Formantrag 0.0 Kurzfassung der Vorhabenbeschreibung In einem interdisziplinären Dialog mit Doktoranden und Post-Docs aus den Bereichen Ethik, Philosophie, Sozial- und Kulturwissenschaften, Medizin und Biowissenschaften sollen Konzepte zum besseren Verständnis der ethischen Implikationen von next generation human genomics und genetischer Medizin entwickelt werden. Dabei werden neben der Genomik auch andere OmicsTechnologien berücksichtigt (z.B. Epigenomics, Proteomics). Im Vordergrund steht die reflektierte und verantwortliche Handlungsfähigkeit der in genetischer Hinsicht „transparent“ werdenden Menschen. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Handlungsfähigkeit und der „Sichtbarkeit“/“Unsichtbarkeit“ genetischer Eigenschaften von Menschen? An welche Voraussetzungen ist Handlungsfähigkeit gebunden? Im Fokus sind die beiden Praxisfelder Prävention und Fortpflanzung, die von neuen Sequenzierungstechniken, Testmöglichkeiten und vom allgemeinen Erkenntnisgewinn der Genomik besonders betroffen sind. Die leitende Arbeitshypothese des Projektes besteht in der Annahme, dass der mögliche personalisierte Erkenntnisgewinn im Bereich der Omics-Technologien einen nachhaltigen Einfluss auf unser Verständnis von „Subjektivität“ hat. Die neuartigen biomedizinischen Perspektiven auf den menschlichen Körper führen zu einer Veränderung der Weise, wie Menschen sich selbst sehen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellt sich die Frage nach Strategien für einen ethisch gehaltvollen Umgang mit der Situation auf intersubjektiver und gesellschaftlicher Ebene. 0.1 Summary In an interdisciplinary dialogue with doctoral candidates and graduates in philosophy, social and cultural sciences, medicine and bio science, ideas shall be discussed and developed how to grasp and understand the ethical implications of next generation human genomics and genetic medicine. In addition to genomics, other omics-technologies (such as epigenomics, proteomics) will also be taken into account. We will mainly focus on issues of deliberate and responsible agency of genetically “transparent” people. What lines can be drawn between agency and the ‘visibility’ or ‘invisibility’ of people’s genetic attributes? On what premises can we meaningfully speak of agency? In particular, we will be looking into two practices: prevention and reproduction. In these fields, new testing and sequencing techniques and genomics’ discoveries in general have have a particularly profound impact. The project’s working hypothesis is to assume that personalized knowledge that can be produced in the field of omics-technologies will have a lasting effect on our understanding of ‘subjectivity’. The way humans perceive themselves is transformed by new biomedical perspectives on the body. In light of this development, there is a need for ethically reasonable ways to handle und systematische emerging practical issues on a personal, intersubjective as well as a societal level. 1.0 Forschungsziele Die Forschungsziele des hier beschriebenen Projektes bestehen (I) in der Sensibilisierung für die ethischen Implikationen der technischen Entwicklung genetischer Sequenzierungstechnologien und ihre sozialen Auswirkungen. Dazu (II) werden wir geistes- bzw. gesellschaftswissenschaftliche Kompetenzen mit Wissensbeständen aus den Humanwissenschaften vernetzen, um (III) eine kritische und problemsensitive Beschreibung des Phänomens genetischer Transparenz und seiner ethischen Folgen zu erarbeiten. Dabei (IV) soll ermittelt werden, inwiefern die exemplarisch an dem Phänomen genetischer Transparenz erarbeiteten Ergebnisse repräsentativ für Problemlagen in Verbindung mit anderen OmicsTechnologien sind. Schließlich (V) werden die Ergebnisse durch eine Buchpublikation und gezielte Öffentlichkeitsarbeit über den Rahmen der Klausurwoche hinaus an die scientific community und eine interessierte Öffentlichkeit kommuniziert. 