LENTOS Kunstmuseum Linz Presseunterlage DER NACKTE MANN DVR-Nummer 0002852 26. Oktober 2012 bis 17. Februar 2013 LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1 Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at Inhalt Ausstellungsdaten ………………………………………………………………………….. 3 Pressetext …………………………………………………………………………………… 5 Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm …………………………………….. 6 KünstlerInnen ………………………………………………………………….…………… 9 Sponsoren …………………………………………………………………………………. 11 Katalogvorwort 13 Wandtexte .…………………….…………………………………………..…….…… .……………………………………………………………………………….. 16 .…………………………………………………………………………….. 21 Pressebilder ……………………………………………………………………………….. 38 Saalhefttexte Seite 2 Ausstellungsdaten Ausstellungstitel: DER NACKTE MANN Ausstellungsdauer 26. Oktober 2012 bis 17. Februar 2013 Eröffnung Donnerstag, 25. Oktober 2012, 19 Uhr Pressekonferenz Mittwoch, 24. Oktober 2012, 10 Uhr Ausstellungsort LENTOS Kunstmuseum Linz, gesamtes Obergeschoss Kuratorinnen Dr.in Sabine Fellner, Dr.in Elisabeth Nowak-Thaller, Dir. in Stella Rollig Exponate Mehr als 300 Exponate – Leihgaben aus den USA und ganz Europa, und Werke aus eigenen Beständen – von über 200 KünstlerInnen bilden 12 Kapitel: Akt, Ich, Alter, Knabe, Adam, Schwul, hüllenlos, Schmerz, Pose, Bizeps, Penis und Herrschaft. Kooperationen Die im LENTOS entwickelte Ausstellung ist in adaptierter Form vom 21. März bis 30. Juni 2013 im Ludwig Museum – Museum of Contemporary Art, Budapest zu sehen. Gemeinsam mit dem IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz wurde das hochkarätig besetzte Symposium zur Ausstellung am 26. Oktober 2012 entwickelt. Publikation Anlässlich der Ausstellungen in Linz und Budapest erscheint die Publikation Der nackte Mann im Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg. Hrsg. von Stella Rollig und Barnabás Bencsik. Mit Beiträgen von Edit András, Christina von Braun, Paula Diehl, Sabine Fellner, Elisabeth Nowak-Thaller, Stella Rollig, Hedvig Turai und Peter Weiermeier sowie einem Vorwort von Stella Rollig und Barnabás Bencsik. ISBN 978-3-86984-357-5 Mit zahlreichen Abbildungen, 334 Seiten, Preis € 35,- (nach Ende der Ausstellung € 39,-) Unterstützung Die Ausstellung wird unterstützt von Linz AG, Oberbank, Oberösterreichische Versicherung, Sparkasse Oberösterreich, Wiener Städtische Versicherung und voestalpine. Seite 3 Saalheft Den BesucherInnen steht ein Saalheft mit Texten zu einigen Exponaten in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung. Redaktion und Texte: Dr.in Dunja Schneider, Mag.a Nina Kirsch Web App Das LENTOS bietet zur Ausstellung wieder ein mobiles Service für Smartphones und Tablets an (plattform- und geräteunabhängig). Einfach vor, während oder nach der Ausstellung unter http://app.lentos.at zu erreichen. Kontakt Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600; [email protected], www.lentos.at Öffnungszeiten Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen Das LENTOS ist am 24., 25.12. und am 1.1. geschlossen. Am 31.12. ist von 10–16 Uhr geöffnet. Eintritt € 6,50, ermäßigt € 4,50 (gültig bis 31.12.2012) Pressekontakt Mag.a Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected] Gesprächspartnerinnen bei der Pressekonferenz: Stella Rollig, Direktorin LENTOS Kunstmuseum Linz und Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller, Kuratorin Sabine Fellner, Kuratorin Seite 4 Pressetext Der nackte Mann ist unsichtbar. Hat uns der männliche Körper nichts zu sagen? Im Gegenteil. Diese Ausstellung erzählt, wie der Mann sich seit dem letzten Jahrhundert neu erfindet – und wie er sich seiner Nacktheit stellt. Mit Mut und Zweifel, mit der Lust auf neue Lebensentwürfe. Und wie selbstbewusste Künstlerinnen sich ein Sujet erobert haben, das ihnen lange verboten war. Der nackte Mann war über Jahrhunderte nur als mythologischer Held oder christlicher Märtyrer darstellbar. Um 1900 verändert die erste große Krise der männlichen Identität den Blick auf den Männerakt. Für die Künstler der Moderne wird der jeder Rolle entkleidete, nackte Körper zum Mittel der Selbstbefragung und zum Bedeutungsträger gesellschaftspolitischer Erneuerung. Von diesem Zeitpunkt an folgt die Ausstellung dem nackten Mann durch das 20. und 21. Jahrhundert – durch Krisen der Identität und Phasen der Souveränität, spürt Versuche der Dekonstruktion von traditionellen Männlichkeitsbildern und die Suche nach Alternativen auf, zeigt die Auseinandersetzung mit Schwäche und Verletzlichkeit, illustriert den Blick des Begehrens und die erotische Pose. Von Egon Schiele bis Ron Mueck und Lucian Freud, Lovis Corinth bis Matthew Barney und Artur Żmijewski, Erich Heckel und Robert Mapplethorpe bis Keith Haring und Eric Fischl, Paula Modersohn-Becker bis Maria Lassnig, Louise Bourgeois, Katarzyna Kozyra und Elke Silvia Krystufek, Oskar Kokoschka bis Gelatin, von Edvard Munch und Károly Ferenczy bis David Hockney und Andy Warhol, Gilbert & George, Pierre et Gilles und Gil & Moti – um nur einige zu nennen – reicht die Bandbreite der künstlerischen Positionen. Mehr als 300 Exponate – Leihgaben aus den USA und ganz Europa, dazu mehr als 60 Werke aus eigenen Beständen – bilden zwölf Kapitel einer Schau, die in bislang ungesehener Weise die Rolle des Männerkörpers über mehr als ein Jahrhundert hinweg untersucht. Die im LENTOS entwickelte Ausstellung ist in adaptierter Form vom 21. März bis 30. Juni 2013 im Ludwig Múzeum Budapest zu sehen. Der nackte Mann ist Auftakt für das Jubiläumsjahr 2013, in dem das LENTOS sein 10jähriges Bestehen feiert. Seite 5 Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm Fr 26. Oktober, 9.30–18 Uhr Symposium Der nackte Mann Auf dem Symposium werden wesentliche Aspekte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem männlichen Körper thematisiert und aus der Sicht der Disziplinen der Medien-, Bild-, Literatur- und Kulturwissenschaft analysiert. In Kooperation mit dem IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz. Programm: 9.30 Uhr Der nackte Mann: Führung durch die Ausstellung für TeilnehmerInnen des Symposiums mit Sabine Fellner, Elisabeth Nowak-Thaller, Stella Rollig (Kuratorinnen) 10.30 Uhr Begrüßung durch Stella Rollig, Direktorin LENTOS und Helmut Lethen, Direktor IFK 10.45–11.30 Uhr Geschichte und Ästhetik des nacken Mannes Prof. Dr. Hartmut Böhme, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin 11.30–12.15 Uhr Wer liebt noch „le souvenir de ces époques nues” (Baudelaire)? Nacktheitsphantasien und Alpträume bei Sigmund Freud und Otto Weininger Prof. Dr. Jacques Le Rider, Ecole Pratique des Hautes Etudes, Paris Mittagspause 14–14.45 Uhr Gebeugtes Begehren. Der männliche Akt bei Wilhelm von Glöden, Rudolf Koppitz, Robert Mapplethorpe und Pierre et Gilles Prof. Dr. Andreas Kraß, Institut für deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin 14.45–15.30 Uhr Ernst Jünger. Die Masken des spartanischen Körpers Prof. em. Dr. Helmut Lethen, IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz, Wien Kaffeepause 16–16.45 Uhr Virile Halbakte – Filmgenres und Männerkörper Prof. Dr.in Gertrud Koch, Institut für Theaterwissenschaft, Freie Universität Berlin 17–17.30 Uhr Abschlussrunde (Moderation: Helmut Lethen) Seite 6 Anmeldung zum Symposium erbeten unter: [email protected], T +43 (0) 732.7070.3600 (Claudia Kern) Teilnahmegebühr € 18,-, ermäßigt € 12,-, inkludiert: Teilnahme am Symposium, Getränke, Museumseintritt Do 29. November, 18–20.30 Uhr VHS-Vortragsreihe Männer zu Gast im LENTOS Führung durch die Ausstellung mit Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller mit anschließender Diskussion Kursnummer: 12.12095, Treffpunkt: Foyer LENTOS, Kosten: € 7,Kursleitung: Wolfgang Schönleitner, Harald Wildfellner Di 6. & 27. November, 18. Dezember, 15. Jänner, 12. Februar, jeweils 18–20 Uhr (außerhalb der Museumsöffnungszeiten) Aktzeichnen in der Ausstellung Kosten: € 7,- zuzügl. ermäßigter Eintritt (für Studierende der Kunstuniversität und Los TaLENTOS € 5,- inkl. Eintritt) Anmeldung erbeten. An diesen Terminen steht jeweils ein männliches Modell in der Ausstellung zur Verfügung. Der Künstler und Kunstvermittler Klaus Scheuringer unterstützt AnfängerInnen und Fortgeschrittene beim Zeichnen. Falls möglich, bitte Zeichenblock und weiche Graphitstifte mitbringen. Dieses Angebot ist auch für Gruppen bis max. 15 TeilnehmerInnen buchbar. SeniorInnen und Jugendliche arbeiten mit der Künstlerin Amel Andeßner und der Kunstvermittlerin Petra Hansche multimedial zu den Ausstellungsinhalten. Der Medienworkshop THE YOUNG. THE OLD. THE NAKED wird im Rahmen des Projekts mix@ges – Intergenerational Bonding via Creative New Media durchgeführt und von Kulturkontakt Austria koordiniert. Mit Unterstützung des Programms für lebenslanges Lernen der Europäischen Union. Seite 7 ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN Dauer 1 Stunde, Führungsbeitrag € 3,- zuzügl. Eintritt. Keine Anmeldung erforderlich. DER NACKTE MANN: Immer sonntags, 16 Uhr Der Nackte Mann & Vollmilch. Der Bart als Zeichen: Immer donnerstags, 19 Uhr (Kombinierte Führung durch beide Ausstellungen) Do 8. November, 19 Uhr: Kuratorinnenführung mit Sabine Fellner Sa 27. Oktober, 16 Uhr: HOSI & Der nackte Mann: Tandemführung durch die Ausstellung mit dem HOSI-Mitglied Gerhard Niederleuthner und einer Kunstvermittlerin des LENTOS. (Ermäßigter Eintritt € 4,50 für HOSI-Mitglieder) Blitzlichtführung / Flashlight Guided Tour / Bleskové prohlídky svýkladem auf Englisch oder Tschechisch Jeden ersten Samstag im Monat, 16 Uhr / Every 1st Saturday in a month at 4 pm Duration 30 Min, € 2,- plus