Die Gedichtinterpretation (S. 1 / 8) Vorbemerkung: Die folgenden

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Die Gedichtinterpretation (S. 1 / 8)
Vorbemerkung:
Die folgenden Hinweise können nicht alle möglichen Erscheinungen bei Gedichten
berücksichtigen, und nicht alle Hinweise passen zu einem bestimmten Gedicht. Es ist
sinnvoll, sich diese Hinweise durch Üben einzuprägen und sie systematisch
anzuwenden, um in Gedichten Entdeckungen zu machen.
I.
Erster Zugang und Vorbereiten der Interpretation
1. Lies das Gedicht, auch einzelne Verse und Sätze, mehrmals aufmerksam, höre
dabei innerlich mit, bemühe dich beim Lesen durch Betonungen und Pausen den
Aufbau der Sätze, den Zusammenhang von Versen und den Sinn herauszuarbeiten.
2. Notiere auf Konzeptblatt 1 und /oder auf dem Textblatt selbst sofort
- alle Beobachtungen und Gedanken zur (vorläufigen) Interpretation, die dir beim
Lesen kommen
- die offensichtlichen Merkmale der Form: Metrum, Reim, ggf. Gedichtform,
Enjambements, Mittel der sprachlichen Gestaltung, Aufbau, Auffälligkeiten
- mögliche Schlüsselwörter, zentrale Metaphern, Symbole
- Begriffsnetze herstellen
3. Formuliere eine vorläufige Interpretationshypothese in ganzen Sätzen.
II.
Erschließen des Inhalts
1. Vorsicht: Prüfe, ob das, worüber das Gedicht auf den ersten Blick zu sprechen
scheint, tatsächlich das Thema ist, oder ob es sich um Metaphern oder Symbole
handelt, die auf das eigentliche Thema (sehr oft der Mensch und das menschliche
Leben) verweisen.
Beispiele: in C.F.Meyers „Zwei Segel“ geht es nicht um Segelboote, sondern die
Segel verweisen als Symbole auf eine harmonische menschliche Beziehung; Hesses
Gedicht „Im Nebel“ thematisiert nicht die Wettererscheinung, vielmehr sind Nebel,
Bäume usw. Bilder für das Erlebnis der Einsamkeit.
Auch in einem Naturgedicht werden in der Darstellung der Natur sehr oft Aspekte
des menschlichen Lebens widergespiegelt.
2. Kläre die Beziehung der Überschrift zum Inhalt.
3. Mögliche Themen: Menschliche Beziehungen (Liebe, Verhältnis von Mann und Frau,
Freundschaft, Missverstehen, Einsamkeit), wichtige menschliche Erfahrungen
(Geburt, Tod, Jugend, Alter), Tageszeiten, Jahreszeiten, Naturerscheinungen,
Städte, Krieg, historische Ereignisse, Politik, Gott, Sprache, Gegenstände und Tiere
(Vögel, Panther, Brunnen, Park)
4. Empfindungen: Freude, Glück, Trauer, Verzweiflung, Zorn, Hoffnung; ändern sich
die Empfindungen im Verlauf des Gedichts?
5. Angesprochene Sinne: Hörsinn, Sehsinn, Geruchssinn, Tastsinn
6. Perspektive des Sprechers: Nähe, Distanz; persönliche oder allgemeine
Perspektive. Wechselt die Perspektive, ist sie auf Rollen (z.B. Mann und Frau)
verteilt?
7. Welche Erfahrungen teilt der Sprecher mit?
8. Haltung des Sprechers: Anteilnahme, emotionale Beteiligung, Aufregung, Ruhe,
Abgeklärtheit, Distanz, Ironie, Spott. Ändert sich die Haltung?
9. Wertung des Sprechers: Zustimmung, Begeisterung, Ablehnung, Verurteilung,
Neutralität.
10. Ort und Zeit des Sprechens: Lässt sich feststellen, wo der Sprecher sich befindet
und zu welchem Zeitpunkt er spricht?
Die Gedichtinterpretation (S. 2 / 8)
III.
Die Aspekte des Themas (vgl. II.3.)
