Das Parlament Das Parlament wird vom Volk gewählt (freie, geheime Wahlen). Die Wahlen sollen alle vier Jahre statt finden (April-Mai). Ausnahme: vorzeitige Auflösung oder Selbstauflösung des Parlamentes. Die Abgeordneten des Parlamentes genießen parlamentarische Immunität (Schutz vor Strafverfolgung, jedoch nicht vor zivilrechtlichen Ansprüchen): die Abgeordneten sollen frei handeln, entscheiden (z.B. abstimmen) und ihre Meinung äußern können. Die Immunität kann aber in begründeten Fällen vom Parlament aufgehoben werden (sehr selten, nur mit Zweidrittelmehrheit). Das Parlament „verabschiedet“ (= beschließt) neue Gesetze oder ändert schon vorhandene. Vorschläge für neue Gesetze („Gesetzentwürfe“) macht normalerweise die Regierung. Mit dieser Arbeit will man die Institutionen (Einrichtungen) und den gesetzlichen Rahmen des demokratischen Rechtsstaates und der Marktwirtschaft ausgestalten. Für eine Verfassungsänderung und andere besonders wichtige Beschlüsse (z.B. Zustimmung zum Vertrag über den Beitritt Ungarns zur EU) braucht man eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Für normale Gesetze reicht die einfache Mehrheit. Weitere Aufgaben: bestätigt den Staatshaushalt entscheidet über das Programm der Regierung muss wichtigen internationalen Verträgen zustimmen (Verträge „ratifizieren“) kann den nationalen Notstand ausrufen entscheidet über den Einsatz ungarischer Soldaten im Ausland (Zweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsabgeordneten notwendig) entscheidet über Kriegserklärung bzw. Friedensschluss wählt den Präsidenten der Republik, den Ministerpräsidenten, die Mitglieder des Verfassungsgerichts und die Parlamentarischen Ombudsleute, den Präsidenten und die Vizepräsidenten des Staatlichen Rechnungshofes sowie den Präsidenten des Obersten Gerichts und den Generalstaatsanwalt Das ungarische Parlament tagt kontinuierlich (laufend), es gibt zwei ordentliche Sitzungsperioden, die Frühlings- und die Herbstperiode. Das Parlament kontrolliert die Arbeit der Regierung und Ministerien durch Fragen, Interpellationen und Parlamentsausschüsse. Selbständige Kontrollorgane des Parlaments sind: der Staatliche Rechnungshof (seit 1990; kontrolliert den Staatshaushalt, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausgaben, Kreditaufnahme und kontrolliert die Verwaltung des staatlichen Vermögens) die Ombudsmänner (seit 1995): o o Parlamentarischer Ombudsmann für die staatsbürgerlichen Rechte Parlamentarischer Ombudsmann für die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten Amtsträger des Parlaments sind der Präsident, die Vizepräsidenten und die Schriftführer. Der Hausausschuss ist ein wichtiges Organ des Parlaments. Die Mitglieder sind der Vorsitzende, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Fraktionsvorsitzenden. Die ständigen Ausschüsse werden auf der konstituierenden Sitzung (= erste Sitzung nach der Wahl) aufgestellt. Die Parlamentarier sind zunächst ihren Wählern und ihrem Gewissen verantwortlich; in der Praxis erwartet man aber meist, dass sie – zumindest bei wichtigen Fragen – im Sinne ihrer Partei stimmen. (Dies gilt natürlich nicht für die parteilosen Abgeordneten. Diese sind aber meist nur sehr wenige.) Parlamentswahlen Alle ungarischen Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben das aktive und das passive Wahlrecht. aktives Wahlrecht: man darf selbst wählen passives Wahlrecht: man darf für politische Ämter kandidieren und gewählt werden Kein Wahlrecht hat, wer 1. unter seine Handlungsfähigkeit beschränkender oder ausschließender Vormundschaft steht; 2. wer unter der Wirkung eines auf die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte lautenden, rechtskräftigen Urteils steht; 3. wer seine Freiheitsstrafe verbüßt; 4. wer unter einer in einem Strafverfahren rechtskräftig angeordneten