admission fee / Doba trváni 30 Min., € 2,- plus stupné GRUPPENFÜHRUNGEN in deutscher, englischer und tschechischer Sprache, Dauer 1 Stunde, € 65,- zuzügl. Eintritt max. 25 TeilnehmerInnen, gegen Voranmeldung Erwachsene € 65,- zuzügl. Eintritt Studierende € 45,- zuzügl. ermäßigter Eintritt SCHULE & MUSEUM Di 30. Oktober, 16 Uhr: LehrerInnen-Informationsveranstaltung empfohlen ab der 11. Schulstufe; Seminar-Nr. PH OÖ: 56F12KMP23 SchülerInnenführungen ab 11. Schulstufe Max. 15 TeilnehmerInnen, Dauer 1 Stunde, € 30,-, Eintritt frei für SchülerInnen im Klassenverband. Wir führen oder teilen Ihre Klasse auf Wunsch geschlechtlich getrennt. Workshop Aktzeichnen in der Ausstellung ab 11. Schulstufe, max. 15 TeilnehmerInnen, Dauer 2 Stunden, Kosten: € 7,- pro TeilnehmerIn, Eintritt frei für SchülerInnen im Klassenverband. Bitte Zeichenblock und weiche Graphitstifte mitbringen. Seite 8 KünstlerInnen Leo Adler, Fritz Aigner, Gustinus Ambrosi, Jane Anderson, Robert Angerhofer, Siegfried Anzinger, Karel Appel, Dieter Appelt, Christy Astuy, Christian Ludwig Attersee, Richard Avedon, Matthew Barney, Dean Barrett, Georg Baselitz, Artur Bär, Herbert Bayer, Irene Bayer-Hecht, Werner Berg, The Blue Noses Group, Saskia de Boer, Louise Bourgeois, Marianne Brandt, Dietmar Brehm, Klemens Brosch, Günter Brus, A. Calavas, Jimmy Caruso, Paul Cézanne, Giorgio de Chirico, Francesco Clemente, Jean Cocteau, John Coplans, Lovis Corinth, Paul DeFlorian, Margarete Depner, Sepp Dreissinger, Marlene Dumas, Franz Dutzler, Thomas Eakins, Synes Elischka und Ulrich Kühn, Barbara Eichhorn, Christian Eisenberger, Willy Eisenschitz, Manfred Erjautz, Frank Eugene (Smith), VALIE EXPORT, Werner David Feist, Károly Ferenczy, Rainer Fetting, Tom of Finland, Eric Fischl, Alex Flemming, Josef Floch, Hans Franta, Lucian Freud, Helene Funke, Gelatin, Gilbert & George, Gil & Moti, Bruno Gironcoli, Wilhelm von Gloeden, Jenö Paisz-Goebel, Felix González-Torres, Sofia Goscinsky, Tomislav Gotovac, Otto Greiner, Ion Grigorescu, Heinz Grosskopf, Ilse Haider, Tibor Hajas, Anton Hanak, Keith Haring, Felix Albrecht Harta, Karl Hauk, Rudolf Hausner, Mandy Havers, Erich Heckel, Matthias Herrmann, Wolfgang Herzig, Volker Hinz, David Hockney, Karl Hofer, Siggi Hofer, Michael Horsky, Alfred Hrdlicka, Bernadette Huber, Lisa Huber, Moni K. Huber, Friedensreich Hundertwasser, Albert Janesch, Anna Jermolaewa, Martha Jungwirth, Franz Kapfer, Ludwig Kasper, Gerhard Keil, Josef Kern, Károly Kernstok, Paul Kirnig, Jürgen Klauke, Gustav Klimt, Max Klinger, Robert Knight, Max Koch & Otto Rieth, Oskar Kokoschka, Anton Kolig, Helmut Kolle, Käthe Kollwitz, Rudolf Koppitz, Erzsébeth Korb, Nestor Kovachev, Nina Kovacheva, Katarzyna Kozyra, Paul Kranzler, Elke Silvia Krystufek, Alfred Kubin, Oleg Kulik, Maximilian Kurzweil, David La Chapelle, Peter Land, Erwin Lang, Maria Lassnig, Annie Leibovitz, Paul Albert Leitner, Max Liebermann, Herbert List, Urs Lüthi, Giacomo Manzú, Robert Mapplethorpe, Gerhard Marcks, Matthias May, Paul McCarthy, McDermott & McGough, Paul Meissner, Georg Minne, Paula Modersohn-Becker, Alois Mosbacher, Kolo (Koloman) Moser, Stefan Moses, Ron Mueck, Otto Mühl, Edvard Munch, Jan Mutsu, Eadweard Muybridge, Bruce Nauman, Michael Neumüller, Adi Nes, Felix Nussbaum, Oswald Oberhuber, Max Oppenheimer, Florentina Pakosta, Evan Penny, August Pezzey, Walter Pfeiffer, Robert Philippi, Pierre et Gilles, Jack Pierson, Guglielmo Plüschow, Adolf Josef Pohl, Bernhard Prinz, Curt Querner, Arnulf Rainer, Edmund Reitter, Herbert von Reyl-Hanisch, Leni Riefenstahl, Charlotte Rohrbach, Mario Sala, Salomé, Egon Schiele, Hubert Schmalix, Joost Schmidt/Heinz Loew, Sascha Schneider, Martin Schnur, Collier Schorr, Rudolf Schwarzkogler, Franz Sedlacek, Peter Senoner, Gil Shachar, Fritz Simak, Sylvia Sleigh, Max Slevogt, Stelarc, Karl Sterrer, Raimund von Stillfried-Rathenitz, Thomas Stimm, Ingeborg Strobl, István Szönyi, Volker Tannert, Jürgen Teller, Lajos Tihanyi, Jaan Toomik, Spencer Tunick, Béla Uitz, János Vaszary, Rudolf Wacker, Andy Warhol, Anton Seite 9 Watzl, Josephine (Pepi) Weixlgärtner-Neutra, Marianne von Werefkin, Franz West, Edward Weston, Franz Wiegele, Zelko Wiener, Fritz Wotruba, Felix Zabukovnik, Judith Zillich, Artur Zmijewski, Heimo Zobernig Seite 10 Sponsoren „Als regionaler Energie- und Infrastrukturanbieter wollen wir nicht nur wirtschaftliche Akzente setzen, sondern auch einen Beitrag zur Förderung von Kunst und Kultur leisten. Das Lentos stellt eine anerkannte Plattform für internationale Künstlerinnen und Künstler dar. Die kommende Ausstellung „Der nackte Mann“ mit zahlreichen Werken der Moderne ist sicher ein Highlight, welches das 10-jährige Jubiläum des Linzer Kunstmuseums krönt. Gerne unterstützen wir daher diese Ausstellung zum Auftakt für das Jubiläumsjahr.“ LINZ AG-Generaldirektor Mag. Alois Froschauer Wirtschaft und Kultur sind kein Widerspruch! Nur wirtschaftlich starke Regionen und erfolgreiche Unternehmen können es sich leisten, Kunst und Kultur zu unterstützen. Und die Kultur, insbesondere die Hochkultur, ist ein wichtiger Standortfaktor für jede Wirtschaftsregion. Das Kunstmuseum Lentos trägt wesentlich zum guten Image der Stadt Linz in kulturellen Dingen bei, nicht erst seit dem Kulturhauptstadtjahr 2009. Deshalb sind wir besonders stolz darauf, dass wir die Ausstellung „Der nackte Mann“, die größte Ausstellung des Lentos seit dem Kulturhauptstadtjahr 2009 und der Auftakt zum Lentos-Jubiläumsjahr 2013, unterstützen dürfen! Dr. Franz Gasselsberger, MBA Generaldirektor Oberbank AG „Das Kunstmuseum Lentos hat den Kulturstandort Linz in den letzten zehn Jahren spürbar nach vorne gebracht und so unsere Landeshauptstadt auch international positioniert. Sehr gerne unterstützt die Oberösterreichische Versicherung AG, gleichsam als öffentliches Dankeschön, die große Auftaktausstellung zum 10-Jahresjubiläum. Die Qualität des Lentos lässt den Kulturaber auch den Wirtschaftsstandort Oberösterreich gleichermaßen profitieren“, so Generaldirektor Dr. Josef Stockinger, Vorstandsvorsitzender der OÖ Versicherung AG. Seite 11 Die Förderung von Kunst und Kultur hat seit jeher einen hohen Stellenwert in der Sparkasse Oberösterreich. Darum unterstützen wir auch gerne ambitionierte Ausstellungen und wünschen dem Lentos einen erfolgreichen Auftakt für das Jubiläumsjahr 2013, in dem das 10-jährige Bestehen gefeiert wird. Dr. Markus Limberger Generaldirektor Sparkasse OÖ Als größtes heimisches Versicherungsunternehmen engagiert sich die Wiener Städtische intensiv im Kunst- und Kulturbereich und unterstützt seit Jahren partnerschaftlich zahlreiche Projekte in ganz Österreich. Wir freuen uns, mit unserem Engagement an der Ausstellung „Der nackte Mann“ im Lentos einen Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung der kulturellen Vielfalt in Oberösterreich leisten zu können. Die große Bandbreite der künstlerischen Auseinandersetzung in dieser Ausstellung bietet einen ganz besonderen Auftakt für das Jubiläumsjahr 2013, dem 10-jährigen Bestehen dieser wichtigen Kunst- und Kulturinstitution. Mag. Günther Erhartmaier Landesdirektor Wiener Städtische Versicherung „Die Ausstellung bildet den Auftakt für das Jubiläumsjahr 2013, in dem das LENTOS sein zehnjähriges Bestehen feiert. Da die voestalpine mit dem LENTOS bereits seit dessen Gründung eng verbunden ist, liegt es nahe, auch diese Ausstellung gemeinsam zu präsentieren. Das Thema der Ausstellung steht zugegebenermaßen nicht in unmittelbarem thematischen Zusammenhang mit unserem Unternehmen – aber die herausragende Sammlung an Werken absolut höchster Qualität sticht bei dieser Ausstellung ins Auge. So freuen wir uns ganz besonders, mit den ,Männern am Meer‘ von Edvard Munch eine Leihgabe des Wiener Belvedere auch den Besuchern in Linz zugänglich zu machen. Gerade das Unerwartete und Ungewöhnliche zeichnen Kunst aus. Das traditionelle Kultursponsoring der voestalpine spiegelt – ebenso wie die Ausstellung – die Aufgeschlossenheit gegenüber Unkonventionellem bei gleichzeitig höchstem Anspruch an die Qualität der Künstler wider.“ Gerhard Kürner, Leiter der Konzernkommunikation der voestalpine AG Seite 12 Katalogvorwort Barnabás Bencsik und Stella Rollig Die Geschlechterfrage als gesellschaftspolitisches Kernthema ist zentral für einen Kunstbegriff, der Kunst als Medium zum Verständnis der Welt auffasst, Kunst als Katalysator der Erfahrung individueller Lebensrealitäten, Kunst aber auch als Mittel zur Erprobung sozialer Möglichkeiten. Ausgehend von Sammlungsbeständen, deren Schwerpunkte auf Meisterwerken der europäischen Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie einer reichhaltigen Grafiksammlung und qualitätvollen Fotografiebeständen liegen, spannt das LENTOS den Bogen zwischen der klassischhistorischen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts bis hin zu aktuellsten Kunstpositionen unserer Gegenwart. Programmierung der Ausstellungen und Erweiterung der Sammlung stehen unter dem expliziten Anspruch auf Chancengleichheit für beide Geschlechter und fokussieren künstlerische Positionen mit gesellschaftspolitischen Anliegen. In der Sammlung des Ludwig Museums zeigt sich ebenso wie in seiner Politik der Sonderausstellungen eine Strategie, die ganz bewusst darauf abzielt, ungarische, regionale und internationale Kunst nebeneinander zu stellen und zeitgenössische Kunst aus Mittel- und Osteuropa im Kontext des Diskurses und der Praxis internationaler Kunst zu zeigen. Die Ausstellung East of Eden: Photorealism – Versions of Reality stellte das Konzept und die Idee des Fotorealismus – der