um die Natur von Buddha, von
Einheit, vom Ganzen kümmern zu müssen. Man müsste dann
tatsächlich einfach aufhören, sich ununterbrochen um seine Schwächen
zu kümmern.
Solange ich mich um meine Schwächen kümmern kann, habe ich
hundert Entschuldigungen, warum ich mich nicht um das Ganze und um
das Gute kümmern muss und kann. Solange ich mich um meine
Schwächen kümmere, muss ich mich nicht um die Anderen kümmern.
Ich kann wohl ein bisschen so tun, aber ich muss nicht wirklich. Es hat
keine Konsequenzen und ich werde auch nicht angegriffen. Solange ich
mich um meine Schwächen kümmere, schmerzt es auch nicht sehr, wenn
jemand mir nicht glaubt. Es ist ja logisch, dass man mir nicht glaubt, weil
ich noch so schwach und unweise bin. Aber wehe, ich erwache eines
Tages und merke, welches Spiel ich da spiele. Realisiere ich, dass auch
meine ganze Niederträchtigkeit immer noch kleiner ist als mein Potential,
habe ich absolut keine Entschuldigung mehr, verletzt zu sein, beleidigt
zu sein, aggressiv zu werden, mich zu wehren, mich abzugrenzen.
Und wenn ihr ehrlich seid, wer will das schon?
Alle Religionen haben sich disqualifiziert, wenn sie zur Prüfung
gekommen sind. Sie haben versagt, wenn einer aus der eigenen Religion
aufgestanden ist und das Einheitsprinzip vertreten hat, seien es jetzt die
Sufis bei Rumi, oder die Hindus bei Krishna, oder die Christen bei Jesus,
usw.. Wenn ich und das Ganze das gleiche sind, löst das millionenfach
mehr Angst aus, als wenn ich und das Ganze getrennt sind. Solange ich
getrennt bin, kann ich immer versuchen, zur Einheit zu kommen,
gleichzeitig wissend, dass ich es nie schaffen werde, weil nur das
Aufhören des Versuchens zur Einheit zu kommen, nur das Sehen, dass
ich schon die Einheit bin, Transformation, der Weg ist.
108
Erst wenn ich wieder sehe, dass all das, was ich darstelle, eine genetische,
eine psychische und auch eine spirituelle Veranlagung ist und nicht
etwas, was ich erschaffen muss, und nur wenn ich tief innen die
Bereitschaft habe, die daraus folgende Konsequenz auch zu leben, kann
ich es wagen, diese Einheit auch einzugehen.
Das geteilte Denken, und damit der Mind, stirbt augenblicklich in eine
Einheit. Und diese Einheit ist eben das ungeteilte Denken. Ich kann
mich nicht mehr aufteilen in gut und schlecht, in Leben und Tod. Ich
kann mich nicht mehr aufteilen in der andere ist schuld. Und die
Psychologie ist deshalb so beliebt, weil sie ununterbrochen suggeriert,
dass nicht du, sondern der andere schuld ist, dafür wie du bist.
Jesus wurde gehasst. Buddhas Anhänger waren eine lächerlich kleine
Bewegung und ist es heute noch, und er wurde gehasst. Rumi wurde
verfolgt. Alle, die sagen, es kann nie jemand anders schuld sein, es gibt
gar keine Schuld, werden mit Sicherheit verfolgt.
Und in Bezug zu Heilung: welchen Horror löst es doch aus, würden wir
einfach so wahrnehmen, dass auch Krankheit keine Schuldfrage ist. Wo
ordnen wir dann die Gesunden ein, wenn auch Kranksein keine
Schuldfrage ist? Wo bewahren wir dann noch unsere Besonderheit als
Gesunde, wenn auch die Kranken nicht irgendwo verantwortlich, schuld
für ihre Krankheit sind? Was machen wir dann mit all den alternativen
medizinischen Schulen, die dir ununterbrochen einhämmern, dass du
eben dafür verantwortlich bist, was mit dir ist? Bis zu solch absurden
Ideen, dass die Allergie eines Kindes damit etwas zu tun haben könnte,
dass die Eltern bei seiner Zeugung, wir reden nicht einmal von der
Geburt, bei der Zeugung irgendvielleicht unstimmig in ihrer
Gefühlsstruktur waren, einer klassisch homöopathischen Ansicht. Wenn
man solche Dinge hört und sieht, ist es manchmal zum Schreien, zum
Wahnsinnigwerden. Niemand sagt, dass die alternative Medizin nicht
eine wunderbare Ergänzung der klassischen Medizin ist, teilweise mit
Sicherheit sogar sanfter und besser, aber diese Idee, die Philosophie
dahinter ist grausam.
Mitgefühl kann mit Sicherheit nicht da sein, wo eine Krankheit als
Manko von etwas, als Fehler dargestellt wird. Mitgefühl ist dann da,
wenn mein krankes Gegenüber als das erlebt wird, was es ist: ein Wesen,
das sinnlos einfach betroffen ist.
109
Was ist eigentlich los, dass wir nicht wagen, Krankheit als etwas zu
sehen, das einfach innerhalb der Natur auftritt? Haben wir soviel Angst
vor Mitgefühl, dass wir immer einen Teil noch erklären müssen, dass es
halt vielleicht doch noch ein bisschen etwas zu tun hat mit der Person,
dass sie krank ist oder dass sie nicht heil ist. Welch zerstörerische,
perverse Art Natur, Menschheit, Evolution zu betrachten. Wir würden ja
gar nicht existieren, wenn nicht im Verlauf der Evolution Mutation
stattgefunden hätte, und Mutation hat für alle diejenigen, die es nicht
geschafft haben, logischerweise Krankheit, Tod bedeutet, wie
beispielsweise für die Dinosaurier. Vielleicht hätten die Dinosaurier ein
wenig mehr Psychotherapie benötigt und sie hätten überlebt. Welch
Unsinn. Welche Arroganz der Menschheit, der Natur, dem Tao
gegenüber.
Es ist eine Frage der Veranlagung und demzufolge eine Frage einer
Grundhaltung. Man kann einzig sagen, dass das Verhindern einer
Krankheit, Prävention, im Mass des Möglichen, und das ist relativ
reduziert, und das Abheilen einer Krankheit, sofern auch das möglich ist,
und das ist schon möglicher als Prävention, die gleiche Grundhaltung
voraussetzt, die dem Heilen zugrundeliegt.
Zwischen dem zu Heilenden und dem Heiler besteht absolut kein
Unterschied. Eine Krankheit verliert vielleicht einen Teil der Möglichkeit
ihrer Manifestation durch die gleiche Grundhaltung, die ein Heiler
braucht. Eine Krankheit hat vielleicht die Möglichkeit abzuheilen durch
diese Grundhaltung. In neunzig Prozent der Fälle findet dies
fortwährend statt. Die wenigsten Krankheiten, die präsent sind, brechen
aus.
Ein Heiler und ein zu Heilender finden in einem Prozess zusammen. Ein
Kranker hat genau die gleiche Schwierigkeit wie wir, diese Grundhaltung
zu bewahren. Nur dass sich in seinem Pech, aus irgendwelchen Gründen
die Krankheit ein bisschen mehr manifestiert als diese Grundhaltung.
Ungleichgewicht ist entstanden und der Heiler kann zu einem
Stellvertreter dieser Grundhaltung werden. Die Krankheit braucht keine
Geschichte, kein Symptom, kein Karma, keine Erklärung. Viel wichtiger,
als sich auf die Krankheit auszurichten, ist die Frage:
110
Kann das, was die Krankheit heilen könnte, im Körper das
Immunsystem, in der Psyche das ungeteilte Denken, in der Spiritualität
aufhören zu meinen, dass man etwas werden kann, kann diese
Grundhaltung, die aus irgendeinem Grund immer wieder bei uns allen in
Gefahr gerät aus dem Gleichgewicht zu fallen, wieder erstellt werden?
Und der Heiler übernimmt stellvertretend die Aufgabe, dieses
Gleichgewicht wiederherzustellen.
Wenn ihr die ganz alten, taoistischen Bücher oder die chinesische
Medizin vor Konfuzius studiert, werdet ihr feststellen, dass die moderne
chinesische Medizin völlig falsch interpretiert, wenn sie
Harmonieherstellung auf der energetischen Körperebene definiert. Die
Taoisten und die Vorkonfuzianer sprachen vom Seelenaspekt. Sie haben
es nicht pervertiert auf die Ebene vom Ausgleich der Meridiane, der
Akupunkturpunkte, des Ying und Yang auf der materieller Ebene. Ying
und Yang auf materieller Ebene ist Dualität. Ying Yang auf spiritueller
Ebene ist Ergänzung. Ein absolut anderer Zusammenhang, ein ganz
anderer Blickpunkt. Wenn die Taoisten von Harmonisieren sprachen,
meinten sie das Wiederentdecken, dass individuell Manifestierendes und
das Ganze nicht getrennnt sind.
Die Taoisten sagen, Krankheit hat nur dann eine Chance aufgelöst zu
werden, wenn diese Balance, diese Harmonie, diese Grundhaltung zum
Ganzen wieder existiert, was mit dem Körper herzlich wenig zu tun hat,
weil der sowieso verfällt. Ein Immunsystem kann nur solange stark sein,
wie es einen Bezug zur Ganzheit hat. Dieser ganze
Nachinterpretationsmüll, es habe beispielsweise zu tun mit einem
Ausgleich von kalt und heiss im Körper drin und all das Zeug, vergesst
es. Das sind Nachinterpretationen, die mit dem Ursprung nichts gemein
haben. Das sind zurechtgebogene Erklärungen, die die Schuld dem
Körper oder dem Mind oder der Umgebung oder einer anderen Person
zuzuschieben versuchen.
Der Heiler wird einfach für jemanden, der, wie es uns alle treffen könnte,
unglücklicherweise – das ist das Prinzip von Individualität und Ganzheit
– für einen kurzen Moment nicht mehr ganz im Gleichgewicht war, zum
Stellvertreter dieser Grundhaltung.
Nehmt eines der traurigen Beispiele, welche man immer wieder anführen
muss, gerade weil sie heutzutage tabuisiert werden: jemandes Körper
zerfällt tatsächlich durch Krebs und ist am Sterben.
111
Wenn all die Theorien der sogenannten alternativen Schulen stimmen
würden, Gesundheit eine Frage der Harmonie der Energien wäre, der
Säfte, oder wie auch immer alle diese Erklärungen lauten, wieso verfällt
dann mein Körper? Oder wenn man nicht der Frage nachgeht, wieso er
verfällt, könnte man zumindest vermuten, ja wenn die Krankheit
irgendeinen Sinn macht, in Bezug steht zu einer Balance, dann ist es
offenbar um diesen sterbenden Menschen schlecht bestellt. Er muss ja
völlig aus der Balance geraten sein. Und achtet, wie schnell der Mind da
wieder eine Aufteilung macht und folgert, beim Tod verhält es sich halt
eben ein wenig anders und diese Theorien gelten nur solange man lebt.
Man lebt bis man gestorben ist. Bevor auch ein verfallender Körper
nicht ganz tot ist, ist man immer noch am Leben. Entweder gilt all die
Theorie bis ans Ende oder sie ist nicht gültig, nichts wert, eine Illusion,
ein Pseudoersatz.
Und Tatsache ist, dass diese Grundhaltung, unabhängig vom
körperlichen Zerfall, vorhanden sein kann und vorhanden ist. Hört auf,
euch so manisch, süchtig, teilweise sogar geil auf die
Krankheitssymptome abzustützen. Es geht um viel mehr.
Die einzige Heilungsmöglichkeit, welche ein kranker Körper hat, besteht
in der Stärkung des Immunsystems. Ein Immunsystem kann sich nur
stärken, indem die Grundhaltung da ist, ein Zurückfinden, eine absolute
Loslösung von der Idee des Wertens, des Aufteilens. Und Achtung, auch
dann muss eine Heilung nicht notwendigerweise stattfinden.
Die Frage, warum man überhaupt einen Körper hat, lässt sich ganz
einfach beantworten: eine Idee wird nie selbsttragend, wird nie zu einem
Ausdruck, einem kreativen Prozess, ohne Instrument. Der Körper ist ein
Instrument, um das Ganze zu zeigen. Der Körper ist ein Instrument, um
das Ganze sichtbar werden zu lassen. Die meisten Leute haben
ununterbrochen Ideen im Kopf, wunderschöne Vorstellungen auch über
Spiritualität, über Gott, aber wenn der Körper diese Idee, diese
Vorstellung nicht trägt, ergibt sich daraus keine Manifestation.
Der Körper ist wie eine Kerze, die eine bestimmte Zeit präsent ist, um
Licht zu manifestieren. Ist die Kerze niedergebrannt, fragt niemand, was
diese Kerze falsch gemacht hat, warum dies geschieht, welch Karma sie
hat, dass sie niedergebrannt ist. Man ist ihr dankbar, dass sie gebrannt
hat, weil ihr Niederbrennen zeigt, dass sie Licht gespendet hat.
Kann der Mind endlich anfangen, seinen Körper als das zu nehmen, was
er ist, als Kerze, die gerade weil sie verbraucht wird, Licht erzeugt?
112
Krankheit verliert so plötzlich ihre negativen, bewertenden
Assoziationen, Manko, ein Ausdruck einer offensichtlich fehlenden
Harmonie, sondern wird genau zu dem, was die christliche Religion
andauernd einzuhämmern versucht, leider völlig pervertiert, zum
Aufgeben des Körpers.
In der christlichen Mystik ist es der Körper, der leidend ans Kreuz
geschlagen wird, was den heiligen Geist freisetzt, das Licht. Was ist los,
dass wir nicht mit Stolz, mit Bewunderung, mit Verwunderung
umhergehen, für die Tatsache, dass wir eine Kerze sind, die dank dessen,
dass sie den heiligen Geist trägt, verbrennt, niederbrennt. Lieber tun wir
immer so, als ob wir kein Licht möchten, als ob wir den Körper immer
erhalten möchten.
Ein Heiler ist jemand, der ganz bewusst in tiefer Dankbarkeit zu einer
Kerze wird. Und ein Heiler wird dadurch zum Stellvertreter einer
Grundhaltung, die zu zeigen versucht, dass der Körper/Mind ein
Instrument, ein Lichtträger ist. Und das zeigt er eben gerade auch dem
Kranken an Körper/Mind. Die Verhärtung durch die übermässige
Identifikation mit Körper/Mind, die Idee, dass Körper/Mind die
Grundlage darstelle, lähmt, reduziert das Immunsystem.
Wunderheilungen finden immer nach dem gleichen Prinzip statt, sei es in
Lourdes oder in Spitälern und sie ereignen sich öfter als man meint.
Spontane Remission nennt man das dann in der medizinischen
Fachsprache. Wunderheilungen finden ununterbrochen statt und
bestehen aus einem einfachen Grundsatz: ein plötzliches Erkennen, dass
ich fortwährend gegen die Kerze gekämpft habe, indem ich versuchte
habe, das Licht auszulöschen, weil ich weiss, dass die Kerze
niederbrennt, wenn das Licht brennt.
Der andauernde Kampf gegen Körper/Mind ist die einzige wirkliche
Krankheit. Der pausenlose Kampf gegen Körper/Mind ist das einzige
Risiko, dass nicht stattfinden kann, was präventiv überhaupt möglich ist,
und im Fall einer schon ausgebrochenen Krankheit – nicht aufgrund des
dauernden Kampfes, sondern weil sie auch sonst ausgebrochen wäre –
eine kleinere Möglichkeit der Heilung besteht.
Krankheit wird es immer geben, sonst gibt es keine Evolution. Die
immer sehr beschränkte mögliche Prävention oder die ein bisschen
weniger beschränkte Möglichkeit einer Heilung beruht auf dem
Aufhören des Kampfes gegen Körper/Mind.
113
Lasst den Körper/Mind Kerze sein. Das Tragen des Lichts ist
tausendmal wichtiger, als das Erhalten der Kerze. Was nützt eine Kerze,
die keine Flamme hat?
Was ist der Nutzen eines Apfelbaums, der sich weigert, Früchte zu
tragen, nur weil er davon ausgeht, dass, nachdem er dann endlich diese
wunderschönen Früchte geschaffen hat, Leute daherkommen und sie
einfach pflücken. Die ganze Natur macht nichts anderes als fortwährend
im Überfluss zu produzieren, mit dem Wissen, dass alles sogleich
weggenommen wird. Und wir? Wir sind die einzigen, die das Gegenteil
machen. Und wenn wir es dann irgendeinmal doch tun, halten wir uns
noch für etwas Besonderes.
Ein Heiler ist eine schnell, intensiv niederbrennende Kerze.
114
Demut – Geduld – Anpassungsfähigkeit
12. Dezember 1995
Jede Methode, jede Technik, jede Philosophie ist nichts anderes als ein
hilfreicher Versuch sich zu orientieren. Zumindest ein Versuchen, etwas
möglichst zu verstehen, das weder das Gehirn noch der Körper und
auch nicht ein Teil des Bewusstseins verstehen können, nämlich das
Formlose, das Nichts, das, was man nicht benennen kann und auch nicht
erreichen kann über irgendeine Definition. Der Vorgang des Heilens
kommt dem im Prinzip am nächsten, weil man auch während des ganzen
Heilungsvorgangs nie weiss, wie das Resultat sein wird. Der Versuch
über eine Technik, ein Modell, Worte, averbale Sprache, etwas zu
erklären, zu verstehen, ist einfach nur eine Möglichkeit, sich festhalten zu
können. Denn zu sehen, dass alles im Nichts endet, in die Unendlichkeit
mündet, bereitet vielleicht nicht einmal Angst, erzeugt jedoch ganz
einfach ein tiefes, endloses Wahrnehmungsloch.
Buddha und die Taoisten gehen dabei am tiefsten und diese Tiefe
besteht in einer Revolution, die evolutionsmässig offensichtlich nie ganz
stattfinden kann. Sie sagen, wenn das Tao formlos ist, unendlich, dann
ist sogar Liebe etwas, das man sein lassen muss, etwas, das eine
Anhaftung, eine Form beinhaltet.
Der Mind sagt, wenn ich mich bemühe aus Aggression, Hass, Angst
herauszugelangen, muss doch die Zielsetzung zumindest Liebe sein. Und
Lao Tse sagt, nicht im Tao Te King, sondern in noch älteren Schriften,
Liebe und Hass sind Formen und die Anhaftung daran muss aufgelöst
werden. Und Buddha sagt: Liebe ist wie eine Blume, die verwelkt ist und
deshalb herausgezogen werden muss.
Sagt man das von Hass, kann der Mind das noch verstehen. Hass,
beobachtet er, schafft Zerstörung, Distanz, Konflikt. Aber Liebe? Basiert
denn nicht alles im Zusammenspiel der Beziehungen auf diesem Wort
Liebe? Erklärt nicht Jesus als oberstes Prinzip: liebe deinen nächsten wie
dich selbst? Und Buddha und Lao Tse sagen, auch dies muss
verschwinden, das Tao kennt keine Liebe.
Eifersucht entsteht wegen Liebe. Das Gefühl, ich werde abgelehnt,
entsteht aus der bevorzugten Liebe zu jemandem. Trauer entsteht wegen
der Liebe. Gestern, morgens um elf, starb die Frau meines Freundes und
er bat mich am Abend vorbeizukommen und noch einmal zu ihr in
Kontakt zu treten.
115
Als ich zur Türe hereintrat, kam die dreizehnjährige Tochter als erste auf
mich zugestürzt und begann herzzerbrechend zu heulen. Sie weinte
nicht, weil sie die Mutter hasste oder Aggressionen hatte, sondern die
Liebe riss ihr fast das Herz entzwei. Das Kind in diesem Gefühlszustand
zu erleben, schmerzte mehr als die Mutter zu sehen, die den Körper
verlassen hatte.
Niemand sagt, die Lösung besteht infolgedessen in Nicht-Liebe. Das
wäre eine logische Schlussfolgerung und Spiritualität kennt keine Logik.
Auf der Ebene von Körper/Mind ist Liebe das einzige Medium, um eine
Balance, eine Harmonie darzustellen. Aber sie erzeugt, wie alles, was in
der Dualität verhaftet ist, was Form ist, auch genauso Schmerz,
Destruktivität. Wieviele Leute bringen sich um, weil die Liebe
verlorengegangen ist? Wieviele Leute werden krank, depressiv, weil sie
das Gefühl haben, ihre Liebe ist nicht mehr geschätzt?
Lao Tse und Buddha sagen, wie alles auf der Welt, ist auch der Körper
ein grandioses Wunder. Niemand behauptet, es sei sinnlos, den Körper
zu pflegen, nur weil er nach fünfzig, sechzig, achtzig Jahren verfällt. Aber
achtet auch auf das, was dahinter ist. Und Lao Tse und Buddha sagen,
das gilt auch für die Liebe.
Jedes Angehaftetsein, auch an das Grösste, auch an das Schönste, auch
an das Beste, ist eine Barriere zum Endlosen, zur Leere, zum Tao.
Der Mind wird dann sofort versuchen, eine Unterscheidung zu finden
und zu sagen, ich kann das, wenn ich tief und ehrlich bin, sehen in bezug
auf eine Liebesstruktur, die der Körper/Mind pflegt, die ja immer ichdu-bezogen ist. Man liebt jemanden speziell, und dadurch sind die
andern eben zu einem Teil ausgeschlossen, beispielsweise die Familie etc.
Aber, sagt der Mind, es gibt doch noch jene Ebene, die von dieser
Bezogenheit losgelöst ist, Liebe an sich.
Liebe an sich gibt es nicht. Liebe ist immer auf etwas ausgerichtet. Dieses
Etwas mag ein Einzelnes oder eine Mehrzahl sein, eine Vielfalt, aber
Liebe ist immer an etwas orientiert, gerichtet. Es braucht ein Zentrum,
zum Beispiel in der esoterischen Sprache das Herzzentrum, und es
braucht irgendwo ein Gegenüber. Das muss nicht ein Mensch sein, das
kann beispielsweise auch ein Gott sein. Und da ein Zentrum notwendig
ist und ein Gegenüber, braucht es Zeit, Raum, und kann demzufolge
nichts mit dem Nichts, mit dem Tao zu tun haben.
116
Betrachtet es aus der Sicht des Sterbens. Sterben ist auch die Auflösung
der Liebe. Als ich gestern abend die Hand dieser Frau hielt, kalt, der
ganze Körper weiss, hat das Energiesystem trotzdem noch immer
pulsiert. Der Ätherkörper hat immer noch die gleiche Bewegung
gemacht, wie Atmen. Man hatte dauernd das Gefühl, sie ist am Atmen
und jetzt wird sie dann sogleich erwachen. Das war so intensiv, dass die
dreizehnjährige Tochter fand, vielleicht ist sie ja gar nicht tot. Vielleicht
haben die einen Fehler gemacht und jetzt meint man nur, sie sei tot. Wir
hatten dauernd das Gefühl, jetzt wird sie sogleich die Augen öffnen und
mit uns sprechen. Der Glanz des Antlitzes, das, wovon wir seit vier
Tagen sprechen, die Ätherkörperstruktur des Gesichts, war noch völlig
lebendig. Der ganze Brustbereich hatte immer noch diese rhythmische
Bewegung des Lebens. Nur floss kein Gefühl mehr. Es ist keine Liebe
mehr zu den zwei Kindern geflossen. Das Zentrum hatte sich aufgelöst.
Der Körper und das Feinstoffliche, die die Gefühle transportieren,
hatten ihren Auftrag aufgegeben. Die Kerze war niedergebrannt und mit
ihr der Transport, die Manifestation des Gefühls. Das Formlose hat
keine Gefühle. Und eigenartigerweise war es gerade diese Aufhebung
von Gefühlen, von Liebe, die diesen heiligen Zustand, diese tiefe,
unaussprechliche Ruhe erzeugt haben. Liebe kennt keine Ruhe.
Religiosität ist losgelöst von Zuwendung.
Sterben ist sich herauslösen auch aus der Liebe. Das Zentrum ist
plötzlich verschwunden in der Ganzheit. Das Angehaftetsein an
Vorlieben, an spezielle Liebesbezüge, an die Liebe zu sich selber, existiert
nicht mehr, und erst in diesem Moment, in dem auch die Liebe wegfällt,
findet die absolute Freiheit statt.
Jeder Sterbeprozess ist eine endgültige Erlösung. Ihr könnt euch das als
Kerze, als Flamme, die Licht erzeugt, vorstellen. Wenn die Flamme
auslöscht und das Licht erhalten bleibt, ist das Erleuchtung. Wenn die
Kerze niederbrennt, die Flamme ausgeht und damit auch das Licht
wegfällt, ist das nicht wirklich Sterben. Das Tao oder wie auch immer
man es nennen mag, hat in seiner Unendlichkeit die Möglichkeit
erschaffen, wenn es uns nicht in diesem Leben gelingt, die Kerze
niederbrennen zu lassen und währenddem die Flamme ausgeht, das Licht
erhalten bleibt, dass sich wenigstens dieser Zustand garantiert beim
Sterben einstellt.
117
Niemand kann wirklich heilend wirken, der den Tod, das Sterben
ignoriert, im Sinne von sehen, dass Sterben die letzte, ultimative
Erlösung ist. Unsere Medizin funktioniert sehr oft falsch, da sie primär
zunächst einmal den Tod verhindern will. Eigentlich sollte sie nicht den
Tod verhindern, was ja sowieso in vielen medizinischen Fällen oft nicht
möglich ist, sondern sie sollte vor allem helfen, falls eine Krankheit zum
Tod führt, dass die Kerze und die Flamme so sterben können, dass das
Licht erhalten bleibt, wenn die Flamme ausgeht. Dass eben das
Bewusstsein erhalten bleibt und dies schon vor dem Tod stattfindet.
Dass jemand, der stirbt, nicht erst nach dem Übergang merkt, dass das
Licht erhalten bleiben wird.
Reinkarnation im Sinne Buddhas ist nicht die Wiedergeburt einer
Persönlichkeit. Im Sinne Buddhas ist Reinkarnation genau gleich wie die
Reinkarnation im christlichen Sinne: das Licht bleibt mit Sicherheit
erhalten, auch wenn die Flamme ausgeht. Die ganze christliche Welt und
Kultur rennt dem östlichen Reinkarnationsphilosophiebild nach, weil sie
sich nicht mit der christlichen Aussage abfinden kann, dass man
irgendeinmal zuerst im Dunkeln ist und darauf das jüngste Gericht folgt.
Und das alles wird angereichert mit dem ganzen Schund mit der Hölle,
was ja ähnlich dem Karmakram beim Reinkarnationsmodell ist, aber die
wirklich tiefe christliche Aussage ist gleich der Buddhas.
Die Seele ist nicht die Flamme, sondern das Licht an sich. Die Flamme
kann ununterbrochen auslöschen auf dem Weg zur Seele. Im Bezug zu
Körper/Mind sind das Krankheiten, Depression, Trauer, Selbstmitleid,
Horror etc. Dennoch besteht die Möglichkeit der Auferstehung des
Lichts. Das jüngste Gericht ist natürlich eine spätere Erfindung, um
Angst zu erzeugen und Macht zu erhalten. Und das jüngste Gericht ist
einfach eine Definition des Karmas. Lässt man dies einfach einmal auf
der Seite, weil Theorien nur Theorien sind, so bleibt einzig übrig, dass
man nie zum Ganzen hinausfallen kann.
Heiler werden nicht besser, aber sie sind anders, intensiver im Moment,
in dem Heilung nicht mehr primär vor allem Überleben sichern soll,
sondern wenn Heilung primär versucht, dass die Seele mehr in
Körper/Mind integriert wird. Ich persönlich habe lieber einen Körper,
der verfällt, als keine Beziehung zur Seele. Wenn ich sterbe, habe ich die
Beziehung zur Seele sowieso.
118
Wäre ich genötigt zu wählen, obgleich ich hoffe, dies nie tun zu müssen,
zwischen einer Beziehung zur Seele in diesem Leben zum Preis eines
schnellen Verfalls des Körpers, oder einem langen, gesunden Leben
ohne Beziehung zur Seele, müsste ich nicht eine Sekunde über meine
Wahl nachdenken. Immer das erste, den Bezug zur Seele. Je länger
Körper/Mind als Träger der Seele, des Lichts gesund und vital bleibt
umso besser als Träger des Lichts. Aber nie und nimmer ein hin und her
ob zehn Jahre mehr oder weniger, wäre der Preis die Verleugnung, das
Tabuisieren, die Beziehungslosigkeit zur Seele.
Kann der Mind verstehen, sehen, erfassen, dass heilend zu wirken auch
hinter die Liebe gehen muss? Kann er sehen, dass jedes Anhaften
Konflikt, Schmerz erzeugt? Dass Anhaften nicht aufgeteilt werden kann
in ein Anhaften, weil es gut ist und ein Nicht-anhaften, sondern
Anhaften an sich ist, Punkt? Kann der Mind sehen, dass vielleicht die
Chance einer Heilung vieler Krankheiten gar nicht in der grösseren
Zuwendung besteht, sondern im Überschreiten dieser Grenze, über die
Anhaftung auch an die Selbstliebe hinweg? Kann der Mind sehen, dass
auch die grösste Form von Mitgefühl einem Heilenden gegenüber immer
noch ein Schatten der Persönlichkeit ist? Kann der Mind erfassen, ohne
in Panik zu geraten, dass ein Vehikel, ein Instrument des Ganzen
werden, bedeutet, auch noch das Mitgefühl hinter sich zu lassen?
Erst in solchen Momenten wie gestern, als die Dreizehnjährige in meinen
Armen herzzerreissend ihrer Verzweiflung, ihrer Trauer Ausdruck gab,
merkt man plötzlich, dass auch totales Mitgefühl, auch das Ganzsein mit
diesem Kind, was einem selbst ja beinahe das Herz bricht, eine
Beziehung zur anderen Ebene verhindert. Erst wieder ruhig zu werden,
leer zu werden, hat mich den Bezug zu der sich verabschiedenden
Verstorbenen wieder herstellen lassen.
Das Tao braucht die absolute Leere, die Absenz jedes Angehaftetseins,
um sich manifestieren zu können.
Wenn der Mind dies auch nur in kleinen Ansätzen sehen kann, verstehen
kann er es sowieso nicht, aber sehen kann, so findet eine innere
Revolution statt. Der nächste Schritt in den evolutionsmässigen
Quantensprüngen vom heutigen Menschsein zu einer anderen Form des
Menschseins beinhaltet, unserer Meinung nach, diesen Sprung aus den
Gefühlen in einen anderen Zustand, welcher diese Leere verstärkt
manifestiert.
119
Und Heilen an sich, auch wenn es uns in diesem Leben nicht wirklich
gelingt, sowie jedes Healing ist ein kleiner Baustein zu diesem
Quantensprung. Und je mehr man während dem Heilen sogar auch das
Mitgefühl, die Liebe sein lassen kann, während dem Heilungsprozess
einen Weg finden könnte, manchmal weniger gut, manchmal besser,
absolut absent zu sein als Zentrum, umso mehr wird zu diesem
evolutionären, revolutionären Quantensprung ganzheitlich ein Beitrag
geleistet. Die Spezies Mensch kann nur überleben, wenn sie auch das
Anhaften an die Liebe irgendeinmal aufgeben kann.