Zwangsheilbehandlung in einer Anstalt steht. Die Wahlen sind frei und geheim (Wahlgeheimnis); es gilt für alle Bürger gleiches Wahlrecht (jede Stimme zählt gleich). Das Wahlsystem wurde nach dem deutschen Modell ausgearbeitet, ist aber komplizierter. Es kombiniert das Prinzip der Mehrheitswahl mit dem Prinzip der Verhältniswahl. nach dem Prinzip der Mehrheitswahl 176 Mandate nach dem Prinzip der Verhältniswahl 210 Mandate insgesamt 386 Mandate Direktwahl von Abgeordneten in den Wahlkreisen; wer in einem Wahlkreis die meisten Stimmen hat, gewinnt den Sitz im Parlament Anteilsmäßig (d.h. nach der %-Zahl der Stimmen) werden die Mandate für die Komitatsliste (max. 152) und die Landesliste (min. 58) auf die Parteien aufgeteilt Es finden zwei Wahlgänge statt. Beim ersten Wahlgang hat jeder Wähler zwei Stimmen: mit der ersten wählt er direkt einen Kandidaten (dieser kann auch parteilos sein!). Die zweite Stimme gibt er einer Partei. In den Wahlkreisen, in denen beim ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit (> 50%) erreichen konnte, werden zwei Wochen später Stichwahlen durchgeführt. Dazu können die drei Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten haben (mindestens aber 15%) antreten. In der Praxis hat man hier aber bereits eine mögliche Regierungsbildung nach der Wahl im Auge, man schließt Bündnisse ab, so dass meist nur noch zwei Kandidaten gegeneinander antreten (bei der letzten Wahl z.B. Wahlabsprachen zwischen MSZP und SZDSZ einerseits und FIDESZ und MDF andererseits). Das ungarische Parlament hat nur eine Kammer (anders als das Zwei-Kammern-System in anderen Ländern, wo es beispielsweise Abgeordnetenhaus und Senat oder – in Deutschland – Bundestag und Bundesrat gibt). Für Parteien gilt eine 5-Prozent-Klausel, d.h. sie müssen mindestens 5% der abgegebenen Stimmen erhalten, um ins Parlament zu kommen. Die Mehrheit im Parlament (entweder die stärkste Partei, wenn sie mehr als 50% der Sitze hat oder eine Koalition, d.h. ein Bündnis von zwei oder mehr Parteien) wählt den Ministerpräsidenten, dieser ernennt sein Minister (Regierungsbildung). In Ungarn gab es seit den ersten demokratischen Wahlen 1990 stets Koalitionsregierungen: 1990 und 1998 bildeten die bürgerlichen Parteien die Regierung, 1994, 2002 und 2006 die MSZP und der SZDSZ („linksliberale Koalition“). Seit dem Austritt des SZDSZ aus der Regierung (30. April 2006) regiert in Ungarn eine Minderheitsregierung (MSZP). Infos im Internet: http://hu.wikipedia.org/wiki/Magyar_választási_rendszer http://www.valasztas.hu Ergebnis der letzten Parlamentswahlen in Ungarn (9./23. April 2006) Parteien FIDESZ - KDNP MDF MSZP - SZDSZ MSZP SOMOGYÉRT SZDSZ - A MAGYAR LIBERÁLIS PÁRT Összesen Direktmandate Gebietsliste (Wahlkreise) 68 69 2 6 98 71 1 Landesliste Gesamt 27 9 164 11 6 186 1 Prozentuale Verteilung der Mandate 42,49% 2,85% 1,55% 48,19% 0,26% 3 176 11 64 18 386 4,66% 100,00% 4 146 17 Quelle: http://www.valasztas.hu/parval2006/hu/09/9_0.html Parteien in Ungarn Ungarische Sozialistische Partei (MSZP): sozialdemokratische Partei; gegründet am 7. Oktober 1989. Fidesz - Ungarischer Bürgerbund (FIDESZ): rechtskonservative Partei, gehört aber im Europaparlament der Liberalen Fraktion an; gegründet am 30. März 1988. Bund Freier Demokraten (SZDSZ): liberale Partei; gegründet am 13. November 1988. Ungarisches Demokratisches Forum (MDF): konservative Partei; gegründet am 27. September 1987 Christlich-Demokratische Volkspartei / KDNP: kleine christlich-konservative Partei, arbeitet sehr eng mit Fidesz zusammen Unabhängige Kleinlandwirte-, Landarbeiter- und Bürgerliche Partei (FKGP): konservative Partei, vertritt besonders die Interessen der Bauern; gegründet am 18. Nov. 1988, nicht mehr im Parlament Partei der Ungarischen Wahrheit und des Lebens (MIÉP): rechtsradikale Partei, nicht im Parlament