ja weitgehend mit westlichen KünstlerInnen assoziiert wird – in ein erweitertes Umfeld, und die Ausstellung John Cage hat mit kulturellen Bezügen zum Kalten Krieg überhaupt Neuland im Umgang mit dem Œuvre betreten. Die Ausstellung Der nackte Mann fügt sich somit ideal in das Profil und die Programmatik unserer beiden Museen. Sie zeigt den Wandel des Männerbilds vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute und untersucht anhand zahlreicher Werke prominenter KünstlerInnen die Dekonstruktion des hegemonialen Männlichkeitsmodells, alternative Männlichkeitskonzepte, den Blick des Begehrens auf den männlichen Körper sowie Körperkult und Instrumentalisierung. Das Ludwig Museum nimmt mit großer Freude die Gelegenheit wahr, Kunstwerke aus Mittel- und Osteuropa, die im Westen wenig oder gar nicht bekannt sind, zu dieser Ausstellung beizutragen. Im LENTOS freuen wir uns, nach einer Vielzahl von Ausstellungen mit feministischem und genderpolitischem Anspruch (u.a. von VALIE EXPORT, Gilbert & George, Gil & Moti, Ursula Mayer, Mathilde ter Heijne) uns nun der Definition und der Entwicklung des Männerbildes zu widmen. Seite 13 Der Feminismus hat nicht nur Interesse an Kunst von Frauen geschaffen, sondern auch an Werken männlicher Künstler – welche geschlechtlich definierte Identität bearbeiten – und darüber hinaus an einer weiter gefassten Kategorie des Männlichen. Die Genderforschung hat gezeigt, welch vielfältige Formen männliche Identität annehmen kann und wie diese in verschiedenen Kunstformen dargestellt werden. Ein Zugang unter genderrelevanten Aspekten ist in Ungarn immer noch keine Selbstverständlichkeit im Diskurs über Kunst. Während man meinen könnte, dies sei in Österreich anders, beschränkt sich geschlechtersensibles Kuratieren und Forschen tatsächlich beinahe ausschließlich auf kleinere Kunstvereine, Artists’ Spaces und akademische Zirkel und ist im Mainstream des Kunstbetriebs keine durchgesetzte Haltung. Darum kann die Sichtbarmachung verschiedener Typen des nicht heroisierten männlichen Egos heute sowohl traditionelle konservative Ideen und ganz besonders homophobe Stereotypen von akzeptablen männlichen Identitäten in die Schranken weisen. Somit bezieht die Ausstellung Position gegen die allgemeine Intoleranz gegenüber dem Anderen, Fremden – ein Problem, das gerade jetzt wieder traurige Relevanz hat. Folglich hat diese Ausstellung mit Konvention nichts gemein, sie stellt eine Herausforderung dar, und wir hoffen, dass sie zu einer Belebung der Diskussion und des Dialogs auf verschiedensten Ebenen beitragen wird. Diese Überlegungen haben für das Ludwig Museum den Ausschlag gegeben, die Initiative des LENTOS Kunstmuseums aufzugreifen und sich an diesem Projekt mit Kunstwerken aus dem Raum der postsowjetischen Länder zu beteiligen. Die Zusammenarbeit ermöglicht Zugang zu Kunstwerken, die entweder vom westlichen Standpunkt aus noch nicht zur Kenntnis genommen oder zu wenig berücksichtigt worden sind. Durch die Zusammenarbeit der beiden Museen wird das westliche Paradigma um Positionen aus der exkommunistischen Region erweitert. Der Dialog zwischen uns und unseren Teams hat das Projekt außerordentlich bereichert. Das historische Erbe der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bedeutet, dass die beiden Orte der Ausstellung eine gemeinsame Vergangenheit haben. Statt mit Nostalgie und Wehmut auf die Vergangenheit zurückzublicken, erforschen wir das gemeinsame Gebiet der Kultur innerhalb unserer Geschichte, aber auch in der Gegenwart. Obwohl im vergangenen Jahrhundert unsere beiden Länder, besonders nach 1945, kulturell und politisch auseinander dividiert wurden, ist es wichtig und lohnend, dass wir uns auf unsere Gemeinsamkeiten besinnen. Ausstellungen wie diese eignen sich in großartiger Weise zu einer Neuinterpretation des westlichen Paradigmas der Kunstgeschichte und der Positionierung der KünstlerInnen in einem neuen Kontext. Die Herausforderung, die mit dem Ausstellungskonzept gegeben war, und die gemeinsame Realisierung haben uns geholfen, die obsolete Kontextualisierung in »hier« und »dort« zu vermeiden und Seite 14 stattdessen einen zukunftsorientierten, integrativen Zugang zu erschließen, der sowohl für Fachleute wie für das nicht spezialisierte Publikum Neues bringen kann. Möge die Ausstellung allen Interessierten Stoff für fruchtbare Diskussionen bieten! Besonders bedanken möchten wir uns bei Sabine Fellner, Wien, auf deren Anregung die Ausstellung ursprünglich zurückgeht. In ihrem einleitenden Essay erläutert sie umfassend unsere kuratorische Erschließung des Themas. Alle beteiligten Kuratorinnen – neben Sabine Fellner waren das Elisabeth Nowak-Thaller im LENTOS als Ausstellungsleiterin sowie Kati Simon und Hedvig Turai im Ludwig Museum – haben das Konzept mit großer Kenntnis und Leidenschaft entwickelt und umgesetzt. Wir danken ihnen für ihr Engagement, mit dem sie dieses bislang vernachlässigte Thema aufgegriffen haben, und für ihren Erfolg bei der Recherche und der Akquise einer enormen Zahl wertvoller Leihgaben. Diese könnten wir nicht präsentieren ohne die Zustimmung der Leihgeber – es sei allen Museen und PrivatsammlerInnen herzlich für ihre Unterstützung gedankt. Weiters freuen wir uns über die Beiträge zu diesem Katalog von namhaften WissenschafterInnen und AusstellungsmacherInnen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in allen Bereichen unserer beiden Museen haben hervorragende Arbeit geleistet, und wir sind ihnen dafür sehr verbunden. Schließlich möchten wir auch die exzellente Arbeit von Martin Bruner, Linz, nicht ungewürdigt lassen, der dieses Buch gestaltet hat. Seite 15 Wandtexte ADAM Die Geschichte der Freikörperkultur beginnt mit Adam und Eva. Schon im Paradies, als vom ersten Menschenpaar Gut und Böse entdeckt werden, wird Nacktheit zum Problem: Nackt sein, das heißt hilfsbedürftig und ausgesetzt sein. Es ist ein Grundgefühl, das bis heute mit Scham, Sünde, Schutzbedürftigkeit bis hin zum Verlust von Unschuld besetzt ist. Der nackte Körper wird bei Künstlern wie Edvard Munch, Károly Ferenczy, Anton Kolig und Erich Heckel zum Bekenntnis, bei Gelatin zur Provokation. Natur und Männer verschmelzen zu einer Einheit: Ob im Tal, am Strand, am Ufer – es wird gemalt, gezeichnet, fotografiert, gefeiert und geliebt. Befreit von bürgerlichen Zwängen werden Naturerlebnis, Nacktbad und Eros zu Leitmotiven unbeschwerter Badeszenen. „Weil Gott ihn geschaffen hat, kann der menschliche Körper nackt und unbedeckt bleiben und bewahrt unberührt seinen Glanz und seine Schönheit.“ (Papst Johannes Paul II). AKT Das Aktstudium war über Jahrhunderte höchste Stufe und Pflichtfach jedes Kunstunterrichts. Erlernt werden mussten am nackten Menschen Proportionen, Gliederung und Haltung. Der Fachbegriff Akt (Lat. actus/agere) wird seit dem 19. Jahrhundert verwendet. Die Aktzeichnung als anatomisches Studium an der Akademie galt lange als Voraussetzung „hoher Kunst“ (Historienmalerei und Porträt). Das Modell musste unbeweglich in einer Position verharren. Häufig dienten Stöcke zur Fixierung der Körperhaltung. Die Modelle waren Männer. Dies führte dazu, dass Frauen (wie an der Wiener Akademie bis 1918) aufgrund der „unzüchtigen“ Aktstudien der Zugang zum Studium verwehrt wurde. Viele Künstlerinnen konnten nur privat, in den Ateliers ihrer Lehrer, nach Aktmodellen zeichnen. Die Aktfotografie, ein neues künstlerisches Medium, wurde an den Akademien seit 1860 als Hilfsmittel eingesetzt. Aktstudien waren salonfähig und wurden auch auf Industrie- und Weltausstellungen im 19. Jahrhundert verbreitet. In der Moderne wird der Akt zu einem wandelbaren Begriff von Selbstentdeckung, Schönheit, Symbolkraft, Zerstörung, Exzess oder Erotik. BIZEPS Das traditionelle Rollenbild des starken Mannes enthüllt hinter der Fassade kraftstrotzender Leiber verborgene Zwänge und Missbrauch. Es zeigt sich, dass die Macht über den perfekten Körper, seine Formung durch Sport und Bewegung nicht nur Ausdruck männlicher Willenskraft ist, sondern auch die Kontrolle des Trieblebens bedeutet. Der Übersteigerung männlicher Kraft der Bodybuilder liegt die eine Seite 16 „echte Grundregel der Männlichkeit“ zu Grunde. Sie lautet: „Nicht weibisch sein.