2.0 Forschungsgegenstand 2.1. Theoretische Grundlagen des Projektes 2.1.1. Medizinischer und biowissenschaftlicher Hintergrund Technische Entwicklungen haben es möglich gemacht, zu relativ geringen Kosten und in kurzer Zeit das gesamte Genom eines Menschen zu erfassen. Vor allem der Übergang von den älteren, auf der Sanger-Methode beruhenden Sequenzierautomaten zu neuen Technologien („next generation sequencing“), der seit 2008 erfolgte, hat Zeitaufwand und Kosten sprunghaft gesenkt.1 Damit entsteht eine neue Situation: Die Erfassung ihrer ganzen Sequenz wird für viele Privatpersonen erschwinglich; es wird zweckmäßiger (u. U. sogar billiger) von Patienten gleich das ganze Genom zu sequenzieren, als komplizierte Reihen einzelner Mutationen zu testen. Erkrankungen mit einer genetischen Ursache wurden bis vor kurzem in monogen und komplex unterschieden, dabei spielte bei monogenen Erkrankungen definitionsgemäß jeweils nur ein Krankheitsgen eine Rolle; komplexe Erkrankungen entstehen hingegen durch das Zusammenspiel mehrerer Krankheitsgene mit Umwelteinflüssen. Diese Unterscheidung erodiert gegenwärtig, da neueste Erkenntnisse aus den ersten Komplettsequenzierungen menschlicher Genome eine unerwartet große Anzahl von potentiell krankheitsrelevanten Genvarianten (Mutationen) bei bislang gesunden Personen nachweisen. Die Krankheitsrelevanz einer Mutation scheint deshalb nicht nur von der durch sie verursachten Veränderung auf z.B. Proteinebene abhängig zu sein, sondern insbesondere auch vom genetischen Hintergrund. Jeder Mensch trägt eine bislang ungeahnt große Anzahl solcher potentiell krankheitsrelevanter Varianten in sich, die aber nicht unbedingt zur Krankheit führen (Ashley, 2010). Die Genetik entwickelte sich im 20. Jahrhundert innerhalb eines Erwartungshorizonts, der weit über wissenschaftliche Ziele hinaus, auch in metaphysische und religiöse Dimensionen reichte. Das Genom wurde als der „Bauplan des Menschen“ angesehen (Kay 2000; Nelkin/Lindee 1995). Mit der genetischen Entwicklungsbiologie und der Genomik ist der Genombegriff innerhalb der 1 Im März 2011 kostete die gesamte Sequenz eines Individuums ca. 20'000 US-Dollar, während es im Sommer 2001 noch 100 Mio. Dollar waren. US-National Human Genome Research Institute: www.genome.gov/sequencingconsts (7. 8. 2011). Inzwischen sind die Kosten für eine komplette Genomsequenzierung unter 1000 Dollar gefallen. Wissenschaft weitgehend entmystifiziert und das „genetische Programm“ ist durch kontextsensitivere, systemische Modelle ersetzt worden. Diese Transformation in der Deutung der Genetik hat Auswirkungen auf die gesellschaftliche Bedeutung der Information, die aus persönlichen Genomsequenzen verfügbar werden. Es ist keine Information über das „Wesen“ des Individuums (Rehmann-Sutter 2008). Aber dennoch kann es sich um prognostisch und diagnostisch relevante, ethisch hoch sensible Informationen handeln (Rehmann-Sutter/Müller 2009). Lupski, Gibbs et al. (2010) haben an einer Familie mit Charcot-Marie-Tooth Neuropathie zeigen können, wie die Sequenzierung des ganzen Genoms aller Familienangehörigen sowohl Diagnostik als auch Therapie bei manchen Krankheiten erheblich verbessern kann. Die erste Person in