Die Taoisten sagen, es gibt drei Haltungen, die gleichzeitig in Funktion
sein müssen, um dem Mind zu helfen, den wohl schwierigsten Prozess,
das Überschreiten dieser Grenze nicht erst am Ende des Lebens,
sondern auch schon vor dem Sterbeprozess zu vollbringen. Nicht nur
der Taoismus, auch der Buddhismus, auch die christliche Religion
spricht immer wieder von diesen drei Haltungen, die zu den
Grundhaltungen gehören, von denen wir gestern sprachen, und die
spezifisch da sind, um dem Mind zu helfen, diese Leere zu finden.
Die erste Haltung, und das meine ich nie hierarchisch, sondern immer
vernetzt, zusammenhängend, ist Demut, Bescheidenheit.
Der Begriff Demut bedeutet, auch wenn ich mir bewusst bin, dass meine
Liebe bei jemandem etwas bewirkt hat, nichts daraus abzuleiten, keinen
Wert von ich bin gut oder entwickelt oder helfe zu entwickeln. Sondern
zu sehen, dass Liebe als Form auch wieder nur existieren kann dank der
Leere. Wie eine Welle auf dem Ozean nur existieren kann wegen dem
Ozean.
Demut, Bescheidenheit ist der Prozess des ununterbrochenen
Relativierens der eigenen Errungenschaften und der eigenen
Möglichkeiten. Es ist ein andauerndes Realisieren, dass auch die
Qualitätsaura, mein Potential, nichts anderes als ein Überfluss der Natur
ist, die man mir unabhängig von meinem Gefühlszustand zur Verfügung
gestellt hat.
Stolz ist immer die Form, die noch nicht ganz gesehen hat, dass auch
wenn man etwas richtig, gut, schön macht, dies eigentlich nur ganz
natürlich ist. Stolz ist nichts anderes als eine Möglichkeit zu erkennen,
ein Signal der inneren Intelligenz, dass man doch noch nicht ganz
durchblickt, dass man wieder ein wenig angehaftet ist. Ein
wunderschönes Signal, welches die meisten von uns übersehen. Man
kann ja beispielsweise auch stolz auf die eigene Bescheidenheit sein. Die
ganze christliche Religion leidet unter diesem Zustand.
120
Die Sufis würden sagen, Demut ist ein tiefes sich Verbeugen vor Allah.
Demut, Bescheidenheit ist eine der stärksten Hilfsquellen das
Instrumentangehaftetsein immer wieder sein lassen zu können. Man
kann nicht sagen, ich will nicht mehr angehaftet sein. Das Denken kann
viel sagen, was es nicht will. Es braucht eine Haltung, nicht ein Denken.
Und die Haltung von Demut, Bescheidenheit ist das Mittel, Anhaftung
aufzulösen.
Was braucht es weiter? Die Taoisten sagen Ausdauer. Ein eigenartiges
Wort, das zuerst auf der Körperebene als Assoziation Kondition auslöst.
Die christliche Mystik hat nicht von Ausdauer gesprochen, sondern von
Geduld.
Geduld ist der Prozess, sich nicht um Zeit zu kümmern. Um es
hinduistisch auszudrücken, es spielt keine Rolle, ob tausend oder
zehntausend Leben, entscheidend ist, ob irgendeinmal dieser Zustand
entsteht, wenngleich die Flamme ausgeht, das Licht erhalten bleibt.
Unser Zeitalter ist wohl das ungeduldigste Zeitalter, das es je gegeben
hat. Es ist die Ungeduld, welche die meisten Leute zu einer enormen
Destruktivität gegen sich selbst treibt. Wenn sie nicht gleich sofort heilen
können, etwas passiert, dann erachten sie sich als sowieso nichtig,
unwert. Wenn sie ein Problem erkennen und das Problem nicht sogleich
gelöst ist, dann ist sowieso nichts los. Wenn sie nicht in diesem Leben
erleuchtet werden, dann ist das sowieso alles Plunder. Wenn der Körper
trotz aller Anstrengungen zwischendurch einen Grippenvirus einfängt,
dann bin ich sowieso nicht gut genug.
Wir haben uns in einem Raum/Zeit/Gravitations-Phasenfeld
festgefahren, gefangen, welches uns pausenlos das Warten zu einer
Folter macht. Meditation ist nichts anderes als das Instrument der
Geduld. Meditation bringt einen nirgendwo anders hin, da kann man im
Kopf noch so viele wunderschöne Erlebnisse haben. Der einzige Sinn
von Meditation ist, Geduld zu lernen.
Und es besteht kein Unterschied zwischen Geduld, geduldig sein, etwas
an sich herankommen lassen, annehmen. Erst wer Geduld hat, kann
auch in der Haltung, nicht nur als Idee, andere so sein lassen, wie sie
sind. Freiraum entsteht über Geduld, nicht über Ideen von Freiraum
oder Toleranz oder sonstwas. Leere, das Tao kann vom Mind erst erfasst
werden, wenn es auch das Instrument der Geduld beherrscht, warten zu
können.
121
Und auch hier ist es der Sterbeprozess, der in den meisten Fällen, nicht
immer, ein Lernprozess für Geduld ist. Auch als gesund Sterbender, zum
Beispiel aus Altersschwäche, stirbt man nicht einfach. Sogar bei einem
plötzlichen Mord, stirbt man nicht einfach. Man geht durch einen
Prozess. Ablösung des Feinstofflichen vom Körper, dann Auflösung des
Feinstofflichen vom Energiekörper und die Auflösung des
Energiekörpers in das absolut Unpersönliche.
Achtet mal auf das Folgende. Wir sagen, achtzig Prozent aller
psychischen Ängste beruhen darauf, dass die Grundhaltung der Geduld
nicht vorhanden ist. Es ist ein psychologischer Unsinn, mit den Ängsten
zu arbeiten, wenn sie ein reines Symptom von Ungeduld sind.
Die Frage ist nur, wie Geduld entstehen kann, wenn keine Demut
vorhanden ist. Demut impliziert Geduld. Geduld ist die Absenz des Ich,
die Absenz des Bedürfnisterrors, was für einen entstehen müsste und wie
die Dinge zu sein hätten. Gerade Kranke, die zu Heilung kommen,
werden vielleicht nicht geheilt, aber der Schmerz, die Krankheit wird vor
allem einen anderen Stellenwert bekommen, wenn sie die Grundhaltung
der Geduld lernen. Jeder Heiler wird immer wieder in Situationen
kommen, in denen er auf Menschen trifft, besonders wenn er sich einen
gewissen Namen gemacht hat, die erst dann erscheinen, wenn sie sich in
einer Endphase ihres Lebens befinden. Je mehr solche Leute kommen,
umso wichtiger wird das Vermitteln der Grundhaltungen, und dass eben
nicht nur Körper/Mind, sondern auch der feinstoffliche Körper in den
Heilungsprozess einbezogen wird.
Frieden ist allein eine Folge von Geduld. Geduld verhindert das
fortwährende Agieren und Reagieren. Wo dem Körper zugesetzt wird,
wie das in der heutigen Zeit zum Beispiel bei Krebs gemacht wird, durch
ein andauerndes Bombardement mit Medikamenten, Bestrahlung oder
was auch immer, dort besteht das Risiko, dass er sogar noch mehr
verfällt. Wohlverstanden, damit sagt niemand, dass Bestrahlung oder
Chemotherapie nicht probiert werden soll. Solange die Medizin keine
besseren Mittel hat, soll sie die Bestehenden benützen, aber man soll
auch sehen, dass die ungeduldige Erwartungshaltung einen ganz grossen
Teil des Immunsystems blockiert.
Der Mind ist von Natur aus ungeduldig, gehetzt. Und die Taoisten sagen
mit dem Begriff Ausdauer, die Christen mit dem Begriff Geduld, der
Weg zum Tao kann nicht gefunden werden ohne Warten, Geduld.
Meditation ist das Instrument dazu.
122
Der dritte Begriff, den die Taoisten verwenden, und bei dem ein
freiheitlich denkender Mind gleich einen Purzelbaum schlägt, ist
Anpassungsfähigkeit.
Ein Begriff, der heillose Verwirrung stiftet. Soll man sich einem Guru,
einer Idee, einem Modell, einem Staat, einer unfreiheitlichen Ordnung
wie beispielsweise einer Diktatur anpassen? Heutzutage ist es Mode über
Autonomie, Selbständigkeit, Unabhängigkeit zu diskutieren, zu sprechen
und sogar zu behaupten, wenn man autonom sei, unabhängig,
selbständig, sei man entwickelt.
Und da kommt Lao Tse und sagt, die dritte Grundbedingung, parallel zu
Demut und Geduld, ist Anpassungsfähigkeit.
Betrachtet man einmal all die Theorien und Pseudotheorien, vor allem
zu Autonomie, Unabhängigkeit, Selbständigkeit, die in den letzten
dreissig Jahren entstanden sind, sieht man, dass sie in Wirklichkeit nur
ein Versuch sind, unter den Teppich zu kehren, dass man offenbar mit
Beziehungen eigentlich nicht mehr zurecht kommt. Daraus heraus macht
man sich halt am gescheitesten autonom, unabhängig, selbständig, um
entwickelt zu sein. Wirft man alle diese Theorien einmal einfach über
Bord, und fängt mal zuerst beim Gehirn an, ergibt sich folgendes.
Das Gehirn ist ein überaus vitales Organ. Im Gehirn entstehen alle
Funktionen für den Körper. Was macht ein Herz ohne Gehirn? Im
Gehirn entstehen alle Funktionen von Bewusstsein. Im Gehirn läuft ab,
im Gehirn wird übersetzt, ob eine Krankheit überhaupt eine Chance zur
Heilung hat. So merkt man plötzlich, dass das Gehirn, eines der grössten
Wunder im Universum, primär nicht von Wissen abhängig ist. Das
Wissen vor 500 Jahren ist anders als heute, aber das Gehirn hat gleich
funktioniert.
Das Wesen des Gehirns und dessen, was man Intelligenz nennt, liegt in
einer fantastischen Flexibilität, eben dieser Anpassungsfähigkeit. Ein
Gehirn, das nicht anpassungsfähig ist, ist ein totes Gehirn. Das Gehirn
ist eine der flexibelsten Strukturen im ganzen Universum. Intelligenz ist
nicht Wissen plus Umsetzen, sondern Flexibilität. Mit
Anpassungsfähigkeit meint Lao Tse nicht, einmal ein wenig so, das
andere Mal ein bisschen so, wie das die Politiker tun, sondern er meint
etwas, das seinen Ursprung schon im Wesen des Gehirns hat.
Wie kann ein Mind Demut und Geduld haben, wenn er nicht flexibel ist?
Wenn einmal das innere Bild eines Ich aufgebaut ist, welche Chance zum
Tao zurückzufinden, hätte ein Gehirn, das so funktionieren würde wie
der Mind? Das Gehirn lässt ununterbrochen alle Möglichkeiten zu.
123
Obwohl es bei allen die genau gleiche Struktur hat, ist das Gehirn so
flexibel, dass es jedem erlaubt, das zu denken, was er will, und das
Gehirn für jene Zwecke zu benützen, die er wählt. Es unterscheidet
nicht in, wenn du böse denkst oder rassistisch, dann höre ich auf für dich
zu arbeiten, und wenn du brav denkst, bin ich für dich in Betrieb. Das
Gehirn lässt sogar zu, dass man mit Alkohol oder Heroin Milliarden von
Zellen zerstört, und es bleibt trotzdem flexibel in seinem Umgang mit
dem Bewusstsein. Und da das Gehirn in seinem Aufbau eines der
grössten Wunder der Natur ist, wäre es ja nichts als schlecht und recht,
dass auch der Mind vom Gehirn lernt.
Es gibt nichts so flexibles wie die Natur, das Universum. Flexibilität ist
die Absenz einer logischen A zu B-Folge, die Absenz einer Zeitstruktur.
Flexibilität, Anpassungsfähigkeit ist die Aufhebung von Zeit.
Während hunderten von Jahren und auch noch immer in den letzten
zehn Jahren wurde behauptet, dass das Universum expandiert, im
Urknall seinen Anfang und ein gewisses Alter hat. Dank dem HubbleTeleskop wissen wir, dass es Sterne gibt, die älter sind als das Universum.
Da kommt der Mind nicht mehr mit. Aber genau dies ist, was
Flexibilität, Anpassungsfähigkeit ist. Im Prinzip ist Anpassungsfähigkeit
das, was wir gestern und vorgestern unter dem Begriff wertfreies,
urteilsloses Denken beschrieben haben.
Und wieder, wenn ich mich an gestern Abend erinnere, welch
fantastische Flexibilität, welch Wunder, wie sich bei einem zerfallenden
Körper das Feinstoffliche anpasst und auf seiner Reise in eine andere
Dimension Teile zurücklässt, wie eine Rakete, die in den Himmel
schiesst und immer mehr ihrer Teile, welche nicht nötig sind auf ihrer
Umlaufbahn, einfach wegfallen lässt. Welch fantastische Flexibilität eines
Systems, das über Jahre in einem engen Verbund strukturiert war und
sich jetzt ohne Widerstand einfach transformiert, transzendiert, auflöst in
etwas völlig Neues. Damit etwas Neues geschehen kann, ist
Anpassungsfähigkeit eine Grundvoraussetzung.
Anpassungsfähigkeit ist der Prozess, nichts gegenüber, nirgends einen
Widerstand entgegenzusetzen. In Lao Tses Worten: ein fortwährendes
Fliessen mit dem Fluss.
Alle drei Grundhaltungen, Demut/Bescheidenheit, Ausdauer/Geduld,
Anpasssungsfähigkeit/Flexibilität sind miteinander verbunden und
können nicht voneinander getrennt werden. Geduld ohne Demut und
Anpassungsfähigkeit verkommt zu einer Ideologie, Moral. Das gleiche
mit Demut, Anpassungsfähigkeit.
124
Oder sie zerfallen in eine Körper/Mindstruktur, die dann auf einer
Ebene definiert wird, von der die Mystiker überhaupt nie gesprochen
haben: du musst geduldig sein, weil wir, die Kirche recht haben, du
musst dich anpassen, du musst uns gegenüber, weil wir es wissen,
demütig sein. Davon hat kein Mystiker gesprochen.. Das sind nichts
anderes als Versuche von Leuten, die diese drei Haltungen nicht vereinen
konnten, sich selber ein Zentrum, einen Stellenwert zu schaffen, um
daraus irgendwie zu profitieren. Es führt leider allerdings dazu, dass
Millionen von Leuten der Religiosität, den tiefen Sinnweisheiten von
Mystikern skeptisch bis negativ gegenüberstehen, weil sie das Ganze
immer auf einer Ebene interpretieren, wo es gar nicht hingehört.
Heilung ist eine der idealsten Möglichkeiten, um dies zu lernen.
Kann der Mind diese Grundhaltungen entfalten? Geduld/Ausdauer,
ohne die Heilung unsinnig ist. Demut/Bescheidenheit, ohne die Heilung
eine leere Floskel bleibt. Und Anpassungsfähigkeit/Flexibilität, ohne die
Heilung immer ein Resultat verlangt.
Kann der Mind diese drei Eigenschaften anwenden? Um dem zu
Heilenden grundsätzlich als Stellvertreter Hilfe anzubieten und
gleichzeitig im heilenden Prozess andauernd mehr von diesen drei
Grundhaltungen wahrzunehmen, zu sehen, zu erkennen, zu verstehen,
weil sie die Hilfen für den Mind sind, sich auch noch aus dem
Angehaftetsein herauszulösen.
125
Der Energiekörper
13. Dezember 1995
Ausserkörperliches Heilen ist ein Versuch, nicht Körper/Mind mit
Körper/Mind zu heilen, sondern dasjenige Heilung ausüben zu lassen,
das Körper/Mind überlebt. Im Prinzip kann der Körper/Mind
höchstens ein wenig rearrangieren. Aber spätestens beim Tod findet
Heilung nicht mehr über Körper/Mind statt, sondern über die
Loslösung von Körper/Mind. Wenn es eine Ebene gibt, die sich von
Körper/Mind loslösen kann, ist es ja logisch, dass diese Ebene, solange
sie in Bezug zu Körper/Mind ist, eine höhere Schwingung besitzt, höher
nicht wertend gemeint, und demzufolge viel kräftiger, viel intensiver, viel
effizienter auf Körper/Mind einwirken kann, als der Körper/Mind das
selber tun kann.
Der Mind kann tatsächlich den Körper beeinflussen, was zum Beispiel
Hypnose zeigt. Gewisse Körperprobleme bestehen in der Interaktion mit
dem Mind, da Mind/Körper nie getrennt angeschaut werden kann, und
sind über den Mind an sich auflösbar. Der Körper wiederum kann durch
seine Gesundheit einen Einfluss auf den Mind haben. Ein gesunder
Körper gibt dem Mind das Gefühl von Leichtigkeit, gibt dem Mind das
Gefühl, es sei gut. Also hat auch ein gesunder Körper, der sich zum
Beispiel richtig ernährt etc., einen Einfluss auf den Gemütszustand. Aber
dieser Einfluss von Mind auf Körper und Körper auf Mind ist relativ
klein und sehr begrenzt.
Das Feinstoffliche hat schon einen viel grösseren Einfluss und wird von
Körper/Mind auch viel weniger in der Interaktion beeinflusst. Das
Feinstoffliche ist der Ätherkörper und die mentale Aura, in welcher die
emotionale Aura enthalten ist, also Ätherkörper plus Aura.
Die Instanz aber, die weder von Körper/Mind noch vom Feinstofflichen
beeinflussbar ist, die Instanz, welche die feinstoffliche Ebene leitet, ist
der Energiekörper. Der Energiekörper ist die Qualitätsaura plus das, was
sich nicht benennen lässt, das sich umschreiben lässt, aber dessen
Beschreibung nie ausreicht, die Seele.
Der Sinn von ausserkörperlichem Heilen ist, den feinstofflichen Körper
als Vehikel für den Energiekörper zu gebrauchen. So wie Körper/Mind
das Vehikel des Feinstofflichen ist, so ist das Feinstoffliche das Vehikel
des Energiekörpers. Und der Energiekörper ist ein verdichtetes
Phänomen des Ganzen.
126
Im Prinzip kann man sagen, dass Leben durch den Energiekörper
bestimmt wird. Der Sinn des Lebens ist nichts Philosophisches, ist auch
nicht resultatgerichtet, hat nichts zu tun mit Moral, wie man sein müsste.
Das ist alles auch sehr kulturabhängig. Sondern der Sinn des Lebens ist
die Manifestation des Energiekörpers. So wie die Taoisten sagen,
Dualitätsdenken ist krankhaft, spielt auf der Ebene des Energiekörpers
die Intensität keine Rolle. Ob jemand seinen Energiekörper intensiv
einbringt oder nur rudimentär, hat auf dieser Ebene keinen Einfluss,
keine Wirkung, keine Wertung. Es reicht, und das meinen die Mystiker
mit dem Begriff Erleuchtung, wenn der Energiekörper auch nur eine
Sekunde in diesem Leben aufscheint.
Ihr müsst euch dazu einen dunklen Raum vorstellen. Das Geheimnis
eines jeden dunklen Raumes ist das Licht. Wenn das Licht angeknipst
wird, ist das eine Frage einer Hunderstelsekunde. Jeder trägt zur
spirituellen Evolution bei, wenn auch nur für eine Millionstelsekunde das
Licht scheint. Und das Wunder besteht ja darin, dass spätestens beim
Tod diese Millionstelsekunde des Erstrahlens von Licht sich sowieso
ereignet.
Das heisst jeder, der lebt, jeder Mensch, der existiert, ist unabhängig
davon, wie er sich in diesem Leben verhält, ein Lichtträger. Das meint
Jesus mit vergeben, mit den Nächsten lieben. Das meint Buddha mit
keiner Unterscheidung machen zwischen den Menschen und zwischen
ihren Taten. Gewertet in den Strukturen von sechzig Jahren ein
Napoleon, sechzig Jahren ein Hitler, sechzig oder siebzig Jahren ein
Papst, von achtzig Jahren ein Albert Schweizer, hat jemand in diesen
Zeitphänomenen von sechzig oder achtzig Jahren etwas für das Gute
getan, ein anderer etwas für das Schlechte. Diese Wertungen gelten auf
der Energiekörperebene nicht. So wenig wie man einen Apfelbaum, der
zweihundert gute Äpfel trägt und dreissig faule, deswegen abholzt.
Die Summe als Ganzes zählt und nicht der einzelne darin. Obwohl der
Mind sich primär auf das Einzelne, was er sieht, was gemacht wird,
konzentriert. Kein Mensch kann geboren werden, oder es gäbe Geburt
nicht, ohne das Tragen des Energiekörpers und demzufolge ist jeder
Mensch, auch der brutalste, schlimmste, grösste Bösewicht, ein Träger
dieses Lichts. Und das meinen die Religionen mit vergeben.
Die Frage ist nicht, ob man in diesem Leben dieses Licht, diese Energie,
den Energiekörper so intensiv lebt, dass man sagen kann, das war ein
guter Mensch.
127
Aber wenn ich die Möglichkeit, das Glück habe, den Energiekörper
leben zu können, wird das Leben ganz einfach qualitativ besser.
Und was ist, wenn ich nicht Glück habe? Was ist wenn ich unter einer
Diktatur geboren werde, wenn mein Vater gefoltert wird, wenn meine
Mutter vergewaltigt wird, wenn ich in der Idee aufwachse, dass meine
Freiheit wichtig ist, und ich mich deshalb, gezwungen oder nicht,
irgendeiner Organisation anschliesse, die beispielsweiseTerroranschläge
verübt? Als die Israelis in den vierziger Jahren Terroranschläge begingen,
genaugleich wie es heute die Palästinenser tun, sagte man, jawohl, das ist
gut, die machen das, um ihre Freiheit zu gewinnen, oder beispielsweise
auch die Algerier. Und wenn heute andere dasselbe tun, die eben nicht
ins Konzept passen, verurteilt man es als Terror. Das alles ist nur eine
Frage einer lauwarmen Perspektive, eines Standpunktes, von wo aus man
eben gerade blickt. Gott schaut nicht aus einem bestimmten Blickwinkel
oder mit jener Sichtweise, die ihm gerade in den Kram passt. Und weil er
das nicht tut, kann er auch nicht bewerten, wenn jemand dummerweise
in eine Situation hineingeboren wird, in der ihm keine andere Wahl bleibt
als sogenannt böse zu sein, und böse immer beurteilt aus einer
einseitigen Sichtweise des einen Standpunktes.
Gestern haben wir von Demut und Bescheidenheit gesprochen. Alle, die
den Energiekörper ein bisschen bewusster einbringen können, müssten
eigentlich all jenen gegenüber, die das nicht können, mit Ehrfurcht
gegenübertreten, vor allem jenen gegenüber, die in Misere, in Armut, in
Horror leben und trotzdem den Energiekörper noch einzusetzen
vermögen. Wieviele von uns hätten unter diesen Umständen tatsächlich
die Kraft, die Weisheit, den Energiekörper einzubringen?
Die letzte Instanz ist die Qualitätsaura und die Seele. Jedes Wesen ist ein
Träger von Qualitätsaura/Seele und spätestens bei der Befreiung von
Körper/Mind oder beim Wiederzurückfinden zum Ganzen des
Energiekörpers wird das Licht aktiviert.
So sagen die Taoisten: die Verkörperung des Tao besteht in einer Form
von Leichtigkeit und Leben ohne Bindung.
Mit Leichtigkeit ist nicht gemeint, dass man die Dinge leicht nimmt,
sondern Leichtigkeit signalisiert, dass man seinen Körper/Mind, all seine
Ideen, Meinungen, Glaubenssysteme dauernd immer wieder relativiert.
Indem man nach dem hinduistischen Prinzip lebt, hinter die Illusion zu
sehen. Indem man sieht, dass der Körper/Mind ein fantastisches
Instrument ist.
128
Indem man lernt, von anderen einem zugefügte Verletzungen, wenn
beispielsweise jemand sagt, man habe keinen schönen Körper, oder der
Mind, den man habe, sei schon ziemlich gestört, mit Leichtigkeit zu
tragen, statt mit der Illusion zu kämpfen, diese zu einer Realität zu
machen. Es geht trotz allem nicht um den Körper/Mind.
Und Leichtigkeit heisst auch, dass man nicht immer in eine ernsthafte
Urteilshaltung absinkt und meint, man könne sich von anderen
abgrenzen, indem man sich selber als besser, anständiger, moralischer
oder was auch immer definiert. Wer keinen Humor hat und nicht über
sich selber lachen kann, sollte mit Heilen gar nicht erst anfangen. Wer
mit Leuten arbeitet, die möglicherweise sogar sterben, sollte dies nur
dann tun, wenn er trotz allem, trotz aller Schrecken, Trauer, die
Leichtigkeit behalten kann.
Aus der christlichen Tradition gibt es das wunderschöne Gleichnis mit
dem Jünger Petrus, der immer wieder impulsiv Jesus verteidigt, ihn aber
auf der anderen Seite auch verleugnet, und obwohl er ihn die ganze Zeit
verteidigt, auf einer dritten Ebene eine Heidenangst hat, wenn Jesus sagt,
es ist doch kein Problem über das Wasser zu gehen, komm Petrus, los,
raus aus dem Schiff.
Vielleicht hat es diesen Petrus gar nie gegeben. Es ist auch
unwahrscheinlich, dass Jesus, wenn er ein Boot hat, so blöd ist und zu
Fuss über das Wasser geht. Aber Petrus ist das Symbol des Minds.
Dadurch dass er alles verteidigt, muss er auch immer wieder zweifeln
und dadurch, dass er immer wieder zweifelt, verliert er die Leichtigkeit.
Er würde wie ein Stein im Wasser absacken.
Der Mind wird sich nie über Wasser halten können. Der Mind wird nie
surfen können auf dem Ozean der verschiedenen Dimensionen. Und je
heftiger Petrus sich eben da hinein verbeisst, der Mind sich verkrampft,
dass etwas genau so sei, Achtung, das gilt eben vor allem am meisten für
die spirituelle Ebene, dass etwas nur exakt so stimme, und nur wenn man
eben aufs Haar so und so sei, man richtig sei und gut und religiös, umso
mehr verliert er die Leichtigkeit.
Es stellt überhaupt kein Problem dar, auf der Körper/Mindebene einer
Partei anzugehören, eine Ideologie zu vertreten, einem bestimmten
Glaubenssytem anzugehören, beispielsweise dass man Schweizer oder
Amerikaner oder was auch immer sei. Die Mystiker haben nie behauptet,
das sei das Problem. Dies ist so kurzlebig.
129
Ob man jetzt dieser Richtung glaubt oder in diese Richtung, das hat im
Ganzen überhaupt keinen Einfluss.
Gefährlich wird es auf jenen Ebenen, wie bei Petrus, wo es um die Frage
geht, ob die Seele so oder anders ist, ob das Feinstoffliche das oder jenes
macht, ob es Gott gebe oder nicht. Wenn die CVP mit der SVP ein
bisschen herumstürmt, wen kümmert das schon? Aber wenn die
Diskussion beginnt, dass mein Gott besser ist als deiner, dann erst wird
es gefährlich. Der wirkliche Rassismus findet auf der spirituellen Ebene
statt, wo ich meinen Gott verteidige. Mein Wissen über die Seele, meine
Weisheit, mein Modell des Energiekörpers, unsere Heilungsmethode.
Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht zum Petrus wird.
Der Mind verfügt über eine solch fantastische Intelligenz, ist so
blitzgescheit, dass er alles rationalisieren und so erklären kann, dass es
einleuchtend scheint. Und Spiritualität bedeutet, auch wenn etwas total
einleuchtet und jemand kommt, der das Gegenteil sagt, das Gegenteil
anzunehmen, statt das Einleuchtende zu verteidigen.
Das meinen Buddha oder Krishna mit der Idee, dass man seine Feinde
segnen soll. Der liebe Gott, um das in einem christlichen Bild
auszudrücken, braucht unsere Unterstützung nicht. Gott hat unsere
Liebe nicht nötig. Wer sie braucht, ist der Teufel. Und wir, was machen
wir? Wir spielen Petrus. Wir wollen Gott gegen den Teufel verteidigen,
indem wir den Teufel bekämpfen. Wie soll der Teufel, als ein Teil des
Ganzen, die Abspaltung aufheben können, wenn er bekämpft wird?
Leichtigkeit ist das fortwährende, aufmerksame Wahrnehmen, dass alles,
was der Mind schafft, ein wunderbares Gemälde ist. Ein Gemälde jedoch
bleibt ein Gemälde und ist nie die absolute Realität.
Jemand der als Heiler arbeiten möchte und nicht in das Petrussyndrom
fallen will, darf auch keine Bindungen haben. Traurigerweise, weil das
eben üblicher ist, hat die christliche Religion das sofort wieder auf einer
Ebene interpretiert, die mit dem Körper/Mind zu tun hat und sie macht
sich noch heute leider lächerlich und schwächt sich dadurch, dass sie
Bindung auf der Ebene von Körper/Mind verbietet. Niemand hat
gesagt, Religiosität bestehe darin, sich nicht zu binden, zum Beispiel in
einer Partnerschaft.
Ohne Bindung zu leben, hat mit der Körperebene gar nichts zu tun und
auch nicht mit dem Mind. Ein Mystiker könnte so viel Sex praktizieren,
wie er möchte. Das hat überhaupt keinen Einfluss.
130
Sex oder nicht Sex ist eine Diskussion, die ganz einfach auf einer
falschen Übersetzung dieses Gesetzes, eines Lebens ohne Bindung,
beruht. All diese Geschichten über Kundalini, welches erst dann
funktioniert, wenn kein Sex mehr betrieben wird, oder nur noch
sublimiert oder was auch immer, sind Versuche, etwas auf einer falschen
Ebene zu begreifen, da der Mind sich sagt, ich muss es ja dort verstehen,
wo ich es verstehen kann, weil ich auf der anderen Ebene
Schwierigkeiten habe, es zu begreifen.
Ohne Bindung bedeutet ganz einfach, dass man nie versucht, seine Seele
zu einem Besitz zu machen. Nicht weil die Seele sich darum kümmern
würde, sondern weil diese Bindung mit dem Mind gebildet wird und
deshalb den Freiraum des Energiekörpers verhindert. Der Energiekörper
wird so wie in einen Banktresor eingeschlossen, in eine Schatztruhe
gelegt. Mein Energiekörper. Spiritualität muss absolut bindungslos sein.
Aber dies immer nur auf der spirituellen, der Energiekörperebene.