“ Männliche Kraft wird traditionell im Messen mit anderen Männern erfahren, im Mitbeziehungsweise Gegeneinander wird Kraft und Leistung sichtbar. Die Thematik des Athleten, der Ringenden, des Muskelmannes erwies sich – beginnend mit dem Fotografen Eadweard Muybridge 1887 über Lovis Corinth und Blue Noses Group – als geeignet, diese männliche Kraft zur Schau zu stellen, zu feiern, aber auch zu ironisieren. ICH Um 1900 verändert sich der künstlerische Blick auf den Mann. Das nackte Selbstporträt wird in einer Situation gesellschaftlicher Verunsicherung Mittel zur Selbsterforschung: Die Künstler der Moderne beginnen, dem Betrachter ihren entkleideten, wehrlosen Körper darzubieten; losgelöst von jeder traditionellen männlichen Heldenrolle und bar jeder mythologischen Verkleidung. Das nackte Selbstporträt bleibt von nun an in allen künstlerischen Medien Mittel der Selbstverortung. KünstlerInnen stellen sich den konkreten gesellschaftlichen Zwängen und Befindlichkeiten des Künstler-Seins. Die Selbstbetrachtung durch Selbstbespiegelung – bis dato der Frau vorbehalten – wird von einigen Künstlern wörtlich genommen. Doch nicht nur das Hier und Jetzt ist Thema des Selbstporträts, sondern auch die eigene Endlichkeit. Künstler setzen sich mit der Vergänglichkeit auseinander und scheuen nicht den schonungslosen Blick auf den Verfall des eigenen Körpers. HÜLLENLOS Der Mann enthüllt sich, zeigt sich abseits von jeglicher Rollenerwartung. Matthias May, Siegfried Anzinger oder Moni K. Huber schildern ihn in Momenten größter Intimität, ohne sein Schamgefühl zu verletzen. Er präsentiert sich hüllenlos, für sich, innehaltend, in Kontemplation. Hier wird ein vorurteilsloser Blick auf den Mann gerichtet. Die KünstlerInnen versuchen dem entblößten Mann als Individuum gerecht zu werden, schildern ihn ohne Tendenz und ohne Sexualisierung. Gleichzeitig aber visualisieren diese Bilder in sich versunkener Männer – die scheinbar jenseits traditioneller männlicher Inszenierung stehen – auch einen wesentlichen Aspekt gelebter Männlichkeit: die Schweigsamkeit. Die Sprachlosigkeit über Schwäche und Scheitern steht dem traditionell unterstellten Miteilungsbedürfnis der Frau gegenüber. Und somit bleibt der Mann in den Bildern von Eric Fischl und anderen allein und auf sich selbst zurückgeworfen. Seite 17 POSE „Einen Mann zu malen heißt, ihn zur Frau zu machen“, so die Philosophin, Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan. In diesem Kapitel wird der Blick des Begehrens auf den männlichen Körper gerichtet. Das bis jetzt gültige Maler-Modell-Verhältnis wird umgekehrt: Sylvia Sleigh und Bernadette Huber zeigen ihre Männer in erotischen Posen der traditionell weiblichen Modelle. Doch auch der Mann selbst thematisiert den begehrenden Blick auf den Mann und durchbricht damit das seit dem 19. Jahrhundert bestehende Blickverbot. Erotische Schaulust wird nun unabhängig von der sexuellen Ausrichtung der Künstler und Betrachter zelebriert. Männer posieren selbst oder lassen posieren und scheuen nicht den lustvollen Blick auf den eigenen entblößten Körper. Ein Blick, der in der heteronormativen Praxis, bei der Heterosexualität als Norm und Homosexualität als Abweichung verstanden wird, noch immer ein Tabu ist. HERRSCHAFT Herrschaft und Macht instrumentalisieren die körperliche Kraft des Mannes. Unbarmherzige Ausbeutung durch herrschende Ideologien in der Arbeitswelt und im Krieg spricht aus den Bildern dieser „Leistungsträger“: Alfred Kubin zeigt uns den Mann als Kriegsmaschine, andere KünstlerInnen zeigen ihn unter Folter, ins Lederkorsett geschnürt, in Gefangenschaft, seiner Würde beraubt. Im Nationalsozialismus wird der nackte männliche Körper in Anknüpfung an antike Vorbilder idealisiert und zum "Rassenvorbild" stilisiert: „Hier ist die Nacktheit vollkommen verpanzert, sie zeigt Unverletzlichkeit, Stärke, Entschlossenheit und vor allem einen Körper, der für seine Umwelt geschlossen ist, ja ihr sogar abweisend gegenüber steht,“ so die Sozial- und Politikwissenschaftlerin Paula Diehl. Ein Gemälde von Gerhard Keil und Fotografien von Skulpturen Arno Brekers illustrieren anschaulich die neuerliche „Entmenschlichung“ des Mannes: Alle Schwäche und Abweichung von der Norm des gesunden starken Körpers werden verbannt. PENIS Die Definition von Männlichkeit ist eng gekoppelt an sexuelle Leistungsfähigkeit. „Der Penis ist die Achse, um die Körper und Persönlichkeit eines Mannes kreisen“, so formulierte es der Urologe Dudley Seth Danoff. Der Feminismus setzte den Penis mit Bedrohung gleich oder sah ihn als Waffe: Die Künstlerin Florentina Pakosta, schuf in den 1970er Jahren eine Serie männlicher Genitalien, deren Austauschbarkeit als Bann ihrer Macht fungiert. Seite 18 Der Penis ist Träger sexueller Wünsche und Ängste, Symbol für Grandiosität und Allmacht, aber auch sensibles „Organ der männlichen Seele“. Ambivalent ist daher auch der künstlerische Umgang mit ihm: Er wird zum Götzenbild gemacht, in Szene gesetzt und kritisch oder ironisch betrachtet. Fantasien über den omnipotenten Riesenpenis, der übermächtig den Mann in die Knie zwingt, unterzieht Franz Kapfer einer wörtlichbildhaften Analyse. ALTER Ein von Falten zerfurchtes Gesicht, gezeichnet durch die Wechselfälle des Lebens, zeigt schonungslos die Ausprägung des Charakters, bietet eine Landkarte der Erfahrungen. Das Altersporträt war daher seit jeher eine künstlerische Herausforderung. Alter war mit Begriffen wie Würde, Lebenserfahrung und Respekt verbunden. Gustav Klimts schonungslose Darstellung eines nackten, gebrechlichen Greises entrüstete 1901 daher Publikum und Kunstkritik. Nacktheit war ein Privileg der Jugend und fand Ausdruck in Kraft strotzenden, muskulösen, idealen Männerkörpern. Goethe bezeichnete das Alter als „stufenweises Zurücktreten aus der Erscheinung“, doch Hinfälligkeit und Schwäche ist nur eine Seite des Alters; Erfahrung, Selbstreflexion und Rückschau eine andere. Alter bedeutet aber auch Triumph über Scham und gesellschaftliche Konvention: Die Künstler Sepp Dreissinger und Josef Kern zeigen Männer, die sich selbstbewusst in Unterhose oder nackt mit einem Susaphon präsentieren. KNABE Unschuld, Lebendigkeit und grenzenloser Idealismus sind die Privilegien der Jugend, jenseits jeglicher Rollenerwartung. Erwin Lang präsentiert uns einen zarten Knaben, der nackt im Einklang mit der Natur, im Jubel über sein Hiersein, die Hände zum Himmel hebt. Ungetrübte Lebensfreude, Neugier und Faszination dem Leben gegenüber spricht aus den Abbildern der Knaben, die an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehen. Doch Jugend kann auch von allzu früher Konfrontation mit Leid, Pflicht und Rollenzwängen getrübt sein. Bernhard Prinz und Collier Schorr entmystifizieren das heile Bild jugendlicher Unschuld und Unbekümmertheit: Prinz zeigt einen schönen Jüngling, dessen knabenhafter Körper eine nicht zu übersehende Narbe zeichnet. Schorr fängt auf einem Foto die Momentaufnahme eines lächelnden jungen Mannes ein, der im nächsten Augenblick mit dem Zeichenstift in eine Uniform gezwängt ist; das Lächeln auf seinen Lippen erstarrt. Seite 19 SCHMERZ Im Martyrium des heiligen Sebastian findet das Aufbegehren gegen die geforderte männliche Kraft eine ideale Ausdrucksform: Ein knabenhafter, weicher Körper ohne Muskeln ist verletzt und schutzlos dem „bohrenden“ Blick des Betrachters ausgeliefert. Der heilige Sebastian wird aus der christlichen Ikonographie übernommen. Der Heilige wird zunächst „feminisiert und zur fetischisierten Figur homoerotischen Verlangens stilisiert“ (Peter Weiermair). Doch auch heterosexuelle KünstlerInnen bedienen sich bis heute der Figur des Märtyrers. Verletzlichkeit und Ausgeliefertsein stehen hier im Vordergrund; wobei die erotische Konnotation der antimännlichen Position der Opferrolle nicht übersehbar ist. Die Zurschaustellung des geschundenen nackten Männerkörpers und damit die Zerstörung der traditionell unversehrten Männlichkeit führt der Wiener Aktionismus fort. Seelischen Schmerz angesichts von Ohnmacht und Scham gegenüber unerfüllbaren Rollenzwängen und gesellschaftlichen Konventionen aber auch angesichts der eigenen Sterblichkeit visualisieren die Arbeiten von Georg Baselitz und Jaan Toomik. SCHWUL Der offene Blick des Begehrens auf den männlichen Körper war zunächst nur in der Nische homosexueller Kunst möglich. Das zeigen Guglielmo Plüschows und Wilhelm von Gloedens Fotografien schöner, nackter Jünglinge in freier Natur. Diese Visionen eines irdischen Arkadiens entstanden in Sizilien, wo Homosexualität zu jener Zeit straffrei war. Aber auch an den europäischen Akademien dienten diese Bilder als Vorlage für bildende Künstler und fanden Aufnahme in seriöse Kulturzeitschriften. Doch nicht nur der schöne Körper als Objekt des Verlangens steht hier im Zentrum. Schwule Kunst thematisiert ebenso die gesellschaftspolitische Provokation gelebter Homosexualität. Das Künstlerpaar Gilbert & George stellt sich schonungslos alt und nackt dar. Es thematisiert Aids und schildert die Zustände menschlicher Existenz drastisch und offen als eine „Kunst für alle“. Auch das Künstlerpaar Gil & Moti richtet den Blick nicht nur auf Begehren und sexuelles Verlangen, sondern auf die Herausforderungen, die gelebte schwule Liebe und Partnerschaft in der Alltäglichkeit einer heteronormativen Gesellschaft darstellen. Seite 20 Saalhefttexte Einleitung Der nackte Mann ist unsichtbar. Hat uns der männliche Körper nichts zu sagen? Im Gegenteil. Diese Ausstellung erzählt, wie der Mann sich seit dem letzten Jahrhundert neu erfindet – und wie er sich seiner Nacktheit stellt. Mit Mut und Zweifel, mit der Lust auf neue Lebensentwürfe. Und wie selbstbewusste Künstlerinnen sich ein Sujet erobert haben, das ihnen lange verboten war. Der nackte Mann war über Jahrhunderte nur als mythologischer Held oder christlicher Märtyrer darstellbar. Um 1900 verändert die erste große Krise der männlichen Identität den Blick auf den Männerakt. Für die Künstler der Moderne wird der jeder Rolle entkleidete, nackte Körper zum Mittel der Selbstbefragung und zum Bedeutungsträger gesellschaftspolitischer Erneuerung. Von diesem Zeitpunkt an folgt die Ausstellung dem nackten Mann durch das 20. und 21. Jahrhundert – durch Krisen der Identität und Phasen der Souveränität. Mehr als 300 Exponate – Leihgaben aus den USA und ganz Europa, und Werke aus eigenen Beständen – bilden zwölf Kapitel: Akt, Ich, Alter, Knabe, Adam, Schwul, hüllenlos, Schmerz, Pose, Bizeps, Penis und Herrschaft. Das Saalheft der Kunstvermittlung bietet eine Auswahl an Werken (markiert mit einem Symbol), ist alphabetisch nach KünstlerInnen geordnet und soll Sie bei Ihrer individuellen Annäherung an die Werke unterstützen. Im Anhang finden Sie die Übersetzungen der Wandtexte (Einleitung und Kapiteltexte) in englischer Sprache. Richard Avedon geb. 1923 in New York City, USA; gest. 2004 in San Antonio, Texas, USA Rudolf Nurejew, 25.7.1961 Sammlung Stephane Janssen, Arizona, USA