Wenn du den Inhalt erschlossen hast, legst du fest, welche zentralen Aspekte des
Themas das Gedicht berücksichtigt. Du suchst dabei nach geeigneten Oberbegriffen
und ordnest diesen Oberbegriffen weitere Begriffe und entsprechende Textstellen zu.
Es kommt dabei nicht auf die Vielzahl der Aspekte, sondern auf deren Wichtigkeit für
das Gedicht an. Je nach Gedicht kann es genügen, drei Aspekte zu berücksichtigen.
Diese wichtigen Aspekte müssen dann aber später ganz ausführlich dargestellt werden.
Dieser Arbeitsschritt ist entscheidend für die Qualität deiner Interpretation, denn du
orientierst den Aufbau an diesen Aspekten (>>> aspektorientierte Interpretation) und
stellst sicher, dass du das wirklich Wichtige des Gedichts erfasst.
Empfehlenswerte Darstellungsform: Mindmap
Hauptäste: Aspekte des Themas; dabei immer ein Hauptast: „Form“
Nebenzweige: untergeordnete Begriffe
Textstellen werden an geeigneter Stelle angeführt
An dieser Stelle sollte auch die Reihenfolge der die Aspekte in der Interpretation
festgelegt werden.
>>> Konzeptblatt 2
Alternative Anlage des Konzeptblatts:
Textaussagen
Aspekt 1: …
Aspekt 2: …
…
IV.
Textstelle
Gestaltungsmittel
Aufbau
Leitfrage: Wie sind die einzelnen Abschnitte und die einzelnen Elemente des Gedichts
aufeinander bezogen? Hat man das erkannt, kann man auch die Aspekte (III.) gut
aufeinander beziehen und hat so die allerbesten Voraussetzungen für eine gelingende
Interpretation. Wichtige Frage: Welche Wirkung hat die jeweilige Komposition?
Mögliche Kompositionen:
- Gegensatz (Leben-Tod; Liebe-Entfremdung; Nähe-Ferne; VergangenheitGegenwart; Wunsch-Wirklichkeit; (Suggestion von) echtem Gefühl-Ironie (Bruch
der Stimmung, ironische Brechung; Wärme - Kälte )
- Steigerung (Intensität der Empfindung, einer Anklage, einer Entwicklung,
Schlussfolgerung, Zuspitzung eines Gedankens; finale Struktur, z.B. beim Sonett)
- Reihung, Anhäufung gleichartiger Aussagen, Erscheinungen, Empfindungen
- Wiederholung des Gleichen (Motive, Bilder, Wortlaut der Verse, Gedanken)
- Wiederholung mit Abwandlungen (Variationen) des Gedankens, der Darstellung
des Sachverhalts
- Montage verschiedenartiger Elemente, möglicherweise ohne eindeutige
Übergänge und Verbindungen
- Ringkomposition: Anfang und Ende des Gedichts entsprechen sich
- Rahmenteil und Binnenteil (z.B. einleitende Verse zum Hauptteil des Gedichts
und ausleitende, evtl. kommentierende Verse zum Abschluss)
- Beschreibung einer Erscheinung und Kommentar/Erläuterung/Bewertung dazu
- Wiederkehrende Elemente: Refrain (Kehrreim)
- Auslassungen, z.B. kann eine wiederkehrende Zeile oder ein Refrain
überraschend ausgelassen werden
- Mögliche Gedankenführung oder Darstellung: eher logisch an der Sache
orientiert oder eher assoziierend oder sogar sprunghaft; auch das Suchen nach
Begriffsnetzen kann die Gedankenführung deutlich machen.
Die Gedichtinterpretation (S. 3 / 8)
V.
Erschließen der Wörter und Wortformen
Hinweis:
1. Schwer verständliche und unbekannte Wörter klären.
2. Mehrdeutige Wörter eindeutig klären.
3. Mit der Veränderung der Wortbedeutung innerhalb des Gedichts rechnen: „fallen“
bedeutet zunächst „hinfallen“, schließlich „im Krieg zu Tode kommen“ .