Es gibt kein mein Gott, mein Ganzes, meine Erleuchtung, meine
Heilkraft, meine Weisheit. Ihr werdet auf dieser Welt niemanden finden,
der etwas Neues sagt, sondern immer nur wieder dasselbe in
verschiedenen Modellen, verschiedenen Sprachen ausgedrückt. Das
Ganze kann nie neu definiert werden, sondern es wird immer nur
evolutionsbedingt neu formuliert. Es gibt nichts Neues zu entdecken, es
gibt nichts Neues zu erfahren. Auf dem Weg zum Energiekörper, und
beim Ankommen beim Energiekörper, finden wir alle immer genau das
gleiche, nur wird es ausgedrückt in Millionen Arten verschiedenen
direkten Erlebens.
Wie die buddhistische, wie die hinduistische, wie jede Religion, leidet die
christliche Anschauung unter diesem unsäglich fesselnden, begrenzenden
Gebaren, etwas, das für das Ganze stimmt, zu ihrem Eigentum zu
machen und widerspricht demzufolge dem tiefen Grundsatz, keine
Bindung zu errichten. Nur kann sie diesen Konflikt nicht auflösen.
Andererseits sind all diese Leute, welche die Religionen erschaffen haben
und führen, ja nicht einfach dumm. Und weil sie den Konflikt selber
irgendwo kennen, reduzieren sie ihn einfach auf die Ebene von
Körper/Mind und setzen fest, keine Bindung einzugehen, aber eben
zum Beispiel als Papst, keine Bindung zu einer Frau zu haben. Man sollte
sich schon die Frage gefallen lassen, was eigentlich los ist, dass
beispielsweise so viele Frauen immer noch in der Kirche sind. Es gibt ja
im Prinzip nichts entsprechend Frauenfeindliches wie die Kirche.
131
Der Herr Jesus ist so wichtig, dass ich mich mit keiner Frau einlassen
darf. Gottfeindlicher, Jesusfeindlicher geht es ja gar nicht mehr.
Aber dies ist typisch, weil die Kirchen ja nur Vertreter unseres Minds
sind, für die Art und Weise wie der Mind eben intelligent und gleichzeitig
illusionsschaffend funktioniert. Denn jede Religion müsste sich sofort
auflösen, würde sie Leichtigkeit und ohne Bindung sein auf jener Ebene
realisieren, wo sie hingehören. Erhalten kann sich eine Religion nur,
wenn sie das Gesetz, keine Bindung zu haben, auf eine Ebene
hinunterbringt, welche nur noch auf Körper/Mind zutrifft. Derart kann
sie ihre Spielchen durchführen. Sofern der nächste Papst je erleuchtet
würde, müsste er die Kirche sofort auflösen und würde es auch tun.
Darum werden sich die Verantwortlichen hüten, einen Papst zu wählen,
der erleuchtet wird. Oder, falls das passieren sollte, bringen sie ihn gleich
um. Erleuchtung wird vergiftet. Der Vorgänger des jetzigen Papstes, der
nach kürzester Zeit vergiftet wurde, war am Rand, an der Grenze der
Frage, ob man die Kirche nicht auflösen muss. Früher wurden sie
gekreuzigt. Aber man kann sie auch töten, indem man ihnen Gift in die
Nahrung streut.
Auch diese Leute, wie wir, funktionieren so, wie eben der Mind
funktioniert. Auch wir wissen ganz genau, worum es eigentlich geht, weil
es so offensichtlich ist, dass es sich gar nicht verleugnen lässt. Und um
dem ausweichen zu können, reduzieren wir es auf die materielle Ebene.
Die christliche Religion spricht ja nicht davon, ohne Bindung zu sein,
sondern sie redet davon, in Armut zu sein. Selig sind die Armen. Und die
Kirchenleute werden dann jeweils in einen heftigen Konflikt gestürzt,
wenn man das Gleichnis Jesu anführt, der sich mit einer teuren Salbe
und Öl einreiben liess. Jesus hat mit Besitz, mit Bindung, mit Armut, wie
alle anderen Mystiker primär die andere Ebene gemeint. Man soll nicht
den Besitz anhäufen von ich und mein, nicht den Besitz auftürmen von
ich habe es erfasst, ich habe es erfunden, ich besitze Gott. Dem
Universum ist es völlig egal, ob man fünfzig Millionen oder nur zehn
Franken auf dem Bankkonto hat. Das Universum weiss sowieso nicht,
was es mit diesen fünfzig Millionen anfangen soll. Und es weiss auch
nicht, was es mit den zehn Franken soll.
Und wiederum wird alles einfach auf eine Ebene verfrachtet, wo es keine
Konsequenzen verlangt. Habt ihr schon einmal eine arme Kirche, eine
arme Religion gesehen? Die Anhänger sollen wenn möglich arm sein,
zum Profit ihres Seelenheils, aber die Religion scheffelt ihren Besitz.
132
Auch dort ist sie wieder nur ein Spiegel unseres eigenen Minds und weiss
ganz genau, dass es ja überhaupt nicht um diese Armut geht.
Armut bedeutet, wie im Gleichnis vom Samariter, wenn jemand immer
wieder erkennnt, dass der Körper/Mind nur einen beschränkten
Reichtum darstellt. Armut bedeutet das Wahrnehmen, dass Reichtum
nicht in einer Personifizierung, sondern in einer Auflösung des
Persönlichen besteht. Und auch wenn dies geschieht, ist eben Armut,
weil es dann nichts mehr gibt, das nicht geteilt ist. Ganz sein ist ein
Prozess von ununterbrochenem Teilen. Das Universum ist ein Überfluss
des Teilens.
Und dies ist das Grundprinzip von allem. Was nützt es mir zu wissen, ob
dieser Gott oder jener Allah das Entscheidendste ist? Was bringt es, ob
das Feinstoffliche sieben Chakras oder acht Chakras hat? Was nützen all
die schönen Theorien, das Wissen, ob der Energiekörper jetzt die
Qualitätsaura plus Seele ist oder völlig andere Namen hat, atman,
brahman, was auch immer, das höhere Selbst? Das Universum fragt
nicht, ob das ein Apfel- oder ein Birnbaum ist. Das Universum wird
angetrieben vom Teilen, Ausdrücken.
Und das Wichtigste, was man teilen kann, um das wieder in einer
Symbolsprache zu sagen, ist das Licht. Der Energiekörper, das Ganze, ist
das Phänomen vom Sehen, vom Wahrnehmen, Licht.
Darum sagen die Taoisten, die Verkörperung des Tao ist nicht
Unterscheidung, ist nicht Werten, sind nicht Theorien, sondern das Licht
in die Welt zu senden. So wie Jesus in seiner Sprache gesagt hat: geht
und seid Fischer. Sendet das Licht. Das Licht ist einfach das, was man
ist, wenn man aufhört zu unterscheiden, wenn man aufhört, Widerstand
zu machen, wenn man von den Grundhaltungen ausgeht, von denen wir
in den letzten Tagen gesprochen haben.
Im Gesetz der Anziehung wird man immer genau dort hinkommen, wo
Licht nötig ist. Glücklich sein, besteht nicht darin, dass man isoliert ist
von denjenigen, die unglücklich sind. Das Paradies besteht nicht aus
einem Ghetto von weissen Reichen und darum herumliegenden Slums
mit Schwarzen.
Wie das Universum besteht das Paradies in der Möglichkeit, jeden Tag
die Chance zu erhalten, teilen zu können, das Licht teilen zu können.
Glück besteht in der Möglichkeit, dass man immer wieder, wo immer
man hinkommt, in Bezug kommt zur Möglichkeit, das Licht ausdrücken
zu können.
133
Und umgekehrt, davon ausgehend, was wir diese Woche von Annehmen
gesagt haben, wird man im Gesetz der Anziehung andauernd auch in
Situationen kommen, wo man das Licht annehmen könnte.
Alles ist eine Frage des Lichts. Es handelt sich darum, das Licht in die
Welt zu senden. Und je mehr ich meinem Körper/Mind die Möglichkeit
gebe, ein Vehikel zu sein für das Feinstoffliche, und je mehr ich meinem
Feinstofflichen die Möglichkeit gebe, ein Vehikel zu sein für den
Energiekörper, umso differenzierter ist meine Anziehung. Und so bin
ich in einem dauernden Bezug zu den Möglichkeiten, zwischen teilen
können und annehmen können, zwischen ausdrücken und empfangen,
immer im Bezug zum Licht sein.
Je mehr ich ein Vehikel werde, umso mehr lebe ich nach dem obersten
Prinzip. Denn das einzige, das heilt, egal welche Ebene, ob feinstoffliche,
ob Mind, ob Körper, ist die Seele.
Ausserkörperliches Heilen ist in diesem Sinn wesentlich ein Dienst an
einem selbst. Der Klient wird sozusagen zu einer Entschuldigung für die
Möglichkeit, über den Bezug zum Energiekörper sich selber zu heilen.
Wer das so zu sehen beginnt, bei dem hebt sich plötzlich auch die
Distanz, die Dualität zwischen dem Heiler und dem zu Heilenden auf,
sie verschmilzt zu einem Ganzen, zu einer Einheit.
Das oberste Prinzip des Universums, Allah, Gott, Jehova, Atma, oder
wie immer man es nennen mag, ist Verschmelzung, nicht mehr ein
Wahrnehmen von zwei, sondern das Erleben eines andauernden
Prozesses von eins sein. So wie das Licht selbst auch nicht in finster und
hell gespalten ist. Wenn es eingeschaltet ist, leuchtet es einfach hell.
Das Tao ist im Prinzip immer das, was man ist. Wie man es allerdings
sieht, hängt von Körper/Mind ab. Wie ich einen erleuchteten Raum
wahrnehme, hängt von meinem Gehirn ab. Aber die Erleuchtung, das
Licht an sich, macht die Wahrnehmung erst möglich.
Ausserkörperliches Heilen ist ein einfacher, bescheidener Versuch,
immer wieder zu realisieren, dass man im Licht steht und selber ein Teil
dieses Lichts ist.
134
Die Seele
4./5. November 1995
Bis jetzt haben wir gesagt, dass Körper/Mind – die sowieso nicht
voneinander trennbar sind – plus Aura – bestehend aus Ätherkörper,
emotionaler und mentaler Aura – und dem gegenübergestellt die
Qualitätsaura und das, was mehr ist, die Seele – Qualitätsaura und Seele
bilden den Energiekörper – eigentlich das Grundthema aller andern
Themen ist. Wenn man das versteht, verstehen im Sinne von eine
Beziehung dazu haben, nicht als intellektuelles Verständnis, lösen sich
alle andern Probleme, Schwächen. Die Qualität des Lebens verändert
sich. Die Probleme verschwinden nicht einfach, die Schwierigkeiten
lösen sich, indem sie transparenter, klarer, sichtbarer werden und
dadurch, da sich die Beziehung verändert, verlieren sie ihren Stellenwert.
Das gilt nicht nur für dieses Leben, sondern eben auch wenn es zum
Tod kommt. Obwohl wir ja nur mehr oder weniger darüber spekulieren
können, was nach dem Tod ist, scheint es uns doch wesentlich, dass man
immerhin mit dem Tod so vertraut ist, dass dieser Übergang in die
andere Ebene, gewisse Leute nennen es die geistige Welt, – falls es sie
geben sollte – so optimal ist, dass man eben auch auf dieser Ebene, wenn
sie existiert, etwas anfangen kann.
Wir haben gesagt, da man Seele nicht an sich definieren kann – sie ist
unendlich, nicht fassbar – ist die erste Voraussetzung, dass die
Perspektive von Körper/Mind/Aura ihre Wichtigkeit verliert, dass ein
Wechsel der Perspektive stattfindet, eine Stellenwertveränderung von
Körper/Mind/Aura zur Qualitätsaura, zur Seele.
Wir haben ausserdem gesagt, dass eines der Probleme darin besteht, dass
Körper/Mind/Aura immer auf Erfahrung aufbaut, also auf Zeit,
Geschichte, und deshalb, wann immer er in Kontakt kommt mit dem
Energiekörper daraus sofort auch eine Erfahrung ableiten will, eine
Geschichte. Das führt zu einer Personifizierung, einer Identifikation –
jede Identifikation ist der Prozess von Besitz – und gerade dies reduziert
die Möglichkeit einer Beziehung zur Seele.
Weiter haben wir gesagt – und da wollen wir weiterfahren – dass die
Seele die Instanz ist, die immer wahrnimmt. Was immer ich mache, da ist
immer ein Beobachter, der beobachtet, was ich mache, und wiederum
ein Beobachter, der beobachtet, wie diese Beobachtung beobachtet, was
ich mache.
135
Das heisst, nicht nur nehme ich wahr, was in meinem Körper, in
meinem Mind, in meinem Denken abläuft, sondern ich nehme auch
immer wahr, dass ich gewahr bin, was abläuft, und das ist die Seele.
Man kann also sagen: die Seele ist immer der Beobachter, der den
Beobachter beobachtet, eine unendliche Struktur, nie fassbar.
Wenn ich sage, ich will das beobachten, so ist sofort etwas da, das
beobachtet, wie ich das beobachte. Andere Leute haben das den Zeugen
genannt, manche haben vom transparenten Auge gesprochen. Es ist das
Unendliche, das nicht Angreifbare, nicht Verletzbare, das, was immer
noch als Instanz vorhanden ist, auch wenn die Persönlichkeit wegfällt.
Wir haben auch gesagt, dass man beispielsweise den Körper ohne
Körper wahrnehmen kann. Man benötigt den Körper nicht unbedingt,
um den Körper wahrzunehmen, wie das in vielen Fällen von near-deathexpieriences, von Nahtodeserfahrungen dargestellt wird. Man kann sich
ausserhalb des Körpers erleben und die Instanz, die sich ausserhalb des
Körpers erlebt, erlebt diese Wahrnehmung auch wieder: eine Instanz, ein
Beobachter, der auch wahrnimmt, dass man ausserhalb des Körpers
wahrnimmt, wie der Körper ist.
Das klassischste Beispiel ist die Aussage von Mystikern über die Leere.
Sie gehen durch einen Prozess und beschreiben nachher, sie hätten Leere
erlebt. Wenn diese Leere absolute Leere wäre, könnten sie nach dem
Prozess der Leere nichts darüber aussagen. Sie können aber beschreiben,
dass sie absolute Leere erlebt haben.
Wir haben gesagt, diese Instanz, die Seele ist unsterblich, unendlich, ist
ein Prozess, der sich nicht immer erinnert, der sich nicht immer definiert,
und der sich nicht immer interpretiert oder das gar nicht zu tun vermag.
Dieser Beobachter, dieser Zeuge, das transparente Auge, dieser Teil, um
die alte Sprache zu verwenden, von Gott, das, was alles wahrnimmt, das
Omnipotente, in der modernen Forschung spricht man vom OmegaPunkt, das, was man also als Seele umschreibt, ist gekennzeichnet durch
drei Charakteristika.
Wohlverstanden, das sind Umschreibungen, eine Hilfe für
Körper/Mind. Die Seele umfasst natürlich immer viel mehr als diese drei
Charakteristika, und gleichzeitig besteht sie überhaupt nicht aus ihnen.
Es bleiben reine Versuche, um dem Körper/Mind eine Hilfe zu geben,
den Energiekörper zu verstehen. Ungefähr so, als hätte man eine
Landkarte, auf der Paris eingezeichnet ist, und man deshalb weiss, wo
sich Paris befindet, was aber über Paris noch gar nichts aussagt.
136
Man darf also die Landkarte nicht mit der Realität verwechseln, die
Landkarte kann aber eine Hilfe sein sich zu orientieren.
Diese drei Charakteristika der Seele sind Potential, Mitgefühl und Sein.
Wir wollen sie untersuchen in Bezug zu Körper/Mind. Und wenn ich
Körper/Mind sage, schliesse ich auch immer die Aura ein, beschreibe
das jetzt aber einfach unter dem Begriff Körper/Mind.
Der Begriff Potential impliziert etwas, das auf die Zukunft ausgerichtet
ist. Wenn Seele Unendlichkeit ist, dann ist Potential die endlose
Möglichkeit. In der ganz alten buddhistischen Literatur hat man das den
Leuten symbolisch näherzubringen versucht, indem man gesagt hat – die
Anthroposophen haben das dann übernommen und vor allem die
Teosophen haben es zu einem System ausgebaut – dass man alle
Möglichkeiten, die das Universum bietet, durchläuft, vom
Mineraliensein, zu Pflanzen, Tier, und dann alle Phasen des
Menschseins, einmal ist man ein Mörder, einmal ein Erleuchteter, einmal
ein Bauer, einmal ein Mediziner, etc...Das darf man natürlich nicht allzu
sprichwörtlich nehmen, sondern es ist eine wunderschöne, symbolische
Aussage darüber, dass man alles beinhaltet. Jedes von uns könnte
tatsächlich ein Mörder sein.
Wieviele von uns würden sich ruhig, friedensliebend verhalten, wenn wir
zum Beispiel an einem Ort wie Bosnia aufwachsen würden? Wieviele
von uns wären wirklich tolerant, so wie wir es zu sein meinen, wenn wir
in Uganda oder Äthiopien lebten? Wieviele von uns sind jetzt zum
Beispiel empört, dass gestern abend der israelische Premier Rabin
erschossen wurde und behaupten jetzt natürlicherweise, wie schlimm das
ist, dass dieser extreme, orthodoxe Jude, der Grossisrael will, denjenigen
erschiesst, der Frieden zu machen versucht, aber wie würden wir uns
wohl verhalten, wären wir in solch einer Siedlung aufgewachsen?
Das Prinzip sagt ganz einfach, dass es simpel ist, andere zu verurteilen,
wenn man nicht in den gleichen Schuhen steckt. Was nicht heisst, dass
man nicht Standpunkte beziehen soll. Aber gleichzeitig bedeutet es, wie
es das schöne Bild von Jesus ausdrückt, dass der, und nur der, den ersten
Stein auf die Prostituierte werfen soll, welcher selber nicht gesündigt hat.
Zwischen einem Standpunkt beziehen und Verurteilung besteht ein
wesentlicher Unterschied.
Und es sagt, noch viel wichtiger als die Verurteilung anderer, schränkt
die Verurteilung von einem selbst die endlose Möglichkeit eben ein.
137
Wann immer ich über mich ein Urteil fälle, begrenze ich die endlose
Möglichkeit, das heisst, ich reduziere die Beziehung zur Seele. Ohne
wenn und aber, es spielt keine Rolle, ob ich dieses Urteil rationalisiere,
indem ich sage, diese Besonderheit schadet mir, oder diese oder jene
Charaktereigenschaft ist einfach nicht gut und muss geändert werden, die
Verurteilung ist ein weiterer Stein in der Mauer gegenüber der Seele.
Die endlose Möglichkeit, repräsentiert von der Qualitätsaura, die eben
nicht persönlich ist – sie hat einen persönlichen und einen
unpersönlichen Anteil – impliziert ja, dass trotz aller sogenannten
Schwächen, die immer nur aus einer bestimmten Perspektive beurteilt
werden, alles andere enthalten ist, nämlich auch alles Gute.
Verurteilen verhindert aber die Freisetzung der Energie für das
sogenannte Gute. Und die Beurteilung des sogenannt Guten als gut,
verhindert wiederum die endlose Möglichkeit. In dem Moment, in dem
ich mich gut finde, ist die Liebe schon weg. Beispielsweise leiden
Beziehungen darunter, dass nach einer ersten Phase des Verliebtseins
und des Liebens immer mehr Definitionen wichtiger werden, wie gut ich
bin und dass der Partner dies nicht sieht und umgekehrt. Liebe hat weder
mit einer Wertung von gut noch von schlecht etwas zu tun.
Potential, die endlose Möglichkeit, als erstes Charaktermerkmal der
Seele, verlangt eigentlich folgende Einsicht: was immer geschieht, ob gut
oder schlecht, ich sollte damit keine Wertung verbinden. Buddha
umschreibt das mit dem Begriff tathata, suchness, So-Sein.
Als Prozess betrachtet, ist es das Negieren von etwas. Es bedeutet immer
wieder zu erkennen, dass auch die momentan stattfindende Aktion
wahrgenommen werden kann. Nehmen wir einmal eine sogenannt
schlechte Aktion an, ihr werdet aggressiv und schlagt eure Partnerin.
Wann immer diese Aktion auch wahrgenommen wird, und ich mir jetzt
der Wahrnehmung dieser Aktion bewusst bin, was heisst, dass ich also
die Instanz wahrnehme, die sich dieser Aktion bewusst ist, dann
passieren eigenartigerweise zwei Dinge. Das erste drückt das christliche
Prinzip aus: durch das Wahrnehmen dieser Aktion wird diese
aufgehoben. Und zweitens: je intensiver diese Wahrnehmung ist, also je
stärker die Beziehung zur Instanz, die wahrnimmt, was ich mache, umso
weniger Energie hat diese Aktion, und das heisst, sie findet mit der Zeit
gar nicht mehr statt. Es entsteht vielleicht im dümmsten Fall noch Wut,
aber sie hat keinen Ausdruck mehr.
138
Alle religiösen Bewegungen und auch die modernen Religionen kommen
ja immer wieder zum gleichen Schluss. Wenn ich meine Aktion einsehen
kann, dann wird das Erkennen davon zur Auflösung führen. Buddha hat
nie gesagt, Karma werde weitergetragen, solange man nicht vollkommen
sei. Er hat nur gesagt, Karma wird solange getragen, als man blind
bezüglich seinen Aktionen ist.
Die endlose Möglichkeit ist das Erkennen, dass alle meine Aktionen, ob
gut oder schlecht, schliesslich unter einem Prinzip agieren, nämlich unter
dem Prinzip der Instanz, welche die Aktion beobachtet, und dass die
Aktion, die Handlung, ob gut oder schlecht, ihre Kraft, ihre
Persönlichkeit verliert, im Moment, in dem die Instanz wichtiger wird als
die Aktion.
Wer kann schon beurteilen, was wirklich gut und schlecht ist? Der erste
Satz, den Rabins Mörder gestern sagte, war nicht,
«welchen_Mist_habe_ich_gebaut», sondern !Syntaxfehler, « Für ihn ist
das eine gute Aktion.
Wieviele Dinge erachten wir als gut, die sich vielleicht nach einem
längeren Zeitraum überhaupt nicht als solche herausstellen. Sicher... das
Schlechte verurteilen ist enorm gefährlich, weil es eben das Fenster zum
Energiekörper zuschliesst, aber genauso gefährlich ist es, sich am Guten
festklammern zu wollen. Auch dies beinhaltet eine Beurteilung.
Der Mind wird nun sagen – das liegt in seiner Natur – das kann ich ja
noch verstehen, aber mir ist nicht begreifbar, wie man das umsetzt. Wie
kann man ohne Aktion von gut und schlecht sein? Wie kann man, in den
buddhistischen Worten, tun im nicht-tun, handeln ohne zu handeln, wu
wei?
Wie kann man tun ohne zu tun? Im Hinduistischen wird es mitgeteilt in
dem wunderschönen Beispiel von Krishna und Arjuna, in dem Krishna
Arjuna auf das Schlachtfeld führt und Arjuna ihn verzweifelt fragt, was
soll das, du predigst doch immer Liebe und jetzt soll ich auf dem
Schlachtfeld kämpfen, und Krishna ihm antwortet, hast du es immer
noch nicht begriffen...Oder der Spruch Jesu, ich bin nicht gekommen
Frieden zu bringen, sondern das Schwert...
Alles wunderschöne tiefe Symbole für das Koan vom Handeln im Nichthandeln. Der Mind handelt oder handelt nicht, aber er versteht nicht, wie
man handeln kann im Nicht-handeln oder nicht handeln im Handeln.
Das zweite Charakteristikum der Seele hat mit dem Vorangegangenen zu
tun. Es ist das Prinzip des Mitgefühls. Mitgefühl, compassion, ist nicht
das gleiche wie Liebe.
139
Liebe aktiviert eine Handlung. Ich möchte dem Menschen, den ich liebe,
etwas Gutes tun. Ich möchte aber auch etwas zurück. Die meisten von
uns lieben nur solange, als auch etwas widergespiegelt wird. Ich habe bis
jetzt noch keine Beziehungen gefunden, ausgenommen neurotische, wo
einer liebt, obwohl er vom andern nichts erhält.
Mitgefühl beruht auf einer völlig anderen Basis. Mitgefühl ist die Absenz
von Handlung, von Verhalten und die Absenz von Zeit. Liebe ist
zielorientiert, resultatorientiert, will Lustgewinn. Mitgefühl ist nie
resultatorientiert und demzufolge auch nicht handlungsorientiert. Der
Begriff Mitgefühl, zusammengesetzt aus Mit und Gefühl, ist viel besser
als der auch verwendete Begriff Barmherzigkeit. Mit jemandem zu
fühlen, setzt keine Handlung voraus. Es ist wie mithören. Ich muss nicht
handeln, um Musik zu hören und trotzdem verändert die Musik meinen
Zustand.
Chuang Tzu, einer der grossen, taoistischen Mystiker, hat das in einem
bezeichnenden Bild beschrieben: Jemanden zu lieben, der hungert,
besteht darin, dass man für ihn fischt, ihm den Fisch bringt,
wahrscheinlich ihn auch noch kocht. Im Unterschied zu jemandem, dem
man Mitgefühl entgegenbringt, dem man zeigt, wie man fischt. Handlung
durch Nicht-Handlung.
Oder ein anderes Beispiel, das Gleichnis des Samariters, das Jesus
gebraucht hat, in einer modernen Form ausgedrückt: Liebe besteht darin,
dass ich jemandem einen Apfel gebe. Mitgefühl zeigt sich, indem ich ihm
den Apfelbaum überlasse.
Es war einmal ein uralter Zenmeister, der in seiner kleinen Hütte lebte.
Eines Nachts geht die Türe auf, ein wilder Räuber steht in der Hütte mit
dem Säbel in der Hand und fordert: gib mir alles, was du hast. Der
Zenmeister entgegnet: nimm, was da ist, ich habe nichts.–.achtet darauf,
der Zenmeister entspricht der Seele, wenn ihr es symbolisch umsetzen
wollt – ich besitze nichts. Frustriert, weil ja normalerweise niemand
stiehlt ohne zu meinen, er benötigte etwas, verlässt der Räuber, nachdem
er sich umgeschaut hat, die Behausung und am nächsten Tag wird er
zufällig andernorts verhaftet und irgendjemand sagt aus, ich habe
gesehen, dass er letzte Nacht auch beim Zenmeister war, worauf der
Zenmeister als Zeuge vor Gericht geladen wird.
Der Zenmeister kommt in den Gerichtssaal, tritt in den Zeugenstand
und bevor der Richter ihn irgendetwas fragen kann, sagt er: Halt, einen
Moment bitte, ich möchte mich beim Häftling zutiefst entschuldigen.
140
Hätte er mir wenigstens vorher gesagt, dass er etwas holen kommt, hätte
ich zumindest etwas erstanden und bereitgestellt. Ich möchte mich
entschuldigen und ich möchte um Vergebung bitten für den Fehler, dass
mein Nichtbesitzen bei ihm zu Frustration geführt hat.
Das ist Handeln im Nicht-Handeln.
Unsere ganze Geschichte, unser sogenanntes Körper/Mind-Bild, besteht
aus Schwächen und Stärken, aus Vorlieben und Abneigungen, Dingen,
die wir nicht mögen, und ist dadurch immer zeitgebunden und
Reaktionen, Handlungen unterworfen. Wir sind gefüllt mit Besitz. Und
wir klammern uns eben nicht nur an die Schwächen, von denen wir
meinen, durch das Klammern, durch ein Verstehen der Schwächen
könnten wir sie auflösen, als ob sie nicht ein Teil des Menschseins wären,
sondern wir klammern uns auch verzweifelt an das, was wir als gut, als
liebenswert, als besonders erachten.
Und genau das erzeugt ununterbrochen Verhalten und Zeit und
verhindert damit Mitgefühl.
Gestern abend in einer Fernsehsendung mit einem Auftritt von Michael
Jackson hättet ihr einen dieser tragischen Zustände beobachten können.
Wie grösser der Erfolg wird, wie stärker die Idee wird, dass ich mein
Gutsein, die Berühmtheit, Erfolg erhalten muss, umso mehr entsteht
Zeit, umso mehr erfolgt ein ununterbrochenes Reagierenmüssen, und
dieses Reagieren hat überhaupt nichts mehr mit einem inneren Impuls,
einer Bewegung aus sich selbst heraus zu tun, sondern ist immer nur
darauf ausgerichtet, wie andere auf einen reagieren.
Erfolg kann, das haben die Mystiker immer gesagt, zu einem der
gefährlichsten Gefängnisse führen.. Damit meint niemand, man solle
keinen Erfolg haben. Niemand sagt, man solle keine Freude haben, wenn
man gut ist. Nur muss man sich des Preises bewusst sein, den man zahlt,
wenn man sich ans Gutsein klammert: Geht man von der endlosen
Möglichkeit aus, wäre erstens vielleicht ja noch viel, viel mehr möglich
als das bereits Erreichte, wobei aber das Klammern die weiteren
Möglichkeiten verhindert. Und zweitens verhindert dieses Anhaften
Mitgefühl, welches ein zeitloses Handeln im Nicht-Handeln ist.
Und damit sind wir schon beim dritten Charakteristikum, neben
Potential und Mitgefühl, das teilweise schon beschrieben ist: Sein,
tathata, suchness. Die Absenz von Anhaften, attachment.
141
So wie Jesus in vielen Punkten tragischerweise missverstanden worden
ist, so ist auch Buddha in vielen Punkten zurechtinterpretiert worden,
damit bestimmte Gruppen, Rituale, irgendwelche Religionsgebilde
aufrechterhalten werden konnten und können.
Einer der wichtigsten Begriffe Buddhas, tathata, und damit verbunden
einer der wichtigsten Grundsätze von Buddhas Lehre, taucht in den
meisten Lehrschulen überhaupt nie mehr auf. Nicht ohne Grund, denn
würde man ihm nachleben, dürfte es auch keine buddhistische Bewegung
geben. Der letzte Schritt und viel wichtiger als das Nicht-Anhaften an
Körper/Mind, an irdische Güter, an Moralvorstellungen ist: sich nicht
mehr an das Bewusstsein anzuhaften, wie es Buddha ausdrückt.
Was würde eine buddhistische Schule tun mit all den Ritualen von
satsan, dass man mit dem Fuss rechts hinein muss und links hinaus etc.,
wenn sie sich direkt mit dieser Aussage Buddhas konfrontieren müsste,
dass der entscheidenste Schritt das Nicht-mehr-Anhaften ans
Bewusstsein ist?
Sein hat mit Bewusstsein nichts zu tun.
Wenn man überzeugt ist, ist es relativ einfach, sich zu lösen von einem
Auto, einem Haus, von irgendwelchen Markenhemden. Wenn es einem
gerade noch in den Kram passt, ist es auch noch einfach zu sagen, ich
gebe das Anhaften an irgendwelche Glaubenssysteme auf, ja vielleicht
sogar an den Körper, an das Ich, dargestellt durch das Gedächtnis. Nur
ist das eigentlich alles Kindergarten. Wirklich ans Lebendige geht es
doch, wenn auch das Anhaften an das Be-wusst-sein transzendiert
werden soll.