Richard Avedon wurde für seine herausragenden Modefotografien und auch für Porträts bekannter Persönlichkeiten berühmt. Hier ist Rudolf Nurejew, ein Tänzer tartarischer Herkunft zu sehen. Das Foto ist Teil einer Serie, welche die Tanz-Ikone des klassischen Balletts nackt in virtuosen Bewegungen zeigt. In dieser Aufnahme steht Nurejew jedoch still und präsentiert seinen durchtrainierten Körper selbstbewusst vor der Kamera. Avedons Porträts, die stets schwarz-weiß vor schlichtem, weißem Hintergrund entstanden, scheinen auch immer vom Charakter der Abgebildeten zu erzählen. Nurejew, der 1982 die österreichische Staatsbürgerschaft annahm und 1993 an den Folgen von Aids starb, revolutionierte die männliche Ballettrolle auch als Choreograf wesentlich mit. Seite 21 Georg Baselitz geb. 1938 in Deutschbaselitz, Deutschland; lebt am bayrischen Ammersee und in Imperia, Italien Hommage à Wrubel (Michail Wrubel – 1911), 1963 Sammlung Fröhlich, Stuttgart Nachdem Hans-Georg Bruno Kern 1957 wegen „gesellschaftspolitischer Unreife“ von der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Ostberlin verwiesen wird, setzt er sein Studium bis 1963 in Westberlin fort. Seit 1961 nennt er sich nach seinem Geburtsort Georg Baselitz. Das Bild ist, wie der Titel verrät, dem russischen Maler Michail Wrubel gewidmet und damit einem Künstler, der in der ostdeutschen Kunstakademie Vorbildcharakter hatte. Gezeigt wird ein onanierender nackter Mann; laut Baselitz eine bewusste Provokation, denn 1963 war es schockierend, einen Penis zu malen. Aber auf die provokante Darstellung allein lässt sich das Gemälde nicht reduzieren: Es kann auch mit Schlagworten wie Einsamkeit, Verletzlichkeit, Scham und Schwäche umschrieben werden. The Blue Noses Group gegründet 1999; Viacheslav Mizin, geb.1962 in Novosibirsk, lebt in Novosibirsk und Moskau, Russland; Alexander Shaburov, geb. 1965 in Berezovsky, lebt in Ekaterinburg und Moskau, Russland Vogue of Labour, 2004 Knoll Galerie, Wien Drei Profibodybuilder und zwei Künstler lassen ihre Muskeln spielen. Sie posieren vor Maschinen, in Schubkarren mit Schaufel und kehren mit aufgesetztem Grinsen in Badesandalen eine desolate Fabrikshalle aus. Die sibirische Gruppe Blue Noses hat Vogue of Labour als clowneskes, ironisches Fotoshooting inszeniert. Ein Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen oder eine Persiflage auf russischen Männlichkeitskult? Das Duo schockiert und provoziert seit 1999, zeigt immer wieder „verbotene Kunst“. „Eine Schande für Russland“, nannte Kulturminister Alexander Sokolov die Werke der Künstler. Verurteilungen und hohe Geldstrafen begleiteten Ausstellungen der Blue Noses. KünstlerInnen und Provokateure haben es – wie die Verurteilung der Punkband Pussy Riot beweist – in Russland immer noch schwer. Wenn autoritäre Regimes bestimmen, müssen KünstlerInnen für Meinungsfreiheit unter gefährlichen Bedingungen kämpfen. Seite 22 Lovis Corinth Geb. 1858 in Tapiau/Ostpreußen, Deutschland; gest.1925 in Amsterdam, Niederlande Der Athlet, 1903 Privatbesitz Österreich Der Athlet ist eines der kraftvollsten Bilder der Berliner Schaffensjahre Corinths. In einer vom Künstler bestimmten Haltung wird ein an Armen und Brust tätowierter, trainierter Mann frontal als selbstbewusster Muskelprotz dargestellt: mit wildem Pinselstrich, fast nackt, im Halbdunkel. Corinth studiert, wie kaum ein anderer Maler seiner Zeit, den nackten männlichen Körper. Sein Interesse an „starken Männern“ geht weit über herkömmliche akademische Studien hinaus. Der Maler stellt Modelle, Künstlerfreunde, Heilige, Kämpfer, seine Frau, sogar Christus und sich selbst schonungslos entblößt dar. Die Inszenierung des nackten Körpers trifft den Nerv des Publikums und wird bei Corinth, der auch in Caravaggios Bann stand, oftmals aufgenommen. Manfred Erjautz geb. 1966 in Graz, Österreich; lebt in Wien, Österreich Shelter (White Zombie), 2003 Leihgabe des Künstlers Schaufensterpuppen stellen idealtypische Körper dar. Die „weiblichen“ Mannequins sind zwar mit Brüsten ausgestattet, Geschlechtsorgane haben aber bei den Puppen nichts verloren. Umso mehr verwundert, dass diese Puppe hier einen erigierten Penis zwischen den Beinen hat. Die Hoden fehlen zur Gänze und nicht nur deswegen irritiert die ansonsten androgyne Figur. Mit Textilien und Logos versehene Schaufensterpuppen nehmen einen großen Teil im Schaffen von Manfred Erjautz ein. Die Verfremdung von Alltagsgegenständen spielt darin eine zentrale Rolle. Der menschliche, hier konkret männliche Körper, wird in Shelter (White Zombie) als leere Hülle und Projektionsfläche bloß gestellt. White Zombie ist übrigens der Name einer US-amerikanischen Metal-Band, die sich nach dem gleichnamigen Horrorfilm von 1932 nannte. VALIE EXPORT geb.1940 in Linz, Österreich; lebt in Wien, Österreich Cutting, 1967/1968 Courtesy Künstlerin und Charim Galerie, Wien Im Jahr der Entstehung dieser Arbeit schuf VALIE EXPORT ihre öffentliche Persönlichkeit als Künstlerin mit einem neuen Namen. Angeregt wurde sie zur Neuschöpfung durch ihren Taufnamen Waltraud sowie eine österreichische Zigarettenmarke. VALIE EXPORTs Werk ist feministisch. Sie setzt sich mit der Stellung der Frau vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Medienrealität auseinander. Cutting Seite 23 gehört zur Werkgruppe des Expanded Cinema. In diesem Kunsttypus wird das Medium Film untersucht – hier steht der „Schnitt“ im Mittelpunkt, der im Film den Ablauf einer Erzählung ermöglicht. EXPORT benützt den Körper eines Mannes (Peter Weibel) als Instrument für ihre Darstellung. Károly Ferenczy geb. 1862 in Wien, Österreich; gest. 1917 in Budapest, Ungarn Badende Knaben (Sommer), 1902 Hungarian National Gallery, Budapest Der Beginn der modernen Malerei in Ungarn erfolgt um 1880 und ist mit der Gründung der weltoffenen Künstlerkolonie im Dorf Nagybánya (heute Rumänien) verbunden. Ferenczy, der in Neapel, Paris und München studierte, wird zur bestimmenden Gestalt dieser Vereinigung. Hier auf dem Land findet die neue Freilichtmalerei, die von den Franzosen beeinflusst war, ideale Voraussetzungen. In den Sommermonaten pilgern hunderte Künstler in das Dorf und huldigen der Malerei in freier Natur. In diesem offenen Klima entsteht das repräsentative und modern wirkende Gemälde. Die Farbe ist pastos aufgetragen; die Malweise kommt dem Spätimpressionismus nahe. Das flirrende Sonnenlicht und das schillernde Blau der Schatten, das auch im Bachbett wieder auftaucht, verheißen einen schönen Sommertag. Rainer Fetting geb. 1949 in Wilhelmshaven, Deutschland; lebt in Berlin und auf Sylt, Deutschland Marcus, 1992 Kunsthalle Emden / Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo Fetting zählt zu den Mitbegründern der berühmten Galerie am Moritzplatz und wurde zur Leitfigur der Neuen Wilden in Berlin. Eine Gruppe junger Künstler gründete diese Art „Selbsthilfegalerie“ 1977 als Protest gegen den etablierten Kunstbetrieb in Berlin. Auch die Schwulenbewegung der 1970er Jahre wäre ohne den Maler und Schlagzeuger, der sich bald nach seinem Umzug in die deutsche Metropole outete, nicht denkbar. Stadtansichten, Landschaftsbilder und Männerporträts machen einen Großteil seines Werks aus. Fetting malte auch sich selbst, häufig auch nackt. Nicht nur die Motive, sondern auch die ausdruckvolle Farbgebung und Maltechnik erinnern dabei an die Expressionisten. Seine Männerbilder zeichnen sich durch eine geheimnisvolle Wirkung aus. So auch das durchaus erotische Gemälde Marcus, das in Fettings New Yorker Zeit fällt: Der auf einer Terrasse posierende Mann gibt nichts als seine Rückenansicht preis. Seite 24 Eric Fischl geb. 1948 in New York, USA; lebt in New York, USA Frailty Is a Moment of Self-Reflection, 1996 Leihgabe des Künstlers Ein alter Mann, nackt und taumelnd im Flur. Ist es ein Schlafwandler oder ist der Dargestellte dement und findet nicht mehr ins Bett zurück nach einem nächtlichen Besuch auf der Toilette? Auf jeden Fall sieht man ihm an, dass sein Körper von Alter gezeichnet ist. Ein Moment von Schwäche, wie auch der Titel der Arbeit verrät (Schwachheit ist ein Moment der Selbstbetrachtung). So wurden Männer lange nicht in der Kunst dargestellt. Der Künstler Fischl ist bekannt für seine Porträts, die Alltagssituationen zeigen, in denen nichts beschönigt wird. In den USA war man vor allem von jenen Bildern, in denen er nackte Menschen – insbesondere Männer – darstellt, geschockt. Fischl wurde aber gerade auch dadurch berühmt und zählt heute zu den bedeutendsten US-amerikanischen figurativen Malern. Alex Flemming geb. 1954 in São Paulo, Brasilien; lebt in Berlin, Deutschland Angriff auf Bagdad, 1997 Teutloff Photo + Video Collection Ein bildschöner Oberkörper mit Waschbrettbauch in knalligen Farben; derart angelockt wird man zum kritischen Inhalt der Arbeit gelenkt. Eine Landkarte der Golfregion auf der Haut und ein Bibeltext weisen den Weg: Vordergründig geht es um den Angriff auf Bagdad. Am 17. Jänner 1993 wird die irakische Stadt auf Anordnung des damaligen USPräsidenten Bush sen. angegriffen. Kurz darauf autorisiert der nachfolgende Präsident Clinton einen Raketenangriff auf Bagdad. Flemming verschränkt in dieser Arbeit aus der Serie Body-Builders mehrere Aspekte: Die Bibelgeschichte von Kain, der seinen Bruder Abel erschlägt, seine Kritik am Golfkrieg und den männlichen Körper als Projektionsfläche für kriegerische Auseinandersetzungen. Lucian Freud geb. 1922 in Berlin, Deutschland; gest. 2011 in London, England Leigh Bowery, 1991 Tate Freud porträtierte Leigh Bowery (1961–1994), wie man ihn selten zu Gesicht bekam: mit entspannter