Großbritannien, deren ganzes Genom sequenziert wurde, ist ein Mädchen (die 4jährige Katie Warner aus Oxford), das an einer unklaren Schädelabnormalität leidet. Die Ursachen konnten durch die Sequenzierung aufgeklärt werden (Stone 2011). Die Komplettsequenzierung hat gegenüber der günstigeren Exomsequenzierung den Vorzug, dass (i) auch Mutationen gefunden werden können, die außerhalb der bekannten codierenden Sequenzabschnitte liegen, und (ii) auch dass Kopienzahlvarianten entdeckt werden können. Wie die Beispiele zeigen, kann die Forschung in der Genomik eng mit dem Beratungs- und Therapiekontext verknüpft sein. Studienteilnehmende sind dann gleichzeitig selbst Ratsuchende und/oder Patienten. 2.1.2. Ethischer und gesellschaftswissenschaftlicher Hintergrund Wegen ihrer persönlichen Verbundenheit mit einem Patienten ist es für Familienmitglieder in solchen Studien keine einfach „freiwillige“ Wahl, einer Studienteilnahme zuzustimmen, sie abzulehnen oder abzubrechen. Entsprechend stellen sich forschungsethische Fragen besonderer Art (Rehmann-Sutter in press): Die Genotypisierung der Patienten führt auch dazu, dass Familienmitglieder ab diesem Zeitpunkt in ihrem Leben die Möglichkeit haben, auf ihre Sequenz zuzugreifen. Es ist möglich, genetische Tests fortan in silico durchzuführen, was einfacher ist. Sequenzierungsdaten sind anders zugänglich als die DNA selbst es ist. Daten können jederzeit in Wissen verwandelt werden. Die an einem Individuum vorgenommene Sequenzierung hat auch Konsequenzen für das Selbstverständnis anderer Individuen. Daten gehören in die Welt der Bedeutungen und der sozialen Kommunikation. Mit der Möglichkeit, sich als Inhaber, Quelle oder Träger dieser Daten zu verstehen und zu beschreiben, ändert sich deshalb die Art und Weise, in der wir unsere individuelle und soziale Identität auslegen und „Subjektivität“ verstehen. In den Daten steckt mehr mögliches Wissen als das Wissen, das die Studienteilnehmenden und die Forscher aktuell erlangen wollten. Die Sequenzdaten enthalten ein (immenses) „Zuviel“ an Informationsmöglichkeiten. Dieses Problem ist verwandt mit dem ethischen Problem der Zufallsbefunde in der medizinischen Diagnostik, hat aber eine eigene Dynamik, weil diese Befunde auch irgendwann in der Zukunft erst auftreten können. Wie gehen die Menschen mit diesem informationellen Zuviel und dessen Temporalität um? Man weiß nicht, was in einigen Jahren (wenn etwa die Kinder, die an Studien teilgenommen haben, selbst erwachsen sind und Kinder haben möchten) mit der Sequenz anzufangen ist. Der Informed Consent zur Sequenzierung ist deshalb eine Zustimmung, die für Zustimmende wie für Ablehnende viele Unbekannte enthält. Das Können verbindet sich mit gesellschaftlichen Dynamiken und schafft Zwänge, aber auch neue Gestaltungsspielräume und Reaktionsmöglichkeiten. Komplexe Fragen stellen sich, warum, ob und wie weit man genetische Transparenz überhaupt herstellen soll. Für wen ist das gut? Wo liegen die medizinischen und die ethischen Risiken? "Gesund" und "krank" sind Ausdrücke einer bestimmten körperlichen und leiblichen Selbstwahrnehmung und stehen zugleich in einem spannungsvollen Verhältnis zu den Einschätzungen, die von Medizinern, Biologen oder anderen beobachtenden Akteuren vorgenommen werden. Einschätzungen aus der third-person-perspective können der Selbstwahrnehmung des Patienten als "gesund" bzw. "krank" entsprechen, ihr aber auch widersprechen. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn einem beschwerdefreien Patienten in einer Präventivuntersuchung die Suszeptibilität für eine Krankheit diagnostiziert wird, wie das in zunehmenden Maß möglich wird (z.B. Loveday et al. 2011). Durch die Genotypisierung werden neue soziale Wahrnehmungen gebildet. Wir haben es hier vermutlich mit einer neuartigen Form des Wissens zu tun. Die Folgen der genetischen Transparenz betreffen die Sorge um sich selbst und die Sorge für andere. Individualisierte genetische Information ist in Form einer reflektierten Sorge in zwei Handlungsbereichen besonders einflussreich: In der Prävention und im Bereich der Fortpflanzung. Diese beiden Handlungsfelder sollen im Hinblick auf die ethischen Herausforderungen, die sich stellen, analysiert und ausgeleuchtet werden. Speziell sollen die Fragen geklärt werden, welche Handlungsspielräume offen stehen, worin die reflektierte und verantwortliche Handlungsfähigkeit in diesen Räumen jeweils besteht und wovon sie abhängig ist. „Genetische Transparenz“ ist eine Metapher. Mit Aristoteles kann man sagen, eine Metapher überträgt etwas Fremdes und deckt gleichzeitig etwas Vertrautes auf. Diese Metapher könnte sich eignen, die ethischen Fragen in einer neuen Weise zu bündeln. Aus dem Diskurs der Wahrnehmung gelangen so Fragen in den Diskurs der Biomedizin und erlauben es, die hinter den moralischen und regulatorischen Fragestellungen liegenden Dimensionen auszuloten. Welche Aspekte werden transparent, welche nicht? Wie viel und welches Wissen ist für die Betroffenen selbst, aber auch für die Familien und für die Gesellschaft gut (gut im aristotelischen Sinne verstanden im Hinblick auf ein gelingendes, „gutes Leben“)? An welchem Verständnis von „Wohl“ (der Kinder und Erwachsenen) orientieren wir unseren Umgang mit genetischer Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit? Was bedeutet Transparenz im Vergleich zum Nichtwissen? Welche gesellschaftlichen Organisationsformen (Recht, Institutionen, Wirtschaft, Gesundheitswesen) tragen den Bedürfnissen der Menschen nach Gesundheit, Wissen, aber auch nach Schutz, Intimität und Privatheit Rechnung? „Transparent“ ist ein Sachverhalt, wenn er in seinen Voraussetzungen, seiner gegenwärtigen Bedeutung und seinen möglichen Auswirkungen erschlossen und beschreibbar ist. „Transparenz“ ist aber gleichzeitig auch ein politischer Begriff, der Offenheit und Fairness von Entscheidungen bedeutet. Eine „transparente“ Entscheidung wird eher als problemlos wahrgenommen. Dennoch sind wir bestrebt, bestimmte Bereiche unseres Lebens vor einer vollständigen Durchleuchtung zu schützen (Han 2012). Eine neue ethische Dimension erhält die Metapher der Transparenz im Bereich der Genetik, wenn dasjenige, was transparent wird, Aspekte der eigenen oder einer anderen Person und deren Körperlichkeit umfasst. „Genetische Transparenz“ bezeichnet demzufolge ein naturwissenschaftliches Wissen, das praktisch operationalisierbar ist und zugleich eine ethische Dimension besitzt, weil es sich auf Menschen und deren Körper bezieht. Die in Folge dieser Systematisierung wichtigen Fragen betreffen erstens den Gegenstand, auf den dieses Wissen zielt und die Veränderungen, die dieser dadurch erfährt, zweitens diejenigen, die von diesem Wissen betroffen sind und drittens den gesellschaftlichen Umgang mit diesem Wissen. 2.2 Diskussionsperspektiven: 1) Ein genetisches Risiko ist etwas Neues. Gleichzeitig rekurriert es auf Gegebenheiten des Körpers (genetische Mutationen), die nicht konstruiert, sondern entdeckt werden. Die Epistemologie der Genomik ist komplex und muss aufgeklärt werden, wenn es darum geht, gute Regulierungen für den individuellen und gesellschaftlichen Umgang mit den Möglichkeiten der Genomik zu finden. 