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Ingrid Bauer
Ausschnitt aus dem Vortrag:
Nachkriegsrassismus – Das Stigma der „Mischlingskinder“ von afroamerikanischen
Besatzungssoldaten und Österreicherinnen.
Dieses Symposium will Geschichten aus dem Nachkriegsösterreich erzählen, die ambivalenter sind als
jene, die wir heuer bei den offiziellen Jubelfeiern des Gedenkjahres 2005 zu hören bekommen. Es sind
Geschichten, die lange Zeit, zum Teil bis heute, von einer Kultur des Vergessens zugedeckt geblieben sind.
Zu diesen vergessenen Geschichten, die ich seit Jahren als Historikerin sammle und erforsche, gehören
jene von den so genannten „Mischlingskindern“ oder „Negermischlingen“, wie sie damals – wenig
einfühlsam – bezeichnet worden sind:
Österreicherinnen und Österreichern, die im Besatzungsjahrzehnt geboren wurden und deren Väter
afroamerikanische Besatzungssoldaten waren.
Ich beginne meinen Beitrag mit Ausschnitten aus einem eMail, das mich heuer am 13. Jänner hat,
geschrieben von Frau Rosemarie Killias-McGraw:
„Sehr geehrte Frau Bauer,
vielleicht hat es keinen Sinn mehr nachzuforschen, wer mein Vater war. Das Salzburger Jugendamt hat
scheinbar alle Akten zu meiner Person schon vernichtet. (…)
Meine leibliche Mutter, (…) immer noch wohnhaft in Salzburg, weigert sich bis heute, mir nähere Angaben
über meine Herkunft zu machen. (…).“
So viel weiß ich noch, dass ich von meinem dritten Lebensjahr an bis 1955 in einem Kinderheim (…)
verbrachte und irgendwann in einer Nacht wurde ich einem farbigen Ehepaar (er in Uniform) vorgeführt, um
von ihnen nach Amerika adoptiert zu werden. Ich muss ca. 6 bis 8 Jahre alt gewesen sein. (…)
Wahrscheinlich war eine Nacht und Nebel Aktion geplant. Der große Army Jeep stand schon start bereit vor
der Tür.“
Das achtjährige Mädchen hat sich jedoch, wie sie sich die heute rückblickend erinnert, „mit Händen und
Füßen gewehrt“, die Aktion scheitert. 1955 kommt sie zu einer Salzburger Pflegefamilie. Wird aber dann mit
15 Jahren doch noch, wie es im eMail weiter heißt,
„quasi abgeschoben nach Amerika und von einer (…) schwarzen Familie adoptiert, welche schon zwei
andere Mischlingskinder aus Deutschland adoptiert hatten. Die konnten kein Wort Deutsch mehr! Ich sollte
als Dienstmädchen arbeiten, doch musste ich noch die amerikanische High School absolvieren, denn ich
war noch zu jung. Unser Zimmer, welches wir uns zu dritt teilen mussten, war nicht viel größer als ein
kleiner Hühnerstall…
Hauptsache ich war von der Salzburger Bühne verschwunden...“
…fasst Rosemarie Killias-McGraw zusammen, was aus ihrer Perspektive die heimischen Motive dafür
waren, sie für eine Adoption in die USA frei zu geben.
Heute sei sie – trotz allem – eine lebenslustige Frau, als erfolgreiche Musical-Sängerin viel in der Welt
herum gekommen und lebe jetzt in der Schweiz. Schon vor längerer Zeit habe sie begonnen, all das
aufzuschreiben, was ihr widerfahren sei. Das habe ihr sehr geholfen. Trotzdem gäbe es in ihrer Story noch
„endlose Lücken“.
Ich freue mich, dass Frau Rosemarie Killias-McGraw unsere Einladung angenommen hat, heute nach
Salzburg zu kommen. Vielleicht kann dieser Salzburg-Aufenthalt die eine oder andere Lücke schließen, und
sei es nur jene, dass Lebensgeschichten wie die ihre in der österreichischen Öffentlichkeit bewusst
wahrgenommen werden.
Was lässt sich nun aus der Perspektive der Historikern zu den schwierigen Startbedingungen der so
genannten „Mischlingskinder“ im Nachkriegsösterreich sage – nur darüber kann ich als Historikerin
sprechen.
Die Kinder von damals sind natürlich längst keine Kinder mehr, sondern heute Erwachsene in einem Alter
zwischen 50 und 60 Jahren, die selbst das Wort ergreifen.
Meine Spurensuche stützt sich auf zeitgenössische Medien und Studien, die sich mit dem
Nachkriegsaspekt der so genannten „Mischlingskinder“ beschäftigt haben.
Auch Akten von Jugendämtern und Gespräche mit ehemaligen Fürsorgerinnen, Verantwortlichen von SOSKinderdörfern und Lehrern waren wichtige Informationsquellen.
Ich bin froh, dass sich auch einige Oral-History-Kontakte mit betroffenen Frauen und Männern realisieren
haben lassen: Gerade im Umgang mit den Wunden, die denen zugefügt werden, über die eine Mehrheit mit
ihren Stereotypen, mit ihren Urteilen –also mit ihrer Definitionsmacht – herrscht, scheinen mir diese
Selbstauskünfte und Selbstdarstellungen besonders wichtig zu sein.
Man bleibt sonst hängen beim diskriminierenden Blick und bei der diskriminierenden Sprache von damals –
allein das Etikett „Mischling“ zeugt vom hilflosen Umgang mit Menschen interethnischer Herkunft.
Andererseits will ich diese sprachlichen Bilder auch nicht ganz ausblenden, weil dadurch spürbar wird, wie
sehr sie die Lebenswege dieser Kinder zu einer kontinuierlichen Situation des Dazwischen gemacht haben,
zu einem Gang durch vielfältige Szenarien äußerer und innerer Fremdheit.
Ende des Ausschnitts
Die Historikerin forscht weiter zum Thema. Über Veröffentlichungen dazu werden wir Sie auf dieser
Homepage informieren.
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