Mimik, in einem unbeobachteten Moment, wie beim Modellsitzen eingenickt. Bowery, der australische Tausendsassa – Künstler/Designer/Schauspieler – inszenierte sich selbst in den schrillsten Kostümen, mit beinahe clowneskem Make-Up und in wilden Posen. Er war mit Freud befreundet und stand ihm mehrmals, oft auch nackt Modell. Seite 25 Dieses Porträt ist wohl eines der intimsten, da es Bowery völlig ohne Maskerade zeigt. Man glaubt, seine wahre Persönlichkeit vor sich zu haben. Eine Eigenschaft, die die realistischen Gemälde des britischen Malers und Enkel von Sigmund Freud, auszeichnet: Nicht nur das Äußere sondern auch der Charakter der Porträtierten wird dargestellt. Gelatin Ali Janka (* 1970), Wolfgang Gantner (* 1968), Tobias Urban (* 1971) und Florian Reiter (* 1970), leben in Österreich Aus der Serie Ständerfotos – Nudes, #57,#58,#60, 2000 Galerie Meyer Kainer, Wien Die vier unter der Marke Gelatin (oder auch Gelitin) auftretenden Künstler posieren in TShirts oder mit Cowboy-Hut, unten nackt und erregt. Gelatin, die „Bad Good Boys“, die in der Tradition der „Kunst der Kunstlosigkeit“ (Werner Hofmann) stehen und immer wieder international für Aufregung sorgen, fotografieren sich bei Wanderungen im Monument Valley oder in anderen bekannten Naturregionen. Die heimlichen und beiläufigen Interventionen können mit oder ohne Publikum und Medienbeteiligung ablaufen: in Inszenierungen von Rockkonzerten, Filmen, Performances, Aktionen oder Happenings. In den Ständerfotos bietet der verlorene Künstler als Naturapostel und Einsiedler seine Erektion den Berggipfeln und Wiesen an. Sind die vier Selbstdarsteller in Wahrheit scheue Sonderlinge? Heute ist Nacktheit längst kein Problem mehr – oder vielleicht doch? Gilbert & George Gilbert geb. 1943 in St. Martin in Thurn, Italien; George geb. 1942 Plymouth, England; leben in London, England Spunk Money, 1997 Galerie Thaddaeus Ropac, Paris/Salzburg Gilbert & George lassen die Hosen runter. George provoziert mit dem Allerwertesten, während Gilbert im Adamskostüm verträumt aus dem Bild blickt. Im Hintergrund tauchen, in aggressivem Rot, Geldscheine auf. Die großen Blasen sind Sperma-Proben, unter dem Mikroskop gesehen. Schon der Titel „Spunk Money“ (Geld für Sperma) ist eine vieldeutige, schlüpfrige Provokation. Das großformatige Bild wurde in Einzelteilen, kaleidoskopartig am Computer zusammengefügt. Es erinnert unmittelbar an mittelalterliche Kirchenfenster, behandelt aber kritische Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens. Gilbert und George sind ein seit 1967 in London lebendes, exzentrisches Künstlerpaar. Als „lebende Skulpturen“ wurden sie zu den Hauptdarstellern ihrer Kunst. Mit ihrem Grundsatz „Art for All“ scheuen die Performer vor brisanten Themen wie Aids und Homosexualität nicht zurück. Seite 26 Félix González-Torres geb. 1957 in Güaimara, Kuba; gest. 1996 in Miami, Florida „Untitled” (Go-Go Dancing Platform), 1991 Kunstmuseum Sankt Gallen, Dauerleihgabe aus Privatbesitz Fast immer ist dieser Sockel leer, nur Glühbirnen leuchten. Unangekündigt einmal am Tag betritt ihn ein Go-Go-Tänzer. In silbernem Slip und Turnschuhen tanzt er exakt fünf Minuten lang zu Musik, die nur er selbst über Kopfhörer vernehmen kann und verschwindet wieder. Liebe, Erinnerung, Sehnsucht und Verlust sind die Themen des Künstlers, der an den Folgen einer HIV-Infektion starb. Seine Arbeiten bauen auf die Konzeptkunst auf, werden aber um Emotionen und Angebote zur Interaktion bereichert: das Publikum darf sich bei vielen seiner Werke (z. B. ein Haufen Bonbons) selbst bedienen. Zurück bleibt, wie bei „Untitled“ (Go-Go Dancing Platform), die Leere. Das Werk schafft ein Bild, eine Situation, ein Erleben von Sehnsucht, Abwesenheit und Imagination. Natürlich verkörpert der Tänzer für González-Torres eine selbstbewusste Homoerotik. Die Wahrscheinlichkeit, ihn hier tanzen zu sehen, ist gering. Doch genau darum geht es: Um ein Sinnbild für Begehren, das nie vollständig eingelöst werden kann. Keith Haring geb. 1958 in Reading, Pennsylvania, USA; gest. 1990 in New York, USA The Great White Way, 1988 Keith Haring Foundation, New York The Great White Way ist eigentlich der Spitzname eines Broadway-Abschnitts, in dem sich auch der Theater District befindet. 1902 wurde ein Journalist von den vielen Lichtquellen und Werbetafeln dort zu dieser Bezeichnung inspiriert. Der jung an AIDS verstorbene Künstler wurde mit seiner comicartigen Kunst berühmt. Neben Gesellschaftskritik und politischen Themen spielt (Homo)Sexualität eine zentrale Rolle in seinem Werk. Penisse und Geschlechtsverkehr haben StrichmännchenCharakter. So auch dieser Riesen-Penis mit seiner „Bilder-Geschichte“. Bei Haring steht der Penis für das männliche Geschlechtsorgan als solches und nicht für einen Macht symbolisierenden Phallus.1 Mit der Größe der Skulptur nimmt Haring zwar Bezug auf die Symbolkraft des Phallus, er bricht sie aber gleichzeitig mit seiner einfachen, durchaus auch humorvollen Formensprache. 1 Giorgio Verzotti, Der Strahlende Eros. Keith Haring und die Sexualität. In: Keith Haring. Heaven and Hell. Hg. Museum für Neue Kunst | ZKM Karlsruhe, Ostfildern 2001 Seite 27 Erich Heckel geb. 1883 in Döbeln/Mittelsachsen, Deutschland; gest. 1970 in Radolfzell/Bodensee, Deutschland Badende am See, 1925 Sammlung Würth, Künzelsau Im Gegensatz zu den an der Akademie verlangten Aktstudien, die Berufsmodelle in künstlichen Posen wiedergeben, stellen die jungen Brücke-Maler häufig Freunde dar. In entspannter FKK-Atmosphäre verbringen sie die Sommer zwischen 1907 und 1911 an den Moritzburger Teichen bei Dresden. Hier wird in der Natur gemalt, gezeichnet und geliebt. In diesem spätexpressiven Werk überwiegen gemäßigte, immer noch leuchtende Farben. Die spontan erfassten Männer wirken ruhig, fast verklärt. Ein idyllisches Urlaubsfeeling in unberührter Natur wird vermittelt. Das nackte und ungezwungene Auftreten der Brücke-Künstler, das mehrfach die örtliche Polizei nach Anzeigen beschäftigte, war ein künstlerischer Lebensentwurf als Alternative zur Scheinmoral des Spießbürgertums. Volker Hinz geb. 1947 in Hamburg, Deutschland; lebt in Hamburg, Deutschland Pelé und Franz Beckenbauer unter der Dusche, Fort Lauderdale, 1977 Teutloff Photo + Video Collection, Bielefeld Der Kaiser ohne Kleider! Zwei Weltkicker internationalen Rangs – Franz Beckenbauer und Pelé – splitternackt im Duschraum. Der Deutsche und der Brasilianer kämpfen 1977 gemeinsam bei Cosmos New York im Endspiel gegen Seattle Sounders. Pelé schießt in diesem legendären Meisterschaftsmatch vor 35.000 amerikanischen Fans das Führungstor. Diskutieren die beiden Teamkollegen in der Dusche über gelungene Spielzüge, erzählen sie sich einen Witz? Jedenfalls wirken beide heiter und relaxed. Die Anwesenheit der Journalisten, die zehn Minuten nach Schlusspfiff in die Spielerkabinen durften, stört sie nicht. Stern-Fotograf Volker Hinz gelang dieser intime Blick hinter die Kulissen: Er schoss ein Jahrhundertbild, das zum Klassiker der stern-Fotografie wurde und das um die Welt ging. „Kaiser Franz“, und „Paparazzo“ Volker Hinz pflegen bis heute freundschaftlichen Kontakt. Seite 28 Karl (Carl) Hofer geb.1878 in Karlsruhe, Deutschland; gest. 1955 in Berlin, Deutschland Joseph und seine Brüder, 1943 Sammlung Hartwig Garnerus, München Mit 65 Jahren malt Hofer dieses Bild. Im Entstehungsjahr wird sein Berliner Atelier bei einem Luftangriff zerstört. Nach diesem Verlust malt er in kurzer Zeit 200 Bilder, darunter auch diese Fassung von Joseph und seine Brüder. 1933 wird Hofer von der NSHerrschaft aus seinem Amt an der Berliner Akademie entlassen. Seine Werke werden als „entartet“ verfemt. Eine an christlichen Darstellungen orientierte Bildsprache ist typisch für Hofer. So auch hier: Rechts steht Joseph mit einem weißen Tuch, links seine drei neidischen Brüder. Diese werfen ihn laut Legende erst in eine Grube und verkaufen ihn danach an Händler. Der Künstler überträgt die Josephlegende auf seine Zeit. Er identifiziert sich selbst mit Joseph, der von vielen Menschen verletzt wurde. Wieso aber hat er alle Figuren nackt und damit unschuldig dargestellt? Sind sie denn unschuldig? Wer Opfer ist und wer Täter, bleibt offen. Gerhard Keil geb. 1912 in Dresden, Deutschland; gest. 1992 in Dresden, Deutschland Turner, 1939 Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Diese vier Männer können unmöglich echt sein. Gestählt, muskulös und zum gemeinsamen Sieg entschlossen sind diese Sportler, deren Muskeln hier eingehend studiert werden können. Wir blicken zu ihnen empor. Sie aber sehen starr gerade aus. Die starken Wettkämpfer tragen kurze, weiße Sporthosen und laufen uns barfuss vor der Kulisse einer monumentalen Säulenhalle entgegen. Diese erinnert an Albert Speers Modell des Deutschen Stadions in Nürnberg, das nie realisiert wurde. Der Dresdner Maler Gerhard Keil zählt nicht zu denjenigen Künstlern, die vom NSRegime als entartet eingestuft werden. Im Gegenteil: Er malt seine Turner ganz im Sinne der nationalsozialistischen Körperideologie: standardisiert und makellos. Das Bild erschien auch als Postkarte und trug so zur Verbreitung des arischen Körperideals bei. Max Koch & Otto Rieth geb. 1854; gest. 1925 und geb. 1858; gest. 1911 Männliche Akte, Akademie,1893 Münchner Stadtmuseum Die beiden Fotos entstammen einer Serie von 100 Aufnahmen, die männliche und weibliche Akte in Interaktion mit Architektur zeigen. Der deutsche Fotograf Max Koch publizierte gemeinsam mit dem Architekten und Bildhauer Otto Rieth, der hauptsächlich Seite 29 in Berlin arbeitete, diese Reihe