4. Sinntragende Wörter und Formulierungen suchen; Hilfe: in jedem Vers ist ein
besonders wichtiges Wort. Dieses Wort/ diese Formulierung eingehend erläutern!
5. Hinweise auf die besondere Wichtigkeit eines Wortes oder einer Formulierung sind
auch:
- Wiederholung des Wortes
- Stellung am Versanfang durch Inversion (d.h. Umkehrung der üblichen
Satzstellung, z.B. : „Aufsteigt der Strahl …“)
- Reimwörter
- Das Wort steht alleine im Vers; eine Strophe besteht nur aus einem Wort.
6. Adjektive und Adverbien sorgfältig registrieren und auswerten: Wie werden
Menschen, Sachen, Vorgänge beschrieben?
7. Werden Vorgänge im Aktiv oder Passiv dargestellt? Welche Wirkung hat das?
8. Welche Wortart überwiegt auffällig? Welche fehlt ganz (z.B. ein Gedicht ohne
Verben)? Welche Wirkung entsteht?
9. Auffällige Wortformen: Partizip I (fließend) und Partizip II ohne Personenform
(geflossen): Welche Wirkung erzeugen sie?
10. Wortformen oder Modalverben geben den Realitätsstatus der Aussagen aus der
Sicht des Sprechers an. Hält er das, was er sagt für wirklich, für unerfüllbar,
formuliert er einen Wunsch?:
Konjunktiv, insbesondere Konjunktiv II als Irrealis der Gegenwart und der
Vergangenheit („Ich wollte, es käme ein Südenwind…“);
Modalverb: „ein Wind soll kommen …“
11. Besondere Wörter: Fremdwörter, altertümliche Wörter (bezogen auf die
Entstehungszeit des Gedichts), neu gebildete Wörter (Neologismen), seltene
Wörter: Welche Wirkung entsteht? Was wird damit signalisiert?
VI.
Sprachliche Gestaltung, rhetorische Figuren/Stilmittel
Wichtig:
Die Leitfrage lautet: Inwiefern wird durch die sprachliche Gestaltung das, was auf der
Inhaltsebene mitgeteilt wird, gestützt und hervorgehoben?
Jede Feststellung eines bestimmten Gestaltungsmittels muss interpretierend auf den
Inhalt bezogen werden (inhaltsbezogene/funktionale Formanalyse). Dabei genügt es
nicht, zu erklären, die Aussage werde durch das Gestaltungsmittel „betont“.
Erforderlich ist vielmehr eine differenzierte Beschreibung der Wirkung.
Erforderlich ist auch dass man die Textstelle auf geeignete Weise zitiert, um einen
eindeutigen Textbeleg zu bieten.
Bestimmten Gestaltungsmitteln kann man mit einer gewissen Verallgemeinerung
bestimmte Wirkungen zuordnen, stets aber ist der Einzelfall zu prüfen.
Beispiele: Ein Asyndeton kann den Rhythmus beschleunigen, die Aussage gedrängter,
dramatischer machen, ein Polysyndeton dagegen hebt eher das einzelne Glied der
Aufzählung hervor. Ein Chiasmus verbindet zwei oft gegensätzliche Gedanken
besonders eng und lässt dadurch die Gegensätzlichkeit besonders deutlich werden.
Das bloße Nennen und Aufzählen von Gestaltungsmitteln ist wertlos.
Diese Analyse darf daher nicht getrennt von der Interpretation des Inhalts durchgeführt
werden.
Es ist nicht sinnvoll und erforderlich, alle Gestaltungsmittel zu berücksichtigen. Man
muss sich auf die wichtigen Gestaltungsmitte an den wichtigen Textstellen
Die Gedichtinterpretation (S. 4 / 8)
beschränken, diese aber im Hinblick auf ihre Funktion eingehend erklären.
Wichtig ist es diese Gestaltungsmittel z.B. durch Zitat und Versangabe deutlich zu
kennzeichnen.
Stets muss man zuerst von der Interpretation des Inhalts ausgehen und anschließend
erläutern, in welchem Zusammenhang die sprachliche Gestaltung damit zu sehen ist.
Niemals umgekehrt!