Jesus hat den gleichen Begriff, den Buddha prägte, den er vielleicht sogar
von Buddha übernommen und dann in seiner hebräischen Sprache
umgesetzt hat, bildlich umschrieben mit dem Begriff Unschuld. Und er
nahm Bezug auf das alte Testament, dass das Paradies eben ein Zustand
von Nicht-Bewusstsein war. Die Bewusstwerdung hat mit dem Apfel
angefangen. Natürlich sind daraufhin die Frauen schuldig gesprochen
worden. Was ja nur schön vor Augen führt, wie unser Mind sich um alle
Ecken herum betrügt. Beispielsweise hat die ganze feministische
Bewegung in den siebziger Jahren aufgeschrien, welche Ungerechtigkeit
das sei und welche typische Ausgeburt der männlichen Vorherrschaft,
dass Gott eben männlich sei, es könnte sich ja auch um eine Göttin
handeln.
142
Aber zur gleichen Zeit hätten die Feministinnen sich verweigert, hätte
man erklärt, gut, einverstanden, dann gibt es aber auch eine Teufelin.
Beides gehört eben nicht in das Sein, beides ist Be-wusst-sein.
Bewusstsein ist eine Projektion von einem Zustand in einen anderen.
Spätestens wenn ihr sterbt, verliert der Körper sein Bewusstsein. Wenn
ihr es vorher schafft umso besser. Der Mind mit allem, was an
Geschichte und Erfahrung sich angehäuft hat, das heisst Verhalten und
Zeit, lösen sich auf. Also ist spätestens beim Sterbeprozess Mitgefühl da,
sowie Potential und natürlich auch Sein. Und es verliert sich eben auch
das Bewusstsein vom Be-wusst-sein. Das Bewusstsein geht ein in ein
bewusstes Sein.
Es geht nicht mehr um einen Bewusstseinsprozess, sondern es ist ein
bewusstes Sein und das bewusste Sein ist die Instanz, die einfach
wahrnimmt, unabhängig von irgendwelcher Persönlichkeitsstruktur. Die
Mystiker bezeichnen es als bewusstes Sein, als Leere, Tao.
Kann mein Mind diesen Schritt vollziehen? Und nur so ist der Zugang
zum Energiekörper, zur Seele, zu den Qualitäten möglich. Jedes von uns
weiss, wenn ich mir der Liebe besonders bewusst bin, ist die Liebe weg.
Kann mein Mind also diesen Schritt, welchen Jesus und Buddha als
unserer Meinung nach wichtigsten umschrieben haben, vollziehen:
unschuldig werden, sich nicht mehr an das Bewusstsein anhaften.
In der Time Therapie nennen wir das bewusste Absenz. Die Buddhisten
nennen es Samadhi. Die Japaner Satori. Die christlichen Mystiker
Erlösung. In der heutigen Welt spricht man allgemein von Erleuchtung.
Den Begriff Erleuchtung zu untersuchen ist ja ungemein spannend. Man
weiss heute aus der Physik, dass alles auch aus chemischer Schwingung
besteht. Gerade vorgestern hat das Hubble-Teleskop ja neueste,
phantastische Bilder von der Geburt eines Sterns aus einer riesigen
chemischen Wolke gezeigt, bestehend aus elektrochemischer
Schwingung, wie das Gehirn. Jede elektrochemische Schwingung, und sei
sie noch so schwach, erzeugt Licht. Und Erleuchtung ist nichts anderes
als das Wiedererkennen der Ursubstanz, des Lichts. Energie ist Licht.
Potential, Mitgefühl, Sein sind Lichtquellen. Wenn Potential, Mitgefühl
und Sein, also die endlose Möglichkeit, die Absenz von Verhalten und
Zeit – Achtung, schaut vor allem auch auf die Absenz von Zeit – und die
Absenz von Anhaften, die Seele darstellen, bedeutet das folgendes:
143
Es ist etwas, das immer da ist, sich manchmal als Mensch, manchmal
vielleicht als etwas völlig Anderes manifestiert, in einer Verdichtung von
Licht. Wie schwarze Löcher. Astronomisch ausgedrückt sind wir alle
schwarze Minilöcher.
Und Licht-sein ist nicht eine Frage der Entwicklung, nicht etwas, das
man über Stufen erarbeiten muss oder all das Zeug, sondern ein simples
Wiedererkennen, ein Wieder-sein dieses Zustands, der die Ursubstanz
ist, das Tao, oder wie immer man es nennen mag.
Die Seele ist immer am Anfang und nie am Ende eines Prozesses. Und
wenn die Seele, der Energiekörper – die Qualitätsaura plus Seele – immer
am Anfang und nie am Ende eines Prozesses steht, ist es sinnlos, dem
Ende nachzurennen, auf das Ende zuzusteuern, eine Entwicklung
machen zu wollen. Erst die Aufhebung der Idee, dass ich mich
verändern muss, führt zum Wiederentdecken, zum Wieder-sein.
Der Mind wehrt sich mit aller Kraft. Und zur gleichen Zeit hat er ja ein
einfaches, fantastisches Instrument in der Hand, um das alles zu sehen.
Im Prinzip kann man Erleuchtung auf eine ganz einfache Art darstellen.
So wie wir es gestern in den Übungen begonnen haben und was dem
Mind so enorm Mühe bereitet. Erleuchtung ist der Prozess davon, dass
alles immer total über die beobachtende Instanz läuft, und nicht mehr
über die Reaktionen. Nicht mehr das, was reagiert, wird zur
Persönlichkeit. Nicht mehr das, was reagiert, ein Gefühl, eine
Empfindung, ein Gedanke, bekommt den entscheidenden Stellenwert,
sondern immer das, was dies wahrnimmt. Wenn ich einen Baum
anschaue, behaupte ich auch nicht, ich bin der Baum, sondern ich sage,
ich bin das, was den Baum wahrnimmt. Und genauso sage ich nicht, ich
bin das, was diese Schwäche hat. Es ist die Instanz, die die Schwäche
wahrnimmt.
Kundalini, um einen hinduistischen Ausdruck des Energiepotentials zu
nehmen, ist nichts anderes als die Umpolung, weg von Körper/Mind,
fort von der Identifikation mit Körper/Mind und dadurch einem
dauernden Reagieren, zur Instanz hin, welche Empfindungen, Denken,
Fühlen wahrnimmt.
Erleuchtung ist nichts anderes. Es braucht keine Entwicklung dazu. Es
benötigt, wie Krishnamurti so wunderbar immer wieder verzweifelt zu
beschreiben versucht hat, keine Zeit. Aus einem einfachen Grund. Auch
jetzt, so wie ihr dasitzt, ist dieser Zustand immer auch schon vorhanden.
Sonst könntet ihr gar nicht realisieren, dass ihr dasitzt.
144
Die Frage ist nur: wendet sich die Atmosphäre mehr zur Instanz hin
oder bleibt sie mehr auf dem Gebiet der Aktion?
Buddha hat es wunderbar gesagt. Wiedergeburt hört auf durch Handeln.
Es waren erst die späteren nachfolgenden Schulen, die wie die
christlichen auch auf Anhänger angewiesen waren, welche behaupteten,
Wiedergeburt höre auf, wenn falsches Handeln aufhöre. Buddha spricht
nie von falsch oder richtig.
Die Seele zu suchen ist absurd, weil die Seele ununterbrochen dadurch,
dass man überhaupt wahrnimmt, präsent ist. Versucht nicht Seele zu
werden, seid sie einfach. Sucht nicht, sonst werdet ihr nie finden. Seele
ist immer am Anfang und nie am Ende.
Wieso denn, wenn das so einfach ist, ist es so schwierig? Es ist ja nicht
einmal Theorie, weil es alle jeden Moment überprüfen können. Es spielt
ja nicht einmal eine Rolle, ob ihr die schlechteste Person der Welt seid.
Ihr könnt es überprüfen, weil ihr nur wissen könnt, dass ihr die
schlechteste Person seid, weil eine Instanz da ist, die beobachtet, dass ihr
die schlechteste Person seid. Die Seele ist also, ob schlecht oder gut,
immer anwesend.
Wieso ist es dann so verdammt schwierig, einfach in diesem Fluss, in
dieser Atmosphäre der Qualitätsaura, der Seele, des Energiekörpers zu
leben? Besser gesagt, wieso sieht es so verdammt schwierig aus, denn so
schwierig kann es ja gar nicht sein, weil es ja ununterbrochen präsent ist?
Und Gottseidank, spätestens bei eurem Tod werdet ihr darüber lachen,
wie ihr euch Mühe gegeben habt, es verstehen zu versuchen.
Es fragt sich nicht einmal, ob diese Erleuchtung jetzt stattfinden müsse.
Es reicht ja tatsächlich auch noch beim Tod, wo sie hundertprozentig
stattfindet. Aber wieso eigentlich nicht das Leben simpel ein bisschen
einfacher machen, weil die sich entfaltende Qualität sofort einen Einfluss
auf das Ganze hat? Wieso eigentlich warten bis das Instrument
Körper/Mind aufgehoben wird, vergeht?
Wodurch wird die Seele verdeckt – nicht: nicht präsent – einfach
versteckt, verborgen?
Wir sagen, wenn man genau beobachtet, gibt es vier Haupteigenschaften,
die verantwortlich sind, dass die Seele verdeckt ist.
Mit der ersten Eigenschaft haben sich alle Religionen in ihrer eigenen
Sprache auseinandergesetzt. Sogar die moderne Psychologie hat sich
damit beschäftigt.
145
In der Time Therapie nennen wir sie Ich-Wille. Nicht Ego. Ego ist
nichts Schlechtes. Ohne Ego, ohne Mind kann sich nichts manifestieren.
Ich-Wille. Bei Jesus heisst es, dein Wille geschehe.
Die Personen, die noch heute ganz tief gläubig sind, haben es in vielen
Dingen einfacher, als jene, die wie wir, durch das Bewusstsein nicht
mehr so einfach gläubig, blind gläubig sein können. Niemand fordert,
man solle zurückkehren in das alte Muster, einfach unhinterfragt zu
glauben, dass alles, was mir passiert, halt wegen Gott sei, oder in der
moderneren Fassung wegen meines vergangenen Lebens, infolge dem
Abtragenmüssen von Karma. Aber man muss sehen, dass die Idee, dass
das Ich, eben gerade die Seele verhindert. Ich will erleuchtet werden, ist
ungefähr so absurd wie mich verändern zu wollen. Das Ich kann nicht
erleuchtet werden. Ich-Absenz ist Erleuchtung.
Wir beten solange zu Gott, um jetzt einfach diesen Begriff zu nehmen,
als er unsere Wünsche erfüllt und sonst wechseln wir zu Allah oder zu
einer anderen Glaubensrichtung. Ich ist grandios. Ohne Ich kein
Ausdruck. Ohne Ich, das ist Mind, keine Manifestation in diesem Leben.
Wille allein wäre noch in Ordnung. Aber Ich und Wille zusammen
ergeben ein Problem.
Wenn die Seele alle Möglichkeiten enthält, so ist Ich-Wille immer die
Reduzierung all dessen, was noch möglich wäre. Das ist das Problem des
Wählens. Wählen schafft immer eine Minderheit, Wählen schafft immer
eine Dualität. Wenn ich mich für etwas entscheide, kann ich nur wählen,
weil ich dank dem Bewusstsein verschiedene Möglichkeiten habe. Ich
muss mich also zwischen der einen und der anderen Möglichkeit
entscheiden, und das heisst, eine wird immer verworfen.
Liebe, Seele, Mitgefühl, Potential, Sein hat mit Wählen nichts zu tun.
Wille ist der Prozess von Wählen. Der Wille zur Macht, wie die Politiker
sagen würden. Wenn ihr einmal wieder die drei Seiten über Jesu
Kreuzigung lest, und ihr betrachtet sie ein bisschen anders, als ihr es
durch eure Konditionierung gewohnt seid, werdet ihr plötzlich daraus
eine völlig neue, umfassende Ansicht erhalten, welche genauso gut
buddhistisch sein könnte. Den Willen stellt in der christlichen Mystik im
Prinzip der Teufel dar... das Ich, die Verkörperung der Seele... dein Wille
geschehe, die Auflösung über die neutrale Stelle... die Kreuzigung, das
Kreuz ist das Symbol des spirituellen Zentrums... das Auflösen des IchWillens.
146
Wille, Ich-Wille führt immer zu einer Verteidigungshaltung. Eine
Verteidigungshaltung, beispielsweise sich zu rechtfertigen, kann nie nur
den Mind betreffen, sondern sie wird sich auch immer körperlich zeigen.
Körperverspannungen haben in vielen Fällen etwas mit
Verteidigungshaltungen zu tun. Wenn ihr mal nur einen Tag, nur einen
Tag, 24 Stunden, die Bereitschaft aufbringt, euch absolut nie zu
verteidigen, euch nie zu rechtfertigen, ist das ungefähr wie eine
Kreuzigung. Wenn ihr wieder das Osterereignis lest, heisst es nicht: Gott
mein Vater, jetzt tu da etwas, auf keinen Fall gehe ich jetzt da ans Kreuz,
lass mich einfach nach oben schweben, dann glauben sie nämlich auch.
Sondern die Rückkehr zum Himmel, zur Seele findet über die Auflösung
des Ich-Willens statt. Das Kreuz ist ein Symbol, das schon vor dem
Christentum existierte. Es bedeutet die Horizontale und die Vertikale,
die sich in der Mitte treffen, im neutralen Zentrum, im spirituellen
Zentrum. Neutral heisst, weder Ich noch Wille noch Handlung finden
statt. Das hat mit Glaube oder mit irgendeiner indischen GuruPhilosophie, man müsse den Kopf abgeben, wenn man in den Ashram
zum Guru kommt, gar nichts zu tun.
Ich-Wille vernebelt Intelligenz. Je weniger Ich-Wille, umso mehr
Intelligenz. Vitalität ist eine Folge von wenig Ich-Wille. Lao Tse hat das
wunderschön beschrieben mit dem Fliessen. Natürlich kann ich in einem
Fluss nach oben, gegen den Strom schwimmen, das setzt allerdings eine
Anstrengung, einen Kraftaufwand voraus. Diese Kraft ist nicht
vorhanden, um wahllos, ganzheitlich wahrnehmen zu können, weil ich ja
gegen etwas ankämpfen muss. Mit-etwas-fliessen macht, dass ich es
geniessen kann und ermöglicht mir, wahllos das Ganze wahrzunehmen.
Das heisst nicht, einfach blind zu sein wie ein Schäfchen. Sondern
Vitalität entsteht erst da. Jedes sich Wehren, sich Verteidigen,
Rechtfertigen ist Ich-Wille und blockiert meine Vitalität, blockiert
dadurch mein Immunsystem, verringert damit die Aussicht solange als
möglich gesund zu bleiben. Und wenn dann eine vererbte Krankheit
eintritt, und jeder Körper verfällt einmal, wird krank, ermöglicht mir die
Vitalität zumindest mit der Krankheit, auch wenn sie tödlich ist, so
umzugehen, dass die Wahrnehmung erhalten bleibt.
Als zweite seelenversteckende Eigenschaft bezeichnen wir die
Emotionen.
Seit tausenden von Jahren versuchen alle Mystiker und sämtliche
meditative Schulen immer wieder das Prinzip der Aufmerksamkeit, der
Wachsamkeit zu vermitteln.
147
Und das aus einem guten Grund. Jeder Gedanke, jedes Wort erzeugt
eine Schwingung. Im Altertum sprach man dann zum Beispiel von der
Kraft des Denkens, power of the mind. Jede Schwingung hat eine
Bewegung, die im ganzen Energiesystem sichtbar wird. Wenn ich mir
jedes Wortes bewusst bin, was unmöglich ist, aber mal als
Extrembeispiel benützt, dann werde ich mir der Schwingung des Wortes,
des Lichts, der Information, die dieses Wort enthält, bewusst, und diese
Schwingung erlebt man als Gefühl. Ist meine Wachsamkeit, meine
Aufmerksamkeit reduziert, was zum Beispiel durch Ich-Willen geschieht,
selektioniert man und schränkt ein, keine Spur von wunschloser
Aufmerksamkeit. Dann wird diese Schwingung übertragen, bleibt also
nicht in der Wachstruktur verbunden mit der Instanz, die die Seele
darstellt, und manifestiert sich dadurch im Körper, wo sie eigentlich gar
nicht hingehört. Das nennt man eine Emotion.
Machen wir ein einfaches Beispiel. Um Licht zu erhalten, brauche ich
eine Lampe. Damit der Strom zur Lampe kommt, benötige ich eine
Sicherung, die so stark ist, dass der Strom nicht einfach bei der Sicherung
stecken bleibt, sondern sich auf die Lampe überträgt. Der Lampe
entspricht das Gefühl. Die Sicherung ist der Körper. Bin ich nun nicht
aufmerksam genug, überträgt es sich nie zur Lampe, sondern es zerbricht
auf der Ebene des Körpers, bei den Emotionen.
Wo Emotionen sind, könnt ihr machen, was ihr wollt, wenn ihr sie dazu
noch interpretiert und ihnen eine Geschichte gebt, einen Inhalt, wird es
nur noch schlimmer. Emotionen lösen sich nie auf, indem ihr sie mit
einem Inhalt füllt, einem Erklärungsmuster, sondern nur indem die
Wachsamkeit sich verändert. Wenn die Birne ein bisschen Licht erhält,
weil die Sicherung durchbrennt, nützt es rein nichts, sich darüber zu
unterhalten, ob die Lampe wohl in der Fabrik eine Vorgängerin hat, die
Mutter, die schlecht gearbeitet hat. Ihr müsst euch mit der Sicherung
auseinandersetzen. Die Sicherung ist der Wahrnehmungsteil, welcher mit
dem Körper verbunden ist.
Um sich abzubauen, muss jede Emotion, hat sie einmal ihren Anfang
genommen, durch den Körper hindurchlaufen. Ihr könnt sie nicht
stoppen. Sie anzuhalten versuchen, ist eine Unterdrückung und
verhindert, dass der Körper überhaupt regenerieren kann. Wenn ihr so
wollt, ist das eine moderne Erklärung der Psychosomatik.
148
Emotionen nageln einen auf der Körperebene fest, und wir haben
gestern gesagt, dass es genau die Körper/Mindebene ist, welche ihren
Stellenwert verlieren muss, wenn eine Beziehung zur Seele entstehen soll.
Emotionen verhindern dies. Wachsamkeit, Aufmerksamkeit führen dazu,
dass ein Gefühl nicht zu einer Emotion wird. Und gehe ich jetzt dort
noch einen Schritt weiter, was erst möglich ist, wenn ich auch das Gefühl
nur in Bezug zur Instanz untersuche, hat kein Gefühl eine zerstörerische
Kraft, egal welches Gefühl es ist.
Gelassenheit ist nicht eine Folge von Anstrengung, Ich-Wille, sich selber
zusammennehmen. Gelassenheit erfolgt, wenn eine Schwingung im
Kopf frühzeitig wahrgenommen wird, bevor sie sich im Körper als
Emotion manifestiert. Wo Körper und Mind ununterbrochen damit
beschäftigt sind, Emotionen abzubauen, ist kein Platz für Qualität.
Die dritte Eigenschaft, welche hilft, die Seele zu verstecken, ist Stolz.
Achtung, wir sprechen von einem Prozess, nicht von einer
Moralstruktur. Stolz ist der Prozess, das, was man getan hat, zu
personifizieren, zu einem Besitz zu machen. Beispielsweise eine Idee zu
haben und sie nicht mit anderen teilen wollen, weil ich sie als meine Idee
betrachte. Von dort zu Abgrenzung, zu Rassismus geht es sehr schnell.
Stolz ist das Errichten der Ich-Struktur. Von Stolz zu Macht ist nur ein
ganz kleiner Funke notwendig.
Das Gegenteil von Stolz in der christlichen Mystik ist Bescheidenheit. Im
Buddhismus die Wahrnehmung, dass, was immer ich auch tue, ob gut
oder schlecht, nur ein Teilaspekt meines Seins ist. Die alten Ägypter
haben nicht grundlos niemanden zum innersten Kreis zugelassen, der
nicht vorher durch ganz bestimmte Prüfungen hindurchgegangen war.
Diese Prüfungen haben nicht darin bestanden, wie das heute ist, ob man
genau auswendig weiss, wann König soundso gelebt hat oder Pharao
derundder oder welche astronomische Summe dasunddas bedeutet,
sondern sie beruhten primär auf der Frage, kann jemand gut sein ohne
daraus Wichtigkeit abzuleiten. Was sollte Gutsein nützen, wenn
gleichzeitig das Mitgefühl verschwindet?
Und die letzte seelenverdeckende Eigenschaft: Illusionen. Die Anhaftung
an Vorstellungen, wie etwas sei, auch was Seele sei.
Erinnert euch an einen der wichtigsten Grundsätze im alten Testament.
Du sollst dir kein Bild machen. Jedes Bild erzeugt eine Projektion. Dazu
braucht es immer eine Leinwand. Das kann die Natur sein, das kann ein
anderer Mensch sein, das kann der eigene Körper sein.
149
Niemand behauptet, dass man illusionslos leben kann. Wenn das
Potential alle Möglichkeiten enthält, dann ist es unmöglich immer ohne
Illusion zu funktionieren, weil man gar nie wissen kann, wie etwas
wirklich ist. Die Maya der Hindus.
Aber kann ich zumindest sehen, dass alles, was ich sage, auch gerade im
jetztigen Augenblick, eine Illusion sein könnte. Modern ausgedrückt,
erstmals geprägt vom Physiker Heisenberg, eine Wahrscheinlichkeit. Es
existiert nichts, was mehr ist als eine Wahrscheinlichkeit. Wahrheit an
sich gibt es nicht. Jedes Modell, das ich erstelle, auch das jetzige, ist nur
ein Modell und demzufolge eine Wahrscheinlichkeit. Und gross ist die
Wahrscheinlichkeit, dass es eine Illusion ist, weil das Modell nie dem
direkten Erleben entspricht.
Wo ich die Illusion, die Idee, etwas sei genauso, wie ich es erlebe, wie ich
denke, fühle, wo ich diese Illusion festhalte, kann Sein, kann Seele sich
nicht manifestieren.
Zeitlich gesehen ist Körper/Mind natürlich keine Illusion. Aber wie es
Chuang Tzu formuliert hat: woher weiss ich, ob ich nicht ein
Schmetterling bin, der träumt, er sei ein Mensch. Aber wenn man Zeit
weglässt, dann ist tatsächlich alles, was ich jetzt da bin, mache und tue
eine Illusion, Maya.
Was auch immer ich als Körper/Mind empfinde, fühle, sage, ich vermag
dies nur dank der Instanz, welche das wahrnimmt. Und was ich
wahrnehme, Körper/Mind, ist immer einer Wandlung unterworfen. Was
ich jetzt zu sein meine, ist morgen vielleicht schon nicht mehr.
Krishnamurti nennt es das tägliche Sterben. Wir bezeichnen das als
depersonalisieren.
Es ist sinnlos, diese vier Eigenschaften, die die Seele verstecken, IchWille, Emotionen, Stolz und Illusion, nun zu bekämpfen oder zu
verstehen versuchen, wie das gemacht wird. Wenn ihr beschliesst, also
dann versuche ich nicht mehr stolz zu sein, seid ihr später vielleicht stolz
darauf, dass ihr nicht mehr stolz seid. Es ist sinnlos zu versuchen, gegen
die Emotionen zu kämpfen. Das Problem besteht ja darin, dass man
immer versucht Gesetze aufzustellen, im Buddhisimus zum Beispiel der
achtfache Pfad, im Christentum die zehn Gebote, die Bergpredigt.
150
Statt zu sagen, aha dann darf ich keine Emotionen mehr haben, pfui
mein Ich-Wille , es ist nicht gut, wenn ich stolz bin, völlig daneben wenn
ich die Illusionen nicht sehe, ist es viel einfacher, viel schneller, viel
effizienter, den Ich-Willen zu sehen, eine Beziehung zur Instanz zu
haben, die den Ich-Willen wahrnimmt, und er verliert ganz automatisch
an Kraft. Versteckt heisst ja nicht, dass die Seele nirgendwo anwesend
ist. Ich könnte ja über den Ich-Willen nichts aussagen, nichts über den
Stolz und genausowenig über die anderen zwei Eigenschaften, wäre nicht
die Seele, die Instanz, die beobachtet, vorhanden. Moral hat noch nie die
Menschheit verändert. Gesetze haben noch nie Erleuchtung gebracht.
Stufen, Entwicklung ist das Gegenteil dessen, worum es geht.
Sondern wir sagen einfach: die Instanz beobachten und innerhalb dieser
Beobachtung auch darauf achten, dass natürlicherweise über den Mind
Ich-Wille auftaucht, das liegt in der Natur des Minds, und statt diesen zu
bekämpfen, sich auf die Instanz auszurichten. Sehen dass Stolz
auftaucht, und statt zu sagen, das sollte nicht sein, wir versuchen ihn
abzublocken, was bedeutet, ihm mehr Gewicht zu geben als er hat, ist es
einfacher, auf Distanz zu bleiben, sich nicht zu verteidigen. Emotionen,
Illusionen wahrnehmen, ohne darauf zu reagieren. Nie kämpfen, nie
verteidigen, sondern immer mehr Bezug zu dem, was überhaupt macht,
dass man wahrnehmen kann, zur Instanz.
Das gleiche gilt für alle anderen Phänomene, die man als Schwächen
umschreibt. Eine Schwäche kann nur wahrgenommen werden, weil die
Instanz des Beobachters da ist. Und statt sich dann vom Beobachter zu
lösen und der Illusion zu verfallen, mich mit der Schwäche zu
beschäftigen, damit sie sich auflösen könne, sie auflösen zu wollen,
indem ich ihr einen Inhalt gebe, eine Geschichte, also Zeit und Verhalten
verstärke und dadurch Mitgefühl reduziere, ist es direkter, sie mehr aus
der Distanz wahrzunehmen. Immer von dem Prinzip ausgehend, die
Seele ist am Anfang, und nie am Ende.
Das nächste Mal, in einem Monat, werden wir uns über das Folgende
unterhalten: Aus all dem kann man schliessen, dass die Seele Tao,
Mitgefühl, Bescheidenheit und Beobachten beinhaltet. Dass es nicht
darum geht, Körper/Mind abzuspalten, sondern da er Teil des Ganzen
ist, Körper/Mind zu einem Instrument des Energiekörpers zu machen,
auf der Basis von Tao, Mitgefühl, Bescheidenheit, Beobachter.
151
Stärken und Schwächen
16./17. Dezember 1995
Stellt euch einmal vor, ein Wesen von einer andern Galaxie würde auf
dem Planeten Erde landen, hätte keine Instrumente, die messen könnten,
wie unsere Atmosphäre beschaffen ist und es würde vor euch sitzen und
Fragen stellen, telepathisch, und eine der Fragen wäre: Was macht ihr,
dass ihr leben könnt? Und eure Antwort wäre zum Beispiel, zuerst mal
atmen wir. Und das Wesen würde weiterfragen: ich verstehe das nicht,
atmen, was atmen? Und ihr würdet ganz selbstverständlich erklären: ja
Luft atmen wir ein, Sauerstoff. Und das fremde Wesen würde bemerken:
ich hab keinen Schimmer, wovon ihr sprecht, wo, wie, was...?
Und ihr würdet euch bemühen: ja, hier, um uns herum, ganz natürlich,
das ist ein Stoff, den man halt nicht sieht und den atmen wir ein und aus.
Und dieses Wesen würde schlicht nicht verstehen und würde sagen: aber
es gibt ja da gar nichts, ich verstehe, wenn ich euch beobachte, dass ihr
irgendeine Materie, Brot nennt ihr das, esst, dass das offensichtlich euch
ernährt, wie wir Plakta haben, aber ich kann nicht durchblicken, was mit
diesem Atemdingsda ist. Und ihr werdet es ihm zu erklären versuchen.
Wenn ihr Wissenschaftler seid, werdet ihr ihm eine chemische Formel
aufstellen, wenn ihr ein Physiker seid, werdet ihr den Sauerstoff vielleicht
experimentell einfärben. Seid ihr sehr praktisch, werdet ihr einen Ballon
nehmen und den aufblasen und ihn dem Wesen ans Ohr halten und die
Luft herausströmen lassen und es wird den Druck spüren, aber es wird
vielleicht finden, ja das ist irgendeine Magie, da kann man einfach pffffff
machen und dann wird etwas gross und dann wird es wieder klein und
ich spüre sogar etwas, aber man sieht da ja gar nichts. Und ihr könnt
machen, was ihr wollt, es wird immer irgendwo nicht verstehen, solange
es nicht selber auch mit dem Prinzip der Atmung funktionieren würde.
Und es wird dasjenige auch nicht sehen, was das Leben auf diesem
Planeten ausmacht, obwohl es immer präsent ist. Ohne Sauerstoff
funktioniert nichts.
Mit der Seele verhält es sich genau gleich. Sie ist immer präsent. Ein
Ausserirdischer, der die Atmosphäre der Seele, der Seelen wahrnehmen
kann, hätte die gleiche Mühe uns zu erklären, dass dies wie Sauerstoff ist,
dass sie immer da ist, dass es nicht einmal wichtig ist, ob ihr sie seht. Wir
sehen ja den Sauerstoff auch nicht und behaupten trotzdem nicht, weil
ich ihn nicht sehe, atme ich nicht mehr ein, denn da ist ja nichts.
152
Und genauso wie ohne dieses Ein-Ausatmen, ohne dessen Fundament,
dem Sauerstoff, Leben nicht funktionieren kann, zumindest nicht auf
diesem Planeten, genauso kann Leben nicht funktionieren ohne die
Seele. Es ist ein Stoff, eine Substanz. Man atmet sie nicht ein, aber man
schwingt mit ihr. Das ist etwas ähnliches wie atmen, nur nicht auf einer
biologischen Ebene.
Und so wie dies für einen Ausserirdischen fast nicht fassbar ist, so ist es
die schwierigste Aufagabe im Menschsein, diese Ursubstanz, das Tao
wiederzuentdecken.
Einmal passiert es sowieso. Dann, wenn man stirbt. Nur haben alle
Mystiker zurecht gesagt, die Qualität des Lebens besteht natürlich darin,
dass man nicht wartet bis man stirbt. Natürlich kann man das Leben
verbringen, hinduistisch ausgedrückt, wie wenn man eine Nacht in einem
Traum verbringt. Und dann am Morgen erwacht man. Wie man stirbt,
erwacht man und wenn man zurückschaut, kann man natürlich danach,
um das jetzt mal in einem Bild anzudeuten, in der anderen Dimension zu
seinem Therapeuten gehen und erzählen, ich habe da folgendes
geträumt: ich war da auf einer Erde und hatte da eine Familie und
arbeitete da in einem grossen Glashaus...Aber es ist ja sogar mit den
Träumen so. Es wäre viel intensiver und qualitativ besser, man wäre sich
während des Träumens des Traumes bewusst, anstatt ihn nachher
spekulativ zu deuten.