skurriler Aufnahmen. Die mehrheitlich männlichen Aktmodelle sind in expressiven Körperverdrehungen auf Architektursimsen und um Säulen arrangiert oder stürzen von schräg in den Raum gestellten Kanapees. Dieser aus heutiger Sicht humorvolle Umgang mit dem nackten Körper unterscheidet sich deutlich von den zu dieser Zeit üblichen, streng akademischen Aktfotografien. Katarzyna Kozyra geb. 1963 in Warschau, Polen, lebt in Warschau, Polen und Berlin, Deutschland Badehaus der Männer, 1999 Zachęta National Gallery of Art, Warschau Die Künstlerin rasiert sich ein halbes Jahr nicht die Beine und lässt sich eine Penisnachbildung anfertigen. Sie verkleidet sich als nackter Mann, tarnt die Brüste mit einem Handtuch, klebt sich einen unechten Bart an und schleicht sich in ein öffentliches Badehaus für Männer in Budapest ein. Zwei männliche Assistenten filmen mit versteckten Kameras. Vier Projektionen in diesem begehbaren Oktogon zeigen dort entstandene Aufnahmen: Zu sehen sind nackte Männer im Dampfbad auf vollkommen zwanglose Art und Weise. Die Künstlerin blieb unentdeckt. Schwule interessierten sich für den schlanken jungen Mann, für den sie gehalten wurde. Die Performance der Künstlerin dient dem Vergleich des Geschlechterverhaltens: 1997 hatte Kozyra unverkleidet und mit versteckter Kamera das Video Women´s Bathhouse gedreht. Elke Silvia Krystufek geb. 1970 in Wien, Österreich; lebt in Wien Österreich und Berlin, Deutschland hescape, 2009 Galerie Meyer Kainer, Wien Das Acryl-Gemälde hescape war Teil der Rauminstallation TABOU TABOO, die Krystufek für den Österreich-Pavillon auf der 53. Biennale in Venedig 2009 gestaltete. Die für ihre feministischen Ansätze bekannte Künstlerin thematisiert mit dem Gemälde das seltene Phänomen, das auch für die gesamte Ausstellung Der nackte Mann zentral ist: Eine heterosexuelle Künstlerin malt ein männliches Aktmodell. Wer ist Adressat dieses Motivs? Frauen, die auch in den seltenen Genuss kommen dürfen, einen nackten Männerkörper zu betrachten? Oder Männer, die darauf aufmerksam gemacht werden sollen, dass häufig nur ihre Schaulust befriedigt wird? Und verändert sich das Verhalten der BetrachterInnen, wenn diese offenbar so festgefahrenen Rollenbilder bewusst vertauscht werden? Seite 30 Maria Lassnig geb. 1919 in Kappel am Krappfeld, Österreich; lebt in Wien, Österreich Insektenforscher I, 2003 Sammlung Essl, Klosterneuburg Wie kann man so unbeteiligt schauen, wenn sich ein so merkwürdiges Tier auf dem bloßen Arm niedergelassen hat? Den älteren, untersetzten Herrn scheint weder das Krabbeltier noch die eigene Nacktheit sonderlich zu beeindrucken. Mit dem Insektenforscher greift Lassnig die Idee der Rückkopplung zur Natur aus ihrem frühen Schaffen wieder auf. Die Künstlerin lebte in den 1960er Jahren erst in Paris und später in New York, wo sie sich selbst in surrealen Bildern häufig mit Tieren porträtierte. Sie hat sich in ihrer Malerei ganz der Umsetzung von Körperempfindungen verschrieben. Bevorzugt malt Lassnig in eigenwilligen Pastelltönen und verzichtet bei ihren Bildern gänzlich auf Raumangaben. 1980 kehrt sie nach Österreich zurück und vertritt gemeinsam mit VALIE EXPORT Österreich auf der Biennale in Venedig. Paula Modersohn-Becker geb. 1876 in Dresden, Deutschland; gest. 1907 in Worpswede, Deutschland Stehender männlicher Akt frontal, Oberkörper vorgebeugt, 1898 Paula Modersohn-Becker Stiftung, Bremen Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Studie hatte Paula Becker bereits einen Kurs an der Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen absolviert. Der Zutritt an eine Kunstakademie war ihr als Frau verwehrt. Die Aktstudie zeigt nicht das für diese Gattung übliche Interesse an plastischer, detailreicher Wiedergabe der Muskulatur eines Körpers. Die ungewöhnliche Haltung des Modells erzeugt eine geschlossene Umrisslinie und eine strenge Vereinfachung der Form. Der in Kohle mit kühnen Weißhöhungen ausgeführte Akt weist bereits auf ihr künftiges malerisches Werk hin, das nicht dem herrschenden Stil der deutschen Kunstszene entsprach. Mit ihrer ersten Ausstellungsbeteiligung 1899 erntete sie vernichtende Kritik. Heute wird sie als wichtigste Künstlerin der klassischen Moderne geschätzt. Koloman (Kolo) Moser geb. 1868 in Wien, Österreich; gest. 1918 in Wien, Österreich Selbstbildnis, um 1916 Belvedere, Wien Das Selbstbildnis zählt zu Mosers Spätwerk. Der Künstler zeigt uns in reduzierter, kühler Farbpalette seine nackte Brust und blickt uns unverwandt an. Auffällig ist die schwarze Kontur, die den Körper umfängt. Seine Hand weist auf den nackten Oberkörper. Seite 31 Sehr bewusst verweist Moser mit seinem Bildnis auf die Tradition von Darstellungen des leidenden Christus: Der Künstler weiß bereits, dass er eine unheilbare Krankheit hat. Eindringlich setzt er sich mit der eigenen Künstlerexistenz auseinander. Zugleich blickt er souverän seinen Kritikern mitten ins Gesicht, die er in seinem 1916 erschienenen Artikel Mein Werdegang offen angreift. Moser stirbt zwei Jahre später an Kehlkopfkrebs. Ron Mueck geb. 1958 in Melbourne, Australien; lebt in London, England Ohne Titel (Mann in Decken), 2000/2001 Leihgabe Sammlung Simone und Heinz Ackermans, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Der nackte Mann in Decken ist unterlebensgroß. Die Genauigkeit der Darstellung fasziniert: Jedes einzelne Härchen ist zu sehen, die Haut mit Rötungen und Falten verrät sein Alter. Obwohl er in Decken gehüllt ist, ist der Schlafende unseren Blicken schutzlos ausgesetzt. Möchten Sie so betrachtet werden, während Sie schlafen? Der Bildhauer Mueck wurde durch hyperrealistische Figuren, die den Menschen in seiner ganzen Verlorenheit und Verletzlichkeit zeigen, Mitte der 1990er Jahre bekannt. Der Sohn von SpielzeugmacherInnen war zunächst Modellbauer für Film und Fernsehen und stellte Figuren für die Sesamstraße, die Muppet Show und Puppen für Werbekampagnen her. In den 1990er Jahren beginnt er, mit seinem bis heute bevorzugten Material Fiberglasharz zu experimentieren. Edvard Munch geb. 1863 in Løten/Hedmark, Norwegen; gest. 1944 auf Ekely in Oslo, Norwegen Männer am Meer, 1908 Belvedere, Wien Munchs Männer am Meer zelebrieren ein neues Lebensgefühl: die Einheit zwischen Mensch und Natur – der Inbegriff des neuen expressionistischen Menschenbilds. 1907 lässt sich der Maler in einem Fischerhaus in Warnemünde nieder. Er fotografiert sich und andere nackt am Strand. Die Aktfotos dienen als Vorlage für eine Gemäldeserie, die von einem Skandal begleitet wurde: Ein freiwilliges Aktmodell, ein Beamter der Stadt, wurde vom Dienst suspendiert und Galeristen in Hamburg weigerten sich, Munchs Nackte zum Verkauf auszustellen. Der Künstler selbst verstand nicht, warum Männerakte anstößiger sein sollten als nackte Frauen und beklagte sich über so viel Prüderie: „Es ist ein furchtbar bürgerlicher Ort und passt eben nicht für mich“, stellte er resigniert fest.2 2 Siegfried Wittenburg/Solveigh Grothe, Kunstgeschichten: Munch und die Nackten. In: SpiegelOnline, 6.12.2010 Seite 32 Felix Nussbaum geb. 1904 in Osnabrück, Deutschland; 1944 Verhaftung, Deportation, Ermordung in Auschwitz, Polen Selbstbildnis an der Staffelei, 1943 Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück Wie die französische Inschrift auf der Rückseite des Bildes auf der Staffelei zeigt, entstand das Bild im August 1943. Nussbaum malt es ein Jahr vor seiner Ermordung im belgischen Exil. Im gleichen Jahr werden die Eltern und der Bruder des jüdischen Künstlers in Amsterdam verhaftet. Nussbaum lebt bis zu seiner Denunziation und Deportation in ständiger Angst. Hinweise auf seine Lebenssituation geben die Beschriftungen der kleinen Flaschen im Bild: Nostalgie, humeur (Stimmung) und souffrance (Leid). Eine Flasche zeigt einen Totenkopf: Der Tod scheint gegenwärtig. Als wolle der Künstler sich noch einmal seiner selbst versichern, präsentiert er selbstbewusst seinen nackten Oberkörper und blickt uns beobachtend an. Bei Nussbaums Verhaftung blieb das Selbstporträt in seinem letzten Atelier in Brüssel zurück. Pierre et Gilles Pierre geb. 1950 in La Roche-sur-Yon, Frankreich; Gilles geb. 1953 in Le Havre, Frankreich; arbeiten seit 1977 zusammen und leben in Paris, Frankreich Apollon, 2005 Galerie Jérôme de Noirmont, Paris Neben Gilbert & George und Gil & Moti ist mit Pierre et Gilles ein weiteres schwules Künstlerpaar in der Ausstellung vertreten. Die Arbeitsaufteilung der beiden französischen Künstler ist klar: Der Fotograf Pierre macht die Aufnahmen und Gilles, der Malerei studierte, gestaltet die Sets und retuschiert die Fotos. Berühmt wurde das Duo mit der Darstellung von katholischen Heiligen. Hier ist hingegen Apollon zu sehen, der Gott des Lichts, der Künste und auch der sittlichen Reinheit. Pierre et Gilles wählen ihre größtenteils männlichen Modelle zufällig aus und lassen sie in Rollen schlüpfen. Meist entsprechen die Personen dem modernen, westlichen Schönheitsideal. Durch das Setting und die Nachbearbeitung wird dies noch gesteigert. Nicht selten wird ihre Kunst daher auch mit Kitsch verglichen. Für Pierre et Gilles geht es jedoch um eine Art bewusst hervorgerufene Realitätsflucht. Seite 33 Bernhard Prinz geb. 1953 in Fürth, Deutschland; lebt in Hamburg, Deutschland O. T. (Verwundung) aus der Serie BLESSUR, 1996 Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt am Main and Produzentengalerie, Hamburg Ein Schwerpunkt im OEuvre von Prinz ist die Porträt-Fotografie, die er meist in Serien zu einem Thema anlegt. In der Serie BLESSUR sind es Personen mit Wunden, Narben oder auch Piercings, die