Liebe Leserin, lieber Leser, mehr als 160 Sicherheitsgesetze wurden in den vergangenen zwölf Jahren verschärft. Jede dieser Gesetzesänderungen bedeutete eine Einschränkung von Grundrechten. Der Raum, in dem sich Bürgerinnen und Bürger ohne staatliche Überwachung frei bewegen können, wird immer kleiner. Bislang blieb von staatlichen Maßnahmen verschont, wer den Sicherheitsbehörden keinen Anlass zu einem Eingriff gab. Heute gilt jeder als verdächtig und wird vom Staat beobachtet, ausspioniert, belauscht. Es ist nicht absehbar, wann Union und SPD genug Schnüffelgesetze beschlossen haben. Der aktuellste Coup aus dem Innenministerium ist die Online-Durchsuchung. Der Staat will die Computer der Bürgerinnen und Bürger ausspähen. Ein ungeheuerliches Vorhaben, das DIE LINKE ablehnt. Die Gründe dafür erläutern wir mit diesem Faltblatt. Ihr Jan Korte Online-Durchsuchung: Was ist das? Die Online-Durchsuchung ist eine verdeckte Fahndungsmethode. Behörden nehmen mit einem Trojaner Zugriff auf IT-Systeme, also zum Beispiel auf Computer oder Handys. Der Trojaner sammelt Daten und überträgt sie unbemerkt über das Internet an Behörden wie das BKA. Mit einem Trojaner ist es zudem möglich, den Computer fernzusteuern, also zum Beispiel das Mikrofon oder die Webcam zu aktivieren. Der Trojaner kann auf unterschiedliche Art auf einen PC gelangen. So schlug das Innenministerium vor, gefälschte Behörden-E-Mails zu verschicken, die den Computer infizieren. Eine andere Möglichkeit ist, dass verdeckte Ermittler in die Wohnung einbrechen und den Trojaner direkt auf dem Computer installieren. Tricks und Lügen Sowohl die rot-grüne Bundesregierung als auch die Große Koalition haben mit allen möglichen Tricks versucht, ihre Pläne zur Online-Durchsuchung zu verheimlichen. Schon im Jahr 2005 ließ der Staatssekretär von Otto Schily eine Dienstanweisung ändern, sodass dem Verfassungsschutz die Anwendung der Online-Durchsuchung ermöglicht wurde. Dennoch antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN (Drucksache 16/3973), dass OnlineDurchsuchungen nicht stattfänden. Inzwischen sind mindestens drei Anordnungen bekannt. Wie oft die Geheimdienste die Online-Durchsuchung angewandt haben, ist wegen der Geheimhaltung nicht zu ermitteln. Öffentliche Kritik an der Online-Durchsuchung gab es erstmals während der Haushaltsberatungen im Jahr 2006, als DIE LINKE wegen einer kryptischen Formulierung im „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ stutzig wurde und nachhakte. Damals vertrat die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Online-Durchsuchung nichts anderes sei als eine ganz normale Hausdurchsuchung. Kein Problem also? Nur drei Monate später weigerte sich ein Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, eine Online-Durchsuchung anzuordnen, weil sie tief in die Rechte des Betroffenen eingreife und durch Recht und Gesetz nicht gedeckt sei. Erst seither fordert die Bundesregierung eine Rechtsgrundlage für dieses umstrittene Instrument. Tiefer Grundrechtseingriff Niemand bestreitet mehr, dass die Online-Durchsuchung ein tiefer Eingriff in die Grundrechte ist. Der Computer ist ein ausgelagertes Gehirn, in dem sich intimste Informationen aus allen Lebensbereichen wie Tagebücher, Steuererklärungen, Briefe oder E-Mails befinden. Zwar kann auch eine normale Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme der Festplatte solche Informationen zu Tage fördern. Der Unterschied ist jedoch, dass die Online-Durchsuchung, anders als eine Hausdurchsuchung, eine verdeckte Maßnahme ist, die der Betroffene nicht bemerkt und die viele Monate dauern kann. Der verfassungsgerichtlich festgelegte Schutz des Kernbereichs des Privaten kann so nicht gewährleistet werden. Ein nutzloses Instrument DIE LINKE fragte die Bundesregierung in oben genannter Kleinen Anfrage, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn sich die Behörden von der Online-Durchsuchung erhoffen. Antwort: „Im Zuge von Online-Durchsuchungen können regelmäßig dieselben Erkenntnisse gewonnen werden, wie durch ‚offene’ Durchsuchungen und die Auswertung sichergestellter Computerdateien“. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Online-Durchsuchung kein verhältnismäßiges Mittel ist. Wenn mit einer normalen Hausdurchsuchung das gleiche Resultat erzielt werden kann, dann ist auf die OnlineDurchsuchung zu verzichten, weil sie einen wesentlich tieferen Eingriff in die Grundrechte darstellt. Kriminaltechniker bezweifeln, dass mit Online-Durchsuchungen überhaupt gerichtsfeste Beweise erhoben werden können, weil die Ergebnisse nicht reproduzierbar und manipulationssicher sind. Die Große Koalition beteuert, dass eine Online-Durchsuchung nur in Frage kommt, wenn erhebliche Straftaten zu befürchten und zugleich ausreichend Anhaltspunkte gegeben sind. Wenn ein Verdacht aber schon so weit fortgeschritten ist, können die Behörden nach der Strafprozessordnung observieren, Telefone überwachen oder die Wohnung durchsuchen. Diese Instrumente stehen schon heute zur Verfügung und sind wesentlich „sanfter“ als die Online-Durchsuchung. Alternativen zu Big Brother In den vergangenen zehn Jahren wurden allein bei den Landespolizeien 10.000 Stellen abgebaut. Es fehlt an alltäglicher Ausstattung. Viele Polizisten berichten, dass sie ihre Schutzwesten selbst kaufen oder private Handys benutzen müssen. In manchem Flächenland fehlt es an Geld für Benzin, um ausreichend Streife zu fahren. Sicherheitsleistungen wurden privatisiert. So arbeiten an Flughäfen Sicherheitsdienste für einen Stundenlohn um fünf Euro, was zu eklatanten Sicherheitsmängeln führt, wie Studien zeigten. Die Innenpolitiker der Großen Koalition entpuppen sich als Sicherheitspopulisten, denn sie fordern Sicherheit, kürzen aber dort, wo Polizistinnen und Polizisten ganz praktisch für Sicherheit sorgen könnten. Stattdessen werden teure Technikprojekte vorangetrieben, die dafür sorgen, dass den Polizeien das Geld für ordentliche Arbeit fehlt. Allein der gescheiterte Videoüberwachungsversuch am Mainzer Hauptbahnhof hat eine sechsstellige Summe verbrannt, die woanders fehlt. DIE LINKE will eine Abkehr von dieser Politik, die nichts nützt, aber die Grundrechte gefährdet. Statt Technik wollen wir Menschen einsetzen, um für Sicherheit zu sorgen. Dass das funktioniert, haben die Ermittlungen zu den verhinderten Attentaten gezeigt. Der Erfolg geht nicht auf das Konto technischer Aufrüstung, sondern ist das Ergebnis von konventioneller Polizeiarbeit. Nicht zuletzt muss es darum gehen, die Ursachen von Terrorismus zu bekämpfen. Sei es durch eine auf zivile Konfliktlösung ausgelegte Außenpolitik oder eine wirkungsvolle Integrationspolitik.