Zur Formulierung: Schreibe nicht: „Der Parallelismus verstärkt die Gleichezitigkeit der
Vorgänge.“ Sondern schreibe: „Der Parallelismus bringt die Gleichzeitigkeit der
Vorgänge verstärkt zum Ausdruck / Der P. verdeutlicht die Gleichzeitigkeit der
Vorgänge.“
Empfehlenswert ist es, folgende Tabelle anzulegen und dort einige Gestaltungsmittel
der inhaltlich wichtigsten Textstellen zu berücksichtigen:
Text ( abgekürztes Zitat + Versangabe) / Gestaltungsmittel / Funktion, Wirkung.
>>> Konzeptblatt 3
So stellt man sicher, dass man bei den wichtigsten Teststellen auch die Form
berücksichtigt.
Häufige sprachliche Gestaltungsmittel, die man kennen und im Gedicht erkennen muss:
1. Ebene der Wort- und Satzbedeutung:
Am wichtigsten sind Vergleiche, Metaphern, Personifikationen (die P. ist ein Unterfall
der Metapher), Symbole, Chiffren. Hier ist eine ausführliche Erläuterung erforderlich.
Bei der Metapher ist zu überlegen, welcher eigentliche Ausdruck durch die Metapher
ersetzt wird und welchen neuen Aspekt der gemeinte Sachverhalt, die gemeinte Sache
durch die Metapher gewinnt. Oft verbinden sich bildhafte Ausdrücke zu einem Gefüge
oder Bildkomplex, der das Gedicht dominieren kann: Baum/Blatt/Knospe/Grün; Feuer,
Glut, Flamme, Rauch; Schnee, Eis, Kälte. Solche Bildbereiche können auch parallel
zueinander oder kontrastierend gegeneinander gesetzt sein.
Ferner:
Klimax, Antithese, Paradoxon, Ironie, rhetorische Frage.
2. Ebene der Wortstellung und des Satzbaus:
Parallelismus, Chiasmus, Inversion; Asyndeton, Polysyndeton; Ellipse; Parataxe,
Hypotaxe; Enjambement (Verhältnis von Vers und Satzbau)
Oft findet sich eine Kombination verschiedener Gestaltungsmittel in derselben
Textstelle, z.B. Anapher, Parallelismus, Asyndeton.
3. Ebene der Klanglichen Wirkung:
Assonanz, Alliteration, Anapher, Lautmalerei (Onomatopöie); helle oder dunkle
Vokale/Doppellaute; Stimmungswert der Laute; entscheidend sind dabei vor allem die
Laute in betonten Silben und in sinntragenden Wörtern.
Entscheidend ist der klangliche Gesamteindruck, so kann z.B. eine Alliteration auch
dann festgestellt werden, wenn die Wörter nicht unmittelbar aufeinander folgen.
Andererseits ist es nicht sinnvoll, auch jedem Vokal eine interpretatorische
Schlussfolgerung ziehen zu wollen.
4. Ebene der Satzarten:
Aussagesatz, Ausrufesatz, Fragesatz; rhetorische Frage
5. Stilebenen:
Bildungssprache, Standardsprache, Alltagssprache, Umgangssprache, derbe Sprache.
Kombinationen sind möglich. Welche Wirkung entsteht?
Die Gedichtinterpretation (S. 5 / 8)
6. Stil:
Auch hier ist stets zu fragen, wie Stil und Inhalt zusammenwirken.
sachlich, nüchtern, ruhig; Verzicht auf Bilder, reiche Bildersprache; emotional,
begeistert, pathetisch/feierlich; polemisch, suggestiv; nach rhetorischen Mustern.
VII.
Formelemente des Gedichts
Die Form des Gedichts ist ein nicht abtrennbarer Teil seiner Aussage. Die Deutung des
Inhalts und der Form ergänzen sich zu einer vollständigen Interpretation. Zwar kann
man die wichtigsten Formmerkmale eines Gedichts z.B. vor der Interpretation knapp
beschreibend benennen (Strophen- und Verszahl, Metrum, Reimschema). Im Verlauf
der Interpretation und mit ihr verbunden muss dann aber nach der Funktion und
Wirkung dieser Formmerkmale gefragt werden, (vgl. VI. Sprachliche Gestaltung).