sich der Künstler vor die Linse holte. Alle Dargestellten sind frontal bis zur Hüfte dargestellt. Sie inszenieren sich selbstbewusst mit festem Blick vor der Kamera. Der junge Mann hier entspricht wegen seiner langen Narbe vielleicht nicht dem klassischen Schönheitsideal, dennoch wirkt er erhaben und würdevoll und gar nicht verletzlich. Über die Geschichte seiner Narbe erfahren wir genauso wenig wie über sein Leben. Es ist viel mehr eine inszenierte Momentaufnahme, in der wir uns als BetrachterInnen spiegeln können: Hat nicht jede/r von uns eine körperlichen Makel, mit dem wir gelernt haben zu leben? Leni Riefenstahl geb. 1902 in Berlin, Deutschland; gest. 2003 in Pöcking, Deutschland Speerwerfer, Stehender Athlet, aus dem Olympiafilm 1936, Fotoabzug 2012 In der Sauna, Dampfbad, Kraft (Diskuswerfer), Über den Pass der Thermopylen (Fackelträger), Orig. 1936–37, aus: Schönheit im Olympischen Kampf, hrsg. von Leni Riefenstahl (Fotoabzug 2012) Leni Riefenstahl-Produktion, Pöcking Schönheit im Olympischen Kampf, 1937 Sammlung Thomas Hackl, Linz Der Olympiafilm, der während der XI. Olympischen Spiele 1936 in Berlin entsteht, gilt als Riefenstahls Hauptwerk. Parallel erscheint der Fotoband Schönheit im Olympischen Kampf über Wettkämpfe während der Olympischen Spiele. Zuvor führt Riefenstahl bei Propagandafilmen von Nationalsozialistischen Parteitagen in Nürnberg Regie. Der bewegte, männliche, nackte Körper wird in Riefenstahls Filmen durch neue Aufnahmetechniken im Sinne der NS-Körperideologie ästhetisiert: Eine bestimmte äußere Erscheinung wird als Ideal festgelegt und der Wert eines Körpers an dessen Sportlichkeit und Stärke gemessen. Beliebt ist das Körperbild der griechisch-antiken Bildhauerei und des Klassizismus, wie die Fotografie eines Diskuswerfers beweist. Im Olympiafilm verkörpert dieser durch die Überblendung mit dem antiken Diskuswerfer von Myron die Olympische Idee. Seite 34 Egon Schiele geb. 1890 in Tulln, Österreich; gest. 1918 in Wien, Österreich Selbstakt mit rotem Stirnband, 1909 Leopold Museum, Privatstiftung, Wien Im Entstehungsjahr der Zeichnung nimmt Schiele an der 2. Internationalen Kunstschau in Wien teil, die Gustav Klimt ausrichtet. Zu diesem Zeitpunkt studiert der damals 19jährige an der Wiener Akademie. Obwohl es Studierenden nicht gestattet war, öffentlich auszustellen, nimmt Schiele Klimts Einladung an – und riskiert den Ausschluss aus der Akademie. (Dazu sollte es aber nicht kommen: Schiele tritt vorher freiwillig aus.) Auf der Kunstschau lernt er Mitglieder der Wiener Werkstätte kennen, deren Ästhetik auch in den modischen Details der Zeichnung anklingt. Um 1900 wird die Psychoanalyse Sigmund Freuds salonfähig; die männliche Nacktheit und Sexualität wird neu entdeckt. Entsprechend entblößt Schiele ohne Scham seinen schlanken Körper und blickt uns mit hochgezogener Augenbraue an. Rudolf Schwarzkogler geb. 1940 in Wien, Österreich; gest. 1969 in Wien, Österreich 2. Aktion „o.T.“ Sommer ,1965 & 3. Aktion „o.T.“ Sommer,1965 (Fotos: Ludwig Hoffenreich) 4. Aktion, 1965 (Foto: Franziska Cibulka), 1965 Eindringlich wird in diesen Fotografien die Verwundbarkeit des Körpers thematisiert. Oft bleibt uneindeutig, ob bei den Aktionen Schwarzkoglers der Körper verletzt oder geheilt wird. Symbolhafte Materialien wie Mullbinden und Zellstoff verweisen auf medizinische Behandlungen. Vordergründig wird auf die Furcht vor Verletzung und Kastration angespielt. Der Wiener Aktionist lebte zurückgezogen, seine Performances fanden nur im engsten Freundeskreis statt. Die hier präsentierten Aktionen wurden in der Wohnung von Heinz Cibulka, dem Modell auf den Fotografien, in der Kaiserstraße in Wien aufgeführt. Schwarzkogler war eng mit Hermann Nitsch befreundet und wandte sich wie dieser in seiner Kunst elementaren sinnlichen Erfahrungen zu. Max von Slevogt geb. 1868 in Landshut, Deutschland; gest. 1932 auf Neukastel bei Leinsweiler, Deutschland Der Sieger, 1912 Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird die Inspiration durch weibliche Modelle sehr wichtig. Noch galt es als anrüchig, nackt Modell zu stehen. Berufsmodelle dieser Zeit waren häufig ItalienerInnen oder GriechInnen. Mit ihnen konnte man auf die Antike zurückverweisen. Im späten 19. Jahrhundert – in der Hochzeit des Kolonialismus Seite 35 – interessieren sich Künstler wie Slevogt für afrikanische Modelle und instrumentalisieren sie für eigene Zwecke; aufgrund ihrer Bewegungsfähigkeit, die für Europäer ungewöhnlich war. Das somalische Modell Hassanó stand für Der Sieger anmutig auf einem Bein. Slevogts Darstellung strotzt nur so vor Klischees. Auch der Untertitel Kriegsbeute unterstützt die Klischeevorstellung vom gefährlichen schwarzen Mann, der weiße Frauen gefangen hält. Jaan Toomik geb. 1961 in Tartu, Estland; lebt in Tallinn, Estland Father and Son, 1998 Sammlung Hoffmann, Berlin Ein nackter Mann mit Schlittschuhen kommt langsam näher: Es ist Jaan Toomik. Er fährt einige Runden auf dem Eis und verschwindet schließlich wieder. Bemerkenswert ist auch die Tonspur: Eine klare Stimme singt ein mittelalterliches Requiem; diese stammt vom zehnjährigen Sohn des Künstlers. Viele Arbeiten Toomiks haben einen sehr persönlichen, familiären Hintergrund. Er verlor den eigenen Vater, als er erst neun Jahre alt war. Die Nacktheit steht hier für das bloße Leben, für Einsamkeit und seelischen Schmerz. Spencer Tunick geb. 1967 in Middletown, USA; lebt in New York, USA Düsseldorf 5 (Museum Kunst Palast), 2006 Sammlung Stephane Janssen, Arizona, USA Im Prinzip holt Spencer Tunick nicht nur nackte Männer, sondern auch nackte Frauen, vor seine Linse. Viele Nackte müssen es jedoch sein. Bis zu mehreren Tausenden haben sich schon freiwillig für seine Installationen ausgezogen. Für diese „Körperlandschaften“ bereiste Tunick schon die ganze Welt. In New York City wurde er schon mehrfach wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet. 2006 wurde der Fotograf vom Museum Kunst Palast in Düsseldorf eingeladen. Neben drei Installationen im Düsseldorfer Stadtraum fotografierte Tunick auch im Inneren des Museums, darunter diese Gruppe nackter Männer vor einem Landschaftsgemälde mit Berggipfel. Der amerikanische Sammler, Stephane Janssen, posiert selbst als Rückenakt inmitten der Gruppe. Nicht zuletzt durch die Berührungen bilden die Männer eine Einheit und verstärken den skulpturalen Charakter des Motivs. Seite 36 Artur Żmijewski geb. 1966 in Warschau, Polen; lebt in Warschau, Polen KRWP, 2000 (Abk. für Kompania Reprezentacyjna Wojska Polskiego, die Gardekompanie der Polnischen Armee) The Art Collection of Erste Bank Group An zwei Schauplätzen absolvieren polnische Soldaten militärische Übungen: zuerst bei trübem Wetter auf einem Paradeplatz in Uniform und danach nackt in einem Ballettstudio. Auf Kommando präsentieren sie das Gewehr. Sie singen, marschieren oder pfeifen den „Colonel Bogey March“, der durch den Film „Die Brücke am Kwai“ weltberühmt wurde. Im Ballettstudio, in dem sich die Soldaten selbst nackt im Spiegel sehen können, kippt die Situation: Der militärische Drill wirkt lächerlich und die Soldaten beginnen, sich über sich selbst zu amüsieren. Von soldatischem Heldentum ist hier nichts mehr zu spüren. Żmijewski, der die Berlin Biennale 2012 kuratierte, 2005 Polen auf der Biennale von Venedig vertrat und an der documenta 12 teilnahm, löst durch provokante oder tabulose Arbeiten häufig Kontroversen aus. Seite 37 Pressebilder Pressebilder stehen auch auf www.lentos.at zum Download bereit. 1. Kuratorinnen der Ausstellung DER NACKTE MANN Sabine Fellner, Stella Rollig und Elisabeth Nowak-Thaller Foto: maschekS. 4. Edvard Munch Männer am Meer, 1908 Österreichische Galerie Belvedere © VBK, Wien 2012 6. Ron Mueck Untitled (Man in blankets), 2000–01 Sammlung Ackermans, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf 2. Bernhard Prinz O. T. (Verwundung), aus der Serie Blessur, 1996 Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt am Main und Produzentengalerie, Hamburg 3. Josef Kern Apotheose, 1994 Leihgabe des Künstlers 5. Elke Silvia Krystufek Hescape, 2009 Courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien 7. Robert Mapplethorpe Thomas, 1987 Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, Paris/Salzburg Seite 38 8. Louise Bourgeois Arch of Hysteria, 1993 The Easton Foundation, New York © VBK, Wien 2012 9. David LaChapelle Celebrity Gleam, 2002 Galerie Thomas, München 10. Annie Leibovitz Keith Haring, New York City, 1986 Annie Leibovitz Studio, Inc., New York 12. Blue Noses Group Aus der Serie Vogue of Labour, Blatt 1, 2005 Courtesy Knoll Galerie, Wien 14. Franz Kapfer An Druck auf die Eier, 1999 Leihgabe des Künstlers © VBK, Wien 2012 11. Gil Shachar David, 2001 Museum der Moderne Salzburg, Foto: Hubert Auer 13. Eric Fischl Krefeld Project, Living Room Scene 1, 2002 Leihgabe des Künstlers 15. Alfred Hrdlicka Gladiator, 1965–99 LENTOS Kunstmuseum Linz Seite 39 16. Pierre et Gilles Apollon, 2005 Courtesy Galerie Jerôme de Noirmont, Paris © VBK, Wien 2012 17. Károly Ferenczy Badende Knaben (Sommer), 1902 Hungarian National Gallery, Budapest 20. Sylvia Sleigh Imperial Nude: Paul Rosano, 1975 Privatbesitz, Florida, USA 22. Lovis Corinth 18. Lucian Freud Leigh Bowery, 1991 Tate: Presented anonymously 1994 19. Maria Lassnig Insektenforscher I, 2003 Essl Museum, Klosterneuburg/Wien 21. Volker Hinz Pele und Franz Beckenbauer unter der Dusche, Fort Lauderdale, 1977 Teutloff Photo + Video Collection, Bielefeld 23. Giorgio de Chirico Die Reue des Orestes, 1969 Fondazione Giorgio e Isa de Chirico, Roma Seite 40