Was auch immer der Sinn des Lebens sein mag, er besteht sicherlich
nicht nur darin, einfach schlafend abzuwarten bis man sowieso wieder in
den Ursprung zurückfindet. Viel spannender, interessanter, und vielleicht
sogar auch noch hilfreicher wäre es ja, wenn man das Leben nicht als
einen Traum lebt, wie ein Traumtänzer, wie Muktananda jeweils bemerkt
hat. Das mag zwar schön sein, ist aber nicht ganz das, was dieses
Wunder Leben ausmacht. Man könnte es wirklich vebinden, mit dem,
was man als Substanz eben ist, Energiekörper, Qualitätsaura plus Seele.
In der Natur des Minds, des Körpers nimmt Schnelligkeit eine
bestimmte Position ein. Der Körper ist ja enorm kurzlebig. Achtzig,
neunzig Jahre sind eine lächerlich kurze Zeit. Im Prinzip eilt der Körper
unheimlich schnell durch das Universum und ist sehr rasch verbraucht.
Es liegt in der Natur der Biologie, schnell zu sein, speedy. Und alle
Mystiker haben immer wieder betont, dass das Gegengewicht zu dieser
Geschwindigkeit, zu diesem Speed, die Langsamkeit sei. Die Zeit
anzuhalten.
153
Die Seele ist unendlich, weil sie zeitlos ist. Etwas, das zeitlos ist,
gegenstandslos, ohne Persönlichkeit kann man nie wahrnehmen
innerhalb von Speed. Entspannung heisst ja eigentlich, dass sich der
Körper mehr Zeit nimmt. Weniger Denken heisst ja, dass sich das
Denken verlangsamt. Alpha-Wellen sind langsamere Schwingungen. Je
mehr wir in unserer Zeit immer zeitfanatischer werden, umso weniger
wird der Anteil der Seele bewusst. Meditation, unterschiedliche
Meditationsformen, waren und sind primär ein Versuch innezuhalten,
Zeit zu bekommen. Die meisten Zivilisationskrankheiten sind
Zeitkrankheiten.
Die Seele als Substanz, welche man eigentlich darstellt, kann nicht
erkannt werden, in einem von pausenloser Geschwindigkeit geprägten
Prozess. Es sei denn – und jedes von uns hat schon einmal erlebt, wie
einen Geschwindigkeit faszinieren kann – es sei denn die
Geschwindigkeit ist auf einmal so gross, dass das Ganze plötzlich wieder
in das Nichts zurückfällt. In der Fliegersprache redet man davon, die
Schallmauer zu durchbrechen, in der Physik vom Quantensprung. Nur
sind das Voraussetzungen die jenseits der üblichen biologischen Norm
liegen. Geschwindigkeit, schneller als Licht existiert. Nur ist unser
biologischer Körper auf Lichtinformation aufgebaut. Und in diesem
Sinne ist es einfacher langsamer zu werden.
Langsamer werden impliziert allerdings Geduld. Ungeduld ist der
Prozess, ununterbrochen in der Zeit verhängt zu sein. Die meisten
Berufe sind Ungeduldsberufe und tragen demzufolge immer auch eine
Gefahr mit sich, krank zu machen. Nicht ohne Grund haben alle
Religionen Tempel, Kirchen geschaffen. Eigenartigerweise sind diese
Tempel und diese Kirchen heute so vollgestopft mit Ritualen, dass man
nicht einmal dort Zeit hat, Ruhe findet. Man geht in die Kirche und es
wird ein ganzes Ritual abgespult. Zwischendurch mal fünf Minuten
beten, dann ein Lied singen, dann wieder ein paar Sprüche...Von Zeit
keine Spur.
Und das alles nur weil der Mind sich so enorm ängstigt, in Zeitlosigkeit
zu fallen. Solange er Zeit spürt, vermag er sich als Identität zu fühlen.
Der Ausserirdische kann nicht verstehen, was Luft ist. Gibt jemand an,
einfach keine Pausen zu finden, dann sagt dieser Mensch immer etwas
über Angst aus.
154
Der Mind möchte dies natürlich lieber anders hinstellen und macht
Sachzwänge geltend. Spätestens wenn man dann auf einem Stuhl sitzt
und meditiert und diese Ruhepausen auch nicht findet, hat der Mind es
am liebsten, vorbringen zu können, ich bin noch nicht geübt genug, oder
diese Philosophie stimmt nicht, oder das gibt es gar nicht, das ist
unmöglich. Statt wahrzunehmen, dass jede entstehende Pause ihn in
Zeitlosigkeit führt. Je mehr dieser Pausen, umso mehr Wegfallen der
Identität. Und es liegt in der Natur des Minds, darauf mit Angst zu
reagieren.
Wir bezeichnen dies als einen der Gründe, weshalb der Mind immer so
stark auf die Schwächen konzentriert bleibt. Nur ist jede Schwäche ein
Hinweis, ein Symptom, eine Manifestation einer Stärke. Es kann gar
keine Schwäche geben, ohne dass sie aus einer Stärke geboren ist. Da die
Stärken nie etwas mit Identifikation, mit einer Persönlichkeitsstruktur zu
tun haben, sondern immer mit der Qualitätsaura verbunden sind,
unpersönlich sind, unabhängig vom Mind, ist es ja logisch
nachzuvollziehen, und auch geschichtlich offensichtlich, dass seit
tausenden von Jahren das Hauptbewusstsein des Minds immer auf die
Schwächen ausgerichtet bleibt. Weil jeder Bezug zu den Stärken die
Identität reduziert.
Es ist ein unglaubliches Paradox, und gleichzeitig ein geniales
Überlebenssystem des Minds. Überleben ist der Prozess von
Identifikation, Abgrenzung. Im Gegensatz zu Ganzheit, welche
Überleben aufhebt. Leben wird definiert durch die Manifestation von
Einzelnen.
Was macht der Mind, wenn jemand stirbt? Er sagt, diese Person existiert
nicht mehr. Die Esoteriker, die Theosophen versuchen das heute elegant
zu umschiffen, über die Runden zu bringen, indem sie die Aussage,
dieser Mensch existiert nicht mehr, in Abrede stellen und stattdessen
erklären, er ist auf die Reise in eine andere Welt gegangen. Schöne
Worte. Dennoch, Tatsache ist, und da dran ändert auch der krampfhafte
Versuch der Reinkarnationsanhänger nichts, Weiterleben zu
propagandieren, wenn der Körper/Mind stirbt, existiert etwas nicht
mehr. Es hat kein Leben mehr, weil die Seele an sich nicht als Leben
definiert werden kann. Tao ist nicht etwas Lebendiges.
Qualitäten, Stärken sind im Prinzip Tore zur Verschmelzung mit der
Ganzheit, zur Auflösung des Individuellen. Würde sich der Mind nur um
Stärken kümmern, würde er seine Abgrenzung verlieren.
155
In der Mystik ist das selbstverständlich das Ziel des Lebens.
Psychologisch, psychiatrisch gesehen ist dies allerdings keinesfalls das
Ziel des Lebens. Dort hat man Ich-Stärke nötig, sollte man autonom
sein, unabhängig. Und das sind alles Phänomene, mit denen die Seele
nicht viel anfangen kann.
Ebenso verhält es sich ja auch auf Körperebene. Wir sondieren dauernd,
wo ein Signal im Körper etwas Negatives ergeben könnte. Wir suchen
also immer Schwächen. So banal das tönt: die wenigsten von uns stehen
am Morgen auf mit einem Glücksgefühl, weil sie nicht krank sind. Ein
Glücksgefühl haben wir höchstens, wenn eine Krankheit überwunden
ist.
Wir ängstigen uns vor den Stärken. Und wenn es nicht wir selber sind,
die Angst haben, so haben wir zumindest Angst, Stärken zu leben, weil
das Gegenüber die Stärke fürchtet. Ihr könnt ein weiteres Mal die ganze
Geschichte betrachten. Wo immer Leute mit Stärken aufgetreten sind, ist
auch die Feindschaft, die Distanz ihnen gegenüber grösser geworden. Bis
zum Extremfall Jesu, der gekreuzigt wird, mindestens symbolisch, ob es
jetzt genau so war oder nicht.
Wir bewundern wohl Leute, die sogenannt Stärken haben. Wir rennen
ihnen teilweise auch nach, aber nur solange, als sie diese Stärken so
verwenden, dass wir davon profitieren können. Im Augenblick in dem
wir das Gefühl haben, wir können von dieser Stärke nicht profitieren,
projizieren wir entweder auf diese Person, dass sie gegen uns ist, uns
ablehnt, oder dass diese Stärken nur eine Illusion seien etc.
Und genau das gleiche macht der Mind mit einem selbst. Zeigen sich die
Stärken nicht sofort in einem Profit, sei es materiell oder geistig oder
spirituell, werden sie sofort wieder angezweifelt, bekämpft. Wer von uns
glaubt es denn schon, falls er/sie irgendeinmal für einen kurzen Moment
in einer dieser Pausen das Gefühl hat, dass eine seiner/ihrer Stärken
beispielsweise Aufmerksamkeit ist? Und wenn sich die Aufmerksamkeit
dann nicht andauernd manifestiert und auch noch Profit bringt, werfen
wir sie gleich wieder weg. Nur, Stärken zeigen sich nicht immer
profitorientiert. Und mit Profit meine ich nicht nur einfach materiellen
Gewinn. Stärken sind sehr oft einfach wie die Luft, wie der Sauerstoff.
Sauerstoff kann man auch nicht einfach verkaufen.
Könnte der Mind nur ein einziges Mal total sehen, dass keine einzige
Schwäche, die ich habe, losgelöst von einer Stärke ist, weil die Schwäche
nur durch die Stärke geboren wird.
156
Wenn er dies nur ein Mal wahrnehmen kann, wird ganz zuerst nicht ein
Glückseligkeitsgefühl entstehen, sondern Angst.
Sieht der Mind es nämlich wirklich, findet er sich plötzlich vor ganz
gewaltigen Konsequenzen. Zum Beispiel steht er vor der Konsequenz,
dass er niemanden auf der Welt für seinen Zusatnd verantwortlich
machen kann. Er kann niemandem auf der Welt für die sogenannten
Schwächen die Schuld zuweisen. Er kann sich nicht einmal über diese
Schwächen definieren. Schwächen geben uns ja fortwährend die
Entschuldigung, uns nicht einzubringen, uns nicht auszudrücken,
abzuwarten, auf das Morgen zu verschieben.
Wenn ich jetzt plötzlich sehen würde, dass jede Schwäche geboren wird
aus einer Stärke und ich mich deswegen nicht mehr zurückziehen kann,
würde ich plötzlich wahrnehmen, dass die wirklich einzige bestehende
Sünde, diejenige ist, mein Wesen, mein Potential zurückzuhalten mit
meinen Entschuldigungen wegen meiner Schwächen. Es ist ja gar nicht
so wichtig, wieviel an Potential ich einbringe, sondern nur dass ich mich
überhaupt einbringe. Die christlichen Mystiker haben das mit dem
Begriff Dienen umschrieben. Teilen, Mit-Teilen.
Gibt es etwas, was wirklich mehr Angst macht, als sich einfach so
einzubringen?
Die Seele wird andauernd ignoriert, weil man in der Illusion lebt, sich
einzubringen sei gefährlich. Logischerweise ist es gefährlich. Einbringen
bedeutet ja, dass ich einen Teil meiner Identität verliere. Man tut so, als
wäre man eine Welle, die immer diese Welle bleiben kann, obwohl man
natürlich weiss, dass sie irgendwann einmal, unter Umständen auch
gewaltmässig, in unserer Sprache durch den Tod, in den Ursprung, ins
Meer zurückgetragen wird und sich so auflöst.
Werden die Schwächen erlebt als eine Manifestation geboren aus den
Stärken, entsteht ein Zustand, den alle Mystiker mit dem Begriff
Absichtslosigkeit bezeichnet haben. Manche haben Absichtslosigkeit mit
dem Enden des Denkens übersetzt. Ein Zustand, in dem man etwas
nicht mehr absichtlich macht, ein Zustand, dem keine Zielsetzung mehr
eigen ist.
Absichtslosigkeit, ein einfaches Dasein, Buddha nannte es tathata, führt
zuerst über Konzentration. Ein Begriff, welcher vielen Leuten
Schwierigkeiten bereitet. Die heilige Theresa beschreibt Konzentration
als Studium.
157
Ich muss mir zuerst ganz klar werden, dass mein Wesen aus Stärken
besteht, denn sonst würde es gar nicht existieren. Und diese Stärken
erzeugen wiederum, wie ein Meer Wellen erzeugt, Manifestationen von
Einzelheiten, die man in der Umsetzung als Schwächen erleben kann.
Konzentration heisst, sich wirklich anzustrengen, um andauernd wieder
zu realisieren, sich da oben im Kopf wieder zu erinnern, dass jede
auftauchende Schwäche immer ein Teilaspekt der Seele ist und deswegen
weder bekämpft noch verurteilt werden kann. In Jesus Sprache: die
bedingungslose Liebe, das Prinzip des Verzeihens.
Konzentration geht auch zusammen mit Disziplin, wie es die heilige
Theresa formuliert. Innere Disziplin findet allerdings nur statt, wenn Zeit
verlangsamt wird. Wer pausenlos herumrennt, oder um es in ihren
Worten auszudrücken, wer nicht eine Stunde sitzen kann, wer nicht
ruhen kann, ohne immer wieder nach irgendwelchen Aktivitäten zu
verlangen, hat keine Disziplin und wird nie innerlich diszipliniert sein.
Konzentration und innere Disziplin sind nicht das gleiche wie
Aufmerksamkeit. Es ist Studium und Disziplin. Ein stetes Meistern des
Minds, wie ein Wagenlenker seine verschiedenen Pferde zügelt und
führt, um es mit einem Bild zu zeigen. Die Buddhisten nennen es die
Kontrolle über das Denken, über die Emotionen. Da Denken und
Emotionen immer zusammengehen, kann man auch einfach vom Zügeln
und Meistern des Denkens sprechen.
Es verhält sich wie bei der Atmung, um diese wieder als Beispiel
anzuführen. Die meisten von uns atmen reflexartig. Manchmal ein
bisschen tiefer, intensiver, manchmal etwas weniger, abhängig vom
Zustand der Umwelt, abhängig davon, wieviel Adrenalin freigesetzt
ist...Und zwischendurch ab und zu, wird man sich des Atems bewusst,
wodurch sich der Atemprozess verlangsamt. Ein Yogi kann den
Atemrhythmus so weit herabsetzen, dass die Zeit fast stillsteht. In dieser
Verlangsamung werden auch die Pausen grösser.
Die Pausen sind die Stille.
Wenn jetzt nicht nur der Atem, sondern das ganze System sich über
Disziplin, Konzentration verlangsamt, entsteht Stille. Stille entsteht nicht
einfach so. Je mehr man umhergerannt ist, umso länger braucht es, bis
dieser Stilleanteil fühlbar wird.
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Stille bedingt Absenz der Identifikation. Stille, Pause ist immer dann da,
wenn die Identifikation nicht vorhanden ist. Der Mind, der logisch
funktioniert, meint, es müsse einen Moment geben, in dem sich diese
Stille wie ein logischer Prozess weiterführt, also Kontinuität besitzt.
Stille, Pause ist jedoch immer ein Pulsieren. Es entsteht nicht einfach
plötzlich eine Stille über eine lange Zeit. Sondern es verhält sich wie mit
dem Atem. Es ist ein pulsierendes, rhythmisches Kommen und Gehen.
Im Lauf der Zeit wird der Mind diese kurzen Momente, in denen Stille
entsteht, als eine Ganzheit definieren, als längeren Zeitraum der Stille
wahrnehmen. Zu Beginn vermag er das aber nicht so zu erleben.
In diesen kurzen Momenten der Stille, sind die Schwächen aufgehoben.
Stille impliziert dies. Das Ich mit seiner ganzen Vergangenheit existiert
für einen ganz kurzen Moment nicht. Es ist, wie wenn ein Blitzlicht
anginge, das die Seele wahrnimmt und dann ist es wieder weg.
Logischerweise, wenn Stille über Konzentration, Studium, Disziplin
wahrgenommen wird und wenn sie die Aufhebung des Ichs ist, dann
kommt als nächstes, zur Struktur des Absichtslosen dazugehörend,
Freiheit.
Nicht die Freiheit von irgendetwas. Nicht dass man tun kann, was man
will oder was auch immer. Sondern die Freiheit vom Ich. Die heilige
Theresa hat das in ihrer Ausdrucksweise mit den sieben Häusern als
Verschmelzung umschrieben.
Freiheit ist das Wiederfinden der Seele. Freiheit ist wiederentdecken, dass
der Körper, der Mind, das Feinstoffliche, bestehend aus Ätherkörper,
emotionaler und mentaler Aura, eine Manifestation ist, die getragen wird
vom Energiekörper, der Qualitätsaura und der Seele.
Und genau in diesem Freiraum entsteht Weisheit, etwas, das nicht von
der Vergangenheit geschaffen ist.
Weisheit ist ein Prozess, der nicht über den Mind erzeugt wurde. Der
Mind setzt es wohl um in eine verständliche Sprache, vielleicht
manchmal auch nicht besonders verständlich, aber es kommt nicht vom
Mind. Jung hätte gesagt, es stammt aus dem kollektiven Unbewussten.
Jedes von uns hat schon Weisheit erlebt. Ihr habt Weisheit dann unter
Umständen umschrieben mit Ausdrücken wie atemberaubend oder
sprachlos. Irgendein Erlebnis, beispielsweise ein Sonnenuntergang, wie
tausend andere Sonnenuntergänge, und plötzlich kommt noch etwas
dazu.
159
Ihr könnt jeden Tag einen Sonnenuntergang beobachten. Er wird erst
dann atemberaubend, wenn der Seelenaspekt dazukommt, und der
kommt erst dazu, wenn ein Freiraum da ist, in welchem die Person mit
diesem Ereignis verschmilzt, in dem das Ich, und dazu reicht eine einzige
Sekunde, abwesend ist.
Aus der Weisheit entsteht das Tao. Das Tao kann man auch mit der
Seele umschreiben.
Absichtslosigkeit ist der andauernde Prozess von Konzentration,
Disziplin, Stille, Freiheit, Weisheit, Tao.
Im Prinzip ist das die chemische Formel von Absichtslosigkeit. Während
der Mind, wie wir gestern festgestellt haben, aus seiner Natur heraus,
sich eben gerade ununterbrochen mit Absichten befasst, neuem
nachrennt, motivationsgerichtet ist, zielgerichtet.
Die Seele hat weder ein Ziel, noch ist sie auf irgendetwas ausgerichtet.
Sie ist einfach präsent.
Kann der Mind anfangen, und achtet auf das Paradox, mehr auf die
Pausen zu achten, ohne dass er dies mit einer Absicht macht? Er kennt
die Absicht sich entwickeln zu wollen, die Absicht besser sein zu wollen,
die Absicht daraus Profit zu ziehen, nicht nur materiell, sondern
psychisch, geistig, spirituell.
Kann der Mind einfach auf Pausen achten, einfach, weil das seiner
wahren Natur entspricht? Nicht wegen irgendetwas. Nur weil Pausen die
wahre Natur des Seins sind, weil der Dialog mit der Seele nur über diese
Pausen möglich ist. Nicht weil man die Absicht hat, man wolle einen
Dialog mit der Seele führen, um etwas zu erreichen. Sondern einfach
weil die Kommunikation, der Dialog mit der Seele, Leben und die
Qualität des Lebens ausmacht.
Einer der grössten Mystiker, welchen wir jetzt bald wieder feiern, Jesus,
hat das im Thomas-Evangelium, welches die Kirche allerdings verbannt
hat, weil es ihre Lehre gefährden würde, auf eine wunderbare Art
dargestellt.
Jesus sagt in einem ersten Satz: Jeder wird das Himmelreich finden. Weil
man von da kommt, und auch wieder dahin zurückgeht.
Schon dieser Satz beinhaltet einen enormen Sprengsatz. Wenn ich aus
dem Tao, was ein anderer Begriff für das Himmelreich ist, entstanden
bin, so ist es unmöglich, nicht wieder dahin zurückzukehren. Eine Welle
kann nicht plötzlich nicht wieder im Ozean, im Meer versinken.
160
Eine Welle muss absolut keine Anstrengungen machen, keine
Entwicklung, keine Veränderung, es bestehen keine besonderen
Bedingungen, sie wird sowieso wieder im Ozean verschwinden. Was aus
dem Tao entsteht, kann logischerweise auch nur wieder mit dem Tao
verschmelzen.
Ununterbrochen wird dem Menschsein unterstellt, nur unter diesen und
diesen Bedingungen, mit den und den Glaubensgrundsätzen kommst du
ins Himmelreich. Und Jesus sagt, wenn du aus dem Himmelreich
kommst, kannst du auch nur wieder dahin heimkehren. Ob du
zwischendurch als Welle, als Individualität, als Teilchen, dir dieser
Tatsache bewusst bist oder nicht, ist der einzige Unterschied, der
Qualität ausmacht. Aber verhindern kannst du es sowieso nicht.
Dauernd zu meinen, ich müsse mich entwickeln, ich müsse etwas
erreichen, ignoriert eigentlich das Grundgesetz, dass ich Tao bin.
Und dann geht Jesus weiter und sagt: Wenn die Leute euch fragen,
woher kommt ihr, wie seid ihr entstanden, dann antwortet ihnen, wir
kommen aus dem Licht, aus dem Licht, das aus sich selbst entstanden
ist.
Wenn man aus dem Licht kommt, das an sich Licht ist, kann man nichts
anderes sein als Licht.
Jesus hat das in vielen Gleichnissen ganz praktisch zu umschreiben
versucht. Nehmt mal das Gleichnis der Prostituierten, die gesteinigt
werden soll. Übersetzt einmal Prostituierte mit einer eurer Schwächen.
Und übersetzt diejenigen, die diese Schwäche steinigen wollen, mit dem
Teil eures Minds, der diese Schwäche offensichtlich verurteilt. Und
übersetzt Jesus mal mit eurer Seele, die kommt und sagt, erst die und nur
die, welche selber noch nie eine Schwäche hatten, sollen diese Schwäche
steinigen. Wer selber schon Schwächen hatte, soll gefälligst aufhören,
eine Schwäche steinigen zu wollen.Und er sagt damit, dass es
logischerweise keine Manifestation geben kann, die nicht Schwäche
beinhaltet. Eine Welle ist immer schwächer als das Ganze. Jede
Manifestation ist schwächer als das Ganze. Weshalb sollte aber dann eine
Manifestation eine andere Manifestation beurteilen, bestrafen?
Und Buddha meint dasselbe, wenn er sagt: wo das Anhaften aufhört,
nicht das Bekämpfen von etwas, sondern wo das Anhaften aufhört, dort
ist das Karmagesetz sofort aufgehoben.
161
Etwas das aus dem Licht hervorgeht, selber Licht ist und aus dem Licht
kommt, das sich selber erschaffen hat, ist wie jemand, der einen Raum
betritt, welcher hell erleuchtet ist. Da kann er noch so viel denken, wie er
will, er trage nichts zum hellen Licht bei. Es wird nichts daran ändern,
dass es hell erleuchtet bleibt.
Das Prinzip des Vergebens, das Prinzip, nicht über andere noch über
sich selbst zu urteilen, bringt Jesus auf diesen ganz einfachen Nenner. Da
man sowieso ein Teil des Lichts ist, ist es sinnlos diesen Teil zu
bekämpfen oder dagegen zu sein.
Und Jesus geht weiter und sagt: Und wenn sie euch fragen, was es ist,
woran man erkennen kann, dass ihr wirklich aus diesem Licht kommt –
in der Originalübersetzung: woran kann man erkennen, dass ihr vom
Vater seid, eins seid mit dem Vater, mit Gott – dann sagt zu ihnen, –
und das ist einer der grössten Sprengsätze, die es überhaupt gibt – Jesus
sagt, dann antwortet ihnen, es ist eine Bewegung und gleichzeitig eine
Pause. In der englischen Übersetzung: it is a movement and a rest.
Es ist eine Bewegung und ein Stillstehen zugleich.
Wenn sie euch fragen, was ist es, woran kann man erkennen, dass ihr
wirklich aus dem Licht kommt, dass ihr aus dem Tao kommt und dahin
wieder zurückgeht, dann sagt einfach, man kann es daran erkennen, dass
es eine Bewegung und ein Stillstand zusammen ist.
Das könnte von Buddha sein. Das könnte von Krishna sein. Das tönt
ganz nach östlicher Mystik und nicht umsonst wurde das ThomasEvangelium aus der Bibel hinausgeworfen.
Kann der Mind diesen simplen Satz verstehen? Es ist eine Bewegung
und zugleich ein Stillstand. Daran könnt ihr erkennen, sagt Jesus, ob
jemand wirklich vom Tao kommt.
Das Meer, wenn ihr in eine gewisse Tiefe geht, absolute Ruhe. An der
Oberfläche des Meers, ununterbrochene Bewegung. Der Mind,
ununterbrochene Bewegung. Aber Bewegung kann nur existieren, weil es
irgendwo Stille gibt, Pause. Es kann keine Welle geben, ohne den
Hintergrund, die Tiefe. Der Mind kann nicht existieren, ohne immer mit
der Tiefe verbunden zu sein.
Ich kann eine Welle nur verurteilen als Bewegung, wenn ich nicht sehe,
dass sie aus der Tiefe kommt. Ich verurteile einen Mind nur, wenn ich
ihn von der Tiefe trenne, abspalte. Luzifer, das gefallene Licht. Sünde,
sagt Jesus, ist diese Abspaltung.
162
Man kann nicht verhindern, dass diese Abspaltung wieder aufgehoben
wird, weil sie nur künstlicher Art ist. Die Hindus sprechen von Illusion.
Buddha spricht vom Nicht-Erkennen: man muss nicht Buddha werden,
man ist immer Buddha-Natur. Krishna versucht Arjuna beizubringen,
dass, was immer er macht, nur eine Bewegung ist und dank dem Ganzen
existiert.
Ich kann es über eine gewisse Zeit abspalten, und mich so fühlen, als
hätte diese Bewegung eine eigene, losgelöste, abgesonderte, bestimmte
Identifikation, und finde mich gefangen in einem andauernden Muster
bestehend aus Beurteilen, Werten, Versuchen besser zu werden... noch
eine ein bisschen höhere Welle, und höher natürlich immer verglichen
mit etwas kleinerem, Minderheit, Mehrheit etc...
Oder, sagt Jesus, ich kann erkennen, dass Bewegung und Stillstand,
movement and rest, immer zugleich sind, und kehre heim ins
Himmelreich, ins Paradies, ins Tao, oder wie immer man das
umschreiben mag, bevor ich Körper/Mind verlassen muss, sterbe.
Jesus hat das noch ein wenig deutlicher auszudrücken versucht, indem er
nämlich in einem anderen Abschnitt im Thomas-Evangelium sagt: Selig
sind die, die ausgewählt sind. Sie werden ins Himmelreich zurückfinden.
Weil man von da kommt, geht man auch wieder dahin zurück.
Lassen wir einmal beiseite, dass sogar fraglich ist, ob eine genaue
Übersetzung aus dem ursprünglichen Text "ausgewählt" ergeben würde.
Jedenfalls haben die Machtstrukturen den Begriff ausgewählt, auserwählt
so ausgelegt, dass es sich eben nur um einige wenige handeln kann, die
sich infolgedessen so und so verhalten haben müssen.
Wir behaupten, Jesus hat nichts anderes gesagt als: wenn man sich
bewusst wird, wenn man wählt, sich wieder zu integrieren, wenn man
wählt, beispielsweise absichtslos zu sein, und wenn man wählt, die
Bereitschaft hat, in der buddhistischen Sprache, die Disziplin, die
Aufmerksamkeit, die daraus entsteht, anzuwenden, ist man im
Himmelreich, ist man selig. Bevor es auf jeden Fall wieder passiert und
man sowieso zurückkehrt.
Man kann auf den Wellen surfen, man kann auf den Wellen schwimmen,
man kann aber auch wählen zu tauchen. Jeder, sagt Jesus, wählt selber,
ob er das Paradies erst später oder auch in diesem Leben will. Buddha
sagt, jeder entscheidet selbst, und das heisst Karma, ob er schon in
diesem Leben aussteigen will aus Geburt und Wiedergeburt oder erst in
hundert.
163
Und alles ist abhängig von diesem Wahrnehmen, dass Bewegung und
Stillstand gleichzeitig vorhanden sind.
Man könnte Jesu Worte Bewegung und Stillstand auch übersetzen mit
einem Beobachter. Der Beobachter ist etwas Tuendes, das den
Beobachter beobachtet, und das ist etwas, das immer präsent ist, und in
diesem Sinne nie etwas tut.
Der Dialog mit der Seele findet genau in dem Moment statt, wenn diese
Bewegung und dieser Stillstand ununterbrochen gleichzeitig erfolgen.
Die Schnittstelle, von der wir gesprochen haben, ist dort, wo Bewegung
und Stillstand aufeinandertreffen, wo sie sich bewusst werden. In der
ururalten Mythologie bezeichnet als Schöpfung.
Schöpfung, in der taoistischen Sprache, erfolgt, wenn aus dem Tao eine
Bewegung entsteht.
Jesus sagt also drei Dinge in einem Gespräch. Erstens: Ihr könnt
machen, was ihr wollt, da ihr – und ich verwende jetzt absichtlich den
Begriff Tao – da ihr aus dem Tao geboren seid, bleibt ihr ein Teil des
Tao und kehrt auch wieder zurück ins Tao.
Zweitens: Da das Tao Licht ist, seid ihr ein Lichtträger und ein Teil
dieses Lichts, das Licht an sich ist, und da könnt ihr auch gefallenes Licht
sein, ihr bleibt Licht.
Drittens: Erkennen, dass ihr so seid, kann jeder in sich selber,
vergewissern, dass er aus dem Tao kommt, kann jeder sich selber, indem
er immer Bewegung und Stillstand gleichzeitig wahrnimmt, indem er das
Einzelne und das Ganze immer zugleich erfährt.
Wir meinen, diese drei Punkte erklären grundsätzlich das ganze
christliche Evangelium. Mehr braucht es nicht. Diese drei Punkte sind
eigentlich die Grundsätze der Erlösung. Und da auch der Buddhismus
und der Hinduismus dasselbe sagen, genügen diese drei Punkte
eigentlich, um zu wissen, dass es kein Karma gibt, um zu sehen, dass es
da nicht um die Schwächen geht, um zu erkennen, dass niemand von uns
irgendetwas erreichen muss, dass niemand von uns besser ist als der
andere, dass es keine Hierarchie gibt, sondern dass es einfach darum
geht, immer wieder die eigene Buddha-Tao-Christus-Natur zu erkennen.
Der Weg dazu ist das Verschmelzen zwischen Bewegung und Stillstand,
zwischen Einzelnem und Ganzem, zwischen Ich und Seele.