Grundsätzlich gilt: Alles, was von der regelmäßigen Form abweicht, verdient besondere
Aufmerksamkeit und eingehende Interpretation.
Beispiele, worauf man sein Augenmerk richten kann:
- Inwiefern entspricht die Gliederung in Strophen dem Aufbau der
Gedankenführung?
- Stellen verkürzte Strophen (z.B. einzeilig) Schwerpunkte oder Wendepunkte
heraus?
- Was wird durch ein Abweichen vom regelmäßigen Metrum hervorgehoben?
- Was wird durch ein unregelmäßig durchgestaltetes Metrum vermittelt?
- Manchen Metren wird eine bestimmter Charakter, eine bestimmte Wirkung
zugeschrieben – aber auch hier ist der Einzelfall genau zu prüfen, auch in Bezug
auf den Inhalt: Der Trochäus vermittelt Ernst, Schwere, Trauer, Herzschlag; der
Daktylus wirkt eher bewegt, dynamisch, tänzerisch. Aber auch hier: Sinnvoll
sind solche Feststellungen nur, wenn sie sich mit der inhaltlichen Interpretation
verbinden!
- Was bedeutet die Verkürzung oder Verlängerung eines Verses?
- Inwiefern lässt sich das Reimschema sowie eine Änderung oder Durchbrechung
des Reimschemas auf den Inhalt beziehen?
- Welche Bedeutung haben Waisen, unreine Reime, Binnenreime für die Aussage?
- Warum wird für eine bestimmte Aussageabsicht eine bestimmte Gedichtform
gewählt? – Z.B.: Sonett, Volksliedstrophe, Hymne, freie Rhythmen.
- Wie passt das Enjambement zum Inhalt? – Oft unterstützt es die Darstellung
einer inneren oder äußeren Bewegung, der Dynamik eines Vorgangs, der
Unaufhaltsamkeit, der Kontinuität.
VIII. Gesichtspunkte, die über den Text selbst hinausgehen:
Ob man hierzu etwas schreiben kann, hängt vom Gedicht und den eigenen
Vorkenntnissen ab, man sollte also nur etwas schreiben, wenn man sichere
Anhaltspunkte im Text findet und über sicheres Wissen verfügt. Oft wird einem ein
Gedicht vorgelegt, dessen Autor man nicht kennt und bei dem eine eindeutige
Epochenzuordnung nicht ohne Weiteres möglich ist. Auch geschichtliche oder
sozialgeschichtliche Bezüge lassen oft nur mit umfassenderen Kenntnissen herstellen.
- Einordnen des Gedicht in den Zusammenhang des Lebens, des Werks, einer
Schaffensperiode des Dichters. Dieser Zusammenhang darf nicht nur behauptet
werden, er muss außertextlich und mit dem Text belegt werden.
- Epochenspezifische Merkmale: inhaltlich, sprachlich, formal. Lebensgefühl,
Weltbild einer Epoche. Hier ist der Nachweis im Text unbedingt erforderlich!
- Bezüge zu geschichtlichen, politischen Ereignissen.
Diese Aspekte können je nach Gedicht als eigenständige Apekte behandelt oder in die
anderen Aspekte integriert werden.
Die Gedichtinterpretation (S. 6 / 8)
IX.
Wichtige Grundregeln:
1. Die Interpretation ist immer aspektorientiert. Diese gewährleistet auch eine
Konzentration auf das Wesentliche. Eine vollständige Interpretation aller möglichen
Dinge ist nicht zu leisten und nicht sinnvoll. Man muss die Fähigkeit zeigen,
Schwerpunkte zu setzen.
2. Inhalt und Form müssen immer gemeinsam interpretiert werden. Die
Forminterpretation darf nicht isoliert angehängt und nachgereicht werden.
3. Die Interpretation des Inhalts kommt vor der Interpretation der Form. Leitfrage:
Inwiefern stützt die formale Gestaltung den vor mir interpretierten Inhalt?