2) Perspektiven auf sozio-technische Systeme (aus den Science and Technology Studies STS) sollen einbezogen werden, weil sie es ermöglichen, Technologien aus ihren Verwendungskontexten heraus zu beschreiben. Eine zentrale These des Ansatzes der STS besteht in der Annahme, dass die Entstehung, Form und Geltung wissenschaftlichen Wissens nur unter Berücksichtigung der sozialen und technologischen Kontexte verstanden werden kann. Insbesondere die Erstellung genetischer Sequenzen und genetischer Tests ist sowohl wissenschaftsgeschichtlich als auch in der wissenschaftlichen Alltagspraxis auf komplexe soziale Koordination innerhalb und außerhalb der scientific community angewiesen. Die sozialen Praxen, die für die Wissenserzeugung relevant sind, involvieren auch die Akteursgruppen der PatientInnen. Daraus ergibt sich die Frage nach der Handlungsfähigkeit: Wodurch wird die Handlungsfähigkeit der Individuen und der Gesellschaft behindert und wodurch wird sie gefördert? 3) Im Bezug auf die Krankheiten kommt es auf verschiedene Differenzen an: early and late onset, heilbar/unheilbar, progredient und chronisch vs. akut und vorübergehend etc. Jede Krankheit hat darüber hinaus einen besonderen, nur phänomenologisch erfassbaren Erfahrungshintergrund (für LAM vgl. Carel 2008), der dazu führt, dass die Betroffenen und die Familien der Betroffenen Experten ihrer Krankheit sind. Diese Expertise einzubeziehen und adäquat zu bewerten ist für gute Entscheidungsfindung essentiell (Scully 2008). Dies ist eine weitere Arbeitshypothese des Projekts. In der Klausurwoche sollen verschiedene Krankheitsgruppen exemplarisch betrachtet werden: 1) Kardiovaskuläre Krankheiten, 2) Neuromuskuläre Krankheiten,2 3) Parkinson. 4) In den letzten Jahren hat sich in der praktischen Philosophie eine neue Diskussion um die wünschbaren Ziele im Leben ergeben, die am aristotelischen Begriff der eudaimonia anknüpft, den Begriff aber modern auslegt. Diese Tradition der „Ethik des guten Lebens“ (Wolf, Nussbaum) soll speziell einbezogen werden, um zu untersuchen, ob daraus Klärungspotenziale entstehen, die sich mit den sonst in der Moderne dominanten Ethikansätzen des Kantianismus und des Utilitarismus nicht erreichen lassen. Um die utilitaristische Sicht repräsentativ einzubeziehen, ist 2 Es besteht Kontakt zur Deutschen Gesellschaft für Muskelkrankheiten und zu einem patientenorientierten Forschungsnetzwerk für neuromuskuläre Krankheiten. Rehmann-Sutter ist Mitglied des Project Ethics Committee von TREAT-NMD; http://www.treat-nmd.eu vorgesehen, einen ihrer gegenwärtig führenden Vertreter aus Oxford (Savulescu/Kahane 2009) einzuladen. Zitierte Literatur: Ashley E. A. et. al.: Clinical assessment incorporating a personal genome. Lancet. 2010 May 1;375(9725):1525-35. Carel, Havi: Illness. Durham: Acumen 2008. Han, Byung-Chul: Transparenzgesellschaft. Berlin: Matthes & Seitz 2012. Collins, Francis: Has the revolution arrived? Nature 464 (2010): 674f. Kay, Lily E.: Who Wrote the Book of Life? A History of the Genetic Code. Stanford: Standord Univ. Pr. 2000. Loveday, Chey et al.: Germline mutations in RAD51D confer susceptibility to ovarian cancer. Nature Genetics online 7 August 2011. Doi: 10.1038/ng.893. Lupski, James R. et al: Whole-Genome Sequencing in a Patient with Charcot-Marie-Tooth Neuropathy. New England J of Med 362 (2010): 1181-1191. Nelkin, Dorothy / Lindee, M. Susan: The DNA Mystique. The Gene as a Cultural Icon. New York: Freeman 1995. Nussbaum, Martha C.: Gerechtigkeit oder Das gute Leben. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998. Rehmann-Sutter, Christoph: Genetics, a Practical Anthropology. In: Marcus Düwell / Christoph Rehmann-Sutter / Dietmar Mieth (eds.): The Contingent Nature of Life. Berlin: Springer 2008, pp. 37-52. Rehmann-Sutter, Christoph / Müller, Hansjakob (eds.): Disclosure Dilemmas. Ethics of Genetic Prognosis after the ‚Right to Know / Not to Know’ Debate. Farnham: Ashgate 2009. Rehmann-Sutter, Christoph, in press: Das ganze Genom. Ethische Überlegungen zur vollständigen Sequenzierung der individuellen DNA. In: Grit Schwarzkopf et. al. (Hrsg.): Der (un)durchsichtige Mensch. Wie weit reicht der Blick in die Person? Heidelberg: Marsilius-Kolleg. Savulescu, Julian / Kahane Guy: The moral obligation to create the child with the best chance of the best life. Bioethics 23 (2009): 274-290. Scully, Jackie Leach: Disability Bioethics. Moral Bodies – Moral Difference. Lanham: Rowman & Littlefield 2008. Stone, Jay: Genetic mystery solved as the first Briton has their whole genome sequenced. BioNews 8 August 2011. Wolf, Ursula: Die Philosophie und die Frage nach dem guten Leben. Reinbek: Rowohlt 1999. 3.0 Praktische Durchführung des Projektes Hauptakteure Prof. Dr. Christoph Rehmann-Sutter (Theorie und Ethik der Biowissenschaften, IMGWF, Uni Lübeck) Prof. Dr. Jeanette Erdmann (Leiterin Arbeitsgruppe für kardiovaskuläre Genetik, Medizin. Klinik II, Uni Lübeck) Malte Dreyer MA (Scientific officer der Klausurwoche „Genetic Transparency?“ IMGWF, Uni Lübeck) Laufzeit des Projektes 12 Monate: 01.11.2012 bis 31.10.2014. 3.1 Strukturplan der Klausurwoche Die Planung des Programms der Klausurwoche ist auf die fokussierte und vertiefende Behandlung einer Reihe tagesspezifischer Themenschwerpunkte ausgelegt. Die jeweilige Thematik wird morgens durch einen 45-minütigen Expertenvortrag eröffnet, daran schließt sich eine erste Diskussion an. Im Verlauf des Tages wird das Schwerpunktthema durch 30-minütige Vorträge der ausgewählten Teilnehmer/innen vertieft und erweitert. Von den Fachexperten erhoffen wir uns einerseits die o.g. Impulsvorträge, darüber hinaus aber können sie die ausgewählten Referate der Teilnehmer/innen kommentieren und so durch ihre fachspezifischen Beiträge und konkrete Denkanstöße die interdisziplinäre Forschung zwischen jungen Forschern, Theoretikern und Praktikern bereichern. Folgende sieben international einschlägig bekannte Experten wurden auf Grund ihrer einschlägigen Publikationen ausgewählt und haben ihre Teilnahme an der Klausurwoche zugesagt: Prof. Dr. med. Peter Propping, Institut für Humangenetik der Universität Bonn PD Dr. Tim Strom. Helmholtz Zentrum München. Prof. Dr. Thomas Meitinger, Helmholtz Zentrum München. Next generation sequencing platform Prof. Dr. med. Gabriele Gillesen-Kaesbach, Humangenetik, Universität zu Lübeck Prof. Dr. Thomas Douglas, Applied Ethics, St Cross College, University of Oxford Prof. Catherine Lyall, INNOGEN, University of Edinburgh Prof. Lene Koch, University of Copenhagen Am Montag soll aus naturwissenschaftlicher und biomedizinischer Sicht geklärt werden, welche Entwicklungen international relevant und realistisch zu erwarten sind. Zunächst bestimmen wir den Bereich der Omics-Technologien. In einem darauf folgenden Schritt werden die „next generation genomics“ innerhalb dieses Bereiches verortet. Die verschiedenen Bereiche der Biomedizin können heute nicht mehr gesondert voneinander begriffen werden, weil sie in komplexen Wechselverhältnissen miteinander stehen und eine Veränderung beispielsweise in