Beziehung ist Gott, Tao.
164
Sterben – Meditation – Aufmerksamkeit – Stille
24. Mai 1995
Für diejenigen von euch, die neu sind: aktive Meditation heisst, dass man
mit der inneren Intelligenz zuhört, sich nicht auf das, was ich sage,
rational einstellt, sich nicht darum kümmert, ob man es gut oder schlecht
findet, sondern das Gehörte einfach der inneren Intelligenz überlässt.
Die innere Intelligenz ist etwas, das mehr ist als das Wissen oder das
rationale Denken. Das bedeutet ungefähr zu hören, wie wenn man dem
Meer zuhören würde oder dem Rauschen eines Baches und sich nicht so
sehr auf die Worte zu konzentrieren oder sich um den Inhalt zu
kümmern.
Wenn seit Jahrtausenden immer wieder gesagt wird, Meditation – wir
nehmen jetzt einfach mal den Begriff Meditation und lassen ihn so
stehen – sei eine der grossen Hilfen, um Stress abzubauen, relativ gesund
zu bleiben, mehr zu erkennen von dem, was mehr ist als Körper/Mind,
dann stellt sich doch folgende Frage: wenn das so ist, warum meditieren
nicht viel mehr Leute? Millionen von Leuten nehmen jedenfalls Pillen
wie zum Beispiel Valium, weil man angibt, es sei ein Beruhigungsmittel
und nehme die Angst weg. Man sagt das gleiche von Meditation und
dennoch bleibt es eine relativ begrenzte Gruppe, eine kleine Anzahl von
Leuten, die meditiert. Wieso? Die Zeit, die man aufwenden muss, kann ja
nicht als Massstab gelten. Natürlich benötigt eine Pille keinen
Zeitaufwand. Sie kostet andererseits auch mehr.
Vielleicht geht es aber vor allem auch darum, dass Meditation und Tod,
Sterben in einem sehr direkten Zusammenhang stehen. Vielleicht ist es
gar nicht möglich, Meditation und Tod voneinander zu trennen. Sie
scheinen nur getrennt durch das Zeitbewusstsein.
Der Tod wird offensichtlich als etwas, was innerhalb eines Zeitrahmens
abläuft, geschildert und erlebt. Er hat unweigerlich auch mit
Verlassenwerden, mit Auflösung, mit einem Einschnitt ins Leben, mit
einer Veränderung der Lebenssituation zu tun. Für jene, die
zurückbleiben, vielleicht auch für diejenigen, die sterben. Meditation
scheint zumindest am Anfang nicht darin zu bestehen, dass etwas
verlassen wird oder verloren geht, oder dass eine Lebensveränderung
stattfindet, dass Trauer, Verlassenwerden diese Lebensveränderung
begleiten.
165
Untersucht man es ein bisschen genauer, so findet man, dass wir
Meditation als den kleinen Tod bezeichnen könnten oder dass wir sie mit
dem Prozess des Sterbens gleichsetzen können. Vielleicht ist es sogar
einfacher, den Prozess des körperlichen Sterbens anzunehmen, als den
Prozess des Mind-Sterbens. Bewusst erfolgt dies nämlich primär in der
Meditation, wogegen beim körperlichen Sterben sehr oft der Übergang
vom Mind, die Transzendenz auf eine andere Ebene, eigentlich gar nicht
willentlich, bewusst wahrgenommen wird.
Beides hat etwas mit Stille zu tun. Und beides hat etwas mit
Aufmerksamkeit zu tun.
Untersucht man zuerst einmal den Prozess von Aufmerksamkeit, so
würde man wahrscheinlich bemerken: wenn jemand stirbt, geht die
Aufmerksamkeit weg. Für diejenigen, die zuschauen, welche nicht
sterben, sieht es zumindest so aus. Das Bewusstsein scheint
wegzudriften, verlorenzugehen. Viele Leute meinen auch, in der
Meditation, während der man ja sehr oft ein wenig wegtaucht, schwinde
die Aufmerksamkeit ebenfalls. Wir meinen, dass dies eine falsche
Definition von Aufmerksamkeit beinhaltet und auf einem
Missverständnis zwischen den Begriffen Aufmerksamkeit und
Konzentration beruht.
Konzentration schliesst ein, dass man etwas willentlich tun kann. Ich
kann mich willentlich mehr auf den Fuss konzentrieren oder auf einen
anderen Teil meines Körpers, oder ich kann mich willentlich stärker
darauf einstellen, meine Denkprozesse zu untersuchen. Aber kann ich
willentlich aufmerksam sein?
Aufmerksamkeit entsteht erst, wenn kein Wille mehr da ist. Wille
bedeutet eine bewusste Aktion auf ein bewusstes Ziel hin.
Aufmerksamkeit kennt weder Aktion, Handlung, noch ist sie
zielgerichtet. Zielgerichtete Meditation ist nicht Meditation.
Wann denn entsteht Aufmerksamkeit?
Wenn ihr genau beobachtet, so könnt ihr feststellen, dass
Aufmerksamkeit dann entsteht, wenn die Vergangenheit nicht
funktionell im Mittelpunkt steht. Dann, wenn ich vor etwas Neuem
stehe, das ich noch nicht bewerten, beurteilen, einordnen kann. Wenn
ich die Vergangenheit nicht als Vergleichswert benützen kann. Wenn
mein Gehirn, die Fähigkeit nicht mehr hat, das, was jetzt gerade kommt,
was im Augenblick geschieht, was erlebt wird, in eine Erfahrung
einzupacken, mit etwas Ähnlichem, das schon einmal war,
gleichzusetzen.
166
Ein Berg wird erst dann zu einem lebendigen Wesen, wenn ich ihn
betrachte, ohne die Erfahrung zu beobachten und zu sagen, ja gut, der
sieht jetzt als Form ein bisschen anders aus, aber davon habe ich schon
viele gesehen. In diesem Fall kann wohl jemand einwenden, konzentriere
dich jetzt, schaue jetzt auf diesen Berg, aber Konzentration führt nie zu
Leben.
Erschaffung von Leben entsteht über Aufmerksamkeit. Und da
Erschaffung von Leben losgelöst ist von Transzendenz, ist auch Tod mit
Aufmerksamkeit verbunden. Wenn das Sterben einsetzt, kann niemand
sagen, ich kenne diese Erfahrung schon, ich weiss, was das ist, das habe
ich schon ein paar Mal durchgemacht, ich konzentriere mich jetzt halt
auf das Atmen oder auf etwas vom letzten Mal, sondern plötzlich ist
absolute, freie Energie da. Ich kann mich auf rein gar nichts abstützen.
Wo ich mich auf nichts abstützen kann, ist das Ich, der Mind, bestehend
aus Vergangenheit, Erfahrungen, Interpretationen, unfähig, sich zu
manifestieren.
Sterben ist demzufolge vielleicht der stärkste, intensivste
Meditationsprozess, den es gibt. Man könnte vielleicht sogar sagen, auch
wenn man für den ganzen Rest des Lebens nie meditiert, und nicht alle
Leute haben die Zeit, meditieren zu können, irgendwanneinmal wird
man sowieso in diese Transzendenz hineinmanövriert. Man wird dazu
gebracht, dass Meditation einfach stattfindet.
Meditation ist im Prinzip nichts anderes als das Medium der
Transformation. Und kein Sterben kann stattfinden ohne
Transformation und demzufolge ohne Meditation. Auch jemand mit
grössten Schmerzen wird in einen Aufmerksamkeitszustand hineinfallen.
Es gibt einen anderen Begriff, der etwas ähnliches aufzuzeigen versucht,
to fall in love, in die Liebe fallen. Fallen, in etwas hineinfallen, ist mit
einem willentlichen Konzentrationsakt nicht möglich.
Aufmerksamkeit ist die Absenz aller Erfahrungen, von allem, worauf
man sich beziehen kann. Worauf will man Bezug nehmen, wenn man
stirbt? Auf die Erinnerung vom letzten Leben? Das wird schwierig. Auf
ein Erlebnis, eine near-death-experience, ein Nah-Tod-Erlebnis? Man
kann nicht wissen, ob es wirklich gleich sein wird.
Wieso hat es die Natur so eingerichtet, dass Tod nur unter
Aufmerksamkeit möglich ist? Und Achtung, für diejenigen, die
medizinisch nicht geschult sind, auch jemand im Koma ist noch sehr
aufmerksam, aktiv und nicht einfach unbewusst, bewusstlos.
167
Diese Person erscheint wohl so, aber man weiss heute, dass das Gehirn
immer noch völlig aktiv, aufmerksam ist.
Wieso hat es die Natur eingerichtet, dass Tod Aufmerksamkeit braucht,
Absenz der Geschichte, der Idee von sich selbst?
Wie soll sich etwas in eine andere Form verwandeln, wenn es sich an der
alten Form festhält. Das buddhistische Prinzip der Vergänglichkeit ist ja
nicht etwas Negatives, sondern Vergänglichkeit ist immer Verwandlung.
Es gibt kein Anfang und Ende. Es gibt nur ein dauerndes Wandeln,
Form, die sich in andere Form verwandelt.
Ein Objekt, das immer eine Masse ist, also aus Zeit/Raum/Gravitation
besteht, kann zu einem Subjekt werden, welches also keine
Raum/Zeit/Masse/Gravitation mehr braucht. Das kann es aber nur,
wenn es, um in der Psychologensprache zu reden, die Erinnerung, den
blue print verliert. Erinnerung heisst ja nichts anderes, als auf der
Psycho-Bio-Bewusstseinsebene ein Formfeld, Formstruktur zu erhalten.
Wo ein Formfeld transzendieren, sich auflösen soll, muss die Erinnerung
aussetzen.
Wenn ich einen Fotoapparat habe, einen Film hineinlege mit zwanzig
Bildern und zu fotografieren beginne, so sorgt der Fotoapparat als
Instrument dafür, dass der Film zwanzig Erinnerungen festhält. Um aber
neue Erinnerungen zu schaffen, neue Formen, muss ich nach diesen
zwanzig Bildern den Film herausnehmen, ob ich ihn entwickle oder nicht
spielt gar keine Rolle. Aber es nützt nichts, wenn ich es mit dem gleichen
Film wieder versuche, weil dann nichts Neues entstehen kann. Ich muss
die Erinnerung leer werden lassen.
Wir alle haben ja unter der Nase ein Grübchen. Und ein alter Mystiker
hat einmal gesagt, kurz bevor wir geboren werden, kommt der Engel der
Erinnerung, legt seinen Zeigfinger unter unsere Nase, so dass der Mund
sich ein wenig schliesst, pssst!, gleichzeitig entsteht dieses Grübchen, und
die Erinnerung fällt weg, was nötig ist, weil wir nur dank dem Wegfallen
der Erinnerung wieder neu wachsen können.
Die Evolution macht genau das gleiche. Sie lebt durch ein Paradox. Auf
der einen Seite selektioniert sie, wozu sie sich erinnern muss,
beispielsweise welche Gene stärker sind. Auf der andern Seite, um in
einem Wachstum zu bleiben, muss sie immer dafür sorgen, dass die
Erinnerungskette auch wieder aufgelöst wird.
168
Wäre das nicht so, würde es nämlich wohl immer nur Schimpansen
geben, aber das 1,8% Verschiedenheit, welches macht, dass es Menschen
gibt, würde sich nie ergeben. Die Genkette würde immer dafür sorgen,
dass sie einen ein wenig besseren Affen entwickelt, nur ist ein besserer
Affe nicht das gleiche wie ein Mensch.
Offensichtlich existiert aber, was man in der Fachsprache Mutation
nennt. Diese Mutationen finden immer nur über das Auflösen von
Erinnerungen statt. Das bedeutet im Prinzip: Wachstum, Fortschritt,
Neuwerden benötigen nicht, wie die Psychologie behauptet, das
Verstehen, das Erinnern der Vergangenheit, sondern das Auflösen der
Vergangenheit und der Erinnerung. So wäre Karma und Reinkarnation,
wenn man überhaupt daran glauben will, nichts anderes – um das
einfach mal theoretisch zu sagen, weil ich nicht glaube, dass es sich so
verhält – als zu sterben und die Erinnerung zu behalten, wieder und
wieder über diese Erinnerung geboren zu werden, und das wäre als ob
man immer wieder den gleichen Film anschauen würde.
Wir aber sagen, dies ist sehr unwahrscheinlich, weil der Tod ja eben
gerade durch Aufmerksamkeit sowieso hilft, die Erinnerung aufzulösen,
auszulöschen, ob man jetzt spirituell ist oder nicht, ob man gut gelebt hat
oder nicht, ob man schlecht war oder nicht. Der Tod wird in unserer
Gesellschaft ja nicht primär tabuisiert, weil man sich eigentlich vor dem
Tod ängstigt. Sondern er wird deshalb tabuisiert, weil der untabuisierte
Tod uns immer wieder zeigen würde, wie relativ, wie begrenzt die Macht,
die Bedeutung einer Einzelperson ist.
Stellt euch einmal vor, wir würden in einer Struktur leben, die immer mit
Aufmerksamkeit, der Absenz von Erinnerung, Vergangenheit, Zeit,
schafft. Wo würde man Autoritäten aufbauen? Wo würde man Leute
ideologisieren? Wo würde man blind irgendjemandem glauben? Man
wäre sich ja immer bewusst, dass alle irgendeinmal wieder am gleichen
Ort landen wie ich, ob reich oder arm, ob gesund oder krank, ob
berühmt oder nicht, dort wo die Vergangenheit keine Rolle mehr spielt.
Und unsere Gesellschaft ist besessen vom Drang, dies zu verhindern,
indem sie Denkmäler anfertigt und Erinnerungsveranstaltungen abhält.
Unsere Kinder lernen in der Schule nicht, wie sie mit der Zukunft
umgehen könnten, lernen nicht darüber zu reflektieren, wie wir am
besten die Zukunft gestalten, sondern sie lernen ununterbrochen
irgendwelche alte Geschichte, die mit Sicherheit nicht zum Verständnis,
zu einer intelligenten Bewältigung des eigenen Lebens beiträgt.
169
Im Prinzip machen wir genau das Gegenteil dessen, was eigentlich
Gesundheit bringt. Wir fördern nicht die Aufmerksamkeit, wir
konzentrieren uns auf einzelne Punkte, was zu Fixierungen führt und
jede Fixierung verstärkt ein Problem, statt es zu transzendieren.
Die schlaue Argumentation, das Tabu Tod habe etwas damit zu tun, dass
wir alle Angst hätten vor dem Tod, ist absurd, weil wir alle vom Moment
der Geburt an, und spätestens vom Moment einer gewissen
Bewusstseinsebene an, wissen, dass der Tod auf jeden Fall eintritt. Man
kann die Vergänglichkeit ja ununterbrochen erfahren, schon vom
Babyalter an bis in die Pubertät, ein gewaltiger Schub andauernder
Veränderungen des Körpers und des Minds. Wenn wir uns überhaupt
vor dem Tod fürchten, dann nicht vor dem Tod als solchem, sondern
vor dem Schmerz, der den Tod begleiten könnte.
Mit Sicherheit haben wir aber Angst davor, uns nicht mehr definieren zu
können über die Erfahrung, über die Geschichte, über das, womit wir
uns identifiziert haben. Und in diesem Sinne kann Meditation genauso
angstvoll sein wie Sterben. Es handelt sich um den gleichen Prozess, nur
dass er nicht die Verwandlung des Körpers miteinschliesst.
Das zeigt wie paradox wir funktionieren. Auf der einen Seite lehren uns
alle Religionen, alle mystischen und esoterischen Schulen, dass es etwas
gebe, das den Körper überlebt, dass es etwas gibt, das wichtiger ist als
der Körper, und auf der anderen Seite sind wir immer nur darum
bemüht, sicher dafür zu sorgen, dass der Körper erhalten bleibt. Wir sind
materieorientiert. Es gibt Leute, die sich unwohl fühlen vor dem Sterben,
solange sie nicht zuerst im Katalog selber ihren Sarg ausgewählt haben.
Und ungefähr ebenso absurd verhalten wir uns täglich. Wir wollen wohl
gerne daran glauben und darauf hoffen, dass es etwas gibt, das wichtiger
ist als Körper/Mind, aber wenn es darum geht, etwas zu verteidigen, so
ist es immer Körper/Mind. Wohl sind wir für Verwandlung, aber wenn
möglich derart, dass die Materie davon profitiert.
Wenn man schon immer behauptet, dass Jesus Gottes Sohn sei, dass sein
Kommen geplant war, um die Sünden von uns zu nehmen, so war
vielleicht sein Tod auch geplant. Wäre er erst mit sechzig gestorben,
hätte er doch noch ein bisschen länger predigen können, vielleicht wäre
seine Lehre dann sogar ein bisschen weniger missverstanden worden, er
hätte ein bisschen länger heilen können. Aber vielleicht wollen ja die 33
Jahre als Symbol mitteilen, dass es nicht um das Alter geht. Es geht um
Transformation.
170
Verzeihen, Vergeben ist der Prozess des Wegfallens der Vergangenheit.
Die Sünde von einem nehmen meint möglicherweise nichts anderes. Das
Prinzip des Vergebens heisst vielleicht vor allem: jeder, egal in welchem
Alter, wird irgendwann einmal erlöst, verwandelt durch das Seinlassen
von Körper/Mind.
Welchen Sinn aber macht es, bis siebzig, achtzig, oder neunzig zu
warten, bis ich endlich erlöst werde, wenn die Erlösung schon vorher
möglich ist und wenn die Erlösung in nichts anderem besteht als in einer
totalen Bewegung von Aufmerksamkeit?
Sterben ist Aufmerksamkeit. Meditation ist Aufmerksamkeit,. das
Wegfallen dessen, worum es nicht geht, Absenz und Verwandlung
dessen, was in Raum/Zeit/Gravitation existiert. Wieso warten bis das
sichtbar eintritt? Vielleicht ist der Begriff Erleuchtung nichts anderes als
der Ausdruck dieses Prozesses. Sterben bevor Körper/Mind stirbt.
Wir alle wissen, dass Meditation, wie jede Technik, mit der Zeit zu einer
Routine wird. Auch wenn man beim Meditieren gar nichts macht, nur
sitzt, ist es ja eine Form einer Technik. Nämlich zuerst einmal der Wille
einfach dazusitzen und nichts zu machen, und man kann dann darauf
aufbauen mit verschiedenen Methoden, Ergänzungen, Techniken. Jede
Technik verkommt mit der Zeit zu einer Routine. Eine Routine
impliziert eine Gewöhnung. Je mehr man sich an etwas gewöhnt hat,
umso weniger Aufmerksamkeit. Wie mehr etwas zur Routine, auf der
psychospirituellen Ebene, in den religiösen Schulen zu einem Ritual wird,
umso mehr ist nur noch Wille, Konzentration, Einbildung, Phantasie,
aber keine direkte Aufmerksamkeit mehr vorhanden. Man könnte sagen,
der Tod der Aufmerksamkeit ist das Ritual, Gewohnheit, Technik. Ist die
Gewöhnung soweit fortgeschritten, dass sie schon fast im ganzen System
integriert ist, redet man von Langeweile. Man langweilt sich. Man kann
sich nur langweilen, wo keine Aufmerksamkeit ist.
Was ist mit unseren Köpfen los, dass wir uns für eineinhalb Stunden
einen Krimi anschauen können und völlig absorbiert sind, und wenn wir
eine Stunde einfach aufmerksam zu sein versuchen, Gewöhnung
entsteht, Langeweile, Müdigkeit, das Gegenteil eines dynamischen
Prozesses?
171
Geht man von dem aus, was wir bis jetzt gesagt haben, dann ist
Gewohnheit, Langeweile, Routine, Ritual nicht etwas, was sich einfach
ereignet, sondern es sind vorgeschobene Mechanismen,
Stopmechanismen, die versuchen, auf Schleichwegen zu verhindern, dass
man stirbt.
Man erstickt in Sicherheit. Stellt euch einmal einen Körper vor, der
hundertprozentige Sicherheit hat, was heissen würde, der nicht sterben
kann. Er würde an seinem eigenen Elend ersticken, also gewalttätig
sterben. Stellt euch einen Mind vor, der hundertprozentig auf Sicherheit
ausgerichtet ist. Er würde ununterbrochen, wie in einem Hamsterkäfig,
um den gleichen Satz kreisen. Jeder neue Satz wäre schon eine Gefahr.
Es entspräche einem totalen, eingeengten, paranoiden System. Eine
Krankheit, die viele von uns in abgemilderter Form kennen:
!Syntaxfehler, « oder !Syntaxfehler, ! oder !Syntaxfehler, « Es spielt keine
Rolle, welchen Inhalt man wählt, solange man immer wieder im
Gleichen kreisen und leiern kann, hat man zumindest Sicherheit.
Vielleicht ist Krankheit, psychische Krankheit, nichts anderes als eine
weitere Stopmöglichkeit, um nicht zu sterben. Man sichert sich ab mit
dem, was man hat.
Das Gehirn kann dadurch keine Flexibilität entwickeln, in der
Neurologie würde man von Vernetzung der Neuronen sprechen, und es
kommt zu einem Verfall der Intelligenz. Denn Intelligenz besteht aus
dem Prozess, immer wieder auf Neues zuzugehen und Neues zu
absorbieren. Dummheit besteht darin, immer auf die Vergangenheit
bezogen zu sein, eine Haltung, die die Psychologie einnimmt. Ein
Mystiker ist jemand, der jeden Tag das Sterben riskiert.
Wäre Nicht-Sterben ein wesentlicher Vorteil, hätte die Natur dafür
gesorgt, dass es dementsprechend abläuft. Die Natur ist so intelligent,
dass sie sich mit Sicherheit überlegt hätte, ob es einen Sinn mache, das
Sterben aufzuheben. Offensichtlich macht ein Aufheben des Sterbens
keinen Sinn. Vielleicht macht das Hinausschieben der Umwandlung von
Körper/Mind auch keinen Sinn, wenn sich nicht gleichzeitig ein anderer,
ein meditativer Sterbeprozess abspielt. Vielleicht nicht umsonst sind
gerade Mystiker, die viel meditiert haben, immer mit Ausnahmen, relativ
alt geworden. Was soll sinnvolll sein daran, den Fotoapparat die nächsten
hundert Jahre zu erhalten versuchen, wenn nötig immer wieder ein
Schräubchen auszuwechseln, ihn dann immer wieder zu putzen, wenn
man nie einen neuen Film einlegt? Bestenfalls als Sammelobjekt?
172
Wenn man aufhört, sich an die Vergangenheit zu klammern, ist sofort
Aufmerksamkeit da. Man kann gar nicht sterben, sogar wenn es
augenblicklich durch einen Herzschlag passiert, ohne diesen Input von
Aufmerksamkeit, ohne diesen Übergang wahrzunehmen. Nicht mehr mit
der gleichen Wahrnehmung, mit der man ein Bild wahrnimmt oder ein
anderes Objekt, sondern als subjektive Wahrnehmung. Es geht gar nicht
anders, weil das Sterben das Abhängen der Geschichte ist.
Und statt jetzt zu warten, bis die Natur uns endlich dazu verhilft, dass
die Geschichte sich von selbst ablöst, hat uns das Bewusstsein die
Möglichkeit des täglichen Sterbens gegeben. Damit die Transformation
nicht erst beim Verfall des Körpers, bei der Umwandlung stattfindet,
ermöglicht uns das Bewusstsein, dafür zu sorgen, dass sich diese
Transformation abspielen kann, während das Instrument, der
Körper/Mind noch stabil ist.
Kann ich den Mut aufbringen, auf der psycho-spirituellen Ebene die
Inhalte sein zu lassen? Wir sprechen nicht von der biologischen
Bewusstseinsebene. Die biologische Bewusstseinsebene braucht
Erinnerung, sie braucht Sicherheit. Kann ich auf der psycho-spirituellen
Ebene, die nicht objektmässig bezogen ist auf Hunger, Durst, ein Dach
über dem Kopf, sondern nur aus Inhalten besteht – ob die Welt rund ist
oder ob sie es nicht ist, ob diese Partei richtig ist oder jene, ob das, was
ich mache wirklich so toll ist oder so schlecht oder nicht – kann ich
diese Inhalte sein lassen?
Kann ich den Mut aufbringen, weil ich mehr Aufmerksamkeit will,
radikal die Identifikation, die Interpretation von mir sein zu lassen? Sein
lassen heisst nicht, dass ich sie nicht mehr sehen muss, noch dass ich
plötzlich wie ein Trottel ohne diese Wahrnehmung bin, sondern dass ich
mich nicht darauf fixiere. Man kann seiner Geschichte nicht einfach
davonrennen. Jemand der seine Geschichte nicht mehr erinnern kann,
kann auch nicht überleben. Sein lassen heisst also nicht, dass man
nachher einfach plötzlich nicht mehr weiss, was gestern gewesen war.
Aber sein lassen heisst, dass ich mich nicht beziehe darauf, fixiere darauf,
wie mein jetziger Zustand entstanden ist, mein jetziges Verhalten nicht
durch Konzentration auf die Vergangenheit beziehe.
Eine Blume, die beginnt, sich darum zu kümmern, wieso sie eine Blume
ist und wo ihre Wurzel ist, wird wahrscheinlich relativ schnell verwelken.
Eine Blume ist da um zu blühen und nicht um zu analysieren, wie die
Blüte entstanden ist.
173
Kann ich aufhören, weil ich mehr Aufmerksamkeit haben möchte,
immer wieder meine Geschichte zu untersuchen und mich mit meiner
Geschichte zu identifizieren? Wissen zu können, dass etwas eine
sogenannte Schwäche oder ein Fehler ist, bedingt, dass ich ein
Bewusstsein habe, das aufteilt, trennt zwischen dem, was ich jetzt
bewusst wahrnehme und dem, was ich aus Erfahrung als Schwäche
definiere. Eine anhaltende, konstante Abspaltung.
Tod ist Eins-Werden. Wahrscheinlich haben viele Mystiker nichts
besonders Esoterisches gemeint, wenn sie von der Leere, der
Verschmelzung, dem Eins-Werden gesprochen haben. Wahrscheinlich
ist es eine Projektion unseres Wunschdenkens zu meinen, Eins-Werden
bestehe darin, dass man zu Gott zurückkehre, oder in der Sprache der
christlichen Religion in den Himmel, oder im Buddhismus ins Nirvana,
sondern wahrscheinlich heisst Eins-Werden nichts anderes als das, was
man in der Computersprache auch sagt: eins, nicht zwei.
Ein Körper/Mind, der ununterbrochen vergangenheitsbezogen ist, ist
zwei. Ein Körper/Mind, welcher sich andauernd all dessen bewusst zu
sein versucht, was nicht stimmt und sich noch fragt, warum das nicht
stimmt und dann noch Schuldzuweisungen macht, kann nicht aus eins
bestehen.
Wo ein Eins ist, kann aber auch keine Verantwortung im Sinne von
Strafe stattfinden. Eins ist eins. Bestraft werden kann nur jemand, der
sich bewusst ist, dass er etwas getan hat, auch wenn er behauptet, er
hätte es nicht getan, und sich gleichzeitig bewusst wird, dass er bestraft
wird. In der Gerichtsjuristik sagt man dann, jemand, der reuig ist, wird
kürzer bestraft als jemand, der keine Reue zeigt. Eins kennt weder Reue,
noch kennt es eine Idee von wie liebevoll ich bin, noch ist es sich
irgendeiner Stärke noch irgendeiner Schwäche bewusst. Es ist einfach
eins. Und wo eins ist, kann simpel und einfach weder eine Reinkarnation,
Karma noch sonst irgendeine Bestrafung, Hölle stattfinden.
Zwei bedeutet immer Konflikt. Eins impliziert demzufolge immer die
Aufhebung von Zeit. Heute leben wir eigentlich in einer Form von
Trizophrenie. Vergangenheit-Zukunft-sogenannte Gegenwart. Dass
dieses dauernde sich Aufteilen Verwirrung schafft, Konflikt auf Körper-,
Mind- und auch auf seelischer Ebene, verwundert nicht. Und seit
Jahrtausenden sagen sie uns, heeh!, wartet nicht aufs Eins-Sein bis jene
äusserlich sichtbare Verwandlung stattfindet, sondern macht doch diese
Verwandlung zum Eins, solange ihr noch das Instrument habt.
174
Vielleicht besteht ja der einzige Sinn dieses Instruments, Körper/Mind,
darin zu begreifen, dass man auch in der Materie eins sein kann. Alle
Religionen haben in diesem Punkt auch wieder eine Dualität geschaffen.
Hier Körper/Mind, der sowieso unmöglich ist, an sich bös, verwerflich,
gelöst werden muss, und auf der anderen Seite das Paradies, der Himmel,
die Erlösung. Wenn du es nicht diesmal schaffst, dann vielleicht das
nächste Mal. Das ist nicht gerade unbedingt ein Eins-Sein. Was du in
diesem Leben bist, hat etwas zu tun mit dem Tod im letzten.
Und Buddha hat schon gesagt, um auszutreten aus dem Rad von Geburt
und Tod, also aus dem Zwei-Sein, braucht es nichts anderes als die
Aufhebung von Zeit, vom Ich, vom Ego und nichts anderes ist Eins.
Diese kurze Geschichte von dreissig, vierzig, fünfzig, sechzig, kommt
darauf an wann man stirbt, achtzig Jahren...
Unsere psycho-spirituelle Ebene muss lernen, dass wir in Körper/Mind,
also dem biologischen und dem psychobiologischen Bewusstsein, ein
fantastisches Instrument besitzen, aber dass der Körper/Mind eben ein
Instrument und nicht die Sache an sich ist. Vielleicht meinen die Hindus,
dass man solange wiedergeboren wird, bis man durchs Eins begreift,
dass man das Instrument auch nicht mehr braucht. Vielleicht ist Materie
nicht der Ausdruck, wodurch sich Eins manifestieren kann, sondern
vielleicht ist die Materie gerade das Symptom davon, dass es sich noch
nicht als Eins ausdrücken kann.
Wenn man das so betrachtet, ist es klar, dass der Tod, Meditation, uns
ängstigt. Angst ist immer die Idee, dass irgendetwas gegen einen ist.
Nicht nur wenn man sich an die Geschichte festnagelt, erlebt der
Körper/Mind den Tod, die Verwandlung von Körper/Mind, als eine
Gefahr, sondern er erlebt auch Meditation als eine Gefahr durch die
Idee, dass etwas gegen einen ist.
Tatsächlich, wo zwei Dinge sind und ein Eins daraus werden kann,
werden beide Dinge, oder mindestens eins davon, das Gefühl haben,
verloren zu gehen. Die materielle Ebene funktioniert ja so. Geld ist ein
typisches Beispiel dafür. Wenn ich tausend Franken habe und jemand
anderes hat zweitausend, und ich sage, ich mache daraus eins, indem ich
meine tausend dieser Person gebe, dann gehe ich davon aus, dass ich
tausend weniger habe, was eine Realität ist. Wenn aber Geld Energie ist,
kommen diese tausend ja vielleicht irgendwoher wieder zurück. Vielleicht
aber auch nicht, das wissen wir eben nicht. Würde es stimmen, dass Geld
einfach nur Energie ist, und man auch immer wieder erhielte, was man
gibt, dann gäbe es keine Armen.