4. Alle Aussagen über Form und Inhalt müssen belegt werden.
5. Ganz konkrete Übertragungen in irgendwelche Lebensbereiche vermeiden („Mit
dem Winter ist ein alter Mensch gemeint, der…“); ebenso keine praktischen
Nutzanwendungen oder Lehren / Moral für das alltägliche Leben ableiten (“Das
Gedicht über den Brunnen macht darauf aufmerksam, dass wir sorgfältiger mit dem
Wasser umgehen sollten.“). Meist läuft man damit in die Irre, weil einen die eigenen
Gedanken vom Text ablenken und man den Text nicht mehr beachtet. Man darf
dem Autor keine Gedanken und Kenntnisse zuschreiben, die er zu seiner Lebenszeit
nicht haben konnte („Mit dem Substantiv ‚rennebahn’ kritisiert Gryphius, dass
heutzutage viel zu schnell gefahren wird.“)
6. Die vielen Einzelwahrnehmungen, zu denen diese Anleitung führen soll, müssen am
Ende zu einer stimmigen Interpretation verbunden werden. Hierbei hilft es, sich
immer wieder an der Interpretationshypothese zu orientieren – oder diese
gegebenenfalls zu modifizieren.
Wenn die Interpretation eines Teils nicht zum plausibel erschlossenen Gesamtsinn
des Gedichts passt, dann ist möglicherweise diese Einzelinterpretation falsch. Aber
natürlich kann die Abweichung umgekehrt auch ein Hinweis darauf sein, dass das
ursprüngliche Verständnis des Gedichts unzutreffend war.
Hilfreich kann in diesen Situationen sein, das Gedicht nochmals neu zu lesen,
Begriffsnetze herzustellen, die Oberbegriffe der Aspekte zu prüfen, das Verständnis
der Metaphern zu prüfen. Man sollte auch prüfen, ob man immer am Text
geblieben ist, oder ob man sich von eigenen Gedanken hat forttragen lassen, die
keinen sicheren Textbezug mehr haben.
X.
Die Gliederung (vgl. auch XI. Gedichtvergleich)
1. Einleitung
- Autor, Titel, Entstehungsjahr, Gedichtform (soweit sie eindeutig erkennbar ist,
z.B. Sonett, Hymne, Ballade); falls erkennbar die Epoche oder das Gesamtwerk
(z.B. Zyklus), zu dem das Gedicht gehört.
- Angabe des Themas und Formulierung einer Interpretationshypothese (Diese
sollte man auf dem Konzeptblatt ausformulieren. Die Interpretation orientiert
sich an dieser Hypothese, sie stellt das Ziel der interpretatorischen Arbeit dar.
Wenn sich allerdings bei der Interpretation neue Einsichten ergeben, muss auch
die Interpretationshypothese überarbeitet werden. Man sollte daher die
Interpretationshypothese erst ganz zum Schluss in die Reinschrift einfügen.)
Überleitung zum Hauptteil:
Man benennt die Aspekte, unter denen man das Gedicht untersucht und interpretiert.
2. Hauptteil
Der Hauptteil folgt den unter III. genannten Aspekten. Dabei ist eine sinnvolle
Reihenfolge der Aspekte anzustreben.
Die Gedichtinterpretation (S. 7 / 8)
Zu jedem Aspekt muss eine These formuliert werden (z.B.: „Wenn man das Verhältnis
des Sprechers zur Du betrachtet (= Aspekt), erkennt man, dass es von einer
Entfremdung geprägt ist“ (= These)). Es folgen Begründung, Erläuterung, Textbeleg,
formale Merkmale, die den inhaltlichen Befund stützen.
Die einzelnen Aspekte sind durch Überleitungen zu verbinden.
Zu vermeiden sind lineare Interpretationen:
Sie verhindern klare Schwerpunktsetzungen und können Zusammenhänge verdecken.
Sie verleiten zu zeilenweiser Paraphrase oder Kommentierung.
Überleitung zum Schluss
3. Schluss
Der Schluss stellt einen Bezug zur Interpretationshypothese her, indem er mit ganz
knapper Zusammenfassung zeigt, dass die gefundenen Ergebnisse die Hypothese
bestätigen.