der Bioinformatik oder Epigenomforschung Auswirkungen auf Bereiche der Genomforschung hat. Wir fragen nach den komplexen Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf die Erkenntnisgewinnung der Biologie und versuchen mithilfe der STS zu ermitteln, inwiefern auch die Dynamik sozialer Kooperationen die Erkenntnisse und Gegenstände der Humanbiologie bestimmt. Am Dienstag wird ein zentraler Praxisbereich (Fortpflanzung) vorgestellt. Wir thematisieren die ethischen Fragen, die sich infolge der am Montag untersuchten technischen Entwicklungen im Bereich der Fortpflanzung ergeben und stellen mögliche Antworten zur Diskussion. Dazu werden die jeweils nötigen Grundlagen, Hintergrundinformationen und methodischen Kompetenzen eingebracht. Es wird eine kontextsensitive Problemerfassung angestrebt. Am Mittwoch knüpfen wir an die kritische Auseinandersetzung mit Ansätzen der philosophischen Ethik an und diskutieren Begründungen für Kriterien ethisch gehaltvollen Handelns im Bereichen der Prävention. Auch diese Sektion wird von einem Vortrag eingeleitet, der zunächst den aktuellen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand vorstellt. Im Mittelpunkt des Tages wird die Frage stehen, welche Auswirkungen die Entwicklungen der Omics-Technologien und das durch sie erzeugte Wissen auf soziale Verhältnisse haben und welche möglichen Konfliktlösungsstrategien denkbar sind. Am Donnerstag widmen wir uns zunächst den Prozessen der Dateninterpretation, durch die Informationen aus Studien zu bedeutsamen Gegenständen zwischenmenschlicher Kommunikation gemacht werden. Daraufhin werden wir klären, in welcher Weise OmicsTechnologien überhaupt Transparenz herstellen und wie sich die Wahrnehmung von Gesundheit, Krankheit, Behinderung und damit die gesellschaftliche Solidarität verändern könnte. Dazu überleitend stehen am Freitag normative Überlegungen im Zentrum. Einerseits deskriptiv: Wie verändern sich soziale Normen (Erwartungen, Rollen, Identitäten, „Normalitäten“ etc.)? Und andererseits präskriptiv: Welche Regeln sollen gesetzt werden? Am Samstag sollen die Ergebnisse zusammengetragen, Schlussfolgerungen gezogen und das Buchprojekt besprochen werden. Tagungssprache: grundsätzlich englisch. 4.0 Verwertungsplan Das Projekt Genetic Transparency erschöpft sich nicht in der Klausurwoche sondern versteht sich als mittelfristig angelegtes Vorhaben, dessen Herzstück der geplante Workshop ist. Deswegen wird auf seine Planung und Durchführung besondere Sorgfalt gelegt. Resultate des gesamten Projektes sind (1) greifbare wissenschaftliche Produkte in Form von Publikationen, darunter ein Buch, (2) ein internationales Forschernetzwerk mit einer Verankerung in Deutschland, (3) ein Set von anschlussfähigen inhaltlichen Resultaten für die Praxis und weiterführenden, forschungsrelevanten Fragestellungen, (4) die Förderung des mit dem Thema beschäftigten wissenschaftlichen Nachwuchses , sowie (5) die Sensibilisierung der wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit für die oben beschriebenen ethischen Fragen. (1) Im Rahmen des Projektes wird ein Buch entstehen, das nicht als Tagungsband konzipiert werden wird, sondern eine von der Klausurwoche unabhängig lesbare Publikation darstellt. Hierfür werden nach der Tagung die einzelnen Redebeiträge so überarbeitet, dass sie aufeinander überleiten und im Ergebnis einen zusammenhängenden Text ergeben, dessen Gliederung der im Antrag vorgestellten Systematisierung folgt. Die Erfahrungen aus der letzten vom IMGWF veranstalteten Klausurwoche haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit mehrerer Teilnehmer/innen für das Verfassen eines Kapitels aufgrund teilweise stark voneinander abweichender Forschungsschwerpunkte den Arbeitsfluss hemmen kann. Daher werden wir die Autoren bitten, konzeptionell miteinander zu kooperieren und nur die Überleitungen gemeinsam zu verfassen. Außerdem planen wir, nicht alle Beiträge der Klausurwoche zu veröffentlichen, sondern unter den 26 Texten diejenigen auszuwählen, die sich thematisch am besten zu einem kohärenten Text zusammenfügen lassen. Zum Abschluss des Projektes wird dem interdisziplinären Fachpublikum eine wichtige Referenz für künftige Debatten über das Thema „Transparenz durch Daten aus den Omics-Technologien“ vorliegen. Zusätzlich planen wir die Publikation eines populärwissenschaftlichen Textes möglichst in einem (2) (3) (4) (5) überregionalen Feuilleton sowie ein Artikel in einer naturwissenschaftlichen oder philosophischen Fachzeitschrift. Die Klausurwoche bringt junge Forschende aus Deutschland mit einer Reihe von internationalen Wissenschaftlern in Kontakt und verstetigt diesen durch die Vorbereitung der Buchpublikation nach der Tagung (co-autorisierte Artikel, Abstimmung und Diskussion der Beiträge etc.). Die Erfahrungen der letzten Klausurwoche haben gezeigt, dass auf diese Weise Netzwerke etabliert werden, aus denen langfristigere Formen der Zusammenarbeit entstehen. Diese Kooperationsformen haben einen positiven Effekt auf die beteiligten Institutionen und bieten den Beteiligten Anschlussund Vernetzungsmöglichkeiten für ihre gegenwärtigen und künftigen Forschungsprojekte. Die inhaltlichen Ergebnisse, die wir in der Klausurwoche erzielen, sollen die Fachdiskussionen und die bioethische Forschung weiterführen und die Chancen eines fächerübergreifenden Dialogs aufzeigen. Dabei wird insbesondere den Nachwuchswissenschaftler/innen praktisch aufgezeigt, welche Unterschiede und Verknüpfungsmöglichkeiten es zwischen den Disziplinen gibt und worin der Erkenntnisgewinn einer interdisziplinären Herangehensweise liegt. Die in der Klausurwoche erschlossenen Problemhorizonte werden in die laufenden Projekte der eingeladenen Wissenschaftler/innen integriert und bieten darüber hinaus Anlass zur Reflexion der eigenen medizinischen, therapeutischen oder wissenschaftlichen Praxis. Um eine effektive Verknüpfung der theoretischen Reflexion mit den Anwendungsfeldern der Humanwissenschaften nahezulgegen, haben wir in dem Programm der Klausurwoche die Diskussion von Fallbeispielen vorgesehen und zwei Praxisfelder in den Mittelpunkt gestellt (Prävention, Fortpflanzung). Die im Rahmen der Klausurwoche erarbeiteten Thesen werden Promotions- und Habilitationsvorhaben der Teilnehmer/innen bereichern und können in ihren Qualifikationsarbeiten konkret verwertet werden. Ein wesentlicher Gewinn in der Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen liegt bereits darin, sie zu bemerken und zu artikulieren. In der Vorbereitung auf die Klausurwoche werden anerkannte und ausgewiesene Experten verschiedener Fächer für die ethischen Implikationen der Omics-Technologien sensibilisiert. Die Keynotespeaker, die sich sowohl in der Vorbereitungsphase als auch nach der Klausurwoche mit dem Thema auseinandersetzen, sind in biomedizinischen und therapeutischen Arbeitsgebieten tätig, betreiben sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung in internationalen Netzwerken und haben i.d.R. Lehrverpflichtungen. Wir hoffen daher, sie als Multiplikatoren ansprechen zu können und dadurch das wissenschaftliche Interesse auf die Thematik zu lenken.