175
Die gibt es aber offensichtlich, wie wir alle beobachten können. Also
könnte es sein, dass Geld Energie ist, aber so wie wir mit Geld umgehen,
nicht dem Umgang mit Energie entspricht, sondern dem Umgang mit
unserem Körper: Besitzen, festhalten. Gleich wie wir mit unserem Mind
umgehen: Meine Idee, meine Erfindung, sicher nicht etwas davon
abgeben, es könnte ja sein, dass wir dann arm sind.
Und genau das hat Jesus wahrscheinlich gemeint. Es geht nicht darum,
materiell arm zu sein. Eins ist weder reich noch arm. Genau das haben
alle religiösen Schulen mittels einer äusseren Struktur zu predigen
versucht. Wenig Besitz. Nur ist das verkommen zu einem Karneval.
Äusserlich tut man so ein bisschen als ob wenig Besitz wichtig wäre,
ausserhalb, und innen wenn möglich der ganze Besitz. Das ist unser Gott,
wir haben recht, die andern falsch... Und Tod ist genau das Gegenteil
davon.
Aufmerksamkeit ist die Absenz von Vergangenheit, und
Aufmerksamkeit beinhaltet die Absenz von sich wehren können,
verteidigen, rechtfertigen. Das heisst Stille. Stille ist nie das Gegenteil von
Lärm. Stille ist das Gegenteil von Angst. Oder man könnte sagen, Stille
ist das Gegenteil von Festhalten an der Zeit.
Darum hat man, wenn man schläft, auch einen anderen Zeitbegriff. Man
braucht einen Wecker, man ist nicht sicher, wieviel man geschlafen hat,
man ist sich nicht bewusst, dass man jetzt bereits eine Stunde oder
eineinhalb geschlafen hat. Stille ist die Absenz der Persönlichkeit.
Wann entsteht am meisten Un-Stille, um das einmal so zu formulieren?.
Dann, wenn man glaubt, man müsse sich verteidigen. Wenn man glaubt,
man müsse etwas besonderes leisten. Dann, wenn man glaubt, man
müsse Erwartungen erfüllen. Achtet einmal darauf, je grösser eure
Erwartung, umso mehr Un-Stille entsteht, innere Dialoge, der Körper
bekommt Spannung, Flattern im Bauch etc.etc. Je mehr man meint, man
müsse sich rechtfertigen, je mehr man meint, man müsse missionieren, je
mehr man meint, man sei im Besitz der Wahrheit, umso weniger Stille.
Aber Schweigen ist nicht das Gegenteil von Stille. Jemand ist nicht
erleuchtet, wenn er beschliesst nichts mehr zu sagen, infolge der
Tatsache dass Stille die Absenz von Persönlichkeit ist.
Sondern Stille drückt sich dadurch aus, dass sie überall space, Freiraum
lässt. Und überall wo space, Freiraum besteht, ist logischerweise wieder
mehr Aufmerksamkeit, weil sie sich an nichts festhalten kann.
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Buddha hat das zu umschreiben versucht mit den Worten, das einzige,
das im Weg steht, ist das Festhalten.
Was kann Stille festhalten? Stille ist wie Eins. Es ist wohl präsent als
Atmosphäre, aber es ist kein Objekt, das man festhalten kann, es enthält
keine Masse. Und trotzdem kann Stille ausdrucksstärker sein als jede
Nicht-Stille.
Tod ist der Übergang in diese Stille, in das plötzliche, von Licht erfasste
Wahrnehmen, dass es keinen Sinn macht, zu kämpfen um was immer
zeitlich begrenzt ist, es zu verteidigen, es zu erhalten versuchen, sondern,
dass jeder Gedanke, jede Idee, jede Erscheinung ungefähr so ist, wie ein
Blumenstrauss auf dem Tisch. Zwei, drei Mal kann man ihm Wasser
geben und dann ist es damit vorbei. Vielleicht sind wir einfach
Blumensträusse für eine andere Ebene.
Aber stellt euch einmal Blumen in der Natur vor, die nicht sterben
würden. Dann könnten sie sich nicht wiederholen. Erst wo etwas stirbt,
können wieder Samen entstehen. Der blueprint bleibt erhalten. Die
Ähnlichkeit bleibt erhalten. Aber Ähnlichkeit ist nicht das gleiche wie
Individualität. Das Individuelle überlebt nicht. Vielleicht habe ich wieder
Margeriten auf dem Tisch, aber es sind nicht die gleichen Margeriten wie
am Tag vorher. Sie sind ähnlich, aber individuell wieder etwas völlig
anderes.
Wo body/mind in das Licht der Stille fällt, entsteht eine enorme Kraft
von Bewusstsein. Aber nicht Bewusstsein im Sinn von Be-wusst-sein,
sondern von bewusst Sein. Sein wird plötzlich wichtiger als Bewusstsein,
welches darin besteht, dass man immer wieder beobachtet, wie man ist.
Und die Seele ist nie bewusst, sondern Sein. Etwas, das ein Objekt ist,
etwas, das in Materie funktioniert, etwas, das eine Persönlichkeit und
demzufolge eine Geschichte im Raum hat, kann sich bewusst sein.
Sein ist immer mehr als Bewusstsein. Aufmerksamkeit und Stille ist das
Wasser für das Sein. Es ist noch nicht Sein, aber es ist das Wasser für das
Sein. So wie ein Körper nicht überleben kann ohne zu trinken.
Stille kann man demzufolge nicht machen, sondern sie ist eine Folge von
Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist die Absenz von Zeit. Im Prinzip
ist der Begriff Stille ein Synonym für den Begriff Frieden, Glückseligkeit,
bliss, peace. Konfliktfrei sein, Eins-Sein.
Und aus dieser Konfliktfreiheit, aus dieser Absenz von zwei, in diesem
Eins entsteht Schöpfung. Schöpfung entsteht nicht aus zwei.
177
Jeder Biologe wird euch sagen, stop, halt, Schöpfung entsteht aus zwei,
einer Eizelle und einer Samenzelle. Doch die verschmelzen. Er wird
beispielsweise auch ausser Acht lassen, dass jeder Mensch zuerst in der
Hauptanlage eine Frau ist. Erst nach einer gewissen Zeit innerhalb des
Embryodaseins ändern sich die Frauenanteile teilweise zum Mann,
abhängig von der Chromosomenstruktur. Primär ist man Frau, was der
Kirche und anderen gegen den Strich gegangen und woraus die ganze
Frauenfeindlichkeit entstanden ist.
Die Verschiedenartigkeit ändert nichts am Eins. Der Mind ist so pervers,
sogar zwischen Farben eine Verschiedenartigkeit anzunehmen.
Schwarze, Rote, Inder, Chinesen, Weisse. Farbe ist Schwingung. Und
was man in dieser Schwingung wahrnimmt, hängt ganz davon ab, aus
welcher Perspektive, in welchem Spektrum, man schaut. Es gibt Tiere,
die überhaupt nicht unsere Perspektive einnehmen, nicht in unserem
Spektrum wahrnehmen, und in deren Spektrum wir nicht sagen können
diese Farben bedeuten das und das. Blau soll zum Beispiel eine
beruhigende Farbe sein. Und was machen wir mit all den Wesen, die kein
blau sehen? Oder obwohl gewisse Leute ja behaupten, rot sei eine aktive
Farbe, sind zum Beispiel jene Wesen, die nur infrarot sehen, nicht stärker
aktiv. Das sind doch Mind games.
Verschiedenartigkeit ist das Prinzip vom sowohl-als-auch und heisst
nicht, dass es vieles Verschiedenes gibt, sondern dass Eins sich auf
verschiedene Arten zeigt. Verschiedenartigkeit im Sinne von viel
Unterschiedliches, welches nicht ein Eins ist, wäre nur möglich, wenn
irgendetwas existierte, das sich anders umwandeln würde, als es sich tut,
nämlich durch Tod.
Es existiert nichts, das nicht demselben Prinzip von Verwandlung
unterworfen ist, auch wenn es tausend Jahre lebt, nicht einmal ein Stern,
welcher Millionen Jahre lebt. Verschiedenartigkeit drückt sich nicht
dadurch aus, dass es Besseres und Schlechteres gibt, sondern ganz
einfach, dass es wieder zum Eins wird, immer wieder, weil absolut keine
Form existiert, die nicht auch wieder stirbt.
Das religiöse Prinzip, das Symbol Gott beinhaltet ja die Idee, dass es
etwas gibt, das eben nicht diesem Wandel unterworfen ist. Das, was
nicht dem Wandel unterworfen ist, ist tatsächlich anders und
demzufolge... definitionslos und eigentlich auch unabhängig von der
Kultur, die man lebt.
178
Und genauso gibt der Tod uns offensichtlich die Möglichkeit, falls man
das nicht tabuisiert, täglich zu erfahren, zu sehen, welch fantastisches
Naturinstrument dies ist. Natürlich leiden wir darunter, wenn jemand
uns verlässt, aber das, was dahintersteckt muss auch wahrgenommen
werden. Nämlich, dass es möglich ist, täglich genau das gleiche zu
erleben, nur dass es kein Verlassen der Umwelt ist, sondern höchstens
ein Prozess des Verlassens seiner eigenen Überzeugungen, ein Verlassen
der eigenen Ideen, ein Verlassen des eigenen was auch immer... ein
Verlassen der Zeit.
Sterben, Meditation ist das Weglassen von Zeit/Raum.
Und niemand sagt, man müsse warten für diesen Frieden, für diese Stille,
die mit Aufmerksamkeit zusammengeht, müsse man Körper/Mind
verwandeln. Wir haben die Möglichkeit, durch die Absenz von
Geschichte jeden Tag diese Aufmerksamkeit zu haben und dadurch diese
Stille.
Der Sinn dieser drei Meditationstage ist, Meditation in Bezug zu setzen
zur Absenz von Vergangenheit, Zeit/Raum, dadurch eine Beziehung zu
Aufmerksamkeit/Stille herzustellen, und dadurch ist man automatisch
auch in dem, was Sterben ist. Nicht ein Sterben in Zeit/Raum, sondern
eines, das sekündlich, stündlich, täglich stattfinden kann. Ein Sterben,
welches das Instrument vorläufig noch weiterfunktionieren lässt, ja ihm
sogar die Möglichkeit gibt, Sein verstärkt zu manifestieren.
Meditation ist in diesem Sinn die beste Sterbevorbereitung, die möglich
ist. Und wenn Sterben, wie alle Religionen behaupten, die wesentlichste
Verwandlung, Transformation ist, dann muss doch ein tägliches Sterben
die stärkste, effizienteste Transformation sein, die es gibt.
Aufmerksamkeit und Stille sind die Hauptpfeiler einer intensiven,
friedlichen Lebensqualität.
179
Fragen und Antworten
Eine der häufigsten Fragen, die im Bezug zu Healing und zu
Ausserkörperlichem Heilen gestellt wird, ist diejenige nach Situationen,
wo Healing keinen Sinn mache und es besser wäre, keines zu geben.
In unserer sehr stark körperbezogenen Gesellschaft ist «Heilen»
hauptsächlich eine Frage von Körper/Mind. In diesem Zusammenhang
gibt es Situationen, wo Healing keinen Sinn macht, dann nämlich, wenn
eine Funktionsbehinderung bereits so weit fortgeschritten ist, dass man
dem Patienten nur falsche Hoffnungen machen würde. Die Situation
gleicht einer Gratwanderung. Kommt jemand im Endstadium von Krebs
mit dem Glauben an eine mögliche medizinische Heilung zu
Healingsitzungen, muss man sehr vorsichtig sein, dass man nicht
unerfüllbare Hoffnungen schafft.
Es gibt einen bekannten Teufelskreis zwischen der klassischen und der
alternativen Medizin. Jemand mit einer schweren Krankheit, vielleicht
Krebs oder Aids, geht zu verschiedenen Ärzten. Jeder stellt zwar die
gleiche Diagnose, interpretiert aber die Heilungsmöglichkeiten
unterschiedlich. Es gibt auch bei klaren Krebsdiagnosen verschiedene
Möglichkeiten, mit der Erkrankung umzugehen. Sobald dann ein Patient
merkt, dass ein Heilungsansatz nichts nützt, wechselt der den Arzt.
Nach einigen Versuchen hat der Patient die Hoffnung auf die klassische
Medizin aufgegeben und wechselt in die alternative. Er geht zum
Homöopathen, zum chinesischen Akupunkteur, lässt sich Shiatsu geben,
sucht vielleicht einen Medialtherapeuten oder einen philippinischen
Geistheiler auf. Jedesmal, wenn er merkt, dass es auch hier nicht klappt,
geht der Patient zum nächsten.
Jeder Arztwechsel führt zum Aufbau einer neuen Hoffnung, die
vielleicht sogar vom Arzt oder Heiler gefördert wird. Statistisch gesehen
endet nach etwa zehn Arztwechseln der Wettlauf in einer tiefen
Illusions- und Hoffnungslosigkeit. Mit hoher Sicherheit kann nun gar
nichts mehr helfen, weil die eigenen Heilkräfte des Patienten nicht mehr
aktiviert sind. Es ist nur noch die Motivation der Verzweiflung, die den
Patienten vom einen Arzt zum nächsten, von einem Heiler zum anderen
treibt.
Betrachtet man nun einfach nur die körperliche Ebene, besteht die
Gefahr, unerfüllbare Erwartungen zu erzeugen, welche sich beim
Patienten destruktiv auswirken. Allein von diesen Voraussetzungen
ausgehend wäre es tatsächlich besser, auf Healing zu verzichten.
180
Wir meinen, dass Körper und Mind eine Einheit bilden und, dass zudem
noch die andere Ebene, der Energiekörper – Qualitätsaura und Seele –
dazu gehört. Geht man von diesem Konzept aus, kann niemand, weder
Patient noch Heiler, sich allein mit Körper/Mind befassen. Was immer
man tut, man schliesst immer auch den Energiekörper mit ein. Damit
wird klar, dass es kein sinnloses Healing gibt. Vielleicht wird Healing
kein unmittelbares Resultat haben und wird für den Patienten erst im
Moment der Auflösung von Körper/Mind wahrnehmbar. Für den Heiler
wird es dadurch vielleicht überhaupt nicht sichtbar. Das ist für ein
starkes Ego frustrierend. Jedes Healing aber hat Einfluss. Vielleicht ist
sie einfach auf den Energiekörper beschränkt.
Wir können den Einfluss unserer Arbeit nicht bestimmen. Wir können
nicht wissen, ob die Wirkung nur auf den Energiekörper und durch ihn
auf die Psyche des Patienten, nicht aber auf den Körper wirkt. Auch
kann man nie wissen, in welchem Sinne und wie stark der Einfluss auf
den Energiekörper ist. Eines wissen wir jedoch mit Sicherheit: Wenn
Energiekörper auf Energiekörper trifft, entsteht Potential, Mitgefühl und
Sein, auch wenn sie sich nur noch schwach und und vielleicht nur noch
auf der psychischen Ebene auszudrücken vermögen.
Wir sehen hier das normale täglichen Leben. Oft sieht es darnach aus, als
würden Freundlichkeit und Zuwendung nichts fruchten. Trotzdem ist
Zuwendung wohl das einzige, das immer einen Einfluss ausübt. So ist es
wichtig zu sehen, dass jede Healingarbeit Sinn macht. Man muss nur
auch dem Patienten gegenüber einfach klar zwischen Körper/Mind und
der Seele unterscheiden.
Es gibt nun Leute, denen man nicht zuerst diese Unterschiede erklären
kann. Sonst rennen sie weg. Man mache einfach keine Versprechungen.
Trotzdem ist eine gewisse Hoffnung – auch das ist eine enorm subtile
Gratwanderung – speziell für jemanden im Kreislauf von Erwartung und
Resignation wichtig, weil der Placebo-Effekt über die Motivation der
Hoffnung die Aktivierung der eigenen Heilkräfte fördert. Trotzdem darf
die Hoffnung nie zu einer Übertragung und damit zu Enttäuschung
führen, wenn körperliche Heilung nicht eintritt.
In diesen subtilen Situationen gibt es weder Technik, noch
Verhaltensregeln oder Theorien darüber, wie man vorgehen soll. Darum
kann man das auch nicht lernen. Jedes erlernbare Wissen ist
schwarz/weiss, eine Entweder/Oder-Funktion. Man tue etwas so und
nicht anders. Unsere ganze Gesellschaft ist auf diesen Funktionen
aufgebaut ist. Das ist auf der Körper/Mind Ebene gut.
181
Was in derart subtilen Situationen gebraucht wird, ist aber die Erkenntnis
eines ganzen Spektrums von Nuancen, Sowohl-/als-auch-Funktionen.
Diese Nuancen stehen in keinem Lernprozess zur Verfügung, sondern
nur im Moment der Situation. Darum kann man sich im einzelnen Fall
nur von seiner Beziehung, vom Mitgefühl zur Patientin, zum Patienten
leiten lassen.
Eine weitere Frage taucht immer wieder auf: Wie schützt man sich als
Heiler? Diese Frage kann nicht ohne die Antwort auf zwei weitere
Fragen behandelt werden.
Die erste: Wie kommt man überhaupt auf diese Frage? Die zweite:
Wovor soll man sich denn schützen?
Das Vorhandensein der Frage nach Schutz sagt aus, dass man die Idee
im Kopf hat, dass irgendwo, irgend etwas gegen einen sein könnte. Die
Frage nach Schutz zeigt Angst, eine milde Paranoia dem Universum
gegenüber, deutet darauf hin, dass die kirchliche Vorstellung von Teufeln
und bösen Geistern im Hintergrund nagt und erzählt von einem tiefen
Misstrauen. Die Idee, irgendwo könnte irgend etwas gegen einen sein –
Angst – macht verletzlich. Wo kein Misstrauen und keine Angst ist, muss
man sich nicht schützen.
Wovor meint man, sich denn schützen zu müssen? Früher hat man
Opfer gebracht. Weil man das Wesen des Blitzes nicht verstanden hat,
sind bei einem Gewitter oder einem Sturm sogar Kinder geopfert
worden. Man hat dieses Naturphänomen als Bösen Geist, als Feuer
Gottes verstanden und hat versucht, es zu besänftigen. Heute kommt
während eines Gewitters niemand mehr auf derartige Ideen.
Die Idee, sich schützen zu müssen, könnte doch Ausdruck von
Misstrauen einem selbst und anderen gegenüber sein. Aus eben diesem
Grunde pflegt man ja auch Zimmer und Wohnungen zu verrammeln.
Will man in New York herumlaufen, muss man die sicheren Strassen
kennen, wenn man vermeiden will, erschossen zu werden. Projizieren wir
vielleicht einfach unsere eigenen Aggressionen in die spirituelle Ebene
hinein?
Immer wieder wird beharrlich auf die Existenz von bösen Geistern
hingewiesen. In der Pop-Esoterik wird mit Poltergeistern immer noch
Eindruck zu machen versucht. Dass es tatsächlich Poltergeister gibt,
bezweifelt niemand. Interessant ist nur, dass ein Poltergeist in den
meisten Fällen zusammen mit einer oder einem Pubertierenden, also
einem Kind von etwa fünfzehn Jahren, das Geisterhaus verlässt.
182
In allen Religionen, dem Christentum, dem Islam, dem Hinduismus, dem
Buddhismus ist der Sexualität in unterschiedlichster Weise eine riesige
Bedeutung gegeben worden. Während die eine Religion Tantra als
Lösung empfiehlt, wurde sie durch die andere als die grösste Gefahr für
die Spiritualität dargestellt. Eines ist allen Religionen gemeinsam: Sie
haben die enorme Kraft der Sexualität nicht falsch beobachtet. Ob sie
diese Beobachtung richtig interpretiert und gedeutet haben, ist eine ganz
andere Frage.
Mit falschen Deutungen zwar, aber alle Religionen haben akzeptiert, dass
speziell erwachende Sexualität eine enorme Kraftquelle ist. Diese Kraft
kann offensichtlich auch zu Poltergeistphänomenen führen. Bis heute
habe ich keinen Geist wahrgenommen, dem es auf kindliche Weise
gefallen hätte, Dinge herumzuwerfen, zu klopfen oder Brände zu legen.
Obschon diese Phänomene eher mit unseren eigenen magnetischen
Feldern zu tun haben und deren dauernd unterdrückte oder sublimierte
Kraft aufzeigen, schieben wir aus Unkenntnis der anderen Welt die
Verantwortung dafür zu.
Immer wieder wird auch behauptet, es gebe Besessene. Wenn man Filme
über sogenannte Besessene und deren Heilung zum Beispiel in
brasilianischen Kulten anschaut, fällt oft auf, dass bei den Betroffenen –
es gibt auch hier einen Rest nicht erklärbarer Phänomene – das
Persönlichkeitszentrum (Wurzelchakra, Hara, Solarplexus) stark aktiviert
ist. Meist ist Sex das Thema.
In vielen alten Darstellungen geht es um Vergewaltigung, um das uralte
Bild des Teufels, der Frauen auf dem Altar verführt. Solche Bilder sind
eine alte, versteckte Form von Pornographie. Früher stand man noch
weniger als heute zu Neigungen von Sadomasochismus, zeigte keine
Domina, die jemanden verführt und vergewaltigt. Man war noch viel
verklemmter, als heute und drehte noch keine Pornofilme. Man erfand
einfach Geschichten um Hexen, die mit dem Teufel schlafen.
Besessenheit hängt mit fehlgeleiteter Energie zusammen.
Bei Teufelsaustreibungen werden oft völlig unlogische und lächerliche
Situationen beschrieben. Erscheint der Priester mit dem Kreuz, sieht
man die Opfer sofort fauchen und schreien. Das soll Ausdruck
entweichender Dämonen sein. Liesse man die gleiche Person von einem
Tibeter oder von einem Hindu behandeln, dürfte folgerichtig wegen des
fehlenden Kreuzes niemand fauchen. Das alles sind Glaubenssysteme,
innere Vorstellungen.
183
Es gibt auf der anderen Seite auch immer wieder Leute, die von der Idee
besessen sind, die einzigen mit echtem Kontakt zu Jesus zu sein.
Sektengurus versammeln gern Geister der Vergangenheit um sich und
erzählen die entsprechenden Geschichten dazu.
Ist ein Schutz nötig, ist es jener vor sich selbst und seinem eigenen
Misstrauen. Setzen wir den Glauben an ein Weiterleben nach dem Tode
und an Reinkarnation voraus und stellen wir uns einmal einen bei einem
Autounfall umgekommen Säufer vor, der früher wegen Vergewaltigung
im Gefängnis gesessen hat. Dieses Geistwesen mag sich seines Todes
noch nicht bewusst sein. Was tut es nun?
Welches ist der Grund zur Annahme, dass ein Mann, der im Rausch und
damit auf einer reduzierten Bewusstseinsebene gelebt und keinen
Zugang zum Energiekörper oder irgendwelchen feinstofflichen
Phänomenen gehabt hat, nun vom Jenseits aus plötzlich mit uns Kontakt
aufnehmen könne? Der Kontakt ist in beiden Richtungen ähnlich
schwierig. Wenn das so einfach wäre, hätten sich alle sogenannten
grossen Geister längst auf viel intelligentere Art gemeldet, als das bis
heute der Fall gewesen ist.Wenn Kontaktaufnahme einfach wäre, hätte
mit Sicherheit irgend jemand Anweisungen zur Herstellung eines Autos,
das ohne Benzin fährt, durchgegeben. Bis heute habe ich von all den
Berühmtheiten weder brauchbare neue Forschungsergebnisse, noch
etwas Konkretes darüber gehört, wie es mit unserer Erde weiter gehen
könnte. Diese Durchsagen sind nichts, als schöne Sprüche, dass man
doch bitte miteinander lieb sein soll, weil sonst das Universum in sich
zusammenstürze. So einfach, wie man das gerne hätte, ist das Senden
und Empfangen zwischen den Welten offensichtlich nicht.
Auf der einen Seite bewundern wir mit viel Geschrei auch den geringsten
Bezug zur anderen Ebene, obwohl wir das nicht einmal schlüssig
beweisen, sondern nur glauben können, auf der anderen fürchten wir,
alle dort drüben könnten auf ganz einfache Weise in unser Leben
eingreifen und würden das selbstverständlich in einer negativen Art und
Weise tun.
Man braucht sich nicht vor dem Universum zu schützen. Der einzig
nötige Schutz ist der vor der eigenen Dummheit und Begrenzung.
Angst vor einem depressiven Klienten, der die Energie des Heilers
abziehe, sagt aus, dass man keine Lust oder zu diesem Menschen keinen
guten Bezug hat. Niemand der mit seinem Klienten mitfühlt, kommt auf
die Idee, jemand könnte und würde einem seine Energie stehlen.
184
Wer dennoch schutzbedürftig ist, sei sich bewusst, dass der Bezug zum
Energiesystem der einzige Schutz ist. Es geht darum, so offen, so
fliessend wie nur möglich zu sein. Dann kann man das Misstrauen und
die Idee, dass irgend jemand gegen einen sei, sein lassen.
Man sieht mit dem nächsten Schritt noch genauer, wieviel diese Angst
mit uns selbst und wie wenig sie mit Realität zu tun hat: Was würde man
wohl zum Zeitpunkt, da man keinen Körper und keinen Mind mehr hat,
gegen einen negativen Einfluss eines Geistwesens unternehmen? Kann
man ein Training in Selbstverteidigung für den Gebrauch im Jenseits
absolvieren? Bastelt man besser ein gedankliches Maschinengewehr, das
man zur Verteidigung hinüberretten kann? Es könnte ja sein, dass einem
dort ein böser Geist begegnet. Kein Einweihungsritual in irgend einer
Kultur, weder bei den Schamanen, Indianern, noch bei den Ägyptern,
sprach von der Notwendigkeit eines Sieges über Dämonen, über böse
Kräfte des Universums. Die wirklich gefährlichen bösen Kräfte und
Dämonen sind diejenigen, die ihr Unwesen in unseren Köpfen treiben!
Ein klarer Kopf und es gibt keine Dämonen! Ein offenes Herz und es
gibt keine bösen Kräfte!
In diesem Zusammenhang wird eine verwandte Frage oft gestellt: Soll
man kein Healing geben, wenn man sich nicht wohl fühlt?
Es gilt, auch hier wieder zwischen Körper, feinstofflichem Körper und
Energiekörper zu unterscheiden.
Eine medizinische Überlegung ist einfach: Liegt eine bakterielle Infektion
oder eine Viruskrankheit vor, ist es sicher nicht sehr intelligent, Healing
zu geben. Das hat weniger mit der Furcht vor Wirkungslosigkeit zu tun,
als mit der Gefahr, den Erreger, zum Beispiel einen Grippevirus, zu
übertragen.
Ist man müde, hat man sich überanstrengt, ist es sicher auch besser, auf
seinen Körper zu hören und ihn erst einmal zu pflegen. Der Grund für
diese Empfehlung liegt in der Unsicherheit, ob man mit dem eigenen
Körper im übermüdeten Zustand intelligent genug umgehen kann, dass
sich Energie aufbaut, statt verbraucht.
Fühlt man sich, vielleicht auf Grund eines Streites, psychisch nicht wohl,
steht einer Healingsitzung nichts entgegen, sofern die oder der Heilende
als Person immer wieder aus dem Wege gehen und seine eigene
Frustration damit auf der Seite lassen kann. Die Sitzung wird sogar mit
hoher Wahrscheinlichkeit auch ihm selbst helfen. Während einer Sitzung
trifft Energiekörper auf Energiekörper und damit entsteht Mitgefühl.
Daher findet Aktivierung in beiden Richtungen statt.
185
Heilung ist keine Einbahnstrasse. Heilender und Klient sind beide
Empfangende! Wenn man sich also psychisch nicht sehr gut fühlt, ist die
Durchführung einer Sitzung sehr empfehlenswert. Voraussetzung ist es
allerdings, dass man als Heilender die eigene Frustration auf der Seite
lassen kann.
Der Entscheid, ob man eine Sitzung unter solchen Umständen abhält
oder nicht, wird am besten durch eigene Beobachtung untermauert.
Vermutlich ist es nicht jedermanns Sache, Healing zu geben, wenn man
gerade eine Beziehung verloren hat oder jemand aus dem engsten
Bekanntenkreis gestorben ist. Vielleicht braucht man ein bisschen Zeit,
den Verlust zu verarbeiten. Es gibt aber Leute, die auch unter recht
extremen Situationen noch arbeiten können und selbst von der eigenen
Arbeit profitieren. Hier ist keine Aussage möglich, was zu tun und was
zu lassen sei; wichtig ist, dass man für sich selbst ehrlich das beste
aussucht.
Im Zusammenhang mit Ausserkörperlichem Heilen stellt sich die Frage,
ob man Healing geben könne ohne das ganze Ritual? Die Antwort ist
ganz einfach und klar: Ja.
Jede therapeutische Situation, jede Beziehungssituation, jede
Lernsituation zwischen einem Lehrer und einem Schulkind, jede
Situation, die einen Mediziner involviert, kann durch Ausserkörperliches
Heilen ohne Ritual intensiviert werden. Gesprächstherapie ist keine
Healingsitzung. Gesprächstherapie mit dem Energiekörper aber ist
Gespräch und Healing.
Ein weitere häufige Frage heisst: Welcher Zusammenhang besteht
zwischen Healing und Geistwesen oder Geistführern?
Eine Antwort lautet: keiner, eine andere: der Zusammenhang ist stark.
Glaubt jemand nicht an andere Welten, andere Universen, Reinkarnation
oder an ein Reich, in dem man sich nach dem Tode während einer
gewissen Zeit aufhält, beeinträchtigt das seine Heileffizienz nicht. Man
kann also sehr gut heilen ohne das Konzept (den Glauben, die Idee, die
Realität, man suche sich den stimmigen Ausdruck selbst aus) von
Geistwesen. Damit Healing stattfinden kann, braucht man nicht zu
wissen, dass man einen Geistführer hat.
186
Da wir den Energiekörper immer als Aspekt der Qualitätsaura, nie aber
ganz als Seele wahrnehmen, nehmen wir logischerweise meistens auch
nicht wahr, wenn sich während einer Healingsitzung tatsächlich so etwas
wie ein Geistführer manifestieren sollte oder mithelfen würde.
So gesehen ist die Behauptung falsch, dass Healing mit einem
Geistführer zusammen besser sei. Auf der anderen Seite gibt es
vermutlich kein Healing, während dessen nicht Wesenheiten anwesend
sind. Die daraus entstehenden Möglichkeiten zu nutzen setzt voraus,
dass man das Konzept, die Idee, die Realität annimmt, ohne sie zu
verteidigen. Es ist sinnlos, jemandem, der nicht an ein Leben nach dem
Tode glaubt, beweisen zu wollen, dass es doch tatsächlich ein Leben
nach dem Tode gebe. Darum geht es nicht.