Neue Aspekte sind nicht mehr möglich.
Möglich ist eine kurze, aber immer begründete Stellungnahme zur erschlossenen
Aussage, zur Wirkung auf einen selbst, zur Bedeutung für einen selbst, zur spezifischen
literarischen Qualität.
XI.
Der Gedichtvergleich
Grundsätzlich gelten die Hinweise I.-X.
Gedichten, die man vergleichen kann, muss ein gemeinsamen Thema/Motiv zugrunde
liegen, das jeweils unterschiedlich gestaltet wird. Entscheidend ist, dass man zentrale
Aspekte findet, anhand derer man den Vergleich durchführt. Wenn aber ein
wesentlicher Aspekt des einen Gedichts beim anderen Gedicht keine Entsprechung hat,
so berücksichtigt man diesen bei einen und weist darauf hin, dass er beim anderen
nicht ausgeprägt ist. Solche Asymmetrien geben aber zugleich Hinweise auf die
Schwerpunkte, die die einzelnen Gedichte haben.
Man sollte immer prüfen, ob die Aufgabenstellung Gesichtspunkte eines Vergleichs
vorgibt. Diese sind dann vorrangig zu berücksichtigen.
Wichtig: Gemeinsamkeiten und Unterschiede müssen ausdrücklich benannt und erklärt
werden.
Gesichtspunkte eines Vergleichs ergeben sich aus II.-VII.
Man erstellt dabei zwei Mindmaps gemäß III.
Die Gliederung:
1. Einleitung
Die Einleitung entspricht X., berücksichtigt dabei aber beide Gedichte.
Überleitung zum Hauptteil:
Sie nennt die Hauptaspekte des Vergleichs und rechtfertigt so den Vergleich.
2. Hauptteil
Es gibt zwei sinnvolle Möglichkeiten. Gleich, welche man wählt, der Aufbau ist immer
aspektorientiert.
Die Gedichtinterpretation (S. 8 / 8)
Variante 1 (bevorzugte Varainte):
Bei jedem Aspekt werden die Gedichte unmittelbar miteinander verglichen. Auch die
Formanalyse und evtl. der Epochenbezug werden eingearbeitet.
Dies setzt einen guten Überblick und eine konsequente Strukturierung voraus.
Variante 2:
Gedicht 1 wird aspektorientert vollständig interpretiert. Nach einer Überleitung schließt
sich die Interpretation von Gedicht 2 an. Die Aspekte sind weitgehend die gleichen, die
Reihenfolge kann, falls es sinnvoll erscheint, auch abweichen. Aspekte ohne
Entsprechungen in Gedicht 1 werden gleichfalls erarbeitet. Bei jedem Aspekt wird dabei
der Vergleich zu Gedicht 1 hergestellt.
Zu beachten ist, dass auch bei Gedicht 2 das Wichtige vollständig berücksichtigt wird.
Die dritte Variante, nämlich Gedicht 1, dann Gedicht 2 und erst dann der Vergleich, ist
zeitlich sehr aufwendig und führt zu Wiederholungen. Sie ist nicht zu empfehlen.
Keinesfalls darf man bei einem linearen Aufbau beim Vergleich von Details kleinschrittig
zwischen den Gedichten hin und her springen.
Überleitung zum Schluss
3. Schluss:
Der Schluss entspricht X., berücksichtigt dabei aber beide Gedichte.
Schematische Darstellungen:
Variante 1:
Aspekt 1
Aspekt 2
Aspekt 3
Gedicht 1
Gedicht 2, dabei ausdrücklicher Vergleich!
Gedicht 1
Gedicht 2, dabei ausdrücklicher Vergleich!
Gedicht 1
Gedicht 2, dabei ausdrücklicher Vergleich!
Variante 2:
Gedicht 1
Aspekt 1
Aspekt 2
Überleitung
Gedicht 2
Aspekt 1, mit ausdrücklichem Vergleich zu Gedicht 1, Aspekt 1
Aspekt 2, mit ausdrücklichem Vergleich zu Gedicht 1, Aspekt 2
…
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