SiSy, HS2011, Rumc, 4A-1 Kapitel 4: Anhang Verzerrungen bei der Signalübertragung Inhaltsverzeichnis 4A.1. EINLEITUNG ............................................................................................................... 2 4A.2. LINEARE VERZERRUNGEN ....................................................................................... 3 4A.3. GRUPPENLAUFZEIT................................................................................................... 4 Literatur- bzw. Quellenverzeichnis [1] Prof. Dr. U. Gysel, „Signale der Nachrichtentechnik“, ZHW-Skript, 2003. SiSy, HS2011, Rumc, 4A-2 4A.1. Einleitung In Nachrichtensystemen werden Signale über Leitungen übertragen, in Filtern von Signalanteilen bei unerwünschten Frequenzen getrennt und in Verstärkern verstärkt, um nur einige wenige typische Operationen zu nennen. Dabei können die Signalformen entscheidend verändert werden. In der Regel möchte man die Signale aber unverzerrt oder formgetreu übertragen. In diesem Anhang betrachten wir die Verzerrungen, die bei der Übertragung von Signalen über lineare Systeme wie Filter, Leitungen, Mehrwegkanäle entstehen können. Lineare Systeme können im Zeitbereich mit der Stossantwort h(t) oder im Frequenzbereich mit dem Frequenzgang H(f) vollständig charakterisiert werden, siehe Abbildung 4A-1. Für lineare Systeme gilt das Superpositionsgesetz. h(t) H(f) Zeitbereich: x(t) Frequenzbereich: X(f) y(t) = x(t)*h(t) Y(f) = X(f)∙H(f) Abbildung 4A-1: Input-Output-Verhalten eines linearen Systems (* steht für Faltung). Wenn ein lineares System mit einem Sinus- oder Cosinus-Signal der Frequenz f0 angeregt wird, ist das Ausgangssignal auch wieder ein Sinus- oder Cosinus-Signal mit der gleichen Frequenz f0, wobei die Amplitude mit dem Betrag IH(f0)I multipliziert und die Phase um arg[H(f0)] verschoben wird. Die Phasenverschiebung entspricht einer zeitlichen Verzögerung. Neben den linearen Verzerrungen treten in Nachrichtensystemen auch nichtlineare Verzerrungen auf. Diese entstehen in Elementen mit nichtlinearen Kennlinien. Das Überlagerungsprinzip gilt hier nicht mehr. Das besondere Merkmal der nichtlinearen Verzerrungen sind neu auftretende Frequenzkomponenten, die im ursprünglichen Signal nicht vorhanden sind. Beispiel In Abbildung 4A-2 ist die Übertragung eines Sinus-Signals über ein nichtlineares System dargestellt, das nur das Vorzeichen weiter gibt (signum-Funktion). Als Ausgangssignal resultiert ein periodisches, symmetrisches Rechtecksignal, das neben der Grundfrequenz f0 neu auch Oberschwingungen bei allen ungeraden Vielfachen von f0, z.B. bei f = 3f0, enthält. y = sgn(x) x(t) = sin(2πf0t) y(t) 1 -1 Abbildung 4A-2: Bei der Übertragung über nichtlineare Systeme entstehen neue Frequenzen. t ■ Nichtlineare Kennlinien treten z.B. bei aktiven Schaltungen (z.B. Verstärkern) oder Induktivitäten und Transformatoren auf (infolge der nichtlinearen Magnetisierungskennlinie von ferromagnetischen Materialien). Teilweise werden sie aber auch bewusst eingesetzt wie z.B. bei Mischern, Modulatoren und Begrenzern. Zu den bekannten Phänomenen, welche auf Nichtlinearitäten zurückzuführen sind, gehört z.B. die Sättigung von Verstärkern. SiSy, HS2011, Rumc, 4A-3 4A.2. Lineare Verzerrungen Bei der verzerrungsfreien (formgetreuen) Signalübertragung über ein lineares System sind nur zwei Veränderungen erlaubt. Das Ausgangssignal darf mit dem Faktor k verstärkt oder abgeschwächt werden, und es darf gegenüber dem Eingangssignal zeitlich um t0 verzögert sein, d.h. y(t) = k·x(t-t0) , (4A.1) siehe auch Abbildung 4A-3. ! y(t) = x(t)*h(t) = k·x(t-t0) lineares System h(t) x(t) ○ ● ○ Fouriertransformation ● Zeitverschiebungseigenschaft ! Y(f) = X(f)·H(f) = k·e-j2πfto ·X(f) X(f) H(f) H(f) Abbildung 4A-3: Verzerrungsfreie Übertragung über ein lineares System. Mit der Zeitverschiebungseigenschaft der Fouriertransformation folgt aus Gleichung (4A.1), dass ein lineares System dann verzerrungsfrei ist, wenn es innerhalb dem zu übertragenden Frequenzbereich einen konstanten Amplitudengang und einen linearen Phasengang aufweist, d.h. verzerrungsfreies, lineares System: H(f) k e -j2π f t 0 (4A-2) siehe auch Abbildung 4A-4. H(f) k -fg fg f φ(f) f Abbildung 4A-4: Frequenzgang eines linearen, für IfI<fg verzerrungsfreien Systems. Erfüllt ein Übertragungssystem die Bedingungen für verzerrungsfreie Übertragung nicht, so heisst das noch nicht, dass das Signal unwiederbringlich verzerrt ist. Lineare Verzerrungen können zum Glück wieder korrigiert werden, z.B. durch Kaskadierung eines linearen Korrektur-Systems (z.B. eines Allpasses oder Laufzeitentzerrers). SiSy, HS2011, Rumc, 4A-4 4A.3. Gruppenlaufzeit Ein lineares System verschiebt bei der Übertragung einer einzelnen Harmonischen der Frequenz f0 die Phase um φ(f0)=arg[H(f0)]. Die Phasenverschiebung entspricht einer Zeitverschiebung um τp(f0), d.h. cos(2πf0·t) → IH(f0)I·cos(2πf0·t+φ(f0)) = IH(f0)I·cos(2πf0·[t-τp(f0)]) . Die Zeitverzögerung τp(f) nennt man Phasenlaufzeit. Sie ist definiert durch τ p (f) (f) 2π f . (4A.3) Die meisten Signale bestehen aber aus mehreren Harmonischen. In diesem Fall interessiert uns die Verzögerung der Enveloppe bzw. die Gruppenlaufzeit, die wie folgt definiert ist τ g (f) 1 d (f) . 2π df (4A.4) Nur für verzerrungsfreie Übertragungssysteme, in denen φ(f) proportional zu f ist, stimmen Phasenlaufzeit τp(f) und Gruppenlaufzeit τg(f) überein. Man nennt Systeme, bei denen die beiden Laufzeiten τp(f) und τg(f) nicht identisch sind, dispersiv. Dispersive Systeme verzögern die verschiedenen Frequenzanteile im Eingangssignal unterschiedlich lange. Beispiel In Abbildung 4A-5 ist die dispersive Übertragung eines amplitudenmodulierten Signals dargestellt. Die Enveloppe wird mit der Gruppenlaufzeit τg verzögert, während die Trägerschwingung nur mit der Phasenlaufzeit τp verzögert wird. τg τp Abbildung 4A-5: Dispersive Übertragung eines amplitudenmodulierten Signals. ■