Man wird nicht glücklicher, und man stirbt auch nicht leichter, wenn
man weiss, dass es ein Leben nach dem Tode gibt. Man stirbt dann
leicht, wenn der Bezug zum Energiekörper besteht. Nimmt man aber,
für sich persönlich und nur zu diesem Zweck, den Bezug zu
Wesenheiten, zu höheren Schwingungen, zur anderen Dimension wahr,
wird Healing dadurch zwar nicht besser, aber die Wahrnehmung hilft
dem Heilenden.
In der Bibel steht der Satz, dass der Glaube Berge versetzen könne.
Solange es nicht um die Interpretationsvariante des Glaubens an ein
Auto geht, das daraufhin vor der Haustüre stehe, gibt der Satz einen
wichtigen Hinweis: Hat man eine starke Beziehung zu irgend etwas,
erhöht sich für einen die Möglichkeit, die Motivation, etwas zu tun. Für
alle anderen geschieht dies nicht notwendigerweise, weil diese anderen
zur gleichen Sache keine Beziehung haben. Die ersten Christen haben
nur gewagt, sich gegen Rom aufzulehnen, weil sie von ihrem Einzug ins
Himmelreich nach ihrem gewaltsamen Tod überzeugt waren. Hätten Sie
das nicht geglaubt, hätten sie die Auflehnung mit Sicherheit nicht gewagt.
Glaube mag auf jemand anders überhaupt keine Wirkung haben. Ob
man sich der Hilfe von Geistwesen bewusst ist oder nicht, ändert nichts
an der Energie, die sie durch einen hindurch leiten. Trotzdem ändert
diese Hilfe meinen Zustand im täglichen Leben.
Die Fähigkeit, warten zu können und Geduld zu haben ist nicht
erlernbar. Wenn man sich aber bewusst ist, dass es eine andere Ebene
gibt, die sich, wahrnehmbar oder nicht, immer wieder miteinbeziehen
lässt, hat man dem Leben gegenüber eine andere Einstellung.
187
Dieses Bewusstsein ändert nichts an der Effizienz der Healingarbeit,
aber viel an der Art, wie man im Leben steht.
Wer unter euch nun eine weitere Frage hat, stellt sie, ohne die Augen zu
öffnen. Ich werde dann ausdrücken, was ich dazu höre und
anschliessend die nächste Frage anfordern.
Die erste Frage: Ich kann mit den Übergängen nicht gut umgehen: Wir
haben jetzt eine Meditationswoche hinter uns und ich gehe zurück in den
Alltag und auch in die Ferien. Noch schwieriger wird nachher der
Wiederbeginn der Arbeit. In diesen Übergangsphasen wird mir oft übel,
manchmal entsteht Migräne. Gibt es einen intelligenteren Umgang mit
diesen Übergängen?
Antwort: Wird an eine elektrische Anlage, die auf einen Strom von fünf
Ampère ausgelegt ist, eine Maschine angeschlossen, die den doppelten
Strom aufnimmt, verbrennt nicht sofort das Innere der Anlage; zuerst
werden die Sicherungen durchbrennen. Setzt man diese Tatsache auf den
feinstofflichen Körper und auf Körper/Mind um, heisst das, dass in der
Beziehung zwischen dem Körper, der als Sicherung wirkt, und dem
Umsetzer auf höhere Ebenen ein Ungleichgewicht herrscht. Auf der
einen Seite zeigt diese Beobachtung deine Stärke als Sendegefäss, zeigt,
welch hohe Schwingungsebenen du anzuziehen vermagst. Sie zeigt aber
auch, dass dein Körper offensichtlich noch nicht gelernt hat, mit diesen
hohen Schwingungsebenen optimal umzugehen. Optimal damit
umzugehen heisst, sie zu integrieren. Wie entsteht Integration?
Integration von höheren Schwingungsebenen geschieht dann, wenn man
einem Erlebnis keine persönlichen Interpretationen mehr beimischt.
Integration ist die Absenz von persönlichen Inhalten. Wann immer man
mit einer höheren Form, mit einem Wesen oder mit Energie in Kontakt
kommt, darf man daraus nie etwas Persönliches machen, weil sich
Persönliches auf der Ebene von Körper/Mind durch Gefühle wie
Verletzung, Schmeichelung, Selbstmitleid oder der Idee, man sei etwas
Besonderes, zeigt. Integration ist dann geschehen, wenn Körper/Mind
alltäglichen Dingen gegenüber die gleiche Haltung hat, wie gegenüber
anderen Ebenen. In derart offener Haltung weiss man nie ganz genau, ist
sich nie sicher. Ausgehaltene Unsicherheit verleiht dem Körper immer
mehr die Kraft einer Sicherung.
188
Einerseits ist Integration eine Frage der Übung. Meditation ist Übung.
Es geht nicht darum, jeden Tag während zwanzig Minuten zu sitzen. Es
geht um ununterbrochene Wahrnehmung von allem. Alles
wahrzunehmen heisst, nichts auszusortieren.
Andererseits ist Integration ein Verständnisprozess, der darauf
hinausläuft, dass man Körper/Mind und Energiekörper wohl als
verschieden, nicht aber als voneinander getrennt erlebt. Die meisten von
uns haben das Konzept von Körper/Mind einerseits und von einem
Zusatz, dem Energiekörper im Kopf. Ein eher richtiges Konzept ist
einem Ying-YangSymbol ähnlich. Der Energiekörper kann sich in dieser
Welt nur sehr schwer ohne Körper/Mind manifestieren. Daher benötigt
ein Geistwesen auch ein Medium. Umgekehrt kann Körper/Mind kaum
wirklich existieren, Sinn machen, kann kein Instrument werden ohne die
Ergänzung des Energiekörpers.
Im Endeffekt sollte der Alltag nicht mehr von Meditation, spirituellen
Praktiken, Heilen, therapeutischem Arbeiten getrennt sein. Man kann
therapeutische Arbeit nicht von den alltäglichen Situationen trennen.
Keine Therapeutin und kein Therapeut wird durch das Basteln einer
therapeutische Situation besser und wieder anders, wenn die Sitzung
vorbei ist. Beide Situationen ergänzen sich immer. Die einfachste Art,
das zu verstehen ist der eigene Versuch. Ich schlage dir eine spezielle
Meditation, eine Visualisation vor, die das recht deutlich zeigt. Du kannst
sie während einer gewissen Zeit hie und da machen. Stelle dir einen
wunderschönen Obstbaum in seiner jährlichen Entwicklung vor,
vielleicht einen Apfel-, Birnen- oder Kirschbaum. Zuerst siehst du ihn
als kahlen Baum mit seinen Ästen, dann mit Blättern, mit Blüten, dann
mit den entstehenden, später den reifen, darauf mit den fallenden
Früchten. Dann verliert dein Baum seine Blätter wieder und er steht
wieder völlig kahl da.
Wir wissen, dass der Baum zur rechten Zeit Früchte trägt, weil wir den
Jahreszyklus erfahren haben. Jemand, der den Baum nur im Winter
gesehen hat, mag ihn für überflüssig halten. Wer ihn nur im Übergang
vom Herbst zum Winter gesehen hat, wird sich fragen, was denn passiert
sei. Vorher sei er doch so schön gewesen und jetzt sei nichts mehr da.
Während der Wahrnehmung des Baumes auf seiner Reise durch die
Jahreszeiten visualisierst du ein Samenkorn. Es beinhaltet den ganzen
Baum. Trotzdem kannst du in diesem Samenkorn weder die Äste, noch
die Blüten, noch die Frucht erkennen.
189
Nur, wenn Baum, Blatt, Blüte, Apfel im Zyklus stets wieder neu
wachsen, entstehen neue Samen, neue Bäume, neue Früchte.
Der Baum symbolisiert Körper/Mind, das Samenkorn den
Energiekörper. Keines kann länger, als über eine gewisse beschränkte
Zeit ohne das andere existieren. Der Energiekörper enthält alles, aber
sichtbar wird er nur durch Manifestation. Du brauchst mit dem Bild nur
ein bisschen zu arbeiten und es wird einfacher sein, zu erkennen, dass
weder das Samenkorn noch der Baum speziell ist. Ying-Yang ist
Ergänzung zwischen Himmel und Erde.
Die nächste Frage: Die Mystiker sprechen von «das_Licht_sehen». Du
hast davon gesprochen, «die_Seele_hereinkommen_zu_lassen». Ich habe
in diesem Workshop wiederum manchen Moment tiefen Mitgefühls
erlebt, wie jenen, wo Pierre und ich zusammen «gesungen» haben. Sind
das verschiedene Ausdrücke für das gleiche? Was verstehen die Mystiker
unter «das_Licht_sehen»?
Antwort: Was du mit Pierre erlebt hast, wenn plötzlich Stille, völlige
Ruhe entsteht, das ist der Weg zum Licht. Ein anderes Symbol dafür,
was es heisst, das Licht zu sehen, ist verdampfendes Wasser. Licht ist
nicht gerichtete Energie, wie auch Weiss, am nächsten bei Licht, alle
Farben enthält und schwarz absorbierend ist. Wenn die Mystiker meinen,
das Licht zu sehen, dann meinen sie einen Zustand, in dem man nicht
mehr hin- und herpendelt wie Wasser in einem Glas, das einmal
gefrieren kann und dann wieder schmilzt. Im einen Zustand ist Eis im
Glas. Eis ist eine Verhärtung, eine Verstärkung träger Schwingung.
Wenn du meditierst oder auf andere Weise zur Ruhe kommst und den
Energiekörper wieder stärker wahrnimmst, dann schmilzt das Eis wieder,
und dann ist wieder Wasser im Glas. Es ist immer die gleiche Substanz;
zeitweise ist sie ein bisschen fester, manchmal etwas weniger fest.
Kommt das Wasser im Glas aber in einem Höchstmass zum Kochen,
verdampft es und es entsteht Transformation. Tranformation oder
«das_Licht_sehen» hat immer dann stattgefunden, wenn das, was du
erlebt hast, nie mehr aus deinem Bewusstsein ausgelöscht werden kann.
Wenn Licht zu einem Erlebnis, wie demjenigen mit Pierre dazukommt,
würde das Erlebnis dich so stark prägen, dass du nie mehr sein würdest
wie vorher. In der Praxis erleben wir auf dem Weg zum Licht sehr oft
Dinge, die uns tief berühren, sie transformieren aber nicht wirklich.
190
Sie machen das Wasser einfach ein bisschen wärmer; ein bisschen
schmilzt Eis. Jetzt braucht es nur ein paar kleine «negative» Dinge und
wir drehen unsere Kreise wieder in den alten Mustern. Licht
wahrzunehmen heisst, dass die Transformationsebene so stark ist, dass
sich tatsächlich etwas verändert.
Die Mystiker haben aber mit Licht noch etwas anderes gemeint. Sie
haben damit ein Symbol für Bewusstseinserweiterung geprägt. Wenn im
Gehirn immer mehr Alphawellen erzeugt werden, entsteht im Kopf
intensivere Schwingung und daher mehr Helligkeit. Aus diesem Grund
haben viele Leute bei der Meditation manchmal ein Gefühl, als gehe die
Sonne auf. Dabei wechseln ihre Hirnschwingungen lediglich in den
Alpha-Zustand. Die Mystiker haben diese Beobachtung umgesetzt: Bei
Entspannung entsteht im Kopf mehr Licht. Wir sagen, die Zellen seien
dann kommunikativ, wenn sie vibrieren. Licht erzeugt Space, Dunkelheit
vermittelt das Gefühl von Einengung.
Licht gibt das Gefühl von Raum, von enormem Space. Licht ist für die
Mystiker ein Synonym für Gott.
Die nächste Frage: Ich fühlte mich gestern abend beim
Nachhausekommen sehr schwach. Ich setzte mich im Bewusstsein an
den Tisch, dass ich mich nie mehr würde erheben können. Jede Zelle
meines Körpers vibrierte. Später ging ich zu Bett und schlief. Heute
morgen beim Erwachen hatte ich Kopfschmerzen und mir war übel.
Andererseits fühlte ich mich gut. Es waren zwei ganz getrennte
Empfindungen. Beim Hierherkommen hatte ich das Gefühl, es käme
nicht darauf an, ob ich überhaupt hier anwesend sei. Ich hätte
geradesogut vorbeigehen können, doch andererseits war die
Entscheidung ganz klar, weil ich Christine noch einmal sehen wollte.
Diese Begegnung wurde mir plötzlich ganz wichtig. Meine Frage: Was ist
passiert? Ich habe das Gefühl, in der Nacht sei etwas passiert.
Antwort: Das ist ein Phänomen, dass man sehr oft beobachten kann.
Das ist einer der Gründe, warum die alten esoterischen Schulen auf
vorsichtiger und sehr langsamer Entfaltung beharrt haben.
Erstens: Wie bei der ersten Frage hat das Phänomen wiederum mit dem
Körper als Sicherung zu tun. Der Körper muss langsam lernen, höhere
Schwingung tragen zu können.
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Zweitens: Bei starker Aktivierung des Energiekörpers, erhöht sich der
Serotoninspiegel stark. Dadurch fühlt man sich wohl. Bei einer ganz
bestimmten Schwelle empfindet man nicht mehr nur Wohlsein, sondern
man betritt eine andere Welt, für die alten Schamanen der Grund,
Mescalin oder LSD einzunehmen, weil auch diese Stoffe den
Serotoninspiegel erhöhen. In dieser anderen Welt bist du nicht mehr in
der Lage, den Energiekörper willentlich in den Körper zurück zu
bringen. Die ausserkörperliche Situation bleibt erhalten, obwohl du es
anders möchtest. Das haben die Schamanen den Flug in die anderen
Welten genannt. Fliegen heisst, dass man nicht mehr völlig im
Körper/Mind verankert ist. Ich kenne niemanden, der mit der Situation
eines erhöhten Serotoninspiegels auf Anhieb hätte umgehen können. Es
entsteht ein Gefühl von Übelkeit. Hält man sich dann zu stark am
Körper fest, können Spannungen, vor allem Kopfschmerzen im Bereich
des Medulla und der Stirn auftreten.
Drittens: Die durch den erhöhten Serotoninpegel entstehende höhere
Schwingung ist meines Erachtens ganz wesentlich für tiefe, gute
Healingsitzungen und für das eigene Leben. Man muss einfach lernen,
damit umzugehen. Die Welt und die Art, wie man sie normalerweise
erlebt, bekommt dadurch einen niedrigeren Stellenwert. Gewisse Dinge
sind dann nicht mehr so wichtig.
Mystiker haben dieses Ziel zum Teil durch die Schaffung von Klöstern
zu erreichen versucht. In anderen Kulturen, beispielsweise bei den
Hindus und im Buddhismus haben sie Schüler, Sannyasins,
angenommen, die sich um die weltlichen Dinge nicht haben kümmern
müssen. Es ist beispielsweise schwer, Kinder zu betreuen, während man
sich ausserhalb seines Körpers aufhält.
Die Lösung des Dilemmas liegt nicht im Rückzug in Mönchskutte in ein
Kloster im Himalaya. Diese kann vielmehr darin bestehen, dass man
einen Weg findet, sein tägliches Leben in Ordnung zu halten. Die
wenigsten Leute haben wirklich Ordnung in ihrem Alltag. Krishnamurti
hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht nur um eine innere,
sondern ebensosehr um eine äussere Ordnung gehe.
Ich nehme ein Beispiel. In Athen muss man, um zum Beispiel eine
Telefonnummer zu erfragen, während mindestens zwei Stunden die
verschiedensten Dienststellen anrufen. Die zuerst erreichte Stelle kennt
die Adresse nicht, die zweite kennt zwar die Adresse, der Bezirk gehört
aber zu einer anderen Auskunfsstelle, und die dritte liefert endlich irgend
eine Fehlauskunft.
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Man verliert auf Grund dieses Chaos extrem viel Zeit und Energie. Für
den Transport von einem Ort zum anderen braucht man auf Grund der
Grösse der Stadt schon oft mehr als eine Stunde. Auf der anderen Seite
gibt es nichts einfacheres, als sich in Zürich, in diesem geordneten Dorf,
aufzuhalten. Hier ist das Leben dermassen geordnet, dass man im
Gegensatz zur Grossstadt viel weniger Zeit vergeudet und darum soviel
davon hat. Die gleiche Ordnung – allerdings ohne den polititschen
Konservatismus – sollte in der eigenen Umwelt herrschen.
Schaut man jetzt den Inhalt deiner Frage und deine momentane
persönliche Situation an – seit einem Jahr solltest du Entscheidungen
fällen; aus Gründen, die zu respektieren sind, tust du es nicht; auch
solche Veränderungen brauchen einen Reifeprozess –, erkennt man, dass
du heute in einem Spagat lebst: ein Bein auf jeder Seite. Diese
Dissonanz, diese Unordnung schafft Spannung.
Man kann sagen, dass die Wirbelsäule, welche wie eine Sicherung höhere
Schwingung auffangen kann, durch fehlende Ordnung überlastet ist und
daher mit dem hohen Serotoninspiegel nicht richtig umgehen kann.
Deine Angabe, du hättest einfach weiterlaufen können, zeigt den
verminderten Stellenwert von etwas vorher Wichtigem. Die Phänomene
sind Symptome und zeigen nicht Schwächen auf, sondern die
vorhandene starke Kraft, dein Potential. Es geht jetzt darum, dieses
Potential richtig zu kanalisieren. Du erreichst das, indem du Ordnung
schaffst, weil Ordnung Frieden schafft. In innerem und äusserem
Frieden hat die andere Dimension Raum.
Vielleicht willst du über die nächsten zwei, drei Monate eine einfache
Übung machen: Setze dich jeden Tag – es braucht nicht mehr als jeweils
zehn Minuten – vor einen Kristall. Es ist unwichtig, ob du an
Kristallenergie glaubst oder nicht; es geht nicht um jene Konzepte. Du
schaust den Kristall an und wirst dir des Symbols bewusst, das der
Kristall für dich darstellt. Nur das. Das erhöht die
Entscheidungsfähigkeit. Die Entscheidung selbst wird nicht für dich
gefällt werden, das musst du selbst tun. Du schaust den Kristall an und
wirst dir bewusst, dass dieser Kristall eigentlich dich selbst symbolisiert.
Die nächste Frage: Wie kann ich sicher sein, dass ich mit meiner
Führung in Kontakt bin und nicht einfach mit meiner Phantasie?
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Antwort: Viele der Leute, die sich über ihren Kontakt mit Führung oder
Geistwesen ganz sicher sind, erscheinen oft überheblich und machtgierig
und, wenn der Kontakt einmal nicht stattfindet, ungeduldig. Viele
wirklich intelligente Systeme haben es an sich, dass man sich nie wirklich
sicher sein kann. Das gilt auch für Beziehungen: Es entsteht
Gewöhnung, sobald man sich des Partners zu sicher ist, und
Gewöhnung tötet die Beziehung. Die Beziehung zu einem Geistführer
verlangt keine Anstrengung; sie braucht aber immer Offenheit,
Wahrnehmung und – um es in christlicher Terminologie zu sagen –
Demut, wenn wir meinen, diese Führung bleibe aus. Spürt man keine
Führung, heisst das nur, dass man sie im Moment nicht wahrnehmen
kann. Es gehört zu einem spirituellen Weg, dass man sich nie sicher ist.
Genau diese Unsicherheit ist es, die einen bei allem was man sagt oder
tut, immer auch beobachten und reflektieren lässt. Die Reflexion sei
nicht negativ; reflektieren ist nicht identisch mit urteilen und verurteilen!
Gleichzeitig hilft sie einem auch, zu verstehen, dass jeder Ausdruck,
selbst, wenn er von einem anderen Wesen stammte, immer beschränkt
ist. Solange diese Unsicherheit da ist, kommt man kaum in die genügend
bekannte Versuchung, sich zu rechtfertigen, Ideologien zu schaffen oder
zu behaupten, man sei unfehlbar. Das Fehlen von Sicherheit gehört zum
Wesen von Spiritualität. Das ist gut so. Selbst charakterstarke Leute
verlieren ziemlich schnell ihren Bezug, wenn sie ihrer Sache so sicher
sind. Wachstum bedeutet, in der Unsicherheit zu bleiben. Der Körper
braucht Sicherheit; Spiritualität braucht Unsicherheit.
Du musst dich nicht darum kümmern. Es spielt auch keine Rolle, wenn
du deine Fantasie für Führung hältst. Auch deine Fantasie kann Gutes
liefern. Es ist nichts falsch mit der Fantasie. Gefahr entsteht erst, wenn
du aus dem, was du tust oder sagst, eine Struktur, eine private Ideologie,
eine Kultur schaffst. Vorher tut es nichts zur Sache.
Die nächste Frage: Ich weiss nicht, wie mein Leben weitergehen soll. Ich
habe das Gefühl, als wäre mir eine Türe verschlossen worden. Ich
nehme nichts mehr wahr und finde dadurch auch keine Ruhe mehr.
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Antwort: Es sind einige Dinge, in die hineinzugehen und zu verstehen
du versuchen solltest.
Die erste: Es gibt niemanden, der eine Türe vor einem verschliessen
würde. Wenn eine Türe verschlossen wird, hat man das selbst getan.
Vielleicht aber ist diese verschlossene Türe gar nicht so negativ zu
bewerten, wie du das im Moment sehen magst. Die Tatsache, dass eine
Türe plötzlich verschlossen ist, bedeutet ja, dass sie einmal offen
gewesen ist. Wenn die verschlossene Türe dich wirklich nicht mehr
richtig fühlen lässt, bedeutet das, dass die vormals offene Türe dir ein
Gefühl von Fühlen, von Offensein, eine Lebensperspektive vermittelt
hat. Ich versuche jetzt, mich auf deine Innere Intelligenz in Verbindung
mit deiner Seele, deinen Geistwesen und -Helfern zu verlassen. Wir
meinen, dass du die Türe aus einem ganz bestimmten Grund
verschlossen hast.
Stelle dir vor, du würdest in einem grossen Haus mit zehn Zimmern
wohnen. Im zweiten Stock, zuhinterst, liegt ein Zimmer, in dem du einen
Altar, der auf einem Glaubenssystem beruht, eingerichtet hast. Dort hast
du jeweils eine Gottheit angebetet. Nur eine Vorstellung!
Während Jahren hast du in dem Zimmer immer wieder mit vielen
Ritualen gebetet. Du hast nie jemandem erlaubt, das Zimmer zu
betreten, weil dort dein innerstes Heiligtum gewesen ist.
Einige Sicherheit ist wohl in dein Leben gekommen. Eines Tages
überfällt dich aber die Erkenntnis, dass sich trotz des ganzen Betens,
trotz allen Ritualen im Leben nichts grundsätzlich verändert hat. Dringt
diese Erkenntnis sichtbar und spürbar ins Bewusstsein, entsteht zuerst
Verzweiflung. Du meinst einerseits, die langjährige Sicherheit aus diesem
Zimmer nicht einfach aufgeben zu können. Andererseits fragt ein
anderer Teil in dir, die innere Intelligenz, danach, was denn die ganze
Sache mit diesem Raum gebracht habe.
Was tust du nach der Überwindung des ersten Schocks? Wenn du viel
Mut hast, verschliesst du die Türe des Raumes und vergisst ihn. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit hat deine Innere Intelligenz erkannt, dass jener
Weg nicht der richtige gewesen ist.
Erinnere dich: Ich meine, dir beim Schliessen der Türe sogar geholfen zu
haben. Während einer Gruppe habe ich dir zu warten geraten. Dein
Leben ändert sich nicht durch deine anstrengenden Versuche, einen
Bezug zur Spiritualität zu finden.
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Dein Leben ändert sich durch die Beziehung zu dir selbst. Gemeinsam
haben wir dort begonnen, die Türe zu schliessen.
Die gestern beim Healing wieder offenbar gewordene Kraft zeigt, dass
weder deine Kraft, noch dein Potential ein Problem darstellen. Das
Problem liegt eher in der Tendenz, dein Potential immer wieder zu
verleugnen. Wenn und du dich nicht mehr an einen Ort retten und dich
dort selbst verleugnen kannst, weil die Türe verschlossen ist, bist du
plötzlich auf die Wahrnehmung zurückgeworfen, dass nicht das Potential
das Problem darstellt, sondern die Art, wie du mit dir umgehst.
Der Entschluss, die Türe zu schliessen hat sich zuerst einmal als grosse
Spannung in deinem Kopf ausgewirkt. Sie ist so stark gewesen, dass
Angst aufgekommen ist, ein Tumor könnte der Grund für die
Beschwerden sein. Ich behaupte, dass dein Mut zum Schliessen der Türe
der Weg zur wirklichen Spiritualität ist. Im Moment ist noch Geduld
nötig. Ich wette mit dir, dass sich das ändern wird. Spätestens an
Weihnacht oder im Frühling wirst du eine andere Türe öffnen.
Bis dahin sollst du das ganze Bewusstsein darauf ausrichten, mit dir
selbst wie mit deinem Kind umzugehen: Sei absolut nicht gegen dich!
Lass völlig ab von der Idee, du seist erst mit einer guten Beziehung oder
nach einer tollen Leistung etwas wert. Wert entsteht dadurch, dass man
sich selbst erst einmal als nichts erlebt. Wert baut sich nicht durch
Geschenktes auf; Wert entsteht durch das, was fehlt. Alles Geschenkte
kann wieder verloren gehen. Was aus dem Nichts einfach da ist, ist
immer da.
Du hast Wert ohne irgend eine Vorleistung. Erst, wenn diese Erkenntnis
völlig im System integriert ist, kannst du die neue Türe öffnen und
wirklich davon profitieren. Für die nächste Zeit ist Geduld das
Wichtigste. Es gilt zu warten. Brauchst du in dieser Zeit Hilfe, frage alle,
die du kennst darum. In solchen Momenten sind Freundschaften
wichtiger als Beziehungen, weil der Partner in einer Zweierbeziehung in
der Geburtssituation allein nicht helfen kann. Auch bei der Geburt eines
Kindes ist nicht nur der Ehemann nötig. Es braucht eine Hebamme, es
braucht andere mit verschiedenen Energieschwingungen. Das ist der
Sinn von Freundschaften.
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Ich wette mit dir, dass sich die Situation, in der du jetzt lebst – wir
nennen das den Nullfaktor –, mit Geduld und mit Warten spätestens bis
zum nächsten Frühjahr aufgelöst haben wird.
Die nächste Frage: Ich bin unsicher, ob und in welcher Form ich noch
eine zusätzliche Ausbildung machen oder ob ich einfach die mich
interessierenden Sachen selbst erarbeiten soll.
Antwort: Zunächst ist klar, dass Weiterbildung nie aufhört. Immer ist die
Notwendigkeit da, wieder neu zu reflektieren, Neues zu erarbeiten. Ob
man aus Unsicherheit eine ganze Ausbildung mit Abschluss, wie zum
Beispiel die Lehrgänge des IAP, absolviert, das ist eine Frage des
persönlichen Geschmacks.
Das ist aber nicht das eigentliche Problem. Du kannst noch während der
nächsten zwanzig Jahre Ausbildungen machen und das Gefühl trotzdem
nie loswerden, zu wenig gute Arbeit zu leisten. Das Problem bleibt
bestehen, solange du zwei hauptsächliche Dinge miteinander vermischst.
Das eine: Du glaubst, es sei an dir zu entscheiden, ob deine Arbeit gut sei
oder nicht. Nach welchem Kriterium willst du das entscheiden? Willst du
dich mit der Leistung anderer Therapeuten vergleichen, mit jener von
Absolventen anderer Therapieschulen, von Bekannten, von
Ausbildnern? Ist nicht deine Klientin, dein Klient das einzige Kriterium?
Klienten entscheiden allein über die Qualität deiner Healingsitzungen
und deiner Therapie. Über diese Auffassung kommen jetzt selbst
Mediziner zur Einsicht, dass gut ist, was heilt. Ob ein brasilianischer
Schamane mit Schaum vor dem Mund springend und gestikulierend heilt
oder ob dies ein Universitätsprofessor mit seinen Mitteln tut, ist
unerheblich. Was heilt, ist gut. Du findest die Kriterien, ob etwas heilt,
weder in der Ausbildung, noch in Büchern, noch in theoretischen
Gesprächen. Du findest diese Kriterien nur in deinem praktischen
Handeln in Bezug zu Patienten. Nicht das erlernte Vorgehen ist das
Kriterium für deine Qualität – das wird sich verändern – sondern der
Erfolg, ob Heilung stattfindet. Den Klienten und Klientinnen diese
Entscheidung vorenthalten zu wollen bedeutet deren Bevormundung
und ist nur ein Versuch, die eigene Angst zu überdecken.
Das zweite: Gemäss dem Gesetz der Anziehung kann man aus der
Anzahl betreuter Klienten nicht auf die Qualität einer Heilerin, eines
Heilers schliessen.
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Man muss aber andererseits auch den Zusammenhang mit der Person
sehen, wenn jemand, der viele Patienten betreut, plötzlich leer ausgeht.
Mit Sicherheit kann aber folgendes gesagt werden: Forciert man sich
immer wieder zu guter Leistung statt einfach mit dem Klienten zu
fühlen, übermittelt man das Signal: «Ich_habe_noch_keinen_Wert»!
Würde Tele-Züri statt aggressiver Werbung für das tolle Fernsehen zu
machen, die Meldung streuen, man solle das Programm doch um
Himmels willen jetzt noch nicht verfolgen, man wüsste beim Sender ja
noch nicht, wie so ein Programm zu machen sei, wäre Tele-Züri sehr
rasch von der Bildfläche verschwunden.
Klienten kommen nicht, solange sie das Signal erhalten, man sei noch
nichts wert. Weder die Bevormundung des Klienten ist sinnvoll, noch
die Bevormundung seiner selbst.
Ausbildung ist gut, solange sie der Vorbereitung einer Handlung dient.
Ausbildung ohne anschliessende Handlung bringt nichts. Erst die
Umsetzung in der Praxis bringt Wert in eine Theorie. Damit diese
Umsetzung gelingt, darf man weder die Klienten, noch sich selbst mit
seiner Meinung über die Qualität bevormunden. Die eigene Meinung ist
kein Massstab für Qualität. Fang einfach zu arbeiten an, sei da, höre zu.
Mitgefühl ist das Wichtigste jeder Therapie bei jedem Healing. Es geht
nicht um die Fähigkeit, intelligente Antworten und Argumente zu
produzieren. Ist Mitgefühl da, ergibt sich, losgelöst von jeder
Ausbildung, alles andere von selbst. Ausbildungen sind Hilfen für die
effiziente Gestaltung der Arbeit. Zwischen einem normalen Autofahrer
und einem Rennfahrer gibt es nur in der Effizienz einen Unterschied.
Ohne Rennfahrer zu sein steuert man seinen Wagen ebenso von A nach
B. Hat man sich aber dafür entschieden, ein Rennfahrer zu sein, braucht
es einige Investition. Es ist wichtig, mit der Bevormundung anderer
aufzuhören.
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